Charttechnik - gewöhnliche Knock outs oder CFD bewegen sich täglich irgendwo im Bereich von einhundert oder mehr Prozent. Es gibt also täglich mehrere tausend Gelegenheiten, über 100 % zu verdienen.
1. Die Charttechnik
Das ist ja prima, mag mancher Laie jetzt denken. Ich eröffne ein Online-Konto bei diesem Forex-Broker,
von dem dieser Mensch hier schreibt. 50,- EUR habe ich schon noch übrig.
Wie heißt dieser Broker, und wie sind die Margen? Ach, das wurde noch gar nicht erwähnt?
Gewöhnliche Knock outs oder CFD bewegen sich täglich irgendwo im Bereich von einhundert oder mehr
Prozent. Es gibt also täglich mehrere tausend Gelegenheiten, über 100 % zu verdienen.
Adolf Merckle, geboren 1934 in Dresden, war ein solider Unternehmer, der die Betriebe seiner Familie mit
Geschick, Fleiß und großem Engagement fortführte. Aus dem von seinem Vater 1967 geerbten
Blaubeurener Arzneimittelbetrieb mit 80 Mitarbeitern und 4 Millionen Mark Jahresumsatz formte er ein
Unternehmen der Weltliga.
2008 hatte die Merckle-Group etwa 100.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von 30 Milliarden Euro. Adolf
Merckle ging in Optionsscheine. Sein Unternehmen war verschachtelt, es gab Außenstände und
Verbindlichkeiten, so etwas kann immer mal kompliziert werden.
Dann gab es 2008 und 2009 den Versuch, etwas mit Spekulationen zu verdienen, es wurden Optionsscheine
eingesetzt, und Merckle verlor einen dreistelligen Millionenbetrag. Danach war er überschuldet.
In der dürren Erklärung nach seinem Selbstmord am 05. Januar 2009 heißt es, er fühlte Ohnmacht und
Handlungsunfähigkeit. Kurz danach wurde die Merckle-Gruppe in Verhandlungen mit den Banken gerettet.
Man soll die knappen Worte seines Abschiedsbriefes sehr ernst und sehr wörtlich nehmen. Er fühlte
Ohnmacht. Von Charttechnik hatte er wohl keine Ahnung.
Knock outs und CFD – die Limits bewegen sich im sechs-bis siebenstelligen Bereich
Jerome Kerviel, der am 11. Januar seinen 34. Geburtstag feiert, war Trader bei der Societe Generale. Die
Banken handeln natürlich selbst mit den von ihnen emittierten Knock outs und CFD, und die bei ihnen
beschäftigten Trader erhalten ein ziemlich gewöhnliches Gehalt, Boni auf ihre Gewinne und ein Limit für
das Kapital, das sie pro Trade, täglich, wöchentlich und so fort einsetzen dürfen.
Diese Limits bewegen sich im sechs-bis siebenstelligen Bereich, und dies ist vernünftig. Bei der
Unberechenbarkeit der Materie wird so der mögliche Schaden begrenzt, denn die Trader der Banken
bewegen mit einem Mausklick Millionen in Millisekunden.
2. Kerviel umging durch eigene Programmierung die in seiner Software installierten Limits, verursachte einen
Schaden von 50 Milliarden Euro und wurde dafür rechtskräftig verurteilt.
Was war geschehen?
Im Jahr 2007 spekulierte Kerviel mit Knock outs und CFD auf den Dax. Der Index stieg, er strebte seinem
All-Time-High entgegen, und der begabte Kerviel erkannte dies und war mutig. Seit dem Jahr 2000 arbeitete
er für die SocGen, seit 2005 im Arbitrage-Handel.
Als Jerome Kerviel 28 Jahre alt war, hatte der Dax sich gerade von der 2000er Krise erholt, lief im Bereich
von etwa 4500 Punkten seitwärts, stieg dann weiter und stieg und stieg, aber es gab immer wieder
Rückschläge, die sehr schwer zu prognostizieren waren.
Die Grundrichtung jedoch war klar ausgemacht, und die klassische Charttechnik besagte, dass der Index,
wenn er erstmal das All-Time-High geknackt hätte, nicht mehr zu halten sein würde.
10.000 Dax-Punkte wurden im Frühjahr 2007 laufend diskutiert. Und es gab die hübschen deutschen Knock
outs, die man so teuer wählen konnte, dass sie auch einen Rückschlag von - naja 500 Punkten? Oder 1000?
aushalten würden.
Welche Scheine er genau gewählt hat, berichtet Jerome Kerviel in seinem Buch leider nicht. Kerviel dachte
sich folgerichtig: Wenn ich die verdammten Stopps weglasse, die mich immer wieder ausbremsen, und
stattdessen bei Rückschlägen nachkaufe, dann mache ich die ganz große Nummer.
Er dachte auch an seine Boni, noch mehr jedoch dachte er an Ruhm und Prestige, wie es einem im Jahr 2007
neunundzwanzigjährigen Mann zusteht. Deshalb gibt es diese Limits in der Software. Nichts gegen den
Geltungsdrang junger Leute. Aber Vorsicht ist noch immer die Mutter der Porzellankiste.
Nur passiert mit den Knock outs, wenn die Kurse einbrechen?
Er ließ die Stopps weg, und im Spätsommer 2007 begann der Dax zunächst allmählich, dann immer rasanter
einzubrechen. Nun brachte sich Jerome Kerviel nicht um, wie es Adolf Merckle tat. Es war ja auch nicht
sein Geld, das da im elektronischen Nirwana verschwand.
Aber irgendwie kopflos wurde er schon, bis ihm mal jemand über die Schulter schaute und den Rechner
abschaltete.
Da waren die 50 Milliarden schon weg.
Was wusste er von der Charttechnik?
Erfahrene Trader, die mehr als fünfzig Jahre Berufserfahrung haben, verdienen heutzutage ihr Geld am
3. liebsten mit Seminaren und Literatur. Einer von ihnen heißt Joe Ross. Er ist weit über siebzig Jahre alt und
tradet seit seinem 23.Lebensjahr.
Was tut er heute?
Er verkauft seine Bücher, eines kostet nahe 200,- EUR, er reist um die Welt und schult den Nachwuchs,
er gibt auch kostenlose Newsletter heraus, aber warum in der Welt tut er das, wenn man doch mit diesem
Geschäft so fantastisches Geld verdienen kann?
Dieses Geschäft hat sich mehr gewandelt als die gesamte übrige Weltwirtschaft. Wenn man es überhaupt
mit irgendetwas vergleichen kann, dann mit dem Vormarsch der Elektronik und des Internets.
Joe Ross stammt aus einer Traderfamilie, die schon Ende des 19. Jahrhunderts Börsenplätze an der
Chicagoer Börse besaß, er verfügte schon über die gesamte Kultur der Charttechnik, als sich europäische
Finanzmanager überhaupt noch nicht darum kümmerten, er ist eine Legende.
Dennoch scheint es, als sei auch diese Kultur, die ihre Ursprünge wohl in Japan im 17.Jahrhundert hat, an
ihre Grenze gelangt.
Knock outs