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EFA ist ein informelles und pragmatisches Netzwerk. Die Stellungnahme ist daher nicht bindend.
Pilotprojekt Erste Folgenabschätzung (EFA)
Grünbuch „Eine europäische Strategie für nachhaltige,
wettbewerbsfähige und sichere Energie“
Bericht der Arbeitgruppe
Federführung: Deutscher Industrie- und Handelskammertag
Mitarbeit: Hanse-Office
Verbindungsbüro des Landes Niedersachsen bei der EU
Vertretung des Freistaates Bayern bei der EU
Das Pilotprojekt „Erste Folgenabschätzung (EFA)“ von europäischen
Gesetzesvorhaben ist eine gemeinsame Initiative der Vertretung des Freistaates
Bayern bei der EU und des DIHK Brüssel zur Schaffung eines informellen
Netzwerkes von Regional- und Wirtschaftsvertretern vor Ort in Brüssel. Das Ziel von
EFA ist, informell und pragmatisch Informationen aus Ländern und Regionen sowie
der Wirtschaft über mögliche Auswirkungen geplanter europäischer
Gesetzgebungsvorhaben und sonstiger Massnahmen frühzeitig in den
Entscheidungsfindungsprozess auf europäischer und nationaler Ebene einfließen zu
lassen.
Ansatzpunkt ist hierbei die Selbstverpflichtung der Kommission, bereits angelegt
im Weißbuch der Europäischen Kommission zum „Europäischen Regieren“
und der Initiative „Better Regulation“, ab dem Jahresarbeitsprogramm 2006
Gesetzesfolgenabschätzungen zu allen Vorhaben durchzuführen und hierbei
Stellungnahmen und Informationen der betroffenen „competent bodies“ zu
berücksichtigen.
EFA ist wegen seiner informellen, nicht institutionellen Arbeitsweise keine
Konkurrenz zu den offiziellen Koordinierungs- und Entscheidungs-
findungsprozessen der beteiligten Institutionen und Verbände, sondern arbeitet im
Vorfeld. Die Stellungnahme stellt lediglich die aktuelle Meinung der oben genannten
Teilnehmer der Arbeitsgruppe dar und ist nicht bindend.
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EFA ist ein informelles und pragmatisches Netzwerk. Die Stellungnahme ist daher nicht bindend.
Stellungnahme zum Grünbuch „Eine europäische Strategie für nachhaltige,
wettbewerbsfähige und sichere Energie“
Das vorliegende Grünbuch ist als Anstoß zu einer intensiveren Beschäftigung mit
energiepolitischen Grundsatzfragen, die von erheblicher Bedeutung für die
wirtschaftliche Entwicklung der EU sind, zu begrüßen. Angesichts einer weltweit
deutlich steigenden Energienachfrage, zunehmender Energieimportabhängigkeit
der EU von wenigen Staaten sowie klimapolitischer Herausforderungen muss
unser Wirtschaftsstandort durch einen stärkeren Zusammenhalt Europas in der
Energiepolitik gesichert werden. Nach außen muss die EU künftig mit einer besser
abgestimmten Strategie auftreten, um als einer der weltweit wichtigsten
Energieverbraucher und -technologieanbieter einen größeren Einfluss auf die
globalen Energiemärkte ausüben zu können. Nach innen brauchen wir effiziente
europäische Regelungen, um gleichzeitig wettbewerbsfähige Energiepreise und
Versorgungssicherheit im Binnenmarkt zu gewährleisten.
Die Kommission stellt die derzeitige Energiesituation zutreffend dar. Die Reaktion der EU
auf die beschriebenen Herausforderungen sollte jedoch grundlegende ordnungspolitische
Prinzipien stärker berücksichtigen. Daher sollte auf eine stärkere staatliche Lenkung der
Märkte und neue Energiebürokratie verzichtet werden. Der Grundsatz eines markt- und
wettbewerbsgesteuerten Energiemix muss beibehalten werden.
Während in der Energieaußenpolitik über die Vorschläge des Grünbuchs hinaus eine
Verstärkung der Kompetenzen der EU-Kommission zu erwägen ist, um die Stellung der
EU als weltweit zweitgrößter Energiemarkt zu nutzen, sollte in anderen Handlungsfeldern
eher auf verbesserte Kooperation und optimierte Abstimmung der Regelungen in den
Mitgliedstaaten gesetzt werden. Dies gilt etwa für den Wettbewerb bei Strom und Gas
sowie für die Förderung erneuerbarer Energien. In den Bereichen Energieforschung und
Energieeffizienz sind über die heutigen Regelungen hinaus allenfalls solche Aktivitäten
der Kommission angezeigt, die auf eine Verbesserung der Transparenz der
Förderregelungen und auf Benchmark-Übersichten der Aktivitäten in den Mitgliedstaaten
ausgerichtet sind.
Zu den einzelnen von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmenbereichen:
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1) Vollendung der europäischen Binnenmärkte für Strom und Gas
Die noch unvollständige Umsetzung der zweiten Strom- und Gasrichtlinie in den
Mitgliedstaaten sollte baldmöglichst abgeschlossen werden. Die hierzu eingeleiteten
Vertragverletzungsverfahren sind zu begrüßen. Erst nach einer Analyse der Ergebnisse
einer vollständigen Umsetzung der Richtlinien Mitte 2007 kann entschieden werden, ob
weitere Maßnahmen im Bereich der Energienetze erforderlich sind, um einen
diskriminierungsfreien Zugang der Strom- und Gasanbieter zu allen Kunden zu
gewährleisten. Das gilt auch für die Vorgaben zum legal unbundling. Forderungen zum
weiter gehenden ownership unbundling sollten nicht aufgestellt werden, ohne einen
umfassenden Überblick auf der Grundlage einer vollständigen Umsetzung des legal
unbundling zu haben. Andernfalls besteht die Gefahr eines gesetzgeberischen
Aktionismus und einer Überregulierung, die die Marktteilnehmer verunsichert und
Investitionen verzögert.
Zur Verwirklichung des Binnenmarktes wurden über die Richtlinien hinaus Verordnungen
zum Netzzugang bei grenzüberschreitenden Strom- und Gaslieferungen verabschiedet.
Diese Verordnungen sollten als Ansatzpunkt gewählt werden, um das Thema
unzureichender grenzüberschreitender Strom- und Gasinfrastruktur zielführend zu
bearbeiten. Dieser Ansatzpunkt wäre für die Lösung der im Grünbuch aufgeführten
Probleme zielführender als die Einführung eines europäischen Regulierers. Zusätzlich
müssen die Genehmigungsverfahren für die Errichtung von Strom- und Gasnetzen in den
Mitgliedstaaten vereinfacht und beschleunigt werden, damit die benötigte Infrastruktur
rasch ausgebaut werden kann.
Die Energie-Regulierungsbehörden sollten zwar die allgemeinen Wettbewerbsbehörden
auch in Sachfragen beraten, die über Themen des Netzzugangs- und der
Netzorganisation hinaus gehen, insbesondere hinsichtlich der Wettbewerbssituation im
Bereich Stromproduktion sowie des Großhandels und des Vertriebs von Strom und Gas
an Endkunden. Die Entscheidungskompetenz sollte jedoch in diesen Bereichen weiterhin
in den Händen der allgemeinen Wettbewerbsbehörden liegen, da es sich hier um Märkte
handelt, die nicht der dauerhaften Regulierung unterliegen müssen. Es geht um die
Kontrolle des Missbrauchs von Marktmacht in Märkten, in denen die Koordination
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grundsätzlich über Markt und Wettbewerb erfolgen kann. Wettbewerbsverzerrungen im
Binnenmarkt können insbesondere bei energieintensiven Unternehmen zu erheblichen
Standortnachteilen führen. Daher muss verhindert werden, dass uneinheitliche staatliche
Rahmenbedingungen hinsichtlich der Stromlieferkonditionen für energieintensive
Unternehmen innerhalb der EU entstehen.
2) Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten
Die nationalen Regulierungssysteme sollten so angelegt sein, dass sie Anreize für
Investitionen der Unternehmen in effiziente Infrastrukturen setzen und dabei dem
Gesichtpunkt der Versorgungssicherheit ausreichend Rechnung getragen wird. Dafür
werden in einigen Mitgliedstaaten Anreizregulierungssysteme entwickelt – erst in wenigen
Mitgliedstaaten liegt hierzu eine mehrjährige Erfahrung vor. Selbstverständlich ist ein
Erfahrungsaustausch über die Ergebnisse dieser Regulierungsverfahren auch im Hinblick
auf Versorgungssicherheitsaspekte sinnvoll. Fraglich ist, ob der Erfahrungsaustausch
wirklich neue Institutionen erfordert und nicht über bestehende Institutionen bewältigt
werden kann.
Erforderlich ist allerdings eine Einigung der Mitgliedsstaaten auf Mindeststandards zum
Infrastrukturschutz und zur Unterstützung von Ländern nach Schäden an ihrer
grundlegenden Infrastruktur (gemeinsamer Mechanismus). Davon zu trennen sind die
Überlegungen zur Erdöl- und Erdgasbevorratung. Über eine gewisse Steigerung der
Transparenz der Erdölvorräte hinaus ist keine Änderung der erst kürzlich erlassenen
Richtlinien zur Elektrizitäts- und Erdgasversorgungssicherheit erforderlich.
3) Energieträgermix
Wettbewerbsfähige Preise und Versorgungssicherheit setzen einen breiten,
effizienzgesteuerten Energieträgermix voraus. Wenn EU-Mitgliedstaaten in den
Energieträgermix eingreifen, sollte die EU-Kommission in künftigen Berichten für den
Europäischen Rat klar die Preis- und Sicherheitswirkungen solcher Interventionen
darstellen. Der Vorschlag der Kommission zu einem Mindestanteil „sicherer und CO2 –
armer Energiequellen“ sollte allerdings nicht den Grundsatz eines Energieträgermix auf
der Basis von Markt und Wettbewerb beeinträchtigen.
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4) Klimaschutz
Die EU hat im Bereich des Klimaschutzes den weltweit umfassendsten
Instrumenteneinsatz vorzuweisen. Zukünftig müssen zum einen die Rahmenbedingungen
und Zuteilungsregeln für Emissionszertifikate im Binnenmarkt stärker harmonisiert
werden. Zum anderen muss die Kommission baldmöglichst die anderen wesentlichen
Emittenten von Treibhausgasemissionen außerhalb der EU überzeugen, an einer
wirksamen Reduktion der Emissionen mitzuwirken und in dieser Hinsicht verbindliche und
nachprüfbare Zusagen zu geben. Andernfalls werden die Aktivitäten der EU nicht nur
klimapolitisch wirkungslos bleiben, sondern können auch die wirtschaftliche Entwicklung
der EU gefährden.
Energieeffizienz und erneuerbare Energien stellen zwei wesentliche Ansatzpunkte nicht
nur des Klimaschutzes, sondern auch einer Versorgungssicherheitsstrategie dar. Die
Verbesserung der Energieeffizienz kann gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit steigern,
indem Kosten und Energieverbrauch gesenkt werden. Die Einführung neuer, zentral
gelenkter Instrumente ist jedoch deutlich abzulehnen. Tatsächlich bestehende erhebliche
wirtschaftliche Einsparpotenziale sind ohne neue bürokratische Instrumente (z.B. die im
Grünbuch erwähnten weißen Energieeinsparzertifikate) zu unterstützen. Problemadäquat
wären dagegen zielgruppenspezifische Informations- und Weiterbildungskampagnen, die
die Energieverbraucher in die Lage versetzen, Kosten sparende
Energieeffizienzpotenziale zu erkennen und zu nutzen.
In dem Abschnitt über erneuerbare Energien fällt auf, dass die Frage einer europaweit
optimierten Förderung dieser Energiequellen nicht diskutiert wird, während der Frage der
Zielvorgaben über 2010 hinaus eine große Bedeutung beigemessen wird. Da zumindest
in den nächsten Jahren im Strombereich die meisten regenerativen Energiequellen
voraussichtlich nicht wettbewerbsfähig werden, sind in mittelfristiger Perspektive noch
Fördersysteme notwendig, an deren EU-weiter Optimierung gearbeitet werden muss.
Zudem ist im Elektrizitätsbereich aufgrund der grenzüberschreitenden Auswirkungen
der Förderung erneuerbarer Energien ein Abstimmungsbedarf offensichtlich. Dabei
müssen auch diese Märkte auf absehbare Zeit in den Wettbewerb überführt werden. Das
Marktvolumen sollte auf längere Sicht nicht vom Staat determiniert werden.
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Anders verhält es sich im Bereich der erneuerbaren Energien im Bereich Heizen und
Kühlen. Zwar ist aufgrund der Dominanz von Öl und Gas im Heizungsmarkt gerade in
diesem Bereich auch unter Versorgungssicherheitsaspekten eine Steigerung des Anteils
erneuerbarer Energien wünschenswert. Auch aufgrund der massiv gestiegenen Erdöl-
und Erdgaspreise sind in manchen Anwendungen erneuerbare Energien jedoch bereits
wettbewerbsfähig. Die Wettbewerbssituation ist mit derjenigen der Kraft-Wärme-Kopplung
vergleichbar. Daher sollte eine Richtlinie ebenfalls eine Potenzialanalyse in den
Mitgliedstaaten sowie Nachweise für Maßnahmen zur besseren Nutzung der Potenziale
einfordern.
5) Innovationsförderung
Die Steigerung der Ausgaben für Energieforschung in den EU-Mitgliedstaaten ist
dringend erforderlich, um die Anzahl nachhaltiger Energieversorgungsoptionen in der EU
zu erhöhen und die führende Position europäischer Anbieter in vielen der Zukunftsmärkte
im Bereich effizienter Energieerzeugungs- und –nachfragetechnologien zu erhalten. Auch
bei der Energieforschung ist das Subsidiaritätsprinzip zu beachten: Zwar ist es bei einigen
Großtechnologien angezeigt, auf europäische Förderlösungen zu setzen – im Grünbuch
werden ITER (Kernfusion) und Generation IV (Kernspaltung) beispielhaft erwähnt. Für
weitere gemeinsame EU-Energieforschungsprojekte muss konkret geprüft werden, ob
und inwieweit ein europäischer Mehrwert erzielt werden kann. Ein stärker strategisch
ausgerichteter Ansatz bei der EU-Energieforschung darf nicht dazu führen, dass in den
einzelnen Mitgliedstaaten die finanziellen Anstrengungen reduziert werden. Gerade für
KMU ist die mitgliedstaatliche Forschungsförderung einfacher handhabbar und darf
deshalb nicht zu Gunsten europäischer Projekte gekürzt werden. Überdies darf der
Ansatz einer strategischen Forschungsförderung nicht zur kollektiven Fehllenkung der
Forschungsschwerpunkte führen. Eine Verengung der Forschungsförderung auf solche
Forschungsschwerpunkte, die in den Technologieplattformen artikuliert werden können,
sollte verhindert werden. Denn hierbei kann die breite Masse der Unternehmen
schwerlich einbezogen werden.
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EFA ist ein informelles und pragmatisches Netzwerk. Die Stellungnahme ist daher nicht bindend.
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6) Energieaußenpolitik
Der deutlichen Verstärkung einer gemeinsamen Energieaußenpolitik ist zuzustimmen. Im
Zentrum dieser Energieaußenpolitik sollten Energiepartnerschaften mit Energieerzeuger-
und Transitländern stehen. Dabei muss die gegenseitige Öffnung der Märkte für
Investitionen im Energiebereich festgelegt werden. Dies sollte nicht nur zur Festigung der
Beziehungen mit traditionellen Lieferländern, sondern auch zur Diversifizierung der
Lieferbeziehungen – über die Erschließung neuer Öl-, Gas-, und Uranvorkommen bis zur
Verlegung neuer Pipelines - beitragen. Darüber hinaus sind Energiepartnerschaften mit
großen Energie verbrauchenden Ländern zweckmäßig. Hierdurch kann der Absatz
europäischer Energietechnologien gefördert und gleichzeitig über die Verbesserung der
Energieeffizienz zumindest das Verbrauchswachstum gebremst werden. In diesem
Zusammenhang wäre ein internationales Energieeffizienzabkommen zu begrüßen.
Ebenso kann die Anwendung grundsätzlicher energiepolitischer Prinzipien des EU-
Binnenmarktes - wie z.B. diskriminierungsfreier Netzzugang – über den heutigen Bereich
der EU hinaus zur Vergrößerung von Absatzmärkten, verbesserten Umweltbedingungen
und sichereren Energietransitbedingungen beitragen („europaweite
Energiegemeinschaft“).
Jenseits des Vertragswerkes zur europaweiten Energiegemeinschaft bleibt im Grünbuch
allerdings unklar, welche institutionelle Lösung für die Verstärkung einer gemeinsamen
Energieaußenpolitik gewählt werden soll. Im Gegensatz zu anderen
Maßnahmenbereichen finden sich nur Hinweise auf den bereits im Bereich
Energieträgermix vorgeschlagenen Bericht der Kommission und einen formellen
Diskussionsprozess zu diesem Bericht. Fraglich ist, ob dies ausreicht, um eine
gemeinsame Außenpolitik nachhaltig zu stärken und mit einer „gemeinsamen Stimme“ in
Fragen der Energieaußenpolitik zu sprechen.