1. Anhang B
Aufgrund der bevorstehenden ArbVG-Novelle könnte diese Entscheidung bald „ob-
solet“ sein!
Derzeit noch geltende Rechtslage!
* OGH 8.10.2008, 9 ObA 144/07b – Leistungsbezogene Entgeltmodelle
ACHTUNG! ERSTE Rechtsprechung des OGH zur Frage der Zustimmungspflicht des
Betriebsrates bei Einführung von „Performance-Management-Systemen“ oder ver-
gleichbaren Entlohnungsmodellen!
Zum Sachverhalt: Der beklagte Arbeitgeber führte in seinem Betrieb mit 1.1.2004 das soge-
nannte „Performance-Plus“–System ein, mit dem Mitarbeitern die Möglichkeit geboten wur-
de, freiwillig in ein Entlohnungssystem umzusteigen, das neben einem Fixgehalt auch vari-
able Entgeltbestandteile (Prämien) vorsieht.
Verfahrensgegenständlich sind zwei Arbeitnehmergruppen, nämlich einerseits 1.100 Füh-
rungskräfte und Experten, für die das System „PFP-Premium“ gilt sowie 400 „einfache“ Mit-
arbeiter, die in ein anderes Performance-Modell hineinfallen (genannt: „ABF-
Aufgabenbezogenes Feedback“).
Für beide Systemgruppen gilt, dass am Anfang des Jahres individuelle Zielvorgaben zwi-
schen Mitarbeiter und Vorgesetztem festgelegt werden. Am Jahresende findet dann entspre-
chend diesen Zielvereinbarungen eine Bewertung durch den jeweiligen Vorgesetzten statt.
Hierfür gibt es ein Wertungsschema mit fünf möglichen Zielerreichungsgraden (von mangel-
haft oder annähernd erfüllt über sehr gut erreicht bis deutlich oder gar exzellent überschrit-
ten). Wurde das Ziel mehr als nur erreicht, gibt es eine Prämie, die sich wie folgt errechnet:
In jeder Prämienstufe bildet ein prozentueller Anteil des Bruttogehalts eine Zwischenberech-
nungsgröße, die in der Folge mit einem vom Aufsichtsrat je nach Unternehmenserfolg fest-
gesetzten Multiplikator zwischen 0,5 und 1,5 bzw. 0,9 und 1,5 vervielfacht wird. Bei den
ABF-Kräften darf der Vorgesetzte maximal 30 % seiner Mitarbeiter in den Prämienbereich
bringen, bei den Führungskräften und Experten des PFP-Premium-Systems können zwar alle
Führungskräfte in den Genuss einer Prämie kommen, die beiden höchsten Prämienstufen
können aber nur von maximal 30 % der Belegschaftsgruppe erreicht werden.
Der Betriebsrat brachte Klage ein und begehrte die Feststellung, dass diejenigen Arbeitneh-
mer, die nach diesen leistungsbezogenen Performance-Management-Modellen entlohnt wer-
den, auch nach dem 1.1.2004 das Recht auf jenes Entgelt aus dem Dienstverhältnis haben,
das sich nach den bis zum 31.12.2003 angewandten Entgeltberechnungssystemen errech-
net. Der Betriebsrat vertrat nämlich die Auffassung, dass es sich bei den beiden Systemen
um Maßnahmen handelt, die gemäß § 96 Abs 1 Zif 4 ArbVG der Zustimmung des Betriebsra-
tes bedürfen. Diese Zustimmung wurde jedoch nicht erteilt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; das Berufungsgericht hingegen folgte der
Rechtsauffassung des Betriebsrates und sprach aus, dass die Entgeltregelung mangels
Zustimmung des Betriebsrates nichtig wäre.
Der OGH meint nunmehr: Die Einführung eines Entlohnungssystems, bei dem die Arbeit-
nehmer neben einem Fixgehalt auch mit einem variablen Entgeltbestandteil entlohnt
werden, der von der Bewertung der individuellen Zielvorgabe durch den Vorgesetz-
ten und vom wirtschaftlichen Unternehmenserfolg abhängt, bedarf als leistungsbe-
zogenes Entgeltsystem zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrates
nach § 96 Abs 1 Zif 4 ArbVG. Liegt eine entsprechende Betriebsvereinbarung nicht vor,
2. sind derartige auf Zielvereinbarung beruhende Modelle einer leistungsbezogenen
Entlohnung nichtig.
In bisheriger Rechtsprechung des OGH wurde ausgesprochen, dass Voraussetzung für die
Zustimmungspflicht nach § 96 Abs 1 Zif 4 ArbVG zunächst ist, dass die Prämie nicht nur
leistungsbezogen ist, sondern darüber hinaus auch auf einer Entgeltfindungsmethode
beruht, wie sie im Gesetz beispielhaft angeführt wird. Dass der Gesetzgeber den Begriff
des Leistungsentgelts nicht allzu eng verstanden wissen will, zeigt neben dem generel-
len Hinweis auf „ähnliche Entgeltfindungsmethoden“ vor allem die Erwähnung auch sol-
cher Prämien und Entgelte, die auf einem „Arbeits- oder Persönlichkeitsbewertungs-
verfahren“ – also einer Arbeitsplatzbewertung – beruhen. Leistungsbezogen ist eine
Prämie schon dann, wenn sie irgendwie von der tatsächlich erbrachten Arbeitsleis-
tung abhängt, sei es, dass sie für eine bestimmte Mengenleistung gewährt wird (Quanti-
tätsprämie), sei es, dass sie auf anderen mit der Arbeitsleistung zusammenhängenden Be-
zugsgrößen beruht (z.B. Güte und Genauigkeit der Arbeit, besondere Nutzung der Betriebs-
mittel, besondere Einsparungen, genaue Einhaltung vorgegebener Termine, etc).
Ausdrücklich abgelehnt wurde allerdings die Ausdehnung der Gesetzesbestimmung auf Ab-
schlussprovisionen.
Nach Reissner wird für den Entgeltbegriff keine spezielle Art von Entgelt gefordert. Leis-
tungsbezogen wären einschlägige Entgelte nicht nur dann, wenn sie auf Mengenleistungen
abstellten, sondern auch dann, wenn sie auf qualitativen Bezugsgrößen aufbauten. Im Ge-
gensatz zum Zeitlohn richte sich die Höhe des leistungsbezogenen Entgelts nach der tat-
sächlich erbrachten Arbeitsleistung und nicht nach der absolvierten Arbeitszeit.
Reissner verwirft weitere Einschränkungen des Begriffs der Leistungsbezogenheit wie etwa
das Erfordernis, dass die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers kurzfristig schwankende Ent-
gelthöhen herbeiführen können muss oder die Eigenschaft, dass ein gesteigertes Arbeits-
tempo ein höheres Entgelt nach sich zieht. So sei etwa auch ein nach Leistungbewertung
funktionierendes Punktesystem, das zu einer bestimmten Eingruppierung in der Lohn- und
Gehaltsordnung führe, als Grundlage eines leistungsbezogenen Entgelts nach § 96 Abs 1 Zif
4 ArbVG zustimmungspflichtig (sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind). Neben
„Entgelt“ und „Leistungsbezogenheit“ sei als dritte Voraussetzung zu prüfen, ob
das Entgelt auf „Arbeits- bzw. Persönlichkeitsbewertungsverfahren, statistischen
Verfahren, Datenerfassungsverfahren, Kleinstzeitverfahren oder ähnlichen Entgelt-
findungsmethoden“ beruhe. Nach den gesetzlichen Vorgaben kämen nämlich die ver-
schiedensten Entgeltfindungsverfahren in Frage. Liege allerdings keinerlei Verfahren oder
Methode vor, sei der Tatbestand des § 96 Abs 1 Zif 4 ArbVG nicht erfüllt.
Die Gesetzesbestimmung setze einen Zusammenhang zwischen Verfahren/Methode
und Entgeltgestaltung voraus. Dabei müsse sich nicht schon aus dem System selbst der
Anspruch auf Entgelt ergeben: Es gäbe Entgeltfindungsmethoden, bei denen sich das dem
Arbeitnehmer zustehende Entgelt unmittelbar aus den Vorgaben des Systems ergäbe; man
denke etwa an das klassische Akkordsystem. Genauso könne es aber Systeme geben, bei
denen nach Einsatz des Systems eine eigene, zwischen Arbeitgeber und betroffenem Arbeit-
nehmer vorzunehmende Entgeltvereinbarung notwendig sei, um die Ergebnisse der Leis-
tungsbewertung umzusetzen. An solchen Zwischenschaltungen könne die Mitbestimmungs-
pflicht des Betriebsrates nicht scheitern.
Als wesentliche Anforderung an ein Entgeltfindungssystem müsse dessen „Objektivi-
tät“ gesehen werden. Man werde hier wohl besser das Wort „Transparenz“ verwenden:
Die Verfahrensweise müsse demnach auf offen zugänglichen, für Dritte nachvollziehbaren
Kriterien beruhen, deren Anwendung durch ein und dieselbe Instanz oder durch formell
gleichwertige Instanzen so erfolge, dass die erfasste Gruppe von Arbeitnehmern einigerma-
ßen gleichförmig und vergleichbar beurteilt werde. Auch Verfahren, die eine Persönlich-
keitsbewertung vornehmen, wären einzubeziehen.
3. Nach Reissner liegt der Zweck dieser weiten Gesetzesbestimmung darin, dass der Beleg-
schaft Einfluss auf Entgeltbestimmungen zu geben ist, die systematisch auf gewissen
Bewertungskriterien aufbauen. Hierbei sollen insbesondere auch Manipulationsmöglichkeiten
ausgeschaltet werden.
Der OGH meint, dass den Erwägungen Reissners zu folgen sei. Zu eng und im Geset-
zestext nicht gedeckt wären hingegen die Einschränkungen Schranks und der ihm folgenden
Autoren (laut Schrank ist der betriebsverfassungsrechtliche Leistungsentgeltbegriff eher re-
striktiv zu sehen).
Im gegenständlichen Fall ist nach Meinung des OGH eindeutig von „Entgelt“ die Rede. Auch
die „Leistungsbezogenheit“ ist gegeben und steht im Vordergrund. Zunächst werden ganz
konkrete persönliche Leistungsziele vorgegeben; ob und wie weit diese erreicht werden kön-
nen, hängt keineswegs allein von der subjektiven Beurteilung des Vorgesetzten ab, sondern
auch der Vorgesetzte hat sein Leistungskalkül, insbesondere den Erreichungsgrad der vor-
gegebenen persönlichen Ziele des Mitarbeiters, an den dafür vorgegebenen Einordnungs-
schemen zu orientieren. Damit liegt keine unvorhersehbare oder willkürliche Einordnung vor.
Der Betriebserfolg stellt nur eine weitere Rechnungsgröße dar. Die individuelle Be-
wertung folgt hingegen vorgegebenen Richtlinien. Damit steckt das Betriebsergebnis
zwar den Rahmen ab, innerhalb dieses Rahmens erfolgt aber eine methodische Ar-
beits- und Persönlichkeitsbewertung. Da der Gesetzgeber solche Bewertungen aus-
drücklich als Entgeltfindungsmethoden angeführt hat, muss ihm zugesonnen werden, in Kauf
genommen zu haben, dass dabei auch subjektive Elemente des Bewerters einfließen, ohne
dass dies gleich zum Schluss führen muss, dass keine „Entgeltfindungsmethode“ vorliegt.
Auch der Umstand, dass bei den AFB-Kräften nur 30 % in den Genuss von Prämien kommen
können bzw. bei den PFP-Premium-Kräften nur 30 % die höchsten Prämienstufen erreichen
können, ändert nichts daran, dass eine generelle Methode vorliege. Reissner ist laut OGH
auch darin zu folgen, dass eine zwischengeschaltete Individualvereinbarung (Ziel-
vorgabe) nicht zwangsläufig zur Verneinung einer generellen Entgeltfindungsme-
thode führen muss. Dem von Reissner genannten Zweck folgend – nämlich der Be-
legschaft Einfluss auf Entgeltbestimmungen zu geben, die systematisch auf gewissen Bewer-
tungskriterien aufbauen – ergibt sich im vorliegenden Fall daher die Zustimmungspflicht
im Sinn des § 96 Abs 1 Zif 4 ArbVG.