Kulturmanagement ist ein vergleichsweise junges Themengebiet. Auch wenn es sich zunehmend etabliert, so herrscht noch viel Unsicherheit bezüglich Wesen und Inhalte. Das Spektrum an Interpretationen darüber, was Kulturmanagement sei, ist breit gefächert. Der Beitrag greift die unterschiedlichen Meinungen auf und stellt die gemeinsamen Aspekte vor.
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Peter Bendixen: Allgemeine Grundlagen des Kulturmanagements
1. Kultur und Management A 1.1
Strukturen und Prozesse im Kulturmanagement
Allgemeine Grundlagen des
Kulturmanagements
Prof. Dr. Peter Bendixen
Kulturmanagement ist ein vergleichsweise junges Themengebiet. Auch wenn es sich zunehmend
etabliert, so herrscht noch viel Unsicherheit bezüglich Wesen und Inhalte. Das Spektrum an Inter-
pretationen darüber, was Kulturmanagement sei, ist breit gefächert. Der Beitrag greift die unter-
schiedlichen Meinungen auf und stellt die gemeinsamen Aspekte vor.
Gliederung Seite
1. Entstehungshintergründe des Kulturmanagements 2
2. Anmerkungen zu „Kultur“ und „Management“ 5
3. Anleihen aus der Betriebswirtschaftslehre 7
4. Grundfunktionen des Kulturmanagements 10
5. Funktionengruppen 15
5.1 Entdecken und Erfinden 15
5.2 Bewerten und Entscheiden 16
5.3 Entwickeln und Gestalten 18
5.4 Realisieren und Verändern 19
6. Sachgebiete des Kulturmanagements 19
7. Ausblick 23
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2. A 1.1 Kultur und Management
Strukturen und Prozesse im Kulturmanagement
1. Entstehungshintergründe des
Kulturmanagements
Für das Verständnis modernen Kulturmanagements sind die Hinter-
gründe seiner Entstehung und seiner Antriebskräfte wichtig, wenn
auch nicht immer leicht zu erkennen. Sie aufzudecken und ihre Hand-
habbarkeit zu gestalten, ist das Hauptanliegen dieses Beitrages. Die
rasanten Veränderungen, mit ausgelöst durch die elektronischen Me-
dien, insbesondere durch das Internet, sind ein markantes Beispiel für
die Reichweite solcher Kräfte. Das gesamte Kulturleben wird davon in
höchstem Maße tangiert, inhaltlich ebenso wie wirtschaftlich.
Bedarf an Die Erwartungen der Kulturpraxis und damit die Anforderungsprofile
Kulturmanagement für den Einsatz des Kulturmanagements waren und sind außerordent-
lich unterschiedlich selbst innerhalb der einzelnen Sektionen der Kul-
tur. Die klassischen Institutionen der so genannten Hochkultur (Thea-
ter, Opernhäuser, Museen, Orchester, Festspiele usw.) mit ihrer noch
immer dominierenden, aber sich abschwächenden Mittelversorgung
durch Zuwendungen bzw. Subventionen aus den öffentlichen Kultur-
haushalten haben einen ganz anderen Bedarf an Unterstützung durch
professionelles Kulturmanagement als etwa die Tonträgerindustrie, die
Buchverlage, die Stadtteilkulturzentren oder die Kleinkunstbühnen.
Wieder andere Anforderungen stellen die kommunalen Kulturadminis-
trationen oder die Veranstalter im Kulturtourismus. Kulturmanage-
ment ist ein sensibles und, wenn es um Kunst geht, auch empfindli-
ches Gebiet. Jede Institution muss ihre eigene Konzeption aus den
spezifischen Bedingungen des Einzelfalls heraus entwickeln.
Mittlerweile sind die Hemmnisse gegen das, was man landläufig Öko-
nomisierung und Kommerzialisierung nennt, zwar nicht ganz gefallen,
aber deutlich geschliffen. Die Öffnung gegenüber kommerziellen Inte-
ressen aus Gründen der finanziellen Entlastung ist zwar ein handfester,
aber nicht der einzige und vor allem nur ein materieller Brückenschlag
zwischen Kunst und Kommerz. Die unterschwellige Übernahme von
Stilen der Präsentation, die im Kommerz üblich sind (Werbung mit
ihren Infantilismen, Banalitäten und teilweise auch Obszönitäten), ist
nicht minder wirksam, bleibt aber oft im Alltag unbemerkt.
Dieser „immaterielle“ Brückenschlag ist nicht bei der öffentlichen
Präsentation kultureller Institutionen und ihrer Produktionen (vgl.
„Kulturmarketing“) stehen geblieben, sondern hat begonnen, auf die
Inhalte einzuwirken, ein langsamer Prozess, den der Sport längst vor-
gemacht hat. Aus einem Stadion wird dann die AOL-Arena oder die
Allianz-Arena. Die Sportevents nehmen mehr und mehr theatralischen
Charakter an. Vermutlich gibt es bald irgendwo ein x-Theater oder ein
y-Museum.
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3. Kultur und Management A 1.1
Strukturen und Prozesse im Kulturmanagement
Kulturbezogene Konzeptionen
Die besondere Lage in Deutschland (hoher Bestand an kulturellem
Erbe, überdurchschnittlich hohe Subventionsrate bei den Einrichtun-
gen der darstellenden Künste und den Museen, ein – sich inzwischen
allerdings auflösendes – kameralistisches Verwaltungssystem) hat auf
die ersten Konzeptionen und die weiteren Entwicklungen des profes-
sionellen Kulturmanagements deutlich Einfluss ausgeübt.
Die mehr auf Marktorientierung ausgerichteten Konzeptionen von
„Arts Management“ und „Cultural Administration“, wie in den USA
und Großbritannien üblich, haben sich nur zu Vergleichszwecken he-
ranziehen lassen, um die zum Teil gravierenden gesellschafts-
klimatisch und kulturhistorisch bedingten Unterschiede zwischen dem
anglo-amerikanischen Kulturraum und den kontinentaleuropäischen
Traditionen zu verdeutlichen. Unreflektierte Übernahmen kamen (und
kommen teilweise auch heute noch) kaum in Betracht.
Da Kulturmanagement eine stark kontextbezogene, d. h. das reale Anwendungsorientierte
kulturelle Umfeld in der Gesellschaft eines Landes oder einer Region Konzepte
in sich aufnehmende Praxis ist, bleiben Vergleiche mit der Idee mögli-
cher Nachahmungen in jedem Fall problematisch. Praxis ist niemals
kontextfrei. Nur die Theorie kann sich ihren Untersuchungsgegens-
tand frei modellieren und aus dem realen Zusammenhang isolieren.
Praxisrelevante Konzeptionen des Kulturmanagements haben es dage-
gen stets mit den konkreten Bedingungen und Spannungen zwischen
einer Sache und ihrem Kontext oder zwischen Objekt und Ambiente
zu tun. Man kann durchaus vertreten, dass Kulturmanagement essen-
ziell eine kontextorientierte Aufgabe ist.
Fähigkeiten wie durchdringende und gestalterisch umsetzende Wahr- Fähigkeiten und
nehmung des gesellschaftlichen, insbesondere des kulturellen Umfel- Fertigkeiten
des einer Institution, diplomatisches Geschick im Umgang mit Spon-
soren, Förderern, politischen Gremien und die Formung einer stabilen
Reputation in einem sozialen Milieu, das weit über den Markt, d. h.
die unmittelbare Kundschaft, hinausgeht, sind immer stärker in den
Vordergrund getreten.1
Das von der traditionellen Betriebswirtschaftslehre her geprägte Den-
ken und Konzipieren wird zunehmend von den zuletzt genannten
Themen und Sachgebieten zurückgedrängt, ohne dass sie deswegen
ihre grundsätzliche Bedeutung verlieren. Je schwieriger es wird, sich
mit seinem (kulturellen oder künstlerischen) Anliegen in der Öffent-
lichkeit durchzusetzen, umso ausgeprägter werden im Management
Funktionen der Außenfeldwahrnehmung, -deutung und -bearbeitung.
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4. A 1.1 Kultur und Management
Strukturen und Prozesse im Kulturmanagement
Funktionsprofil des Kulturmanagements
Die konzeptionellen Veränderungen im Funktionsprofil des Kulturma-
nagements sind 2-fach. Sie bedeuten
• den Übergang von einer vorherrschenden Binnenorientierung zu
einer auf die gesellschaftliche Außenwelt gerichteten Umfeldorien-
tierung sowie
• eine Akzentverlagerung von einem meist viel zu eng gefassten
(betriebswirtschaftlichen) Marketing zu einer meist viel zu eng auf
Pressemitteilungen und ähnliche Aktivitäten beschränkten Öffent-
lichkeitsarbeit. Es geht vielmehr darum, den gesamten Komplex
der Beziehungsnetze zur Außenwelt und die Fragen der Entwick-
lung von Reputation, Image und Identität im relevanten Umfeld ins
Auge zu fassen.2
Der Kanon der das Kulturmanagement profilierenden Funktionen hat
sich in den letzten Jahren durchgreifend gewandelt. An dieser Ent-
wicklung ist auch die Einsicht beteiligt, dass den Möglichkeiten inter-
ner Rationalisierung dort, wo Kunst, kunstnahe oder allgemein kultu-
rell-substanzielle Produktionen im Raum stehen, faktische und ethi-
sche Grenzen gesetzt sind. Die Rationalisierung mit dem Ziel der Kos-
teneinsparung kann beispielsweise in einem Theater nicht in den Kern
der künstlerischen Produktion eindringen, ohne dessen Substanz zu
beeinträchtigen.
Kern des Das allgemeine Grundthema des Kulturmanagements kann beschrie-
Kulturmanagements ben werden als professionelle Bearbeitung der Spannung zwischen
einer kulturellen oder künstlerischen Produktion mit ihren spezifi-
schen Anliegen und den (meist nur vermuteten oder auf Erfahrung
beruhenden) Erwartungen hinsichtlich der Interessen der Öffentlich-
keit an der Wahrnehmung (oder dem Erwerb) dieser Produktionen.
Kulturmanagement ist in diesem Zusammenhang die Aufbereitung
von (physischen, kognitiven und ästhetischen) Zugängen für das Pub-
likum. Es ist eine Form der Gestaltung von sozialen Umfeldern, d. h.
physischen Ambientes in Veranstaltungsstätten und ihrer lokalen Um-
gebung, aber auch von gesellschaftlichen Umfeldern in Form von
Szenen, Netzen und Milieus sowie von in letzter Zeit immer relevanter
werdenden virtuellen Ambientes in den elektronischen Öffentlich-
keiten des Internets.
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