Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Annika Trockel: Kultur trifft Vergabe. Eine Anleitung für die Praxis
1. C 1.6
Kultur trifft Vergabe
Eine Anleitung für die Praxis
Annika Trockel
Vergaberechtliche Vorschriften machen auch vor dem Arbeitsbereich von Kulturmanagern nicht
Halt. Dieser Beitrag richtet sich vor allem an Praktiker, die das Vergaberecht anzuwenden haben –
etwa weil sie in der öffentlichen Verwaltung arbeiten oder als Zuwendungsempfänger zur Anwen-
dung des Vergaberechts verpflichtet sind.
Gliederung Seite
1. Vergaberechtliche Grundlagen 2
2. 1BWann EU-weite Ausschreibung? 5
3. 2BVergabeverfahren unterhalb des EU-Schwellenwerts 7
4. 3BWesentliche Aufgaben für Kulturmanager im Rahmen des
Vergabeverfahrens 13
5. 4BAnforderungen der VOL/A an die Leistungsbeschreibung 14
6. 5BBesondere Fälle 19
7. 6BZum Schluss: Missachtung von Vergaberecht … und die Folgen 23
KMP 1 32 12 12 1
2. C 1.6 Kultur und Recht
Praxis des Kulturrechts
1. Vergaberechtliche Grundlagen
Ein „Buch mit Allein die Titel von Seminaren zum Vergaberecht, so kreativ sie auch
sieben Siegeln“? klingen mögen, lassen Kulturmanager und -schaffende selten etwas
(Gutes und) Unkompliziertes vermuten: „Vergaberecht – ein Buch mit
sieben Siegeln“ oder „Vergaberecht – wie Sie sich im Dschungel der
Verdingungsordnungen wiederfinden“. Auch die Präsentation für die
Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RUHR.2010
GmbH (Europäische Kulturhauptstadt 2010) ließ mit dem an den
Marketingauftritt angelehnten Namen „Haben Sie mal ein Jahr Zeit?“
eher zeitaufwendige Themen vermuten.
Schwerpunkt: Der Nutzen dieses Beitrags soll darin liegen, eine strukturierte Heran-
Vergabe von Dienst- gehensweise aufzuzeigen, um dieses auf den ersten Blick so sperrige
leistungsaufträgen Thema gut in den Griff zu bekommen. Zunächst soll ein vertieftes
Bewusstsein als Basis für einen verantwortungsbewussten Umgang
mit dem Thema Vergabe geschaffen werden. Außerdem werden Pra-
xisbeispiele, die im Alltag eines Kulturmanagers auftreten können,
näher beleuchtet. Da die juristischen Feinheiten der einzelnen Verga-
beverfahren den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden, soll der
Schwerpunkt auf denjenigen Verfahrensaspekten liegen, die im Be-
reich des Kulturmanagements die größte Relevanz haben. So wird im
Folgenden insbesondere auf die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen
im sogenannten Unterschwellenbereich eingegangen.1
1.1 Definition und wirtschaftliche Bedeutung von
Vergaberecht
Unter dem Begriff Vergaberecht versteht man die Gesamtheit aller
Regeln, die öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von Leis-
tungen zu beachten haben.2
Ausgangspunkt für das heutige Vergaberecht
ist das Europarecht. Das Fortschreiten des
europäischen Integrationsprozesses und die
damit verbundene Vollendung des Binnen-
marktes bedingen einen immer stärkeren Gel-
tungsanspruch des Europarechtes, der auch
Auch privatrechtliche Unternehmen, wie z. B. erhebliche Auswirkungen auf das deutsche
eine Theater-GmbH, können als Zuwendungs- Vergabeverfahren hat. Bedenkt man, dass ca.
empfänger öffentlicher Mittel zur Einhaltung 16 % des gesamten Bruttoinlandproduktes der
von Vergaberecht verpflichtet sein. Diese EU-Länder auf die Vergabe öffentlicher Auf-
Rechtspflicht ergibt sich aus dem Zuwendungs-
träge entfallen, so wird die beachtliche wirt-
bescheid oder Zuwendungsvertrag.
schaftliche Bedeutung der Beschaffungsvor-
gänge deutlich. In absoluten Zahlen ausgedrückt ergeben die gesamten
Beschaffungen der EU-Mitgliedstaaten ein bemerkenswertes Marktvo-
lumen. Das Gesamtvolumen der nach EU-Vergaberecht zu vergeben-
den Aufträge wird für das Jahr 2011 mit einem Wert von rund 420
Mrd. € beziffert.3
2 KMP 1 32 12 12
3. Kultur und Recht C 1.6
Praxis des Kulturrechts
1.2 Grundprinzipien des Vergaberechts
Zentrale Vergabeprinzipien sind:
– Gleichbehandlung (Verbot von Diskriminierung)
– Transparenz
– Wettbewerb
Unter Nichtdiskriminierung ist im Vergaberecht der Grundsatz zu ver- Gleichbehandlung
stehen, dass eine direkte Schlechterstellung aufgrund der Staatsange-
hörigkeit verboten ist.
Transparenz bedeutet vor allem, dass vorhersehbare Entscheidungskri- Transparenz
terien im Rahmen eines klaren, nachvollziehbaren Vergabeverfahrens
angewendet werden. Der Bieter soll also schon vorab erkennen kön-
nen, welche Aspekte dem Auftraggeber wichtig sind und welche
Chancen er demzufolge bei einer Teilnahme an dem – auch für jeden
Bieter zeitaufwendigen – Wettbewerb hat.
Der Wettbewerbsgrundsatz fordert schließlich, dass möglichst vielen Wettbewerb
Unternehmen in einem formalisierten Verfahren die Gelegenheit ge-
geben wird, ihre Leistungen anzubieten.
1.3 Denken in Kaskaden – aber nicht mehr in
9B
Schubladen!?
Das deutsche Vergaberecht ist zweigeteilt. Differenziert wird anhand
des sogenannten EU-Schwellenwerts. Dieser Schwellenwert liegt der-
zeit für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen bei 193.000 €.
Liegt der geschätzte Auftragswert oberhalb dieses Schwellenwerts, so Kaskadensystem
findet das Kartellvergaberecht Anwendung. Die Struktur dieses Kar-
tellvergaberechts ist geprägt vom sogenannten Kaskadensystem –
bestehend aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB),
Vergabeverordnung (VgV) und den Verdingungsordnungen.
KMP 1 32 12 12 3
4. C 1.6 Kultur und Recht
Praxis des Kulturrechts
Die Kaskade des deutschen Vergaberechts 4 :
D D
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
▼
Vergabeverordnung (VgV)
▼ ▼ ▼
VOB VOL VOF
Unter Schwellenwert: Unterhalb des Schwellenwerts ist das Vergaberecht formal Teil des
Haushaltsrecht öffentlichen Haushaltsrechts.5 Regelungen zum Vergaberecht finden
sich in den Haushaltsordnungen aller Bundesländer.6 Daneben existie-
ren zahlreiche Anweisungen, Erlasse, Richtlinien und Satzungen, auf
die im Einzelnen an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann.
Die Grundlage: VOL/A Da dieser Beitrag einen Schwerpunkt auf die Vergabe von Dienstleis-
tungen (in Abgrenzung zu Bauleistungen und freiberuflichen Leistun-
gen) legt, sei an dieser Stelle noch kurz auf die Systematik einer der
hierfür wichtigsten Regelungen, die Vergabe- und Vertragsordnung
VOL/A hingewiesen.
VOL/A
Strukturelle Neuerungen Im Zuge der Modernisierung des Vergaberechts wurde das sogenannte
Schubladensystem der VOL/A mit seinen vier Abschnitten abge-
schafft. Die VOL/A ist seither in zwei Abschnitte unterteilt. Abschnitt
eins beinhaltet die Regelungen, die bei der Vergabe unterhalb der
Schwellenwerte zu berücksichtigen sind. Abschnitt zwei gilt im Be-
reich oberhalb der Schwellenwerte. Die sogenannten a-Paragrafen
wurden in die neue VOL/A eingearbeitet, so dass kein gesonderter
Basisteil mehr besteht.
Nicht mehr enthalten sind dagegen die auf Vergaben im Sektorenbe-
reich anwendbare Abschnitte drei und vier der VOL/A 2006. Diese
gehen vielmehr seit der Modernisierung in die neue Sektorenverord-
nung auf.
Weiterhin erhalten bleibt die Aufteilung der VOL in die Teile A und B.
In Teil A sind die Regelungen niedergeschrieben, nach denen eine
Vergabe öffentlicher Aufträge durchzuführen ist. Dagegen enthält Teil
B die allgemeinen Vertragsbedingungen, die die Grundlage des Ver-
trags zwischen den öffentlichen Auftraggeber und dem Bieter, der den
Zuschlag erhält, bilden.7
4 KMP 1 32 12 12