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Dietrich Koska: Das Traumpaar. Doppelspitzen in Kultureinrichtungen
1. Organisation und Personal E 1.2
Aufbau- und Ablauforganisation
Das Traumpaar
Doppelspitzen in Kultureinrichtungen
Dietrich Koska
Doppelspitzen sind ein gutes Mittel, um Gegensätze von Kunst und Verwaltung bei der Leitung
einer Kultureinrichtung integrierend zum Nutzen der Einrichtung auszugleichen. So lassen sich bei
der Führung von Kultureinrichtungen unterschiedliche Talente und Fähigkeiten einbinden. Sind die
richtigen kooperativen Persönlichkeiten gefunden, bieten Doppelspitzen nach innen und außen
nicht mehr Konfliktpotential als ohnehin zwischen Kunst und Verwaltung besteht.
Gliederung Seite
1. Doppelte Kompetenz oder fauler Kompromiss? 2
2. Doppelspitze aufgrund kommunal-rechtlicher Vorgabe 3
3. Grundtypen 4
4. Beispiele aus der Kulturpraxis 5
4.1 Theater 5
4.2 Museen 7
4.3 Kulturfördernde Einrichtungen 8
4.4 Weitere Einrichtungen 9
4.5 Fragestellungen für die Praxis 10
5. Geschäftsordnung 12
6. Resümee 14
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2. E 1.2 Organisation und Personal
Aufbau- und Ablauforganisation
1. Doppelte Kompetenz oder fauler
Kompromiss?
Das Konfliktpotential bei der Leitung von Kultureinrichtungen ist
traditionell durch die Gegensätze zwischen Kunst und Verwaltung
geprägt. Die Schwerpunktsetzungen und Denkweisen beider Diszipli-
nen sind recht unterschiedlich und nur sehr schwer unter einen Hut zu
bringen. Wurden solche Gegensätze in der Vergangenheit vielleicht
noch mit einem gewissen „Kunstbonus“ von der Außenwelt betrachtet
und als sachnotwendig toleriert, so haben sich die Anforderungen an
die Leitungen von Kultureinrichtungen in den letzten Jahren stark
gewandelt. Neben der weiterhin im Vordergrund stehenden inhaltli-
chen Expertise werden zunehmend Erfolge im Bereich der Vermitt-
lung, des Marketings und des Finanzmanagements erwartet. Kein
Sponsor lässt sich heute noch mit einem nur mündlich vorgestellten
Ausstellungsvorhaben zu einem finanziellen Engagement bewegen.
Gefragt sind daher professionelle Strukturen, die ökonomischen und
öffentlichkeitswirksamen Managementbelangen auch innerhalb des
eigenen Hauses ihren Stellenwert einräumen, ohne die inhaltliche
Kernkompetenz einer Einrichtung zu vernachlässigen.
Integration Ein Theater lässt sich nicht länger nur genialisch „von der Bühne her-
von Gegensätzlichem ab“ leiten, es kommt ganz entscheidend darauf an, auch die kreativen
Potentiale im kaufmännischen Bereich, in der Technik und in der
Kommunikation systematisch einzubinden. Ein Weg, die Interessen-
gegensätze auszugleichen, kann es sein, den (vermeintlichen) Gegen-
satz zum Programm zu machen. Dafür steht die Etablierung einer
Doppelspitze, also die Führung einer Institution durch zwei Leiter.
Dieses kollegiale Führungsmodell integriert unterschiedliche Funktio-
nen und persönliche Kompetenzen bei der Leitung einer Einrichtung.
Diese einfach klingende Lösung hat jedoch in der Öffentlichkeit einen
sehr schlechten Ruf. Der Begriff „Doppelspitze“ löst oft folgende Asso-
ziation aus: Ineffizientes Führen von Organisationen mit hohem Politik-
anteil, bei der auch noch zwei Personen bezahlt werden müssen.
Bekannte Beispiele Als Paradebeispiel dient die letztlich gescheiterte Doppelspitze von
für Doppelspitzen EADS/Airbus, bei der versucht wurde, den binationalen Ursprung des
Luft- und Raumfahrtunternehmens durch zwei Vorstandsvorsitzende
aus Frankreich und Deutschland abzubilden. Einer der Gründe war,
dass weder Deutschland noch Frankreich bei der Personalfrage zu-
rückstehen wollte und so kurzerhand eine Doppelspitze installiert
wurde. Es handelt sich also um einen typischen politischen Kompro-
miss.
Ein weiteres reales politisches Beispiel für Doppelspitzen ist die Füh-
rungsstruktur der Partei „Die Grünen“. In deren Anfangsjahren führten
sie neben der „Rotation“ auch ein Leitungsteam auf höchster Ebene in
das politische Leben der Bundesrepublik neu ein. Hierdurch waren
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3. Organisation und Personal E 1.2
Aufbau- und Ablauforganisation
zwar die verschiedenen Flügel der Partei repräsentiert, die unter-
schiedlichen Ansichten zu Grundsatzfragen waren so aber auch per-
manent in den Medien präsent.
Ein weiteres Charakteristikum von Doppelspitzen ist oftmals eine
zeitliche Befristung. Eine Doppelspitze wird als Übergangslösung
angelegt. Ein solcher Kompromiss bietet sich an, wenn die Abwahl
einer Führungspersönlichkeit nicht sofort gelingt, aber der geplante
Nachfolger schon ins Amt gewählt werden soll. Prominentes Beispiel
dafür ist die legendäre DFB Doppelspitze in den Jahren 2004 bis
2006. Der langjährige DFB Präsident Dr. Gerhard Mayer-Vorfelder
und sein Nachfolger Dr. Theo Zwanziger waren bis zum Ende des
„Sommermärchens“ in der Leitung verbunden. Dieses Spielsystem
wurde aber dann sofort wieder aufgegeben.
Allen geschilderten Beispielen ist gemeinsam, dass Doppelspitzen als Doppelspitze
Kompromisslösung in Kauf genommen wurden. Hätte sich eine Seite nur als Kompromiss?
durchsetzen können, hätte man nicht zu dieser Leitungsstruktur gegrif-
fen. Dieses Bild darf in der Öffentlichkeit vorausgesetzt werden, wenn
das Thema Doppelspitze angesprochen wird.
2. Doppelspitze aufgrund kommunal-
rechtlicher Vorgabe
Eine andere Herkunft und Ausrichtung hat der Begriff im kommunal-
rechtlichen Zusammenhang. Hiermit sind in der sogenannten Norddeut-
schen Ratsverfassung die Ämter des (Ober-)Bürgermeisters als ehren-
amtlichem Repräsentanten der Gemeinde oder Stadt und des (Ober-)
Stadtdirektors als Verwaltungschef gemeint. Sie wurde in Nordrhein
Westfalen bis 1999 und in Niedersachen bis 1996 praktiziert.
Dieses Konstrukt trennte die politische Steuerung einer Stadt durch Politik und Verwaltung
einen (ehrenamtlichen) Politiker von der organisatorischen Verwal- als Doppelspitze
tungsleitung durch einen Verwaltungsprofi. Der Eine beherrscht die
Kunst der Politik und kennt ihre Regeln, der Andere weiß einen Ver-
waltungsapparat zu führen und kennt dazu alle Tricks (und im Zweifel
ebenfalls alle politischen Tricks).
Der Ansatz versucht also, zwei Personen mit unterschiedlichen Erfah-
rungshintergründen gesetzlich definierte Aufgabenbereiche zuzuwei-
sen, anstatt einer für den anderen Bereich möglicherweise ungeeigne-
ten Persönlichkeit alle Kompetenzen zu geben. Dass hierdurch ange-
sichts der unterschiedlichen Startbedingungen von einer auf Zeit ge-
währten politischen Macht und der eher auf Dauer (Ewigkeit) angeleg-
ten öffentlichen Verwaltung andere Konflikte vorprogrammiert sind,
ist richtig, soll hier aber nicht vertieft betrachtet werden.
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4. E 1.2 Organisation und Personal
Aufbau- und Ablauforganisation
Das Element der Verbindung von (ehrenamtlichem) politischem Sach-
verstand mit der berufsmäßigen Verwaltungssteuerung durch (ideal-
erweise...) einen Experten oder eine Expertin findet sich aktuell etwa
im hessischen Kommunalrecht, wo es einen aus ehrenamtlichen Stadt-
räten und hauptberuflichen Dezernenten bestehenden Magistrat gibt.
Beide Gruppen werden vom Stadtparlament gewählt. Der Magistrat
agiert als Kollegialorgan.
3. Grundtypen
Doppelspitzen gibt es in unterschiedlichen Erscheinungsformen. Grund-
sätzlich lassen sich folgende drei Typen unterscheiden:
Typ Beschreibung
„Echte“ Doppelspitze Es gibt zwei rechtlich und hierarchisch absolut gleichberechtigte Per-
sonen, welche eine Einrichtung gemeinsam leiten. Sie können und
sollten unterschiedliche Geschäftsbereiche haben. Beide sind gemein-
sam dem Aufsichtsorgan verantwortlich.
„Unechte“ Doppelspitze Es gibt zwei Leiter mit verteilten Aufgaben, im Konfliktfall stehen einem
Leiter aber Weisungsrechte gegenüber dem anderen zu.
„Virtuelle“ Doppelspitze Dies ist eigentlich keine „richtige“ Doppelspitze, es ist eher die Umset-
zung von Führen als Teamaufgabe auf höchster Ebene. Es gibt eine
enge Abstimmung zwischen dem formalem Leiter einer Einrichtung
und seinem engstem Mitarbeiter, der selbständig eigene Geschäftsbe-
reiche leitet. Die Gesamtverantwortung gegenüber dem Aufsichtsorgan
liegt rechtlich beim Leiter. Auch in der Satzung ist nur ein Leiter vorge-
sehen. Nach außen hin treten beide jedoch als klar erkennbare und
klar abgegrenzte Doppelspitze auf. Diese Außensicht und -darstellung
bildet den Unterschied zur eigentlich üblichen normalen ständigen
Absprache zwischen Institutsleitung und Verwaltungsleitung.
Tab. E 1.2-1 Formen von Doppelspitzen
Die kurz skizzierten Formen von Doppelspitzen stellen unterschiedli-
che Anforderungen an die Rechtsform der Einrichtung. Die „softeste“
dritte Variante ist aber in jeder Rechtsform möglich.
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