Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Dr. Jochen Zulauf: Den Wandel in der Kultur strategisch gestalten
1. D 1.10
Den Wandel in der Kultur strategisch gestalten
Change Management und Kommunikation für Kulturbetriebe
Dr. Jochen Zulauf
Kultureinrichtungen sehen sich in den letzten Jahren mit einem permanenten Wandel konfrontiert,
der vor allem durch das individualisierte Freizeitverhalten der Kulturinteressierten und die Spar-
zwänge der öffentlichen Hand verursacht wird. Um sich den neuen Anforderungen zu stellen, wer-
den in den Kulturbetrieben kontinuierlich neue Arbeitssysteme eingeführt. Sie erfordern ein Mana-
gement von Veränderungen, will man nicht riskieren, dass die Veränderungen am Widerstand der
Mitarbeiter scheitern. Die Betriebswirtschaftslehre bietet hierfür das Verfahren des Change Mana-
gements an, das sich effizient auf die Kultur übertragen lässt.
Gliederung Seite
1. Einleitung 2
2. Die Dynamik von Veränderungsprozessen 2
3. Schlaglichter auf den Veränderungsprozess in der Kultur 3
3.1 Die kulturpolitische Zäsur der Studentenrevolte 3
3.2 Der Überlebenskampf der Kulturbetriebe in den 90er Jahren 4
3.3 Die Kultur im Warenkorb der Erlebnisgesellschaft 5
3.4 Kulturmanagement vs. Kulturpraxis: Die zwei Gesichter des Kulturwandels 6
4. Die konkreten Strategien des Change Managements für Kulturbetriebe 7
4.1 Die gelebte Organisationskultur – das Schaltzentrum des Change Managements 8
4.2 Die Einsatzbereiche des Change Managements 10
4.3 Der Zusammenhang von Struktur, Strategie und Organisationskultur 12
4.4 Wie Mitarbeiter Veränderungen wahrnehmen, beurteilen und sich zu ihnen verhalten 12
4.5 Die vier Etappen des Change Managements 13
5. Ausblick: Die lernende Organisation – Change Management in Permanenz 16
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2. D 1.10 Planung und Steuerung
Strategie und Entwicklung
1. Einleitung
Doch warum suchst du besser nicht zu schirmen
Dich vor der blutigen Tyrannin Zeit,
Und suchest stärkern Schutz vor ihren Stürmen
Dir, als mein unfruchtbares Lied verleiht?
(aus: William Shakespeare, Sonett XVI)
Die Verantwortung Alles und jede(r) ist einem kontinuierlichen Wandel unterworfen. Das
liegt bei der Leitung ist die Banalität des Lebens. Wie jeder einzelne in seinem Leben mit
dem Lauf der Dinge umgeht, liegt in seiner eigenen Verantwortung.
Bei den Veränderungen am Arbeitsplatz sieht das ganz anders aus:
Hier liegt die Verantwortung eindeutig bei der Führung. Die Lei-
tungsmitglieder sind die Verantwortlichen, die die Veränderung mana-
gen müssen. Auch das war schon immer so und ist ebenso banal.
Wie professionell Veränderungen in Betrieben gemanagt werden, ist
eine ganz andere Frage. Aber genau diesem Problem gilt es auf die
Spur zu kommen. Vor allem ist es Ziel dieses Beitrags, eine praktische
Anleitung für das Managen von Veränderungsprozessen in Kulturbe-
trieben zu entwickeln, indem die Strategien des Change Management,
wie sie in der freien Wirtschaft Anwendung finden, auf die Kultur
übertragen werden.
2. Die Dynamik von Veränderungsprozessen
Veränderungen werden Die Geschwindigkeit der sozialen, politischen und wirtschaftlichen
von außen verursacht Veränderungen der letzten Jahrzehnte ist nicht nur atemberaubend,
sondern gleichzeitig Motor für die Verursachung zahlreicher Krisensi-
tuationen. Die Folgen der Globalisierung sind täglich hautnah erleb-
bar. Change Management ist dementsprechend immer auch Krisenma-
nagement. Egal ob ich Veränderungsprozesse in Kultureinrichtungen
aus betriebswirtschaftlicher, ästhetischer, gesellschaftskritischer oder
systemtheoretischer Sicht analysiere: Sie wer-
den primär von außen veranlasst und erzeugen
einen Wandlungsbedarf, der zunächst die Be-
reitschaft zum Wandel erfordert. Erfolgreich
bewältigen kann ich den Veränderungsbedarf
allerdings nur dann, wenn auch die Fähigkeit
Change Management ist – ganz allgemein zum Wandel existiert. (Vgl. Bachert/Vahs
definiert – das systematische Gestalten von
2007, S. 279)
Innovation und Anpassung, um fit für die Zu-
kunft zu werden.
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3. Planung und Steuerung D 1.10
Strategie und Entwicklung
3. Schlaglichter auf den Veränderungs-
prozess in der Kultur
Die Kulturbetriebe sind in den letzten Jahrzehnten einem vehementen Mittelkürzungen
und eruptiven Wandel unterworfen. Die von der öffentlichen Hand in und Wandel des
unregelmäßigen Abständen vorgenommenen Kürzungen des Kultur- Besucherverhaltens
etats und der Wandel des Besucherverhaltens üben beständig Druck
von außen auf die Kultureinrichtungen aus. Umso erstaunlicher ist es,
dass Change Management, soweit ich es überblicke, bislang keinen
Eingang in die Literatur des Kulturmanagements gefunden hat.
3.1 Die kulturpolitische Zäsur der Studentenrevolte
Nachdem in der Nachkriegszeit durch Reeducation und Wiederaufbau „Kultur für alle“
die Kultur sich konsolidiert hatte, meist fernab jeglicher ästhetischer als Katalysator
und institutioneller Innovationen, brach die Studentenrevolte über sie
ein und zeitigte nachhaltige Folgen, auf die die etablierten Betriebe
der Hochkultur mit Veränderung reagieren mussten. Die in der Ära
Willy Brandt fast allerorten geforderte Politik einer „Kultur für alle“
zwang vor allem die Museen, sich neu auszurichten. Waren sie über
Jahrhunderte hinweg die Musentempel, in denen in erster Linie ge-
sammelt, bewahrt und geforscht wurde, um Bildungsbürgern und Wis-
senschaftlern die Zeugnisse der Vergangenheit zur Ansicht zu geben,
bedingte jetzt die Forderung nach einer Kultur, die allen gesellschaft-
lichen Schichten zugänglich sein sollte, ein Umorientierung, bei der
die Ausstellungsobjekte so vermittelt werden, dass sie von möglichst
vielen Besuchern rezipiert werden können.
Die Museen haben sich mehrheitlich dieser Herausforderung gestellt. Museen öffnen sich
Ihre Ausstellungen wandeln sich seit den 70er Jahren zu lebendigen, für breitere
interaktiven Präsentationen (vgl. hierzu insgesamt Schwier 1990, Publikumsschichten
S. 77ff.).
Bei den Stadt- und Staatstheatern ergibt sich ein deutlich anderes Bild:
Verändert wurde unter dem Protest der Studentenrevolte in erster Linie
der Spielplan, wodurch eine veränderte Zuschauerorientierung durch
Ausschluss stattfand. Die Politisierung vollzog sich nicht in der De-
mokratisierung der Präsentation „zur Erweiterung der sozialen und
inhaltlichen Reichweite der besonderen Leistungen der Künste und
des Kulturellen“ (Hoffmann 1990, S. 151), wie es die sozialdemokra-
tische Kulturpolitik einforderte.
Der Wandel vollzog sich vor allem in der politischen Ausrichtung. Das Theater politisieren
Theater machte mobil gegen die Restauration und deren Akteure, das ihre Spielpläne
Bildungsbürgertum, wovon Peter Handkes Stück die „Publikumsbe-
schimpfung“ beredtes Zeugnis ablegt.
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4. D 1.10 Planung und Steuerung
Strategie und Entwicklung
Die Folge davon: Die gegen die Restauration rebellierenden Theater
verloren große Teile ihres Stammpublikums und die „einfachen“ Leute
fühlen sich bis heute nicht angesprochen. Das Theater wurde vieler-
orts zum Sprachrohr der Studentenrevolte, nicht aber zum Katalysator
einer Kultur für alle.
Experimente An dieser Stelle soll nicht unterschlagen werden, dass einige Theater
mit Mitbestimmung für kurze Zeit die Mitbestimmung einführten, allen voran das Schau-
in Theatern spiel der Städtischen Bühnen Frankfurt in den 70er Jahren. Wie wir
sehen werden, ist die Beteiligung der Mitarbeiter an Veränderungspro-
zessen ein wesentlicher Bestandteil von Change Management. Diese
Miteinbeziehung muss allerdings systematisch und planvoll gemanagt
werden. Ein Grund für das Scheitern der Mitbestimmung ist sicherlich
in ihrer unsystematischen Einführung zu verorten.
Diese grundsätzlich unterschiedlichen, durch die 68er-Bewegung ver-
anlassten Veränderungsprozesse hinterlassen bis zum heutigen Tag
deutliche Spuren: Während es den städtischen und staatlichen Museen
bundesweit gelungen ist, ihre Besucherzahlen zu steigern, verzeichnen
die öffentlich subventionierten Bühnen einen stetigen Rückgang ihrer
Zuschauerzahlen (zur Steigerung der Besucherzahlen in den Museen
seit 1990 siehe: Institut für Museumsforschung 2009, S.11; zum Rück-
gang der Besucherzahlen in den Stadt- und Staatstheatern siehe: Haus-
mann 2005, S. 2).
Erfolgsfaktor Diese gegenläufigen Entwicklungen mögen vielfältige Ursachen ha-
Besucherorientierung ben, aber eine Vermutung drängt sich deutlich auf: Dass die konse-
quente Besucherorientierung der Museen, die bei den Theatern erst in
den 90er Jahren zaghaft einsetzt, verantwortlich für den Zuwachs an
Besuchern sein könnte.
3.2 Der Überlebenskampf der Kulturbetriebe in den
90er Jahren
Drastische Kürzungen Die nächste, die Kultur vor neue Herausforderungen stellende Zäsur
in den Kulturetats stellt sich mit der durch Wiedervereinigung und Wirtschaftsrezession
verursachten Misere öffentlicher Haushalte ein (siehe Singer 2003,
S. 26f.). Die öffentliche Hand sieht sich gezwungen, die freiwilligen
Ausgaben, die Kulturetats, drastisch zu kürzen. Unternehmensbera-
tungen halten Einzug in die Kultureinrichtungen, um zu rationalisie-
ren. Die massiven Kürzungen werden zunächst durch den Abbau von
nicht-künstlerischem Personal kompensiert.
Die Etatkrise führte in der Folgezeit zu einem regelrechten Vertei-
lungskampf unter den Kultureinrichtungen, der beim Kampf um das
Schillertheater, das 1993 geschlossen wurde, markant in Erscheinung
tritt.
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