Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Prof. Dr. Friedrich Loock: Kulturwirtschaft. Eine definitorische Annäherung
1. Kultur und Management A 2.1
Kulturmanagement im internationalen Vergleich
Kulturwirtschaft
Eine definitorische Annäherung
Prof. Dr. Friedrich Loock
In ganz Europa werden die Begriffe „Kulturwirtschaft“ bzw. „Creative Industries“ und die mit ih-
nen verbundenen Überlegungen zunehmend hoffähig. Traute man sich lange Zeit nur hinter vorge-
haltener Hand, über die wirtschaftliche Bedeutung von Kunst und Kultur zu diskutieren, so legte
sich in den vergangenen Jahren diese Scheu merklich. Das Ergebnis ist eine Vielzahl an Dokumen-
tationen über die volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von Kunst und Kultur. Im-
mer mehr Bundesländer und Kommunen veröffentlichen entsprechende „Kultur-
wirtschaftsberichte“. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung zeigt der nachfolgende
Einführungsbeitrag auf.
Gliederung Seite
1. Einleitung 2
2. Funktion und Interpretation 3
3. Kultur und Wirtschaft 3
4. Kulturwirtschaft und Kulturwirtschaftsberichte 5
5. Datenlage und Systematik 6
6. Ausblick 8
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2. A 2.1 Kultur und Management
Kulturmanagement im internationalen Vergleich
1. Einleitung
Mehrere Bundesländer und einige Städte erstellten bereits Berichte zur
Kulturwirtschaft. Nordrhein-Westfalen begann damit im Jahre 1992,
inzwischen liegt dort die vierte Dokumentation vor. Die jüngsten Be-
richte veröffentlichten Berlin (2005) und Hamburg (2006). Allerdings
gaben mehrere Bundesländer bislang noch keinen Bericht heraus. Aa-
chen gilt als die erste Stadt in Deutschland, die ihre kommunale Kul-
turwirtschaft beschrieben hat.1
KWB in Europa In den europäischen Ländern sind Kulturwirtschaftsberichte (KWB)
durchaus verbreitet. In der Schweiz haben beispielsweise die Kantone
Zürich und Genf ihre Kulturwirtschaft analysiert, in Österreich waren
es bislang Wien, Linz, Graz und Salzburg. Reports erstellt auch Lon-
don – die britische Metropole gilt aufgrund ihrer europaweit uner-
reichten Vielfalt und Vielzahl an künstlerisch-kreativen Leistungen als
europäische Kulturwirtschafts-Hauptstadt, als „Capital of the Creative
Sector“.
Kultur und Wirtschaft galten lange Zeit als miteinander unvereinbar,
eine zielführende Diskussion über Kulturwirtschaft schien undenkbar.
Doch zunehmend zwingen die Realitäten zu einem etwas weniger
fundamentalistischen Denken und Handeln.
Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass ein öffentlicher
Diskurs über Kulturwirtschaft durchaus Grundlage sein kann für neue
Ideen – sowohl aufseiten der Kultur als auch aufseiten der Wirtschaft.
Staatliche und kommunale Kulturwirtschaftsberichte helfen Zusam-
menhänge zu erschließen, die man zuvor einerseits nicht kannte oder
andererseits unzutreffend einschätzte.
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3. Kultur und Management A 2.1
Kulturmanagement im internationalen Vergleich
2. Funktion und Interpretation
Kulturwirtschaftsberichte haben vorrangig eine dokumentatorische
Funktion. Darin stimmen die Veröffentlichungen weitgehend überein.
Zum Teil erhebliche Unterschiede erstrecken sich von der Bestim-
mung der Begriffe „Kultur“ und „Wirtschaft“ über die Vorstellung
„kulturwirtschaftlich-relevanter Akteure und Aktivitäten“ bis hin zur –
z. T. sogar widersprüchlichen – Abbildung von Leistungen der kultur-
wirtschaftlichen Wertschöpfungskette.
Die Erstellung von Kulturwirtschaftsberichten wird nicht zuletzt des-
halb gleichermaßen begleitet von Erwartungen und Befürchtungen.
Die einen wünschen sich, dass die Bedeutung von Kultur für die Wirt- Erwartungen
schaft und Gesellschaft einer Stadt, einer Region oder eines Landes
erkennbar und nachvollziehbar wird. Konkret erhoffen sie sich zum
Ersten einen Nachweis darüber, dass Kultur nicht nur ein unverzicht-
barer gesellschaftlicher Bestandteil, sondern auch ein ökonomisch
attraktiver Faktor ist. Zum Zweiten soll ein Kulturwirtschaftsbericht
das variantenreiche Spektrum der kulturellen Angebote einer Stadt,
einer Region bzw. eines Landes dokumentieren.
Dem gegenüber sorgen sich andere, dass ein Kulturwirtschaftsbericht Befürchtungen
einem Bestreben Vorschub leistet, das sie mit „Ökonomisierung der
Kultur“ zu umschreiben versuchen. Sie befürchten eine zunehmende
Kommerzialisierung der Kultur bzw. eine unverhältnismäßige Ge-
wichtung ökonomischer Kriterien bei der Bewertung künstlerischer
Leistungen.
3. Kultur und Wirtschaft
Die eingesetzten Begriffe „Kultur“ und „Wirtschaft“ schwanken je
nach Perspektive und Kenntnistiefe zwischen extremer Verengung und
universalem Anspruch. Da sie in hohem Maße auch ideologisch ge-
prägt sind, erfährt das eigentlich Selbstverständliche, nämlich dass
Begriffe nicht nur definiert, sondern immer sogleich auch interpretiert
werden, in diesem Kontext eine besondere Wahrheit.
Kultur
Bereits die Verwendung des Begriffes „Kultur“ für künstlerische Leis-
tung löst in nicht wenigen Diskussionen den Einwand aus, Kultur sei
mehr als nur das – Kultur sei alles von Menschen Geschaffene und
jenes gesellschaftliche Miteinander, das sich über Werte, Normen und
Regeln definiere.
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4. A 2.1 Kultur und Management
Kulturmanagement im internationalen Vergleich
Pragmatischer Umgang Es ist keineswegs beabsichtigt, an dieser Stelle die seit Generationen
währende Diskussion um Kultur unzulässig zu verkürzen. Der Diskurs
wird fortgesetzt werden müssen, da er selbst bereits ein Bestandteil
von Kultur ist. Aus dem hier relevanten Blickwinkel heraus empfiehlt
sich jedoch ein möglichst pragmatischer und ideologiefreier Umgang
mit dem Begriff. Die Literatur bietet dazu an, zwischen einer „Kultur
im weiteren Sinne“ und einer „Kultur im engeren Sinne“ zu unter-
scheiden. Danach entsprechen künstlerische Leistungen der „Kultur
im engeren Sinne“; die gesellschaftlichen Werte, Normen und Regeln
bilden die „Kultur im weiteren Sinne“.
Dass „Kultur“ für künstlerisch-kreative Leistungen stehen kann, bele-
gen nicht zuletzt offizielle Namensgebungen, beispielsweise der „Kul-
turbehörde“ Hamburg und der „Behörde für Wissenschaft, Forschung
und Kultur“ Berlin. Beide zählen zu ihren kulturellen Verantwor-
tungsbereichen vorrangig das künstlerische Spektrum.
Nicht nur „Hochkultur“ Auf der anderen Seite wird Kultur jedoch vielfach verengt auf „Hoch-
Kultur“. Nicht wenige tun sich schwer damit, beispielsweise Leistun-
gen der Popmusik, des Designs und der Architektur ebenfalls zur
künstlerisch-kreativen Kultur zu zählen. Sie lassen häufig nur die an-
spruchsvollen, bildungsorientierten Leistungen als „Kultur“ gelten.
Unterhaltende, angewandte und populäre künstlerische Leistungen –
wie beispielsweise Musicals oder Popkonzerte – verdienen ihrer Auf-
fassung nach nicht die Einordnung unter „Kultur“.
Eine überzeugende Legitimation zur Abgrenzung von E- und U-Kul-
tur, also zwischen „ernster“ und „unterhaltender“ künstlerischer Leis-
tung, ist jedoch nicht erkennbar. Weshalb sollte beispielsweise der
„leichten Muse“ oder dem Popbereich nicht ein ebenso qualifizierter
Anspruch zugrunde liegen wie er dem „ernsten“ Bereich per se zuge-
schrieben wird? Aus der Musikliteratur beispielsweise kennen wir
zahlreiche Kompositionen, denen wir heute in Konzertsälen andächtig
lauschen, die jedoch seinerzeit ausschließlich als Hintergrundmusik
gedacht waren. Bei Weitem nicht alle Konzertstücke und Opern waren
„ernste“ Musik, nicht selten wollten die Komponisten ihr Publikum
damit unterhalten.
Wirtschaft
Wirtschaft und Die Verwendung des Begriffes Wirtschaft im Zusammenhang mit
wirtschaften künstlerischen Leistungen löst ebenfalls häufig Widerstand aus.
Grundlage dafür ist die – falsche – Annahme, Wirtschaft stehe vorran-
gig für „Gewinnerzielung“. Dabei steht „wirtschaften“ zunächst nur
für einen planvollen und zielgerichteten Umgang mit knappen Gütern
zur Befriedigung menschlicher oder betrieblicher Bedürfnisse. Ge-
winnerzielung ist dabei eine, keineswegs aber die einzige mögliche
Ausrichtung wirtschaftlichen Handelns.
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