Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Scheytt: Recht finden – Recht setzen. Rechtsfragen kommunaler Kultureinrichtungen
1. C Betriebsformen-Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
C1 Organisationsstrukturen
Recht finden – Recht setzen
Rechtsfragen kommunaler Kultureinrichtungen
Dr. Oliver Scheytt
Dezernent für Bildung und Kultur der Stadt Essen; seit 1997 Präsident der Kul-
turpolitischen Gesellschaft
Inhalt Seite C
1.1
1. Einleitung 2 S. 1
2. Rechtsquellen 2
3. Kultureinrichtungen – freiwillige Leistung oder
Pflichtaufgabe? 5
4. Einrichtungsformen 9
5. Beteiligungsverfahren 13
Zwar haben die Kommunen einen eigenen Gestaltungsspielraum, auf welche
Weise sie ihre kulturellen Aufgaben erfüllen. Gleichwohl müssen sie eine Reihe
von Rechtspflichten beachten und auch kulturelles Handeln der Kommunen hat
(verfassungs-)rechtliche Grundlagen. In diesem Beitrag wird das rechtliche
Handwerkszeug der kommunalen Kulturarbeit dargestellt.
19 Kultur & Recht März 2003
2. C Betriebsformen-Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
C1 Organisationsstrukturen
1. Einleitung
Die kommunale Kulturarbeit wird vor allem von den kommunalen Kultureinrich-
tungen wie Theatern, Orchestern, Museen, Volkshochschulen, Musikschulen,
Bibliotheken, Archiven usw. gestaltet. Die Kommunen sind bei der Wahrneh-
mung kultureller Aufgaben in diesen öffentlichen Einrichtungen kaum durch
spezielle übergeordnete gesetzliche Vorschriften, etwa des Landes, gebunden.
Gleichwohl vollzieht sich kommunale Kulturarbeit und die Ausgestaltung der
kommunalen Kultureinrichtungen nicht in einem „rechtsfreien Raum“.
C Die Kommunen haben ebenso Rechtspflichten zu beachten, wie sie zur Gestal-
1.1 tung der Kulturarbeit selbst Recht setzen. Ziel dieses Beitrages ist es daher, das
wesentliche rechtliche Handwerkszeug, das für die rechtliche Einordnung und
S. 2 Ausgestaltung kommunaler Kultureinrichtungen relevant ist, zu skizzieren.
Rechtsquellen
V erfassungsrecht G esetzesrecht Satzungsrecht Innenrechtssätze
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-kulturellen G rund- Kreisverordnungen. tung skörperschaft
rechten
-B ildungs- und
E rziehungszielen
2. Rechtsquellen
Abb. 1: Rechtsquellen im Überblick
Verfassungsrecht
Ausgangspunkt für die rechtliche Einordnung aller kommunalen Kulturaktivitä-
ten ist die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG:
„Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der
örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu
regeln.“ (siehe unten). Diese grundsätzliche Freiheit der Kommunen als Teil des
Staates wird durch einige, allerdings sehr allgemeine Verfassungsnormen ergänzt:
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3. C Betriebsformen-Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
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- Kulturelle Grundrechte: zu diesen kulturellen Grundrechten gehören insbe-
sondere Art. 5 Abs. 3 GG – die Kunstfreiheitsgarantie – sowie die auf den
Kulturbereich der Bildung und Erziehung bezogenen Grundrechte der Art. 6
und 7 GG; auch in Länderverfassungen finden sich kulturelle Grundrechte,
wie etwa in Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Verfassung NW: „Jedes Kind hat Anspruch
auf Erziehung und Bildung.“ Eine etwas altertümliche Formulierung findet
sich im Teilhaberecht des Art. 40 Abs. 3 S. 2 der Verfassung von Rheinland-
Pfalz (1947): „Die Teilnahme an den Kulturgütern des Lebens ist dem ganzen
Volke zu ermöglichen..“
- Kompetenz- und Auftragskataloge: z. B. Art. 139 Verfassung Bayern: „Die
Erwachsenenbildung ist durch Volkshochschulen und sonstige mit öffentli-
chen Mitteln unterstützte Einrichtungen zu fördern.“ C
- (Allgemeine) Kulturstaatsklauseln: Diese finden sich nicht im Grundgesetz, 1.1
sondern lediglich in Länderverfassungen wie etwa Art. 18 Abs. 1 Verfassung S. 3
des Landes NW: „Kultur, Kunst und Wissenschaft sind durch Land und Ge-
meinden zu pflegen und zu fördern.“ In der jüngeren Verfassung von Meck-
lenburg-Vorpommern (1993) heißt es: „Land, Gemeinden und Kreise schüt-
zen und fördern Kultur, Sport, Kunst und Wissenschaft.“ (Art. 16 Abs. 1)
- Bildungs- und Erziehungsziele: Auch insoweit finden sich Bestimmungen nur
in den Länderverfassungen (vgl. z. B. Art. 131 Abs. 2 Verfassung Bayern:
„Oberste Bildungsziele sind [...] Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit für
alles Wahre, Gute und Schöne.“)
Gesetzesrecht
Selbstverständlich sind die kommunalen Kultureinrichtungen bei ihrer Arbeit wie
jeder Träger öffentlicher Gewalt an Recht und Gesetz gebunden. Von den allge-
meinen gesetzlichen Regelungen sind die Gemeinde- und Kreisordnungen (GO)
von besonderer Bedeutung, da sie regelmäßig jeweils Vorschriften zu den öffent-
lichen Einrichtungen der Städte, Kreise und Gemeinden enthalten. Nach diesen
Vorschriften schaffen die Gemeinden zur Erfüllung kommunaler Aufgaben inner-
halb der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die erforderlichen öffentlichen Einrich-
tungen (z. B. § 10 Abs. 2 Satz 1 GO Baden-Württemberg,
§ 19 Abs. 1 GO Hessen, § 2 Abs. 1 Satz 2 GO Niedersachsen, § 8 Abs. 1 GO NW,
§ 17 Abs. 1 GO Schleswig-Holstein). Unter „Einrichtung“ im Sinne dieser Vor-
schrift fällt alles, was die Gemeinde an besonderen, auf die Erfüllung einzelner
Verwaltungszwecke gerichteten, organisatorisch verstetigten Vorkehrungen zur
Erbringung ihres Leistungsangebotes im Bereich der Daseinsvorsorge trifft. Das
Spektrum reicht dabei von Schwimmbädern, Versorgungs- und Verkehrsbetrie-
ben, städtischen Theatern bis hin zu Friedhöfen und dem Oktoberfest.
Im Grundsatz entscheidet die Kommune nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen,
welche öffentlichen Einrichtungen geschaffen und unterhalten werden sollen. Ihre
Entscheidung muss sich an den örtlichen Bedürfnissen sowie an der (finanziellen)
Leistungsfähigkeit der Kommune ausrichten (siehe Kapitel 3). Soweit allerdings
gesetzliche Bestimmungen vorschreiben, dass eine Kultureinrichtung zu errichten
und zu unterhalten ist, sind die Kommunen verpflichtet, solche Einrichtungen zu
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schaffen. Derartige Spezialgesetze, wie etwa das Weiterbildungsgesetz NW, das
die Unterhaltung von Volkshochschulen vorschreibt, gibt es für kulturelle Ange-
legenheiten aber nur in wenigen Bundesländern.
Einen Sonderfall stellt das Sächsische Kulturraumgesetz von 1994 dar, das die
Kommunen und Landkreise in Sachsen zur Förderung der Kultur grundsätzlich
verpflichtet. Das Gesetz ist im Kern ein Zweckverbandspflichtgesetz, indem es
die Kooperation der Städte, Kreise und Gemeinden in geographisch und admi-
nistrativ exakt festgeschriebenen Kulturräumen mit Verbandsorganen wie Kultur-
konvent und Kulturbeirat und einer gemeinsamen Finanzierung für die Region
bedeutender kultureller Einrichtungen auch durch eine Kulturumlage vorschreibt.
C Daher ist die allgemeine Erklärung der Kulturpflege zur Pflichtaufgabe auch eine
1.1 notwendige Konsequenz.
S. 4
Satzungsrecht
Eine der wichtigsten Rechtsquellen für kommunale Kultureinrichtungen ist das
Satzungsrecht. Öffentlich-rechtliche Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von
in den Staat eingeordneten juristischen Personen des öffentlichen Rechts im
Rahmen der ihnen gesetzlich verliehenen Autonomie erlassen werden. Satzungen
treten in unterschiedlichsten Formen auf und werden vor allem zur Regelung der
inneren und äußeren Ausgestaltung sowie der Nutzung der Einrichtungen erlas-
sen. Während die Satzungen für die öffentlich-rechtlich organisierten Kulturein-
richtungen öffentlich-rechtlicher Natur sind und von der kommunalen Vertre-
tungskörperschaft (Rat, Kreistag, Gemeindevertretung usw.) verabschiedet wer-
den, sind Satzungen eingetragener Vereine zivilrechtliche Regelungen, die von
der Mitgliederversammlung des Vereins ins Leben gerufen werden. Soweit eine
Kommune an einem eingetragenen Verein beteiligt ist, ist sie indes selbst an ihre
öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen gebunden (etwa das Gleichheitsgebot).
Diese Ausstrahlungswirkung der Grundrechte soll eine „Flucht ins Privatrecht“
der öffentlichen Hand verhindern.
Mit dem Erlass und der Anwendung von Satzungsrecht sind zahlreiche Fragen
verbunden, wie etwa Fragen der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen und
deren Durchsetzung, Haftungs- und Rechtswegfragen, die hier nicht erschöpfend
behandelt werden können. Folgende Grundsätze sollten beachtet werden:
- Die Kommune erlässt Satzungen kraft ihrer Satzungshoheit. Die Gemeinden
entscheiden daher grundsätzlich selbst darüber, ob, mit welchem Inhalt, zu
welchem Zweck und mit welcher Wirkung Satzungen erlassen werden sollen.
- Für die Erhebung von Benutzungsgebühren ist – insbesondere nach den
Kommunalabgabengesetzen – eine satzungsrechtliche Grundlage gesetzlich
zwingend vorgeschrieben.
- Für wesentliche Angelegenheiten der Ausgestaltung einer Kultureinrichtung
sollte ebenfalls Satzungsrecht erlassen werden, um ein gewisses Maß an Ver-
bindlichkeit für alle Beteiligten und auch Legitimation sowie Absicherung für
die Kultureinrichtung zu erreichen.
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