Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Schmitz-Scholemann: Der Status des Künstlers
1. D Arbeits- und Personalrecht
D2 Der Künstler als Arbeitnehmer oder Unternehmer
Der Status des Künstlers
Christoph Schmitz-Scholemann
Richter am Bundesarbeitsgericht
Inhalt Seite
1. Wozu dient der Begriff Arbeitnehmer? 2
1.1 Ein umkämpfter Begriff 2
1.2 Richterrecht 3
1.3 Der idealtypische Arbeitnehmer 3
2. Wer ist Arbeitnehmer? 4 D
2.1 Privatrechtlicher Vertrag 4 2.1
2.2 Leistung von Diensten in Person 4 S. 1
2.3 Persönliche Abhängigkeit (Fremdbestimmtheit) 5
2.4 Vertragspraxis geht vor Papierform 21
3. Arbeitnehmerähnliche Personen 23
3.1 Geschützter Personenkreis 23
3.2 Rechtsfolgen 25
4. Echte Freiberufler 26
5. Arbeitgeber 27
6. Checkliste vertragliche Besonderheiten 29
Von seinem rechtlichen Status hängt sowohl für den Kulturschaffenden als auch
für den Unternehmer vieles ab: Ist der Kulturschaffende „Arbeitnehmer“ im
Rechtssinne, ergibt sich daraus eine Vielzahl spezifisch arbeitsrechtlicher Rechte
und Pflichten, die sich z.T. erheblich von den rechtlichen Regelungen unterschei-
den, die einen Unternehmer bei der Einstellung von freien Mitarbeitern treffen.
Wieder andere Regelungen gelten für die sogenannten arbeitnehmerähnliche
Personen. Dieser Beitrag trägt dazu bei, das arbeitsrechtliche „Dickicht“ zu
durchdringen und zu klären, wann und für wen Arbeitsrecht Anwendung findet.
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2. D Arbeits- und Personalrecht
D2 Der Künstler als Arbeitnehmer oder Unternehmer
1. Wozu dient der Begriff Arbeitnehmer?
Wer ist Arbeitnehmer? Von der richtigen Beantwortung dieser Frage hängt so-
wohl für den Unternehmer als auch für den einzelnen Kulturschaffenden viel ab.
Wenn man von jemandem sagt, er sei Violinist, dann will man damit ausdrücken,
dass er sich auf eine bestimmte Tätigkeit versteht, nämlich das Violinespielen.
Wenn man dagegen sagt, dieser Violinist sei ein Arbeitnehmer, dann beschreibt
man damit nicht seine Tätigkeit als solche, sondern etwas anderes.
Die Frage, ob eine Arbeit als diejenige eines Arbeitnehmers einzuordnen ist, hat
nur bedingt etwas mit der Tätigkeit selbst zu tun. Deshalb sind häufig anzutref-
fende Aussagen wie: „ein Orchester-Geiger ist Arbeitnehmer“ oder „eine Rund-
D funksprecherin ist Arbeitnehmerin“ in dieser Allgemeinheit fast immer falsch.
2.1 Richtig ist dagegen, dass sowohl ein Violinist als auch ein Maler oder Rundfunk-
sprecher Arbeitnehmer sein können.
S. 2
1.1 Ein umkämpfter Begriff
Der Begriff Arbeitnehmer beschreibt die rechtliche Einordnung einer Tätigkeit; es
handelt sich um einen Rechtsbegriff. Rechtsbegriffe dienen, anders als zum Beispiel
philosophische Begriffe, nicht in erster Linie dazu, Erkenntnisse über das wahre We-
sen bestimmter Sachverhalte zu gewinnen, sondern sie haben einen praktischen,
profanen Zweck: Mit ihrer Hilfe sollen Rechte und Pflichten verteilt werden. Rechts-
begriffe sind gewissermaßen die Messer, mit denen der Kuchen des in der Gesell-
schaft erarbeiteten Reichtums aufgeteilt wird. Da über die Verteilung des gesellschaft-
lichen Reichtums je nach Interessenlage unterschiedliche Meinungen bestehen, ist
auch die Definition von Rechtsbegriffen keine wertfreie Angelegenheit.
Ganz im Gegenteil: Politische, wirtschaftliche und immaterielle Wertvorstellun-
gen fließen in die Definition ein, um die heftig gestritten wird. Der Arbeitneh-
merbegriff ist, weil so viel von ihm abhängt, ganz besonders heftig umkämpft.
Es geht um sehr viel Geld, nicht nur um Urlaub, Kündigungsschutz und Streik-
recht, sondern auch um die Kassen der Sozialversicherung, des Staates (Lohn-
steuer) und der Unternehmen.1
Im Kulturbereich gab es zu Beginn der achtziger Jahre eine verbissene Auseinan-
dersetzung um den Arbeitnehmerbegriff, als der Westdeutsche Rundfunk vor das
Bundesverfassungsgericht zog und geltend machte, sein Programmauftrag werde
durch personelle Erstarrung gefährdet, wenn die Arbeitsgerichte fortführen, mit
Hilfe eines sehr weitgefassten Arbeitnehmerbegriffs „freie Mitarbeiter“ in feste
und unbefristete Arbeitsverhältnisse zu bringen. Das Bundesverfassungsgericht
gab dem WDR zu guten Teilen Recht.2 Seither ist das Bundesarbeitsgericht vor-
sichtiger mit der Einstufung von Programm gestaltenden Mitarbeitern als Arbeit-
nehmer.3
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3. D Arbeits- und Personalrecht
D2 Der Künstler als Arbeitnehmer oder Unternehmer
1.2 Richterrecht
Der Umstand, dass der Arbeitnehmerbegriff seit jeher auch politisch umkämpft
ist, hat mit dazu beigetragen, dass es bis heute keine gesetzliche Definition des
arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs gibt. Wenn der Gesetzgeber eine Rechts-
frage nicht beantwortet, bedeutet das aber nicht, dass diese Frage unbeantwortet
bleibt, sondern es führt dazu, dass die Gerichte, in unserem Fall vor allem die
Arbeitsgerichte, die Antwort geben, allerdings immer nur bezogen auf einzelne
Fälle. Die Kardinalfrage des Arbeitsrechts, nämlich: „Wer ist Arbeitnehmer?“
wird im Wesentlichen durch Richterrecht beantwortet.
Da nun bei den Entscheidungen der Gerichte häufig Fall bezogene Besonderhei-
ten im Vordergrund stehen, sind die Antworten der Gerichte nicht einheitlich,
teilweise sogar widersprüchlich, jedenfalls aber schwankend. Wir verstehen nun,
warum in den letzten Jahrzehnten eine auch für Fachleute beinah unübersehbare D
Kasuistik entstanden ist, was zu dem ironisch gemeinten, aber nicht ganz falschen 2.1
geflügelten Wort geführt hat, Arbeitnehmer sei der, den das Bundesarbeitsgericht
S. 3
dazu erkläre.
Tipp:
In diesem Dschungel kann man sich trotzdem zurechtfinden. Voraussetzung ist
nur, dass man sich immer vor Augen hält, welchen Zweck der Arbeitnehmerbe-
griff hat: Nämlich den Personenkreis zu bestimmen, dem die Sonderregelungen,
insbesondere die Schutzbestimmungen des Arbeitsrechts zuteil werden sollen.
Womit dann gleichzeitig entschieden ist, wer die damit verbundenen Lasten zu
tragen hat: der Arbeitgeber.
1.3 Der idealtypische Arbeitnehmer
Dabei kann man sich an einigen Grundkriterien orientieren, die sich im Laufe der
Jahrzehnte als eine Art „Grenzsteine“ bewährt haben. Diese Grundkriterien
stammen im Kern aus der Zeit, in der sich das Arbeitsrecht als Sonderrecht der
als schutzbedürftig angesehenen Beschäftigten zu entwickeln begann, also der
Mitte des 19. Jahrhunderts. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass auch durch
die modernsten und abstraktesten Definitionen des Arbeitnehmerbegriffs immer
noch das Urbild des Arbeitnehmers sichtbar wird: Es ist der wirtschaftlich unter-
privilegierte, nicht selten ausgebeutete und politisch rechtlose Fabrikarbeiter, wie
wir ihn aus der Frühzeit des Kapitalismus kennen. Dieser Arbeiter hat – jedenfalls
vom Erscheinungsbild her – nur wenig mit einem Designer, einem Rundfunk-
sprecher, dem Leiter eines Workshops für Seidenmalerei und noch weniger mit
den Verhältnissen zu tun, unter denen heute ein Kulturschaffender seine Tätigkei-
ten erbringt.
Das erklärt, warum sich die Gerichte gerade im Kulturbereich oft sehr schwer tun
mit der Entscheidung, ob jemand Arbeitnehmer ist.
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4. D Arbeits- und Personalrecht
D2 Der Künstler als Arbeitnehmer oder Unternehmer
2. Wer ist Arbeitnehmer?
Allgemeine Merkmale
Die von den Gerichten gebrauchte Definition des Rechtsbegriffs Arbeitnehmer
lautet in ihrer prägnantesten Form so:
Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste
eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in
persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.4 Was heißt das?
2.1 Privatrechtlicher Vertrag
D Es heißt zunächst, dass der Arbeitnehmer in aller Regel mit seinem Gegenüber,
2.1 dem Arbeitgeber, durch einen privatrechtlichen Vertrag verbunden ist, d.h. der
S. 4 Arbeitnehmer muss sich freiwillig zu der von ihm versprochenen Arbeitsleistung
verpflichtet haben5. Das klingt vielleicht etwas banal, ist aber insofern wichtig,
als damit hoheitliche Dienstverhältnisse, wie die der Beamten, Richter und Solda-
ten ausgeschieden werden. So ist zum Beispiel die Lehrbeauftragte an einer
Kunsthochschule, wenn sie durch einen einseitigen Akt (z. B. „Lehrauftrag“,
„Ernennung“ oder „Bestellung“) beauftragt wird, nicht Arbeitnehmerin, sondern
sie steht in einem beamtenähnlichen, öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis.6
Ferner gehören auch bloße Gefälligkeitsverhältnisse (z. B. Ehegattenmitarbeit
nach § 1356 BGB7) oder ehrenamtliche karitative Tätigkeiten, da über sie kein
Vertrag geschlossen zu werden pflegt, nicht zu den Arbeitsverhältnissen.8
2.2 Leistung von Diensten in Person
Typisch für den Arbeitsvertrag ist es, dass der Beschäftigte zur Leistung von
Diensten verpflichtet ist, regelmäßig jedoch nicht zur Erzielung eines Arbeitser-
folges oder zur Herstellung eines bestimmten Werkes.
Ein Komponist, der mit einem Auftraggeber einen Vertrag schließt und
sich darin zur Ablieferung einer Oper verpflichtet, schuldet das Werk,
nicht aber eine bestimmte Anzahl von Stunden, die er mit Komponieren verbracht
hat. Dieser Komponist ist, weil er nicht Leistung von Diensten, sondern Herstel-
lung eines Werkes schuldet, in aller Regel nicht Arbeitnehmer, sondern –
rechtlich gesehen – ein so genannter Werkunternehmer.
Nun ist aber noch nicht jeder, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages Diens-
te erbringt, auch Arbeitnehmer. Viele Dienstleistungen (etwa von Rechtsanwälten,
Ärzten, aber auch im Kulturbereich) werden aufgrund so genannter freier Dienst-
verträge von „freien Mitarbeitern“ erbracht. Um die Abgrenzung dieser freien
Dienstverträge von Arbeitsverträgen geht es im Folgenden in erster Linie.
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