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AK GWA, 08.10.2015, Hannover
Frederick Groeger-Roth
Landespräventionsrat Niedersachsen
Welche Zusammenhänge bestehen
zwischen Stadtteileigenschaften und
Gewalt & Kriminalität?
Welche Chancen und Herausforderungen
für die Gemeinwesenarbeit lassen sich
daraus ableiten?
Zusammenhänge zwischen Stadtteileigenschaften
und Gewalt & Kriminalität
Zusammenhänge zwischen Stadtteileigenschaften
und Gewalt & Kriminalität
 Grundthese 1:
Kriminalität ist räumlich ungleich verteilt
(dies gilt für Tatorte als auch für Wohnorte der
Täter/innen)
 (?) Grundthese 2:
Diese ungleiche Verteilung hat etwas mit Eigenschaften
von sozialen Räumen zu tun
(und nicht nur mit ungleichen Verteilungen der Bevölkerung)
 Grundthese 3:
(Sozial-)räumliche Faktoren erklären Kriminalität immer nur
zum Teil
Zusammenhänge zwischen Stadtteileigenschaften
und Gewalt & Kriminalität
Drei wichtige Konzepte:
 Soziale Desintegration
 Broken Windows
 Kollektive Wirksamkeit
Soziale Desorganisations - Theorie
Soziale Desorganisations - Theorie
geringes Einkommen / Armut & ethnische Vielfalt
& Bewohnerfluktuation soziale
Desorganisation (z.B. Normenvielfalt)
Entwicklung delinquenter Subkulturen höhere
Kriminalitätsbelastung
(Shaw / McKay 1942)
„Broken Windows“ - Theorie
„Broken Windows“ - Theorie
sichtbare Verwahrlosung im Raum steigende
Unsicherheitsgefühle Wegzug stabiler
Haushalte Nachzug desintegrierter Haushalte
Abwärtsspirale mit steigender Kriminalität
etc. (Wilson & Kelling 1982)
 extrem einflussreich (z.B. Polizeiarbeit)
 starke Hinweise auf Nicht-Haltbarkeit
Keuschnigg / Wolbring 2014
O‘Brien / Sampson 2015
„Kollektive Wirksamkeit“
„Kollektive Wirksamkeit“
Informelle soziale Kontrolle im Quartier ist
entscheidend:
wechselseitiges Vertrauen & gemeinsam geteilte
Werte und Normen unter Bewohner/innen
gemeinsamer Einsatz für diese
Wertvorstellungen weniger Kriminalität
(Sampson, Raudenbush, Earls 1997)
„Kollektive Wirksamkeit“
Übertragbar nach Deutschland?
 uneinheitliche Forschungslage:
Dunkelfeldstudien (z.B. Oberwittler, Kunadt/Reinecke,
KFN) kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen,
meist nur schwacher oder gar kein Einfluss von
Desorganisation / kollektiver Wirksamkeit
 massive Messprobleme:
z.B. nur Querschnittuntersuchungen, keine
mehrdimensionalen Auskünfte, schlechte
Operationalisierbarkeit („Migrantenanteil“ etc.),
zu große „Stadtteile“ (nicht kleinräumig genug)
Chancen und Herausforderungen für
die Gemeinwesenarbeit
 Soziale Desintegration:
Aufwertung Stadtteile, Armutsbekämpfung, Förderung sozialer
Durchmischung (Bsp. „Soziale Stadt“, aber auch MTO in USA)
 Broken Windows:
Sauberkeit und Ordnung in öffentlichen Raum, „Zero Tolerance“
 Kollektive Wirksamkeit:
Förderung von Vertrauen zwischen verschiedenen
Bewohner(gruppen), Entwicklung gemeinsamer
Wertvorstellungen, Unterstützung von Engagement für diese
Wertvorstellungen
Hinderliche Bedingungen für „kollektive
Wirksamkeit“ in benachteiligten Stadtteilen
• Fluktuation / ständiger Wechsel in der
Nachbarschaft
• soziale Distanz zwischen verschiedenen
kulturellen Gruppen
• Armut / soziale Ausgrenzung: Rückzug aus
dem sozialem Leben
• bauliche Vorrausetzungen (können) fehlen
Eine erweiterte Perspektive:
Soziale Entwicklungsstrategie (Hawkins / Catalano):
Werte / Normen / Regeln sind Schutzfaktoren
wenn starke Bindungen zu Personen / Institutionen da sind,
die sie vertreten Bindungen können durch
Partizipation, Kompetenzförderung und Anerkennungskultur
aufgebaut und verstärkt werden
Quelle: YouPrev – Studie der DHPol
4 zusätzliche Aspekte:
zusätzliche Aspekte (1):
 Wenn „private Konflikte“ größere Bedeutung
als „öffentliche Unordnung“ haben
(O‘Brien, Sampson 2015),
ist dann ein Perspektivwechsel der GWA
angebracht?
zusätzliche Aspekte (2):
 die baulichen Aspekte von Quartieren sollten
nicht vergessen werden
(z.B. CPTED, Crime Prevention Through
Environmental Design)
zusätzliche Aspekte (3):
 Kriminalitätsfurcht kann ein größeres Thema
für Stadtteile sein als die
Kriminalitätsbelastung -
auch ein Tätigkeitsfeld für die GWA!
in integrierten Konzepten denken:
zusätzliche Aspekte (4):
weitere Perspektiven (Nachmittag):
 Verhältnis GWA / Stadtteilarbeit und
kommunale (Kriminal-)Präventionsgremien /
-Räte
 Verhältnis LAG - LPR

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Präsentation Frederick AK GWA Regeln, Räume, Reibereien

  • 1. AK GWA, 08.10.2015, Hannover Frederick Groeger-Roth Landespräventionsrat Niedersachsen Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Stadtteileigenschaften und Gewalt & Kriminalität? Welche Chancen und Herausforderungen für die Gemeinwesenarbeit lassen sich daraus ableiten?
  • 3. Zusammenhänge zwischen Stadtteileigenschaften und Gewalt & Kriminalität  Grundthese 1: Kriminalität ist räumlich ungleich verteilt (dies gilt für Tatorte als auch für Wohnorte der Täter/innen)  (?) Grundthese 2: Diese ungleiche Verteilung hat etwas mit Eigenschaften von sozialen Räumen zu tun (und nicht nur mit ungleichen Verteilungen der Bevölkerung)  Grundthese 3: (Sozial-)räumliche Faktoren erklären Kriminalität immer nur zum Teil
  • 4. Zusammenhänge zwischen Stadtteileigenschaften und Gewalt & Kriminalität Drei wichtige Konzepte:  Soziale Desintegration  Broken Windows  Kollektive Wirksamkeit
  • 6. Soziale Desorganisations - Theorie geringes Einkommen / Armut & ethnische Vielfalt & Bewohnerfluktuation soziale Desorganisation (z.B. Normenvielfalt) Entwicklung delinquenter Subkulturen höhere Kriminalitätsbelastung (Shaw / McKay 1942)
  • 8. „Broken Windows“ - Theorie sichtbare Verwahrlosung im Raum steigende Unsicherheitsgefühle Wegzug stabiler Haushalte Nachzug desintegrierter Haushalte Abwärtsspirale mit steigender Kriminalität etc. (Wilson & Kelling 1982)  extrem einflussreich (z.B. Polizeiarbeit)  starke Hinweise auf Nicht-Haltbarkeit
  • 10.
  • 13. „Kollektive Wirksamkeit“ Informelle soziale Kontrolle im Quartier ist entscheidend: wechselseitiges Vertrauen & gemeinsam geteilte Werte und Normen unter Bewohner/innen gemeinsamer Einsatz für diese Wertvorstellungen weniger Kriminalität (Sampson, Raudenbush, Earls 1997)
  • 15. Übertragbar nach Deutschland?  uneinheitliche Forschungslage: Dunkelfeldstudien (z.B. Oberwittler, Kunadt/Reinecke, KFN) kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, meist nur schwacher oder gar kein Einfluss von Desorganisation / kollektiver Wirksamkeit  massive Messprobleme: z.B. nur Querschnittuntersuchungen, keine mehrdimensionalen Auskünfte, schlechte Operationalisierbarkeit („Migrantenanteil“ etc.), zu große „Stadtteile“ (nicht kleinräumig genug)
  • 16. Chancen und Herausforderungen für die Gemeinwesenarbeit  Soziale Desintegration: Aufwertung Stadtteile, Armutsbekämpfung, Förderung sozialer Durchmischung (Bsp. „Soziale Stadt“, aber auch MTO in USA)  Broken Windows: Sauberkeit und Ordnung in öffentlichen Raum, „Zero Tolerance“  Kollektive Wirksamkeit: Förderung von Vertrauen zwischen verschiedenen Bewohner(gruppen), Entwicklung gemeinsamer Wertvorstellungen, Unterstützung von Engagement für diese Wertvorstellungen
  • 17. Hinderliche Bedingungen für „kollektive Wirksamkeit“ in benachteiligten Stadtteilen • Fluktuation / ständiger Wechsel in der Nachbarschaft • soziale Distanz zwischen verschiedenen kulturellen Gruppen • Armut / soziale Ausgrenzung: Rückzug aus dem sozialem Leben • bauliche Vorrausetzungen (können) fehlen
  • 18. Eine erweiterte Perspektive: Soziale Entwicklungsstrategie (Hawkins / Catalano): Werte / Normen / Regeln sind Schutzfaktoren wenn starke Bindungen zu Personen / Institutionen da sind, die sie vertreten Bindungen können durch Partizipation, Kompetenzförderung und Anerkennungskultur aufgebaut und verstärkt werden
  • 19. Quelle: YouPrev – Studie der DHPol
  • 20.
  • 22. zusätzliche Aspekte (1):  Wenn „private Konflikte“ größere Bedeutung als „öffentliche Unordnung“ haben (O‘Brien, Sampson 2015), ist dann ein Perspektivwechsel der GWA angebracht?
  • 23.
  • 24.
  • 25. zusätzliche Aspekte (2):  die baulichen Aspekte von Quartieren sollten nicht vergessen werden (z.B. CPTED, Crime Prevention Through Environmental Design)
  • 26.
  • 27. zusätzliche Aspekte (3):  Kriminalitätsfurcht kann ein größeres Thema für Stadtteile sein als die Kriminalitätsbelastung - auch ein Tätigkeitsfeld für die GWA!
  • 28. in integrierten Konzepten denken: zusätzliche Aspekte (4):
  • 29. weitere Perspektiven (Nachmittag):  Verhältnis GWA / Stadtteilarbeit und kommunale (Kriminal-)Präventionsgremien / -Räte  Verhältnis LAG - LPR