1. Was mir zum Begriff „Missional“ einfallt
Von: Frank
Ich will einmal ein paar Gedanken zum Begriff „Missional“ formulieren in der Hoffnung, einen
gemeinsamen Klärungsprozess anzustoßen. Ich zitiere die Definition von
(http://novavox.org/index.php?option=com_content&view=article&id=69&Itemid=61) und werde
meine Bemerkungen einflechten.
"Missional" ist ein Schlagwort welches seit einigen Jahren in christlichen Kreisen mehr und
mehr Gebrauch findet. Oft bleibt die Bedeutung allerdings im Nebulösen, wird das Wort zu
einer Floskel.
Das mag daran liegen, dass es kein biblischer Begriff ist sondern ein Kunstwort. Darum ist so etwas
immer schwer zu definieren, es sei denn der Urheber hat es genau definiert. Wer hat es eigentlich in
die Welt gesetzt? Es soll wohl etwas vom Missionsbefehl Jesu ausdrücken. Es soll ich aber vom
klassischen „missionarisch“ abgrenzen, sonst wäre ein neuer Begriff nicht notwendig geworden. Was
ist also der Unterschied zu „missionarisch“ und warum ist das wichtig?
Dabei handelt es sich um so viel mehr als eine Floskel. Mit dem Missionalen ist kein neuer
Anstrich, keine neue Methode und kein neues Modell von Glaube oder Gemeinde gemeint. Es
geht vielmehr um ein Paradigma. Ein Paradigma welches das (Glaubens- und Gemeinde-)Leben
von Jesus her definiert und an der Mission Gottes ausrichtet.
Damit soll wohl ausgedrückt werden, dass missional sein nicht oberflächlich verstanden werden soll
oder angewendet werden kann, sondern ein Nachdenkensprozess erfordert, der es auf die aktuelle
eigene Situation überträgt. Etwas, das in allen Situationen anwendbar ist.Kann es wirklich in allen
Situationen Anwendung finden? Ich glaube nein.
Dabei steht die Überzeugung im Hintergrund, dass Gott heute noch ein Anliegen, einen Traum,
eben eine Mission mit dieser Welt verfolgt.
Daran kann kein Zweifel bestehen. Bestand daran jemals ein Zweifel? Seit wann ist Gott wie Menschen,
der etwas versucht und wenn es nicht klappt aufgibt? Aber das nur als kleine Bemerkung am Rande. Es
ist wesentlich mehr als ein Traum. Es ist der Heilsplan Gottes, den er mit Sicherheit erfüllen wird. Es ist
keine Frage ob das Reich Gottes kommt oder nicht, es hängt auch nicht von uns ab. Es kommt. Punkt.
Die Frage ist nur wer mit an Bord sein wird. Sonst nichts. Gott will, dass alle Menschen gerettet werden
und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Das wollte er schon immer. Er ändert sich nicht. Und auch
die 2000 Jahre Kirchengeschichte dienen diesem Heilsplan. Mal mehr mal weniger. Daher würde ich
mir wünschen dieses Paradigma etwas mehr in diesen Kontext zu stellen, denn wir wollen ja
vermeiden, dass es ein wenig naiv wirkt. Wenn man ein neues Paradigma einführen will, was ja an sich
eine gute Absicht ist, und vermutlich auch wirklich notwendig, dann sollte man erst begründen, warum
es wirklich notwendig ist, und worin genau der Unterschied besteht, damit es Überzeugungskraft
entfaltet. Getreu dem Motto: „Was neu ist ist selten gut und was gut ist ist selten neu.“ Ich könnte
mir zum Beispiel große Anknüpfungspunkte an die pietistische Bewegung vorstellen, vor allem wenn
wir an Deutschland denken und an die missionarische Ausstrahlungskraft, die die pietistische
Bewegung in Deutschland und in aller Welt faktisch entfaltete.
2. An dieser Mission hat sich Jesus orientiert und diese Mission Gottes ist der Auftrag und
Anspruch an jeden, der sich ein Nachfolger Jesu nennt.
Ja. Aber: Wir müssen auch anerkennen, dass Jesus als Sohn Gottes mit einer ganz speziellen Mission im
Heilsplan Gottes betraut war, die wie nicht 1:1 auf uns übertragen können. Zuallererst war es seine
Aufgabe die Erlösung für unsere Sünden durch seinen Tod am Kreuz zu erkaufen. Zweitens war es seine
Mission seine Jünger zu gewinnen, anzuleiten und auszusenden, um damit die Grundlage für die
weltweite Gemeinde zu legen. Drittens war es seine Aufgabe, das Kommen des Reiches Gottes den
Kindern Israel anzukündigen und durch Wundertaten Zeichen zu setzen, dass er der Messias ist. Nicht
alles davon ist 1:1 unsere Mission. Trotzdem können und sollen wir – natürlich – viel von Jesus und von
seinem Vorgehen lernen, vor allem wenn er uns auch noch den Auftrag dazu gibt. Im Missionsauftrag
heißt es:
Gehet hin in alle Welt.
Macht zu Jüngern alle Völker
Taufet sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Lehrt sie halten alles, was ich Euch befohlen habe.
In Bezug auf diese konkreten Punkte sollte vom missionalen Paradigma ausgehend Stellung bezogen
werden. Es ist auch ein gewisser Widerspruch, wenn einerseits missional als Paradigma bezeichnet
wird und andererseits als in der Gefahr stehend eine Floskel zu werden. Denn ein Paradigma muss, um
bestehen zu können, mehr Inhalt liefern.
Kurz: "Missional" meint ein Art Glauben und Gemeinde zu leben, die sich an der Mission Gottes
orientiert.
Womit noch nicht der Unterschied zu missionarisch erklärt ist.
Damit ist der Begriff des Missionalen aber nur zur Hälfte charakterisiert. Zur Bedeutung gehört
ebenso ein zweiter Aspekt, und zwar der der Inkarnation. So wie Jesus sich in diese Welt
inkarnierte - er wurde einer von uns, ein Mensch, er lebte mitten unter uns - so geht es beim
Missionalen ebenfalls darum, den Glauben und Gemeinde mitten in dieser Welt zu leben, statt
auf heilige Räume (Kirchengebäude), bestimmte Zeiten (Sonntags), ausgebildete Professionelle
(Pastoren, Priester, etc.) oder bestimmte Veranstaltungen (Gottesdienste etc.) fixiert zu sein.
Ok. So weit so gut und: Sympatie dafür. Was gesagt werden will ist doch:
Gemeinde und Glaube war viel zu lange fixiert auf das, was Kirchenleute daraus gemacht haben. Diese
leben in ihrer eigenen Welt und sind überwiegend vollzeitlich bezahlte Angestellte. Daraus folgt, dass
ihr zentraler Fokus der Ablauf des Gemeindelebens ist und dass die durch ihre Leitungsfunktion die
anderen Gemeindeglieder dazu anleiten, es ebenso zu tun. Der Alltag verliert immer mehr den Fokus,
der Fokus richtet sich auf die „Veranstaltung“ und das „Programm“, welches alle verfügbaren
Ressourcen verschlingen – und viel zu oft darüber hinaus. Ein Petersdom wäre nicht wirklich notwendig
gewesen.
Andererseits sollte man mit dem Begriff Inkarnation vorsichtig sein, denn alleine Jesus kann als
präexistenter Gottessohn Fleisch werden (Johannesbrief) und nicht wir. Wir sind schon Menschen von
Anfang an. Wenn dann wird hier allemal allegorisch von einer Inkarnation gesprochen, was aber
verwirrend sein kann. Denn Jesus wurde nicht inkarniert, indem er auf eine Party ging, sondern indem
3. er empfangen vom Heiligen Geist geboren wurde von der Jungfrau Maria und in eine Krippe gelegt
wurde. Das ist ein ziemlicher Unterschied.
Eine Unterteilung in "heilig" und "profan/sekular" macht dann keinen Sinn mehr.
Das würde ich so niemals stehen lassen. Es ist viel zu ungenau formuliert. Denn natürlich ist heilig eine
sehr wichtige Kategorie, auch im Neuen Testament. Wir sind das heilige Volk Gottes, berufen zu guten
Werken, herausgerufen zu ihm zu gehören. Wir sind erfüllt mit dem heiligen Geist und auch die
Gemeinde ist heilig. Wir sind die Heiligen Gottes und unser Lebensstil soll und muss entsprechend
heilig sein.
Was wohl gesagt werden soll ist, dass sich das Heilige nicht an äußerlichen Kennzeichen festmacht
oder festmachen muss, wie Stunden, Tage, Gebäude, Ämter etc. Pp. Und das ist richtig und wichtig.
Wenn auch die Berufung zum Ältesten einer Gemeinde sehr wohl eine heilige Aufgabe ist.
Stattdessen geschieht Gemeinde mitten in der Welt, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, im
Cafe, im Stadtteil, etc.
Wieso geschieht Gemeinde? Gemeinde ist doch kein Ereignis. Gemeinde das sind die Herausgerufenen,
die Gemeinschaft der Menschen, die Jesus nachfolgen. Ich weiß schon was gesagt werden soll, aber
bitte klarer ausdrücken! Sonst weiß man nicht, ob es wirklich ein falsches Konzept ist, oder ob es nur
ein Missverständnis ist.
Jesus ist auch hier das beste Beispiel: Liest man die uns vorliegenden Texte über Jesus
aufmerksam, so wird von ihm ein Bild gezeigt, wonach er mitten im Leben stand. Er ging auf
wilde Parties und liebte es offensichtlich mit anderen zu feiern. Er war ständig in den Dörfern
und Städten - auf den Marktplätze, in den Privathäusern, an den Arbeitsplätzen der damaligen
Zeit, einfach überall - für das Wohl anderer aktiv. Er war ambitioniert und unerschrocken, ja
geradezu wagemutig in dem was er tat. Er lebte Beziehungen in ihrer ganzen Intensität und auf
allen Ebenen.
Richtig. Und genau das ist auch notwendig und wichtig. Aber es ist nur der Anfang. Denn das allein
reicht nicht aus. Es ist notwendig, sich für die Nachfolge Jesu zu entscheiden, sich taufen zu lassen, sich
lehren zu lassen und sich senden zu lassen und zu weiter und so fort. Das alles gehört zu der Aufgabe
der Gemeinde. Eine Party wo ein paar Christen herumhängen ist keine Gemeindeversammlung. Es ist
wichtig, aber das wäre ein viel zu oberflächliches Verständnis davon.
Kurz: Missional meint eine Art Glauben und Gemeinde zu leben, die sich an der Mission Gottes
orientiert und mitten im Leben stattfindet - weshalb man genau genommen von einer
missional-inkarntorischen Art zu leben spricht. Beides gehört zusammen, das Missionale und
das Inkarnatorische.
Was man hier auch beobachten kann ist, dass hier möglicherweise spezielle Problematiken von
Theologiestudenten behandelt werden sollen. Sie leben teilweise im theologischen Elfenbeinturm,
darum müssen sie sich selbst daran erinnern, den realen Kontakt zu den Menschen nicht zu verlieren.
Ein berufstätiger Familienvater hat dieses Problem ganz und gar nicht. Der hat ganz andere Probleme.
Mir scheint das „Missionale Paradigma“ ist in einer theologischen Fakultät entstanden, in der
jemandem das Bewusstein dämmerte, dass es auch noch eine Welt da draußen gibt. Mal ein wenig
scharfzüngig zugespitzt.
4. Zudem ist es viel zu flach definiert, das ganze Gemeindeleben nur an der Mission nach außen hin zu
formulieren. Wie oft kommt im NT das Wort „einander“ vor? Ist es etwa etwas schlechtes in der
Gemeinde aufeinander zu achten? Nein – ganz und gar nicht. Es wird im NT sogar mehrfach dazu
aufgefordert. Ein neues Paradigma von Gemeinde, das diese Seite nicht beleuchtet und nur auf den
Aspekt nach außen hin gerichtet ist verdient m.E. noch nicht Paradigma genannt zu werden.
Dieses missional-inkarnatorische Paradigma kann sich in unterschiedlichsten Ausdrucksformen
zeigen. Die Expressionen sind vielfältig, weshalb es im Missionalen auch kein "one-size-fits-it-
all"-Modell mehr geben kann. Also keine Einheitsware. Stattdessen sind der Kreativität keine
Grenzen gesetzt.
Jetzt klingt es ein wenig abgehoben.
Einige Prinzipien haben alle Ausdrucksformen allerdings gemeinsam:
- Das Leben wird immer am Vorbild Jesu orientiert.
- Das Mitwirken an Gottes Mission gehört zum Selbstverständnis
- Es geht letztlich immer um Gemeinschaft, also Gemeinde (Gemeinde definiert als eine
Gemeinschaft mit Jesus im Zentrum)
- Die Gemeinschaft ist nach außen orientiert (externally focused) statt nach innen gewandt
oder gar für sich zu existieren
- und weitere
Und jetzt wo es konkret werden sollte, wird es schwammig.
Welcher Christ orientiert sich nicht am Vorbild Jesu?
Welche Gemeinde wirkt nicht an Gottes Mission mit?
Auf einmal geht es doch um Gemeinschaft, wo vorher doch gesagt wurde, der wesentliche
Unterschied ist es nach außen gerichtet zu sein. Scheint mir ein wenig widersprüchlich.
Und warum muss Gemeinschaft nach außen gerichtet sein? Im NT steht, dass wir
Gemeinschaft miteinander haben, wenn Jesus unsere Sünden vergeben hat. Wie kann das auf
Nichtchristen übertragen werden? Das muss genauer beleuchtet werden!
Also ich sehe viele gute Ansätz in diesem missionalen Paradigma, vor allem in Bezug auf die Frage:
Wofür verwende ich meine wertvolle Zeit: Für Akvititäten, die der Erhaltung einer Gemeindeinstitution
dienen mit ihrem Programm und so weiter oder dafür, wie mein Leben effektiv am meisten Frucht
bringen kann. Das ist der gute Aspekt. Aber das herunterzubrechen muss nicht heißen, bei Starbucks
herumzuhängen. Es kann das heißen. Für Singles heißt es das vielleicht. Für berufstätige Familienväter
eher nicht, denn diese haben dafür ohnehin keine Zeit. Ich weiß schon, dass das nicht gesagt wurde,
sondern natürlich geht es auch im Beruf. Klar. Aber eine Mission kann immer nur von einer stabilen
Basis aus erfolgen und das ist nun einmal die Gemeinschaft der Erlösten und auch die Familie – die
kommt in der ganzen Diskussion praktisch gar nicht vor – ein schwerer Fehler! Schließlich wird der
Glaube auch und vor allem in der Familie weitergegeben und zweitens gibt es eine umfangreichere
Palette von geistlicher Frucht als eben bei Starbucks jemanden für die Nachfolge Jesu zu gewinnen.
5. Also ich wiederhole: Viele gute Ansätze. Aber es ist noch viel Klärung und Arbeit notwendig, bevor
dieses neue Paradigma so klar ist bevor es mein „Buy-in“ bekommt.