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Ausgabe 3/2016NNIP Versicherungsnachrichten
MARKTWERTENTWICKLUNG VON VERMÖGEN UND
VERBINDLICHKEITEN DEUTSCHER LEBENSVERSICHERER
(2014 bis 2015)
Autoren: Dominik Remy (Aktuar DAV) und Lutz Morjan, CFA
AUF EINEN BLICK:
Solvency II ist ein risikobasiertes Aufsichtsregime
und erfordert entsprechende marktwertbasierte
Performance‐ und Risikomaße
Mit unserem neu entwickelten Modell können
unterjährig Auswirkungen von
Kapitalmarktentwicklungen auf die Solvenzbilanz
beobachtet werden.
Die Jahre 2014 und 2015 zeigen, dass die Solvency
II‐Bilanzen derzeit hohen Schwankungen
ausgesetzt sind. Eine Weiterentwicklung der
Investmentportfolios erscheint sinvoll.
UNTERSUCHUNGSGEGENSTAND
Mit dem Übergang auf Solvency II zum 1. Januar 2016
und der damit einhergehenden risiko‐ und
marktwertorientierten Versicherungsaufsicht stellt sich
die Frage nach geeigneten Methoden zur Beurteilung
der Kapitalanlageperformance. Ansätze, die unter
Solvency I auf die risikodadjustierte Erzielung der
Nettoverzinsung abstellten, eignen sich hierfür nicht. NN
Investment Partners ist davon überzeugt, dass sich die
Anlagestruktur von Versicherern weiter entwickeln wird.
Um diese Entwicklung zu begleiten, haben wir in
Zusammenarbeit mit dem International Center for
Insurance Regulation an der Goethe‐Universität
Frankfurt am Main und dem Institut für
Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen ein
neues Modell entwickelt.1
Mit dem vorliegenden Modell
1
Das Gutachten zur „Analyse der Kapitalanlageperformance deutscher
Lebensversicherungsunternehmen“ wurde erstellt von Prof. Dr. Helmut
Gründl (Inhaber der Stiftungsprofessur für Versicherung und Regulierung
sowie Geschäftsführender Direktor des International Center for Insurance
Regulation an der Goethe‐Universität Frankfurt am Main), Prof. Dr. Hato
Schmeiser (Inhaber des Lehrstuhls für Risikomanagement und Versicherungs‐
wirtschaft sowie Geschäftsführender Direktor des Instituts für Versiche‐
rungswirtschaft der Universität St. Gallen), Prof. Dr. Alexander Braun
kann eine Vielzahl von Informationen gewonnen
werden: 2
Marktwertbetrachtung: Durch die Abschätzung der
Marktwertentwicklung von Vermögen und
Verbindlichkeiten nähern wir uns den
Bewertungsprinzipien von Solvency II an.
Unterjährige Überprüfung von Investmenttrends:
Das angewandte Modell ermöglicht eine
unterjährige Fortschreibung der Marktwerte. Damit
kann zeitnah geprüft werden, wie sich
Kapitalmarktentwicklungen auf die Solvenzbilanz
auswirken. Wir werden diese in Zukunft regelmäßig
veröffentlichen.
Benchmarkcharakter: Ein Vergleich eines
Unternehmens mit der Entwicklung der
Gesamtbranche ist möglich.
Erhöhte Risikotransparenz: Unter Anwendung
neuer Risikomaße kann die Performance
risikoadjustiert beurteilt werden – z.B. im Vergleich
zur Entwicklung der Verbindlichkeiten oder zum
eingesetzten Eigenkapital. Der Grad der Ausrichtung
des Investmentportfolios auf die Marktrisiken der
Passiva lässt sich beurteilen.
In dieser Ausgabe der Versicherungsnachrichten fassen
wir die wichtigsten Ergebnisse aus dem
Betrachtungszeitraum der Jahre 2014 und 2015
(Assistenzprofessor am Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St.
Gallen) und Diplom‐Volkswirt Florian Schreiber (Projektleiter und Doktorand
am Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen).
2
Eine Beschreibung der angewandten Modellierungsmethoden haben wir in
einem separaten Dokument mit dem Titel „Analyse der
Kapitalanlageperformance deutscher Lebensversicherer ‐
Untersuchungsgegenstand und Modellbeschreibung“ zusammengefasst.
Dieses Dokument steht interessierten Lesern auf Anfrage zur Verfügung.
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NNIP Versicherungsnachrichten Ausgabe 3/2016
zusammen – der offiziellen Vorbereitungsphase auf
Solvency II.
ASSET ALLOKATION
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(BaFin) veröffentlicht quartalsweise Statistiken zur
Kapitalanlage von Erstversicherern. Diese Informationen
basieren auf Buchwerten und ließen in der
Vergangenheit bereits einige Trends in der Kapitalanlage
erkennen (s. hierzu „NNIP Versicherungsnachrichten“
Nr. 6/2014 und 1/2015). So waren ein Anstieg der
Allokation in Unternehmensanleihen und ein
signifikanter Rückgang des Portfolioanteils von
Pfandbriefen und Kommunalobligationen zu
beobachten.
In der Marktwertbetrachtung sind diese beiden Trends
nicht in gleichem Umfang erkennbar, wobei der
Portfolioanteil von Unternehmensanleihen sogar
zurückgegangen ist. Aufgrund der in 2014 und 2015
gefallenen Zinsen sind die Marktpreise von Ausleihungen
an Staaten so stark gestiegen, dass sich ihr
Portfolioanteil von ca. 27% Ende 2013 auf etwa 33%
Ende 2015 erhöht hat (siehe Grafik 1).
Grafik 1: Asset Allokation auf Marktwertbasis (Quellen: GDV, NNIP)
KAPITALMARKTRÜCKBLICK 2014 UND 2015
Die beschriebene Zinsentwicklung wurde durch wichtige
Ereignisse an den Kapitalmärkten in den Jahren 2014
und 2015 hervorgerufen. Im Börsenjahr 2014 war zu
beobachten:
Die Weltwirtschaft zeigte mit 3,1% ein leicht
höheres Wirtschaftswachstum als im Vorjahr. In der
Eurozone enttäuschte das Wachstum jedoch im
internationalen Vergleich. Zentralbanken spielten in
2014 eine zentrale Rolle. Im Oktober 2014
beendete die US Federal Reserve nach mehr als fünf
Jahren ihr Kaufprogramm für Staatsanleihen. Die
Europäische Zentralbank (EZB) senkte hingegen
ihren Leitzins auf 0,05% und sicherte zu, zur
Förderung des Wachstums ihre Bilanzsumme auf 1
Billionen € auszuweiten.
Trotz fortgesetzter Wachstumssorgen und
geopolitischen Spannungen in der Ukraine und dem
Mittleren Osten war das Jahr 2014 für Investoren
profitabel. Entgegen den meisten Erwartungen
sanken die Renditen für US‐ und deutsche
Staatsanleihen auf neue Tiefststände. Bei den
deutschen Staatsanleihen wurde die Entwicklung
durch eine schwache Wirtschaftsentwicklung in der
Eurozone, niedrige Inflation und der Suche nach
sicheren Häfen im Umfeld zunehmender
geopolitischer Spannungen gekennzeichnet.
Im Jahr 2015 ergab sich an den Kapitalmärkten ein
ähnliches Bild:
Die Weltwirtschaft wuchs mit 2,9% etwas weniger
als im Vorjahr. Die Abschwächung war das Ergebnis
auseinanderlaufender Trends in den Entwickelten
(DM) und den Entwickelnden Märkten (EM).
Während die DM durch einen widerstandsfähigen
Privatsektor getragen wurden, nahm das Wachstum
in den EM im fünften Jahr in Folge ab. Dies wurde
durch ein niedrigeres Wachstum in China, fallende
Rohstoffpreise, niedrige Gewinnmargen, hohe
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NNIP Versicherungsnachrichten Ausgabe 3/2016
Verschuldung des privaten Sektors und
Kapitalabflüsse verursacht. Die Effekte in den EM
überschatteten per Saldo die positivere Entwicklung
in den DM.
Der Ölpreis der Sorte Brent fiel unter die Marke von
US$40 pro Barrel und damit mehr als 30% unterhalb
des Vorjahresstandes. Der Rückgang unterstützte
das Wachstum in vielen Öl importierenden Ländern,
aber belastete die Öl produzierenden Länder.
Das niedrige globale Wachstum, niedrige Inflation
und volatile Finanzmärkte unterstützten ein
Niedrigzinsumfeld. Bedeutende Unterschiede in der
Geldpolitik entwickelten sich. Die US Federal
Reserve erhöhte die Zinsen im Dezember 2015
erstmals seit neun Jahren. Die EZB startete im März
2015 ein Kaufprogramm für v.a. für Staatsanleihen.
Im Dezember weitete Sie die Laufzeit dieses
Programms mit dem Versprechen aus, das
Programm solange fortzusetzen, bis die Inflation ein
Niveau von nahe 2% erreicht hat
Das Jahr 2015 war von politischer Seite ein
ereignisreiches Jahr. Am 25. Januar wurde in
Griechenland Alexis Tsipras von der Anti‐
Austeritätspartei Syriza zum neuen Premierminister
gewählt. Die angestrebte Neuverhandlung mit den
Kreditgebern Griechenlands führte im Sommer zu
dramatischen Spannungen.
Gerade als das griechische Drama an Spannung
verlor musste sich Europa mit einer neuen
Flüchtlingskrise auseinandersetzen. Das Jahr 2015
war daher nicht einfach für Investoren.
Schwankungen an den Kapitalmärkten nahmen
wegen der Unsicherheit über den zukünftigen Kurs
der Zentralbanken zu. Der steile Rückgang der Öl‐
und anderer Rohstoffpreise beeinflusste die
produzierenden Länder und führte zu zunehmender
Risikoaversion und volatileren Finanzmärkten.
Spreadprodukte wie High Yield (HY) und Emerging
Market Debt (EMD) waren turbulenten Zeiten
ausgesetzt.
Per Saldo bewegten sich die langfristigen Renditen
deutscher Staatsanleihen im Jahresverlauf
seitwärts. Renditen in der Peripherie der Eurozone
entwickelten sich besser als deutsche
Staatsanleihen. Diese Länder profitierten von einer
Einigung zwischen Griechenland und seinen
Kreditgebern, verbesserten ökonomischen Daten
und die Aussicht auf ein verstärktes
Wertpapierkaufprogramm der EZB.
PERFORMANCE DER ASSETKLASSEN
Diese positiven Rahmenbedingungen an den
Kapitalmärkten wirkten sich direkt auf die Entwicklung
der Versicherungsportfolios aus. In den Jahren 2014 und
2015 konnte nach unserer Schätzung ein Wertzuwachs
erzielt werden (siehe Tabelle 1). Im Jahr 2014 stach die
Entwicklung bei Staatsanleihen und
Unternehmensanleihen hervor. Immobilien konnten in
2014 und 2015 hohe Wertzuwächse erzielen. Alternative
Anlagen boten insgesamt einen schwachen
Performancebeitrag.
Tabelle 1: Marktwertentwicklung nach Assetklassen (Quelle:Bloomberg)
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NNIP Versicherungsnachrichten Ausgabe 3/2016
ENTWICKLUNG DER RISIKOFREIEN
ZINSSTRUKTURKURVE
Unser Performancemodell verwendet zur Diskontierung
der Cash Flows aus Verbindlichkeiten die risikofreie
Zinsstrukturkurve der EIOPA. Ihr Niveau und Form haben
einen wichtigen Einfluss auf die Höhe der geschätzten
Marktwerte der Verbindlichkeiten.
In 2014 waren wegen der beschriebenen
Kapitalmarktentwicklung ein deutliches Absinken
des Zinsniveaus sowie eine Verflachung der
Zinsstrukturkurve zu beobachten.
In 2015 folgte eine Seitwärtsbewegung mit einer
leicht steileren Zinsstrukturkurve.
Bedeutende Unterschiede in Duration und Konvexität
von Vermögen und Verbindlichkeiten führte per Saldo zu
einer ungleichen Entwicklung während der
Vorbereitungsphase auf Solvency II.
Grafik 2: Risikofreie Zinsstrukturkurve unter Solvency II zu den
Jahresendstichtagen 2013 bis 2015 (Quelle: EIOPA)
ENTWICKLUNG DER MARKTWERTE
Wendet man die Zinsstrukturkurve der EIOPA zur
Abzinsung der Cash Flows an und ermittelt daraus die
Marktwertveränderungen der Verbindlichkeiten, so wird
eine deutliche Schwankungsbreite über die letzten Jahre
sichtbar. Stellt man diese zudem der
Marktwertentwicklung der Aktiva gegenüber, so wird die
unterschiedliche Entwicklung der Bilanzseiten auf
Marktwertbasis deutlich.
Grafik 3: Marktwertveränderung von Vermögen und Verbindlichkeiten
während der Vorbereitungsphase auf Solvency II (Quelle: Eigene
Berechnungen)
Hintergrund dieser unterschiedlichen Entwicklungen ist
vorrangig ein „Mismatch“ der beiden Bilanzseiten,
ausgedrückt in unterschiedlicher Duration und
Konvexität. Insbesondere der Wertzuwachs der
Verbindlichkeiten am langen Ende der Zinsstrukturkurve
stellt eine besondere Herausforderung dar. Über andere
Risikoexposures wie Spreadrisiken konnte das
Zinsrisikoexposure nicht durchgängig kompensiert
werden.
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NNIP Versicherungsnachrichten Ausgabe 3/2016
AUSWIRKUNGEN AUF DIE SOLVABILITÄT
Im Vergleich von Vermögen und Verbindlichkeiten
lassen sich in der Analyse wichtige Entwicklungen
erkennen (siehe Grafik 4). Die Verbindlichkeiten sind
schneller gestiegen als die Vermögen. Gleichzeitig war
unterjährig eine hohe Schwankungsbreite zu
beobachten. Für die Zwecke von Solvency II sind die
Risiko‐ und Ertragsexposures von Vermögen und
Verbindlichkeiten sehr unterschiedlich strukturiert. Eine
Optimierung von Portfolios nach Solvency II findet in der
Breite noch nicht statt.
Die Eigenmittel unter Solvency II ergeben sich
vereinfacht aus der Differenz von Vermögen und
Verbindlichkeiten. Die Differenz in unserem Modell
entspricht nicht den aufsichtlichen Eigenmitteln unter
Solvency II. Dies liegt an der Nichtberücksichtigung der
Übergangsmaßnahmen, die Versicherer nach
Antragstellung bei der Aufsicht nutzen können.
Beispiele für diese Übergangsmaßnahmen sind die
Anpassung der maßgeblichen risikofreien Zinssätze
(§351 VAG) sowie der vorübergehende Abzug in den
versicherungstechnischen Rückstellungen auf Basis der
Differenz zwischen den versicherungstechnischen
Rückstellungen von Solvency II und HGB (§352 VAG).
Beide Maßnahmen können über 16 Jahre angewendet
werden.
Auch die Risikomarge wurde der Einfachheit halber in
unserem Modell noch nicht berücksichtigt. Wir
beabsichtigen in einer der nächsten Veröffentlichungen,
unseren Ansatz bzgl. einer vollständigen Solvenzbilanz zu
verfeinern.
Grafik 4: Vermögen, Verbindlichkeiten und ihre Differenz mit einer volatilen
Entwicklung (Alle Werte in Mrd. €. Quelle: Eigene Berechnungen)
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