Geld und seine Funktion(en) wurzelt in der Religion. Daher kann man die Krisen unserer heutigen Zeit nur verstehen, wenn man sie kulturell und historisch betrachtet.
5. „Es war einmal eine Zeit, da gab es Tauschhandel.
Das war schwierig.
[…] Deswegen griff sich also einfach jemand das Nächstbeste,
was da auf dem Boden so herumlag. Das war zufällig eine
Muschel.
Und dann sagte der: „Eine Muschel ist ab sofort wie drei
Handvoll Beeren.“
Worauf ein anderer sagte: „Ganz toll. Vor allem, weil es im
Landesinneren so viele Muscheln gibt.“
So erfanden die Menschen das Geld.
Und nach dem Geld kamen Banken und Kredite.“
David Graeber und HG Butzkow
7. Warum aber sollte ich darauf vertrauen, dass ein gebrauchtes
Gebüsch, eine Muschel oder ein Steinklumpen als
„Tauschmittel“ funktionieren?
Woher weiß ich, dass auch der Nächste „Tauschpartner“ das
akzeptiert und mich nicht lieber auslacht?
Wodurch oder durch wen bekommt dieses „Tauschmittel“
seine Wertzuschreibung, seine Beglaubigung?
8. Dem Geld wurde bereits vertraut,
bevor es zum wirtschaftlichen
Zahlungsmittel wurde
These:
9. […] Wir haben zu wenig beachtet, worin die
theologischen und religiösen Wurzeln unseres
Umgangs mit Geld, Schuld, Steuern und so
weiter bestehen.
Thomas Macho in: Sloterdijk/Macho: Gespräche über Gott, Geist und Geld
16. Modern money is mainly an act of faith;
an act of credit, of belief.
John Lanchester, How to speak Money
Durch die Opfergaben der Priester und
später durch die Verwendung in der Tempelwirtschaft,
wurde das notwendige Vertrauen, in die Münzen geprägt.
Das Vertrauen und der Glaube, die es brauchte,
damit das Geld als Tauschmittel akzeptiert wurde.
17.
18. 3.000 Jahre monotheistische Kulturgeschichte
gehen nicht spurlos an unseren sozialen Strukturen,
Denkweisen und Weltsichten vorbei
oder
„2000 Jahre Christentum wollen adäquat ersetzt werden.“
C.G. Jung
20. Erlösung - Erlös
Kredit abgeleitet vom lateinischen credere „glauben“- Credo – das Glaubensbekenntnis
Der Schuldner – Der Schuldige
Der Gläubiger – ein Gläubiger
Offenbarungseid - Offenbarung
Messe
Geld – ahd. gelt – Opfer an die Götter
Business Angel
Preis – Lobpreisung
Haushaltssünder
Wertschöpfung
21. Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur
Die Religionen wenigstens haben die Rolle des
Schuldgefühls in der Kultur nie verkannt.
Sie treten ja auch mit dem Anspruch auf,
die Menschheit von diesem Schuldgefühl,
dass sie Sünde heißen, zu erlösen.
22.
23. Der Kapitalismus ist
vermutlich der erste Fall
eines nicht
entsühnenden, sondern
verschuldenden Kultus.
Walter Benjamin, Kapitalismus als Religion, 1921
24.
25.
26. […] ist der Kapitalismus eine Kultreligion, vielleicht die
extremste, die es je gegeben hat.
[…] Mit dieser Konkretion des Kultus hängt ein zweiter Zug
des Kapitalismus zusammen: die permanente Dauer des
Kultus. Der Kapitalismus ist die Zelebrierung eines Kultes
sans [t]rêve et sans merci.
Es gibt da keinen „Wochentag“, keinen Tag der nicht
Festtag in dem fürchterlichen Sinne der Entfaltung allen
sakralen Pompes, der äußersten Anspannung des
Verehrenden wäre.
Walter Benjamin, Kapitalismus als Religion, 1921
27.
28. Jean-Pierre Baudet, Opfern ohne Ende
„Die bis ins Mikroskopische erfolgende Gängelung der
Großunternehmen (und deren Mitarbeiter) durch
internationale Maßregeln (siehe Basel 2 oder Solvency 2),
durch zahlreiche Gesetzgebungen zur Beobachtung ebenso
zahlreicher Formalprinzipien, durch Compliance-
Versprechungen als Frondienste für Aktionäre, durch
massiven Einsatz von weltweit agierenden Consultants,
durch die Diktatur eines völlig leerlaufenden Credit Ratings,
das sich anlässlich jeder neuen Krise als schlechter Witz
entpuppt, aber unentwegt weiter Glauben findet,
stellt jede Dogmatik [religiöse Glaubens- und Lehrsätze]
der Vergangenheit in den Schatten.“
29. David R. Loy, Zen Buddhist:
Unser derzeitiges wirtschaftliches System
sollte man auch als unsere Religion
verstehen.
30.
31. Walter Benjamin, Kapitalismus als Religion, 1921
„Ihr vierter Zug [der kapitalistischen
Religion] ist, dass ihr Gott verheimlicht
werden muss, erst im Zenith seiner
Verschuldung angesprochen werden darf.“
32. Tomáš Sedláček/David Orrell, Bescheidenheit
„[…] Eben deshalb leben wir meiner Ansicht nach im
Dunkeln. Möglicherweise in einem noch größeren Dunkel
als die Menschen in alter Zeit. Und zwar genau deshalb,
weil wir unseren Glauben nicht zugeben. […]
Wenn aber der Glaube beginnt, sich als Wahrheit zu
präsentieren, wird er gefährlich. Das ist im Übrigen das Ziel
jeder Ideologie: So zu tun, als gäbe es sie nicht, als sei sie
gleichsam „natürlich“. Genau das müssen wir meiner
Ansicht nach ändern. Weil unser Glaube an die
Ökonomie heute stark, uneingestanden,
unbewusst und gerade deswegen irreführend ist.“
33. Papst Franziskus, Evangelii Gaudium 24. November 2013
„ […] Wir haben neue Götter geschaffen. Die Anbetung
des antiken goldenes Kalbs (vgl. Ex 32,1-35) hat eine
neue und erbarmungslose Form gefunden im
Fetischismus des Geldes.“