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Holger Balderhaar | Julia Busche | Marcus Lemke | Rüdiger Reyhn


Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft
Regionalökonomische Impulse für Stadt und
Landkreis Göttingen durch ältere Menschen




                                                                Beschäftigungspakt für Ältere im   Gefördert und unterstützt durch das




Eine Studie im Rahmen des Beschäftigungspaktes „50plus - Erfahrung zählt!“ im Landkreis Göttingen
Herausgeber



Regionalverband Südniedersachsen e.V.
Barfüßerstraße 1, 37073 Göttingen
info@regionalverband.de
0551-5472810
www.regionalverband.de
in Kooperation mit dem

Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der
Universität Göttingen (ifh)


Im auftrag von

www.50plus-goettingen.de




Göttingen, September 2006
Holger Balderhaar
Kilian Bizer
Julia Busche
Gerd Cassing
Wolf-Ekkehard Hesse
Karsten Hiege
Ullrich Kornhardt
Marcus Lemke
Steffen Reißig
Rüdiger Reyhn




Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft
Regionalökonomische Impulse für Stadt und Landkreis Göttingen
durch ältere Menschen
InhaltsverzeIchnIs
1 Zusammenfassung                                                   7

2 Einführung und Aufgabenstellung                                  11
    Vorbemerkungen                                                 11
    Das Modellprojekt “50plus – Erfahrung zählt!“                  15
    Methodisches Vorgehen                                          16


3 Demographischer Wandel                                           18
    Analyse und Prognose                                           18
    Situation auf dem Arbeitsmarkt                                 22
    Anpassungsleistungen der Kommunen                              23


4 SeniorInnen in der Gesellschaft                                  26
    Altersbilder und Altersbegriffe                                26
    Armut im Alter                                                 32
    Seniorenarbeit                                                 34
    Interessenvertretung in den Parteien                           39
    Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO)   41
    Überregionale Beispiele                                        42


5 Initiativen für SeniorInnen                                      45
    Altenbericht und Stellungnahme zum Altenbericht                46
    Landesinitiative Seniorenwirtschaft in NRW                     47
    Landesinitiative Seniorenwirtschaft Niedersachsen              48
    Förderung des Ehrenamtes in Niedersachsen                      50
    Exkurs: Mehrgenerationenhäuser                                 52

6 Seniorenwirtschaft                                               54
    Begriffsbestimmung                                             54
    Kaufkraft von Senioren                                         55
    Senioren-marketing                                             58
    Einfach für alle: Universal Design                             67
    Exkurs: Seniorenwirtschaft in Japan                            68
    Exkurs: Demographischer Wandel in China                        69




                                         4
7 Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft                        71
    Wohnen                                                        71
    Situation im Landkreis Göttingen (ifh)                       107
    Handel                                                       125
    Gesundheitswirtschaft, ambulante Pflege und Sport            141
    Finanzdienstleistungen                                       163
    Neue Medien und Telekommunikation                            166
    Tourismus                                                    173
    Mobilität im Alltag                                          179
    Seniorenbildung                                              182


8 Perspektiven der Seniorenwirtschaft                            184

9 Qualifizierung und Beratung                                    186
    Qualifizierung für den ersten Arbeitsmarkt                   186
    Existenzgründungsberatung                                    190


10 Handlungsempfehlungen                                         192
    Kommunen als Impulsgeber                                     192
    Handwerk und Wohnen                                          196
    Handel                                                       199
    Ambulante Pflege                                             202
    Tourismus und Mobilität                                      203
    Neue Medien und Telekommunikation                            205
    Finanzdienst-leistungen                                      205
    Die nächsten Schritte                                        206

Literatur                                                        208

Internetlinks                                                    214

Abbildungsverzeichnis                                            219

ANHANG

Pflegesätze der Altenhilfeeinrichtungen im Landkreis Göttingen   221

Pflegesätze der Altenhilfeeinrichtungen in der Stadt Göttingen   224

Adressen der Alten- und Pflegeeinrichtungen in der
  Stadt Göttingen                                                226

Adressen der Alten- und Pflegeheime im Bereich des
  Landkreises Göttingen                                          227


                                       5
Zwei sarkastische Definitionsversuche
A) Gerontologie ist eine zunehmend erfolgreich benützte
Strategie jüngerer Menschen, schon in jungen Jahren an
der demographischen Alterung zu verdienen. Die Geron-
tologInnen sind deshalb existentiell daran interessiert, dass
niemand vorzeitig wegstirbt und den Alten die Probleme nicht
ausgehen.

B) Gerontologie ist eine kluge Strategie von Berufsfachleuten,
sich durch die Beschäftigung mit hochbetagten Menschen
auch noch mit 50 jung zu fühlen, was Personen, die sich mit
Jugendfragen befassen, eindeutig schwieriger fällt.



                                                                             François Höpflinger




1 François Höpflinger ist Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich. Er beschäftigt sich vor
allem mit Fragen zur Bevölkerungssoziologie.
                                                     6
1	 zusammenfassung
Entwicklung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen für
ältere KundInnen sind geeignet, Perspektiven für die wirtschaftliche Ent-
wicklung der Stadt und des Landkreises Göttingen und darüber hinaus
für die gesamte Region Südniedersachsen zu eröffnen. Seniorinnen und
Senioren verfügen über eine hohe Kaufkraft. Der Anteil dieser Altersgruppe
an der Gesamtbevölkerung ist in den vergangenen Jahren gestiegen – er
wird auch weiter an Bedeutung gewinnen.

Überlappt wird diese Entwicklung jedoch durch regionale Struktur- und
Wachstumsprobleme, die sich unter anderem in deutlich geringeren
Durchschnittseinkommen gegenüber prosperierenden Regionen Nord-
west-Niedersachsens, z. B. dem Landkreis Leer, manifestieren.

Die Wirtschaft in Stadt und Landkreis Göttingen wird sich der neuen
Möglichkeiten, die sich aus dem demographischen Wandel ergeben,
zunehmend bewusst. Bei der Entwicklung von Produkten und Dienstlei-
stungen berücksichtigen viele Unternehmen die erhöhte Bedeutung der
SeniorInnen auf den regionalen und überregionalen Märkten.

Trotz vielfältiger punktueller Bemühungen in Stadt und Landkreis Göttingen
mangelt es jedoch in vielen Gestaltungsfeldern der Seniorenwirtschaft
noch immer an ausreichender Anpassungsflexibilität der Anbieter. Das
gilt sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. Viele Facetten des
demographischen Wandels werden in der aktuellen Geschäftspraxis und
der strategischen Unternehmensausrichtung nur unzureichend berücksich-
tigt. Um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Standort sichern
und entwickeln zu können, ist es deshalb erforderlich, den Gruppen der
Älteren als Leistungserbringer und Leistungsbezieher eine noch höhere
Aufmerksamkeit zu schenken, als dies bislang erfolgt ist.

Die in der vorliegenden Potenzialanalyse aufgezeigten Handlungsansät-
ze sollten deshalb konkretisiert und auf eine Umsetzung weiter geprüft
werden. Ein in Nordrhein-Westfalen entwickeltes Ignoranz-Szenario zeigt
die Konsequenzen für den Fall auf, dass die erforderlichen Anpassungs-
leistungen nicht erbracht werden.

In Gestaltungsfeldern wie der ambulanten Pflege und dem seniorenge-
rechten Wohnen bestehen – das zeigt die vorliegende Studie – unmittelbar
neue Beschäftigungspotenziale. Beim Vorliegen persönlicher und fach-
licher Eignung können in Sektoren wie diesen auch ältere Erwerbslose auf
den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden – wenn auch möglicherweise
nur im Rahmen prekärer Arbeitsverhältnisse. In den meisten anderen
Gestaltungsfeldern dürften die Wirkungen aber eher mittelbar sein.




2 Hiege, Karsten; Hesse, Wolf-Ekkehard (2006): “Regionalanalyse des Landkreises Göttingen – Basisdaten
zu älteren Beschäftigten und Erwerbslosen“ (Regionalverband Südniedersachsen e.V.)
3 Circel, Michael; Hilbert, Josef; Schalk, Christa (2004): “Produkte und Dienstleistungen für mehr Le-
bensqualität im Alter“, Institut für Arbeit und Technik, Gelsenkirchen, S. 103

                                                  7
Die wichtigsten Perspektiven der Seniorenwirtschaft in Stadt und Landkreis
Göttingen liegen also primär in der Wirtschafts- und Strukturpolitik und
weniger in der Beschäftigungspolitik. Damit stützt die vorliegende Studie
eine wesentliche These, die bei der Bildung des Beschäftigungspaktes für
Ältere im Landkreis Göttingen im Juli 2005 formuliert wurde.

Nicht bestätigt werden kann jedoch, dass sich durch eine Nutzung der
Möglichkeiten der Seniorenwirtschaft älteren Erwerbslosen in größerem
Umfang neue Beschäftigungsfelder eröffnen. Das gilt insbesondere
angesichts der in der Regionalanalyse nachgewiesenen Bedeutung der
Langzeitarbeitslosigkeit älterer Erwerbsfähiger im Landkreis Göttingen.
Zu einer ähnlichen Bewertung kam Mitte September 2006 auch der Präsi-
dent des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg
Braun. Er erklärte, die Initiative des Bundes werde kaum dazu beitragen,
dass nennenswert viele ältere Erwerbslose in den Arbeitsmarkt integriert
werden könnten. Brauns Einschätzung: Die Qualifizierung von Arbeitslosen
wird nach wie vor vernachlässigt.

Trotz positiver Grundstimmung bei Wirtschaft und Verbrauchern im
Spätsommer 2006 fehlt es den Betrieben an Anreizen, ältere Arbeitslose
einzustellen. Ob die neuen beschäftigungspolitischen Ansätze der Landes-
und der Bundesregierung die Perspektiven für Ältere verbessern, lässt
sich derzeit nicht abschätzen. Beim Abbau von Personal trennen sich
viele Unternehmen nach wie vor eher von Älteren – die Volkswagen AG
beispielsweise beim geplanten Personalabbau an mehreren Standorten in
Niedersachsen und Nordhessen, ebenso gilt dies bei dem Einzelfall des
Vorstandsvorsitzenden der BMW AG, der im Juli 2006 mit sechzig Jahren
in den Ruhestand ging, obwohl er gern weitergearbeitet hätte.

Der Sachverständigenkommission für den fünften Bericht zur Lage der
älteren Generation in der Bundesrepublik ist zuzustimmen, wenn sie
feststellt, dass alle Maßnahmen zur Erhöhung der Beschäftigungsquote
Älterer letztlich nur greifen werden, wenn die Wirtschaft kräftig wächst
und eine steigende Arbeitskräftenachfrage die Betriebe motiviert, auch
Ältere einzustellen.

Die vorliegende Studie will zum Abbau von Vorurteilen hinsichtlich der
Qualifikation, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit von Älteren
beitragen. Sie nimmt dabei unmittelbar Bezug auf das letzte der drei
vordringlichen Aktionsfelder der Bundesregierung. Nachdrücklich plä-
dieren die Autoren dafür, die Seniorenwirtschaft in Stadt und Landkreis
Göttingen unter dem Blickwinkel ihrer Lupenfunktion zu betrachten. Was
für ältere Menschen gut und richtig ist, nützt in aller Regel auch Jüngeren.
Umgekehrt gilt das nicht.

Angesichts der Heterogenität der 50plus-Generationen wird darauf ver-
zichtet, altersspezifische Angebotssegmentierungen vorzunehmen. So
wird weder geraten, dem Beispiel Großräschens zu folgen und ein Seni-
orenkaufhaus zu installieren, noch wird der Erarbeitung eines regionalen
Qualitätssiegels „seniorengerecht“ das Wort geredet.


4 Bundesministerium für Familie, Senioren, Familie und Jugend (2005): „Potenziale des Alters in Wirt-
schaft und Gesellschaft. – Der Beitrag älterer Menschen zum Zusammenhalt der Generationen“, Berlin.

                                                 8
Zusammenfassung




Die Handlungsempfehlungen dienen vielmehr dazu, den Standort Land-
kreis Göttingen generationengerechter und damit zukunftsfähiger zu
machen. Deshalb können sie auch als Elemente regionaler Bevölkerungs-
politik angesehen werden: Wenn sich Wirtschaft und Gesellschaft stärker
generationen- und damit altengerecht orientieren, tragen sie dazu bei,
Abwanderungen zu verhindern und Anreize für Zuwanderung zu schaffen.
Generationengerechtigkeit in Sektoren wie Handel, Handwerk und Touris-
mus wird damit zu einem Merkmal der Standortqualität.

Bevölkerungspolitik umfasst in diesem Sinne nicht nur überregionale
Arbeitsplatzwanderungen, sondern auch Alten- und Ausbildungswande-
rungen. Eine der Handlungsempfehlungen besteht darin, die Elterngene-
ration von Berufstätigen zu einem Umzug in den Landkreis Göttingen zu
motivieren, u. a. mit dem Argument, nahe bei den Enkelkindern sein und
sie betreuen zu können. Möglicherweise kann Älteren damit sogar ein
Anreiz gegeben werden, auch die dritte Lebensphase in Deutschland zu
verleben und auf einen Umzug ins Ausland zu verzichten.

Wenn es gelingt, die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Göttingen
positiver zu gestalten, wird dies auch nicht ohne Folgen für die Beschäfti-
gung Älterer bleiben. Anders formuliert: Das oben genannte Wirtschafts-
wachstum innerhalb des Landkreises Göttingen kann nur erreicht werden,
wenn Stadt- und Landkreis ihre Bevölkerungsentwicklung mindestens
stabilisieren.

Die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen beispielsweise zur Bildung
von seniorenorientierten Anbieter-Gemeinschaften im Handwerk wirkt
beschäftigungsstabilisierend. Im Idealfall gelingt es, Aufträge aus anderen
Regionen zu akquirieren. Neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen
auch im Tourismus durch eine stärkere Generationenorientierung der
Angebote.

Die ambulanten Pflegedienste im Landkreis rechnen selbst mit tief
greifenden Strukturveränderungen im Zuge der erwarteten Veränderung
der Pflegeversicherung. Viele Studien gehen davon aus, dass in den
vergangenen Jahren bereits zahlreiche Arbeitsplätze durch das Altern
der Gesellschaft entstanden sind. Sie für den Landkreis Göttingen zu
quantifizieren war im Rahmen der vorliegenden Studie weder gefordert
noch möglich. Deshalb lassen sich auch keine seriösen Aussagen darüber
machen, welche Beschäftigungswirkungen ohnehin durch die Alterung im
Landkreis Göttingen entstehen, und erst recht lässt sich nicht abschätzen,
welche Folgerungen die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen nach
sich ziehen würden.

In der Gastronomie, bei leichten Pflegetätigkeiten, in der Arbeitnehmerü-
berlassung und in Dorfläden können also neue Arbeitsplätze entstehen.
Der Teilnahmebeitrag des Landkreises Göttingen am Ideenwettbewerb
des Bundes ging davon aus, dass zusätzliche Angebote für SeniorInnen
auch von SeniorInnen erbracht werden können. Dieser Grundannahme
kann nur bedingt zugestimmt werden. Zwar bestätigt der Einzelhandel,
dass Auswahl und Einsatz von Personal kundenorientiert erfolgen müssen.
Auch seniorengerechte Angebote im Bereich der Finanzdienstleistungen
können von älteren Beratern seriös dargestellt werden. Insgesamt aber

                                    9
bedingen seniorenorientierte Angebote nicht unmittelbar eine Beschäf-
tigung von Personen, die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Bei
Pflegedienstleistungen, die eine hohe körperliche Fitness voraussetzen,
ist zweifelhaft, ob Ältere diesen Anforderungen entsprechen. Auch bei
der Gründung von Existenzen haben Ältere immer noch mehr Probleme zu
überwinden als Jüngere – insbesondere gilt das bei der Finanzierung.

Dass die Bedürfnisse Älterer gute Wachstums- und Beschäftigungsper-
spektiven für solche Betriebe und Branchen eröffnen, die Produkte und
Dienstleistungen für mehr Lebensqualität im Alter (Seniorenwirtschaft)
liefern, zeigt sich bundesweit in der Vielzahl von Projekten der letzten
Jahre. Vielfach kommen Impulse aus den Unternehmen selbst, häufig
jedoch gehen sie auf kommunale Initiativen zurück.




                                  10
2	 eInführung	und		
	        aufgabenstellung

Der Titel der vorliegenden Untersuchung “Potenzialanalyse: Regional-                                  vorbemerkungen
ökonomische Impulse für Stadt und Landkreis Göttingen durch ältere
Menschen“ im Rahmen des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“ mar-
kiert einen hohen Anspruch. Er leitet sich ab aus dem Ideenwettbewerb
“Regionale Beschäftigungspakte für Ältere“ des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Arbeit (BMWA) aus dem Juni 2005. Nach dieser These führt
die steigende Nachfrage Älterer nach seniorengerechten Produkten und
Dienstleistungen auch zu Beschäftigungseffekten von Erwerbsfähigen,
die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Mit dem zunehmenden
Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung im Landkreis Göttingen und
den Beschäftigungsproblemen Älterer verbindet die Studie damit zwei
zentrale gesellschaftliche Herausforderungen, vor denen der Landkreis
und darüber hinaus die gesamte Region Göttingen in Zusammenhang
mit dem demographischen Wandel stehen.

Die Autoren gehen davon aus, dass es sich hier um einen Prozess han-
delt, der weit über die neue EU-Förderperiode 2007–2013 hinausreicht.
Der Prozess ist nicht im Detail vorhersehbar und erst recht nicht planbar.
Viele Entwicklungslinien vollziehen sich auf den Märkten mit der ihnen
eigenen Entwicklungsdynamik und -logik. Um die bestehenden Beschäf-
tigungspotenziale ausschöpfen zu können, gilt es, die gesellschaftlichen
Teilsysteme in ihrer Wirkungsweise zu erkennen. Insofern kann die Studie
zwar wesentliche Gestaltungsfelder untersuchen, nicht aber den Anspruch
erheben, alle relevanten Aspekte der Seniorenwirtschaft zu analysieren.
Gerade die Erhöhung der Erwerbsquote der mehr als 55 Jahre Alten bietet
noch viele Ansatzpunkte. Modellrechnungen zeigen, dass es 21,4 Milli-
arden Euro oder ein Prozent Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt bringt,
wenn man ein Viertel der heute nicht erwerbstätigen über 55-Jährigen in
Beschäftigung bringt. Dazu reiche es sogar, wenn diese MitarbeiterInnen
nur 50 Prozent der durchschnittlichen Produktivität erreichten.

Bei der Bearbeitung ging es darum, den nur auf dem ersten Blick ein-
deutigen Begriff der Seniorenwirtschaft zielgerichtet zu definieren und
die Handlungsansätze zu ordnen. Bei der Recherche zeigte sich, dass
so gut wie alle Gesprächs- und Interviewpartner im Untersuchungsraum
ein hohes Maß an Interesse und Neugier am Thema Seniorenwirtschaft
zeigten. Die meisten von ihnen bestätigten, dass es auf diesem Feld er-
heblichen Handlungsbedarf und damit große Entwicklungschancen gibt.
Die wenigsten von ihnen haben sich nach eigenen Aussagen bislang
systematisch mit der Fragestellung befasst. So gehörte die Bitte um In-
formation über die Ergebnisse der Studie zu den Standardbemerkungen
bei Abschluss der ExpertInnen-Gespräche.




5 http://www.50plus-goettingen.de
6 Ursula Staudinger, Professorin an der International University in Bremen, FAZ 19. September 2006,
S. 19

                                                11
Bei der Diskussion um generationengerechtes Wirtschaften hat Deutsch-
land im internationalen Vergleich einen erheblichen Nachholbedarf.
Insbesondere Japan ist uns voraus. Innerhalb Deutschlands wird Nordr-
hein-Westfalen eine Vorreiterrolle attestiert – zumindest was den Stand
der wissenschaftlichen Arbeit angeht. Deshalb widmet die vorliegende
Studie diesen Ansätzen eigene Kapitel.

Die Niedersächsische Landesregierung startete Anfang Mai 2006 – von
der Öffentlichkeit und auch den Verantwortlichen in den Kommunen im
Landkreis Göttingen weitgehend unbeachtet – die „Landesinitiative für
generationengerechte Produkte und Dienstleistungen“. Mit dem Nieder-
sächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit
verabredete der Regionalverband Südniedersachsen eine enge Koopera-
tion, die sich – wie im Folgenden dargestellt – in einem ersten Schritt in
der gemeinsamen Ausrichtung von Veranstaltungen manifestiert.

Die Vorlage der Potenzialanalyse markiert den Auftakt zu einem öffent-
lichen Diskurs, der die bisherige Diskussion über die Auswirkungen des
demographischen Wandels in der Region fortführt und um neue Aspekte
ergänzt. Mit dem Auftraggeber abgestimmt wurde der Vorschlag, nach
Vorlage der Studie Ende 2006/Anfang 2007 jeweils mit Partnern vertie-
fende Veranstaltungen zu verschiedenen Schwerpunkten zu geben. Dies
geschieht zum einen in der Absicht, für Praktiker besonders wichtige
Einzelaspekte näher zu beleuchten, andererseits wird damit der Prozess-
charakter der Aufgabenstellung unterstrichen.

Die Initiative „50plus – Erfahrung zählt!“ sieht sich darüber hinaus als
wesentlicher Bestandteil der europäischen Beschäftigungsstrategie, der
„Lissabon-Strategie“. Sie umfasst sämtliche Maßnahmen zur wirtschaft-
lichen, sozialen und ökologischen Erneuerung der EU. Im März 2000 hatte
der Europäische Rat auf seiner Tagung in Lissabon diese auf zehn Jahre
angelegte Strategie angenommen, mit deren Hilfe sich die EU bis 2010
zur weltweit dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsregion
entwickeln soll. Im Sinne dieser Strategie treibt eine starke Wirtschaft die
Schaffung von Arbeitsplätzen voran und fördert soziale und ökologische
Maßnahmen, welche wiederum eine nachhaltige Entwicklung und sozialen
Zusammenhalt gewährleisten.

Die vorliegende Studie stellt kein Konzept zur Umsetzung der Senioren-
wirtschaft im Landkreis Göttingen dar. Sie untersucht vielmehr Auswir-
kungen des demographischen Wandels auf den Landkreis Göttingen,
analysiert den Bedarf von SeniorInnen auf Teilmärkten und leitet daraus
Empfehlungen für Einzelmaßnahmen ab. Wie im Folgenden dargestellt
wird, kommt den Kommunen dabei eine wichtige Funktion als Impuls-
geber zu.

Unter Seniorenwirtschaft werden nach dem Teilnahmebeitrag des Land-
kreises Göttingen am Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Arbeit aus dem Juli 2005 die Entwicklung und Vermarktung
von Produkten und Dienstleistungen für ältere Kundinnen und Kunden




                                    12
Einführung und
                                                                                                        Aufgabenstellung




verstanden. Danach ist die Seniorenwirtschaft geeignet, neue Perspek-
tiven für die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises Göttingen zu
eröffnen.

Untersuchungsgebiet ist der Landkreis Göttingen mit der Stadt Göttingen
als Oberzentrum und den Mittelzentren Duderstadt und Hann. Münden.
Berücksichtigt wurden die bestehenden Verflechtungen des Landkreises
Göttingen innerhalb Südniedersachsens. Für eine sachgerechte Analyse
und Einschätzung der Region Göttingen wurden Vergleichsanalysen und
-daten des Bundes, der Länder, Regionen und Gemeinden sowie der EU he-
rangezogen. Dazu gehören die Ergebnisse der Regionalanalyse im Rahmen
des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“, also Arbeitsmarkt-, Branchen-,
Konjunktur- und Strukturdaten. Durch Vergleiche mit dem Bundes- und
Landesdurchschnitt sowie der Entwicklung in vergleichbaren Regionen
wird der Entwicklungsprozess im Untersuchungsraum analysiert.

Angesichts der finanziellen Restriktionen, unter denen Bund, Länder und
Kommunen leiden, können neue Beschäftigungsmöglichkeiten für über
50-jährige Menschen im öffentlichen Sektor – wenn überhaupt – nur in
äußerst geringem Umfang entstehen. Der Fokus der Untersuchungen lag
deshalb im Sektor der privaten Anbieter.

Da nach dem o. g. Teilnahmebeitrag das Aufzeigen von Entwicklungsmög-
lichkeiten auf Anbieterseite zu den wichtigsten Aufgaben gehört, zählen
die Leistungsanbieter in der Seniorenwirtschaft zu den wesentlichen Ziel-
gruppen. In der Untersuchung wurde viel Wert auf die unterschiedlichen
Aspekte des Seniorenmarketings gelegt. Diese Erkenntnisse können sich
Investoren und Anbieter generationengerechter Produkte und Dienstlei-
stungen nutzbar machen.

Erklärtes Ziel ist es, dass private Anbieter, zu denen auch Einrichtungen
der Weiterbildung zählen, diese Hinweise zur Grundlage eigener Initia-
tiven (wie Businessplänen) machen und ihr Portfolio modifizieren. Ein
Automatismus, demzufolge diese neuen Angebote auch neue Beschäf-
tigungsmöglichkeiten für Menschen ab 50 schaffen, existiert nicht. Die
Ergebnisse bieten jedoch die Grundlage für seniorengerechtes Marketing
und Produktgestaltung in bestehenden Unternehmen des Landkreises
sowie bei Existenzgründern.

Die vorliegende Studie richtet sich außerdem an die kommunalpolitisch
Verantwortlichen in Stadt und Landkreis Göttingen sowie den kreisange-
hörigen Städten, Gemeinden und Samtgemeinden. Darüber hinaus wer-
den Hinweise gegeben für die Positionierung des Landkreises Göttingen
sowie der anderen Partner im Regionalverband Südniedersachsen im
Rahmen der Ende Mai 2006 in Wolfsburg gestarteten „Landesinitiative
Seniorenwirtschaft“. Zu den Zielgruppen zählen also auch Landes- und
Bundespolitik.




7 Die in diesem Zusammenhang erforderliche Diskussion über Altersbilder und Altersbegriffe erfolgt im
Kapitel „Altersbilder und Altersbegriffe“.

                                                 13
Die aus dem o. g. Teilnahmebeitrag im Sommer 2005 abgeleitete The-
menstellung der Studie ist breit angelegt. Sie umfasst viele Bereiche
wirtschaftlicher und sozialer Tätigkeiten im Landkreis Göttingen. Bei den
Analysen hat sich gezeigt, dass diese Aufgabe äußerst umfassend ist.
Die Autoren haben sich deshalb auf elf Gestaltungsfelder konzentriert und
dafür konkrete Ansatzpunkte für Anpassungsmaßnahmen analysiert. Zu
den Voraussetzungen für die Umsetzung zählen jedoch in den meisten
Fällen weitergehende Marktanalysen und Machbarkeitsstudien.

Nur einen kurzen Überblick geben die Autoren über die unterschiedlichen
Facetten der für die Seniorenwirtschaft so wichtigen Gesundheitswirt-
schaft. Da sich hier am ehesten Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere
abzeichnen, konzentrieren sie sich auf die ambulante Pflege, deren Be-
deutung in den nächsten Jahren zunehmen dürfte.

Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere unter dem Aspekt des demo-
graphischen Wandels und ihre Bedeutung als Konsumenten und Produ-
zenten werden ausführlich dargestellt. Dabei besitzt die Frage nach den
Perspektiven für die wirtschaftliche Entwicklung in Stadt und Landkreis
Göttingen durch die Entwicklung und den Absatz spezieller Produkte und
Dienstleistungen für Ältere einen hohen Stellenwert. Untersucht werden
Erkenntnisse über erfolgreiche Konzepte der Senioren. Dabei wurde
anhand mehrerer Handlungsvorschläge überprüft, ob und inwieweit sich
diese Konzepte im Landkreis Göttingen umsetzen lassen, ob Anpassungs-
bedarf besteht und wie die Umsetzung erfolgen kann.

An der Bearbeitung der Potenzialanalyse waren zahlreiche Institutionen
beteiligt. Zu danken ist insbesondere dem Ministerium für Soziales, Frauen,
Familie und Gesundheit des Landes Niedersachsen, dem Volkswirtschaft-
lichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen
(das für die Bearbeitung von Kapitel „Handwerk im demographischen
Wandel“ verantwortlich zeichnet), dem Institut für Sozialpädagogik und
Soziologie der Lebensalter der Universität Kassel, der Handwerkskammer
Hildesheim-Südniedersachsen, Kreishandwerkerschaft Südniedersachsen,
der AOK-Geschäftsstelle Göttingen, der Wolfsburg AG und dem Senioren-
büro der Stadt Braunschweig. Intensiv war auch die Kooperation mit den
anderen Akteuren des Projektes „50plus – Erfahrung zählt!“, insbesondere
mit der Stadt Göttingen und dem Landkreis Göttingen.

Von besonderer Bedeutung bei Vorbereitung und Durchführung der Se-
nioren-Workshops war die Unterstützung des Kolping-Familienferienzen-
trums Duderstadt, des Ortsvereins Hann. Münden des Kreisverbandes
Göttingen der Arbeiterwohlfahrt (AWO), des Kreisverbandes Göttingen der
Senioren-Union, der Arbeitsgemeinschaft 60plus des SPD-Unterbezirks
Göttingen, der Freien Altenarbeit Göttingen sowie der Seniorenbeiräte der
Stadt Göttingen und der Samtgemeinde Dransfeld sowie des Landesse-
niorenrates Niedersachsen.




8 Beispielsweise hängt die Umsetzbarkeit des Vorschlags “Seniorenkaufhaus“ von zahlreichen Faktoren
(und insbesondere von den handelnden Personen) ab, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung
nicht analysiert werden konnten.

                                                14
Einführung und
                                                                            Aufgabenstellung




Zu danken ist zudem der Wirtschaftsförderung Region Göttingen (WRG)
GmbH, dem Stadtmarketing Duderstadt, der Wirtschaftsförderung und
Erschließungsgesellschaft Hann. Münden, Göttingen Tourismus e.V., der
Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung der Stadt
Göttingen (GWG GmbH), dem Center-Management des Kauf Parks Göttin-
gen, der Heimat GmbH (Hann. Münden), der Larsen-Frels Gewerbe- und
Industrie-Immobilien GmbH und dem Haus-, Wohnungs- und Grundeigen-
tümerverein Duderstadt e.V.

Großer Dank gilt auch den zahlreichen Gesprächspartnern, die hier nicht
namentlich genannt sind, für ihre wertvollen Hinweise und Vorschläge.


Der Landkreis Göttingen hat sich im Juli 2005 unter dem Motto “50plus       Das moDellprojekt
– Erfahrung zählt!“ am Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für           “50plus – erfaHrung
Arbeit und Soziales beteiligt. Das Projekt wurde Anfang September 2005      zäHlt!“
als eines von insgesamt 62 regionalen Modellvorhaben im Rahmen des
Programms “Perspektive 50plus – Beschäftigungspakte für Ältere in den
Regionen“ ausgewählt.

Die vorliegende Potenzialanalyse ist Bestandteil von vier wissenschaft-
lichen Untersuchungen, die der Regionalverband Südniedersachsen e.
V. in Kooperation mit dem Verein für prospektive Entwicklungen (ZOOM
e. V.) sowie weiteren Partnern als Grundlage der geplanten Umsetzungs-
maßnahmen erstellt hat. In einer “Betriebsstudie” wird die Situation
älterer Beschäftigter in den Unternehmen der Region und deren alters-
bezogene Personalpolitik analysiert. Während die Regionalanalyse die
Beschäftigungssituation Erwerbsfähiger im Landkreis Göttingen darstellt,
identifiziert die Potenzialanalyse Defizite im bisherigen Angebot an Pro-
dukten und Dienstleistungen mit Älteren als Zielgruppe. Sie versucht da-
mit, Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen ab 50plus
aufzuzeigen.




                                                                            Abbildung 1: Verbindungen der drei
                                                                            Studien untereinander
                                                                            (Geumann/Regionalverband Südnie-
                                                                            dersachsen)


                                   15
In einer vierten Studie zu Best-Practice-Ansätzen in anderen europäischen
               Ländern werden die entwickelten erfolgreichen Ansätze einer regionalisier-
               ten Beschäftigungsförderung für ältere Menschen zusammengetragen,
               um diese für die Region nutzbar zu machen. In allen Untersuchungen wer-
               den die Kategorien Alter, Geschlecht und Migration/Herkunft analysiert.

               Die Potenzialanalyse knüpft direkt an vorliegende Untersuchungen zur
               demographischen Entwicklung sowie zur Wirtschafts- und Arbeitsmark-
               tentwicklung des Landkreises Göttingen an. Diese wurden in jüngerer
               Vergangenheit mehrfach untersucht – so durch das Institut für Regionalfor-
               schung (IfR) an der Universität Göttingen, das Niedersächsische Institut für
               Wirtschaftsforschung (NIW) und den Regionalverband Südniedersachsen
               e. V. NIW und IfR haben im Auftrag des Regionalverbands im Juni 2000 auf
               der Grundlage einer Stärken-Schwächen-Analyse ein regionales Entwick-
               lungskonzept (REK) für die Arbeitsmarktregion Göttingen/Northeim vorge-
               legt. Darüber hinaus hat das IfR im Rahmen der Studie „Südniedersachsen
               – Kompetenzregion oder Problemregion“ wichtige Erkenntnisse über die
               Situation im Landkreis Göttingen geliefert (2003).

               Als Bestandteile des Modellvorhabens der Raumordnung (MoRo) „Infra-
               struktur und demographischer Wandel“ hat der Regionalverband in den
               Jahren 2004 bis 2006 Beiträge zur demographischen Entwicklung der
               Region geleistet. Im Auftrag des Landkreises Göttingen hat der Regional-
               verband am 17. Juni 2005 eine Arbeitstagung zum Thema „Der demogra-
               phische Wandel – Herausforderung im Landkreis Göttingen“ ausgerichtet.
               Im Rahmen der Workshops wurde insbesondere die Notwendigkeit der
               Qualifizierung von Erwerbsfähigen (lebenslanges Lernen) deutlich.



metHoDIscHes   Zur Bearbeitung der o. g. Aufgabenstellung liegen für den Landkreis
   vorgeHen    Göttingen nur wenige empirische Daten vor. Es war deshalb erforderlich,
               Zahlen von der Bundes- und Landesebene auf Stadt und Landkreis zu
               projizieren und dabei eigene Berechnungen anzustellen. Im Wesentlichen
               wurde die Potenzialanalyse im Jahr 2006 auf der Basis unterschiedlicher
               methodischer Ansätze erarbeitet.

                Jeweils sechs- bis achtstündige Umfragen wurden im Fachmarkt-
                 zentrum Grone (30. Mai), in den Innenstädten Göttingen (13. Juni),
                 Duderstadt (27. Juni) und Hann. Münden (22. Juni), im Einkaufszen-
                 trum Ebergötzen (2. Juni). Zu den Ergebnissen zählen 250 ausgefüllte
                 Fragebögen zu den Themen Wohnen im Alter, Einkaufen, Nutzung
                 neuer Medien.

                Gespräche mit den Bürgermeisterinnen der Flecken Bovenden und
                 Adelebsen und den Bürgermeistern der kreisangehörigen Gemeinden
                 bzw. deren Beauftragten.

                Gespräche mit der Stadtverwaltung Göttingen und Kreisverwaltung
                 Göttingen.




                                                   16
Einführung und
                                                                           Aufgabenstellung




 Die narrativen Gesprächsrunden mit zwei bis 22 Teilnehmern, die sich
  im Vorfeld bereits kannten, wurden extern moderiert. Sie wurden mit
  den jeweiligen Mitveranstaltern vorbereitet und begannen mit Kurz-
  statements von zwei Personen. Die Ergebnisse aus den Gesprächsrun-
  den stellen Beurteilungen aus der Perspektive der Betroffenen dar und
  ergänzen die empirischen und theoretischen Ausführungen. Die Zitate
  werfen unterschiedliche und assoziative Schlaglichter auf einzelne
  Themenkomplexe der Seniorenwirtschaft und sind nicht repräsentativ.
  Möglicherweise unterschätzen einige der GesprächsteilnehmerInnen
  den Erkenntnisstand der Verantwortlichen in den Unternehmen. Be-
  kannt ist, dass auch viele Personal- und Unternehmensberater die
  Situation anders einschätzen als die zitierten SeniorInnen aus dem
  Landkreis Göttingen. Den Wert der Gesprächsrunden bringt folgendes
  Zitat auf den Punkt: „Ich freue mich, dass endlich einmal jemand uns
  ältere Leute fragt.“

 Sieben von WIDserve (Gleichen) moderierte, jeweils rund dreistündige
  narrative Gesprächsrunden mit Seniorinnen und Senioren (22. Mai in
  Göttingen: Freie Altenarbeit, Alten-WG am Goldgraben; 1. Juni und 30.
  August in Rosdorf: Kreisverband Göttingen der Senioren-Union; 21.
  Juni in Hann. Münden: Ortsverein Hann. Münden des Kreisverbandes
  Göttingen der Arbeiterwohlfahrt (AWO), 30. Juni: Stadt Dransfeld, Se-
  niorenbeirat der Samtgemeinde Dransfeld; 18. Juli: in Hann. Münden:
  Arbeitsgemeinschaft 60plus des SPD-Unterbezirks Göttingen; 28. Juli
  in Duderstadt: Familienferienzentrum am Pferdeberg),

 Situationsanalyse durch einen Seniorenscout in den Innenstädten von
  Göttingen und Duderstadt

 schriftliche Befragung von Vermietern in Duderstadt

 schriftliche Befragung aller Pflegedienste in Stadt und Landkreis Göt-
  tingen

 Akteurinterviews zu spezifischen Gestaltungsfeldern der Senioren-
  wirtschaft

 Literaturrecherche/Internetrecherche

 Besuche von Fachkongressen in Bonn, Bremen, Hannover und Wolfs-
  burg durch die Autoren der Studie.




9 Zitat aus Seniorenrunde AWO Hann. Münden am 21. Mai 2006.

                                            17
3	 demographIscher	Wandel
                                  Die Bedeutung der Seniorenwirtschaft für die Regionalentwicklung ergibt
                                  sich aus dem demographischen Wandel, der in Südniedersachsen bereits
                                  weit fortgeschritten ist und Anpassungsleistungen von Wirtschaft und
                                  Gesellschaft erfordert. Dass die Einschätzungen über die Auswirkungen
                                  des demographischen Wandels durchaus differieren, zeigte sich u. a. an
                                  einem Streitgespräch zwischen Herwig Birg und Albrecht Müller.0

          analyse unD             Nach der aktuellen Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Lan­
            prognose              desamtes Niedersachsen wird die Einwohnerzahl im Landkreis Göttingen
                                  von heute gut .000 auf knapp .000 im Jahr 00 zurückgehen. Das
                                  entspricht einem Minus von , Prozent.


                                            Insgesamt am davon im Alter von … bis … Jahren
                                            Jahresende       0 - 14         15 - 29        30 - 49        50 - 64        65 und älter


                                  00      264.285          14,2%          20,5%          31,6%          17,0%          16,7%


 Abbildung 2: Bevölkerungsent-    00      260.478          12,8%          21,7%          29,3%          18,2%          18,1%
wicklung im Landkreis Göttingen
           (Quelle: NLS-Online,   00      252.668          12,4%          19,4%          26,4%          23,0%          18,8%
   Berechnungen ifh Göttingen)


                                  Damit einher geht eine deutliche Verschiebung im Altersaufbau. Grund
                                  hierfür sind hauptsächlich die niedrige Geburtenrate, die schon seit langem
                                  nicht mehr das für eine langfristige Bestandserhaltung notwendige Niveau
                                  erreicht, sowie eine kontinuierlich ansteigende Lebenserwartung.

                                  Angesichts der engen Verflechtungen innerhalb der Region Göttingen
                                  und der Tatsache, dass der demographische Wandel in den Landkreisen
                                  Northeim und Osterode am Harz besonders ausgeprägt ist, sind kurze Aus-
                                  führungen über die Gesamtregion erforderlich. Die Einwohnerzahl dieser
                                  aus den Landkreisen Göttingen, Northeim und Osterode a. H. bestehenden
                                  Region wird nach der Prognose des Niedersächsischen Landesamtes für
                                  Statistik von 2004 bis 2020 um neun Prozent abnehmen. Dabei wird es
                                  zu erheblichen Verschiebungen der Bevölkerungsanteile zwischen den
                                  Teilräumen und zwischen den Altersgruppen kommen. Dies wirkt sich auf
                                  die Nachfrage nach Arbeitsplätzen, Wohnungen und Infrastruktur aus:

                                  Der Anteil der Personen im Alter von 45 und mehr Jahren steigt von 44,4
                                  Prozent auf 52,1 Prozent. Während bisher der größere Teil der Regions-
                                  bevölkerung unter 45 Jahre alt war, so wird im Jahre 2020 der größere
                                  Teil über 45 Jahre alt sein.




                                  10 FAZ vom 28. August 2006, S. 32 u. 33. Bis zu seiner Emeritierung 2004 lehrte Birg, der als Demograph
                                  weltweit bekannt ist, an der Universität Bielefeld. Er erregte mit seiner These Aufsehen, Deutschland
                                  steuere auf einen jahrzehntelangen Niedergang zu. Albrecht Müller, Leiter der Planungsabteilung im Kanz-
                                  leramt unter Willy Brandt und Helmut Schmidt und Autor des Bestsellers „Die Reformlüge“ behauptet:
                                  Das Land kann die Herausforderung meistern.
                                  11 Vgl. Abbildung 2

                                                                                      18
Demographischer Wandel




Der Anteil des Landkreises Göttingen an der Regionsbevölkerung steigt
von 53,3 Prozent auf 56,0 Prozent. Damit findet eine weitere relative Kon-
zentration der Einwohner im Untersuchungsraum statt.




                                                                              Abbildung 3: Verschiebung
                                                                              der Altersanteile in der Region
                                                                              Südniedersachsen




Die Alterung setzt sich aus unterschiedlichen Trends in den einzelnen
Altersgruppen zusammen:

 Die Zahl der Kinder (0–14 Jahre) geht in der Region um nahezu ein
  Viertel zurück. Dabei unterscheidet sich die Stadt Göttingen mit leichten
  Zuwachserwartungen deutlich vom umgebenden ländlichen Raum mit
  Rückgängen bis zu einem Drittel.

 Die Altersgruppe der Heranwachsenden (15–24 Jahre) nimmt in Stadt
  und Landkreis Göttingen um ca. 20 Prozent ab.

 Die Zahl der jüngeren Erwerbstätigen (25–34 Jahre) wird in Stadt und
  Landkreis Göttingen noch etwas ansteigen, in den Landkreisen Nort-
  heim und Osterode jedoch stärker sinken.

 Besonders gravierend wird sich die Altersgruppe der 35–44-Jährigen
  verkleinern um fast ein Viertel im Landkreis Göttingen (ohne Stadt), um
  gut ein Drittel in der Stadt Göttingen und sogar um nahezu die Hälfte
  in den Landkreisen Northeim und Osterode am Harz.

 Die Generation der 45–54-Jährigen geht in der Region um ca. sechs
  Prozent zurück, am stärksten in der Stadt Göttingen mit 15,5 Prozent.
  Im übrigen Landkreis Göttingen ist dagegen mit einem Zuwachs von
  5,5 Prozent zu rechnen.

 Im Mittel um ein Viertel anwachsen wird die Altersgruppe der älteren
  Erwerbsfähigen (55–64 Jahre). Der Zuwachs schwankt zwischen 5
  Prozent im Landkreis Osterode und 38 Prozent in der Stadt Göttingen
  bzw. 34 Prozent im Landkreis Göttingen (ohne Stadt).


                                    19
 Die Zahl der jüngeren Senioren (65–74 Jahre) nimmt in der Region leicht
                             ab (3,8 Prozent). Hierbei stehen einem leichten Zuwachs in der Stadt
                             Göttingen (3,7 Prozent) geringe Verluste von 1,7 Prozent im Landkreis
                             Göttingen (ohne Stadt) und etwas stärkere Verluste in den anderen
                             Landkreisen gegenüber.

                            Die Generation der Hochaltrigen (75 Jahre und älter) nimmt in der
                             Region Göttingen um 14 Prozent zu – mit nur geringen Unterschieden
                             in den einzelnen Kreisen.




  Abbildung 4: Bevölke-    Zu deutlichen Unterschieden wird es in der regionalen Verteilung der
rungsentwicklung in der    Alterskohorten kommen. Dies wird beim Vergleich der Landkreise nach
 Region Göttingen 2004-    ihren siedlungsstrukturellen Merkmalen deutlich. Der Landkreis Göttingen
          2020 (Prozent)   gilt aufgrund seiner höheren Einwohnerdichte als „verdichteter Kreis“, die
  nach Alter und Kreisen   Landkreise Northeim und Osterode am Harz als “ländliche Kreise“. Wäh-
                           rend im “verdichteten“ Landkreis Göttingen im Jahre 2020 die Jüngeren
                           (unter 45-Jährige) noch die Mehrzahl bilden (52,4 Prozent), wird in den
                           „ländlichen“ Kreisen Northeim und Osterode a. H. diese Alterskohorte
                           zur Minderheit (42,1 Prozent). Umgekehrt wird sich der Anteil der Älteren
                           (über 45-Jährige) verhalten: im Landkreis Göttingen 2020 der kleinere, in
                           den Nachbarkreisen der größere Teil. Trotz dieses Trends wird im Progno-
                           sezeitraum der verdichtete Kreis in Zukunft den größeren Teil der Älteren
                           (51,1 Prozent ) übernehmen. Das liegt an den Änderungsraten für die ältere
                           Generation, die im Landkreis Göttingen mit 11,4 Prozent deutlich höher
                           ausfällt als in den Landkreisen Northeim und Osterode (2,2 Prozent).

                           12 Vgl. Abbildung 5
                           13 Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2002): “Aktuelle Daten zur Entwicklung der Städte,
                           Kreise und Gemeinden“

                                                                          20
Demographischer Wandel




Alterskohorten             Verdichteter Kreis           Ländliche Kreise                Region Göttingen
                           (Landkreis Göttingen)        (Landkreis Northeim und
                                                        Landkreis Osterode am
                                                        Harz)
                              2004         2020            2004            2020           2004       2020
Unter 45   Anzahl              156.383     132.445            119.326       83.779        275.709      216.224
           Alters-Anteil          59,2        52,4               51,5         42,1           55,6         47,9
           Reg.-Anteil            56,7           61,3            43,3         38,7          100,0          100,0
           Veränd.                              -15,3                         -29,8                        -21,6
Über 45    Anzahl              107.902     120.223            112.500      115.018        220.402      235.241
           Alters-Anteil          40,8           47,6            48,5         57,9           44,4           52,1
           Reg.-Anteil            49,0           51,1            51,0         48,9          100,0          100,0
           Veränd.                               11,4                             2,2                        6,7
Zusammen Anzahl                264.285     252.668            231.826      198.797        496.111      451.465
           Alters-Anteil         100,0          100,0           100,0        100,0          100,0          100,0
           Reg.-Anteil            53,3           56,0            46,7         44,0          100,0          100,0
                                                                                                                   Abbildung 5: Entwicklung der
                                                                                                                   Alterskohorten nach Raum-
           Veränd.                               -4,4                         -14,2                         -9,0
                                                                                                                   typen (Quelle: NLS-Online)


Interessant ist auch eine Darstellung der Entwicklung der Zahl der Men-
schen bis 50 Jahre und über 50 Jahre. Aus der folgenden Abbildung wird
ersichtlich, dass die jüngeren Altersgruppen bis 50 Jahre bis zum Jahr 2020
im Landkreis Göttingen anteilsmäßig abnehmen, während die Altersgrup-
pen ab 50 Jahre deutliche Zuwächse erfahren. Besonders auffällig ist der
relativ starke Rückgang bei den 30- bis 49-Jährigen in diesem Zeitraum (von
31,6 Prozent auf 26,4 Prozent) und umgekehrt die starke Zunahme bei den
50- bis 64-Jährigen um 6 Prozentpunkte (von 17 Prozent auf 23 Prozent).




                                                                                                                   Abbildung 6: Entwicklung des Alters-
                                                                                                                   aufbaus der Bevölkerung im Landkreis
                                                                                                                   Göttingen NLS-Online;
                                                                                                                   Berechnungen ifh Göttingen
Die altersmäßige Zusammensetzung der Erwerbspersonen entwickelt
sich noch ausgeprägter als die der Bevölkerung. Unter Berücksichti-
gung der derzeitigen altersspezifischen Erwerbsquoten lässt sich eine
Projektion des künftigen Altersaufbaus des Erwerbspersonenpotenzials
ableiten (vgl. Abbildung 7). Legt man die Personen im Alter von 15 bis
64 Jahren als beschäftigungsrelevant zugrunde, so zeigt sich, dass der
demographische Wandel deutliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
in der Region haben wird.



14 In der Projektion des Erwerbspersonenpotenzials sind gleichbleibende altersspezifische Erwerbs-
quoten bis zum Jahr 2020 unterstellt.

                                                         21
2004                 2020
                                                           Anzahl   Anteil      Anzahl       Anteil        Veränderung
                                                 15 - 34   47070    36,1%       45589        37,8%         1,6%

                                  Altersgruppe   35 - 54   69825    53,6%       56985        47,2%         -6,4%
 Abbildung 7: Prognose des
                                                 55 - 64   13345    10,2%       18083        15,0%         4,7%
 Erwerbspersonenpotenzials
     im Landkreis Göttingen                      gesamt    130240   100,0%      120657       100,0%
 Quelle: NLS; Berechnungen
                    Cassing


                              Zum einen fällt der zahlenmäßige Rückgang bei den Erwerbspersonen
                              bis 2020 mit 7,4 Prozent erheblich höher aus als der allgemeine Bevölke-
                              rungsrückgang im Landkreis Göttingen. Damit stehen der Wirtschaft ins-
                              gesamt weniger Arbeits- bzw. Nachwuchskräfte zur Verfügung, wodurch
                              der Wettbewerb der Unternehmen um qualifizierte Facharbeitskräfte
                              zunehmen wird. Dadurch wächst die Gefahr, dass es in Teilbereichen der
                              Wirtschaft zu einem Fachkräftemangel und in der Folge zu Produktions-
                              engpässen kommt.

                              Zum anderen ergeben sich bis 2020 Verschiebungen in der altersmäßigen
                              Zusammensetzung des Erwerbspersonenpotenzials im Landkreis Göt-
                              tingen. Der Anteil der mittleren Altersgruppe bei den Erwerbspersonen
                              sinkt von 53,6 Prozent auf 47,2 Prozent, während die älteren Erwerbsper-
                              sonen ab 55 Jahre anteilsmäßig drastisch zulegen (von 10,2 Prozent auf
                              15 Prozent).


sItuatIon auf Dem             In der Fachdiskussion über die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Stadt
    arbeItsmarkt              und Landkreis Göttingen und in der Bundesrepublik Deutschland insge-
                              samt ist eine deutliche Segmentierung zu beobachten. Das Projekt „50plus
                              – Erfahrung zählt“ macht deutlich, dass neben Frauen, Ostdeutschen,
                              Langzeitarbeitslosen und MigrantInnen auch die über 50-Jährigen eine
                              Zielgruppe sind, deren Zugangsmöglichkeit auf den ersten Arbeitsmarkt
                              durch staatliche Förderung unterstützt werden soll. Diese Förderpolitik
                              wird von einigen Arbeitsmarktexperten kritisiert. Für immer kleinere
                              Gruppen würden immer speziellere Instrumente definiert.

                              Kritiker argumentieren damit, dass durch den Abbau von Kündigungs-
                              schutzes und Alterszuschlägen in Tarifverträgen eine nachhaltigere
                              Wirkung entfaltet werden könnte. Durch die Einführung Intelligenterer
                              Zeitkonten sowie altersgerechte Arbeitsplätze, Betriebsabläufe und Entloh-
                              nungsbedingungen könnten auch die Tarifparteien für mehr Beschäftigung
                              Älterer sorgen. Insgesamt müssten die Anreize abgebaut werden, Ältere
                              aufs Abstellgleis zu schieben.




                              15 Vgl. Abbildung 7
                              16 Hiege, Karsten; Hesse, Wolf-Ekkehard (2006): “Regionalanalyse des Landkreises Göttingen“
                              17 Fickinger, Nico: “Auf dem Abstellgleis“, FAZ vom 6. September 2006, S. 15

                                                                             22
Demographischer Wandel




In den vergangenen Jahren ist bei den Verantwortlichen in den Städten und                                   anpassungsleI-
Gemeinden eine Sensibilisierung für die Bedeutung des Themas demo-                                          stungen Der
graphischer Wandel eingetreten. Das wurde u. a. deutlich während eines                                      kommunen
Bürgermeistertreffens des Städte- und Gemeindebundes im Landkreis
Göttingen Ende Juni 2006 in Duderstadt. Die Diskussionen bezogen sich
auch auf die Beteiligung des Regionalverbandes am Modellvorhaben der
Raumordnung (MoRo) „Infrastruktur und demographischer Wandel“.

Bei Kommunalbefragungen im Juni und Juli 2006 im Rahmen von “50plus
– Erfahrung zählt!“ bezeichneten zehn der elf kreisangehörigen Gemein-
den den demographischen Wandel als wichtiges Thema. So verwies der
Flecken Bovenden darauf, dass bereits Anfang der 90er-Jahre Arbeits-
kreise zu den Bereichen Kultur und Freizeit von Senioren und Wohnen
im Alter eingerichtet worden seien. Aus den damaligen Diskussionen
entstand die Wohnanlage Korbhof, in der Betreutes Wohnen durch die
AWO angeboten wird. Außerdem ist dort eine generationenübergreifen-
de Begegnungsstätte angesiedelt. Die Bürgermeisterin führt den hohen
Anteil an Senioren in ihrer Gemeinde auch auf diese Aktivitäten zurück.
Durch die Nähe zu Göttingen und die Attraktivität der Wohngebiete ist es
Bovenden in den vergangenen Jahren gelungen, aus anderen Regionen
Senioren anzuwerben, die in der Nähe ihrer Kinder und Großkinder woh-
nen wollen. Der Flecken Bovenden verfolgt bei der Siedlungsentwicklung
eine Doppelstrategie. Neben die Sanierung vorhandenen Wohnraums
unter Berücksichtigung von Senioren- und Behinderteninteressen tritt die
Ausweisung neuen Baulandes für jüngere Familien. Beispielsweise im
Neubaugebiet Am Junkernberg soll auch das Mehr-Generationen-Wohnen
ermöglicht werden. Inzwischen ist auch eine hochwertige Pflegeeinrich-
tung mit 78 Betten entstanden. Von der Volksheimstätte werden weitere
48 Wohnungen “Am Teiche“ vermietet.

Die Stadt Duderstadt verfolgt ein Konzept der Anpassung an den demo-
graphischen Wandel z. B. dadurch, dass sie das Bauen in den Ortsker-
nen propagiert. Das gilt auch für die Ortsteile an der Peripherie. In den
vergangenen Jahren wurden bereits zwei Kindergärten im Rahmen von
Zusammenlegungen geschlossen.

In Hann. Münden wurden Betreuungseinrichtungen erweitert. Von einem
Gesamtkonzept zur Anpassung an den demographischen Wandel spricht
die Verwaltungsleitung allerdings ebenso wenig wie die Samtgemeinde
Dransfeld. In Dransfeld ist eine Fülle von Initiativen tätig, so z. B. das
Internetcafé im Jugendheim. Dort findet seit 1993 jährlich in der Stadt-




18 Dieses Thema wurde erstmals ausdrücklich während eines Workshops am 24. Oktober 2003 in
Stadtoldendorf von den Hauptverwaltungsbeamten und weiteren Fachleuten aus den Verwaltungen
erörtert. Die Veranstaltung im Landkreis Holzminden war ausgerichtet worden vom Niedersächsischen
Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) sowie dem
Regionalverband Südniedersachsen. Moderiert und vorbereitet wurde sie vom Institut für Entwicklungs-
planung und Strukturforschung GmbH (ies) an der Universität Hannover.
19 In Kooperation mit verschiedenen Partnern hat der Regionalverband im Anschluss an diese Veranstaltung
das Thema weiterbearbeitet, so etwa im Rahmen der Modellprojekte in Gleichen, Hardegsen, Holzminden
und Bad Sachsa/Walkenried. Eine im Rahmen des MoRo konzipierte Wanderausstellung wurde im Jahre
2006 u. a. im Kreishaus Göttingen sowie in den Rathäusern in Adelebsen und in Ebergötzen gezeigt.
Aktiv beteiligt hat sich der Regionalverband Südniedersachsen auch an der Konzipierung der Bündnisse
für Familie innerhalb des Landkreises Göttingen.

                                                  23
halle ein Seniorennachmittag statt, der von bis zu 400 Seniorinnen und
Senioren besucht wird. Kleinere Veranstaltungen dieser Art gibt es z. B.
auch in Niemetal.

Der Flecken Adelebsen hat erkannt, dass er zu den ersten Gemeinden
im Landkreis gehört, in denen schon jetzt ein deutlicher Bevölkerungs-
rückgang erfolgt. Die Bürgermeisterin setzt auf die Anwerbung jüngerer
Familien und verweist auf die Bedeutung der im Juli 2005 erfolgten
Ausstellung „Demographischer Wandel“ des Regionalverbandes. Sie sei
maßgeblich gewesen bei der Gründung des Adelebser Bündnisses für
Familie. Ausgehend vom Bündnis für Familie und in Zusammenarbeit mit
der Gemeindeverwaltung und dem Diakonischen Pflegedienst wurde
im Frühjahr 2006 ein Antrag auf ein Mehrgenerationenhaus beim Land
gestellt. Seit Anfang 2006 finden regelmäßige Eltern-Kind- und Vater-Kind-
Treffen statt, zu denen auch Bewohnerinnen des betreuten Wohnens des
Alma-Luisen-Stifts eingeladen werden. Darüber hinaus gibt es Projekte
der Begegnung zwischen der Albert-Schweitzer-Schule und den Kinder-
gärten des Ortes.

Die Gemeinde Gleichen setzt nach einem Ratsbeschluss und der Vorberei-
tung im Rahmen des Modellvorhabens der Raumordnung des Regionalver-
bandes ein auf mehrere Jahre angelegtes Anpassungskonzept zum Betrieb
der Kindergärten um. Vergleichbare Maßnahmen sollen in den nächsten
Jahren auch für die Grundschulen erfolgen. Ein aus Lehrern, Politikern und
Fachleuten gebildeter Arbeitskreis soll Kriterien für die vermutlich erforder-
liche Schließung von zwei Grundschulen im Gemeindegebiet erarbeiten.
Dabei soll auch der Aspekt der Vermarktung bzw. Umnutzung bisheriger
Grundschulgebäude berücksichtigt werden. Zu den konkreten Ergebnissen
des Mitte 2005 gegründeten Bündnisses für Familie zählt die Einrichtung
eines Linientaxis, dessen Betrieb u. a. mit Arztpraxen abgestimmt wurde.
Außerdem erfolgte eine altersübergreifende Kinderbetreuung. In Gleichen
hat sich ein Seniorentanz etabliert, der vom DRK organisiert wird.

Auch die Gemeinde Friedland sieht sich vor gravierenden Veränderungen
in der Grundschulstruktur und will das Angebot von Ganztagsschulen prü-
fen. Bei den politisch Verantwortlichen hat das Thema demographischer
Wandel nach Einschätzung des Bürgermeisters eine hohe Bedeutung
erlangt, allerdings meint er, dass es noch nicht Thema von „Geburtstags-
runden“ sei. Die Gemeinde organisiert regelmäßig Erzählcafés, die von
der Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde moderiert werden und zu
denen jeweils 20 bis 50 Personen kommen. Mit Gemeindeunterstützung
finden z. B. über den Kulturring Chorabende statt. Ausgerichtet wurden
zudem Veranstaltungen zu den Themen „Erben und Vererben“, Demenz
und Patientenverfügungen. In Gieboldehausen unterstützt die Samtge-
meindeverwaltung einen Mittagstisch, der sich zweimal im Monat speziell
an Senioren richtet.




                                     24
Demographischer Wandel




Eher zurückhaltend äußert sich auch der Bürgermeister der Gemeinde
Rosdorf. Der demographische Wandel als wichtiges Thema sei von den
Politikern erkannt worden, es sei allerdings bei vielen BürgerInnen noch
nicht recht angekommen. Die Gründung des lokalen Bündnisses für Fa-
milie wird in Rosdorf als Ansatz gesehen, BürgerInnen aktiv zum Thema
demographischer Wandel einzubinden. Lediglich die Verwaltungsspitze
der Samtgemeinde Gieboldehausen erklärt, der demographische Wandel
sei für die Samtgemeinde noch kein spezifisches Thema, das gelte auch
für den Rat.

Mehrere Gemeinden, so der Flecken Bovenden, die Samtgemeinde Drans-
feld und Radolfshausen sowie die Gemeinde Rosdorf und Friedland haben
beim Geografischen Institut der Universität Göttingen gemeindebezogene
Bevölkerungsprognosen in Auftrag gegeben.




                                  25
4	 senIorInnen	In	der		
                   	        gesellschaft	
                   Keine Seniorengeneration konnte im Leben so viel erleben wie die heutige.
                   Viele alte Menschen sind aktiv und unternehmungslustig, sie gestalten
                   ihr Leben ereignisreich. Wissenschaft, Medizin und Technik erlauben es,
                   körperliche Fitness, Potenz, Wissen und Selbstbewusstsein bis weit ins
                   hohe Alter zu erhalten. Die heutigen Senioren wollen möglichst lange ihre
                   Gesundheit und Vitalität bewahren, ihre Selbstständigkeit erhalten, aktiv
                   am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, lust- und leistungsfähig bleiben,
                   aktiv und passiv genießen, auch im Alter mit Zukunftsperspektiven leben
                   und ihre mögliche Pflegebedürftigkeit unter humanen Bedingungen er-
                   leben.

                   Ein Indiz für die immer jünger werdenden Senioren ist der Wandel in den
                   Wertvorstellungen: Traditionelle Werte wie Sparsamkeit, Bescheidenheit
                   und Genügsamkeit verlieren bei den „nachwachsenden“ Senioren an Be-
                   deutung, und Werte wie Toleranz, Aufgeschlossenheit und Unabhängigkeit
                   werden wichtiger. Viele Menschen, die aus dem Berufsleben ausscheiden,
                   wollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben.

                   Diese wachsenden Potenziale der Älteren können nach Einschätzung von
                   Prof. Dr. Clemens Geißler von der Deutschen Gesellschaft zur Förderung
                   der Forschung im Alter als Triebkräfte der gesellschaftlichen Entwicklung
                   gesehen werden. Dabei bezieht sich Geißler hauptsächlich auf die Gruppe
                   der SeniorInnen in der nachberuflichen Phase. Die schlummernden Po-
                   tenziale der Senioren dürften nicht unbeachtet bleiben. Vielmehr wohne
                   dem demographischen Wandel eine Chance inne. Statt die älteren Men-
                   schen als Objekte zu behandeln, müsse man sie als für die Gesellschaft
                   verantwortlich handelnde Subjekte in den Blick rücken. Neben einem
                   reichen Schatz an Erfahrungswissen verfüge die Gruppe der Senioren
                   über ein hohes marktbezogenes Nachfragepotenzial. „Dem Wandel der
                   Altersstruktur entsprechend nimmt die Bedeutung der Älteren als (regi-
                   onale) Nachfragemacht zu.“ Die Nachfrage nach Gütern und insbeson-
                   dere nach Dienstleistungen habe erhebliche positive Auslastungs- und
                   Arbeitsmarkteffekte. „Regional- und Stadtmarketing, das diese Effekte
                   nicht gebührend beachtet, ist in Gefahr, ähnliche Fehler zu machen wie die
                   Werbewirtschaft, die, auf Jüngere fixiert (‘Jugendwahn’), vor den Älteren
                   und dem Alter eher ‘Angst’ zu haben scheint.“


altersbIlDer unD   Altern ist als ein kontinuierlicher Prozess in der Entwicklung des Menschen
  altersbegrIffe   zu verstehen. Er findet in jeder Lebensphase statt: durch Veränderung
                   der physiologisch-biologischen Gegebenheiten, der Werthaltungen und
                   Einstellungen sich selbst und der Umwelt gegenüber sowie durch die
                   äußerliche Stellung des Einzelnen in seinem Lebensraum. Die einzelnen
                   Phasen dieser Entwicklung werden durch Faktoren wie durch gesundheit-
                   liche Einbußen beeinflusst.


                   1 Geißler, Clemens (2003): “Für einen Perspektivenwechsel: Die Potenziale des Alters als Triebkräfte
                   gesellschaftlicher Entwicklung“. In: Raumforschung und Raumordnung. Heft 5/2003, 61. Jahrgang, S.
                   395–403
                   2 Ebd., S. 398
                   3 Ebd., S. 398
                                                                   26
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Aufgrund der uneinheitlichen Entwicklung lassen sich nur schwer eindeu-
tige Altersbegriffe bzw. Altersbilder formulieren. Bei der Beschreibung von
Alterungsprozessen schwingt unbewusst oder bewusst eine normative
Altersgrenze mit. Der individuelle Lebenslauf wird häufig in Lebensphasen
unterteilt, die einen Höhepunkt und eine Abnahme oder einen Abbau be-
inhalten. Die Bewertung dieser Vorgänge manifestiert sich in den Alters-
begriffen und -bildern. Diese unterliegen einem deutlichen gesellschaft-
lichen Wandel. Insbesondere in den letzten 30 Jahren haben sich tradierte
Altersbilder und dadurch auch die Altersbegriffe stark verändert.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird als Senior bezeichnet, wer die
“Altersgrenze“ erreicht und seine Berufstätigkeit beendet hat. Als das
Deutsche Reich unter Bismarck am Ende des 19. Jahrhunderts die Alters-
versorgung einrichtete, wurde die Altersgrenze auf 70 Jahre festgelegt.
Das entsprechende Altersbild eines zufriedenstellenden Lebensabends
bestand darin, von den Nachkommen versorgt und gepflegt zu werden,
nicht mehr arbeiten zu müssen, passiv, als Zuschauer, in den Genuss von
sozialen Aktivitäten zu gelangen.

Dieses Altersbild hat sich heute radikal geändert. Während der Bearbei-
tung der Studie traten in Hannover die Rolling Stones mit dem 63-jährigen
Leadsänger Mick Jagger auf, am selben Tag war eine 53-jährige Ärztin
aus Nikolausberg über 5000 Meter schnellste Frau beim Altstadtlauf in
Göttingen. Mit sieben Weltmeister- und sechs Europameistertiteln scheut
ein 63-jähriger Sportdozent der Universität Göttingen keine sportliche
Konkurrenz von Studenten, die 40 Jahre jünger sind als er.

Für viele ältere Menschen ist der Seniorenbegriff also nicht mehr passend.
Die Gesprächsrunden im Landkreis Göttingen bestätigten dies: Eine ca.
60 Jahre alte Frau erlebte es als stigmatisierend, als Seniorin bezeichnet
zu werden. Sie würde gerne als Jungseniorin angesprochen werden. Hier
müsse ein Umdenken stattfinden. In einem anderen Gespräch wurde
betont, dass das Wort “alt“ in unserer Gesellschaft immer noch negativ
besetzt sei. Der Begriff „junge Menschen“ sei gesetzlich definiert, nicht
aber der Begriff „Senior“. „Es wird immer nur von Alten gesprochen oder
von Grufties. Da kommt man gar nicht gegen an. Eigentlich müssten wir
die Jüngeren öfter zur Rede stellen und etwas gegen die Diskriminierung
tun. Der Jugendwahn ist doch eigentlich ungebrochen.“

Aufgrund verschiedener Formen von Vorruhestandsregelungen, Frühver-
rentung und Altersteilzeit beenden heute viele Menschen ihre Berufstä-
tigkeit mit 55 oder 58 Jahren. Statistisch haben sie dann noch etwa ein
Drittel ihres Lebens vor sich. Durch die Verlängerung des Ruhestandes,



4 Damals erreichten nur zwei Prozent der Bevölkerung dieses Lebensalter. Die durchschnittliche
Lebenserwartung betrug 45 Jahre. Die Altersgrenze wurde erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg auf 65
Jahre reduziert.
5 Ob dies von den Betroffenen auch so zufriedenstellend erlebt wurde (und wird), sei dahingestellt.
6 Gesprächsrunde am 30. Juni 2006 mit dem Seniorenbeirat Dransfeld
7 In Schweden gibt es speziell für den Bereich der Seniorenwirtschaft im direkten Vergleich zu deut-
schen Verhältnissen einige Unterschiede. Als Erstes fällt auf, dass Ältere und Altern in der sehr egalitären
schwedischen Gesellschaft weniger negativ belegt sind. Durch die “schwedische Reichsorganisation
der Rentner“ (Pensionärernas Riksorganisation, PRO) verfügen die Senioren über eine starke Lobby und
einen mit einer Gewerkschaft vergleichbaren Einfluss.
8 Gesprächsrunde am 1. Juni 2006 in Rosdorf

                                                    27
eine Erhöhung der durchschnittlichen Lebensdauer und die besseren Akti-
vitätsressourcen hat sich aus einer ehemals passiv durchlebten “Restzeit“
eine eigenständige Lebensphase entwickelt.

Anfang September 2006 beschäftigte sich eine Tagung der Evangelischen
Akademie Hofgeismar mit der „Kunst des Alterns“. Der Wiener Soziologe
Professor Dr. Anton Amann forderte einen sachgemäßen Diskurs über
das Altern. Die gegenwärtige Diskussion verlaufe „verquer“, so seine
These. Auf der einen Seite werde das Alter hochgejubelt und behauptet,
die Alten verfügten über große Kaufkraft und könnten neue Lebensstile
verwirklichen, auf der anderen Seite würden die Alten als Bürde und Last
bezeichnet, für die Gesellschaft, für den Staat und für sich selbst. Die
Tagung selbst befasste sich intensiv mit der Frage, wie Ältere für ehren-
amtliche Tätigkeit gewonnen werden können.

Die Studie von PriceWaterhouse Cooper (PWC) differenziert diese These
und weist darauf hin, dass in der bisherigen Unternehmenspraxis häufig
Umsetzungsfehler bei der Ansprache Älterer auftreten, wie z. B. der
„Seniorenteller-Effekt“ (Unterschätzung) oder der „Silver-Surfer-Effekt“
(Überschätzung der Zielgruppe).

Nicht nur WissenschaftlerInnen bemühen sich um eine Beschreibung
dieser neuen Lebensphase,0 auch im Marketing wird in den letzten Jahren
verstärkt diese neue Zielgruppe in den Blick genommen. Die neue Kon-
sumentengruppe wird mit den unterschiedlichen Begriffen umschrieben:
die „Jungen-Alten“, die „Jungsenioren“, „Best Age 50plus“, „Silvergene-
ration“, „Silversurfer“, „Silver Consumer“, „Golden Oldies“, „Generation
Gold“, „Best Ager“, „Master Consumer“, „Woopies“ oder gar „Selpies“
– um nur einige Beschreibungsversuche zu nennen. Die Vielfalt dieser
phantasievollen Begriffsschöpfungen symbolisiert die Unsicherheit der
Anbieter gegenüber den Nachfragergruppen.

Da es keine überzeugende Alternative gibt und der Seniorenbegriff durch-
aus auch mit Respekt und Anerkennung geprägt ist, wird vorgeschlagen,
diese Bezeichnung konsequent und selbstbewusst zu benutzen und auf
verschämte Umschreibungen zu verzichten.

In der mehrere Jahrzehnte umfassenden Altersspanne des Seniorenlebens
sind unterschiedliche Generationen mit unterschiedlichem zeitgeschicht-
lichen Hintergrund, Sozialisationen, Konsum- und Technikerfahrungen
vertreten. Dieser Trend der Differenzierung der Altersgruppe geht mit einer
Differenzierung der Lebensstile einher: Die jetzigen Alten zeichnen sich
durch unterschiedliche Lebensstile auch innerhalb der Generation aus, die
sich zukünftig noch weiter ausdifferenzieren werden. Von der Gruppe der
Senioren zu sprechen ist daher unangemessen, es ist eine sehr heterogen
zusammengesetzte Gruppe, die sich mindestens so stark untergliedern
lässt, wie es von der Jugendkultur her bekannt ist.



9 PWC-Studie: “Generation 55+, Chancen für Handel und Konsumgüterindustrie“, S. 19
10 Die Gerontologie beschäftigt sich als Wissenschaft vom Altern u. a. mit dem Altersbegriff und der
Definition von Altersstilen. Derzeit werden 150 bis 180 Altersstile identifiziert.
11 Abkürzung für “well-off old people“, für gut situierte alte Menschen
12 Kurzform von “second life people“, für Menschen im zweiten Lebensalter

                                                28
SeniorInnen in der
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Auftragsgemäß befasste sich die Studie mit den Altersgruppen der über
50-Jährigen. Diese Zielgruppendefinition impliziert eine Reihe von Frage-
stellungen. Ob wirtschafts- oder beschäftigungspolitische Maßnahmen
auf Zielgruppen ausgerichtet werden sollten, die nach dem Alter definiert
werden, ist ebenso zweifelhaft wie die Frage, ob sich die Vermittelbarkeit
eines 55-Jährigen gravierend von der einer 49-Jährigen unterscheidet und
ob nicht vielmehr die Frage nach der Qualifikation bzw. der Dauer der
Arbeitslosigkeit relevanter als das Geburtsdatum ist. Nicht das Alter ist
also bestimmender Faktor für die Lebensperspektive, sondern Aspekte
wie Integration, Mobilität, körperliche und geistige Fitness. Mithilfe einer
Clusteranalyse des Frankfurter Marktforschungsinstituts T.E.A.M. wur-
den auf Basis von 200 ausführlichen explorativen Interviews mit 50- bis
90-jährigen Verbrauchern sechs verschiedene Seniorentypen identifiziert,
die sich in ihren Einstellungen und in ihrem Konsumverhalten voneinander
unterscheiden.




                                                                                                    Abbildung 8: Senio-
                                                                                                    rentypen bei den über
                                                                                                    50-Jährigen


Die anspruchsvollen Konsumfreudigen (Typ 1) kommen unter den Senioren
mit am häufigsten vor: Sie haben Spaß am Aussuchen und Einkaufen und
geben auch entsprechend Geld aus. Sie sind finanziell gut situiert und
haben hohe Qualitätsansprüche.

Die wertkonservativen Genießer (Typ 2) sind traditionsverbundene Seni-
oren, die nach einem langen Arbeitsleben endlich ihren Alltag genießen
wollen. Beim Einkauf und Konsum legen sie auch Wert auf Qualität; sind
aber grundsätzlich eher sparsam und der Ansicht, dass preiswerte Pro-
dukte heute meist genau so gut sind wie teure.

Die ausgabebereiten Innovatoren (Typ 3) lieben die Abwechslung, sind
Neuem gegenüber aufgeschlossen und probieren gern neue Produkte
aus. Auch sie legen großen Wert auf Qualität; sie geben dafür lieber
etwas mehr Geld aus.




13 Team für effiziente angewandte Marktpsychologie (2004): “Die unterschätzte Generation“. Frank-
furt

                                               29
Die sparsamen Zurückgezogenen (Typ 4) entsprechen am ehesten dem
traditionellen Vorstellungsbild alternder Senioren, sind inzwischen aber
die kleinste Personengruppe. Sie stehen Neuem eher ablehnend gegen-
über, sind grundsätzlich sehr sparsam und kaufen generell preiswerte
Produkte.

Die risikoscheuen Traditionalisten (Typ 5) sind die konservativsten unter
den Senioren. Sie sind sehr sicherheitsbewusst, kaufen lieber altbewährte
Produkte und sind dabei sehr markentreu.

Die erlebnishungrigen Aktiven (Typ 6) sind sehr unternehmungslustig,
fühlen sich jung und fit und lieben die Abwechslung. Beim Einkauf sind sie
aber sehr wählerisch und achten auf ein angemessenes Preis-Leistungs-
Verhältnis.

Diese Seniorentypen verdeutlichen, dass die Generation der heute über
50-Jährigen, also der zukünftigen Seniorengeneration, differenziert be-
trachtet werden muss. Diese Erkenntnis, dass es sich hierbei um eine
attraktive Zielgruppe handelt, setzt sich gerade unter Marketingfachleuten
immer mehr durch. Die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen bestimmt das
Konsumverhalten. Besonders die Typen 1, 3 und 6 sind für das Senioren-
marketing interessant. Sie machen zusammen 55 Prozent aus.

Diese Vielschichtigkeit in den verwandten Begriffen zeigt, dass sich ein
durchgehender gesellschaftlicher Konsens nicht herstellen lässt. Erst
recht finden sich alle der so gruppierten Personen nicht komplett in den
Begriffen wieder. Wer Impulse für die Seniorenwirtschaft benennen will,
kann aber auf eine Definition von Begriffen nicht verzichten. Die Autoren
der Studie unterscheiden bei den über 50-Jährigen zwischen den Produ-
zenten sowie den Konsumenten von Produkten und Dienstleistungen.
Zu der letztgenannten Kategorie gehören auch die über 50-Jährigen in
ihren verschiedenen Funktionen innerhalb der Gesellschaft. Auf dem
Arbeitsmarkt sind die über 50-Jährigen Zielgruppen mit besonderen
altersspezifischen Risiken. Im Bereich des Konsums unterscheiden die
Autoren folgende Zielgruppen:

Die “Jungsenioren“ (etwa 60–70 Jahre) sind körperlich und geistig aktiv.
Das Teilnahmebedürfnis ist groß, wichtig sind für sie v. a. Freizeit- und Bil-
dungsangebote, soziale Kontakte und bürgerschaftliches Engagement.

“Senioren“ (etwa 70–80 Jahre) können im Allgemeinen selbstständig
ihren Lebensalltag bewältigen, jedoch aufgrund teilweise reduzierter
körperlicher Leistungsfähigkeit weniger aktiv auftreten und sind u. U. mit
längeren Krankheitsphasen konfrontiert. Die Pflegefallwahrscheinlichkeit
liegt allerdings noch unter fünf Prozent.

In der Gruppe der “Hochbetagten“ (über 80 Jahre) sinkt die Beteiligung am
gesellschaftlichem Leben, die Pflegefallwahrscheinlichkeit steigt leicht an.
Gerade bei Älteren, deren Ehepartner gestorben sind, nimmt das Problem
der Vereinsamung zu. In dieser Altersgruppe gewinnt die Pflegeeignung




                                     30
SeniorInnen in der
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der Wohnung im Zusammenhang mit aufsuchender Betreuung an Bedeu-
tung, ebenso die ambulante und die stationäre Pflege. Jedoch sind auch
unter den Hochbetagten 80 Prozent nicht pflegebedürftig.

Inzwischen befassen sich auch Messeveranstalter gezielt mit den
Bedürfnissen von SeniorInnen. So richten Euroforum The Conference
Company und „seniorenmarkt.de“ am 15. und 16. November 2006 den
„Zukunftsmarkt 70plus“ aus. Dargestellt werden gute Praxisbeispiele aus
verschiedenen Branchen wie Finanzdienstleistungen, Handels- und Pro-
duktkonzepte, Verpflegungs- und Managementkonzepte für SeniorInnen
und Wohnformen.




                                                                               Abbildung 9: Idee der Seni-
                                                                               orenwirtschaft (Geumann/
                                                                               Regionalverband)


Exkurs: Soziodemographische Einteilung der Zielgruppen

In der Literatur herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Zielgrup-
pendefinition allein über das Alter nicht ausreicht und dass das biologische
Alter des Menschen wenig über individuelle Präferenzen aussagt. In
Ergänzung zu den angesprochenen Differenzierungsversuchen stellt das
vom Heidelberger Sinus-Institut entwickelte Modell des Sinus-Milieus eine
recht exakte Konsumprofilierung dar. Nach der Definition des Instituts fas-
sen soziale Milieus Menschen zusammen, die sich in Lebensauffassung
und Lebensweise ähneln, die also so etwas wie subkulturelle Einheiten
innerhalb der Gesellschaft bilden. Es erfolgt eine Einteilung nach Wer-
teorientierungen und Lebenszielen, nach Einstellung zu Arbeit, Freizeit
und Konsum, zu Familie und Partnerschaft, nach Zukunftsperspektiven,
politischen Grundüberzeugungen und Lebensstilen. Die Abgrenzungen
markieren keine scharfen Grenzen, vielmehr gibt es fließende Übergänge,
Zwischenformen und Überschneidungen.




14 Steffens et al. (2004), S. 9
15 http://www.euroforum.de/p1100528

                                      31
Abbildung 10: Sinus-Milieus
 Quelle: Grey Global Group


                              Die oben genannte Darstellung hat die Grey Global Group in einer wei-
                              tergehenden Studie auf die über 50-Jährigen bezogen. Danach sind in
                              der Sinus A23 Gruppe („Traditionsverwurzelte“) 87 Prozent über 50 Jahre
                              alt. Bei den „Modern Performers“ sind dagegen nur knapp neun Prozent
                              über 50 Jahre.

                              Diese differenzierte Darstellung wird im Folgenden nicht weiter genutzt.
                              Bei der Analyse der möglichen Beschäftigungseffekte der Senioren-
                              wirtschaft spielt sie nur eine untergeordnete Rolle. Sie wurde dennoch
                              erwähnt, weil sie ein wichtiges Instrument im Marketing ist und bei der
                              Entwicklung neuer Produkte und Entwicklungen relevant sein kann.


 armut Im alter               Obwohl es sich bei der derzeitigen Seniorengeneration um die reichste
                              handeln dürfte, die es je gegeben hat, gibt es auch in Deutschland zahl-
                              reiche Ältere, die als arm zu bezeichnen sind. Es besteht die Gefahr, dass
                              deren Zahl künftig steigen wird und die Schere zwischen Arm und Reich
                              weiter auseinandergeht. Wer sich mit Seniorenwirtschaft befasst, kann
                              diesen Aspekt nicht ignorieren.

                              Nach einer Definition der Europäischen Union ist arm, wem weniger als 60
                              Prozent des Durchschnittseinkommens pro Monat zur Verfügung steht. In
                              Deutschland liegt diese Grenze nach dem aktuellen Armutsbericht bei 938
                              Euro. Auch für den Begriff des Existenzminimums gibt es unterschiedliche
                              Einschätzungen. Berechnungen des Arbeitslosengeldes II orientieren sich
                              an dem soziokulturellen Existenzminimum. Es liegt für Alleinstehende
                              bei 7.356 Euro jährlich. Deutlich höher liegt mit knapp 1.000 Euro das
                              pfändungsfreie Existenzminimum.




                              16 Michael, Grey (2003): Berechnung Grey Strategic Planning.

                                                                             32
SeniorInnen in der
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Nach dem SGB XII haben Personen ab dem 65. Lebensjahr Anspruch auf
Grundsicherung, wenn der Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln
bestritten werden kann. Nicht alle Anspruchsberechtigten kennen diese
Rechtslage. Andererseits gibt es viele, die ihre Rechte zwar kennen, sie
aber nicht wahrnehmen, weil sie sich scheuen, der Allgemeinheit zur
Last zu fallen.

Während bislang viele NeurentnerInnen und Pensionäre über eine
durchgängige Erwerbsbiographie verfügen, haben viele der künftigen
Renten- und Pensionsbezieher geringere Ansprüche z. B. gegenüber
den Rentenkassen. Vielfach wird nicht mehr durchgängig gearbeitet, die
Berufstätigkeit wird vielmehr in prekären Arbeitsverhältnissen ausgeübt.
Dazu gehören Teilzeitarbeitsverhältnisse, Tätigkeiten auf Honorarbasis und
(projektorientierte) befristete Tätigkeit. Altersarmut, insbesondere unter
alleinstehenden Frauen, existiert nach wie vor, doch das Verarmungsrisi-
ko hat sich bei älteren Menschen gegenüber den 60er- und 70er-Jahren
stark verringert.

Ein weiterer Aspekt ist der Beschluss der Bundesregierung, schrittweise
die Rente mit 67 einzuführen. Künftige wirtschaftliche Probleme älterer
Personen dürften also multifaktoriell bedingt sein. Wer in der Erwerbs-
biographie erhebliche Lücken aufweist, verfügt in der Regel auch über
weniger sozialen Rückhalt. Personen, die durchgehend berufstätig sind
oder aber freiwillig nicht arbeiten, leben in vielen Fällen gesundheitsbe-
wusster und sind weniger anfällig für Drogenprobleme. In der soziolo-
gischen Forschung werden auch Zusammenhänge zwischen einem hohen
Bildungsgrad und der Fähigkeit zu perspektivischer Lebensplanung her-
gestellt. Faktoren wie diese tragen dazu bei, das Armutsrisiko im Alter zu
erhöhen. Sie erschweren zudem die Bemühungen auch von Kommunen,
ältere Personen aus der Einsamkeit zu holen und in das gesellschaftliche
Leben zu integrieren.

Viele der heute angebotenen Produkte und Dienstleistungen für Senio-
rInnen sind noch immer teuer und ähneln Luxusartikeln. Die Senioren-
wirtschaft steht vor der Aufgabe, preiswerte und gleichwohl qualitativ
hochwertige Produkte zu erschwinglichen Preisen anzubieten.

Nach Einschätzung der Verantwortlichen der Stadt- und Gemeindever-
waltungen im Landkreis Göttingen ist die Armut im Alter bislang noch
kein zentrales Thema. Ökonomische Probleme Älterer sind danach zwar
vorhanden, können aber noch nicht pauschal als Armut qualifiziert wer-
den. Zudem sind die Probleme meist nicht offen erkennbar. Betroffene
schildern die Probleme, wenn überhaupt, eher verschämt. Viele derjeni-
gen, die jetzt im Rentenalter sind, haben Kriegs- und Nachkriegszeiten
kennengelernt und sind es gewohnt, bescheiden und sparsam zu leben.
Vielfach herrschen, gerade auf dem Land, intakte Familienverhältnisse
mit gegenseitiger materieller Unterstützung vor. Bei der Erbringung von
Dienstleistungen, z. B. im Handwerk, spielt die gegenseitige Unterstützung
eine große Rolle.




17 Prof. Dr. Fred Karl, FB Sozialwesen der Universität Kassel, am 7. Juli 2006 in Kassel

                                                  33
Nach Ansicht der Kommunen besteht aber die Gefahr, dass sich die wirt-
                 schaftliche Situation Älterer in den nächsten Jahren verschlechtert. Die
                 Ankündigung der Bundesregierung, dass in den nächsten Jahren deutliche
                 Rentenanpassungen nicht zu erwarten sind, ist dabei nur ein Faktor. Eine
                 zunehmende Bedeutung dürfte zudem die Tatsache erlangen, dass durch
                 den Bevölkerungsrückgang gerade in der Fläche die Mieten und damit für
                 Hauseigentümer die Einnahmemöglichkeiten sinken. Der demographische
                 Wandel wird auch auf die Immobilienpreise durchschlagen und damit den
                 Verkauf von Eigentum erschweren.

                 Weitere Aspekte sind das zunehmende Auseinanderfallen von Familien und
                 die Singularisierung der Gesellschaft. Der Bürgermeister der Gemeinde
                 Friedland beobachtet, dass manche Ältere bei der Bewirtschaftung ihrer
                 Häuser überfordert sind. In den Häusern dieser Gemeinde wie auch in an-
                 deren Teilen des Kreisgebiets besteht bei vielen Immobilien in Privatbesitz
                 erheblicher Sanierungs- und Modernisierungsbedarf. Wenn mittelfristig
                 die Einkommen Älterer zurückgehen, steigen tendenziell die Ausgaben
                 der Sozialhilfeträger.

                 Deutlich wird also, dass die erwarteten Impulse, die die Seniorenwirt-
                 schaft für die Regionalentwicklung auslöst, relativiert und in Anbetracht
                 der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme vieler SeniorInnen bewertet
                 werden müssen.


senIorenarbeIt   Seniorenarbeit wird in vielfältigen gesellschaftlichen Bereichen geleistet:
                 von Wohlfahrtsverbänden oder Gewerkschaften bis hin zum Kleingarten-
                 verein und Ehemaligentreffen von Unternehmen. Im Folgenden wird ein
                 Überblick mit Schwerpunkt auf die kommunalen Aktivitäten gegeben.


                 Kreisangehörige Städte und Gemeinden

                 Im Rahmen von Kommunalbefragungen im Juni und Juli 2006 gaben für
                 die Seniorenarbeit sechs der elf kreisangehörigen Kommunen klare Zustän-
                 digkeiten in Fachämtern bzw. Fachbereichen an. In Friedland und Gleichen
                 liegt die Zuständigkeit bei der Gleichstellungsbeauftragten, in Adelebsen,
                 Staufenberg und Rosdorf beim Bürgermeister bzw. der Bürgermeisterin.
                 Mit Ausnahme der Stadt Hann. Münden halten alle Verwaltungsspitzen
                 Seniorenfragen für ein Querschnittsthema.

                 Die spezifisch auf SeniorInnen zugeschnittenen Angebote der Stadt- und
                 Gemeindeverwaltungen im Landkreis Göttingen – mit Ausnahme der Stadt
                 Göttingen – orientieren sich eher am klassischen Altersbild. Wenngleich
                 Veranstaltungen wie Kaffeenachmittage wichtige Foren der Begegnung
                 und des Austauschs von SeniorInnen sind und für die Veranstalter häufig
                 viel Aufwand und Mühe bedeuten, zeugen sie weder von besonderer
                 Kreativität noch berücksichtigen sie, dass viele SeniorInnen über diese
                 Veranstaltungen hinaus vielfältige Interessen haben, von denen zumindest
                 einige auch von den Kommunen aufgegriffen werden könnten.




                                                     34
SeniorInnen in der
                                                                                Gesellschaft




Bereits im Oktober 1993 hat die Gemeinde Rosdorf damit begonnen, das
Konzept des Erzählcafés als Zeitzeugenprojekt und Mehrgenerationendi-
alog umzusetzen. Jeden letzten Freitag im Monat findet dort ein Mehrge-
nerationendialog mit den vielfältigsten Themen statt. Das Erzählcafé hat
auch das Rosdorfer Kochbuch herausgegeben und zeichnet verantwortlich
für diverse andere Bildungsveranstaltungen. Das Erzählcafé ist Mitglied
im lokalen Bündnis für Familie. Außerdem hat die Gemeinde Rosdorf ein
Internetcafé eingerichtet, das auf die Interessen von SeniorInnen ausge-
richtet ist. Jeder Ortsrat veranstaltet einmal jährlich eine Seniorenausfahrt
und eine Seniorenweihnachtsfeier. Monatliche Kaffeenachmittage finden
in fast allen Ortschaften statt. SeniorInnen treffen sich auf privater Basis
sowie in Vereinen und Verbänden, in Kirchen und Gewerkschaften sowie
in vielfältigen anderen Zusammenhängen wie etwa den Freiwilligen Feu-
erwehren.

Festzuhalten bleibt jedoch, dass es immer schwieriger wird, bestehende
Angebote aufrechtzuerhalten. Es fehlt vielfach noch immer an der Bereit-
schaft zu ehrenamtlicher Tätigkeit. Viele ehrenamtlich tätige SeniorInnen
werden in immer neue Arbeitszusammenhänge eingebunden und sind
damit vielfach überfordert.

Spezielle, von den Kommunen unterstützte Netzwerke für SeniorInnen
sind eher die Ausnahme. In Bovenden gehört dazu die erweiterte Nach-
barschaftshilfe der AWO.

Ende September 2006 fand die „Seniorenmesse Bovenden“ statt – eine
Premiere für den Flecken. Genutzt wurde die Veranstaltung von 30
Dienstleistern und Organisationen aus den Bereichen Reisen, Finanzen,
Gesundheit, Vorsorge, Sport, Sicherheit, Betreuung, Versorgung, Be-
ruf und Freizeit. Zielsetzung war es, über das traditionelle kommunale
Angebot „gemeinsames Kaffeetrinken“ hinaus die unterschiedlichen
Ansprüche und Bedürfnisse von SeniorInnen darzustellen. In der neuen
Kommunalwahlperiode ab dem 1. November 2006 sollen die wichtigsten
der im Bürgerhaus vermittelten Impulse aufgegriffen und die Arbeit des
Seniorenbeirats erweitert werden. Bei den Referaten ging es z. B. um
strukturelle Änderungen in der Altersvorsorge, gesunde Ernährung im
Alter, Prävention und Rehabilitation am Wohnort, Erhaltung von Gesund-
heit und Aktivität, Wohnformen im Alter und besondere medizinische
Dienstleistungen für Diabetiker.

In Dransfeld wird die Initiative „Atempause“ unterstützt, in der Betreiber
von Pflegediensten und Mitglieder des Seniorenbeirats sowie Einzelper-
sonen mit dem Ziel kooperieren, niedrigschwellige Betreuungsangebote
anzubieten. Konkrete Planungen: LaienhelferInnen besuchen SeniorInnen,
gehen mit ihnen spazieren, lesen ihnen etwas vor, klönen mit ihnen, hören
gemeinsam Musik oder singen und basteln. Eine Fördergruppe soll sich
künftig zweimal im Monat treffen und SeniorInnen einladen, gemeinsam
kreativ zu werden. Ein Kreis von Helfern soll in einem 40-stündigen Lehr-
gang auf diese Arbeit vorbereitet werden. Die Initiative „Atempause“ ist
eingebunden in das Projekt „Niedrigschwellige Betreuungsangebote“, wie
es bereits von der Sozialstation Göttingen-Ost als Modellvorhaben von der
Landesregierung zusammen mit den Pflegekassen gefördert wird.


                                     35
In Friedland wurde der Biete-Hole-Austausch eingerichtet. Angelegt wurde
eine Kartei, in der Hilfsangebote wie etwa Einkaufshilfe und Gartenarbeit
mit der entsprechenden Nachfrage zusammengeführt wird. In Radolfshau-
sen wird derzeit versucht, die Initiativen in einzelnen Mitgliedsgemeinden
zur Organisation von Reisen für SeniorInnen aufeinander abzustimmen.
Als besonders wichtiges Netzwerk innerhalb des Landkreises gilt die
Nachbarschaftshilfe Friedland-Rosdorf.

Adelebsen setzt z. B. im Rahmen des Bündnisses für Familie auf interge-
nerative Zusammenarbeit. Begonnen wurden Initiativen wie Erzählcafé
und regelmäßige Frühstückstreffen. Die Vorträge, zu denen eingeladen
wird, sind meist generationenübergreifend ausgerichtet und behandeln
vorwiegend medizinische Themen wie etwa die Gesundheitsprophylaxe.
Von Oktober bis Dezember 2005 fand in Adelebsen einmal wöchentlich
ein Kurs des Gleichstellungsbüros für Frauen mit einem kombinierten
Bewegungs- und Ernährungsangebot sowie der Anleitung für Entspan-
nungsübungen statt. Wiederholungen sind für Oktober 2006 geplant.
Vorgesehen ist ein Kurs zum Thema Wechseljahre. In Zusammenarbeit mit
den Landfrauen sollen spezielle Angebote für Seniorinnen wie Vorträge,
Führungen, Lesungen, Musik und Ausflüge gestaltet werden. Aufgebaut
werden Netzwerke zwischen dem Adelebser Bündnis für Familie und
bestehenden Senioren- und Seniorinnengruppen. Zentrales Angebot der
Stadt Hann. Münden ist die Seniorenbegegnungsstätte, die die Arbei-
terwohlfahrt mit Unterstützung der Stadt am Tanzwerder betreibt. Die
Samtgemeinde Radolfshausen vergibt – mit den Einwohnerzahlen als
Schlüssel – Mittel an die Seniorenarbeit der Mitgliedsgemeinden.

Ergänzt werden die Angebote der Kommunen im Landkreis Göttingen
durch die Arbeit von Seniorenbeiräten, -beauftragten und -obleuten. Sie
erschöpft sich allerdings in den meisten Kommunen in der Vorbereitung
von Weihnachts- und Adventsfeiern, Kaffeenachmittagen und Ausflügen.
Beispielsweise in Gieboldehausen kümmern sich die Seniorenobleute der
Mitgliedsgemeinden um Fachvorträge, z. B. zur Abfassung von Testamen-
ten. Außerdem erfolgen Besichtigungen von Altenheimen.

Gesamteindruck: Die Organisation von Veranstaltungen bezieht sich meist
auf Gemeinde- bzw. Ortsteilebene. In manchen Fällen ist es schwierig, für
Veranstaltungen und gemeinsame Reisen ausreichend Teilnehmer zu fin-
den. In der Gemeinde Rosdorf nehmen Mitglieder der Seniorenvertretung
an allen Fachausschusssitzungen mit beratender Stimme teil. Informati-
onsveranstaltungen zur Patientenverfügung wurden bereits vor längerer
Zeit, einmal auch in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten,
durchgeführt und stießen auf breite Resonanz.


Landkreis Göttingen

Mit Beschlussfassung vom 10. Mai 2006 hat der Kreistag die Kreisver-
waltung aufgefordert, eine Publikation herauszugeben, die neben der
allgemeinen Präsentation vorhandener Einrichtungen auch Ideen für bür-
gerschaftliches Engagement und aktive Freizeitgestaltung beinhaltet. Nach
einem Kreistagsbeschluss vom 19. Juli 2006 will der Landkreis Göttingen
einen runden Tisch “Senioren“ einrichten.

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Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft
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Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft

  • 1. Holger Balderhaar | Julia Busche | Marcus Lemke | Rüdiger Reyhn Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft Regionalökonomische Impulse für Stadt und Landkreis Göttingen durch ältere Menschen Beschäftigungspakt für Ältere im Gefördert und unterstützt durch das Eine Studie im Rahmen des Beschäftigungspaktes „50plus - Erfahrung zählt!“ im Landkreis Göttingen
  • 2. Herausgeber Regionalverband Südniedersachsen e.V. Barfüßerstraße 1, 37073 Göttingen info@regionalverband.de 0551-5472810 www.regionalverband.de in Kooperation mit dem Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh) Im auftrag von www.50plus-goettingen.de Göttingen, September 2006
  • 3. Holger Balderhaar Kilian Bizer Julia Busche Gerd Cassing Wolf-Ekkehard Hesse Karsten Hiege Ullrich Kornhardt Marcus Lemke Steffen Reißig Rüdiger Reyhn Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft Regionalökonomische Impulse für Stadt und Landkreis Göttingen durch ältere Menschen
  • 4. InhaltsverzeIchnIs 1 Zusammenfassung 7 2 Einführung und Aufgabenstellung 11 Vorbemerkungen 11 Das Modellprojekt “50plus – Erfahrung zählt!“ 15 Methodisches Vorgehen 16 3 Demographischer Wandel 18 Analyse und Prognose 18 Situation auf dem Arbeitsmarkt 22 Anpassungsleistungen der Kommunen 23 4 SeniorInnen in der Gesellschaft 26 Altersbilder und Altersbegriffe 26 Armut im Alter 32 Seniorenarbeit 34 Interessenvertretung in den Parteien 39 Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) 41 Überregionale Beispiele 42 5 Initiativen für SeniorInnen 45 Altenbericht und Stellungnahme zum Altenbericht 46 Landesinitiative Seniorenwirtschaft in NRW 47 Landesinitiative Seniorenwirtschaft Niedersachsen 48 Förderung des Ehrenamtes in Niedersachsen 50 Exkurs: Mehrgenerationenhäuser 52 6 Seniorenwirtschaft 54 Begriffsbestimmung 54 Kaufkraft von Senioren 55 Senioren-marketing 58 Einfach für alle: Universal Design 67 Exkurs: Seniorenwirtschaft in Japan 68 Exkurs: Demographischer Wandel in China 69 4
  • 5. 7 Gestaltungsfelder der Seniorenwirtschaft 71 Wohnen 71 Situation im Landkreis Göttingen (ifh) 107 Handel 125 Gesundheitswirtschaft, ambulante Pflege und Sport 141 Finanzdienstleistungen 163 Neue Medien und Telekommunikation 166 Tourismus 173 Mobilität im Alltag 179 Seniorenbildung 182 8 Perspektiven der Seniorenwirtschaft 184 9 Qualifizierung und Beratung 186 Qualifizierung für den ersten Arbeitsmarkt 186 Existenzgründungsberatung 190 10 Handlungsempfehlungen 192 Kommunen als Impulsgeber 192 Handwerk und Wohnen 196 Handel 199 Ambulante Pflege 202 Tourismus und Mobilität 203 Neue Medien und Telekommunikation 205 Finanzdienst-leistungen 205 Die nächsten Schritte 206 Literatur 208 Internetlinks 214 Abbildungsverzeichnis 219 ANHANG Pflegesätze der Altenhilfeeinrichtungen im Landkreis Göttingen 221 Pflegesätze der Altenhilfeeinrichtungen in der Stadt Göttingen 224 Adressen der Alten- und Pflegeeinrichtungen in der Stadt Göttingen 226 Adressen der Alten- und Pflegeheime im Bereich des Landkreises Göttingen 227 5
  • 6. Zwei sarkastische Definitionsversuche A) Gerontologie ist eine zunehmend erfolgreich benützte Strategie jüngerer Menschen, schon in jungen Jahren an der demographischen Alterung zu verdienen. Die Geron- tologInnen sind deshalb existentiell daran interessiert, dass niemand vorzeitig wegstirbt und den Alten die Probleme nicht ausgehen. B) Gerontologie ist eine kluge Strategie von Berufsfachleuten, sich durch die Beschäftigung mit hochbetagten Menschen auch noch mit 50 jung zu fühlen, was Personen, die sich mit Jugendfragen befassen, eindeutig schwieriger fällt. François Höpflinger 1 François Höpflinger ist Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich. Er beschäftigt sich vor allem mit Fragen zur Bevölkerungssoziologie. 6
  • 7. 1 zusammenfassung Entwicklung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen für ältere KundInnen sind geeignet, Perspektiven für die wirtschaftliche Ent- wicklung der Stadt und des Landkreises Göttingen und darüber hinaus für die gesamte Region Südniedersachsen zu eröffnen. Seniorinnen und Senioren verfügen über eine hohe Kaufkraft. Der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung ist in den vergangenen Jahren gestiegen – er wird auch weiter an Bedeutung gewinnen. Überlappt wird diese Entwicklung jedoch durch regionale Struktur- und Wachstumsprobleme, die sich unter anderem in deutlich geringeren Durchschnittseinkommen gegenüber prosperierenden Regionen Nord- west-Niedersachsens, z. B. dem Landkreis Leer, manifestieren. Die Wirtschaft in Stadt und Landkreis Göttingen wird sich der neuen Möglichkeiten, die sich aus dem demographischen Wandel ergeben, zunehmend bewusst. Bei der Entwicklung von Produkten und Dienstlei- stungen berücksichtigen viele Unternehmen die erhöhte Bedeutung der SeniorInnen auf den regionalen und überregionalen Märkten. Trotz vielfältiger punktueller Bemühungen in Stadt und Landkreis Göttingen mangelt es jedoch in vielen Gestaltungsfeldern der Seniorenwirtschaft noch immer an ausreichender Anpassungsflexibilität der Anbieter. Das gilt sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. Viele Facetten des demographischen Wandels werden in der aktuellen Geschäftspraxis und der strategischen Unternehmensausrichtung nur unzureichend berücksich- tigt. Um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Standort sichern und entwickeln zu können, ist es deshalb erforderlich, den Gruppen der Älteren als Leistungserbringer und Leistungsbezieher eine noch höhere Aufmerksamkeit zu schenken, als dies bislang erfolgt ist. Die in der vorliegenden Potenzialanalyse aufgezeigten Handlungsansät- ze sollten deshalb konkretisiert und auf eine Umsetzung weiter geprüft werden. Ein in Nordrhein-Westfalen entwickeltes Ignoranz-Szenario zeigt die Konsequenzen für den Fall auf, dass die erforderlichen Anpassungs- leistungen nicht erbracht werden. In Gestaltungsfeldern wie der ambulanten Pflege und dem seniorenge- rechten Wohnen bestehen – das zeigt die vorliegende Studie – unmittelbar neue Beschäftigungspotenziale. Beim Vorliegen persönlicher und fach- licher Eignung können in Sektoren wie diesen auch ältere Erwerbslose auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden – wenn auch möglicherweise nur im Rahmen prekärer Arbeitsverhältnisse. In den meisten anderen Gestaltungsfeldern dürften die Wirkungen aber eher mittelbar sein. 2 Hiege, Karsten; Hesse, Wolf-Ekkehard (2006): “Regionalanalyse des Landkreises Göttingen – Basisdaten zu älteren Beschäftigten und Erwerbslosen“ (Regionalverband Südniedersachsen e.V.) 3 Circel, Michael; Hilbert, Josef; Schalk, Christa (2004): “Produkte und Dienstleistungen für mehr Le- bensqualität im Alter“, Institut für Arbeit und Technik, Gelsenkirchen, S. 103 7
  • 8. Die wichtigsten Perspektiven der Seniorenwirtschaft in Stadt und Landkreis Göttingen liegen also primär in der Wirtschafts- und Strukturpolitik und weniger in der Beschäftigungspolitik. Damit stützt die vorliegende Studie eine wesentliche These, die bei der Bildung des Beschäftigungspaktes für Ältere im Landkreis Göttingen im Juli 2005 formuliert wurde. Nicht bestätigt werden kann jedoch, dass sich durch eine Nutzung der Möglichkeiten der Seniorenwirtschaft älteren Erwerbslosen in größerem Umfang neue Beschäftigungsfelder eröffnen. Das gilt insbesondere angesichts der in der Regionalanalyse nachgewiesenen Bedeutung der Langzeitarbeitslosigkeit älterer Erwerbsfähiger im Landkreis Göttingen. Zu einer ähnlichen Bewertung kam Mitte September 2006 auch der Präsi- dent des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg Braun. Er erklärte, die Initiative des Bundes werde kaum dazu beitragen, dass nennenswert viele ältere Erwerbslose in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Brauns Einschätzung: Die Qualifizierung von Arbeitslosen wird nach wie vor vernachlässigt. Trotz positiver Grundstimmung bei Wirtschaft und Verbrauchern im Spätsommer 2006 fehlt es den Betrieben an Anreizen, ältere Arbeitslose einzustellen. Ob die neuen beschäftigungspolitischen Ansätze der Landes- und der Bundesregierung die Perspektiven für Ältere verbessern, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Beim Abbau von Personal trennen sich viele Unternehmen nach wie vor eher von Älteren – die Volkswagen AG beispielsweise beim geplanten Personalabbau an mehreren Standorten in Niedersachsen und Nordhessen, ebenso gilt dies bei dem Einzelfall des Vorstandsvorsitzenden der BMW AG, der im Juli 2006 mit sechzig Jahren in den Ruhestand ging, obwohl er gern weitergearbeitet hätte. Der Sachverständigenkommission für den fünften Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik ist zuzustimmen, wenn sie feststellt, dass alle Maßnahmen zur Erhöhung der Beschäftigungsquote Älterer letztlich nur greifen werden, wenn die Wirtschaft kräftig wächst und eine steigende Arbeitskräftenachfrage die Betriebe motiviert, auch Ältere einzustellen. Die vorliegende Studie will zum Abbau von Vorurteilen hinsichtlich der Qualifikation, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit von Älteren beitragen. Sie nimmt dabei unmittelbar Bezug auf das letzte der drei vordringlichen Aktionsfelder der Bundesregierung. Nachdrücklich plä- dieren die Autoren dafür, die Seniorenwirtschaft in Stadt und Landkreis Göttingen unter dem Blickwinkel ihrer Lupenfunktion zu betrachten. Was für ältere Menschen gut und richtig ist, nützt in aller Regel auch Jüngeren. Umgekehrt gilt das nicht. Angesichts der Heterogenität der 50plus-Generationen wird darauf ver- zichtet, altersspezifische Angebotssegmentierungen vorzunehmen. So wird weder geraten, dem Beispiel Großräschens zu folgen und ein Seni- orenkaufhaus zu installieren, noch wird der Erarbeitung eines regionalen Qualitätssiegels „seniorengerecht“ das Wort geredet. 4 Bundesministerium für Familie, Senioren, Familie und Jugend (2005): „Potenziale des Alters in Wirt- schaft und Gesellschaft. – Der Beitrag älterer Menschen zum Zusammenhalt der Generationen“, Berlin. 8
  • 9. Zusammenfassung Die Handlungsempfehlungen dienen vielmehr dazu, den Standort Land- kreis Göttingen generationengerechter und damit zukunftsfähiger zu machen. Deshalb können sie auch als Elemente regionaler Bevölkerungs- politik angesehen werden: Wenn sich Wirtschaft und Gesellschaft stärker generationen- und damit altengerecht orientieren, tragen sie dazu bei, Abwanderungen zu verhindern und Anreize für Zuwanderung zu schaffen. Generationengerechtigkeit in Sektoren wie Handel, Handwerk und Touris- mus wird damit zu einem Merkmal der Standortqualität. Bevölkerungspolitik umfasst in diesem Sinne nicht nur überregionale Arbeitsplatzwanderungen, sondern auch Alten- und Ausbildungswande- rungen. Eine der Handlungsempfehlungen besteht darin, die Elterngene- ration von Berufstätigen zu einem Umzug in den Landkreis Göttingen zu motivieren, u. a. mit dem Argument, nahe bei den Enkelkindern sein und sie betreuen zu können. Möglicherweise kann Älteren damit sogar ein Anreiz gegeben werden, auch die dritte Lebensphase in Deutschland zu verleben und auf einen Umzug ins Ausland zu verzichten. Wenn es gelingt, die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Göttingen positiver zu gestalten, wird dies auch nicht ohne Folgen für die Beschäfti- gung Älterer bleiben. Anders formuliert: Das oben genannte Wirtschafts- wachstum innerhalb des Landkreises Göttingen kann nur erreicht werden, wenn Stadt- und Landkreis ihre Bevölkerungsentwicklung mindestens stabilisieren. Die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen beispielsweise zur Bildung von seniorenorientierten Anbieter-Gemeinschaften im Handwerk wirkt beschäftigungsstabilisierend. Im Idealfall gelingt es, Aufträge aus anderen Regionen zu akquirieren. Neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen auch im Tourismus durch eine stärkere Generationenorientierung der Angebote. Die ambulanten Pflegedienste im Landkreis rechnen selbst mit tief greifenden Strukturveränderungen im Zuge der erwarteten Veränderung der Pflegeversicherung. Viele Studien gehen davon aus, dass in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Arbeitsplätze durch das Altern der Gesellschaft entstanden sind. Sie für den Landkreis Göttingen zu quantifizieren war im Rahmen der vorliegenden Studie weder gefordert noch möglich. Deshalb lassen sich auch keine seriösen Aussagen darüber machen, welche Beschäftigungswirkungen ohnehin durch die Alterung im Landkreis Göttingen entstehen, und erst recht lässt sich nicht abschätzen, welche Folgerungen die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen nach sich ziehen würden. In der Gastronomie, bei leichten Pflegetätigkeiten, in der Arbeitnehmerü- berlassung und in Dorfläden können also neue Arbeitsplätze entstehen. Der Teilnahmebeitrag des Landkreises Göttingen am Ideenwettbewerb des Bundes ging davon aus, dass zusätzliche Angebote für SeniorInnen auch von SeniorInnen erbracht werden können. Dieser Grundannahme kann nur bedingt zugestimmt werden. Zwar bestätigt der Einzelhandel, dass Auswahl und Einsatz von Personal kundenorientiert erfolgen müssen. Auch seniorengerechte Angebote im Bereich der Finanzdienstleistungen können von älteren Beratern seriös dargestellt werden. Insgesamt aber 9
  • 10. bedingen seniorenorientierte Angebote nicht unmittelbar eine Beschäf- tigung von Personen, die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Bei Pflegedienstleistungen, die eine hohe körperliche Fitness voraussetzen, ist zweifelhaft, ob Ältere diesen Anforderungen entsprechen. Auch bei der Gründung von Existenzen haben Ältere immer noch mehr Probleme zu überwinden als Jüngere – insbesondere gilt das bei der Finanzierung. Dass die Bedürfnisse Älterer gute Wachstums- und Beschäftigungsper- spektiven für solche Betriebe und Branchen eröffnen, die Produkte und Dienstleistungen für mehr Lebensqualität im Alter (Seniorenwirtschaft) liefern, zeigt sich bundesweit in der Vielzahl von Projekten der letzten Jahre. Vielfach kommen Impulse aus den Unternehmen selbst, häufig jedoch gehen sie auf kommunale Initiativen zurück. 10
  • 11. 2 eInführung und aufgabenstellung Der Titel der vorliegenden Untersuchung “Potenzialanalyse: Regional- vorbemerkungen ökonomische Impulse für Stadt und Landkreis Göttingen durch ältere Menschen“ im Rahmen des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“ mar- kiert einen hohen Anspruch. Er leitet sich ab aus dem Ideenwettbewerb “Regionale Beschäftigungspakte für Ältere“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) aus dem Juni 2005. Nach dieser These führt die steigende Nachfrage Älterer nach seniorengerechten Produkten und Dienstleistungen auch zu Beschäftigungseffekten von Erwerbsfähigen, die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Mit dem zunehmenden Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung im Landkreis Göttingen und den Beschäftigungsproblemen Älterer verbindet die Studie damit zwei zentrale gesellschaftliche Herausforderungen, vor denen der Landkreis und darüber hinaus die gesamte Region Göttingen in Zusammenhang mit dem demographischen Wandel stehen. Die Autoren gehen davon aus, dass es sich hier um einen Prozess han- delt, der weit über die neue EU-Förderperiode 2007–2013 hinausreicht. Der Prozess ist nicht im Detail vorhersehbar und erst recht nicht planbar. Viele Entwicklungslinien vollziehen sich auf den Märkten mit der ihnen eigenen Entwicklungsdynamik und -logik. Um die bestehenden Beschäf- tigungspotenziale ausschöpfen zu können, gilt es, die gesellschaftlichen Teilsysteme in ihrer Wirkungsweise zu erkennen. Insofern kann die Studie zwar wesentliche Gestaltungsfelder untersuchen, nicht aber den Anspruch erheben, alle relevanten Aspekte der Seniorenwirtschaft zu analysieren. Gerade die Erhöhung der Erwerbsquote der mehr als 55 Jahre Alten bietet noch viele Ansatzpunkte. Modellrechnungen zeigen, dass es 21,4 Milli- arden Euro oder ein Prozent Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt bringt, wenn man ein Viertel der heute nicht erwerbstätigen über 55-Jährigen in Beschäftigung bringt. Dazu reiche es sogar, wenn diese MitarbeiterInnen nur 50 Prozent der durchschnittlichen Produktivität erreichten. Bei der Bearbeitung ging es darum, den nur auf dem ersten Blick ein- deutigen Begriff der Seniorenwirtschaft zielgerichtet zu definieren und die Handlungsansätze zu ordnen. Bei der Recherche zeigte sich, dass so gut wie alle Gesprächs- und Interviewpartner im Untersuchungsraum ein hohes Maß an Interesse und Neugier am Thema Seniorenwirtschaft zeigten. Die meisten von ihnen bestätigten, dass es auf diesem Feld er- heblichen Handlungsbedarf und damit große Entwicklungschancen gibt. Die wenigsten von ihnen haben sich nach eigenen Aussagen bislang systematisch mit der Fragestellung befasst. So gehörte die Bitte um In- formation über die Ergebnisse der Studie zu den Standardbemerkungen bei Abschluss der ExpertInnen-Gespräche. 5 http://www.50plus-goettingen.de 6 Ursula Staudinger, Professorin an der International University in Bremen, FAZ 19. September 2006, S. 19 11
  • 12. Bei der Diskussion um generationengerechtes Wirtschaften hat Deutsch- land im internationalen Vergleich einen erheblichen Nachholbedarf. Insbesondere Japan ist uns voraus. Innerhalb Deutschlands wird Nordr- hein-Westfalen eine Vorreiterrolle attestiert – zumindest was den Stand der wissenschaftlichen Arbeit angeht. Deshalb widmet die vorliegende Studie diesen Ansätzen eigene Kapitel. Die Niedersächsische Landesregierung startete Anfang Mai 2006 – von der Öffentlichkeit und auch den Verantwortlichen in den Kommunen im Landkreis Göttingen weitgehend unbeachtet – die „Landesinitiative für generationengerechte Produkte und Dienstleistungen“. Mit dem Nieder- sächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit verabredete der Regionalverband Südniedersachsen eine enge Koopera- tion, die sich – wie im Folgenden dargestellt – in einem ersten Schritt in der gemeinsamen Ausrichtung von Veranstaltungen manifestiert. Die Vorlage der Potenzialanalyse markiert den Auftakt zu einem öffent- lichen Diskurs, der die bisherige Diskussion über die Auswirkungen des demographischen Wandels in der Region fortführt und um neue Aspekte ergänzt. Mit dem Auftraggeber abgestimmt wurde der Vorschlag, nach Vorlage der Studie Ende 2006/Anfang 2007 jeweils mit Partnern vertie- fende Veranstaltungen zu verschiedenen Schwerpunkten zu geben. Dies geschieht zum einen in der Absicht, für Praktiker besonders wichtige Einzelaspekte näher zu beleuchten, andererseits wird damit der Prozess- charakter der Aufgabenstellung unterstrichen. Die Initiative „50plus – Erfahrung zählt!“ sieht sich darüber hinaus als wesentlicher Bestandteil der europäischen Beschäftigungsstrategie, der „Lissabon-Strategie“. Sie umfasst sämtliche Maßnahmen zur wirtschaft- lichen, sozialen und ökologischen Erneuerung der EU. Im März 2000 hatte der Europäische Rat auf seiner Tagung in Lissabon diese auf zehn Jahre angelegte Strategie angenommen, mit deren Hilfe sich die EU bis 2010 zur weltweit dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsregion entwickeln soll. Im Sinne dieser Strategie treibt eine starke Wirtschaft die Schaffung von Arbeitsplätzen voran und fördert soziale und ökologische Maßnahmen, welche wiederum eine nachhaltige Entwicklung und sozialen Zusammenhalt gewährleisten. Die vorliegende Studie stellt kein Konzept zur Umsetzung der Senioren- wirtschaft im Landkreis Göttingen dar. Sie untersucht vielmehr Auswir- kungen des demographischen Wandels auf den Landkreis Göttingen, analysiert den Bedarf von SeniorInnen auf Teilmärkten und leitet daraus Empfehlungen für Einzelmaßnahmen ab. Wie im Folgenden dargestellt wird, kommt den Kommunen dabei eine wichtige Funktion als Impuls- geber zu. Unter Seniorenwirtschaft werden nach dem Teilnahmebeitrag des Land- kreises Göttingen am Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit aus dem Juli 2005 die Entwicklung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen für ältere Kundinnen und Kunden 12
  • 13. Einführung und Aufgabenstellung verstanden. Danach ist die Seniorenwirtschaft geeignet, neue Perspek- tiven für die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises Göttingen zu eröffnen. Untersuchungsgebiet ist der Landkreis Göttingen mit der Stadt Göttingen als Oberzentrum und den Mittelzentren Duderstadt und Hann. Münden. Berücksichtigt wurden die bestehenden Verflechtungen des Landkreises Göttingen innerhalb Südniedersachsens. Für eine sachgerechte Analyse und Einschätzung der Region Göttingen wurden Vergleichsanalysen und -daten des Bundes, der Länder, Regionen und Gemeinden sowie der EU he- rangezogen. Dazu gehören die Ergebnisse der Regionalanalyse im Rahmen des Projektes “50plus – Erfahrung zählt!“, also Arbeitsmarkt-, Branchen-, Konjunktur- und Strukturdaten. Durch Vergleiche mit dem Bundes- und Landesdurchschnitt sowie der Entwicklung in vergleichbaren Regionen wird der Entwicklungsprozess im Untersuchungsraum analysiert. Angesichts der finanziellen Restriktionen, unter denen Bund, Länder und Kommunen leiden, können neue Beschäftigungsmöglichkeiten für über 50-jährige Menschen im öffentlichen Sektor – wenn überhaupt – nur in äußerst geringem Umfang entstehen. Der Fokus der Untersuchungen lag deshalb im Sektor der privaten Anbieter. Da nach dem o. g. Teilnahmebeitrag das Aufzeigen von Entwicklungsmög- lichkeiten auf Anbieterseite zu den wichtigsten Aufgaben gehört, zählen die Leistungsanbieter in der Seniorenwirtschaft zu den wesentlichen Ziel- gruppen. In der Untersuchung wurde viel Wert auf die unterschiedlichen Aspekte des Seniorenmarketings gelegt. Diese Erkenntnisse können sich Investoren und Anbieter generationengerechter Produkte und Dienstlei- stungen nutzbar machen. Erklärtes Ziel ist es, dass private Anbieter, zu denen auch Einrichtungen der Weiterbildung zählen, diese Hinweise zur Grundlage eigener Initia- tiven (wie Businessplänen) machen und ihr Portfolio modifizieren. Ein Automatismus, demzufolge diese neuen Angebote auch neue Beschäf- tigungsmöglichkeiten für Menschen ab 50 schaffen, existiert nicht. Die Ergebnisse bieten jedoch die Grundlage für seniorengerechtes Marketing und Produktgestaltung in bestehenden Unternehmen des Landkreises sowie bei Existenzgründern. Die vorliegende Studie richtet sich außerdem an die kommunalpolitisch Verantwortlichen in Stadt und Landkreis Göttingen sowie den kreisange- hörigen Städten, Gemeinden und Samtgemeinden. Darüber hinaus wer- den Hinweise gegeben für die Positionierung des Landkreises Göttingen sowie der anderen Partner im Regionalverband Südniedersachsen im Rahmen der Ende Mai 2006 in Wolfsburg gestarteten „Landesinitiative Seniorenwirtschaft“. Zu den Zielgruppen zählen also auch Landes- und Bundespolitik. 7 Die in diesem Zusammenhang erforderliche Diskussion über Altersbilder und Altersbegriffe erfolgt im Kapitel „Altersbilder und Altersbegriffe“. 13
  • 14. Die aus dem o. g. Teilnahmebeitrag im Sommer 2005 abgeleitete The- menstellung der Studie ist breit angelegt. Sie umfasst viele Bereiche wirtschaftlicher und sozialer Tätigkeiten im Landkreis Göttingen. Bei den Analysen hat sich gezeigt, dass diese Aufgabe äußerst umfassend ist. Die Autoren haben sich deshalb auf elf Gestaltungsfelder konzentriert und dafür konkrete Ansatzpunkte für Anpassungsmaßnahmen analysiert. Zu den Voraussetzungen für die Umsetzung zählen jedoch in den meisten Fällen weitergehende Marktanalysen und Machbarkeitsstudien. Nur einen kurzen Überblick geben die Autoren über die unterschiedlichen Facetten der für die Seniorenwirtschaft so wichtigen Gesundheitswirt- schaft. Da sich hier am ehesten Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere abzeichnen, konzentrieren sie sich auf die ambulante Pflege, deren Be- deutung in den nächsten Jahren zunehmen dürfte. Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere unter dem Aspekt des demo- graphischen Wandels und ihre Bedeutung als Konsumenten und Produ- zenten werden ausführlich dargestellt. Dabei besitzt die Frage nach den Perspektiven für die wirtschaftliche Entwicklung in Stadt und Landkreis Göttingen durch die Entwicklung und den Absatz spezieller Produkte und Dienstleistungen für Ältere einen hohen Stellenwert. Untersucht werden Erkenntnisse über erfolgreiche Konzepte der Senioren. Dabei wurde anhand mehrerer Handlungsvorschläge überprüft, ob und inwieweit sich diese Konzepte im Landkreis Göttingen umsetzen lassen, ob Anpassungs- bedarf besteht und wie die Umsetzung erfolgen kann. An der Bearbeitung der Potenzialanalyse waren zahlreiche Institutionen beteiligt. Zu danken ist insbesondere dem Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit des Landes Niedersachsen, dem Volkswirtschaft- lichen Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (das für die Bearbeitung von Kapitel „Handwerk im demographischen Wandel“ verantwortlich zeichnet), dem Institut für Sozialpädagogik und Soziologie der Lebensalter der Universität Kassel, der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen, Kreishandwerkerschaft Südniedersachsen, der AOK-Geschäftsstelle Göttingen, der Wolfsburg AG und dem Senioren- büro der Stadt Braunschweig. Intensiv war auch die Kooperation mit den anderen Akteuren des Projektes „50plus – Erfahrung zählt!“, insbesondere mit der Stadt Göttingen und dem Landkreis Göttingen. Von besonderer Bedeutung bei Vorbereitung und Durchführung der Se- nioren-Workshops war die Unterstützung des Kolping-Familienferienzen- trums Duderstadt, des Ortsvereins Hann. Münden des Kreisverbandes Göttingen der Arbeiterwohlfahrt (AWO), des Kreisverbandes Göttingen der Senioren-Union, der Arbeitsgemeinschaft 60plus des SPD-Unterbezirks Göttingen, der Freien Altenarbeit Göttingen sowie der Seniorenbeiräte der Stadt Göttingen und der Samtgemeinde Dransfeld sowie des Landesse- niorenrates Niedersachsen. 8 Beispielsweise hängt die Umsetzbarkeit des Vorschlags “Seniorenkaufhaus“ von zahlreichen Faktoren (und insbesondere von den handelnden Personen) ab, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht analysiert werden konnten. 14
  • 15. Einführung und Aufgabenstellung Zu danken ist zudem der Wirtschaftsförderung Region Göttingen (WRG) GmbH, dem Stadtmarketing Duderstadt, der Wirtschaftsförderung und Erschließungsgesellschaft Hann. Münden, Göttingen Tourismus e.V., der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung der Stadt Göttingen (GWG GmbH), dem Center-Management des Kauf Parks Göttin- gen, der Heimat GmbH (Hann. Münden), der Larsen-Frels Gewerbe- und Industrie-Immobilien GmbH und dem Haus-, Wohnungs- und Grundeigen- tümerverein Duderstadt e.V. Großer Dank gilt auch den zahlreichen Gesprächspartnern, die hier nicht namentlich genannt sind, für ihre wertvollen Hinweise und Vorschläge. Der Landkreis Göttingen hat sich im Juli 2005 unter dem Motto “50plus Das moDellprojekt – Erfahrung zählt!“ am Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für “50plus – erfaHrung Arbeit und Soziales beteiligt. Das Projekt wurde Anfang September 2005 zäHlt!“ als eines von insgesamt 62 regionalen Modellvorhaben im Rahmen des Programms “Perspektive 50plus – Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen“ ausgewählt. Die vorliegende Potenzialanalyse ist Bestandteil von vier wissenschaft- lichen Untersuchungen, die der Regionalverband Südniedersachsen e. V. in Kooperation mit dem Verein für prospektive Entwicklungen (ZOOM e. V.) sowie weiteren Partnern als Grundlage der geplanten Umsetzungs- maßnahmen erstellt hat. In einer “Betriebsstudie” wird die Situation älterer Beschäftigter in den Unternehmen der Region und deren alters- bezogene Personalpolitik analysiert. Während die Regionalanalyse die Beschäftigungssituation Erwerbsfähiger im Landkreis Göttingen darstellt, identifiziert die Potenzialanalyse Defizite im bisherigen Angebot an Pro- dukten und Dienstleistungen mit Älteren als Zielgruppe. Sie versucht da- mit, Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen ab 50plus aufzuzeigen. Abbildung 1: Verbindungen der drei Studien untereinander (Geumann/Regionalverband Südnie- dersachsen) 15
  • 16. In einer vierten Studie zu Best-Practice-Ansätzen in anderen europäischen Ländern werden die entwickelten erfolgreichen Ansätze einer regionalisier- ten Beschäftigungsförderung für ältere Menschen zusammengetragen, um diese für die Region nutzbar zu machen. In allen Untersuchungen wer- den die Kategorien Alter, Geschlecht und Migration/Herkunft analysiert. Die Potenzialanalyse knüpft direkt an vorliegende Untersuchungen zur demographischen Entwicklung sowie zur Wirtschafts- und Arbeitsmark- tentwicklung des Landkreises Göttingen an. Diese wurden in jüngerer Vergangenheit mehrfach untersucht – so durch das Institut für Regionalfor- schung (IfR) an der Universität Göttingen, das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung (NIW) und den Regionalverband Südniedersachsen e. V. NIW und IfR haben im Auftrag des Regionalverbands im Juni 2000 auf der Grundlage einer Stärken-Schwächen-Analyse ein regionales Entwick- lungskonzept (REK) für die Arbeitsmarktregion Göttingen/Northeim vorge- legt. Darüber hinaus hat das IfR im Rahmen der Studie „Südniedersachsen – Kompetenzregion oder Problemregion“ wichtige Erkenntnisse über die Situation im Landkreis Göttingen geliefert (2003). Als Bestandteile des Modellvorhabens der Raumordnung (MoRo) „Infra- struktur und demographischer Wandel“ hat der Regionalverband in den Jahren 2004 bis 2006 Beiträge zur demographischen Entwicklung der Region geleistet. Im Auftrag des Landkreises Göttingen hat der Regional- verband am 17. Juni 2005 eine Arbeitstagung zum Thema „Der demogra- phische Wandel – Herausforderung im Landkreis Göttingen“ ausgerichtet. Im Rahmen der Workshops wurde insbesondere die Notwendigkeit der Qualifizierung von Erwerbsfähigen (lebenslanges Lernen) deutlich. metHoDIscHes Zur Bearbeitung der o. g. Aufgabenstellung liegen für den Landkreis vorgeHen Göttingen nur wenige empirische Daten vor. Es war deshalb erforderlich, Zahlen von der Bundes- und Landesebene auf Stadt und Landkreis zu projizieren und dabei eigene Berechnungen anzustellen. Im Wesentlichen wurde die Potenzialanalyse im Jahr 2006 auf der Basis unterschiedlicher methodischer Ansätze erarbeitet.  Jeweils sechs- bis achtstündige Umfragen wurden im Fachmarkt- zentrum Grone (30. Mai), in den Innenstädten Göttingen (13. Juni), Duderstadt (27. Juni) und Hann. Münden (22. Juni), im Einkaufszen- trum Ebergötzen (2. Juni). Zu den Ergebnissen zählen 250 ausgefüllte Fragebögen zu den Themen Wohnen im Alter, Einkaufen, Nutzung neuer Medien.  Gespräche mit den Bürgermeisterinnen der Flecken Bovenden und Adelebsen und den Bürgermeistern der kreisangehörigen Gemeinden bzw. deren Beauftragten.  Gespräche mit der Stadtverwaltung Göttingen und Kreisverwaltung Göttingen. 16
  • 17. Einführung und Aufgabenstellung  Die narrativen Gesprächsrunden mit zwei bis 22 Teilnehmern, die sich im Vorfeld bereits kannten, wurden extern moderiert. Sie wurden mit den jeweiligen Mitveranstaltern vorbereitet und begannen mit Kurz- statements von zwei Personen. Die Ergebnisse aus den Gesprächsrun- den stellen Beurteilungen aus der Perspektive der Betroffenen dar und ergänzen die empirischen und theoretischen Ausführungen. Die Zitate werfen unterschiedliche und assoziative Schlaglichter auf einzelne Themenkomplexe der Seniorenwirtschaft und sind nicht repräsentativ. Möglicherweise unterschätzen einige der GesprächsteilnehmerInnen den Erkenntnisstand der Verantwortlichen in den Unternehmen. Be- kannt ist, dass auch viele Personal- und Unternehmensberater die Situation anders einschätzen als die zitierten SeniorInnen aus dem Landkreis Göttingen. Den Wert der Gesprächsrunden bringt folgendes Zitat auf den Punkt: „Ich freue mich, dass endlich einmal jemand uns ältere Leute fragt.“  Sieben von WIDserve (Gleichen) moderierte, jeweils rund dreistündige narrative Gesprächsrunden mit Seniorinnen und Senioren (22. Mai in Göttingen: Freie Altenarbeit, Alten-WG am Goldgraben; 1. Juni und 30. August in Rosdorf: Kreisverband Göttingen der Senioren-Union; 21. Juni in Hann. Münden: Ortsverein Hann. Münden des Kreisverbandes Göttingen der Arbeiterwohlfahrt (AWO), 30. Juni: Stadt Dransfeld, Se- niorenbeirat der Samtgemeinde Dransfeld; 18. Juli: in Hann. Münden: Arbeitsgemeinschaft 60plus des SPD-Unterbezirks Göttingen; 28. Juli in Duderstadt: Familienferienzentrum am Pferdeberg),  Situationsanalyse durch einen Seniorenscout in den Innenstädten von Göttingen und Duderstadt  schriftliche Befragung von Vermietern in Duderstadt  schriftliche Befragung aller Pflegedienste in Stadt und Landkreis Göt- tingen  Akteurinterviews zu spezifischen Gestaltungsfeldern der Senioren- wirtschaft  Literaturrecherche/Internetrecherche  Besuche von Fachkongressen in Bonn, Bremen, Hannover und Wolfs- burg durch die Autoren der Studie. 9 Zitat aus Seniorenrunde AWO Hann. Münden am 21. Mai 2006. 17
  • 18. 3 demographIscher Wandel Die Bedeutung der Seniorenwirtschaft für die Regionalentwicklung ergibt sich aus dem demographischen Wandel, der in Südniedersachsen bereits weit fortgeschritten ist und Anpassungsleistungen von Wirtschaft und Gesellschaft erfordert. Dass die Einschätzungen über die Auswirkungen des demographischen Wandels durchaus differieren, zeigte sich u. a. an einem Streitgespräch zwischen Herwig Birg und Albrecht Müller.0 analyse unD Nach der aktuellen Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Lan­ prognose desamtes Niedersachsen wird die Einwohnerzahl im Landkreis Göttingen von heute gut .000 auf knapp .000 im Jahr 00 zurückgehen. Das entspricht einem Minus von , Prozent. Insgesamt am davon im Alter von … bis … Jahren Jahresende 0 - 14 15 - 29 30 - 49 50 - 64 65 und älter 00 264.285 14,2% 20,5% 31,6% 17,0% 16,7% Abbildung 2: Bevölkerungsent- 00 260.478 12,8% 21,7% 29,3% 18,2% 18,1% wicklung im Landkreis Göttingen (Quelle: NLS-Online, 00 252.668 12,4% 19,4% 26,4% 23,0% 18,8% Berechnungen ifh Göttingen) Damit einher geht eine deutliche Verschiebung im Altersaufbau. Grund hierfür sind hauptsächlich die niedrige Geburtenrate, die schon seit langem nicht mehr das für eine langfristige Bestandserhaltung notwendige Niveau erreicht, sowie eine kontinuierlich ansteigende Lebenserwartung. Angesichts der engen Verflechtungen innerhalb der Region Göttingen und der Tatsache, dass der demographische Wandel in den Landkreisen Northeim und Osterode am Harz besonders ausgeprägt ist, sind kurze Aus- führungen über die Gesamtregion erforderlich. Die Einwohnerzahl dieser aus den Landkreisen Göttingen, Northeim und Osterode a. H. bestehenden Region wird nach der Prognose des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik von 2004 bis 2020 um neun Prozent abnehmen. Dabei wird es zu erheblichen Verschiebungen der Bevölkerungsanteile zwischen den Teilräumen und zwischen den Altersgruppen kommen. Dies wirkt sich auf die Nachfrage nach Arbeitsplätzen, Wohnungen und Infrastruktur aus: Der Anteil der Personen im Alter von 45 und mehr Jahren steigt von 44,4 Prozent auf 52,1 Prozent. Während bisher der größere Teil der Regions- bevölkerung unter 45 Jahre alt war, so wird im Jahre 2020 der größere Teil über 45 Jahre alt sein. 10 FAZ vom 28. August 2006, S. 32 u. 33. Bis zu seiner Emeritierung 2004 lehrte Birg, der als Demograph weltweit bekannt ist, an der Universität Bielefeld. Er erregte mit seiner These Aufsehen, Deutschland steuere auf einen jahrzehntelangen Niedergang zu. Albrecht Müller, Leiter der Planungsabteilung im Kanz- leramt unter Willy Brandt und Helmut Schmidt und Autor des Bestsellers „Die Reformlüge“ behauptet: Das Land kann die Herausforderung meistern. 11 Vgl. Abbildung 2 18
  • 19. Demographischer Wandel Der Anteil des Landkreises Göttingen an der Regionsbevölkerung steigt von 53,3 Prozent auf 56,0 Prozent. Damit findet eine weitere relative Kon- zentration der Einwohner im Untersuchungsraum statt. Abbildung 3: Verschiebung der Altersanteile in der Region Südniedersachsen Die Alterung setzt sich aus unterschiedlichen Trends in den einzelnen Altersgruppen zusammen:  Die Zahl der Kinder (0–14 Jahre) geht in der Region um nahezu ein Viertel zurück. Dabei unterscheidet sich die Stadt Göttingen mit leichten Zuwachserwartungen deutlich vom umgebenden ländlichen Raum mit Rückgängen bis zu einem Drittel.  Die Altersgruppe der Heranwachsenden (15–24 Jahre) nimmt in Stadt und Landkreis Göttingen um ca. 20 Prozent ab.  Die Zahl der jüngeren Erwerbstätigen (25–34 Jahre) wird in Stadt und Landkreis Göttingen noch etwas ansteigen, in den Landkreisen Nort- heim und Osterode jedoch stärker sinken.  Besonders gravierend wird sich die Altersgruppe der 35–44-Jährigen verkleinern um fast ein Viertel im Landkreis Göttingen (ohne Stadt), um gut ein Drittel in der Stadt Göttingen und sogar um nahezu die Hälfte in den Landkreisen Northeim und Osterode am Harz.  Die Generation der 45–54-Jährigen geht in der Region um ca. sechs Prozent zurück, am stärksten in der Stadt Göttingen mit 15,5 Prozent. Im übrigen Landkreis Göttingen ist dagegen mit einem Zuwachs von 5,5 Prozent zu rechnen.  Im Mittel um ein Viertel anwachsen wird die Altersgruppe der älteren Erwerbsfähigen (55–64 Jahre). Der Zuwachs schwankt zwischen 5 Prozent im Landkreis Osterode und 38 Prozent in der Stadt Göttingen bzw. 34 Prozent im Landkreis Göttingen (ohne Stadt). 19
  • 20.  Die Zahl der jüngeren Senioren (65–74 Jahre) nimmt in der Region leicht ab (3,8 Prozent). Hierbei stehen einem leichten Zuwachs in der Stadt Göttingen (3,7 Prozent) geringe Verluste von 1,7 Prozent im Landkreis Göttingen (ohne Stadt) und etwas stärkere Verluste in den anderen Landkreisen gegenüber.  Die Generation der Hochaltrigen (75 Jahre und älter) nimmt in der Region Göttingen um 14 Prozent zu – mit nur geringen Unterschieden in den einzelnen Kreisen. Abbildung 4: Bevölke- Zu deutlichen Unterschieden wird es in der regionalen Verteilung der rungsentwicklung in der Alterskohorten kommen. Dies wird beim Vergleich der Landkreise nach Region Göttingen 2004- ihren siedlungsstrukturellen Merkmalen deutlich. Der Landkreis Göttingen 2020 (Prozent) gilt aufgrund seiner höheren Einwohnerdichte als „verdichteter Kreis“, die nach Alter und Kreisen Landkreise Northeim und Osterode am Harz als “ländliche Kreise“. Wäh- rend im “verdichteten“ Landkreis Göttingen im Jahre 2020 die Jüngeren (unter 45-Jährige) noch die Mehrzahl bilden (52,4 Prozent), wird in den „ländlichen“ Kreisen Northeim und Osterode a. H. diese Alterskohorte zur Minderheit (42,1 Prozent). Umgekehrt wird sich der Anteil der Älteren (über 45-Jährige) verhalten: im Landkreis Göttingen 2020 der kleinere, in den Nachbarkreisen der größere Teil. Trotz dieses Trends wird im Progno- sezeitraum der verdichtete Kreis in Zukunft den größeren Teil der Älteren (51,1 Prozent ) übernehmen. Das liegt an den Änderungsraten für die ältere Generation, die im Landkreis Göttingen mit 11,4 Prozent deutlich höher ausfällt als in den Landkreisen Northeim und Osterode (2,2 Prozent). 12 Vgl. Abbildung 5 13 Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2002): “Aktuelle Daten zur Entwicklung der Städte, Kreise und Gemeinden“ 20
  • 21. Demographischer Wandel Alterskohorten Verdichteter Kreis Ländliche Kreise Region Göttingen (Landkreis Göttingen) (Landkreis Northeim und Landkreis Osterode am Harz) 2004 2020 2004 2020 2004 2020 Unter 45 Anzahl 156.383 132.445 119.326 83.779 275.709 216.224 Alters-Anteil 59,2 52,4 51,5 42,1 55,6 47,9 Reg.-Anteil 56,7 61,3 43,3 38,7 100,0 100,0 Veränd. -15,3 -29,8 -21,6 Über 45 Anzahl 107.902 120.223 112.500 115.018 220.402 235.241 Alters-Anteil 40,8 47,6 48,5 57,9 44,4 52,1 Reg.-Anteil 49,0 51,1 51,0 48,9 100,0 100,0 Veränd. 11,4 2,2 6,7 Zusammen Anzahl 264.285 252.668 231.826 198.797 496.111 451.465 Alters-Anteil 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Reg.-Anteil 53,3 56,0 46,7 44,0 100,0 100,0 Abbildung 5: Entwicklung der Alterskohorten nach Raum- Veränd. -4,4 -14,2 -9,0 typen (Quelle: NLS-Online) Interessant ist auch eine Darstellung der Entwicklung der Zahl der Men- schen bis 50 Jahre und über 50 Jahre. Aus der folgenden Abbildung wird ersichtlich, dass die jüngeren Altersgruppen bis 50 Jahre bis zum Jahr 2020 im Landkreis Göttingen anteilsmäßig abnehmen, während die Altersgrup- pen ab 50 Jahre deutliche Zuwächse erfahren. Besonders auffällig ist der relativ starke Rückgang bei den 30- bis 49-Jährigen in diesem Zeitraum (von 31,6 Prozent auf 26,4 Prozent) und umgekehrt die starke Zunahme bei den 50- bis 64-Jährigen um 6 Prozentpunkte (von 17 Prozent auf 23 Prozent). Abbildung 6: Entwicklung des Alters- aufbaus der Bevölkerung im Landkreis Göttingen NLS-Online; Berechnungen ifh Göttingen Die altersmäßige Zusammensetzung der Erwerbspersonen entwickelt sich noch ausgeprägter als die der Bevölkerung. Unter Berücksichti- gung der derzeitigen altersspezifischen Erwerbsquoten lässt sich eine Projektion des künftigen Altersaufbaus des Erwerbspersonenpotenzials ableiten (vgl. Abbildung 7). Legt man die Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren als beschäftigungsrelevant zugrunde, so zeigt sich, dass der demographische Wandel deutliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in der Region haben wird. 14 In der Projektion des Erwerbspersonenpotenzials sind gleichbleibende altersspezifische Erwerbs- quoten bis zum Jahr 2020 unterstellt. 21
  • 22. 2004 2020 Anzahl Anteil Anzahl Anteil Veränderung 15 - 34 47070 36,1% 45589 37,8% 1,6% Altersgruppe 35 - 54 69825 53,6% 56985 47,2% -6,4% Abbildung 7: Prognose des 55 - 64 13345 10,2% 18083 15,0% 4,7% Erwerbspersonenpotenzials im Landkreis Göttingen gesamt 130240 100,0% 120657 100,0% Quelle: NLS; Berechnungen Cassing Zum einen fällt der zahlenmäßige Rückgang bei den Erwerbspersonen bis 2020 mit 7,4 Prozent erheblich höher aus als der allgemeine Bevölke- rungsrückgang im Landkreis Göttingen. Damit stehen der Wirtschaft ins- gesamt weniger Arbeits- bzw. Nachwuchskräfte zur Verfügung, wodurch der Wettbewerb der Unternehmen um qualifizierte Facharbeitskräfte zunehmen wird. Dadurch wächst die Gefahr, dass es in Teilbereichen der Wirtschaft zu einem Fachkräftemangel und in der Folge zu Produktions- engpässen kommt. Zum anderen ergeben sich bis 2020 Verschiebungen in der altersmäßigen Zusammensetzung des Erwerbspersonenpotenzials im Landkreis Göt- tingen. Der Anteil der mittleren Altersgruppe bei den Erwerbspersonen sinkt von 53,6 Prozent auf 47,2 Prozent, während die älteren Erwerbsper- sonen ab 55 Jahre anteilsmäßig drastisch zulegen (von 10,2 Prozent auf 15 Prozent). sItuatIon auf Dem In der Fachdiskussion über die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Stadt arbeItsmarkt und Landkreis Göttingen und in der Bundesrepublik Deutschland insge- samt ist eine deutliche Segmentierung zu beobachten. Das Projekt „50plus – Erfahrung zählt“ macht deutlich, dass neben Frauen, Ostdeutschen, Langzeitarbeitslosen und MigrantInnen auch die über 50-Jährigen eine Zielgruppe sind, deren Zugangsmöglichkeit auf den ersten Arbeitsmarkt durch staatliche Förderung unterstützt werden soll. Diese Förderpolitik wird von einigen Arbeitsmarktexperten kritisiert. Für immer kleinere Gruppen würden immer speziellere Instrumente definiert. Kritiker argumentieren damit, dass durch den Abbau von Kündigungs- schutzes und Alterszuschlägen in Tarifverträgen eine nachhaltigere Wirkung entfaltet werden könnte. Durch die Einführung Intelligenterer Zeitkonten sowie altersgerechte Arbeitsplätze, Betriebsabläufe und Entloh- nungsbedingungen könnten auch die Tarifparteien für mehr Beschäftigung Älterer sorgen. Insgesamt müssten die Anreize abgebaut werden, Ältere aufs Abstellgleis zu schieben. 15 Vgl. Abbildung 7 16 Hiege, Karsten; Hesse, Wolf-Ekkehard (2006): “Regionalanalyse des Landkreises Göttingen“ 17 Fickinger, Nico: “Auf dem Abstellgleis“, FAZ vom 6. September 2006, S. 15 22
  • 23. Demographischer Wandel In den vergangenen Jahren ist bei den Verantwortlichen in den Städten und anpassungsleI- Gemeinden eine Sensibilisierung für die Bedeutung des Themas demo- stungen Der graphischer Wandel eingetreten. Das wurde u. a. deutlich während eines kommunen Bürgermeistertreffens des Städte- und Gemeindebundes im Landkreis Göttingen Ende Juni 2006 in Duderstadt. Die Diskussionen bezogen sich auch auf die Beteiligung des Regionalverbandes am Modellvorhaben der Raumordnung (MoRo) „Infrastruktur und demographischer Wandel“. Bei Kommunalbefragungen im Juni und Juli 2006 im Rahmen von “50plus – Erfahrung zählt!“ bezeichneten zehn der elf kreisangehörigen Gemein- den den demographischen Wandel als wichtiges Thema. So verwies der Flecken Bovenden darauf, dass bereits Anfang der 90er-Jahre Arbeits- kreise zu den Bereichen Kultur und Freizeit von Senioren und Wohnen im Alter eingerichtet worden seien. Aus den damaligen Diskussionen entstand die Wohnanlage Korbhof, in der Betreutes Wohnen durch die AWO angeboten wird. Außerdem ist dort eine generationenübergreifen- de Begegnungsstätte angesiedelt. Die Bürgermeisterin führt den hohen Anteil an Senioren in ihrer Gemeinde auch auf diese Aktivitäten zurück. Durch die Nähe zu Göttingen und die Attraktivität der Wohngebiete ist es Bovenden in den vergangenen Jahren gelungen, aus anderen Regionen Senioren anzuwerben, die in der Nähe ihrer Kinder und Großkinder woh- nen wollen. Der Flecken Bovenden verfolgt bei der Siedlungsentwicklung eine Doppelstrategie. Neben die Sanierung vorhandenen Wohnraums unter Berücksichtigung von Senioren- und Behinderteninteressen tritt die Ausweisung neuen Baulandes für jüngere Familien. Beispielsweise im Neubaugebiet Am Junkernberg soll auch das Mehr-Generationen-Wohnen ermöglicht werden. Inzwischen ist auch eine hochwertige Pflegeeinrich- tung mit 78 Betten entstanden. Von der Volksheimstätte werden weitere 48 Wohnungen “Am Teiche“ vermietet. Die Stadt Duderstadt verfolgt ein Konzept der Anpassung an den demo- graphischen Wandel z. B. dadurch, dass sie das Bauen in den Ortsker- nen propagiert. Das gilt auch für die Ortsteile an der Peripherie. In den vergangenen Jahren wurden bereits zwei Kindergärten im Rahmen von Zusammenlegungen geschlossen. In Hann. Münden wurden Betreuungseinrichtungen erweitert. Von einem Gesamtkonzept zur Anpassung an den demographischen Wandel spricht die Verwaltungsleitung allerdings ebenso wenig wie die Samtgemeinde Dransfeld. In Dransfeld ist eine Fülle von Initiativen tätig, so z. B. das Internetcafé im Jugendheim. Dort findet seit 1993 jährlich in der Stadt- 18 Dieses Thema wurde erstmals ausdrücklich während eines Workshops am 24. Oktober 2003 in Stadtoldendorf von den Hauptverwaltungsbeamten und weiteren Fachleuten aus den Verwaltungen erörtert. Die Veranstaltung im Landkreis Holzminden war ausgerichtet worden vom Niedersächsischen Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) sowie dem Regionalverband Südniedersachsen. Moderiert und vorbereitet wurde sie vom Institut für Entwicklungs- planung und Strukturforschung GmbH (ies) an der Universität Hannover. 19 In Kooperation mit verschiedenen Partnern hat der Regionalverband im Anschluss an diese Veranstaltung das Thema weiterbearbeitet, so etwa im Rahmen der Modellprojekte in Gleichen, Hardegsen, Holzminden und Bad Sachsa/Walkenried. Eine im Rahmen des MoRo konzipierte Wanderausstellung wurde im Jahre 2006 u. a. im Kreishaus Göttingen sowie in den Rathäusern in Adelebsen und in Ebergötzen gezeigt. Aktiv beteiligt hat sich der Regionalverband Südniedersachsen auch an der Konzipierung der Bündnisse für Familie innerhalb des Landkreises Göttingen. 23
  • 24. halle ein Seniorennachmittag statt, der von bis zu 400 Seniorinnen und Senioren besucht wird. Kleinere Veranstaltungen dieser Art gibt es z. B. auch in Niemetal. Der Flecken Adelebsen hat erkannt, dass er zu den ersten Gemeinden im Landkreis gehört, in denen schon jetzt ein deutlicher Bevölkerungs- rückgang erfolgt. Die Bürgermeisterin setzt auf die Anwerbung jüngerer Familien und verweist auf die Bedeutung der im Juli 2005 erfolgten Ausstellung „Demographischer Wandel“ des Regionalverbandes. Sie sei maßgeblich gewesen bei der Gründung des Adelebser Bündnisses für Familie. Ausgehend vom Bündnis für Familie und in Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung und dem Diakonischen Pflegedienst wurde im Frühjahr 2006 ein Antrag auf ein Mehrgenerationenhaus beim Land gestellt. Seit Anfang 2006 finden regelmäßige Eltern-Kind- und Vater-Kind- Treffen statt, zu denen auch Bewohnerinnen des betreuten Wohnens des Alma-Luisen-Stifts eingeladen werden. Darüber hinaus gibt es Projekte der Begegnung zwischen der Albert-Schweitzer-Schule und den Kinder- gärten des Ortes. Die Gemeinde Gleichen setzt nach einem Ratsbeschluss und der Vorberei- tung im Rahmen des Modellvorhabens der Raumordnung des Regionalver- bandes ein auf mehrere Jahre angelegtes Anpassungskonzept zum Betrieb der Kindergärten um. Vergleichbare Maßnahmen sollen in den nächsten Jahren auch für die Grundschulen erfolgen. Ein aus Lehrern, Politikern und Fachleuten gebildeter Arbeitskreis soll Kriterien für die vermutlich erforder- liche Schließung von zwei Grundschulen im Gemeindegebiet erarbeiten. Dabei soll auch der Aspekt der Vermarktung bzw. Umnutzung bisheriger Grundschulgebäude berücksichtigt werden. Zu den konkreten Ergebnissen des Mitte 2005 gegründeten Bündnisses für Familie zählt die Einrichtung eines Linientaxis, dessen Betrieb u. a. mit Arztpraxen abgestimmt wurde. Außerdem erfolgte eine altersübergreifende Kinderbetreuung. In Gleichen hat sich ein Seniorentanz etabliert, der vom DRK organisiert wird. Auch die Gemeinde Friedland sieht sich vor gravierenden Veränderungen in der Grundschulstruktur und will das Angebot von Ganztagsschulen prü- fen. Bei den politisch Verantwortlichen hat das Thema demographischer Wandel nach Einschätzung des Bürgermeisters eine hohe Bedeutung erlangt, allerdings meint er, dass es noch nicht Thema von „Geburtstags- runden“ sei. Die Gemeinde organisiert regelmäßig Erzählcafés, die von der Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde moderiert werden und zu denen jeweils 20 bis 50 Personen kommen. Mit Gemeindeunterstützung finden z. B. über den Kulturring Chorabende statt. Ausgerichtet wurden zudem Veranstaltungen zu den Themen „Erben und Vererben“, Demenz und Patientenverfügungen. In Gieboldehausen unterstützt die Samtge- meindeverwaltung einen Mittagstisch, der sich zweimal im Monat speziell an Senioren richtet. 24
  • 25. Demographischer Wandel Eher zurückhaltend äußert sich auch der Bürgermeister der Gemeinde Rosdorf. Der demographische Wandel als wichtiges Thema sei von den Politikern erkannt worden, es sei allerdings bei vielen BürgerInnen noch nicht recht angekommen. Die Gründung des lokalen Bündnisses für Fa- milie wird in Rosdorf als Ansatz gesehen, BürgerInnen aktiv zum Thema demographischer Wandel einzubinden. Lediglich die Verwaltungsspitze der Samtgemeinde Gieboldehausen erklärt, der demographische Wandel sei für die Samtgemeinde noch kein spezifisches Thema, das gelte auch für den Rat. Mehrere Gemeinden, so der Flecken Bovenden, die Samtgemeinde Drans- feld und Radolfshausen sowie die Gemeinde Rosdorf und Friedland haben beim Geografischen Institut der Universität Göttingen gemeindebezogene Bevölkerungsprognosen in Auftrag gegeben. 25
  • 26. 4 senIorInnen In der gesellschaft Keine Seniorengeneration konnte im Leben so viel erleben wie die heutige. Viele alte Menschen sind aktiv und unternehmungslustig, sie gestalten ihr Leben ereignisreich. Wissenschaft, Medizin und Technik erlauben es, körperliche Fitness, Potenz, Wissen und Selbstbewusstsein bis weit ins hohe Alter zu erhalten. Die heutigen Senioren wollen möglichst lange ihre Gesundheit und Vitalität bewahren, ihre Selbstständigkeit erhalten, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, lust- und leistungsfähig bleiben, aktiv und passiv genießen, auch im Alter mit Zukunftsperspektiven leben und ihre mögliche Pflegebedürftigkeit unter humanen Bedingungen er- leben. Ein Indiz für die immer jünger werdenden Senioren ist der Wandel in den Wertvorstellungen: Traditionelle Werte wie Sparsamkeit, Bescheidenheit und Genügsamkeit verlieren bei den „nachwachsenden“ Senioren an Be- deutung, und Werte wie Toleranz, Aufgeschlossenheit und Unabhängigkeit werden wichtiger. Viele Menschen, die aus dem Berufsleben ausscheiden, wollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Diese wachsenden Potenziale der Älteren können nach Einschätzung von Prof. Dr. Clemens Geißler von der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Forschung im Alter als Triebkräfte der gesellschaftlichen Entwicklung gesehen werden. Dabei bezieht sich Geißler hauptsächlich auf die Gruppe der SeniorInnen in der nachberuflichen Phase. Die schlummernden Po- tenziale der Senioren dürften nicht unbeachtet bleiben. Vielmehr wohne dem demographischen Wandel eine Chance inne. Statt die älteren Men- schen als Objekte zu behandeln, müsse man sie als für die Gesellschaft verantwortlich handelnde Subjekte in den Blick rücken. Neben einem reichen Schatz an Erfahrungswissen verfüge die Gruppe der Senioren über ein hohes marktbezogenes Nachfragepotenzial. „Dem Wandel der Altersstruktur entsprechend nimmt die Bedeutung der Älteren als (regi- onale) Nachfragemacht zu.“ Die Nachfrage nach Gütern und insbeson- dere nach Dienstleistungen habe erhebliche positive Auslastungs- und Arbeitsmarkteffekte. „Regional- und Stadtmarketing, das diese Effekte nicht gebührend beachtet, ist in Gefahr, ähnliche Fehler zu machen wie die Werbewirtschaft, die, auf Jüngere fixiert (‘Jugendwahn’), vor den Älteren und dem Alter eher ‘Angst’ zu haben scheint.“ altersbIlDer unD Altern ist als ein kontinuierlicher Prozess in der Entwicklung des Menschen altersbegrIffe zu verstehen. Er findet in jeder Lebensphase statt: durch Veränderung der physiologisch-biologischen Gegebenheiten, der Werthaltungen und Einstellungen sich selbst und der Umwelt gegenüber sowie durch die äußerliche Stellung des Einzelnen in seinem Lebensraum. Die einzelnen Phasen dieser Entwicklung werden durch Faktoren wie durch gesundheit- liche Einbußen beeinflusst. 1 Geißler, Clemens (2003): “Für einen Perspektivenwechsel: Die Potenziale des Alters als Triebkräfte gesellschaftlicher Entwicklung“. In: Raumforschung und Raumordnung. Heft 5/2003, 61. Jahrgang, S. 395–403 2 Ebd., S. 398 3 Ebd., S. 398 26
  • 27. SeniorInnen in der Gesellschaft Aufgrund der uneinheitlichen Entwicklung lassen sich nur schwer eindeu- tige Altersbegriffe bzw. Altersbilder formulieren. Bei der Beschreibung von Alterungsprozessen schwingt unbewusst oder bewusst eine normative Altersgrenze mit. Der individuelle Lebenslauf wird häufig in Lebensphasen unterteilt, die einen Höhepunkt und eine Abnahme oder einen Abbau be- inhalten. Die Bewertung dieser Vorgänge manifestiert sich in den Alters- begriffen und -bildern. Diese unterliegen einem deutlichen gesellschaft- lichen Wandel. Insbesondere in den letzten 30 Jahren haben sich tradierte Altersbilder und dadurch auch die Altersbegriffe stark verändert. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird als Senior bezeichnet, wer die “Altersgrenze“ erreicht und seine Berufstätigkeit beendet hat. Als das Deutsche Reich unter Bismarck am Ende des 19. Jahrhunderts die Alters- versorgung einrichtete, wurde die Altersgrenze auf 70 Jahre festgelegt. Das entsprechende Altersbild eines zufriedenstellenden Lebensabends bestand darin, von den Nachkommen versorgt und gepflegt zu werden, nicht mehr arbeiten zu müssen, passiv, als Zuschauer, in den Genuss von sozialen Aktivitäten zu gelangen. Dieses Altersbild hat sich heute radikal geändert. Während der Bearbei- tung der Studie traten in Hannover die Rolling Stones mit dem 63-jährigen Leadsänger Mick Jagger auf, am selben Tag war eine 53-jährige Ärztin aus Nikolausberg über 5000 Meter schnellste Frau beim Altstadtlauf in Göttingen. Mit sieben Weltmeister- und sechs Europameistertiteln scheut ein 63-jähriger Sportdozent der Universität Göttingen keine sportliche Konkurrenz von Studenten, die 40 Jahre jünger sind als er. Für viele ältere Menschen ist der Seniorenbegriff also nicht mehr passend. Die Gesprächsrunden im Landkreis Göttingen bestätigten dies: Eine ca. 60 Jahre alte Frau erlebte es als stigmatisierend, als Seniorin bezeichnet zu werden. Sie würde gerne als Jungseniorin angesprochen werden. Hier müsse ein Umdenken stattfinden. In einem anderen Gespräch wurde betont, dass das Wort “alt“ in unserer Gesellschaft immer noch negativ besetzt sei. Der Begriff „junge Menschen“ sei gesetzlich definiert, nicht aber der Begriff „Senior“. „Es wird immer nur von Alten gesprochen oder von Grufties. Da kommt man gar nicht gegen an. Eigentlich müssten wir die Jüngeren öfter zur Rede stellen und etwas gegen die Diskriminierung tun. Der Jugendwahn ist doch eigentlich ungebrochen.“ Aufgrund verschiedener Formen von Vorruhestandsregelungen, Frühver- rentung und Altersteilzeit beenden heute viele Menschen ihre Berufstä- tigkeit mit 55 oder 58 Jahren. Statistisch haben sie dann noch etwa ein Drittel ihres Lebens vor sich. Durch die Verlängerung des Ruhestandes, 4 Damals erreichten nur zwei Prozent der Bevölkerung dieses Lebensalter. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug 45 Jahre. Die Altersgrenze wurde erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg auf 65 Jahre reduziert. 5 Ob dies von den Betroffenen auch so zufriedenstellend erlebt wurde (und wird), sei dahingestellt. 6 Gesprächsrunde am 30. Juni 2006 mit dem Seniorenbeirat Dransfeld 7 In Schweden gibt es speziell für den Bereich der Seniorenwirtschaft im direkten Vergleich zu deut- schen Verhältnissen einige Unterschiede. Als Erstes fällt auf, dass Ältere und Altern in der sehr egalitären schwedischen Gesellschaft weniger negativ belegt sind. Durch die “schwedische Reichsorganisation der Rentner“ (Pensionärernas Riksorganisation, PRO) verfügen die Senioren über eine starke Lobby und einen mit einer Gewerkschaft vergleichbaren Einfluss. 8 Gesprächsrunde am 1. Juni 2006 in Rosdorf 27
  • 28. eine Erhöhung der durchschnittlichen Lebensdauer und die besseren Akti- vitätsressourcen hat sich aus einer ehemals passiv durchlebten “Restzeit“ eine eigenständige Lebensphase entwickelt. Anfang September 2006 beschäftigte sich eine Tagung der Evangelischen Akademie Hofgeismar mit der „Kunst des Alterns“. Der Wiener Soziologe Professor Dr. Anton Amann forderte einen sachgemäßen Diskurs über das Altern. Die gegenwärtige Diskussion verlaufe „verquer“, so seine These. Auf der einen Seite werde das Alter hochgejubelt und behauptet, die Alten verfügten über große Kaufkraft und könnten neue Lebensstile verwirklichen, auf der anderen Seite würden die Alten als Bürde und Last bezeichnet, für die Gesellschaft, für den Staat und für sich selbst. Die Tagung selbst befasste sich intensiv mit der Frage, wie Ältere für ehren- amtliche Tätigkeit gewonnen werden können. Die Studie von PriceWaterhouse Cooper (PWC) differenziert diese These und weist darauf hin, dass in der bisherigen Unternehmenspraxis häufig Umsetzungsfehler bei der Ansprache Älterer auftreten, wie z. B. der „Seniorenteller-Effekt“ (Unterschätzung) oder der „Silver-Surfer-Effekt“ (Überschätzung der Zielgruppe). Nicht nur WissenschaftlerInnen bemühen sich um eine Beschreibung dieser neuen Lebensphase,0 auch im Marketing wird in den letzten Jahren verstärkt diese neue Zielgruppe in den Blick genommen. Die neue Kon- sumentengruppe wird mit den unterschiedlichen Begriffen umschrieben: die „Jungen-Alten“, die „Jungsenioren“, „Best Age 50plus“, „Silvergene- ration“, „Silversurfer“, „Silver Consumer“, „Golden Oldies“, „Generation Gold“, „Best Ager“, „Master Consumer“, „Woopies“ oder gar „Selpies“ – um nur einige Beschreibungsversuche zu nennen. Die Vielfalt dieser phantasievollen Begriffsschöpfungen symbolisiert die Unsicherheit der Anbieter gegenüber den Nachfragergruppen. Da es keine überzeugende Alternative gibt und der Seniorenbegriff durch- aus auch mit Respekt und Anerkennung geprägt ist, wird vorgeschlagen, diese Bezeichnung konsequent und selbstbewusst zu benutzen und auf verschämte Umschreibungen zu verzichten. In der mehrere Jahrzehnte umfassenden Altersspanne des Seniorenlebens sind unterschiedliche Generationen mit unterschiedlichem zeitgeschicht- lichen Hintergrund, Sozialisationen, Konsum- und Technikerfahrungen vertreten. Dieser Trend der Differenzierung der Altersgruppe geht mit einer Differenzierung der Lebensstile einher: Die jetzigen Alten zeichnen sich durch unterschiedliche Lebensstile auch innerhalb der Generation aus, die sich zukünftig noch weiter ausdifferenzieren werden. Von der Gruppe der Senioren zu sprechen ist daher unangemessen, es ist eine sehr heterogen zusammengesetzte Gruppe, die sich mindestens so stark untergliedern lässt, wie es von der Jugendkultur her bekannt ist. 9 PWC-Studie: “Generation 55+, Chancen für Handel und Konsumgüterindustrie“, S. 19 10 Die Gerontologie beschäftigt sich als Wissenschaft vom Altern u. a. mit dem Altersbegriff und der Definition von Altersstilen. Derzeit werden 150 bis 180 Altersstile identifiziert. 11 Abkürzung für “well-off old people“, für gut situierte alte Menschen 12 Kurzform von “second life people“, für Menschen im zweiten Lebensalter 28
  • 29. SeniorInnen in der Gesellschaft Auftragsgemäß befasste sich die Studie mit den Altersgruppen der über 50-Jährigen. Diese Zielgruppendefinition impliziert eine Reihe von Frage- stellungen. Ob wirtschafts- oder beschäftigungspolitische Maßnahmen auf Zielgruppen ausgerichtet werden sollten, die nach dem Alter definiert werden, ist ebenso zweifelhaft wie die Frage, ob sich die Vermittelbarkeit eines 55-Jährigen gravierend von der einer 49-Jährigen unterscheidet und ob nicht vielmehr die Frage nach der Qualifikation bzw. der Dauer der Arbeitslosigkeit relevanter als das Geburtsdatum ist. Nicht das Alter ist also bestimmender Faktor für die Lebensperspektive, sondern Aspekte wie Integration, Mobilität, körperliche und geistige Fitness. Mithilfe einer Clusteranalyse des Frankfurter Marktforschungsinstituts T.E.A.M. wur- den auf Basis von 200 ausführlichen explorativen Interviews mit 50- bis 90-jährigen Verbrauchern sechs verschiedene Seniorentypen identifiziert, die sich in ihren Einstellungen und in ihrem Konsumverhalten voneinander unterscheiden. Abbildung 8: Senio- rentypen bei den über 50-Jährigen Die anspruchsvollen Konsumfreudigen (Typ 1) kommen unter den Senioren mit am häufigsten vor: Sie haben Spaß am Aussuchen und Einkaufen und geben auch entsprechend Geld aus. Sie sind finanziell gut situiert und haben hohe Qualitätsansprüche. Die wertkonservativen Genießer (Typ 2) sind traditionsverbundene Seni- oren, die nach einem langen Arbeitsleben endlich ihren Alltag genießen wollen. Beim Einkauf und Konsum legen sie auch Wert auf Qualität; sind aber grundsätzlich eher sparsam und der Ansicht, dass preiswerte Pro- dukte heute meist genau so gut sind wie teure. Die ausgabebereiten Innovatoren (Typ 3) lieben die Abwechslung, sind Neuem gegenüber aufgeschlossen und probieren gern neue Produkte aus. Auch sie legen großen Wert auf Qualität; sie geben dafür lieber etwas mehr Geld aus. 13 Team für effiziente angewandte Marktpsychologie (2004): “Die unterschätzte Generation“. Frank- furt 29
  • 30. Die sparsamen Zurückgezogenen (Typ 4) entsprechen am ehesten dem traditionellen Vorstellungsbild alternder Senioren, sind inzwischen aber die kleinste Personengruppe. Sie stehen Neuem eher ablehnend gegen- über, sind grundsätzlich sehr sparsam und kaufen generell preiswerte Produkte. Die risikoscheuen Traditionalisten (Typ 5) sind die konservativsten unter den Senioren. Sie sind sehr sicherheitsbewusst, kaufen lieber altbewährte Produkte und sind dabei sehr markentreu. Die erlebnishungrigen Aktiven (Typ 6) sind sehr unternehmungslustig, fühlen sich jung und fit und lieben die Abwechslung. Beim Einkauf sind sie aber sehr wählerisch und achten auf ein angemessenes Preis-Leistungs- Verhältnis. Diese Seniorentypen verdeutlichen, dass die Generation der heute über 50-Jährigen, also der zukünftigen Seniorengeneration, differenziert be- trachtet werden muss. Diese Erkenntnis, dass es sich hierbei um eine attraktive Zielgruppe handelt, setzt sich gerade unter Marketingfachleuten immer mehr durch. Die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen bestimmt das Konsumverhalten. Besonders die Typen 1, 3 und 6 sind für das Senioren- marketing interessant. Sie machen zusammen 55 Prozent aus. Diese Vielschichtigkeit in den verwandten Begriffen zeigt, dass sich ein durchgehender gesellschaftlicher Konsens nicht herstellen lässt. Erst recht finden sich alle der so gruppierten Personen nicht komplett in den Begriffen wieder. Wer Impulse für die Seniorenwirtschaft benennen will, kann aber auf eine Definition von Begriffen nicht verzichten. Die Autoren der Studie unterscheiden bei den über 50-Jährigen zwischen den Produ- zenten sowie den Konsumenten von Produkten und Dienstleistungen. Zu der letztgenannten Kategorie gehören auch die über 50-Jährigen in ihren verschiedenen Funktionen innerhalb der Gesellschaft. Auf dem Arbeitsmarkt sind die über 50-Jährigen Zielgruppen mit besonderen altersspezifischen Risiken. Im Bereich des Konsums unterscheiden die Autoren folgende Zielgruppen: Die “Jungsenioren“ (etwa 60–70 Jahre) sind körperlich und geistig aktiv. Das Teilnahmebedürfnis ist groß, wichtig sind für sie v. a. Freizeit- und Bil- dungsangebote, soziale Kontakte und bürgerschaftliches Engagement. “Senioren“ (etwa 70–80 Jahre) können im Allgemeinen selbstständig ihren Lebensalltag bewältigen, jedoch aufgrund teilweise reduzierter körperlicher Leistungsfähigkeit weniger aktiv auftreten und sind u. U. mit längeren Krankheitsphasen konfrontiert. Die Pflegefallwahrscheinlichkeit liegt allerdings noch unter fünf Prozent. In der Gruppe der “Hochbetagten“ (über 80 Jahre) sinkt die Beteiligung am gesellschaftlichem Leben, die Pflegefallwahrscheinlichkeit steigt leicht an. Gerade bei Älteren, deren Ehepartner gestorben sind, nimmt das Problem der Vereinsamung zu. In dieser Altersgruppe gewinnt die Pflegeeignung 30
  • 31. SeniorInnen in der Gesellschaft der Wohnung im Zusammenhang mit aufsuchender Betreuung an Bedeu- tung, ebenso die ambulante und die stationäre Pflege. Jedoch sind auch unter den Hochbetagten 80 Prozent nicht pflegebedürftig. Inzwischen befassen sich auch Messeveranstalter gezielt mit den Bedürfnissen von SeniorInnen. So richten Euroforum The Conference Company und „seniorenmarkt.de“ am 15. und 16. November 2006 den „Zukunftsmarkt 70plus“ aus. Dargestellt werden gute Praxisbeispiele aus verschiedenen Branchen wie Finanzdienstleistungen, Handels- und Pro- duktkonzepte, Verpflegungs- und Managementkonzepte für SeniorInnen und Wohnformen. Abbildung 9: Idee der Seni- orenwirtschaft (Geumann/ Regionalverband) Exkurs: Soziodemographische Einteilung der Zielgruppen In der Literatur herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Zielgrup- pendefinition allein über das Alter nicht ausreicht und dass das biologische Alter des Menschen wenig über individuelle Präferenzen aussagt. In Ergänzung zu den angesprochenen Differenzierungsversuchen stellt das vom Heidelberger Sinus-Institut entwickelte Modell des Sinus-Milieus eine recht exakte Konsumprofilierung dar. Nach der Definition des Instituts fas- sen soziale Milieus Menschen zusammen, die sich in Lebensauffassung und Lebensweise ähneln, die also so etwas wie subkulturelle Einheiten innerhalb der Gesellschaft bilden. Es erfolgt eine Einteilung nach Wer- teorientierungen und Lebenszielen, nach Einstellung zu Arbeit, Freizeit und Konsum, zu Familie und Partnerschaft, nach Zukunftsperspektiven, politischen Grundüberzeugungen und Lebensstilen. Die Abgrenzungen markieren keine scharfen Grenzen, vielmehr gibt es fließende Übergänge, Zwischenformen und Überschneidungen. 14 Steffens et al. (2004), S. 9 15 http://www.euroforum.de/p1100528 31
  • 32. Abbildung 10: Sinus-Milieus Quelle: Grey Global Group Die oben genannte Darstellung hat die Grey Global Group in einer wei- tergehenden Studie auf die über 50-Jährigen bezogen. Danach sind in der Sinus A23 Gruppe („Traditionsverwurzelte“) 87 Prozent über 50 Jahre alt. Bei den „Modern Performers“ sind dagegen nur knapp neun Prozent über 50 Jahre. Diese differenzierte Darstellung wird im Folgenden nicht weiter genutzt. Bei der Analyse der möglichen Beschäftigungseffekte der Senioren- wirtschaft spielt sie nur eine untergeordnete Rolle. Sie wurde dennoch erwähnt, weil sie ein wichtiges Instrument im Marketing ist und bei der Entwicklung neuer Produkte und Entwicklungen relevant sein kann. armut Im alter Obwohl es sich bei der derzeitigen Seniorengeneration um die reichste handeln dürfte, die es je gegeben hat, gibt es auch in Deutschland zahl- reiche Ältere, die als arm zu bezeichnen sind. Es besteht die Gefahr, dass deren Zahl künftig steigen wird und die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht. Wer sich mit Seniorenwirtschaft befasst, kann diesen Aspekt nicht ignorieren. Nach einer Definition der Europäischen Union ist arm, wem weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens pro Monat zur Verfügung steht. In Deutschland liegt diese Grenze nach dem aktuellen Armutsbericht bei 938 Euro. Auch für den Begriff des Existenzminimums gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Berechnungen des Arbeitslosengeldes II orientieren sich an dem soziokulturellen Existenzminimum. Es liegt für Alleinstehende bei 7.356 Euro jährlich. Deutlich höher liegt mit knapp 1.000 Euro das pfändungsfreie Existenzminimum. 16 Michael, Grey (2003): Berechnung Grey Strategic Planning. 32
  • 33. SeniorInnen in der Gesellschaft Nach dem SGB XII haben Personen ab dem 65. Lebensjahr Anspruch auf Grundsicherung, wenn der Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestritten werden kann. Nicht alle Anspruchsberechtigten kennen diese Rechtslage. Andererseits gibt es viele, die ihre Rechte zwar kennen, sie aber nicht wahrnehmen, weil sie sich scheuen, der Allgemeinheit zur Last zu fallen. Während bislang viele NeurentnerInnen und Pensionäre über eine durchgängige Erwerbsbiographie verfügen, haben viele der künftigen Renten- und Pensionsbezieher geringere Ansprüche z. B. gegenüber den Rentenkassen. Vielfach wird nicht mehr durchgängig gearbeitet, die Berufstätigkeit wird vielmehr in prekären Arbeitsverhältnissen ausgeübt. Dazu gehören Teilzeitarbeitsverhältnisse, Tätigkeiten auf Honorarbasis und (projektorientierte) befristete Tätigkeit. Altersarmut, insbesondere unter alleinstehenden Frauen, existiert nach wie vor, doch das Verarmungsrisi- ko hat sich bei älteren Menschen gegenüber den 60er- und 70er-Jahren stark verringert. Ein weiterer Aspekt ist der Beschluss der Bundesregierung, schrittweise die Rente mit 67 einzuführen. Künftige wirtschaftliche Probleme älterer Personen dürften also multifaktoriell bedingt sein. Wer in der Erwerbs- biographie erhebliche Lücken aufweist, verfügt in der Regel auch über weniger sozialen Rückhalt. Personen, die durchgehend berufstätig sind oder aber freiwillig nicht arbeiten, leben in vielen Fällen gesundheitsbe- wusster und sind weniger anfällig für Drogenprobleme. In der soziolo- gischen Forschung werden auch Zusammenhänge zwischen einem hohen Bildungsgrad und der Fähigkeit zu perspektivischer Lebensplanung her- gestellt. Faktoren wie diese tragen dazu bei, das Armutsrisiko im Alter zu erhöhen. Sie erschweren zudem die Bemühungen auch von Kommunen, ältere Personen aus der Einsamkeit zu holen und in das gesellschaftliche Leben zu integrieren. Viele der heute angebotenen Produkte und Dienstleistungen für Senio- rInnen sind noch immer teuer und ähneln Luxusartikeln. Die Senioren- wirtschaft steht vor der Aufgabe, preiswerte und gleichwohl qualitativ hochwertige Produkte zu erschwinglichen Preisen anzubieten. Nach Einschätzung der Verantwortlichen der Stadt- und Gemeindever- waltungen im Landkreis Göttingen ist die Armut im Alter bislang noch kein zentrales Thema. Ökonomische Probleme Älterer sind danach zwar vorhanden, können aber noch nicht pauschal als Armut qualifiziert wer- den. Zudem sind die Probleme meist nicht offen erkennbar. Betroffene schildern die Probleme, wenn überhaupt, eher verschämt. Viele derjeni- gen, die jetzt im Rentenalter sind, haben Kriegs- und Nachkriegszeiten kennengelernt und sind es gewohnt, bescheiden und sparsam zu leben. Vielfach herrschen, gerade auf dem Land, intakte Familienverhältnisse mit gegenseitiger materieller Unterstützung vor. Bei der Erbringung von Dienstleistungen, z. B. im Handwerk, spielt die gegenseitige Unterstützung eine große Rolle. 17 Prof. Dr. Fred Karl, FB Sozialwesen der Universität Kassel, am 7. Juli 2006 in Kassel 33
  • 34. Nach Ansicht der Kommunen besteht aber die Gefahr, dass sich die wirt- schaftliche Situation Älterer in den nächsten Jahren verschlechtert. Die Ankündigung der Bundesregierung, dass in den nächsten Jahren deutliche Rentenanpassungen nicht zu erwarten sind, ist dabei nur ein Faktor. Eine zunehmende Bedeutung dürfte zudem die Tatsache erlangen, dass durch den Bevölkerungsrückgang gerade in der Fläche die Mieten und damit für Hauseigentümer die Einnahmemöglichkeiten sinken. Der demographische Wandel wird auch auf die Immobilienpreise durchschlagen und damit den Verkauf von Eigentum erschweren. Weitere Aspekte sind das zunehmende Auseinanderfallen von Familien und die Singularisierung der Gesellschaft. Der Bürgermeister der Gemeinde Friedland beobachtet, dass manche Ältere bei der Bewirtschaftung ihrer Häuser überfordert sind. In den Häusern dieser Gemeinde wie auch in an- deren Teilen des Kreisgebiets besteht bei vielen Immobilien in Privatbesitz erheblicher Sanierungs- und Modernisierungsbedarf. Wenn mittelfristig die Einkommen Älterer zurückgehen, steigen tendenziell die Ausgaben der Sozialhilfeträger. Deutlich wird also, dass die erwarteten Impulse, die die Seniorenwirt- schaft für die Regionalentwicklung auslöst, relativiert und in Anbetracht der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme vieler SeniorInnen bewertet werden müssen. senIorenarbeIt Seniorenarbeit wird in vielfältigen gesellschaftlichen Bereichen geleistet: von Wohlfahrtsverbänden oder Gewerkschaften bis hin zum Kleingarten- verein und Ehemaligentreffen von Unternehmen. Im Folgenden wird ein Überblick mit Schwerpunkt auf die kommunalen Aktivitäten gegeben. Kreisangehörige Städte und Gemeinden Im Rahmen von Kommunalbefragungen im Juni und Juli 2006 gaben für die Seniorenarbeit sechs der elf kreisangehörigen Kommunen klare Zustän- digkeiten in Fachämtern bzw. Fachbereichen an. In Friedland und Gleichen liegt die Zuständigkeit bei der Gleichstellungsbeauftragten, in Adelebsen, Staufenberg und Rosdorf beim Bürgermeister bzw. der Bürgermeisterin. Mit Ausnahme der Stadt Hann. Münden halten alle Verwaltungsspitzen Seniorenfragen für ein Querschnittsthema. Die spezifisch auf SeniorInnen zugeschnittenen Angebote der Stadt- und Gemeindeverwaltungen im Landkreis Göttingen – mit Ausnahme der Stadt Göttingen – orientieren sich eher am klassischen Altersbild. Wenngleich Veranstaltungen wie Kaffeenachmittage wichtige Foren der Begegnung und des Austauschs von SeniorInnen sind und für die Veranstalter häufig viel Aufwand und Mühe bedeuten, zeugen sie weder von besonderer Kreativität noch berücksichtigen sie, dass viele SeniorInnen über diese Veranstaltungen hinaus vielfältige Interessen haben, von denen zumindest einige auch von den Kommunen aufgegriffen werden könnten. 34
  • 35. SeniorInnen in der Gesellschaft Bereits im Oktober 1993 hat die Gemeinde Rosdorf damit begonnen, das Konzept des Erzählcafés als Zeitzeugenprojekt und Mehrgenerationendi- alog umzusetzen. Jeden letzten Freitag im Monat findet dort ein Mehrge- nerationendialog mit den vielfältigsten Themen statt. Das Erzählcafé hat auch das Rosdorfer Kochbuch herausgegeben und zeichnet verantwortlich für diverse andere Bildungsveranstaltungen. Das Erzählcafé ist Mitglied im lokalen Bündnis für Familie. Außerdem hat die Gemeinde Rosdorf ein Internetcafé eingerichtet, das auf die Interessen von SeniorInnen ausge- richtet ist. Jeder Ortsrat veranstaltet einmal jährlich eine Seniorenausfahrt und eine Seniorenweihnachtsfeier. Monatliche Kaffeenachmittage finden in fast allen Ortschaften statt. SeniorInnen treffen sich auf privater Basis sowie in Vereinen und Verbänden, in Kirchen und Gewerkschaften sowie in vielfältigen anderen Zusammenhängen wie etwa den Freiwilligen Feu- erwehren. Festzuhalten bleibt jedoch, dass es immer schwieriger wird, bestehende Angebote aufrechtzuerhalten. Es fehlt vielfach noch immer an der Bereit- schaft zu ehrenamtlicher Tätigkeit. Viele ehrenamtlich tätige SeniorInnen werden in immer neue Arbeitszusammenhänge eingebunden und sind damit vielfach überfordert. Spezielle, von den Kommunen unterstützte Netzwerke für SeniorInnen sind eher die Ausnahme. In Bovenden gehört dazu die erweiterte Nach- barschaftshilfe der AWO. Ende September 2006 fand die „Seniorenmesse Bovenden“ statt – eine Premiere für den Flecken. Genutzt wurde die Veranstaltung von 30 Dienstleistern und Organisationen aus den Bereichen Reisen, Finanzen, Gesundheit, Vorsorge, Sport, Sicherheit, Betreuung, Versorgung, Be- ruf und Freizeit. Zielsetzung war es, über das traditionelle kommunale Angebot „gemeinsames Kaffeetrinken“ hinaus die unterschiedlichen Ansprüche und Bedürfnisse von SeniorInnen darzustellen. In der neuen Kommunalwahlperiode ab dem 1. November 2006 sollen die wichtigsten der im Bürgerhaus vermittelten Impulse aufgegriffen und die Arbeit des Seniorenbeirats erweitert werden. Bei den Referaten ging es z. B. um strukturelle Änderungen in der Altersvorsorge, gesunde Ernährung im Alter, Prävention und Rehabilitation am Wohnort, Erhaltung von Gesund- heit und Aktivität, Wohnformen im Alter und besondere medizinische Dienstleistungen für Diabetiker. In Dransfeld wird die Initiative „Atempause“ unterstützt, in der Betreiber von Pflegediensten und Mitglieder des Seniorenbeirats sowie Einzelper- sonen mit dem Ziel kooperieren, niedrigschwellige Betreuungsangebote anzubieten. Konkrete Planungen: LaienhelferInnen besuchen SeniorInnen, gehen mit ihnen spazieren, lesen ihnen etwas vor, klönen mit ihnen, hören gemeinsam Musik oder singen und basteln. Eine Fördergruppe soll sich künftig zweimal im Monat treffen und SeniorInnen einladen, gemeinsam kreativ zu werden. Ein Kreis von Helfern soll in einem 40-stündigen Lehr- gang auf diese Arbeit vorbereitet werden. Die Initiative „Atempause“ ist eingebunden in das Projekt „Niedrigschwellige Betreuungsangebote“, wie es bereits von der Sozialstation Göttingen-Ost als Modellvorhaben von der Landesregierung zusammen mit den Pflegekassen gefördert wird. 35
  • 36. In Friedland wurde der Biete-Hole-Austausch eingerichtet. Angelegt wurde eine Kartei, in der Hilfsangebote wie etwa Einkaufshilfe und Gartenarbeit mit der entsprechenden Nachfrage zusammengeführt wird. In Radolfshau- sen wird derzeit versucht, die Initiativen in einzelnen Mitgliedsgemeinden zur Organisation von Reisen für SeniorInnen aufeinander abzustimmen. Als besonders wichtiges Netzwerk innerhalb des Landkreises gilt die Nachbarschaftshilfe Friedland-Rosdorf. Adelebsen setzt z. B. im Rahmen des Bündnisses für Familie auf interge- nerative Zusammenarbeit. Begonnen wurden Initiativen wie Erzählcafé und regelmäßige Frühstückstreffen. Die Vorträge, zu denen eingeladen wird, sind meist generationenübergreifend ausgerichtet und behandeln vorwiegend medizinische Themen wie etwa die Gesundheitsprophylaxe. Von Oktober bis Dezember 2005 fand in Adelebsen einmal wöchentlich ein Kurs des Gleichstellungsbüros für Frauen mit einem kombinierten Bewegungs- und Ernährungsangebot sowie der Anleitung für Entspan- nungsübungen statt. Wiederholungen sind für Oktober 2006 geplant. Vorgesehen ist ein Kurs zum Thema Wechseljahre. In Zusammenarbeit mit den Landfrauen sollen spezielle Angebote für Seniorinnen wie Vorträge, Führungen, Lesungen, Musik und Ausflüge gestaltet werden. Aufgebaut werden Netzwerke zwischen dem Adelebser Bündnis für Familie und bestehenden Senioren- und Seniorinnengruppen. Zentrales Angebot der Stadt Hann. Münden ist die Seniorenbegegnungsstätte, die die Arbei- terwohlfahrt mit Unterstützung der Stadt am Tanzwerder betreibt. Die Samtgemeinde Radolfshausen vergibt – mit den Einwohnerzahlen als Schlüssel – Mittel an die Seniorenarbeit der Mitgliedsgemeinden. Ergänzt werden die Angebote der Kommunen im Landkreis Göttingen durch die Arbeit von Seniorenbeiräten, -beauftragten und -obleuten. Sie erschöpft sich allerdings in den meisten Kommunen in der Vorbereitung von Weihnachts- und Adventsfeiern, Kaffeenachmittagen und Ausflügen. Beispielsweise in Gieboldehausen kümmern sich die Seniorenobleute der Mitgliedsgemeinden um Fachvorträge, z. B. zur Abfassung von Testamen- ten. Außerdem erfolgen Besichtigungen von Altenheimen. Gesamteindruck: Die Organisation von Veranstaltungen bezieht sich meist auf Gemeinde- bzw. Ortsteilebene. In manchen Fällen ist es schwierig, für Veranstaltungen und gemeinsame Reisen ausreichend Teilnehmer zu fin- den. In der Gemeinde Rosdorf nehmen Mitglieder der Seniorenvertretung an allen Fachausschusssitzungen mit beratender Stimme teil. Informati- onsveranstaltungen zur Patientenverfügung wurden bereits vor längerer Zeit, einmal auch in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten, durchgeführt und stießen auf breite Resonanz. Landkreis Göttingen Mit Beschlussfassung vom 10. Mai 2006 hat der Kreistag die Kreisver- waltung aufgefordert, eine Publikation herauszugeben, die neben der allgemeinen Präsentation vorhandener Einrichtungen auch Ideen für bür- gerschaftliches Engagement und aktive Freizeitgestaltung beinhaltet. Nach einem Kreistagsbeschluss vom 19. Juli 2006 will der Landkreis Göttingen einen runden Tisch “Senioren“ einrichten. 36