6. Der Vorplatz des
Lagers
9. September 1933, zwischen 15 und 16 Uhr:
„Wir standen in mehreren Reihen mit dem Gesicht zur Wand, kein Glied
durften wir rühren und nicht mit den Augen zucken.
Hilgers Mordbuben umsprangen uns wie eine Meute Wölfe. Sie luden,
entluden, sicherten, entsicherten dauernd ihre Waffen, da daß wir immer
wieder diese Geräusche in unserem Rücken hören mussten.
Auf der anderen Seite der Wupper hatten sich Neugierige angesammelt. Auf
diese Leute wurde rücksichtslos geschossen.
Neben mir stand ein alter Mann von über 60 Jahren Als er von dem langen
Stillstehen zusammenbrach, wollte ich ihn aufheben, bekam aber einen Tritt
in den Unterleib. Dem alten Mann schlug man mit einem Besenstiel auf den
Kopf und trieb ihm vom Boden auf. So erging es mehreren Gefangenen.
Wir standen bis nachts zwei Uhr ohne uns zu rühren, ohne Essen, umjohlt von
diesen Unmenschen. Das sind zehn volle Stunden.“ ¹
8. Die
Wachmannschaft
1933
„Jede Nacht wurden Häftlinge aus den Sälen von ihren Strohsäcken
hochgetrieben und zum Verhör geholt. Die furchtbaren Schreie peitschten die
Nerven der anderen Häftlinge die ganze Nacht. Jeder wartete jede Minute
darauf, ebenfalls zum Verhör geholt zu werden. Man bot uns bei diesen
Verhören mit Staufferfett beschmierte Salzheringe, sogenannte
'Kemnaschnittchen', an. Jeder der sich weigerte, wurde blutig geschlagen.
Manche erbrachen die Stücke Hering, die ihnen durch die Mißhandlungen
hineingezwungen waren und wurden aufgefordert, diese ausgebrochenen
Stücke noch einmal zu essen.“ ²
10. Der „Bunker“
„Nach dieser Prozedur wurden wir mit etwa 20 – 25 Mann in einen kleinen
sogenannten Bunker gesperrt, inwelchem allerhöchstens 5 Mann sich
bewegen konnten. Die Luft in diesem Bunker war so verbraucht, daß der
Niederschlag von dem Atem an den Wänden und auf dem Fußboden
zusammenlief und bei den Häftlingen teilweise große Atemnot in Erscheinung
trat. In der darauf folgenden Nacht wurden einzelne Häftlinge aus dem Bunker
herausgeholt und auf des Schwerste mißhandelt. Die gellenden Schreie der
Mißhandelten drangen durch das ganze Lager. Am anderen Morgen wurden
wir wieder in das eiskalte Wasser der Wupper getrieben, um Steine aus der
Wupper herauszuholen.“ ²
12. Teilansicht des
Aufenhaltsraumes für
200 Häftlinge
„Langsam versinkt die Sonne im Westen, ein Teil der Gefangenen hat die
Strohsäcke wieder aufgesucht, liegt regungslos, teilnahmslos. Die Nacht
kommt, zittert es in ihnen. Die Nacht -grausam und lang- länger als der
längste Tag!
Es geht nicht mehr, stöhnt der eine, greift zur Rasierklinge und schneidet sich
die Pulsader auf. Leben ist schwerer als Sterben! „Es geht nicht mehr!“
entringt es sich dem anderen; er springt auf und stürzt sich aus dem dritten
Stockwerk – gerade dorthin, wo Eisengerümpel und Schienen liegen und bleibt
mit gebrochenen Gliedern auf der Stelle.
Doch das Leben ist zäh und der Tod sagt: 'Warten! Warten! - Vielleicht, wenn
es dir mal nicht paßt!'“²
14. Post aus dem KZ
„einen festen Karton, den ich auch als Kleiderkasten benutzen kann. Pakete
können nur noch Dienstags und Freitags bis 6 Uhr abgegeben werden.
Jedes Lebenszeichen von euch ist für mich eine grosse Freude, das mir zeigt,
das ich nicht vergessen bin. Ich umarme euch herzlich und wünsche uns allen
ein baldiges Wiedersehen.
Euer Karl“
15. Nur der Vorläufer...
Rund 4600 wurden vom Juli 1933 bis zum Januar 1934 ins KZ Kemna
verschleppt.
Nach Schließen des Lagers im Januar 1934 wurden die „Volksschädlinge“ in
Lager im Emsland verlegt – dort gab es nicht so viele Zuschauer.
17. Nur der Vorläufer...
Kemna war so etwas wie der Prototyp eines Konzentrationslagers. Ihm folgten
24 selbstständige Lager mit über 1.000 Neben- und Außenstellen,
darunter Ausschwitz, Dachau und Buchenwald.
In den Konzentrationslager der Nazis kamen insgesamt über 5 Millionen
Menschen um.