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LANDESHAUPTSTADT
                                                                                  1



Wiesbaden
   Das Magazin der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden Ausgabe 05 / Juni 2011




                                                Krimistadt
                                                Wiesbaden
                                                Tatort mit vielen Gesichtern

                                                Harfen von
                                                Weltrang
                                                Der perfekte Klang

                                                Von Jawlensky
                                                bis Fluxus
                                                Kunst muss zugänglich sein




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                                                                    Alles aus Wiesbaden




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 ECHT Wiesbaden präsentiert junge Kreative und etablierte Manufakturen, die Wiesbaden
 mit Ideenreichtum und Individualität bereichern. Das Motto lautet lokal statt global.
 Nachhaltig, einzigartig und mit Herzblut entwickelt – in Wiesbaden designt und produziert.
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              Eine Idee der schoen:mueller GmbH in Zusammenarbeit mit der Wiesbaden Marketing GmbH
Editorial                           Magazin der Stadt Wiesbaden
                                                                                              Ausgabe 5 / Juni 2011




wiesbadener leben : Die fünfte Ausgabe unseres
Magazins führt Sie in die Wiesbadener Kulturwelt.
                                                                     Inhalt
                                                                     „Ein Anregendes Pflaster für das Krimi-Genre“
Sie erleben die hessische Landeshauptstadt als                       Tatort mit vielen Gesichtern                 4
Schauplatz für das beliebte Krimigenre und als
                                                                     Oberbürgermeister Helmut Müller zum
                     Gastgeberin des Deutschen Fernseh-              Architektur Sommer Rhein-Main
                     Krimi-Festivals. Musiktheater auf               Moderne Stadt in historischen Strukturen       10

                     hohem Niveau haben das Wiesbade-                Verleihung des
                                                                     Medienpreises wieder in Wiesbaden
                     ner Staatstheater und Bürger der                Der Bambi kehrt zurück!                        12
                     Stadt gemeinsam geschaffen. Wir                 Von Jawlensky bis zu Fluxus
Probenarbeit für die durften die Proben für die neue                 „Kunst muss zugänglich sein“                   14
Gilgamesch-Oper
                     Gilgamesch-Oper begleiten. Ein                  ZDF-Moderatorin Babette Einstmann
echter Kulturfan ist auch ZDF-Moderatorin und                        „In Wiesbaden gibt es noch viel zu
                                                                     entdecken“                                     18
Wahl-Wiesbadenerin Babette Einst-
                                                                     Ein Heldenepos einmal ganz anders
mann, die wir zum Gespräch getrof-                                   Eine Oper aus der Mitte der Stadt              20

fen haben. Kunst für eine breite                                     Harfen von Weltrang
Öffentlichkeit attraktiv machen: Dies                                Wertvolle Handarbeit für den
                                                                     perfekten Klang                                24
hat sich die Wiesbadener Kunstszene
                                                                     Top-Veranstaltungen in der Sommer-Saison
mit ihrem Flaggschiff, dem Hes-              Babette Einstmann       Veranstaltungen und Service             26
                                             liebt das Theater und
sischen Landesmuseum, als Ziel ge-           Wiesbaden
setzt. Seinen neuen Direktor Alexander                               Titelbild
                     Klar haben wir für Sie porträtiert.             Das Hessische Staatstheater in Wiesbaden,
                                                                     im Vordergrund der „Warme Damm“.
                     Dass Handwerk immer auch ein                    (Foto: Christopher Pfannebecker)
                     Kunstwerk ist, hat uns der Besuch in
                                                                     Impressum
                     der Harfenmanufaktur von Rainer                 herausgeber: Wiesbaden Marketing GmbH,
                     Thurau bestätigt.                               Geschäftsführer: Martin Michel (V.i.S.d.P.),
                                                                     Postfach 6050, 65050 Wiesbaden
Faszinierendes im    Und zwei kulturelle Highlights                  redaktion: Journalistenbüro Surpress,
Landesmuseum
                     warten noch auf die Stadt: Oberbür-             Jutta Witte, Wiesbaden

germeister Helmut Müller gibt uns eine Vorschau                      texte: Carsten Hauptmeier (Wiesbadener
                                                                     Perfektion, Eventstadt Wiesbaden), Christina
auf den Architektursommer Rhein-Main. Dass Kultur                    Oxfort (Kunst in Wiesbaden), Jutta Witte
                                                                     (Krimistadt Wiesbaden, Theater aus Wiesbaden,
zuweilen auch das ganze große Publikum braucht,                      Mein Wiesbaden, Wiesbadener Architektur)
zeigt ein Ausblick auf die Bambiverleihung, die im                   fotos soweit nicht anders gekennzeichnet:

November in Wiesbaden stattfinden soll.                              Andreas Baier, Gerhard Hirsch, Christopher
                                                                     Pfannebecker, Heike Rost
                                                                     gestaltung und herstellung:
Ihre Redaktion wünscht eine anregende Lektüre.                       D+K Horst Repschläger GmbH, Wiesbaden
                                                                     druck:   Stark Druck, Pforzheim
4                         Krimistadt Wiesbaden



                                                                                   E
                                                                              CU




                            „EIN   ANREGENDES PFLASTER FÜR DAS KRIMI-GENRE“




                            Tatort mit vielen
                            Gesichtern
    Foto: Andreas Baier




                                                                                       1
Krimistadt Wiesbaden            5




Wiesbaden gilt als eine der
sichersten Städte Deutschlands.                                                             1 In Wiesbaden spielen viele
                                                                                              „Mordsgeschichten“
Mord, Erpressung und Entfüh-                                                                2 Der rote Teppich ist
                                                                                              ausgerollt für Deutschlands
rung sind in der hessischen                                                                   besten Fernsehkrimi
Landeshauptstadt kaum vor-                                                                  3 Ulrich Tukur und Maren
                                                                                              Kroymann bringen das
stellbar. Filmschaffende und                                                                  Publikum in Schwung




                                                      Foto: Andreas Baier




                                                                                                                         Foto: Andreas Baier
                                                      2                     3


Schriftsteller haben diese Idylle
nun als Schauplatz für das          Vor der Wiesbadener Caligari FilmBühne       kutiert. Jetzt wartet alles gespannt auf
                                    ist der rote Teppich ausgerollt. Prominenz   die Entscheidung der Jury, die bis in die
Verbrechen entdeckt. Nicht nur      aus Film, Fernsehen und Politik zieht es     frühen Morgenstunden getagt hat. Die
                                    an diesem Samstagabend ebenso hierher        Wahl fällt auf den Tatort „Nie wieder frei
die ZDF-Reihe „Der Staatsan-        wie überzeugte Krimifans. Renommierte        sein“, eine beklemmende Geschichte um
walt“ spielt hier. Auch immer       Schauspieler wie Katrin Sass und Rüdiger     das Spannungsverhältnis zwischen Ge-
                                    Vogler sind dabei. Und mit Ulrich Tukur      setz und Gerechtigkeit, die mittlerweile
mehr Krimiautoren lassen ihre       ist einer der ganz Großen aus dem deut-      auch den Grimme-Preis gewonnen hat.
Leser auf die vermeintlichen        schen Filmgeschäft gekommen. Diesmal
                                    wird er sich nicht als LKA-Ermittler         „Wir holen den Fernsehkrimi weg vom
Abgründe hinter den schicken        Felix Murot präsentieren, sondern das        Sofa und bringen ihn auf die ganz große
                                    begeisterte Festivalpublikum mit seiner      Leinwand“, sagen die Festivalleiterinnen
Fassaden einer Stadt blicken,       Band zu den Klängen von Hazy Oster-          Barbara Dierksen und Christine Kopf. Mit
die auch für das deutsche           walds „Kriminal-Tango“ in Schwung            Erfolg. Nach Einschätzung von Wiesba-
                                    bringen.                                     dens Kulturamtschefin Ingrid Roberts hat
Fernseh-Krimi-Festival und den                                                   sich das 2005 gestartete Festival, das in
                                    „Wir holen den Fernsehkrimi
„Krimiherbst“ eine perfekte         weg vom Sofa.“
                                                                                 diesem Frühjahr rund 4.000 Zuschauer
                                                                                 anzog, mittlerweile zu einem echten
Kulisse bildet.                     Zum siebten Mal wird in Wiesbaden der        Branchentreffpunkt entwickelt: „Es be-
                                    deutsche Fernsehkrimipreis verliehen.        kommt immer mehr Glamour.“ Mit von
                                    Vier Tage lang stand die Stadt im Zei-       der Partie war diesmal auch Odeon TV.
                                    chen des Lieblingsgenres deutscher Fern-     Die Wiesbadener Produktionsfirma steht
                                    sehzuschauer. Die besten zehn Krimi-         mit „Ein Fall für Zwei“ für eine Krimi-
                                    produktionen, darunter drei Premieren,       serie mit Kultstatus. Seit dreißig Jahren
                                    haben die Veranstalter unter 70 Bewer-       ermittelt der Frankfurter Privatdetektiv
                                    bungen ausgewählt, präsentiert und dis-      Josef Matula, alias Claus Theo Gärtner, l
6   Krimistadt Wiesbaden




                l   schon im Rhein-Main-Gebiet. Doch
                    blickt Matula in seinem Frankfurter
                    Loft aus dem Fenster sieht er in Wirk-
                    lichkeit Wiesbaden. Wie die U-Haftzellen
                    oder das Büro des Ermittlungsrichters
                    gehört es zu den festen Drehorten, die
                    Odeon TV in der hessischen Landes-
                    hauptstadt bezogen hat.

                    „Wiesbaden bietet eine Menge Möglich-
                    keiten als Kulisse“, erklärt Odeon-Produ-
                    zentin Andrea Jedele. „Es ist eine Stadt,
                    die, anders als die harten Krimistädte wie
                    Berlin oder Köln, noch nicht so abge-
                    spielt ist.“ Gut möglich also, dass Jedeles
                    Szenenbildner auf der Suche nach Origi-
                    naldrehplätzen an der einen oder ande-




                                                                                                                             Foto: Andreas Baier
                                                             Foto: Andreas Baier




                                                                                   3

                                                                                   2
                                                            1


                    ren schicken Villa der einstigen Welt-
                    kurstadt anklopfen. In Wiesbaden, wo
                    nicht jeden zweiten Tag ein Filmset auf-
                    gebaut wird, stoßen die Teams meist auf
                    offene Türen. Der 2007 zum ersten Mal
                    auf Sendung gegangene „Staatsanwalt“,
                    ebenfalls von Odeon TV produziert,
                    rückt die Stadt nun selbst in den Mittel-
                                                                                                                             Foto: Andreas Baier




                    punkt der Inszenierung.

                    „Die Idylle gebiert den Horror.“
                    Ein schummeriges Industriegebiet bei
                    Nacht, eine junge Frau wird verfolgt und                           1 Claus Theo Gärtner, hier beim Fernseh-
                    liegt plötzlich tot auf der regennassen                              Krimi-Festival, dreht oft in Wiesbaden
                    Straße: Die Bilder irritieren, denn sie                            2 Krimi-Regisseur Martin Kinkel
                    passen nicht in eine ordentliche und                                 inszeniert seine Heimatstadt immer
                    schicke Kongressstadt. Doch in der                                   wieder neu
Krimistadt Wiesbaden      7




    Staatsanwaltsfolge „Tödlicher Pakt“, die      Und genau das illustriert einen Krimi-                        gewöhnliche Drehs. Den Showdown für
    im Frühjahr in der Caligari FilmBühne         nalfall um so deutlicher“, glaubt Rainer                      seinen ersten „Staatsanwalt“ ließ der
    Premiere feierte, ist auch die schöne         Hunold. Der 61-jährige Schauspieler, der                      46-Jähige im Keller des Nobelhotels
    Wiesbadenwelt zu bewundern. Auf einer         selbst neun Jahre in Wiesbaden gelebt                         „Schwarzer Bock“ ablaufen. So insze-
    Abendveranstaltung im Jagdschloss             hat, ist mit der väterlichen und mit                          niert Kinkel die ganze Stadt vom Schier-
    Platte trifft sich die Oberschicht bei Sekt   leisem Humor ausgestatteten Figur von                         steiner Hafen bis in die Weinberge am
    und Selters um die unterforderte Frau         Staatsanwalt Bernd Reuther in eine sei-                       Neroberg, lässt in der Marktkirche den
    eines Europaabgeordneten für ihr Charity-     ner Paraderollen geschlüpft. Die Fälle,                       Pfarrer umbringen, den Ermittlungs-
    Projekt zu ehren. Ein smarter Besitzer        die er hier zu lösen hat, leben von den                       richter seinen Sushi-Imbiss im Hof des
    eines Bistros am Bowling Green kommt          Brüchen zwischen einer makellosen Fas-                        hessischen Landtags nehmen und zur
    ebenso ins Spiel wie ein Punkpärchen,         sade und den Scheußlichkeiten, die sich                       Not auch einen Nachtbus, den es in
    das mit allem Frust und Aggressionen          dahinter abspielen: „Die Idylle gebiert                       Wirklichkeit gar nicht gibt, durch die
    versucht durchs Leben zu kommen.              den Horror.“ So erklärt Regisseur Martin                      Fußgängerzone fahren. Mit dem Rat-
                                                  Kinkel das Phänomen der Wiesbaden-                            haus, dem Biebricher Schloss und
    „In einer sauberen, reichen und satu-         Krimis. Zehn Staatanwaltsfolgen hat er                        dem alten Landgericht bietet die Stadt
    rierten Stadt wie Wiesbaden erwartet          in seiner Heimatstadt gedreht, zuletzt                        direkt drei stilvolle Kulissen für das
    man eigentlich keine harten Verbrechen.       den „Tödlichen Pakt“. Seit 150 Jahren                         Büro von Bernd Reuther.

                                                                                                                „Sherlock Holmes ist Kosmopolit.“
                                                                                                                „Diese Stadt“, sagt Kulturamtsleiterin
                                                                                                                Roberts, „ist offenbar ein anregendes
                                                                                                                Pflaster für das Krimigenre.“ Denn nicht
                                                                                                                nur die Filmschaffenden, sondern auch
                                                                                                                die schreibende Zunft schätzt Wiesba-
                                                                                                                den als Schauplatz für die unterschied-
                                                                                                                lichsten Kriminalfälle. „Wie könnte der
                                                                                                                perfekte Mord aussehen?“ Eine kleine
                                                                                                                Gruppe von Schriftstellern sitzt im Lite-
                                                                                                                raturhaus „Villa Clementine“ zusammen
                                                                                                                und diskutiert bei Bier, Kaffee und
                                                                                                                Wein Fragen, mit denen ein Krimiautor
                                                                                                                sich tagtäglich herumschlagen muss.
                                                                                                                „Dostojewskis Erben“ nennt sie sich –
                                                                                                                eine Reminiszenz an den russischen
                                                                                                                Schriftsteller, der im 19. Jahrhundert an
                                                                                                                einem der Wiesbadener Roulettetische
                                                                                          Foto: Andreas Baier




                                                                                                                ein Vermögen verspielt hat. Das Interi-
                                                                                                                eur der Villa mit seinen Kronleuchtern,
4                                                                                                               schweren Samtportieren und Blumen-
                                                                                                                tapeten passt perfekt in die Zeit als Wies-
                                                                                                                baden noch eine mondäne Kurstadt war. l
    3 Wer ist der ominöse Bogenschütze            lebt seine Familie hier. Kinkel ist in
      im Wiesbaden-Krimi „Kunstgriff“?            Wiesbaden aufgewachsen, zur Schule
                                                                                                                5
    4 Rainer Hunold ermittelt als                 gegangen und über diverse Jobs bei
      ZDF-Staatsanwalt Bernd Reuther              Odeon TV als Student in das Krimigenre
      in der Landeshauptstadt                     hineingewachsen.
    5 „Dostojewskis Erben“ lassen sich
      immer neue Verbrechen einfallen             „Sie müssen Wiesbaden von innen er-
      von links nach rechts die AutorInnen        zählen“, sagt er. Ihm geht es um mehr
                                                                                                                                                           Foto: Andreas Baier




      Susanne Kronenberg, Alexander               als um schöne Postkartenmotive wie die
      Pfeiffer, Belinda Vogt, Karsten             Russische Kirche oder das Kurhaus.
      Eichner und Christiane Geldmacher           Seine engen Kontakte in die Stadt hinein
                                                  erweisen sich oft als Türöffner für außer-
8   Krimistadt Wiesbaden




                           l   In den Kurzkrimis von Karsten Eichner,
                               hauptberuflich Pressesprecher bei der
                               R+V Versicherung, ersteht diese Epoche
                               in ungewohnter Art wieder auf. Als
                               Fan von Sir Arthur Conan Doyle lässt
                               der 40-jährige Journalist und Historiker
                               niemand anders als Sherlock Holmes
                               in der Weltkurstadt ermitteln. „Holmes


                                                                      1




                                                                                                                                         Foto: Andreas Baier
                                                                                             2



                                                                                            ist Kosmospolit und eine Stadt wie
                                                                                            das Wiesbaden des 19. Jahrhunderts ist
                                                                                            seine Welt“, sagt Eichner. So klärt der
                                                                                            Meisterdetektiv nicht nur den dubiosen
                                                                                            Mord an einem russischen Großfürsten
                                                                                            auf, der im damaligen Nobelhotel Vier-
                                                                                            jahreszeiten erschossen aufgefunden
                                                                                            wird. Er vereitelt auch einen anlässlich
                                                                                            der Einweihung des Niederwald-Denk-
                                                                                            mals in Rüdesheim geplanten Bomben-
                                                                                            anschlag auf den Deutschen Kaiser, eine
                                                                                            Replik auf ein historisches Ereignis aus
                                                                                            dem Jahr 1883.

                                                                                            In eine gänzlich andere Welt führt
                                                                                            Alexander Pfeiffers Wiesbadener Krimi-
                                                                                            Trilogie. Pfeiffers Vorbilder sind ameri-
                                                                                            kanische Filmemacher wie John Cassa-
                                                                                            vetes, John Huston oder Martin Scorsese
                                                                                            und seine Geschichten drehen sich um
                                                                                            das harte Hier und Jetzt. Wiesbaden
                                                                                            kennt er von Kindesbeinen an. Eine
                                                                                            Menge Krimistoff hat er als Taxifahrer
                                                                                            gesammelt, bei seinen Touren durch die
                                                                                            Stadt Menschen aus allen Schichten
                                                                                            kennengelernt. Das Westend mit seinem
                                                                                            Multi-Kulti-Flair, sagt er, sei sein Vier-
                                                                      Foto: Andreas Baier




                                                                                            tel: „Ich habe meine Krimis bewusst
                                                                                            gegen den heimeligen Trend der so ge-
                                                                                            nannten Regionalkrimis geschrieben.“
                                                                                            Art Pfeilschiffer heißt einer seiner Anti-
Krimistadt Wiesbaden      9




helden, die am Rande des Existenzmini-                         erstaunt, was es in der Stadt zwischen      Krimiautoren, die für vier Wochen als
mums in der Vorzeigestadt Wiesbaden                            Taunus und Rhein alles gebe. „Sie erwar-    Wohngemeinschaft ins Literaturhaus
leben. Art, wie Pfeiffer selbst Taxifahrer,                    ten hier einfach keine Abgründe“, sagt      „Villa Clementine“ ziehen, von dort aus
macht Karriere als Drogensüchtiger und                         auch Dostojewski-Erbin Susanne Kronen-      die Stadt erkunden und ihre Eindrücke
Kleinkrimineller und verkehrt in den                           berg. Der Frau aus Norddeutschland hat      in einem Kurzkrimi verarbeiten. Wer,
zwielichtigsten Kreisen – auch der neu-                        es nicht nur die Wiesbadener Kunstszene     wann, wo und von wem ermordet wird,
reichen Szene, die unter anderem im                            angetan, sondern auch die grüne Umge-       haben die drei noch nicht verraten. Ihre
noblen Stadtviertel Eigenheim ihre Vil-                        bung der Stadt. Beides dient ihr als Ku-    Werke sind es unter anderem, die im
len bewohnt. Ein Happy End gibt es für                         lisse, etwa wenn Privatdetektivin Norma     Zuge des nächsten Wiesbadener Krimi-
ihn nicht: Art stirbt auf der Intensiv-                        Tann in die Aufklärung eines Kunstdieb-     herbstes vorgestellt werden sollen.
Station der Dr. Horst-Schmidt-Kliniken
an den Folgen eines Bauchschusses.

„Ein gefundenes Fressen für
einen Krimiautor.“
In Wiesbaden, erklärt Pfeiffer, begegne
man krassesten Gegensätzen auf sehr ge-
ringem Radius: „Das ist ein gefundenes
Fressen für einen Krimiautor.“ Viele Leser,
beobachtet der 40-Jährige, seien ganz
                                                               Foto: Andreas Baier
                                         Foto: Andreas Baier




                                         3                             4


1 Krimiautor Alexander Pfeiffer                                stahls – ein Original des russischen        Die vierwöchige Veranstaltungsreihe
  schreibt über Wiesbadens Antihelden                          Expressionisten Alexej von Jawlensky        lässt das Krimijahr mit „Mordsgeschich-
2 Als echter Sherlock Holmes-Fan                               verschwindet aus einer Galerie – und die    ten“, Buchpremieren, Krimidinners,
  lässt Karsten Eichner den Meister-                           Verfolgung eines ominösen Mörders           Workshops und angenehmem Gruseln
  detektiv in der Weltkurstadt                                 verwickelt wird, der rund um das Jagd-      ausklingen. Im Profil „Krimistadt Wies-
  ermitteln                                                    schloss Platte sein Unwesen treibt. „Ich    baden“ jedenfalls sieht Kulturamtsleite-
3 Festivalparty in der Wartburg                                versuche die typische Atmosphäre Wies-      rin Roberts noch ein „ganz großes Po-
4 Das „Trio Mortale“ sucht Inspiration                         badens einzufangen“, sagt sie. Das ge-      tential“. Und auch Regisseur Kinkel hat
  in der Wiesbadener Spielbank.                                lingt ihr zuweilen so überzeugend, dass     noch eine Menge Ideen um seine Hei-
  Von links nach rechts die Krimi-                             Leser glauben, Orte in ihren Büchern        matstadt als Tatort zu inszenieren. Bei-
  stipendiatInnen Beate Maxian, Rainer                         wiederzufinden, die zwar typisch für die    spielsweise im historischen Kanalsystem:
  Würth und Brigitte Glaser, hinten:                           Stadt, aber ansonsten frei erfunden sind.   „Den dritten Mann nach Wiesbaden
  „Dostojewski-Erbe“ Richard Lifka                                                                         holen“, schwärmt er, „das wär´s.“
                                                               „Die Krimistadt Wiesbaden hat ein
                                                               ganz großes Potential.“
                                                               Vom Schauplatz Wiesbaden inspirieren
                                                               lässt sich in diesem Jahr auch wieder
                                                               das „Trio Mortale“. Zum dritten Mal
                                                               vergibt das Kulturamt Stipendien an drei
10 Wiesbadener Architektur


                             oberbürgermeister helmut müller zum architektursommer rhein-main




                             Moderne Stadt in
                             historischen Strukturen
        Unter dem Motto
      „Wohnraum Stadt“
 veranstalten Frankfurt,
                                                                                                      Architektur definiert     chitektursommer ist für
  Darmstadt, Offenbach
                                                                                                      Räume und schafft         mich ein Vehikel, mit
     und Wiesbaden den
                                                                                                      übergreifende Funkti-     dem wir die spannende
      Architektursommer
                                                                                                      onen. In dem Moment,      Frage „Wie schaffen
 Rhein-Main 2011. Von
                                                                                                      in dem Sie in der Regi-   wir eine moderne Stadt
     April bis September
                                                                                                      on etwas bauen, schrei-   in unseren historischen
  sollen die vier größten
                                                                                                      ben Sie diesem Ort eine   Strukturen“ unter die
Städte der Region nach-
                                                                                                      bestimmte Funktion zu.    Leute bringen und sie
 einander zum „offenen
                                                                                                      Wenn Sie eine Brücke      neugierig machen kön-
  Experimentierfeld und
                                                                                                      über den Rhein oder       nen auf die Architektur,
 zur lebendigen Planer-
                                                                                                      Main bauen, wissen Sie,   die sie Tag für Tag um-
 werkstatt“ werden. Am
                                                                                                      dass an dieser Stelle     gibt. An ganz vielen
       26. August fällt in
                                                                                                      etwas für die ganze Re-   unerwarteten Orten wird
   Wiesbaden der Start-
                                                                                                      gion geschieht, nicht     man in Wiesbaden zum
schuss. Dann will Ober-
                                                                                                      nur, weil eine Brücke     Beispiel auf Baustellen-
   bürgermeister Helmut
                                                                                                      buchstäblich verbindet,   container stoßen, die
    Müller einladen zum
                                                                                                      sondern auch, weil sich   dazu einladen, hinzuge-
 Diskurs über die archi-
                                                                                                      dort etwas kanalisieren   hen, nachzudenken und
    tektonische Vergan-
                                                                                                      wird. Wenn Sie eine       vor allem mitzureden
    genheit und Zukunft
                                                                                Foto: Andreas Baier




                                                                                                      Universität oder ein      über ganz unterschied-
                der Stadt.
                                                                                                      Forschungszentrum in      liche architektonische
                                                                                                      Darmstadt errichten       Themen. Es wird Stra-
                                                                                                      oder den hessischen       ßenfeste geben, Füh-
                             „Architektur definiert Räume“, findet Wiesbadens                         Landtag in Wiesbaden      rungen, viele Ausstel-
                             Oberbürgermeister Helmut Müller                                          umbauen, schaffen         lungen und Baulücken,
                                                                                                      Sie ebenfalls etwas für   die bespielt werden:
                             Herr Müller. Sie leiten     of Work erzeugen und                         die ganze Region.         Ein Diskurs über die
                             die Koordinierungs-         das ist uns – als ein                                                  bauliche Zukunft der
                             runde für den Architek-     Beispiel – mit dem Ar-                       „Die Stadt ist nicht      Stadt, so stelle ich mir
                             tursommer Rhein-Main.       chitektursommer nach                         die Angelegenheit der     das vor.
                             Warum ist diese Ver-        einigen Startschwierig-                      Städtebauer, sondern
                             anstaltung für Sie so       keiten wirklich gelun-                       die der Stadtbewohner.“   Wollen Sie auch die
                             wichtig?                    gen. Bei den Architek-                       Das sagt der Schrift-     geplante Aufnahme
                             Ich bin überzeugt, dass     ten und Städteplanern                        steller Max Frisch. Wo    Wiesbadens in die
                             man eine Region wie         sind wir auf eine of-                        bleiben die Wiesbade-     UNESCO-Liste des
                             das Rhein-Main-Gebiet       fene Szene gestoßen,                         ner Bürger, wenn es um    Weltkulturerbes zur
                             nicht über administra-      die sich für die Idee                        Baukultur geht?           Diskussion stellen?
                             tive Überlegungen zu-       sehr begeistern konnte.                      Wir sind da alle ganz     Ja, ich möchte den
                             sammenführen kann.                                                       bei Frisch: Wir müssen    Architektursommer
                             Regionale Identität         Wie kann Architektur                         herauskommen aus der      auch zum Anlass neh-
                             schafft man nur durch       zum verbindenden Ele-                        reinen Expertendiskus-    men, diese Diskussion
                             gemeinsame Projekte.        ment für eine Region                         sion. Die ist auch sehr   auf eine breitere Basis
                             Man muss einen Spirit       werden?                                      wichtig. Aber der Ar-     zu stellen. Wir denken
Wiesbadener Architektur 11



                  „Zeitenwende – Potenziale der
                  Wiesbadener Stadtentwicklung“, das
                  Motto des Architektursommers l




über einen Gestaltungs-     Hier sind vor allem die
beirat aus Architekten,     Wohnungsbaugesell-
Stadtplanern und Hi-        schaften sehr aktiv. Wir   Illustration: agentur-bell.de

storikern nach. Wir las-    investieren 150 Millio-
sen uns von anderen         nen Euro in die Sanie-
Städten über ihre Er-       rung – vor allem ener-
fahrungen berichten.        getische – ganzer
Wir wollen wissen wie       Wohnblocks. Im Stadt-
es sich lebt im Weltkul-    teil Weidenborn im                                                                                                          Frankfurt
                                                                                                                                                        Das Thema „Wohnen“
                                                                                                                                                        in drei Diskursen
                                                                                                                                                                             Darmstadt
                                                                                                                                                                             Ideen für
                                                                                                                                                                             und über die Stadt
                                                                                                                                                                                                    Offenbach
                                                                                                                                                                                                    Leben und Wohnen
                                                                                                                                                                                                                       Wiesbaden
                                                                                                                                                                                                                       Zeitenwende und
                                                                                                                                                                                                                       Potenziale




turerbe. Was ich nicht      Südosten Wiesbadens                                                                                                                              Programmheft
                                                                                                                                                                             Ausgabe 1
                                                                                                                                                                             Gratis zum Mitnehmen
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möchte, ist, dass wir als   mußten wir nach Erd-
Weltkulturerbe unter        bewegungen 800
eine Glasglocke kom-        Wohneinheiten aus den
men, unter der sich         50er und 60er Jahren
nichts mehr bewegen         sanieren. Wir haben                                                                                                                                                                             Schwerpu
                                                                                                                                                                                                                              Ausgabenkte
                                                                                                                                                                                                                           Frankfur
                                                                                                                                                                                                                           Darmst t &
                                                                                                                                                                                                                                   adt
                                                                                                                                                                                                                                      1




darf. Wir müssen na-        das zum Anlass ge-
türlich die Marke Wies-     nommen das ganze                                                                                                                                       01
baden erhalten. Wenn        Viertel weiter zu entwi-
                                                                                                                                            Foto: WAZ
wir anfangen würden,        ckeln. Denn wir müssen
die historische Bau-        den Platz nutzen, den
substanz zu zerstören,      wir haben, und auch                                        „Zum „Wieder- und Neuentdecken“ der Wiesbadener Baukultur lädt das Team vom
würden wir unser eige-      Flächen umwidmen,                                          WAZ Wiesbadener Architekturzentrum e. V. ein
nes Gesicht zerstören.      um die große Nachfra-
Aber das bedeutet na-       ge nach Wohnraum zu                                        Der Architektursommer 2011
türlich nicht, dass wir     decken. Und schauen                                        in Wiesbaden
kein einziges modernes      Sie zum Beispiel auf                                       26. August bis 4. September
Gebäude mehr bauen          das ehemalige Areal
dürfen. Es geht nicht       der Firma Linde in                                         Von rund 220 Veranstaltungen im Rahmen      An den darauf folgenden Events beteili-
darum, ob wir weiter        Kostheim. „Die Sied-                                       des Architektursommers finden unter der     gen sich neben dem WAZ und der Stadt
bauen werden, sondern       lung“, haben die Wies-                                     Federführung des Wiesbadener Architek-      Wiesbaden eine Vielzahl von Aktiven, unter
wir wollen gemeinsame       badener früher dazu                                        turzentrums (WAZ) rund 70 in Wiesbaden      anderem die Hochschule RheinMain, die
Perspektiven entwi-         gesagt. Das ist ein                                        statt.                                      Wohnungsbaugesellschaften, der Deutsche
ckeln, wie wir weiter       klassisches Gartenstadt-                                                                               Werkbund, freie Architekten und Kirchen.
bauen können, ohne          modell – ein Schatz,                                       Sie stehen unter dem Motto „Zeitenwen-
den Kern zu zerstören.      ideal für Familien mit                                     de+Potenziale“, ein Thema, das bereits im   Auf dem Neroberg wollen schließlich „über
                            Kindern. Wir haben das                                     Vorfeld der großen Auftaktveranstaltung     den Dächern von Wiesbaden“ alle betei-
Bei der Frage um das        alte Moos weggekratzt                                      mit drei Vortragsabenden thematisiert       ligten Städte den Abschluss des Architek-
Wie werden Themen           und zum Vorschein                                          wird. Sie beleuchten die entscheidenden     tursommers feiern.
wie Energieeffizienz        gekommen ist nicht nur                                     Zäsuren in der Baugeschichte der Stadt.
und Bauen im Bestand        eine moderne Struktur,                                     Eigentlicher Auftakt für die zehntägige     Programm und
immer wichtiger. Ist        sondern auch schöne                                        Veranstaltung wird ein Straßenfest in der   ausführliche Informationen:
Wiesbaden hier auf          Architektur.                                               Hochstättenstraße sein.                     www.asrm2011.de
einem guten Weg?
12 Eventstadt Wiesbaden


VERLEIHUNG DES MEDIENPREISES WIEDER IN WIESBADEN




 Der Bambi
kehrt
 zurück!
Seit mehr als sechs Jahrzehnten bewegt
und begeistert die Bambi-Verleihung.
In diesem Jahr werden die kleinen
Rehe im November auf einer Gala in
Wiesbaden vergeben. Die Landes-
hauptstadt ist damit nach 1991 be-
reits zum zweiten Mal Gastgeber,
wenn Stars aus dem In- und Ausland
mit Deutschlands wichtigstem Medi-
enpreis ausgezeichnet werden.                                                                                Das goldene Reh
                                                                                                             wird im November in
                                                                                                             Wiesbaden verliehen


A
Als die Bambis des Jahres 1991 längst
vergeben waren, ließen sich drei
Preisträger noch zu einem einma-
ligen Auftritt hinreißen: Geigen-
virtuose Nigel Kennedy, Entertai-
ner Hape Kerkeling am Klavier
und Volksmusik-Star Patrick                                                                                 Foto: Hubert Burda Media
Lindner bildeten im Wiesbade-
nener Kurhaus zu später Stunde
ein ungewöhnliches Musik-Trio. „Sie
haben spontan eine Session dargeboten“,      Rande wie der unvorhergesehene Auftritt      sein entschlossenes und mutiges Handeln
erinnert sich Henning Wossidlo, Geschäfts-   des Trios Kennedy, Kerkeling und Lind-       vor allem während des August-Putsches in
führer der Kurhaus Wiesbaden GmbH.           ner. Auch zwei Jahrzehnte später sind die    Moskau geehrt. Allerdings war der Preis-
                                             Erinnerungen an die Wiesbadener Bambi-       träger nicht persönlich in Wiesbaden – die
Die 44. Bambi-Verleihung in Wiesbaden:       Nacht noch lebendig: „Es war fantas-         600 geladenen Gäste im Kurhaus konnten
Das war eine glanzvolle Gala mit Preis-      tisch“, urteilt Wossidlo ebenso knapp wie    nur auf zwei großen Bildschirmen sehen,
trägern wie Hollywood-Legende Audrey         eindeutig.                                   wie Verleger Hubert Burda Jelzin den Preis
Hepburn oder dem damaligen russischen                                                     zuvor in Moskau übergeben hatte. Den-
Präsidenten Boris Jelzin; das waren aber     Der erste Bambi an jenem Abend ging an       noch wurde der Russe im Saal mit „stan-
auch kleine unvergessliche Momente am        Jelzin als „Mann des Jahres“. Er wurde für   ding ovations“ gefeiert.
Eventstadt Wiesbaden 13




Stehenden Applaus gab es auch für den    und Lindner waren darunter unter                                       sich immer mehr zu einer echten Event-
früheren Bundesinnen- und heutigen       anderem Top-Model Claudia Schiffer,                                    stadt“, freut sich Wirtschaftsdezernent
Finanzminister Wolfgang Schäuble, der    Hochspringerin Heike Henkel, Journalist                                Detlev Bendel. „Und die Bambi-Verlei-
einen „Ehren-Bambi“ erhielt. Im Jahr     Hanns Joachim Friedrichs, die Entertai-                                hung ergänzt unser Portfolio um eine
zuvor war der CDU-Politiker bei einer    ner Siegfried und Roy sowie die Sänge-                                 wirklich glamouröse Gala“. Nicht nur
Wahlkampfveranstaltung von einem         rin Patricia Kaas.                                                     dem internationalen Publikum, das im
psychisch kranken Mann niedergeschos-                                                                           November zur Bambi-Verleihung kom-
sen worden und sitzt seitdem im Roll-    Im November wird der bereits 1948 ins                                  men wird, möchte Bendel Wiesbaden als
stuhl. Ein, wenn nicht der Höhepunkt     Leben gerufene Bambi nun zum zweiten                                   attraktive Stadt präsentieren. „Der Bambi
der Verleihung war schließlich der       Mal in Wiesbaden vergeben. Damit wird                                  ist ein Medienereignis, das die Aufmerk-
Auftritt einer der ganz Großen Holly-    der Wiesbadener Veranstaltungskalender,                                samkeit der Zuschauer über Deutschland
woods: Die Schauspielerin Audrey         auf dem schon der „Ball des Sports“ oder                               hinaus auf uns lenken wird“, ist Bendel
Hepburn erhielt aus den Händen von       die Open-Air-Konzerte auf dem Bowling                                  überzeugt.
Oscar-Preisträger Maximilian Schell      Green stehen, um ein absolutes Top-
den „Charity-Bambi“ für ihr Engagement   Ereignis erweitert. „Wiesbaden entwickelt                              Veranstaltungen wie diese sind das
als UNICEF-Botschafterin.                                                                                       „Sahnehäubchen“ für das umfangreiche
                                                                                                                Programm in der hessischen Landes-
Auch die Namen der wei-                                                                                         hauptstadt. Allerdings findet die Verlei-
teren Preisträger sind 20                                                                                       hung in diesem Jahr nicht wie 1991 im
Jahre später keineswegs                                                                                         Kurhaus, sondern in den Rhein-Main-
vergessen: Neben dem                                                                                            Hallen statt. Der Grund dafür ist einfach:
Trio Kennedy, Kerkeling                                                                                         Für die Live-Übertragung in der ARD
                                                                                                                wird mehr Platz gebraucht. Die Größe
                                                                                                                des Kurhauses reiche nicht mehr aus, er-
        Wirtschaftsdezernent                                                                                    klärt Wossidlo.
                                                                                 Foto: Andreas Baier

               Detlev Bendel
        sieht Wiesbaden als                                                                                     Noch ist völlig unklar, wer im November
         Eventstadt auf dem                                                                                     über den roten Teppich vor den Rhein-
                 Vormarsch                                                                                      Main-Hallen laufen wird. Wer an die




                                                                                                                Das Wiesbadener Kurhaus in
                                                                                                                festlichem Glanz
                                                                                Fotos (2): Hubert Burda Media




                                                                                                                Bambi-Verleihung 1991 oder an bisherige
                                                                                                                Preisträger wie den früheren US-Präsi-
                                                                                                                denten Bill Clinton, Königin Sylvia von
                                                                                                                Schweden oder Box-Legende Muhammad
                                                                                                                Ali denkt, kann aber schon heute sicher
                                                                                                                sein: Wiesbaden wird wieder einen Abend
Hollywood-Ikone Audrey Hepburn mit Oskar-Preisträger Maximilian Schell                                          voller unvergesslicher kleiner und großer
bei der Bambi-Verleihung 1991                                                                                   Momente erleben.
14 Kunst in Wiesbaden




VON JAWLENSKY BIS ZU FLUXUS




„Kunst muss zugänglich sein“
Die Kunstszene in Wiesbaden braucht den Vergleich nicht zu scheuen. Die Stadt, in der
1962 der Startschuss für die deutsche Fluxusbewegung fiel und die heute alle zwei Jahre den
Wiesbadener Kunstsommer veranstaltet, beherbergt nicht nur eines der Flaggschiffe unter
den deutschen Landesmuseen. Sammler und Galeristen tragen hier ebenso zum kreativen Flair
bei wie die Nachwuchskünstler, die im Nassauischen Kunstverein ihre Werke zeigen.




D
Die Zeiten, da Museen der Ruf der
„Verstaubtheit“ vorauseilte, sind für
Alexander Klar längst passé. Kunst
                                           „Expressionismus bis Minimal“ im Depot
                                           des Museums zahlreiche Arbeiten ent-
                                           deckt, die lange nicht gezeigt worden
                                                                                      zeigt. Peter Forster, unter den
                                                                                      Kuratoren zuständig für die Alten
                                                                                      Meister, hat diese Sonderausstellung
müsse zugänglich sein, mit einer niedrig   waren und sie beziehungsreich mit bis      bewusst breit angelegt: Sie präsentiert
angesetzten Schwelle und gleichzeitiger    dato kaum präsentierten Skulpturen der     die Landschaftskunst von der hollän-
Wahrung des Niveaus, betont der Direk-     jeweiligen Epoche kombiniert. Neben        dischen Landschaftsmalerei bis zur Vi-
tor des Wiesbadener Landesmuseums.         Werken von Alexej von Jawlensky, der       deokunst der Gegenwart.
Klar versteht sein Museum als „besucher-   20 Jahre lang bis zu seinem Tod in
orientiertes Haus“, das die Konkurrenz     Wiesbaden lebte und dem das Museum         Als „Keimzelle“ des Museums Wiesba-
zu Theater, Party oder Kino nicht fürch-   Wiesbaden die weltweit umfangreichste      den gilt der 1847 gegründete Nassau-
ten müsse, eine Zugänglichkeit, die auch   Jawlensky-Sammlung verdankt, stellen       ische Kunstverein Wiesbaden (NKV),
seinen drei Kuratoren am Herzen liegt.     sie Arbeiten von Max Beckmann oder         ein nach den Worten seiner Künstle-




                                                                                                                                Foto: Museum Wiesbaden




Das hessische Landesmuseum beherbergt viele Kunstschätze von Weltrang

Die Umbauphase im Haus nutzt das           Emil Nolde, aber auch neue Dauerleihga-    rischen Leiterin Elke Gruhn „einzigar-
Museumsteam kreativ, um verborgene         ben von Ernst Ludwig Kirchner, Gabriele    tiges Modell der Kunstförderung“, um
Schätze wieder ans Tageslicht zu brin-     Münter und Karl Schmidt-Rottluff vor.      das man weltweit beneidet werde. Die
gen. So haben Jörg Daur, Klars Stell-      Die nach den Worten Daurs „vor dem         Landeshauptstadt, so Gruhn, betreibe
vertreter und Kustos für die moderne       geistigen Auge entstandene Hängung“        eine „gezielte Kulturförderung“. Sie
und zeitgenössische Kunst, und Roman       weist zur Freude des Museumsdirektors      beschränkt sich nicht allein auf das
Zieglgänsberger, verantwortlich für die    keinerlei Brüche auf. Parallel zu „Ex-     Domizil des NKV an der zentral gele-
klassische Moderne, für die bis Herbst     pressionismus bis Minimal“ wird bis Ok-    genen und repräsentativen Wilhelmstra-
diesen Jahres andauernde Ausstellung       tober 2011 „Landschaft als Weltbild“ ge-   ße. Auch das mit 10.000 Euro dotierte
Kunst in Wiesbaden 15




            Der Schmetterling aus                                                 steht die Kunst der „Follow Fluxus
         Rebecca Horns Installa-                                                  Stipendiatin 2011“, der tschechischen
           tion „Circle for Broken                                                Künstlerin Katerina Šeda auf dem
            Landscape“ hat schon                                                  Programm, zum festen Bestandteil
         viele Besucher fasziniert                                                gehört die Dauerausstellung des
                                                                                  Fluxus-Künstlers Benjamin Patterson.
                                                                                  Als neuer Ausstellungsort für Künst-
„Follow Fluxus Stipendium“, das all-     Rund 16 Ausstellungen werden auf         lergruppen, Stipendiaten oder auch
jährlich an, sich an den Arbeitsweisen   der 350 Quadratmeter umfassenden         Wiesbadener Sammler hat im Früh-
von Fluxus orientierende aufstrebende    Ausstellungsfläche des Nassauischen      jahr nun auch die Kunsthalle am
Künstler vergeben wird, wird von der     Kunstvereins pro Jahr gezeigt, mit-      Künstlerhaus auf dem Schulberg ihre
Stadt ermöglicht.                        unter auch parallel. Für den Herbst      Pforten geöffnet.




                                                                                                                          Fotos (4): Heike Rost




Museumsdirektor Alexander Klar im          Kurator Peter Forster und Restauratorin Ann-Sophie Bennke
Ausstellungsraum „Informel“                haben Anselm Feuerbachs „Nanna“ aus dem Depot geholt
16 Kunst in Wiesbaden



„Es gibt in dieser Stadt eine Menge Leute, die         des letzten Jahrhunderts von Malern, „die wenige
für die Kunst etwas bewegen wollen“, beobachtet        kennen und die es wert sind, entdeckt zu werden.“
Reinhard Ernst. Der 66-Jährige gehört zu den           Dem Sammler geht es um die Geschichte, die sich
zahlreichen Sammlern in Wiesbaden. Seine Liebe         hinter jedem Kunstwerk verbirgt, und darum, den
zur abstrakten und informellen Kunst entdeckte         Künstlern, die nach dem Krieg gearbeitet haben,
der heutige Aufsichtsratsvorsitzende der Harmonic      den Stellenwert zu verschaffen, der ihnen gebüh-
Drive AG durch ein Werk des Künstlers Karl Otto        re. „Ich sammele diese Werke auch“, betont der
Götz. Seit rund zehn Jahren sammelt Ernst nun          Wahl-Wiesbadener, „um sie irgendwann einmal
gezielt diese Kunst aus den 50er bis 80er Jahren       der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“




Benjamin Pattersons Installation „Ben´s Bar“ ist                     Kunstsammler Reinhard Ernst hat sich der abstrakten
im Nassauischen Kunstverein zu sehen                                 und informellen Kunst verschrieben




MUSEUMSDIREKTOR ALEXANDER KLAR IM PORTRÄT


Internationale Erfahrung und Elan für die Zukunft
„Die Lebensqualität ist hoch      unter anderem in New York,          tet. Nach Abschluss der           seen des Landes Hessen und
und das kulturelle Angebot im     London und Venedig.                 Promotion ging Klar zur Peggy     verfügt über einen Jahresetat
Rhein-Main-Gebiet der Ham-             Klar, in Waiblingen bei        Guggenheim Collection nach        von rund 4,5 Millionen Euro.
mer. Da ist es schwer, sich       Stuttgart geboren und auch in       Venedig. Weitere Stationen sei-   Im Herbst 2012 sollen die Sa-
nicht in Wiesbaden einzule-       Athen aufgewachsen, studierte       ner Karriere waren die Kunst-     nierungsarbeiten des 1915 er-
ben.“ Alexander Klar, seit        in Erlangen Kunstgeschichte,        halle in Emden und das Re-        richteten Museums abgeschlos-
einem guten halben Jahr neuer     Geschichte und christliche Ar-      search Department des Victoria    sen sein. Dann verfügen der
Direktor des Museums Wies-        chäologie. Hier wurde er im         and Albert Museums in London.     Museumsleiter und sein knapp
baden, findet für seine Wahl-     Jahr 2000 mit einer Arbeit über     Vor seinem Wechsel nach Wies-     40-köpfiges Team über rund
heimat nur lobende Worte.         das Leben und Werk des Archi-       baden war er wissenschaftlicher   7500 Quadratmeter Ausstel-
Und der 42-jährige Kunsthi-       tekten Friedrich Bürklein pro-      Leiter des Emil-Schumacher-       lungsfläche. Sie sollen künftig
storiker, der kürzlich geheira-   moviert. Bereits 1997 hatte er      Museums in Hagen.                 auch für die naturkundlichen
tet hat und gemeinsam mit         seine Museumslaufbahn als As-            Seine neue Herausforde-      Schätze des Museumsfundus
seiner Frau das multikulturelle   sistent am Guggenheim Muse-         rung hat Klar mit viel Elan       genutzt werden. Das ist für
                                                                                                                                          Fotos (5): heikerost.com




Flair rund ums Heim im Wies-      um in New York begonnen und         angenommen. Das Museum            Alexander Klar ebenso selbst-
badener Westend genießt, hat      danach als freier wissenschaft-     Wiesbaden ist neben den Häu-      verständlich wie die Ausstel-
etliche Vergleichsmöglich-        licher Mitarbeiter für das Euro-    sern in Darmstadt und Kassel      lung der Alten Meister im dann
keiten, arbeitete und lebte       päische Burgeninstitut gearbei-     eines von drei staatlichen Mu-    renovierten Museumsflügel.
Kunst in Wiesbaden 17




                                                              oben: Kurator Roman Zieglgänsberger
                                                              mit „Nikita“, seinem Leiblingsbild von
                                                              Alexej von Jawlensky
                                                              unten: Jörg Daur, stellvertretender
„Nur eine einzige (geliebte) Rose“ heißt diese Installation   Museumsdirektor, zeigt Eva Hesses
von Jochen Gerz im Landesmuseum                               „Eighter from Decatur“
18 Mein Wiesbaden




   ZDF-MODERATORIN BABETTE EINSTMANN IM GESPRÄCH




  „In Wiesbaden
  gibt es noch viel
  zu entdecken“

 Hinter Babette Einstmann liegt eine turbulente Woche.
 Doch die Moderatorin, die seit 24 Jahren für das
 ZDF arbeitet, unter anderem die Knoff-Hoff-Show und
 die Starparade präsentiert hat und als Gesicht der
 „drehscheibe deutschland“ einem Riesenpublikum
 bekannt ist, hat den Stress längst vergessen. In
 Jeans, Bluse und Stiefeln kommt die 48-Jährige
 gut gelaunt ins Café Lumen und erzählt von
 ihrer Liebe zum Theater und zur
 Stadt Wiesbaden.




                    Frau Einstmann, Sie moderieren                    Aber nach dem Abitur und einem Jahr als
                    Politik- und Wissenschaftssendungen               Aupair in Paris haben Sie eine Ausbildung
                    ebenso wie lockere Unterhaltung.                  als Theaterkauffrau gemacht. Warum?
                    Sind Sie eine Art Multitalent?                    Ich bin ein absoluter Theatermensch. Ich liebe
                    Ich bin von Natur aus neugierig und habe auch     die Luft und die kreativen Menschen dort, die
                    nach vielen Jahren Berufserfahrung nach wie vor   mit so viel Idealismus an die Arbeit gehen. Also
                    Spaß daran, mich in neue Materien einzuarbeiten   habe ich mit 19 Jahren in meiner Heimatstadt
                    und sie meinem Publikum zu erklären. Hinter       Hamburg an alle Bühneneingänge geklopft
                    die Sachen gucken, auch hinter komplizierte       und bin schließlich als Technische Assistentin
                    Themen, sie verstehen und anderen verständlich    beim Ernst-Deutsch-Theater gelandet. Das heißt,
                    machen: Das hat mich immer fasziniert und ist     ich war ein Jahr lang Mädchen für alles: Garde-
                    bis heute mein Job. Als Kind wollte ich eigent-   robiere, Bühnenarbeiterin, Souffleuse und
                    lich Lehrerin werden.                             Regieassistentin. Dann hat man mir einen Aus-
Mein Wiesbaden 19


                          bildungsplatz angeboten. Ich habe dort nicht
                          nur gelernt wie Theater funktioniert. Es war wie
                          eine zweite Familie für mich.

                          Wie sind Sie zum Fernsehen
                          gekommen?
                          Irgendwann hat mich die Dramaturgie interes-
                          siert und auch das Drehbuchschreiben. Damit
                          war klar, dass ich ein Studium machen mußte.
                          Also ging ich nach München und studierte
                          Publizistik, ein Fach, das mir thematisch viel
                          bieten konnte. Mit meinen Fernsehjobs habe ich                                Voller Elan und das bei jedem Wetter
                          zuerst eigentlich nur das Studium finanziert.
                          Dann hat mich das ZDF unter 5.000 Bewerbern
                          als eine von drei Nachwuchsmoderatorinnen                                     Was sagen Sie als Theaterfan zum
                          genommen. So kam ich nach Mainz.                                              kulturellen Angebot?
                                                                                                        In Wiesbaden lohnt es sich wirklich, die Nischen
                          Seit zehn Jahren leben Sie jetzt in                                           zu entdecken. Natürlich ist das Staatstheater
                          Wiesbaden. Wie erleben Sie als gebürtige                                      prächtig, natürlich geben ganz große Stars ihre
                          Hamburgerin diese Stadt?                                                      Open-Air-Konzerte auf dem Bowling Green. Aber
                          Mit ganz großer Freude. Wiesbaden muss man                                    mich zieht es eher zu den kleinen Bühnen, zum
                          zu Fuß erkunden, egal, ob man auf den Wochen-                                 Pariser Hoftheater, das mich sehr an das Flair
                          markt geht oder auf den Neroberg oder in den                                  Münchner Kleinkunstbühnen erinnert, in die
                          Taunusvororten wandert. Einer meiner Lieblings-                               Wartburg oder ins Thalhaus. Und ich verbinde
                          orte liegt übrigens mitten in der Altstadt, ein                               meine Theaterleidenschaft mit einem guten
                          kleiner Platz mit vielen Cafés, wo Goldgasse,                                 Zweck und stelle gemeinsam mit Schauspielern
                          Mühlgasse und Grabenstraße aufeinander stoßen                                 des Staatstheaters jedes Jahr eine Benefizgala
                          und man sich fühlt wie im Süden.                                              für das Kinderhospitz „Bärenherz“ auf die Beine,
                                                                                                        dessen Botschafterin ich seit neun Jahren bin.
                                                                                                        Und ich schaue gerne in den vielen versteckten
                                                                                                        Galerien vorbei und komme mit den Künstlern
                                                                                                        ins Gespräch.

                                                                                                        Das klingt nach einem vollen
                                                                                                        Terminkalender. Was tun Sie, wenn
                                                                                                        Sie wirklich mal frei haben?
                                                                                                        Dann habe ich direkt ein schlechtes Gewissen.
                                                                                                        Nein, im Ernst – ich mache dann gar nichts be-
                                                                                                        sonderes, setze mich mit einer Latte Macchiato
                                                                                                        auf den Balkon, lese ausnahmsweise mal alle
                                                                                                        meine Tageszeitungen und vielleicht auch noch
Ihre knappe Freizeit                                                                                    ein gutes Buch. Das ist für mich Freizeit pur.
genießt Fernsehmodera-
torin Babette Einstmann                                                                                 Hamburg, München, jetzt Wiesbaden:
zuweilen im Café Lumen,                                                                                 Wo zieht es Sie als nächstes hin?
vor allem aber erkundet                                                                                 Ich habe diese Stadt wirklich lieben gelernt.
sie Wiesbaden, wie                                                                                      Meine Tochter ist hier geboren. Das verbindet.
hier am Warmen Damm,                                                                                    Sie und mein Mann haben bei der Ortswahl
gerne zu Fuß.                                                                                           natürlich auch ein Wörtchen mitzureden Aber
                                                                                                        man sollte niemals nie sagen. Meine Schwester
                                                                                                        lebt auf Long Island, meine Mutter in Portugal
                                                                                                        und mein Bruder zieht gerade nach Hawaii
                                                                             Fotos (3): heikerost.com




                                                                                                        um. Mal sehen. Wiesbaden ist eine Stadt in
                                                                                                        Bewegung und so lange sie sich bewegt bin ich
                                                                                                        hier und bewege mich mit. Es gibt noch viel
                                                                                                        zu entdecken.
20   Theater aus Wiesbaden




Eine Oper
gilgamesch         –


aus der
ein heldenepos einmal



Mitte der
ganz anders



Stadt
In jedem Menschen steckt ein Künstler: Hiervon

sind die Profis vom Hessischen Staatstheater in

Wiesbaden überzeugt. Gemeinsam mit rund

200 Bürgern aus allen Schichten, Nationalitäten

und Generationen haben sie die jahrtausende

alte Geschichte des sumerischen Königs Gilgamesch

zu einer neuen Oper verarbeitet. Entstanden
                                                                                                                Die Kreativität ganz
ist ein Gesamtkunstwerk aus der Mitte der Wies-                                                        unterschiedlicher Menschen
                                                                                                   motiviert sie: Projektleiterin und
badener Gesellschaft.                                                                                   Regisseurin Priska Janssens




D
„Das, wo Ihr jetzt steht“, erklärt Priska
Janssens den aufgeregten Kindern, „ist
unsere Bühne“. Die Regisseurin zeigt auf
                                              gehoben hat. 90 Sekunden dauert die
                                              musikalische Improvisation, mit der sie
                                              die Zuschauer auf die Atmosphäre in
                                                                                          sie, sich in die Gruppe zu integrieren und
                                                                                          verantwortlich zu fühlen für das Projekt.
                                                                                          Unter ihnen sind Problemfälle, die ihre
den riesigen Zuschauerraum im Großen          Gilgameschs Hauptstadt Uruk und auf         Lehrer manchmal in die Verzweiflung
Haus des Hessischen Staatstheaters mit        die Oper einstimmen sollen. Es sind 90      treiben, aber nun an ihrer kreativen Auf-
seinen Logen, Blattgold und wilhelmi-         Sekunden, die Geduld und viel Feinarbeit    gabe wachsen. „Das ist es, was mich an
nischem Prunk: „Bis da ganz oben hin          erfordern.                                  dieser Arbeit fasziniert“, sagt der 57-Jäh-
muss man Euch hören – ohne Mikro,                                                         rige, der seit 28 Jahren im Wiesbadener
alles absolut life.“ Eine echte Herausfor-    „Jeder, der mitmacht, ist ein Mosaikstein   Staatsorchester Oboe spielt und zu den
derung, wenn man bislang nur in einem         für das Ganze. Das möchte ich diesen        Profikünstlern gehört, die sich nun erneut
Klassenraum geprobt hat. Die Fünftkläss-      Kindern vermitteln.“ Seit Wochen probt      für eine Aufführung engagieren, die das
ler der Sophie-und-Hans-Scholl-Schule         Franz-Josef Wahle schon mit den Ge-         Staatstheater für alle gesellschaftlichen
wissen, dass es auf sie ankommt noch          samtschülern, steht manchmal wie ein        Gruppen in der hessischen Landeshaupt-
bevor sich der Theatervorhang richtig         Dompteur zwischen ihnen und animiert        stadt öffnen soll.
Theater aus Wiesbaden        21
Fotos (alle auf dieser Doppelseite): eigenart Eckhart & Pfannebecker, Wiesbaden




                                                                                                     Haben mit Wiesbadener Bürgern die Musik für
                                                                                                                die Gilgamesch-Oper geschrieben:
                                                                                                      Die Komponisten Ernst August Klötzke (links)
                                                                                                                   und Cornelius Hummel (rechts)




                                                                                                                                                                                         In den Hauptrollen: Die Sänger
                                                                                                                                                                                            Erik Biegel (links) als Enkidu
                                                                                                                                                                                        und Reinhold Schreyer-Morlock
                                                                                                                                                                                                  (rechts) als Gilgamesch



                                                                                  Die „Kreativität ganz unterschiedlicher       47-Jährige. Dann folgte zweimal hinterei-     mentalbauten überzieht und nach Unsterb-
                                                                                  Menschen“ und die Lust gemeinsam mit          nander Move@School, ein Projekt, das zu-      lichkeit sucht. Im Geschöpf Enkidu findet
                                                                                  ihnen etwas auf die Beine zu stellen ist      letzt rund 300 Kindern und Jugendlichen       er einen positiven Gegenpol aus der Natur
                                                                                  eine Motivation, die Projektleiterin Jans-    aller Schulformen die Bühne frei machte       und, nachdem die beiden sich heftig be-
                                                                                  sens schon lange antreibt. Mit Produkti-      für ihre musikalischen Interpretationen von   kämpft haben, auch einen Weggefährten.
                                                                                  onen wie „Semiramis“ und „Wolkenku-           Werken Erik Saties und Paul Dukas`.           Der Stoff ist oft interpretiert worden. Jetzt
                                                                                  ckucksheim“ ist die Chefin des Jugend -                                                     bringt eine bunt gemischte Gruppe aus
                                                                                  referats des Staatstheaters in die Problem-   Diesmal dreht sich alles um den sume-         Wiesbadener Bürgern – Senioren, Schüler,
                                                                                  viertel der Stadt hinausgegangen und hat      rischen König Gilgamesch und seinen wil-      Arbeitslose, Akademiker und behinderte
                                                                                  in einem leeren Supermarkt oder einer ge-     den Freund Enkidu, deren Geschichte sich      Menschen – ihn mit Hilfe der Theaterprofis
                                                                                  schlossenen Schule gemeinsam mit den Be-      vor rund 5.000 Jahren im alten Babylon        als Oper auf die Bühne. Begonnen hat ihre
                                                                                  wohnern Theater gemacht. Selbst gestan-       zugetragen haben soll und der Nachwelt        Arbeit vor zwei Jahren. Sie haben gemein-
                                                                                  dene Wiesbadener Theaterbesucher seien        auf 12 Tontafeln erhalten ist. Gilgamesch     sam das Libretto geschrieben und die
                                                                                  zuhauf gekommen, erinnert sich die            ist ein Despot, der seine Stadt mit Monu-     Musik komponiert. Seit September proben
22   Theater aus Wiesbaden




                                           Geben den Auftakt: Die
                                         SchülerInnen der Sophie-
                                          und-Hans-Scholl-Schule




                                                                                                                     Spielen die Tiere:
                                                                                                        SchülerInnen der Fluxusschule
                                                                                                         mit ihrer Lehrerin Mechthild
                                                                                                                        Zimmer-Zilias



sie für die Uraufführung am 10. Juni.         ckelt. Dabei konnte längst nicht jeder aus     Stadt Uruk projezieren. In ihrer Inszenie-
Nicht mehr als 25 Minuten geschriebene        der Kompositionsgruppe Noten lesen oder        rung nimmt Gilgamesch eine positive Wen-
Musik hatte Cornelius Hummel zu Projekt-      gar schreiben. Manche sangen ihre Ideen        dung hin zu einem moralischen Herrscher.
beginn erwartet. Am Ende waren einein-        auf Band, andere beschrieben ihre Musik-       Die 65-jährige Angela Sprengel versucht das
halb Stunden entstanden, die Partitur um-     vorstellungen einfach. „Wir haben zeitge-      so zu erklären. „Gilgamesch war ein un-
fasst 181 Seiten. „In der künstlerischen      nössische Musik geschaffen - von hoher         schlagbarer Halbgott, der seine Bürger ge-
Zusammenarbeit zwischen Profis und Laien      Qualität und zusammen mit den Menschen,        knechtet hat. Aber am Ende setzt er sich
liegt ein unglaubliches Potential“, findet    die hier leben“, sagen die beiden Kompo-       gemeinsam mit ihnen für die guten Werte
der freie Cellist und Komponist. Gemeinsam    nisten.                                        ein“. Die gelernte Arzthelferin gehört zur so
mit den Wiesbadenern und dem künstle-                                                        genannten freien Gruppe, die in der Oper
rischen Leiter der Musiktheaterwerkstatt am   Zudem galt es, einen alten Mythos in eine      das unterdrückte Volk von Uruk verkörpert.
Staatstheater, Ernst August Klötzke, hat      moderne Stadt wie Wiesbaden zu übertra-        Den Traum „Theater spielen“ verwirklicht
Hummel die musikalischen Motive für die       gen. Viele Probleme heutiger Großstädte, ist   sie seit sie in den Ruhestand gegangen ist.
Hauptfiguren erarbeitet und weiterentwi-      Janssens überzeugt, könne man in die           Wie einige andere hat sie bereits ein biss-
Theater aus Wiesbaden      23




                                                                                                                        Glaubt an die künstlerische
                                                                                                                                  Kraft der Kinder:
                                                                                                                        Musiker Franz-Josef Wahle
Fotos (alle auf dieser Doppelseite): eigenart Eckhart & Pfannebecker, Wiesbaden




                                                                                                                                                                                                Arbeitet gern mit den
                                                                                                                                                                                             Künstlern auf Zeit: Tenor
                                                                                                                                                                                                           Erik Biegel




                                                                                  chen Theatererfahrung, aber der experi-       Wölfe, Vögel und Affen zu ihm und ma-        Menschen zusammen, „die noch nicht
                                                                                  mentelle Ansatz des Werkes fordert an vie-    chen ihm ihre Bewegungen vor. Die Schü-      so abgeklärt sind und einfach Theater
                                                                                  len Stellen immer wieder neuen Mut.           ler der Wiesbadener Fluxusschule, einige     machen wollen“. Das sei ein Stück
                                                                                  Über der Bühne im Wiesbadener Staatsthe-      von ihnen schwerst behindert, spielen die    „Lebensqualität“ für ihn. Auch auf das Ge-
                                                                                  ater geht der Mond mit einem riesigen         Tiere als hätten sie nie etwas anderes ge-   meinschaftsgefühl am Abend der Urauffüh-
                                                                                  Paukenschlag auf. Eine in weiße Tücher ge-    macht: „Menschen mit Behinderungen“,         rung freut sich der 41-Jährige. Rund 100
                                                                                  wickelte Gestalt taucht auf, rollt sich die   weiß Janssens aus langer Erfahrung,          „Künstler auf Zeit“, vier Solisten, der
                                                                                  Bühne herunter und bleibt regungslos lie-     „haben eine unglaubliche Bühnenpräsenz.      Opernchor und das Staatsorchester sind
                                                                                  gen. Von allen Seiten kriechen Kinder und     Das kann ihnen kein Profi nachmachen.“       dann gefragt. Und im Orchestergraben wird
                                                                                  Jugendliche auf sie zu und wickeln sie                                                     Franz-Josef Wahle Oboe spielen und sich
                                                                                  langsam aus: Enkidu ist geschaffen, ein       Für Erik Biegel, der die Rolle des Enkidu    sicher sein, dass seine Schützlinge ihren
                                                                                  Wesen, das nicht sprechen kann und die        spielt und singt, ist der gemeinsame Auf-    Part auch ohne ihn meistern – ganz in Ei-
                                                                                  Natur erst kennen lernen muss. Also           tritt mit den Förderschülern ein ganz        genverantwortung.
                                                                                  kommen die Rehe, Schlangen, Antilopen,        besonderer. Der Tenor arbeitet gerne mit
24 Wiesbadener Perfektion


     HARFEN VON WELTRANG




    Wertvolle Handarbeit
    für den perfekten Klang


     An der Hauswand
     des unscheinbaren
     Altbaus im Wiesba-
     dener Westend hängt
     nur ein kleines Fir-
     menschild: „Thurau
     Harfenmanufaktur“.
     Schaufenster oder
     große Verkaufsräume
     gibt es hier nicht,
     nur eine kleine Werk-
     statt im Erdgeschoss.
     Dabei gehört der
     Betrieb international
     zu den ersten Adres-
     sen im Harfenbau.
Wiesbadener Perfektion 25




U
Um fast zwei Meter große Konzertharfen
zu bauen, braucht Rainer Thurau am
Ende winziges Werkzeug: Einen Hobel
                                             die Einmaligkeit.“ Musiker sollen mit ge-
                                             schlossenen Augen hören können, wenn
                                             eine „echte Thurau“ erklingt.
                                                                                                                      seine Arbeiten auf Kunstaustellungen
                                                                                                                      und strebte schließlich sogar einen Stu-
                                                                                                                      dienplatz an der Akademie der Bildenden
etwa, der kaum größer als ein Fingerna-                                                                               Künste in Berlin an. Doch letztlich gab
gel ist. Oder ein silberfarbenes Messge-     Bei historischen Harfen dagegen will er                                  er diesen Plan und auch das Medizin-
rät, das sonst Zahntechniker benutzen,       den Klang alter Zeiten wieder aufleben                                   studium zugunsten des Harfenbaus auf.
um Kronen zu messen. Denn bei einer          lassen. Dazu versucht der Künstler, sich                                 Sogar die Malerei stellte er dafür über
hochklassigen Harfe kommt es auf jedes       in die Klangwelt vergangener Jahrhun-                                    Jahrzehnte zurück. Erst seit gut fünf
noch so kleine Detail an: „Alles muss        derte hineinzuversetzen. „Ich stelle mir                                 Jahren malt er wieder intensiver und
auf den Zehntelmillimeter genau stim-        vor, ich wäre ein Harfenbauer vor 200                                    plant neue Ausstellungen seiner Werke.
men“, sagt Thurau.                           Jahren“, sagt er. Seine erste Harfe baute
                                             Thurau 1976 in Berlin – aus reinem                                       Doch noch ist sein Name vor allem mit
Bei den Instrumenten, die die Manufak-       Zufall. In Hamburg geboren und in der                                    Harfen höchster Qualität verbunden und
tur des 60-Jährigen verlassen, stimmt        Nähe von Stuttgart aufgewachsen war er                                   dies, obwohl er sich das Handwerk als
offensichtlich alles: Thuraus Konzert-       als 17-Jähriger in den Westteil der da-                                  reiner Autodidakt aneignete. Der Har-
harfen werden auf der ganzen Welt ge-        mals geteilten Stadt gekommen. Als dort                                  fenbau zog ihn 1983 auch von Berlin
spielt. Von ihm rekonstruierte historische   seine Irish-Folk-Musikgruppe eine Harfe                                  zunächst nach Ulm, weil er dort bessere
Harfen stehen in Museen. Und immer           brauchte, entschied er kurzerhand: „Die                                  Chancen für sein Geschäft sah. „Berlin
sind es Unikate – denn Standardware          baue ich selbst.“ Und damit war seine
gibt es in der „Thurau Harfenmanufak-        Passion geweckt.
tur“ nicht. „Ich bin keine Fabrik, ich
mache Handarbeit“, sagt der Mann mit         Eigentlich ist Thurau gelernter Groß-
dem wallenden grauen Haar.                   und Außenhandelskaufmann. Sein Abitur
                                             machte er in Berlin nach und begann
In eine Konzertharfe steckt Thurau rund      dort Medizin zu studieren. Vor allem aber
1.200 Arbeitsstunden – würde er ohne         widmete er sich der Malerei. Er schloss
eine einzige Minute Pause Tag und Nacht      sich einer Künstlergruppe an, präsentierte
arbeiten, wären das fünfzig Tage. Für eine
„Folklore-Harfe“, die ambitionierte Hobby-
musiker spielen, setzt er immer noch
80 Stunden an. Ein solcher Aufwand hat
seinen Preis: Konzertharfen sind ab
                                                                                          Fotos (6): Gerhard Hirsch




65.000 Euro zu haben – ohne eine Grenze
nach oben. „Folklore-Harfen“ kann man
immerhin ab 6.000 Euro kaufen.

Dafür will Thurau seinen Kunden perfekte
Instrumente liefern. Fast alles macht er                                                                              war damals eingemauert und ein mise-
dabei selbst; nur einen festen Mitarbeiter                                                                            rabler Standort für eine internationale
beschäftigt der Harfenbauer. Seine Instru-                                                                            Karriere“, erinnert sich Thurau.
mente bestehen meist aus Ahorn-Holz,
aber auch aus Fichte, Kirsche oder Buche.                                                                             Ende der 1980er Jahre begann er, mit
Die Saiten sind aus Naturdarm, gelegent-                                                                              der renommierten Harfenbau-Werkstatt
lich aus Nylon oder Karbon. Oft werden                                                                                „Josef Löffler & Sohn“ in Wiesbaden
die Harfen noch aufwendig verziert oder                                                                               zusammenzuarbeiten und zog 1990
gar vergoldet – doch letztlich zählt für                                                                              schließlich nach Hessen um. Nachdem er
Thurau vor allem der Klang des Instru-                                                                                erfolgreich die Prüfung zum Konzert-
ments: „Die Kunst steckt im Sound, da ist                                                                             harfenbauer auf Meisterniveau abgelegt
                                                                                                                      hatte, übernahm er 1993 die Firma Löff-
                                                                                                                      ler und gründete die „Thurau Harfen-
                  Millimeterarbeit: Rainer                                                                            manufaktur“. Seither baut Rainer Thurau
                 Thurau achtet beim Bau                                                                               in der kleinen Werkstatt in der Wiesba-
              seiner hochwertigen Harfen                                                                              dener Helenenstraße Instrumente von
                         auf jedes Detail.                                                                            Weltrang.
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Wiesbaden Magazin Ausgabe Juni 2011

  • 1. LANDESHAUPTSTADT 1 Wiesbaden Das Magazin der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden Ausgabe 05 / Juni 2011 Krimistadt Wiesbaden Tatort mit vielen Gesichtern Harfen von Weltrang Der perfekte Klang Von Jawlensky bis Fluxus Kunst muss zugänglich sein www.wiesbaden.de
  • 2. ECHT wiesbaden ausgewählt. authentisch. gut. IDEEN. DESIGN. GENUSS. Alles aus Wiesbaden IDEEN. DESIGN. GENUSS. MADE IN WIESBADEN ECHT Wiesbaden präsentiert junge Kreative und etablierte Manufakturen, die Wiesbaden mit Ideenreichtum und Individualität bereichern. Das Motto lautet lokal statt global. Nachhaltig, einzigartig und mit Herzblut entwickelt – in Wiesbaden designt und produziert. Holen Sie sich ein Stück „ECHT Wiesbaden“ nach Hause! www.echt-wiesbaden.de Eine Idee der schoen:mueller GmbH in Zusammenarbeit mit der Wiesbaden Marketing GmbH
  • 3. Editorial Magazin der Stadt Wiesbaden Ausgabe 5 / Juni 2011 wiesbadener leben : Die fünfte Ausgabe unseres Magazins führt Sie in die Wiesbadener Kulturwelt. Inhalt „Ein Anregendes Pflaster für das Krimi-Genre“ Sie erleben die hessische Landeshauptstadt als Tatort mit vielen Gesichtern 4 Schauplatz für das beliebte Krimigenre und als Oberbürgermeister Helmut Müller zum Gastgeberin des Deutschen Fernseh- Architektur Sommer Rhein-Main Krimi-Festivals. Musiktheater auf Moderne Stadt in historischen Strukturen 10 hohem Niveau haben das Wiesbade- Verleihung des Medienpreises wieder in Wiesbaden ner Staatstheater und Bürger der Der Bambi kehrt zurück! 12 Stadt gemeinsam geschaffen. Wir Von Jawlensky bis zu Fluxus Probenarbeit für die durften die Proben für die neue „Kunst muss zugänglich sein“ 14 Gilgamesch-Oper Gilgamesch-Oper begleiten. Ein ZDF-Moderatorin Babette Einstmann echter Kulturfan ist auch ZDF-Moderatorin und „In Wiesbaden gibt es noch viel zu entdecken“ 18 Wahl-Wiesbadenerin Babette Einst- Ein Heldenepos einmal ganz anders mann, die wir zum Gespräch getrof- Eine Oper aus der Mitte der Stadt 20 fen haben. Kunst für eine breite Harfen von Weltrang Öffentlichkeit attraktiv machen: Dies Wertvolle Handarbeit für den perfekten Klang 24 hat sich die Wiesbadener Kunstszene Top-Veranstaltungen in der Sommer-Saison mit ihrem Flaggschiff, dem Hes- Babette Einstmann Veranstaltungen und Service 26 liebt das Theater und sischen Landesmuseum, als Ziel ge- Wiesbaden setzt. Seinen neuen Direktor Alexander Titelbild Klar haben wir für Sie porträtiert. Das Hessische Staatstheater in Wiesbaden, im Vordergrund der „Warme Damm“. Dass Handwerk immer auch ein (Foto: Christopher Pfannebecker) Kunstwerk ist, hat uns der Besuch in Impressum der Harfenmanufaktur von Rainer herausgeber: Wiesbaden Marketing GmbH, Thurau bestätigt. Geschäftsführer: Martin Michel (V.i.S.d.P.), Postfach 6050, 65050 Wiesbaden Faszinierendes im Und zwei kulturelle Highlights redaktion: Journalistenbüro Surpress, Landesmuseum warten noch auf die Stadt: Oberbür- Jutta Witte, Wiesbaden germeister Helmut Müller gibt uns eine Vorschau texte: Carsten Hauptmeier (Wiesbadener Perfektion, Eventstadt Wiesbaden), Christina auf den Architektursommer Rhein-Main. Dass Kultur Oxfort (Kunst in Wiesbaden), Jutta Witte (Krimistadt Wiesbaden, Theater aus Wiesbaden, zuweilen auch das ganze große Publikum braucht, Mein Wiesbaden, Wiesbadener Architektur) zeigt ein Ausblick auf die Bambiverleihung, die im fotos soweit nicht anders gekennzeichnet: November in Wiesbaden stattfinden soll. Andreas Baier, Gerhard Hirsch, Christopher Pfannebecker, Heike Rost gestaltung und herstellung: Ihre Redaktion wünscht eine anregende Lektüre. D+K Horst Repschläger GmbH, Wiesbaden druck: Stark Druck, Pforzheim
  • 4. 4 Krimistadt Wiesbaden E CU „EIN ANREGENDES PFLASTER FÜR DAS KRIMI-GENRE“ Tatort mit vielen Gesichtern Foto: Andreas Baier 1
  • 5. Krimistadt Wiesbaden 5 Wiesbaden gilt als eine der sichersten Städte Deutschlands. 1 In Wiesbaden spielen viele „Mordsgeschichten“ Mord, Erpressung und Entfüh- 2 Der rote Teppich ist ausgerollt für Deutschlands rung sind in der hessischen besten Fernsehkrimi Landeshauptstadt kaum vor- 3 Ulrich Tukur und Maren Kroymann bringen das stellbar. Filmschaffende und Publikum in Schwung Foto: Andreas Baier Foto: Andreas Baier 2 3 Schriftsteller haben diese Idylle nun als Schauplatz für das Vor der Wiesbadener Caligari FilmBühne kutiert. Jetzt wartet alles gespannt auf ist der rote Teppich ausgerollt. Prominenz die Entscheidung der Jury, die bis in die Verbrechen entdeckt. Nicht nur aus Film, Fernsehen und Politik zieht es frühen Morgenstunden getagt hat. Die an diesem Samstagabend ebenso hierher Wahl fällt auf den Tatort „Nie wieder frei die ZDF-Reihe „Der Staatsan- wie überzeugte Krimifans. Renommierte sein“, eine beklemmende Geschichte um walt“ spielt hier. Auch immer Schauspieler wie Katrin Sass und Rüdiger das Spannungsverhältnis zwischen Ge- Vogler sind dabei. Und mit Ulrich Tukur setz und Gerechtigkeit, die mittlerweile mehr Krimiautoren lassen ihre ist einer der ganz Großen aus dem deut- auch den Grimme-Preis gewonnen hat. Leser auf die vermeintlichen schen Filmgeschäft gekommen. Diesmal wird er sich nicht als LKA-Ermittler „Wir holen den Fernsehkrimi weg vom Abgründe hinter den schicken Felix Murot präsentieren, sondern das Sofa und bringen ihn auf die ganz große begeisterte Festivalpublikum mit seiner Leinwand“, sagen die Festivalleiterinnen Fassaden einer Stadt blicken, Band zu den Klängen von Hazy Oster- Barbara Dierksen und Christine Kopf. Mit die auch für das deutsche walds „Kriminal-Tango“ in Schwung Erfolg. Nach Einschätzung von Wiesba- bringen. dens Kulturamtschefin Ingrid Roberts hat Fernseh-Krimi-Festival und den sich das 2005 gestartete Festival, das in „Wir holen den Fernsehkrimi „Krimiherbst“ eine perfekte weg vom Sofa.“ diesem Frühjahr rund 4.000 Zuschauer anzog, mittlerweile zu einem echten Kulisse bildet. Zum siebten Mal wird in Wiesbaden der Branchentreffpunkt entwickelt: „Es be- deutsche Fernsehkrimipreis verliehen. kommt immer mehr Glamour.“ Mit von Vier Tage lang stand die Stadt im Zei- der Partie war diesmal auch Odeon TV. chen des Lieblingsgenres deutscher Fern- Die Wiesbadener Produktionsfirma steht sehzuschauer. Die besten zehn Krimi- mit „Ein Fall für Zwei“ für eine Krimi- produktionen, darunter drei Premieren, serie mit Kultstatus. Seit dreißig Jahren haben die Veranstalter unter 70 Bewer- ermittelt der Frankfurter Privatdetektiv bungen ausgewählt, präsentiert und dis- Josef Matula, alias Claus Theo Gärtner, l
  • 6. 6 Krimistadt Wiesbaden l schon im Rhein-Main-Gebiet. Doch blickt Matula in seinem Frankfurter Loft aus dem Fenster sieht er in Wirk- lichkeit Wiesbaden. Wie die U-Haftzellen oder das Büro des Ermittlungsrichters gehört es zu den festen Drehorten, die Odeon TV in der hessischen Landes- hauptstadt bezogen hat. „Wiesbaden bietet eine Menge Möglich- keiten als Kulisse“, erklärt Odeon-Produ- zentin Andrea Jedele. „Es ist eine Stadt, die, anders als die harten Krimistädte wie Berlin oder Köln, noch nicht so abge- spielt ist.“ Gut möglich also, dass Jedeles Szenenbildner auf der Suche nach Origi- naldrehplätzen an der einen oder ande- Foto: Andreas Baier Foto: Andreas Baier 3 2 1 ren schicken Villa der einstigen Welt- kurstadt anklopfen. In Wiesbaden, wo nicht jeden zweiten Tag ein Filmset auf- gebaut wird, stoßen die Teams meist auf offene Türen. Der 2007 zum ersten Mal auf Sendung gegangene „Staatsanwalt“, ebenfalls von Odeon TV produziert, rückt die Stadt nun selbst in den Mittel- Foto: Andreas Baier punkt der Inszenierung. „Die Idylle gebiert den Horror.“ Ein schummeriges Industriegebiet bei Nacht, eine junge Frau wird verfolgt und 1 Claus Theo Gärtner, hier beim Fernseh- liegt plötzlich tot auf der regennassen Krimi-Festival, dreht oft in Wiesbaden Straße: Die Bilder irritieren, denn sie 2 Krimi-Regisseur Martin Kinkel passen nicht in eine ordentliche und inszeniert seine Heimatstadt immer schicke Kongressstadt. Doch in der wieder neu
  • 7. Krimistadt Wiesbaden 7 Staatsanwaltsfolge „Tödlicher Pakt“, die Und genau das illustriert einen Krimi- gewöhnliche Drehs. Den Showdown für im Frühjahr in der Caligari FilmBühne nalfall um so deutlicher“, glaubt Rainer seinen ersten „Staatsanwalt“ ließ der Premiere feierte, ist auch die schöne Hunold. Der 61-jährige Schauspieler, der 46-Jähige im Keller des Nobelhotels Wiesbadenwelt zu bewundern. Auf einer selbst neun Jahre in Wiesbaden gelebt „Schwarzer Bock“ ablaufen. So insze- Abendveranstaltung im Jagdschloss hat, ist mit der väterlichen und mit niert Kinkel die ganze Stadt vom Schier- Platte trifft sich die Oberschicht bei Sekt leisem Humor ausgestatteten Figur von steiner Hafen bis in die Weinberge am und Selters um die unterforderte Frau Staatsanwalt Bernd Reuther in eine sei- Neroberg, lässt in der Marktkirche den eines Europaabgeordneten für ihr Charity- ner Paraderollen geschlüpft. Die Fälle, Pfarrer umbringen, den Ermittlungs- Projekt zu ehren. Ein smarter Besitzer die er hier zu lösen hat, leben von den richter seinen Sushi-Imbiss im Hof des eines Bistros am Bowling Green kommt Brüchen zwischen einer makellosen Fas- hessischen Landtags nehmen und zur ebenso ins Spiel wie ein Punkpärchen, sade und den Scheußlichkeiten, die sich Not auch einen Nachtbus, den es in das mit allem Frust und Aggressionen dahinter abspielen: „Die Idylle gebiert Wirklichkeit gar nicht gibt, durch die versucht durchs Leben zu kommen.  den Horror.“ So erklärt Regisseur Martin Fußgängerzone fahren. Mit dem Rat- Kinkel das Phänomen der Wiesbaden- haus, dem Biebricher Schloss und „In einer sauberen, reichen und satu- Krimis. Zehn Staatanwaltsfolgen hat er dem alten Landgericht bietet die Stadt rierten Stadt wie Wiesbaden erwartet in seiner Heimatstadt gedreht, zuletzt direkt drei stilvolle Kulissen für das man eigentlich keine harten Verbrechen. den „Tödlichen Pakt“. Seit 150 Jahren Büro von Bernd Reuther. „Sherlock Holmes ist Kosmopolit.“ „Diese Stadt“, sagt Kulturamtsleiterin Roberts, „ist offenbar ein anregendes Pflaster für das Krimigenre.“ Denn nicht nur die Filmschaffenden, sondern auch die schreibende Zunft schätzt Wiesba- den als Schauplatz für die unterschied- lichsten Kriminalfälle. „Wie könnte der perfekte Mord aussehen?“ Eine kleine Gruppe von Schriftstellern sitzt im Lite- raturhaus „Villa Clementine“ zusammen und diskutiert bei Bier, Kaffee und Wein Fragen, mit denen ein Krimiautor sich tagtäglich herumschlagen muss. „Dostojewskis Erben“ nennt sie sich – eine Reminiszenz an den russischen Schriftsteller, der im 19. Jahrhundert an einem der Wiesbadener Roulettetische Foto: Andreas Baier ein Vermögen verspielt hat. Das Interi- eur der Villa mit seinen Kronleuchtern, 4 schweren Samtportieren und Blumen- tapeten passt perfekt in die Zeit als Wies- baden noch eine mondäne Kurstadt war. l 3 Wer ist der ominöse Bogenschütze lebt seine Familie hier. Kinkel ist in im Wiesbaden-Krimi „Kunstgriff“? Wiesbaden aufgewachsen, zur Schule 5 4 Rainer Hunold ermittelt als gegangen und über diverse Jobs bei ZDF-Staatsanwalt Bernd Reuther Odeon TV als Student in das Krimigenre in der Landeshauptstadt hineingewachsen. 5 „Dostojewskis Erben“ lassen sich immer neue Verbrechen einfallen „Sie müssen Wiesbaden von innen er- von links nach rechts die AutorInnen zählen“, sagt er. Ihm geht es um mehr Foto: Andreas Baier Susanne Kronenberg, Alexander als um schöne Postkartenmotive wie die Pfeiffer, Belinda Vogt, Karsten Russische Kirche oder das Kurhaus. Eichner und Christiane Geldmacher Seine engen Kontakte in die Stadt hinein erweisen sich oft als Türöffner für außer-
  • 8. 8 Krimistadt Wiesbaden l In den Kurzkrimis von Karsten Eichner, hauptberuflich Pressesprecher bei der R+V Versicherung, ersteht diese Epoche in ungewohnter Art wieder auf. Als Fan von Sir Arthur Conan Doyle lässt der 40-jährige Journalist und Historiker niemand anders als Sherlock Holmes in der Weltkurstadt ermitteln. „Holmes 1 Foto: Andreas Baier 2 ist Kosmospolit und eine Stadt wie das Wiesbaden des 19. Jahrhunderts ist seine Welt“, sagt Eichner. So klärt der Meisterdetektiv nicht nur den dubiosen Mord an einem russischen Großfürsten auf, der im damaligen Nobelhotel Vier- jahreszeiten erschossen aufgefunden wird. Er vereitelt auch einen anlässlich der Einweihung des Niederwald-Denk- mals in Rüdesheim geplanten Bomben- anschlag auf den Deutschen Kaiser, eine Replik auf ein historisches Ereignis aus dem Jahr 1883. In eine gänzlich andere Welt führt Alexander Pfeiffers Wiesbadener Krimi- Trilogie. Pfeiffers Vorbilder sind ameri- kanische Filmemacher wie John Cassa- vetes, John Huston oder Martin Scorsese und seine Geschichten drehen sich um das harte Hier und Jetzt. Wiesbaden kennt er von Kindesbeinen an. Eine Menge Krimistoff hat er als Taxifahrer gesammelt, bei seinen Touren durch die Stadt Menschen aus allen Schichten kennengelernt. Das Westend mit seinem Multi-Kulti-Flair, sagt er, sei sein Vier- Foto: Andreas Baier tel: „Ich habe meine Krimis bewusst gegen den heimeligen Trend der so ge- nannten Regionalkrimis geschrieben.“ Art Pfeilschiffer heißt einer seiner Anti-
  • 9. Krimistadt Wiesbaden 9 helden, die am Rande des Existenzmini- erstaunt, was es in der Stadt zwischen Krimiautoren, die für vier Wochen als mums in der Vorzeigestadt Wiesbaden Taunus und Rhein alles gebe. „Sie erwar- Wohngemeinschaft ins Literaturhaus leben. Art, wie Pfeiffer selbst Taxifahrer, ten hier einfach keine Abgründe“, sagt „Villa Clementine“ ziehen, von dort aus macht Karriere als Drogensüchtiger und auch Dostojewski-Erbin Susanne Kronen- die Stadt erkunden und ihre Eindrücke Kleinkrimineller und verkehrt in den berg. Der Frau aus Norddeutschland hat in einem Kurzkrimi verarbeiten. Wer, zwielichtigsten Kreisen – auch der neu- es nicht nur die Wiesbadener Kunstszene wann, wo und von wem ermordet wird, reichen Szene, die unter anderem im angetan, sondern auch die grüne Umge- haben die drei noch nicht verraten. Ihre noblen Stadtviertel Eigenheim ihre Vil- bung der Stadt. Beides dient ihr als Ku- Werke sind es unter anderem, die im len bewohnt. Ein Happy End gibt es für lisse, etwa wenn Privatdetektivin Norma Zuge des nächsten Wiesbadener Krimi- ihn nicht: Art stirbt auf der Intensiv- Tann in die Aufklärung eines Kunstdieb- herbstes vorgestellt werden sollen. Station der Dr. Horst-Schmidt-Kliniken an den Folgen eines Bauchschusses. „Ein gefundenes Fressen für einen Krimiautor.“ In Wiesbaden, erklärt Pfeiffer, begegne man krassesten Gegensätzen auf sehr ge- ringem Radius: „Das ist ein gefundenes Fressen für einen Krimiautor.“ Viele Leser, beobachtet der 40-Jährige, seien ganz Foto: Andreas Baier Foto: Andreas Baier 3 4 1 Krimiautor Alexander Pfeiffer stahls – ein Original des russischen Die vierwöchige Veranstaltungsreihe schreibt über Wiesbadens Antihelden Expressionisten Alexej von Jawlensky lässt das Krimijahr mit „Mordsgeschich- 2 Als echter Sherlock Holmes-Fan verschwindet aus einer Galerie – und die ten“, Buchpremieren, Krimidinners, lässt Karsten Eichner den Meister- Verfolgung eines ominösen Mörders Workshops und angenehmem Gruseln detektiv in der Weltkurstadt verwickelt wird, der rund um das Jagd- ausklingen. Im Profil „Krimistadt Wies- ermitteln schloss Platte sein Unwesen treibt. „Ich baden“ jedenfalls sieht Kulturamtsleite- 3 Festivalparty in der Wartburg versuche die typische Atmosphäre Wies- rin Roberts noch ein „ganz großes Po- 4 Das „Trio Mortale“ sucht Inspiration badens einzufangen“, sagt sie. Das ge- tential“. Und auch Regisseur Kinkel hat in der Wiesbadener Spielbank. lingt ihr zuweilen so überzeugend, dass noch eine Menge Ideen um seine Hei- Von links nach rechts die Krimi- Leser glauben, Orte in ihren Büchern matstadt als Tatort zu inszenieren. Bei- stipendiatInnen Beate Maxian, Rainer wiederzufinden, die zwar typisch für die spielsweise im historischen Kanalsystem: Würth und Brigitte Glaser, hinten: Stadt, aber ansonsten frei erfunden sind. „Den dritten Mann nach Wiesbaden „Dostojewski-Erbe“ Richard Lifka holen“, schwärmt er, „das wär´s.“ „Die Krimistadt Wiesbaden hat ein ganz großes Potential.“ Vom Schauplatz Wiesbaden inspirieren lässt sich in diesem Jahr auch wieder das „Trio Mortale“. Zum dritten Mal vergibt das Kulturamt Stipendien an drei
  • 10. 10 Wiesbadener Architektur oberbürgermeister helmut müller zum architektursommer rhein-main Moderne Stadt in historischen Strukturen Unter dem Motto „Wohnraum Stadt“ veranstalten Frankfurt, Architektur definiert chitektursommer ist für Darmstadt, Offenbach Räume und schafft mich ein Vehikel, mit und Wiesbaden den übergreifende Funkti- dem wir die spannende Architektursommer onen. In dem Moment, Frage „Wie schaffen Rhein-Main 2011. Von in dem Sie in der Regi- wir eine moderne Stadt April bis September on etwas bauen, schrei- in unseren historischen sollen die vier größten ben Sie diesem Ort eine Strukturen“ unter die Städte der Region nach- bestimmte Funktion zu. Leute bringen und sie einander zum „offenen Wenn Sie eine Brücke neugierig machen kön- Experimentierfeld und über den Rhein oder nen auf die Architektur, zur lebendigen Planer- Main bauen, wissen Sie, die sie Tag für Tag um- werkstatt“ werden. Am dass an dieser Stelle gibt. An ganz vielen 26. August fällt in etwas für die ganze Re- unerwarteten Orten wird Wiesbaden der Start- gion geschieht, nicht man in Wiesbaden zum schuss. Dann will Ober- nur, weil eine Brücke Beispiel auf Baustellen- bürgermeister Helmut buchstäblich verbindet, container stoßen, die Müller einladen zum sondern auch, weil sich dazu einladen, hinzuge- Diskurs über die archi- dort etwas kanalisieren hen, nachzudenken und tektonische Vergan- wird. Wenn Sie eine vor allem mitzureden genheit und Zukunft Foto: Andreas Baier Universität oder ein über ganz unterschied- der Stadt. Forschungszentrum in liche architektonische Darmstadt errichten Themen. Es wird Stra- oder den hessischen ßenfeste geben, Füh- „Architektur definiert Räume“, findet Wiesbadens Landtag in Wiesbaden rungen, viele Ausstel- Oberbürgermeister Helmut Müller umbauen, schaffen lungen und Baulücken, Sie ebenfalls etwas für die bespielt werden: Herr Müller. Sie leiten of Work erzeugen und die ganze Region. Ein Diskurs über die die Koordinierungs- das ist uns – als ein bauliche Zukunft der runde für den Architek- Beispiel – mit dem Ar- „Die Stadt ist nicht Stadt, so stelle ich mir tursommer Rhein-Main. chitektursommer nach die Angelegenheit der das vor. Warum ist diese Ver- einigen Startschwierig- Städtebauer, sondern anstaltung für Sie so keiten wirklich gelun- die der Stadtbewohner.“ Wollen Sie auch die wichtig? gen. Bei den Architek- Das sagt der Schrift- geplante Aufnahme Ich bin überzeugt, dass ten und Städteplanern steller Max Frisch. Wo Wiesbadens in die man eine Region wie sind wir auf eine of- bleiben die Wiesbade- UNESCO-Liste des das Rhein-Main-Gebiet fene Szene gestoßen, ner Bürger, wenn es um Weltkulturerbes zur nicht über administra- die sich für die Idee Baukultur geht? Diskussion stellen? tive Überlegungen zu- sehr begeistern konnte. Wir sind da alle ganz Ja, ich möchte den sammenführen kann. bei Frisch: Wir müssen Architektursommer Regionale Identität Wie kann Architektur herauskommen aus der auch zum Anlass neh- schafft man nur durch zum verbindenden Ele- reinen Expertendiskus- men, diese Diskussion gemeinsame Projekte. ment für eine Region sion. Die ist auch sehr auf eine breitere Basis Man muss einen Spirit werden? wichtig. Aber der Ar- zu stellen. Wir denken
  • 11. Wiesbadener Architektur 11 „Zeitenwende – Potenziale der Wiesbadener Stadtentwicklung“, das Motto des Architektursommers l über einen Gestaltungs- Hier sind vor allem die beirat aus Architekten, Wohnungsbaugesell- Stadtplanern und Hi- schaften sehr aktiv. Wir Illustration: agentur-bell.de storikern nach. Wir las- investieren 150 Millio- sen uns von anderen nen Euro in die Sanie- Städten über ihre Er- rung – vor allem ener- fahrungen berichten. getische – ganzer Wir wollen wissen wie Wohnblocks. Im Stadt- es sich lebt im Weltkul- teil Weidenborn im Frankfurt Das Thema „Wohnen“ in drei Diskursen Darmstadt Ideen für und über die Stadt Offenbach Leben und Wohnen Wiesbaden Zeitenwende und Potenziale turerbe. Was ich nicht Südosten Wiesbadens Programmheft Ausgabe 1 Gratis zum Mitnehmen 04/2011 möchte, ist, dass wir als mußten wir nach Erd- Weltkulturerbe unter bewegungen 800 eine Glasglocke kom- Wohneinheiten aus den men, unter der sich 50er und 60er Jahren nichts mehr bewegen sanieren. Wir haben Schwerpu Ausgabenkte Frankfur Darmst t & adt 1 darf. Wir müssen na- das zum Anlass ge- türlich die Marke Wies- nommen das ganze 01 baden erhalten. Wenn Viertel weiter zu entwi- Foto: WAZ wir anfangen würden, ckeln. Denn wir müssen die historische Bau- den Platz nutzen, den substanz zu zerstören, wir haben, und auch „Zum „Wieder- und Neuentdecken“ der Wiesbadener Baukultur lädt das Team vom würden wir unser eige- Flächen umwidmen, WAZ Wiesbadener Architekturzentrum e. V. ein nes Gesicht zerstören. um die große Nachfra- Aber das bedeutet na- ge nach Wohnraum zu Der Architektursommer 2011 türlich nicht, dass wir decken. Und schauen in Wiesbaden kein einziges modernes Sie zum Beispiel auf 26. August bis 4. September Gebäude mehr bauen das ehemalige Areal dürfen. Es geht nicht der Firma Linde in Von rund 220 Veranstaltungen im Rahmen An den darauf folgenden Events beteili- darum, ob wir weiter Kostheim. „Die Sied- des Architektursommers finden unter der gen sich neben dem WAZ und der Stadt bauen werden, sondern lung“, haben die Wies- Federführung des Wiesbadener Architek- Wiesbaden eine Vielzahl von Aktiven, unter wir wollen gemeinsame badener früher dazu turzentrums (WAZ) rund 70 in Wiesbaden anderem die Hochschule RheinMain, die Perspektiven entwi- gesagt. Das ist ein statt. Wohnungsbaugesellschaften, der Deutsche ckeln, wie wir weiter klassisches Gartenstadt- Werkbund, freie Architekten und Kirchen. bauen können, ohne modell – ein Schatz, Sie stehen unter dem Motto „Zeitenwen- den Kern zu zerstören. ideal für Familien mit de+Potenziale“, ein Thema, das bereits im Auf dem Neroberg wollen schließlich „über Kindern. Wir haben das Vorfeld der großen Auftaktveranstaltung den Dächern von Wiesbaden“ alle betei- Bei der Frage um das alte Moos weggekratzt mit drei Vortragsabenden thematisiert ligten Städte den Abschluss des Architek- Wie werden Themen und zum Vorschein wird. Sie beleuchten die entscheidenden tursommers feiern. wie Energieeffizienz gekommen ist nicht nur Zäsuren in der Baugeschichte der Stadt. und Bauen im Bestand eine moderne Struktur, Eigentlicher Auftakt für die zehntägige Programm und immer wichtiger. Ist sondern auch schöne Veranstaltung wird ein Straßenfest in der ausführliche Informationen: Wiesbaden hier auf Architektur. Hochstättenstraße sein. www.asrm2011.de einem guten Weg?
  • 12. 12 Eventstadt Wiesbaden VERLEIHUNG DES MEDIENPREISES WIEDER IN WIESBADEN Der Bambi kehrt zurück! Seit mehr als sechs Jahrzehnten bewegt und begeistert die Bambi-Verleihung. In diesem Jahr werden die kleinen Rehe im November auf einer Gala in Wiesbaden vergeben. Die Landes- hauptstadt ist damit nach 1991 be- reits zum zweiten Mal Gastgeber, wenn Stars aus dem In- und Ausland mit Deutschlands wichtigstem Medi- enpreis ausgezeichnet werden. Das goldene Reh wird im November in Wiesbaden verliehen A Als die Bambis des Jahres 1991 längst vergeben waren, ließen sich drei Preisträger noch zu einem einma- ligen Auftritt hinreißen: Geigen- virtuose Nigel Kennedy, Entertai- ner Hape Kerkeling am Klavier und Volksmusik-Star Patrick Foto: Hubert Burda Media Lindner bildeten im Wiesbade- nener Kurhaus zu später Stunde ein ungewöhnliches Musik-Trio. „Sie haben spontan eine Session dargeboten“, Rande wie der unvorhergesehene Auftritt sein entschlossenes und mutiges Handeln erinnert sich Henning Wossidlo, Geschäfts- des Trios Kennedy, Kerkeling und Lind- vor allem während des August-Putsches in führer der Kurhaus Wiesbaden GmbH. ner. Auch zwei Jahrzehnte später sind die Moskau geehrt. Allerdings war der Preis- Erinnerungen an die Wiesbadener Bambi- träger nicht persönlich in Wiesbaden – die Die 44. Bambi-Verleihung in Wiesbaden: Nacht noch lebendig: „Es war fantas- 600 geladenen Gäste im Kurhaus konnten Das war eine glanzvolle Gala mit Preis- tisch“, urteilt Wossidlo ebenso knapp wie nur auf zwei großen Bildschirmen sehen, trägern wie Hollywood-Legende Audrey eindeutig. wie Verleger Hubert Burda Jelzin den Preis Hepburn oder dem damaligen russischen zuvor in Moskau übergeben hatte. Den- Präsidenten Boris Jelzin; das waren aber Der erste Bambi an jenem Abend ging an noch wurde der Russe im Saal mit „stan- auch kleine unvergessliche Momente am Jelzin als „Mann des Jahres“. Er wurde für ding ovations“ gefeiert.
  • 13. Eventstadt Wiesbaden 13 Stehenden Applaus gab es auch für den und Lindner waren darunter unter sich immer mehr zu einer echten Event- früheren Bundesinnen- und heutigen anderem Top-Model Claudia Schiffer, stadt“, freut sich Wirtschaftsdezernent Finanzminister Wolfgang Schäuble, der Hochspringerin Heike Henkel, Journalist Detlev Bendel. „Und die Bambi-Verlei- einen „Ehren-Bambi“ erhielt. Im Jahr Hanns Joachim Friedrichs, die Entertai- hung ergänzt unser Portfolio um eine zuvor war der CDU-Politiker bei einer ner Siegfried und Roy sowie die Sänge- wirklich glamouröse Gala“. Nicht nur Wahlkampfveranstaltung von einem rin Patricia Kaas. dem internationalen Publikum, das im psychisch kranken Mann niedergeschos- November zur Bambi-Verleihung kom- sen worden und sitzt seitdem im Roll- Im November wird der bereits 1948 ins men wird, möchte Bendel Wiesbaden als stuhl. Ein, wenn nicht der Höhepunkt Leben gerufene Bambi nun zum zweiten attraktive Stadt präsentieren. „Der Bambi der Verleihung war schließlich der Mal in Wiesbaden vergeben. Damit wird ist ein Medienereignis, das die Aufmerk- Auftritt einer der ganz Großen Holly- der Wiesbadener Veranstaltungskalender, samkeit der Zuschauer über Deutschland woods: Die Schauspielerin Audrey auf dem schon der „Ball des Sports“ oder hinaus auf uns lenken wird“, ist Bendel Hepburn erhielt aus den Händen von die Open-Air-Konzerte auf dem Bowling überzeugt. Oscar-Preisträger Maximilian Schell Green stehen, um ein absolutes Top- den „Charity-Bambi“ für ihr Engagement Ereignis erweitert. „Wiesbaden entwickelt Veranstaltungen wie diese sind das als UNICEF-Botschafterin. „Sahnehäubchen“ für das umfangreiche Programm in der hessischen Landes- Auch die Namen der wei- hauptstadt. Allerdings findet die Verlei- teren Preisträger sind 20 hung in diesem Jahr nicht wie 1991 im Jahre später keineswegs Kurhaus, sondern in den Rhein-Main- vergessen: Neben dem Hallen statt. Der Grund dafür ist einfach: Trio Kennedy, Kerkeling Für die Live-Übertragung in der ARD wird mehr Platz gebraucht. Die Größe des Kurhauses reiche nicht mehr aus, er- Wirtschaftsdezernent klärt Wossidlo. Foto: Andreas Baier Detlev Bendel sieht Wiesbaden als Noch ist völlig unklar, wer im November Eventstadt auf dem über den roten Teppich vor den Rhein- Vormarsch Main-Hallen laufen wird. Wer an die Das Wiesbadener Kurhaus in festlichem Glanz Fotos (2): Hubert Burda Media Bambi-Verleihung 1991 oder an bisherige Preisträger wie den früheren US-Präsi- denten Bill Clinton, Königin Sylvia von Schweden oder Box-Legende Muhammad Ali denkt, kann aber schon heute sicher sein: Wiesbaden wird wieder einen Abend Hollywood-Ikone Audrey Hepburn mit Oskar-Preisträger Maximilian Schell voller unvergesslicher kleiner und großer bei der Bambi-Verleihung 1991 Momente erleben.
  • 14. 14 Kunst in Wiesbaden VON JAWLENSKY BIS ZU FLUXUS „Kunst muss zugänglich sein“ Die Kunstszene in Wiesbaden braucht den Vergleich nicht zu scheuen. Die Stadt, in der 1962 der Startschuss für die deutsche Fluxusbewegung fiel und die heute alle zwei Jahre den Wiesbadener Kunstsommer veranstaltet, beherbergt nicht nur eines der Flaggschiffe unter den deutschen Landesmuseen. Sammler und Galeristen tragen hier ebenso zum kreativen Flair bei wie die Nachwuchskünstler, die im Nassauischen Kunstverein ihre Werke zeigen. D Die Zeiten, da Museen der Ruf der „Verstaubtheit“ vorauseilte, sind für Alexander Klar längst passé. Kunst „Expressionismus bis Minimal“ im Depot des Museums zahlreiche Arbeiten ent- deckt, die lange nicht gezeigt worden zeigt. Peter Forster, unter den Kuratoren zuständig für die Alten Meister, hat diese Sonderausstellung müsse zugänglich sein, mit einer niedrig waren und sie beziehungsreich mit bis bewusst breit angelegt: Sie präsentiert angesetzten Schwelle und gleichzeitiger dato kaum präsentierten Skulpturen der die Landschaftskunst von der hollän- Wahrung des Niveaus, betont der Direk- jeweiligen Epoche kombiniert. Neben dischen Landschaftsmalerei bis zur Vi- tor des Wiesbadener Landesmuseums. Werken von Alexej von Jawlensky, der deokunst der Gegenwart. Klar versteht sein Museum als „besucher- 20 Jahre lang bis zu seinem Tod in orientiertes Haus“, das die Konkurrenz Wiesbaden lebte und dem das Museum Als „Keimzelle“ des Museums Wiesba- zu Theater, Party oder Kino nicht fürch- Wiesbaden die weltweit umfangreichste den gilt der 1847 gegründete Nassau- ten müsse, eine Zugänglichkeit, die auch Jawlensky-Sammlung verdankt, stellen ische Kunstverein Wiesbaden (NKV), seinen drei Kuratoren am Herzen liegt. sie Arbeiten von Max Beckmann oder ein nach den Worten seiner Künstle- Foto: Museum Wiesbaden Das hessische Landesmuseum beherbergt viele Kunstschätze von Weltrang Die Umbauphase im Haus nutzt das Emil Nolde, aber auch neue Dauerleihga- rischen Leiterin Elke Gruhn „einzigar- Museumsteam kreativ, um verborgene ben von Ernst Ludwig Kirchner, Gabriele tiges Modell der Kunstförderung“, um Schätze wieder ans Tageslicht zu brin- Münter und Karl Schmidt-Rottluff vor. das man weltweit beneidet werde. Die gen. So haben Jörg Daur, Klars Stell- Die nach den Worten Daurs „vor dem Landeshauptstadt, so Gruhn, betreibe vertreter und Kustos für die moderne geistigen Auge entstandene Hängung“ eine „gezielte Kulturförderung“. Sie und zeitgenössische Kunst, und Roman weist zur Freude des Museumsdirektors beschränkt sich nicht allein auf das Zieglgänsberger, verantwortlich für die keinerlei Brüche auf. Parallel zu „Ex- Domizil des NKV an der zentral gele- klassische Moderne, für die bis Herbst pressionismus bis Minimal“ wird bis Ok- genen und repräsentativen Wilhelmstra- diesen Jahres andauernde Ausstellung tober 2011 „Landschaft als Weltbild“ ge- ße. Auch das mit 10.000 Euro dotierte
  • 15. Kunst in Wiesbaden 15 Der Schmetterling aus steht die Kunst der „Follow Fluxus Rebecca Horns Installa- Stipendiatin 2011“, der tschechischen tion „Circle for Broken Künstlerin Katerina Šeda auf dem Landscape“ hat schon Programm, zum festen Bestandteil viele Besucher fasziniert gehört die Dauerausstellung des Fluxus-Künstlers Benjamin Patterson. Als neuer Ausstellungsort für Künst- „Follow Fluxus Stipendium“, das all- Rund 16 Ausstellungen werden auf lergruppen, Stipendiaten oder auch jährlich an, sich an den Arbeitsweisen der 350 Quadratmeter umfassenden Wiesbadener Sammler hat im Früh- von Fluxus orientierende aufstrebende Ausstellungsfläche des Nassauischen jahr nun auch die Kunsthalle am Künstler vergeben wird, wird von der Kunstvereins pro Jahr gezeigt, mit- Künstlerhaus auf dem Schulberg ihre Stadt ermöglicht. unter auch parallel. Für den Herbst Pforten geöffnet. Fotos (4): Heike Rost Museumsdirektor Alexander Klar im Kurator Peter Forster und Restauratorin Ann-Sophie Bennke Ausstellungsraum „Informel“ haben Anselm Feuerbachs „Nanna“ aus dem Depot geholt
  • 16. 16 Kunst in Wiesbaden „Es gibt in dieser Stadt eine Menge Leute, die des letzten Jahrhunderts von Malern, „die wenige für die Kunst etwas bewegen wollen“, beobachtet kennen und die es wert sind, entdeckt zu werden.“ Reinhard Ernst. Der 66-Jährige gehört zu den Dem Sammler geht es um die Geschichte, die sich zahlreichen Sammlern in Wiesbaden. Seine Liebe hinter jedem Kunstwerk verbirgt, und darum, den zur abstrakten und informellen Kunst entdeckte Künstlern, die nach dem Krieg gearbeitet haben, der heutige Aufsichtsratsvorsitzende der Harmonic den Stellenwert zu verschaffen, der ihnen gebüh- Drive AG durch ein Werk des Künstlers Karl Otto re. „Ich sammele diese Werke auch“, betont der Götz. Seit rund zehn Jahren sammelt Ernst nun Wahl-Wiesbadener, „um sie irgendwann einmal gezielt diese Kunst aus den 50er bis 80er Jahren der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“ Benjamin Pattersons Installation „Ben´s Bar“ ist Kunstsammler Reinhard Ernst hat sich der abstrakten im Nassauischen Kunstverein zu sehen und informellen Kunst verschrieben MUSEUMSDIREKTOR ALEXANDER KLAR IM PORTRÄT Internationale Erfahrung und Elan für die Zukunft „Die Lebensqualität ist hoch unter anderem in New York, tet. Nach Abschluss der seen des Landes Hessen und und das kulturelle Angebot im London und Venedig. Promotion ging Klar zur Peggy verfügt über einen Jahresetat Rhein-Main-Gebiet der Ham- Klar, in Waiblingen bei Guggenheim Collection nach von rund 4,5 Millionen Euro. mer. Da ist es schwer, sich Stuttgart geboren und auch in Venedig. Weitere Stationen sei- Im Herbst 2012 sollen die Sa- nicht in Wiesbaden einzule- Athen aufgewachsen, studierte ner Karriere waren die Kunst- nierungsarbeiten des 1915 er- ben.“ Alexander Klar, seit in Erlangen Kunstgeschichte, halle in Emden und das Re- richteten Museums abgeschlos- einem guten halben Jahr neuer Geschichte und christliche Ar- search Department des Victoria sen sein. Dann verfügen der Direktor des Museums Wies- chäologie. Hier wurde er im and Albert Museums in London. Museumsleiter und sein knapp baden, findet für seine Wahl- Jahr 2000 mit einer Arbeit über Vor seinem Wechsel nach Wies- 40-köpfiges Team über rund heimat nur lobende Worte. das Leben und Werk des Archi- baden war er wissenschaftlicher 7500 Quadratmeter Ausstel- Und der 42-jährige Kunsthi- tekten Friedrich Bürklein pro- Leiter des Emil-Schumacher- lungsfläche. Sie sollen künftig storiker, der kürzlich geheira- moviert. Bereits 1997 hatte er Museums in Hagen. auch für die naturkundlichen tet hat und gemeinsam mit seine Museumslaufbahn als As- Seine neue Herausforde- Schätze des Museumsfundus seiner Frau das multikulturelle sistent am Guggenheim Muse- rung hat Klar mit viel Elan genutzt werden. Das ist für Fotos (5): heikerost.com Flair rund ums Heim im Wies- um in New York begonnen und angenommen. Das Museum Alexander Klar ebenso selbst- badener Westend genießt, hat danach als freier wissenschaft- Wiesbaden ist neben den Häu- verständlich wie die Ausstel- etliche Vergleichsmöglich- licher Mitarbeiter für das Euro- sern in Darmstadt und Kassel lung der Alten Meister im dann keiten, arbeitete und lebte päische Burgeninstitut gearbei- eines von drei staatlichen Mu- renovierten Museumsflügel.
  • 17. Kunst in Wiesbaden 17 oben: Kurator Roman Zieglgänsberger mit „Nikita“, seinem Leiblingsbild von Alexej von Jawlensky unten: Jörg Daur, stellvertretender „Nur eine einzige (geliebte) Rose“ heißt diese Installation Museumsdirektor, zeigt Eva Hesses von Jochen Gerz im Landesmuseum „Eighter from Decatur“
  • 18. 18 Mein Wiesbaden ZDF-MODERATORIN BABETTE EINSTMANN IM GESPRÄCH „In Wiesbaden gibt es noch viel zu entdecken“ Hinter Babette Einstmann liegt eine turbulente Woche. Doch die Moderatorin, die seit 24 Jahren für das ZDF arbeitet, unter anderem die Knoff-Hoff-Show und die Starparade präsentiert hat und als Gesicht der „drehscheibe deutschland“ einem Riesenpublikum bekannt ist, hat den Stress längst vergessen. In Jeans, Bluse und Stiefeln kommt die 48-Jährige gut gelaunt ins Café Lumen und erzählt von ihrer Liebe zum Theater und zur Stadt Wiesbaden. Frau Einstmann, Sie moderieren Aber nach dem Abitur und einem Jahr als Politik- und Wissenschaftssendungen Aupair in Paris haben Sie eine Ausbildung ebenso wie lockere Unterhaltung. als Theaterkauffrau gemacht. Warum? Sind Sie eine Art Multitalent? Ich bin ein absoluter Theatermensch. Ich liebe Ich bin von Natur aus neugierig und habe auch die Luft und die kreativen Menschen dort, die nach vielen Jahren Berufserfahrung nach wie vor mit so viel Idealismus an die Arbeit gehen. Also Spaß daran, mich in neue Materien einzuarbeiten habe ich mit 19 Jahren in meiner Heimatstadt und sie meinem Publikum zu erklären. Hinter Hamburg an alle Bühneneingänge geklopft die Sachen gucken, auch hinter komplizierte und bin schließlich als Technische Assistentin Themen, sie verstehen und anderen verständlich beim Ernst-Deutsch-Theater gelandet. Das heißt, machen: Das hat mich immer fasziniert und ist ich war ein Jahr lang Mädchen für alles: Garde- bis heute mein Job. Als Kind wollte ich eigent- robiere, Bühnenarbeiterin, Souffleuse und lich Lehrerin werden. Regieassistentin. Dann hat man mir einen Aus-
  • 19. Mein Wiesbaden 19 bildungsplatz angeboten. Ich habe dort nicht nur gelernt wie Theater funktioniert. Es war wie eine zweite Familie für mich. Wie sind Sie zum Fernsehen gekommen? Irgendwann hat mich die Dramaturgie interes- siert und auch das Drehbuchschreiben. Damit war klar, dass ich ein Studium machen mußte. Also ging ich nach München und studierte Publizistik, ein Fach, das mir thematisch viel bieten konnte. Mit meinen Fernsehjobs habe ich Voller Elan und das bei jedem Wetter zuerst eigentlich nur das Studium finanziert. Dann hat mich das ZDF unter 5.000 Bewerbern als eine von drei Nachwuchsmoderatorinnen Was sagen Sie als Theaterfan zum genommen. So kam ich nach Mainz. kulturellen Angebot? In Wiesbaden lohnt es sich wirklich, die Nischen Seit zehn Jahren leben Sie jetzt in zu entdecken. Natürlich ist das Staatstheater Wiesbaden. Wie erleben Sie als gebürtige prächtig, natürlich geben ganz große Stars ihre Hamburgerin diese Stadt? Open-Air-Konzerte auf dem Bowling Green. Aber Mit ganz großer Freude. Wiesbaden muss man mich zieht es eher zu den kleinen Bühnen, zum zu Fuß erkunden, egal, ob man auf den Wochen- Pariser Hoftheater, das mich sehr an das Flair markt geht oder auf den Neroberg oder in den Münchner Kleinkunstbühnen erinnert, in die Taunusvororten wandert. Einer meiner Lieblings- Wartburg oder ins Thalhaus. Und ich verbinde orte liegt übrigens mitten in der Altstadt, ein meine Theaterleidenschaft mit einem guten kleiner Platz mit vielen Cafés, wo Goldgasse, Zweck und stelle gemeinsam mit Schauspielern Mühlgasse und Grabenstraße aufeinander stoßen des Staatstheaters jedes Jahr eine Benefizgala und man sich fühlt wie im Süden. für das Kinderhospitz „Bärenherz“ auf die Beine, dessen Botschafterin ich seit neun Jahren bin. Und ich schaue gerne in den vielen versteckten Galerien vorbei und komme mit den Künstlern ins Gespräch. Das klingt nach einem vollen Terminkalender. Was tun Sie, wenn Sie wirklich mal frei haben? Dann habe ich direkt ein schlechtes Gewissen. Nein, im Ernst – ich mache dann gar nichts be- sonderes, setze mich mit einer Latte Macchiato auf den Balkon, lese ausnahmsweise mal alle meine Tageszeitungen und vielleicht auch noch Ihre knappe Freizeit ein gutes Buch. Das ist für mich Freizeit pur. genießt Fernsehmodera- torin Babette Einstmann Hamburg, München, jetzt Wiesbaden: zuweilen im Café Lumen, Wo zieht es Sie als nächstes hin? vor allem aber erkundet Ich habe diese Stadt wirklich lieben gelernt. sie Wiesbaden, wie Meine Tochter ist hier geboren. Das verbindet. hier am Warmen Damm, Sie und mein Mann haben bei der Ortswahl gerne zu Fuß. natürlich auch ein Wörtchen mitzureden Aber man sollte niemals nie sagen. Meine Schwester lebt auf Long Island, meine Mutter in Portugal und mein Bruder zieht gerade nach Hawaii Fotos (3): heikerost.com um. Mal sehen. Wiesbaden ist eine Stadt in Bewegung und so lange sie sich bewegt bin ich hier und bewege mich mit. Es gibt noch viel zu entdecken.
  • 20. 20 Theater aus Wiesbaden Eine Oper gilgamesch – aus der ein heldenepos einmal Mitte der ganz anders Stadt In jedem Menschen steckt ein Künstler: Hiervon sind die Profis vom Hessischen Staatstheater in Wiesbaden überzeugt. Gemeinsam mit rund 200 Bürgern aus allen Schichten, Nationalitäten und Generationen haben sie die jahrtausende alte Geschichte des sumerischen Königs Gilgamesch zu einer neuen Oper verarbeitet. Entstanden Die Kreativität ganz ist ein Gesamtkunstwerk aus der Mitte der Wies- unterschiedlicher Menschen motiviert sie: Projektleiterin und badener Gesellschaft. Regisseurin Priska Janssens D „Das, wo Ihr jetzt steht“, erklärt Priska Janssens den aufgeregten Kindern, „ist unsere Bühne“. Die Regisseurin zeigt auf gehoben hat. 90 Sekunden dauert die musikalische Improvisation, mit der sie die Zuschauer auf die Atmosphäre in sie, sich in die Gruppe zu integrieren und verantwortlich zu fühlen für das Projekt. Unter ihnen sind Problemfälle, die ihre den riesigen Zuschauerraum im Großen Gilgameschs Hauptstadt Uruk und auf Lehrer manchmal in die Verzweiflung Haus des Hessischen Staatstheaters mit die Oper einstimmen sollen. Es sind 90 treiben, aber nun an ihrer kreativen Auf- seinen Logen, Blattgold und wilhelmi- Sekunden, die Geduld und viel Feinarbeit gabe wachsen. „Das ist es, was mich an nischem Prunk: „Bis da ganz oben hin erfordern. dieser Arbeit fasziniert“, sagt der 57-Jäh- muss man Euch hören – ohne Mikro, rige, der seit 28 Jahren im Wiesbadener alles absolut life.“ Eine echte Herausfor- „Jeder, der mitmacht, ist ein Mosaikstein Staatsorchester Oboe spielt und zu den derung, wenn man bislang nur in einem für das Ganze. Das möchte ich diesen Profikünstlern gehört, die sich nun erneut Klassenraum geprobt hat. Die Fünftkläss- Kindern vermitteln.“ Seit Wochen probt für eine Aufführung engagieren, die das ler der Sophie-und-Hans-Scholl-Schule Franz-Josef Wahle schon mit den Ge- Staatstheater für alle gesellschaftlichen wissen, dass es auf sie ankommt noch samtschülern, steht manchmal wie ein Gruppen in der hessischen Landeshaupt- bevor sich der Theatervorhang richtig Dompteur zwischen ihnen und animiert stadt öffnen soll.
  • 21. Theater aus Wiesbaden 21 Fotos (alle auf dieser Doppelseite): eigenart Eckhart & Pfannebecker, Wiesbaden Haben mit Wiesbadener Bürgern die Musik für die Gilgamesch-Oper geschrieben: Die Komponisten Ernst August Klötzke (links) und Cornelius Hummel (rechts) In den Hauptrollen: Die Sänger Erik Biegel (links) als Enkidu und Reinhold Schreyer-Morlock (rechts) als Gilgamesch Die „Kreativität ganz unterschiedlicher 47-Jährige. Dann folgte zweimal hinterei- mentalbauten überzieht und nach Unsterb- Menschen“ und die Lust gemeinsam mit nander Move@School, ein Projekt, das zu- lichkeit sucht. Im Geschöpf Enkidu findet ihnen etwas auf die Beine zu stellen ist letzt rund 300 Kindern und Jugendlichen er einen positiven Gegenpol aus der Natur eine Motivation, die Projektleiterin Jans- aller Schulformen die Bühne frei machte und, nachdem die beiden sich heftig be- sens schon lange antreibt. Mit Produkti- für ihre musikalischen Interpretationen von kämpft haben, auch einen Weggefährten. onen wie „Semiramis“ und „Wolkenku- Werken Erik Saties und Paul Dukas`. Der Stoff ist oft interpretiert worden. Jetzt ckucksheim“ ist die Chefin des Jugend - bringt eine bunt gemischte Gruppe aus referats des Staatstheaters in die Problem- Diesmal dreht sich alles um den sume- Wiesbadener Bürgern – Senioren, Schüler, viertel der Stadt hinausgegangen und hat rischen König Gilgamesch und seinen wil- Arbeitslose, Akademiker und behinderte in einem leeren Supermarkt oder einer ge- den Freund Enkidu, deren Geschichte sich Menschen – ihn mit Hilfe der Theaterprofis schlossenen Schule gemeinsam mit den Be- vor rund 5.000 Jahren im alten Babylon als Oper auf die Bühne. Begonnen hat ihre wohnern Theater gemacht. Selbst gestan- zugetragen haben soll und der Nachwelt Arbeit vor zwei Jahren. Sie haben gemein- dene Wiesbadener Theaterbesucher seien auf 12 Tontafeln erhalten ist. Gilgamesch sam das Libretto geschrieben und die zuhauf gekommen, erinnert sich die ist ein Despot, der seine Stadt mit Monu- Musik komponiert. Seit September proben
  • 22. 22 Theater aus Wiesbaden Geben den Auftakt: Die SchülerInnen der Sophie- und-Hans-Scholl-Schule Spielen die Tiere: SchülerInnen der Fluxusschule mit ihrer Lehrerin Mechthild Zimmer-Zilias sie für die Uraufführung am 10. Juni. ckelt. Dabei konnte längst nicht jeder aus Stadt Uruk projezieren. In ihrer Inszenie- Nicht mehr als 25 Minuten geschriebene der Kompositionsgruppe Noten lesen oder rung nimmt Gilgamesch eine positive Wen- Musik hatte Cornelius Hummel zu Projekt- gar schreiben. Manche sangen ihre Ideen dung hin zu einem moralischen Herrscher. beginn erwartet. Am Ende waren einein- auf Band, andere beschrieben ihre Musik- Die 65-jährige Angela Sprengel versucht das halb Stunden entstanden, die Partitur um- vorstellungen einfach. „Wir haben zeitge- so zu erklären. „Gilgamesch war ein un- fasst 181 Seiten. „In der künstlerischen nössische Musik geschaffen - von hoher schlagbarer Halbgott, der seine Bürger ge- Zusammenarbeit zwischen Profis und Laien Qualität und zusammen mit den Menschen, knechtet hat. Aber am Ende setzt er sich liegt ein unglaubliches Potential“, findet die hier leben“, sagen die beiden Kompo- gemeinsam mit ihnen für die guten Werte der freie Cellist und Komponist. Gemeinsam nisten. ein“. Die gelernte Arzthelferin gehört zur so mit den Wiesbadenern und dem künstle- genannten freien Gruppe, die in der Oper rischen Leiter der Musiktheaterwerkstatt am Zudem galt es, einen alten Mythos in eine das unterdrückte Volk von Uruk verkörpert. Staatstheater, Ernst August Klötzke, hat moderne Stadt wie Wiesbaden zu übertra- Den Traum „Theater spielen“ verwirklicht Hummel die musikalischen Motive für die gen. Viele Probleme heutiger Großstädte, ist sie seit sie in den Ruhestand gegangen ist. Hauptfiguren erarbeitet und weiterentwi- Janssens überzeugt, könne man in die Wie einige andere hat sie bereits ein biss-
  • 23. Theater aus Wiesbaden 23 Glaubt an die künstlerische Kraft der Kinder: Musiker Franz-Josef Wahle Fotos (alle auf dieser Doppelseite): eigenart Eckhart & Pfannebecker, Wiesbaden Arbeitet gern mit den Künstlern auf Zeit: Tenor Erik Biegel chen Theatererfahrung, aber der experi- Wölfe, Vögel und Affen zu ihm und ma- Menschen zusammen, „die noch nicht mentelle Ansatz des Werkes fordert an vie- chen ihm ihre Bewegungen vor. Die Schü- so abgeklärt sind und einfach Theater len Stellen immer wieder neuen Mut. ler der Wiesbadener Fluxusschule, einige machen wollen“. Das sei ein Stück Über der Bühne im Wiesbadener Staatsthe- von ihnen schwerst behindert, spielen die „Lebensqualität“ für ihn. Auch auf das Ge- ater geht der Mond mit einem riesigen Tiere als hätten sie nie etwas anderes ge- meinschaftsgefühl am Abend der Urauffüh- Paukenschlag auf. Eine in weiße Tücher ge- macht: „Menschen mit Behinderungen“, rung freut sich der 41-Jährige. Rund 100 wickelte Gestalt taucht auf, rollt sich die weiß Janssens aus langer Erfahrung, „Künstler auf Zeit“, vier Solisten, der Bühne herunter und bleibt regungslos lie- „haben eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Opernchor und das Staatsorchester sind gen. Von allen Seiten kriechen Kinder und Das kann ihnen kein Profi nachmachen.“ dann gefragt. Und im Orchestergraben wird Jugendliche auf sie zu und wickeln sie Franz-Josef Wahle Oboe spielen und sich langsam aus: Enkidu ist geschaffen, ein Für Erik Biegel, der die Rolle des Enkidu sicher sein, dass seine Schützlinge ihren Wesen, das nicht sprechen kann und die spielt und singt, ist der gemeinsame Auf- Part auch ohne ihn meistern – ganz in Ei- Natur erst kennen lernen muss. Also tritt mit den Förderschülern ein ganz genverantwortung. kommen die Rehe, Schlangen, Antilopen, besonderer. Der Tenor arbeitet gerne mit
  • 24. 24 Wiesbadener Perfektion HARFEN VON WELTRANG Wertvolle Handarbeit für den perfekten Klang An der Hauswand des unscheinbaren Altbaus im Wiesba- dener Westend hängt nur ein kleines Fir- menschild: „Thurau Harfenmanufaktur“. Schaufenster oder große Verkaufsräume gibt es hier nicht, nur eine kleine Werk- statt im Erdgeschoss. Dabei gehört der Betrieb international zu den ersten Adres- sen im Harfenbau.
  • 25. Wiesbadener Perfektion 25 U Um fast zwei Meter große Konzertharfen zu bauen, braucht Rainer Thurau am Ende winziges Werkzeug: Einen Hobel die Einmaligkeit.“ Musiker sollen mit ge- schlossenen Augen hören können, wenn eine „echte Thurau“ erklingt. seine Arbeiten auf Kunstaustellungen und strebte schließlich sogar einen Stu- dienplatz an der Akademie der Bildenden etwa, der kaum größer als ein Fingerna- Künste in Berlin an. Doch letztlich gab gel ist. Oder ein silberfarbenes Messge- Bei historischen Harfen dagegen will er er diesen Plan und auch das Medizin- rät, das sonst Zahntechniker benutzen, den Klang alter Zeiten wieder aufleben studium zugunsten des Harfenbaus auf. um Kronen zu messen. Denn bei einer lassen. Dazu versucht der Künstler, sich Sogar die Malerei stellte er dafür über hochklassigen Harfe kommt es auf jedes in die Klangwelt vergangener Jahrhun- Jahrzehnte zurück. Erst seit gut fünf noch so kleine Detail an: „Alles muss derte hineinzuversetzen. „Ich stelle mir Jahren malt er wieder intensiver und auf den Zehntelmillimeter genau stim- vor, ich wäre ein Harfenbauer vor 200 plant neue Ausstellungen seiner Werke. men“, sagt Thurau. Jahren“, sagt er. Seine erste Harfe baute Thurau 1976 in Berlin – aus reinem Doch noch ist sein Name vor allem mit Bei den Instrumenten, die die Manufak- Zufall. In Hamburg geboren und in der Harfen höchster Qualität verbunden und tur des 60-Jährigen verlassen, stimmt Nähe von Stuttgart aufgewachsen war er dies, obwohl er sich das Handwerk als offensichtlich alles: Thuraus Konzert- als 17-Jähriger in den Westteil der da- reiner Autodidakt aneignete. Der Har- harfen werden auf der ganzen Welt ge- mals geteilten Stadt gekommen. Als dort fenbau zog ihn 1983 auch von Berlin spielt. Von ihm rekonstruierte historische seine Irish-Folk-Musikgruppe eine Harfe zunächst nach Ulm, weil er dort bessere Harfen stehen in Museen. Und immer brauchte, entschied er kurzerhand: „Die Chancen für sein Geschäft sah. „Berlin sind es Unikate – denn Standardware baue ich selbst.“ Und damit war seine gibt es in der „Thurau Harfenmanufak- Passion geweckt. tur“ nicht. „Ich bin keine Fabrik, ich mache Handarbeit“, sagt der Mann mit Eigentlich ist Thurau gelernter Groß- dem wallenden grauen Haar. und Außenhandelskaufmann. Sein Abitur machte er in Berlin nach und begann In eine Konzertharfe steckt Thurau rund dort Medizin zu studieren. Vor allem aber 1.200 Arbeitsstunden – würde er ohne widmete er sich der Malerei. Er schloss eine einzige Minute Pause Tag und Nacht sich einer Künstlergruppe an, präsentierte arbeiten, wären das fünfzig Tage. Für eine „Folklore-Harfe“, die ambitionierte Hobby- musiker spielen, setzt er immer noch 80 Stunden an. Ein solcher Aufwand hat seinen Preis: Konzertharfen sind ab Fotos (6): Gerhard Hirsch 65.000 Euro zu haben – ohne eine Grenze nach oben. „Folklore-Harfen“ kann man immerhin ab 6.000 Euro kaufen. Dafür will Thurau seinen Kunden perfekte Instrumente liefern. Fast alles macht er war damals eingemauert und ein mise- dabei selbst; nur einen festen Mitarbeiter rabler Standort für eine internationale beschäftigt der Harfenbauer. Seine Instru- Karriere“, erinnert sich Thurau. mente bestehen meist aus Ahorn-Holz, aber auch aus Fichte, Kirsche oder Buche. Ende der 1980er Jahre begann er, mit Die Saiten sind aus Naturdarm, gelegent- der renommierten Harfenbau-Werkstatt lich aus Nylon oder Karbon. Oft werden „Josef Löffler & Sohn“ in Wiesbaden die Harfen noch aufwendig verziert oder zusammenzuarbeiten und zog 1990 gar vergoldet – doch letztlich zählt für schließlich nach Hessen um. Nachdem er Thurau vor allem der Klang des Instru- erfolgreich die Prüfung zum Konzert- ments: „Die Kunst steckt im Sound, da ist harfenbauer auf Meisterniveau abgelegt hatte, übernahm er 1993 die Firma Löff- ler und gründete die „Thurau Harfen- Millimeterarbeit: Rainer manufaktur“. Seither baut Rainer Thurau Thurau achtet beim Bau in der kleinen Werkstatt in der Wiesba- seiner hochwertigen Harfen dener Helenenstraße Instrumente von auf jedes Detail. Weltrang.