1. LANDESHAUPTSTADT
Wiesbaden Das Magazin der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden Ausgabe 04 / November 2010
Aquis Mattiacis
Wellnessfaktor und Lebensraum
„Good morning,
Wiesbaden!“
Deutsch-amerikanische Nachbarschaft
Wiesbadener
und Hesse
Volker Schlöndorff im Gespräch
www.wiesbaden.de
2. Ihr Kompetenznetzwerk für
Seminare, Kongresse und
Tagungen in Wiesbaden
Die Wiesbaden Kongressallianz bietet die Organisation und Begleitung
Ihrer Veranstaltungen, die Bereitstellung von Hotelzimmerkontingenten,
umfassende Beratung über das Angebot der Räumlichkeiten sowie
deren Buchung, Vermittlung von Transferleistungen, Gastronomie und
Rahmenprogrammen.
Crowne Plaza Wiesbaden • Dorint Pallas Wiesbaden • Hotel Nassauer Hof • Hotel Ibis Wiesbaden City • Fontana Hotel
Radisson Blu Schwarzer Bock Hotel • Hotel Oranien Wiesbaden • pentahotel Wiesbaden • Hotel Klee am Park • Hotel
Klemm Best Western Hotel Hansa • RAMADA Hotel Wiesbaden-Nordenstadt • NH Aukamm Wiesbaden • Hotel de France
City Partner Hotel Fürstenhof • Hotel Bären • Hotel Trüffel • Rhein-Main-Hallen Wiesbaden • Das Kurhaus Wiesbaden
Das Jagdschloss Platte • Wiesbadener Casino-Gesellschaft • Casino Wiesbaden • Henkell & Co. Sektkellerei KG
Schloss Biebrich • Wiesbaden Marketing GmbH
Wiesbaden Kongressallianz
c/o Wiesbaden Marketing GmbH
Postfach 6050
65050 Wiesbaden
Tel.: +49 (0) 611 31-23 43
Fax: +49 (0) 611 31-39 35
kongressallianz@wiesbaden-marketing.de
www.wiesbaden.de/kongressallianz
3. Editorial Magazin der Stadt Wiesbaden
Ausgabe 4 / November 2010
wiesbadener leben : Wussten Sie, dass die Luft-
brücke nach Berlin in Wiesbaden organisiert wurde
Inhalt
„Good morning, Wiesbaden!“
oder, dass Rock’n’Roll-Idol Elvis Presley hier in den Deutsch-amerikanische Nachbarschaft 4
50er Jahren den Eagle Club besucht hat? Seit mehr
„Wir schlagen ein neues Kapitel auf“
als sechs Jahrzehnten sind Ameri- Interview: Colonel Jeffrey Dill und Ober-
kaner und Wiesbadener Nachbarn, bürgermeister Helmut Müller über die
Zukunft der Amerikaner in Wiesbaden 11
eine besondere Beziehung, der wir
die Titelgeschichte gewidmet haben. „Ich fühle mich als Wiesbaden-Biebricher
und als Hesse“
Außerdem sind wir den Ursprüngen Volker Schlöndorff im Gespräch 12
AFN-DJ Tony Plyler einer Stadt auf den Grund gegangen, Innovativ, unkonventionell, risikofreudig
auf Sendung
die es ohne Wasser nicht geben Die Kreativen von Wiesbaden 14
würde. In diesem Heft können Sie lesen, wie die Aquis Mattiacis – Den Wassern
einstige Weltkurstadt ihre heißen der Mattiaker [geweiht]
Wellnessfaktor und Lebensraum 18
Quellen und Gewässer wieder neu
entdeckt. Quellwasser ist übrigens Wie aus Blüten Delikatessen werden
Die Blütensekt-Manufaktur 24
auch für Anja Quäschning ein
Herbst und Winter in Wiesbaden
wichtiger „Rohstoff “. Die Unterneh- Veranstaltungen und Service 26
mensgründerin braucht es, um aus Galatea-Brunnen in
Titelbild
Blüten Delikatessen zu machen. Wir Wiesbaden-Biebrich
Die Söhnlein-Villa: Die Wiesbadener
durften ihr bei der Arbeit zuschauen. Mit Oskar- nennen sie „Das Weiße Haus“.
(Foto: eigenart Eckhardt&Pfannebecker,
Preisträger Volker Schlöndorff haben Wiesbaden)
wir über seine Kindheit und Jugend
in Hessen und den Begriff „Heimat“ Impressum
herausgeber: Wiesbaden Marketing GmbH,
gesprochen. Auch sonst sind wir auf Geschäftsführer: Martin Michel (V.i.S.d.P.),
Postfach 6050, 65050 Wiesbaden
interessante kreative Köpfe gestoßen.
redaktion: Journalistenbüro Surpress,
Volker Schlöndorf – Eine lebendige Werbe- und Filmszene Dr. Jutta Witte, Wiesbaden
ein Wiesbadener
ist in der Stadt aktiv. Und Event- texte: Carsten Hauptmeier (Mein Wiesbaden,
manager Hans Reitz ist überzeugt, dass Wiesbaden Wiesbadener Geschäftsideen), Dr. Jutta
Witte (Wiesbadener Gesellschaft, Wasserstadt
zur Pilotstadt für eine neue Unternehmenskultur Wiesbaden, Wiesbadener Wirtschaft)
des „Social Business“ werden kann. fotos soweit nicht anders gekennzeichnet:
Andreas Baier, Gerhard Hirsch,
Christopher Pfannebecker, Heike Rost
Viel Spaß beim Lesen wünscht
gestaltung und herstellung:
Ihre Redaktion D+K Horst Repschläger GmbH, Wiesbaden
druck: Stark Druck, Pforzheim
4. 4 Wiesbadener Gesellschaft
deutsch-amerikanische nachbarschaft
„Good morning,
Wiesbaden!“ Seit 1945 ist Wiesbaden einer der wichtigsten US-Stützpunkte in Europa.
Nun soll das europäische Hauptquartier der Landstreitkräfte von Heidelberg
in die hessische Landeshauptstadt verlegt werden. Viele hoffen, dass mit
dem Umzug eine alte Freundschaft neu belebt wird.
5. Wiesbadener Gesellschaft 5
AFN-DJ Tony Plyler
auf Sendung
„On Air“: Regler aufziehen, Eine Mischung aus militärischen
Musik abfahren, zwischendurch eine Pflichten, alltäglicher Lässigkeit und
kurze Moderation – AFN-DJ Tony dem Wissen um die Kriegswirklichkeit
Plyler ist voll in Aktion. Drei Stunden draußen bestimmen das Leben in der
versorgt er an diesem Vormittag vom Garnison und den drei Wiesbadener
US-Heeresflugplatz Wiesbaden-Erben- Housing Areas, stadtviertelgroßen
heim aus seine Zuhörer in der Region Wohngebieten, in denen ausschließ-
mit Nachrichten, dem Dollarkurs, Frei- lich Amerikaner leben. Rund 13.000
zeittipps und aktuellen Hits. „Ich bin Menschen zählt die Wiesbadener US-
mit AFN groß geworden“, sagt der Gemeinde, darunter 2.800 Soldaten,
32jährige Stabsunteroffizier. Schon 2.100 Zivilangestellte und 7.400 Fami-
sein Vater hat für das American lienangehörige. Das 5. Fernmelde-
Forces Network gearbeitet, jenem kommando, die 66. Aufklärungsbrigade
Sender, der seit 1943 für positive und das Hauptquartier der 1. US-
Stimmung unter den amerikanischen Panzerdivision sind hier stationiert.
Soldaten sorgt. „Wir wollen einen Teil
von Amerika nach Deutschland brin- Es ist eine kleine amerikanische Welt
gen“, sagt Gary Bautell, AFN-Radio- mitten in Deutschland mit Supermärk-
chef in Europa. 15 Redakteure arbeiten ten, Fitness- und Unterhaltungszentren,
für den Lokalsender in Wiesbaden, Kirchen, Schulen, Kindertagesstätten,
neun von ihnen in Uniform. Als Tankstellen und Bibliothek. Das Leben
Rundfunkjournalisten ausgebildet, sind geht seinen Gang, auch wenn rund
sie dennoch Soldaten. Auch Plyler 1.000 der offiziell in Wiesbaden sta-
war schon dreimal in den Krisen- und tionierten Soldatinnen und Soldaten
Kriegsgebieten dieser Welt im Einsatz: seit fast einem Jahr im Irak-Einsatz
„Wenn sie mich brauchen“, sagt er, sind: In der Kantine auf dem Stütz-
„muss ich gehen.“ punkt in Erbenheim wird geplaudert,
Foto: Stadtarchiv Wiesbaden
Die Stimme Amerikas in
Europa: AFN-Radiochef Europa
Gary Bautell fühlt sich schon
Petticoats und Straßenkreuzer: Der „American Way of Life“ prägte das Bild Wiesbadens lange als „Wiesbadener“.
in den 1950er und 60er Jahren. Aus Siegern und Besiegten waren Freunde geworden.
6. 6 Wiesbadener Gesellschaft
s Foto: Patrick Henry
Alltag auf dem Stützpunkt in … die Batallionsfahne von seinem Vorgänger
Erbenheim: Timothy Brown über- Michael Huston. In der „Dining Facility“ relaxen
nimmt beim Kommandowechsel … Soldaten und Zivilisten in der Mittagspause.
Familien packen ihr Auto für den Ur- heiten, Picknick- und Baseballplätzen ein System, das Tag für Tag verfeinert
laub. Draußen auf dem Flughafen warten und Joggingwegen. Nach dem Umzug wurde“, sagt Hans Bergschwenger über
amerikanische und deutsche Gäste auf werden nach Rügers Einschätzung rund den „Big Lift“. Er hat als junger Mann
den Beginn des Kommandowechsels 19.000 Amerikaner in der hessischen hautnah miterlebt, wie sich Deutsche
beim ersten Nachrichtenbatallion. Oberst- Landeshauptstadt leben und arbeiten. und Amerikaner nach dem Zweiten
leutnant Timothy Brown wird in sein Weltkrieg wieder näher kamen. Berg-
Amt eingeführt. Das militärische Zere- Sie können an eine lange gemeinsame schwenger sprach Englisch und hatte
moniell ist streng, der Patriotismus Geschichte anknüpfen. Im März 1945 einen Führerschein. 1948 heuerte er bei
spürbar, doch als am Ende alle aufste- marschierten amerikanische Truppen in den Amerikanern als Chauffeur an und
hen und gemeinsam den „Army Song“ Wiesbaden ein, besetzten den einstigen fuhr die Piloten der „Rosinenbomber“
singen, wird die Atmosphäre zusehends Fliegerhorst in Erbenheim, Kasernen, zum Einsatz und zurück. 1954 trat er als
lockerer. Beim anschließenden Begrü- Krankenhäuser, Hotels und jeden verfüg- Fahrer in die Dienste Tunners, der mitt-
ßungsdefilee gibt es eine Riesentorte, baren Raum. Die kaum zerstörte Stadt lerweile zum Chef der US-Luftwaffe in
Kinder spielen Nachlaufen im Flugzeug- wurde für lange Zeit militärisches und Europa aufgestiegen war.
hangar und das Ehepaar Brown findet administratives Zentrum der amerika-
für jeden ein paar verbindliche Worte. nischen Besatzungsmacht. Bis Anfang „American Way of Life“
der 70er Jahre residierte hier das europä- „Von den Amerikanern habe ich ge-
Zweifel am Sinn und Zweck des ameri- ische Hauptquartier der US-Luftwaffe. lernt, frei im Kopf und im Handeln
kanischen Militäreinsatzes in Mittel- zu sein“, sagt der 81jährige heute. Die
asien oder dem Nahen Osten scheint es Kommandozentrale der Luftbrücke US-Soldaten hatten nicht nur die De-
hier nicht zu geben. „Sie haben eine Schon wenige Jahre nach Kriegsende mokratie, sondern auch einen neuen
Mission, sie wollen in der Welt etwas übernahmen die hier stationierten „Way of Life“ mitgebracht, der vor allem
verändern“, erklärt Garnisonssprecherin Soldaten die Hauptrolle in einer der junge Deutsche faszinierte. Jugend- und
Anemone Rüger und meint damit nicht dramatischsten Episoden der deutschen Freundschaftsclubs entstanden. Es gab
nur die Militärangehörigen. Kräne und Nachkriegszeit. Die Luftbrücke wurde gemeinsame Wohltätigkeitsbasare und
eine riesige Baustelle auf dem Parade- von der Wiesbadener Taunusstraße aus Weihnachtsbälle. Noch heute erinnern
platz zeugen davon, dass das Pentagon koordiniert. Unter dem Kommando des sich die Wiesbadener mit Wehmut an
große Pläne für Wiesbaden hat. Bis 2015 Logistikexperten General William H. den „Eagle Club“, der erst im Kurhaus,
soll das Europa-Hauptquartier des US- Tunner flogen die US-Amerikaner fast später im „Weißen Haus“ residierte.
Heeres aus Heidelberg in die Stadt am 1,8 Millionen Tonnen lebenswichtiger Selbst Elvis Presley schaute hier vorbei,
Rhein umziehen. Eine 89 Millionen Euro Güter von den Militärflughäfen Wies- als er seinen Militärdienst im nahen
teure Führungs- und Kommandozentrale baden und Frankfurt nach Berlin: Kohle Friedberg ableistete. In der hessischen
befindet sich gerade im Bau, ebenso eine und Lebensmittel, Medikamente, ja sogar Landeshauptstadt war auch die Familie
neue Housing-Area mit 325 Wohnein- Zeitungen und Krankenwagen. „Es war seiner späteren Frau Priscilla stationiert.
7. Wiesbadener Gesellschaft 7
Wartungsarbeiten
am „Rosinenbomber“:
In den Jahren 1948/49
war Wiesbaden Kom-
mandozentrale und
eines der zentralen
Drehkreuze der Luft-
brücke.
Erinnerungen: Hans
Bergschwenger (unten,
vor der Luftbrücken-
Zentrale in der Wies-
badener Taunusstraße)
erlebte als Fahrer der
Amerikaner die Monate
Historisches Foto: Hans Bergschwenger, privat
der Berlin-Blockade aus
nächster Nähe. Später
wurde er Chauffeur von
Luftbrücken-General
W.H. Tunner (links
bei Bergschwengers
Verabschiedung 1956).
8. 8 Wiesbadener Gesellschaft
Eine Soldatenfamilie:
Jan (rechts) und Robb
Meert (links) genießen
mit ihren Kindern die
knappe Freizeit.
Sport verbindet:
Standortkommandant
Jeffrey Dill übernimmt
nach dem 25-Stunden-
Lauf im Kurpark die
Siegerehrung.
9. Wiesbadener Gesellschaft 9
„Wiesbaden“, schreibt die Historikerin
Anni Baker, „wurde in der Nachkriegs-
zeit fast zu einer amerikanischen Stadt“.
Mit dem Vietnamkrieg in den späten
60er Jahren erlitt die deutsch-amerika-
nische Harmonie einen ersten Dämpfer.
Ein weiterer Rückschlag folgte 1973,
als die US-Luftwaffe von Wiesbaden
ins pfälzische Ramstein umzog und die
Airbase in Erbenheim zum Stützpunkt
des Heeres wurde. Statt gut bezahlter
Airforce-Piloten und Sternegenerälen
kamen nun vorwiegend einfache In-
fanteristen nach Wiesbaden. Rassen-
konflikte, Drogenprobleme und soziale
Spannungen nahmen zu. Abrüstungs-
debatte und Friedensbewegung ließen Gottesdienst in der Hainerberg-Chapel:
auch in Wiesbaden die Distanz zu den Suche nach spiritueller Kraft
USA in den 80er und 90er Jahren weiter
wachsen. Nach den Terroranschlägen
vom 11. September 2001 zogen sich die
US-Bürger aus Sicherheitsgründen fast meln. Auch Timothy und Inga Brown bootrennen im Schiersteiner Hafen, aber
vollständig aus dem Alltagsleben der suchen die Nähe zu der Stadt, die für ei- auch auf kultureller Ebene. Auf viele
Stadt zurück. Im vergangenen Jahrzehnt nige Zeit ihre Heimat sein soll, und schi- amerikanische Besucher hofft zum Bei-
lebten Amerikaner und Deutsche eher cken ihre Kinder in die deutsche Grund- spiel Volker Rattemeyer, der Kurator der
neben- als miteinander. schule und den deutschen Kindergarten. großen Expressionismus-Ausstellung, die
derzeit im Wiesbadener Landesmuseum
Neuer Schwung für eine alte Beziehung In ihrem Reihenhaus versucht Jan Meert gezeigt wird. Sie reiht sich ein in viele
Doch im Kern blieb bei vielen Wies- ihre beiden Söhne für den Fototermin andere Projekte des Museums, das sich
badenern die alte Verbundenheit er- einzufangen. Die 43jährige ist guter seit den 20er Jahren dem künstlerischen
halten. „Ich hatte nie das Gefühl, dass Dinge, denn vor einigen Tagen ist ihr Dialog zwischen Deutschland und den
Wiesbaden so amerikakritisch war wie Ehemann Robb nach einem Jahr heil aus USA verschrieben hat und nach dem
andere deutsche Großstädte“, sagt Gary Afghanistan zurückgekehrt, die Familie Krieg als „Central Collecting Point“ der
Bautell. Als junger GI ist der Mann, der ist endlich wieder komplett. Wie AFN- Amerikaner für deutsche Kunstschätze
bei AFN „als Stimme der amerikanischen Redakteur Plyler stammt die sportliche diente: „Diesen Amerika-Schwerpunkt“,
Soldaten in Europa“ gilt, nach Wiesba- Frau aus einer Soldatenfamilie und betont der langjährige Direktor des
den gekommen. Immer wieder kehrte er kennt die Licht- und Schattenseiten eines Museums, „wollen wir auch in Zukunft
zurück und ist nun seit dreißig Jahren solchen Lebens. Als Zivilangestellte leitet offensiv weiter verfolgen“.
in der hessischen Landeshauptstadt: „Ich sie die Familienabteilung des Wiesbade-
bin Wiesbadener geworden“, sagt der ner Stützpunktes und kümmert sich mit Wenn bis zum Jahresende alle Soldaten
68jährige, der auch Vorsitzender der ihrem Team nicht nur um alle Alltags- der ersten Panzerdivision aus dem Irak
Federation of German-American Clubs sorgen der Soldatenfamilien. „Unser Ziel zurückgekehrt sind, wird Wiesbaden
ist. Die Beziehung zwischen der hes- ist es auch, Widerstandsfähigkeit aufzu- für sie allerdings nur noch Durchgangs-
sischen Landeshauptstadt und der ame- bauen“, sagt sie. Emotionale, soziale und station zurück in die Heimat sein. Statt
rikanischen Gemeinde schlummere im spirituelle Kraft: Sie gehören auch zum der kämpfenden Truppen werden Zug
Moment noch, „aber die Chancen sind Führungskonzept von Standortkomman- um Zug die Mitarbeiter des künftigen
wirklich gut, dass wir unsere spezielle deur Jeffrey Dill. Der Oberst ist Soldat, Kommandozentrums, vor allem Strate-
Freundschaft wieder vertiefen können“. „Bürgermeister“ und Ansprechpartner gen, Logistiker und mehr Zivilangestellte
für seine deutschen Nachbarn in einer als jetzt ihren Dienst auf dem Airfield
Vieles deutet darauf hin, dass sich die Person. Denn auch auf deutscher Seite in Erbenheim antreten und mit ihren
Situation ändert. Immer häufiger ist in wächst das Interesse am amerikanischen Familien nach Wiesbaden kommen.
der Stadt Amerikanisch zu hören. Immer Leben in der Stadt angesichts der Um- Viele Hoffnungen knüpfen sich an diesen
häufiger sieht man nun auch wieder zugspläne wieder. Anknüpfungspunkte Wechsel. Mit einem „Aufschwung der
amerikanische Frauen und Männer in gibt es viele – bei Sportereignissen wie Beziehungen“, rechnet jedenfalls Amerika-
Uniform durch die Fußgängerzone bum- dem 25-Stunden-Lauf oder dem Drachen- freund Hans Bergschwenger fest.
10. 10 Wiesbadener Gesellschaft
Fotos (12): eigenart Eckhardt & Pfannebecker, Wiesbaden I Historische Aufnahmen: John Provan, Kelkheim
Das „Weiße Haus“ in Wiesbaden
Das „Weiße Haus“: 1904 - 1906 ließ Sektmulti Friedrich Wilhelm
Foto: Stadtarchiv Wiesbaden
Söhnlein diese Kopie des amerikanischen Regierungssitzes
erbauen. Die hochherrschaftliche Villa sollte seiner Frau Emma
Papst, Tochter einer Brauereidynastie aus Wisconsin, über ihr
Heimweh hinweg trösten. Bis 1938 lebte die Familie Söhnlein
hier, von 1945 bis Mitte der 1990er Jahre nutzte die amerika-
Präsidialer Glanz: nische Militärbehörde das Gebäude. 1954 zog auch der legendäre
John F. Kennedy 1962 „Eagle Club“ ins Weiße Haus. Aufwändig restauriert beherbergt
auf der Durchreise in es heute ein Café, das in den Sommermonaten geöffnet ist.
Wiesbaden.
Die Rock ’n’ Roll Legende:
Elvis schaute während
seines Militärdienstes
1958-1960 gerne
im „Eagle Club“ vorbei.
11. Wiesbadener Gesellschaft 11
colonel jeffrey dill und oberbürgermeister helmut müller über die zukunft der amerikaner in wiesbaden
„Wir schlagen ein neues Kapitel auf“
Wir treffen Colonel Jeffrey Dill, „Bürger-
meister“ der amerikanischen Militär-
gemeinde, und Oberbürgermeister Helmut
Müller zum Gespräch im Café des Wies-
badener „Weißen Hauses“. Die Atmo-
sphäre ist locker und persönlich, denn
die beiden sind mittlerweile ein einge-
spieltes Team.
Colonel Dill, Herr Oberbürgermeister.
Der Umzug des amerikanischen Europa-
Hauptquartiers nach Wiesbaden hält Sie
ganz schön in Atem.
Dill: Ja, es ist ein Projekt, das an zwei
Orten gleichzeitig stattfindet. Denn wir Auf einen Kaffee ins „Weiße Haus“: Colonel Jeffrey Dill
können nicht einfach unsere Zelte in und Oberbürgermeister Helmut Müller.
Heidelberg abbrechen und am nächsten
Tag hier starten. Im Moment organisie- dung. Schließlich basiert der Wieder- Dill: Und ich hoffe, dass wir den
ren wir dort den Abzug, bereiten Solda- aufbau Wiesbadens nach dem Zweiten Fußball-Pokal nächstes Jahr gut poliert
ten, ihre Familien und die Zivilangestell- Weltkrieg auf Entscheidungen, die die zurückbekommen.
ten vor. Aber zur gleichen Zeit müssen Amerikaner hier getroffen haben. Sie Müller: Aber Spaß beiseite: Wir haben
wir in Wiesbaden die Infrastruktur für haben Wiesbaden zur hessischen Landes- die Grenzen schon mit unserer 60-Jahr-
das neue Hauptquartier schaffen, ohne hauptstadt gemacht, ein Ereignis, das Feier der Luftbrücke vor zwei Jahren
die Menschen, die im Moment hier leben sich dieses Jahr zum 65. Mal jährt. überwinden können. Dieses Jubiläum ist
und arbeiten, zu vernachlässigen – vor auf ein wahnsinniges Interesse gestoßen.
allem nicht die Angehörigen der Solda- Ist der Einschnitt, den es nach Und man darf nicht vergessen: Einige
ten, die jetzt noch im Irak-Einsatz sind den Anschlägen des 11. September Housings sind ja offen für uns. Da gibt
und die unsere Unterstützung brauchen. gab, überwunden? es keine Zäune. Und viele Amerikaner
Müller: Wir stehen auch vor einer Dill: Wir mussten uns zurückziehen. leben heute schon mitten unter den
riesigen logistischen Aufgabe. Anfang Das stimmt. Und natürlich können Wiesbadenern.
des Jahres gab es fast wöchentlich wir auch jetzt nicht alle Tore öffnen.
einen Spatenstich. Unsere gemeinsame Aber wir wollen unsere Partnerschaft Wie stellen Sie sich die Zukunft des
Steuerungsgruppe trifft sich alle sechs wieder stärken und dabei geht es amerikanischen Wiesbadens vor?
Wochen. Dann gibt es viele kleine Pla- mir nicht nur um die Arbeitsebene, Müller: Ich glaube, wir schlagen gerade
nungsgruppen, die für spezielle Themen, sondern auch um die persönliche. Ich ein neues Kapitel in unseren Beziehun-
zum Beispiel für Grundstücksfragen selbst möchte für die Wiesbadener gen auf. Denn die Soldaten, die künftig
zuständig sind. Wir haben allein 22 Hek- sichtbar sein. Den letzten Karnevals- hierher kommen, werden, anders als
tar Land getauscht, deutsche Umwelt- umzug habe ich auf dem Balkon des ihre Landsleute jetzt, während ihrer drei-
standards müssen eingehalten werden, Rathauses mit gefeiert, zum 25-Stunden- jährigen Dienstzeit auch wirklich hier
unsere städtische Energiegesellschaft Lauf im September habe ich den Start- leben. Sie und ihre Familien können
übernimmt die Strom- und Wasserver- schuss gegeben. Es gibt so viele Gele- unsere Stadt dann richtig kennenlernen.
sorgung. Es ist ein großes gemeinsames genheiten, die wir nutzen können, Dill: Wiesbaden wird immer ein be-
Unternehmen. und dazu will ich meine Landsleute mo- vorzugter Stützpunkt für uns bleiben,
tivieren. Vor einigen Tagen hat unser egal in welcher Funktion. Und in den
Was bedeutet der Standortausbau für Team wieder gegen die Landtagsmann- zwanzig Monaten, die ich selbst noch
Wiesbaden? schaft Fußball gespielt. Leider haben als Kommandant hier verbringen werde,
Müller: Er zeigt die Kontinuität unserer wir diesmal verloren. möchte ich diesen Standort für die
Beziehungen und deswegen bin ich sehr Müller: Beim Football haben Sie aber Zukunft weiterentwickeln – eine histo-
glücklich über diese Standortentschei- haushoch gewonnen. rische Aufgabe.
12. 12 Mein Wiesbaden
DER FILMEMACHER VOLKER SCHLÖNDORFF IM GESPRÄCH
„Ich fühle mich als
Wiesbaden-Biebricher
und als Hesse“
Volker Schlöndorff lässt es auch
mit 71 Jahren alles andere als
ruhig angehen. Der 1939 in Wies-
baden als Sohn eines Arztes geborene
Oscar-Preisträger arbeitet gerade an
den Drehbüchern für drei verschiedene
Filme. Für ein Gespräch über Kindheit
und Jugend in Hessen nimmt er sich
dennoch Zeit. Wir erreichen ihn nahe
Berlin, wo er seit fast zwanzig Jahren
lebt. Seine Geburtsstadt, die er noch
immer zwei- bis dreimal im Jahr besucht,
hat er aber keineswegs vergessen.
13. Mein Wiesbaden 13
Herr Schlöndorff, Sie sind schon Sie bezeichnen sich trotz der Wie ist dieser Wunsch
als Jugendlicher auf ein Jesuiten- Kriegskindheit als „Glückskind“. überhaupt entstanden?
internat nach Frankreich gegangen, Kinder haben eine andere Wahrnehmung Das war auch Protest und Opposition
haben in den USA gelebt und sind der Welt. Ich habe keine Kriegserinne- gegen die gefeierte Hochkultur. Mai-
heute in Berlin zu Hause. Fühlen rungen aus den ersten Jahren in Bieb- Festspiele, Theaterstadt, Schauspiel – das
Sie sich noch als Wiesbadener? rich. Bevor es im letzten Kriegsjahr ganz kam mir alles sehr feierlich, verstaubt
Ich fühle mich als Wiesbaden-Biebricher. schlimm wurde, sind wir in den Taunus und steif vor. Film hatte dagegen für
Zu meinen Kindheitserinnerungen gezogen. Da waren wir fernab von den mich unmittelbar mit dem Leben zu tun.
gehören der Schlosspark in Biebrich, Gräueln des Krieges.
das Rheinufer und das Strandbad. Auch Welche Chancen sehen Sie heute
meine Jugenderinnerungen sind mit Wie war nach dem Krieg Ihr für den Film in Wiesbaden?
dem Schloss verbunden, wo die Film- Verhältnis zu den US-Soldaten? Ich habe oft das Gefühl, dass Mainz
bewertungsstelle untergebracht war. Die Amerikaner haben uns gezeigt, dass filmoffener ist, von Frankfurt mit dem
Ich bin damals über die Feuerwehrleiter man sich ganz anders verhalten kann, Filmmuseum gar nicht zu reden. Zum
in die Vorführkabine eingedrungen als es die Deutschen gemeinhin taten: Glück haben wir das Caligari, eine
und konnte mir Filme anschauen. Ich Der Umgang miteinander, die Offenheit, Urzelle des Films. Dort habe ich meine
fühle mich aber insgesamt mehr als die Lockerheit bis hin zum fundamen- ersten Filme gesehen. Dass es noch
Hesse, weil ich in Schlangenbad im talen Demokratieverständnis. Sie haben existiert und die Stadt es aufrechterhält,
Taunus wirklich aufgewachsen bin. sehr viel dazu beigetragen, dass Hessen finde ich ganz toll.
und besonders das Rhein-Main-Gebiet so
Sie sind 1944 nach dem Tod weltläufig geworden sind.
Ihrer Mutter von Biebrich nach
Schlangenbad umgezogen. In Ihr Verhältnis zur deutschen
Ihrer Autobiografie schreiben Sie, Stadt Wiesbaden der 50er Jahre
dass Sie sich noch heute immer erscheint dagegen gespalten.
wieder an diesen Umzug erinnern. Als Jugendliche haben wir uns über-
Warum? haupt nicht wohl gefühlt. Es gab die
Wahrscheinlich ist jeder Umzug ein alten Autoritäten, die alten Sitten.
Foto: Barbara Staubach
Einschnitt, ein Verlust an Boden- Die Ruhe der Kurgäste durfte nicht
haftung. Dazu fiel mein erster Umzug gestört werden. Es begann sich eine
mit dem Tod meiner Mutter zusammen. gutbürgerliche Rentnermentalität
Erst in dem Moment, in dem einzurichten, die ziemlich kunstfeind-
man weiterzieht, wird einem lich war. Für den Oscar-Preisträger ist das
klar, dass der Verlust Caligari-Kino in Wiesbaden eine „Urzelle
endgültig ist. War es da zwangsläufig, dass des Films“.
Sie noch als Schüler nach Frankreich
gegangen sind? Glauben Sie, dass Orte die künstlerische
Gegangen bin ich aus Unternehmungs- Arbeit beeinflussen?
lust. Dass ich geblieben bin, hatte Ganz stark. Meine Jugend im Taunus
etwas Vorgegebenes. Wenn man raus hat mich sehr in dem Sinne der kleinen
Foto: picture alliance, dpa
war und plötzlich merkte, wie viel Leute dort beeinflusst, keine Höhenflüge
offener die Welt woanders war, wollte zu machen, sondern mit beiden Beinen
man nicht unbedingt zurück. auf dem Boden zu bleiben. Das kann
man engstirnig oder bodenständig nen-
Ist in Frankreich auch Ihr nen. Der hessische Sinn für die Reali-
Berufswunsch entstanden? täten hat mich jedenfalls auch in meiner
In Wiesbaden hat diesen Wunsch nur Arbeit sehr beeinflusst.
keiner ernst genommen. In Frankreich
hat der Film dagegen bis heute einen Jetzt leben Sie in Berlin. Würden Sie die
Ist mit beiden Beinen auf dem ganz anderen Stellenwert. Ohne diesen Stadt als Ihre Heimat bezeichnen?
Boden geblieben: Volker Schlöndorff Umweg hätte ich es wahrscheinlich nicht Heimat hebe ich mir für Kindheit und
am Rande der Frankfurter Buchmesse für möglich gehalten, aus diesem etwas Jugend auf, und die gehört zu Hessen.
im Oktober 2008 pubertären Wunsch tatsächlich einen Alles andere sind Stationen im Leben, da
Beruf zu machen. brauche ich keine neue Heimat.
14. 14 Wiesbadener Wirtschaft
Die Kreativen Köpfe
Innovativ, unkonventionell,
risikofreudig
Zahlreiche rankings und preise beweisen es: Wiesbaden muss sich als Kreativstandort nicht verstecken. filmwirtschaft und Buchmarkt
sind fest etabliert, Werbe- und Designagenturen längst mehr als ein Geheimtipp. ein Blick hinter die Kulissen der hiesigen Kreativszene:
Foto: Andreas Baier
türöffner der Kreativszene
in die Stadt: Die Werbe- und
„Fabrikation seit 1890“ steht gefunden. „Wir sind eine „Greb+Neckermann“ und Designspezialisten Stephan
über dem Eingangstor. Das Kreativfamilie“, erzählt „halbtotal“, das Tonstudio Lauhoff (3deluxe), rolf
Gelände erweckt den Ein Stefanie Greb. Sie und ihr „sonaris“, ein Drehbuchau Mehnert (fuenfwerken),
druck, als habe man sich Partner Arndt Neckermann tor und eine Grafikagentur Marcus Wenig (Die firma)
und Michael volkmer
in der Adresse geirrt. Doch haben vor zwei Jahren das untergebracht. (Scholz&volkmer).
der erste Blick täuscht. Im rund 1.500 Quadratmeter
Ambiente der ehemaligen große Gebäude gekauft, „Hier ist alles unter einem
Papierwarenfabrik „Schan entkernt und saniert. In Dach: Vom Konzept bis zur
dua & Söhne“ haben sich dem Loft sind jetzt die bei Postproduction“, sagt Greb.
Filmschaffende zusammen den Filmproduktionsfirmen In der Wiesbadener Kreativ
15. Wiesbadener Wirtschaft 15
Kreativstandort mit potential. Die fakten: rund 6.000 Menschen, das heißt vier prozent aller Beschäftigten, haben im Jahr 2009 in der Wiesbadener
Kreativwirtschaft gearbeitet. Damit liegt die hessische Landeshauptstadt über dem Bundesdurchschnitt. Überdurchschnittlich ist auch die anzahl der
Unternehmen. 12,4 prozent, das sind circa 1.600 von rund 13.000 aller umsatzsteuerpflichtigen Wiesbadener Unternehmen, zählten 2007 zur Kreativszene.
Dabei fährt der Werbemarkt mit 4,9 Millionen euro pro Unternehmen den größten Umsatz ein, auf platz zwei und drei folgen die Designwirtschaft mit
1,7 Millionen und der pressemarkt mit 1,3 Millionen euro. vor allem dem Werbe- und Kommunikationsdesign trauen experten den aufbau eines Clusters
von nationaler Bedeutung zu. Unter den Standortfaktoren rangieren im rhein-Main-Gebiet mit bis zu neunzig prozent Zustimmung Lebensqualität,
erreichbarkeit und Kommunikationsinfrastruktur ganz oben.*
wirtschaft ist die Filmbranche der Werbe und Designbran Jahren. Zu fünft haben sie & Volkmer“ vertreten. Letz
*Quelle: Kreativcluster in Wiesbaden und der Rhein-Main-Region, Studie der European Business School im Auftrag der Stadt Wiesbaden, August 2010
eine feste Größe. Im Medien che kennen sich schon aus damals begonnen, gemein tere zählt mit ihren großen
park „Unter den Eichen“, Studienzeiten an der heutigen sam alle „Höhen und Tiefen Kampagnen für Mercedes
produzierte eine UFATochter Hochschule RheinMain. „Im erlebt“ und mit viel Herzblut Benz oder Coca Cola zu
ihre Nachkriegsstreifen, das Vergleich zu bekannteren die alten Krankenzimmer in den Marktführern unter
ZDF hatte bis 1984 hier seinen Kreativstätten wie Frankfurt moderne Agenturräume ver Deutschlands Digitalagen
Hauptsitz. Rund 80 Kreativ oder Berlin ist Wiesbaden wandelt. turen. Zum Cluster rund um
firmen und der Fachbereich ein überschaubarer Kosmos“, die Alten Kliniken gehört
Medien der Hochschule sagt Marcus Wenig. Der Ge 16 Mitarbeiter sind es heute, auch der MarkenSpezialist
RheinMain sind heute dort schäftsführer der Internet die digitale Kommunikati „Fuenfwerken“.
ansässig. Mit dem Ende der Agentur „Die Firma“ sitzt in onslösungen vor allem im
großen Spielfilmzeit sind die seinem Büro in den Räumen B to BGeschäft kreieren. In Wiesbaden gebe es viele
Filmleute in der hessischen der ehemaligen „Städtischen Auf dem gleichen Areal sind „aktive Netzwerker“, berichtet
Landeshauptstadt auf den Krankenanstalten“ und er auch „3deluxe“, eine viel Robert Mayer, Geschäftsfüh
Bereich Dokumentar und innert sich an die Anfänge fach prämierte Grafik und rer des Softwareunterneh
Imagefilm umgestiegen, des Unternehmens vor zwölf Designagentur, und „Scholz mens „Weltenbauer“. Von
kleine Unternehmen wie
„Selkirk und Heimann“,
die es mit ihren Dokumen
tationen ins ARDHaupt
programm schaffen, oder
„Greb+Neckermann“, die
neben dem ZDF und SWR
auch Wirtschaftskunden wie
die Lufthansa bedienen. „Die
Anhäufung von Sendern in
der Region sorgt dafür, dass
viele kleine Produktions
firmen gut in Wiesbaden
leben können“, betont Arndt
Neckermann.
„Netzwerke wie die ‚FA
BRIKATION‘ sind ein gutes
Beispiel für den Unternehmer
Foto: Andreas Baier
geist, der unter Wiesbadens
Kreativen herrscht“, findet
Wirtschaftsdezernent Detlev
Bendel, „in der Stadt herrsche
ein reges Gründungsklima.“ Die filmschaffenden aus der „fabrikation“ haben elan und den vollen Durchblick. „fabrikationsbesitzer“ sind:
Viele Kreative vor allem aus Stefanie Greb (unten 3. v. r.) und arndt neckermann (unten 2. v. r.)
16. 16 Wiesbadener Wirtschaft
den „lange gewachsenen Standbein der Wiesbadener
persönlichen Kontakten“ Kreativwirtschaft. 1.600 Neu
profitiert auch sein Betrieb. erscheinungen pro Jahr
In einer alten Villa in der bringt allein „Springer Fach
Wiesbadener City Ost, die sie medien Wiesbaden“ heraus.
gerade frisch bezogen haben, Zur Verlagsgruppe gehören
erschaffen Mayer und sein unter anderem der Gabler
Team interaktive 3DWelten, Verlag, Vieweg+Teubner und
die sich bundesweit gut ver der VSVerlag. „Wir bedienen
kaufen. Ein paar Straßen wei alle Universitäten in ganz
ter schaut RolfGünther Hob Deutschland“, sagt Hobbeling.
beling aus dem Fenster seines Wiesbaden, wo jedes Jahr der
Verlagsgebäudes über die Deutsche Fachpressekongress
Stadt. Der Marketingleiter der stattfindet, sei eine „attrak
„Springer Fachmedien“ ver tive Stadt“, sagt Hobbeling.
tritt eine Branche, die man Doch manchmal wünsche er
eher in Frankfurt oder Leipzig sich mehr öffentliches Inte
verorten würde. Doch der resse an der Welt der Fach
Buchmarkt ist schon seit bücher. Viele in der Krea
Jahrzehnten ein stabiles tivszene engagieren sich für
Foto: Andreas Baier
eventmanager Hans reitz setzt auf kreative verantwortung.
eine Öffnung in die Stadt : zu vermitteln, oder komplexe
„Gerade in Zeiten, in denen Sachverhalte aufzubereiten“.
wirtschaftliche Interessen Das gelte speziell für gesell
stark im Vordergrund stehen, schaftlich relevante Themen
könnte die Kreativbranche wie zum Beispiel Klima,
positive Impulse setzen“, er Ernährung und Energie.
klärt Michael Volkmer. Jedes
Jahr veranstaltet der Arbeits „Es geht um kreative Ver
kreis Kreativwirtschaft die antwortung“, betont auch
Designertage „Access All Hans Reitz. Der 44jährige
Areas“, ein Tag der offenen ist gerade auf dem Sprung
Tür, an dem Agenturen mit zum Flieger nach Russland.
ganz unterschiedlichen Profi Einen Wanderzirkus hat er
len ihre Pforten öffnen: schon geleitet, fünf Jahre
„Veranstaltungen wie diese“, ist er durch Indien gereist
betont Bendel, „fördern die bis er sich 1994 mit seiner
Identifikation der Szene mit Eventagentur „circ“ am
der Stadt.“ Medienstandort „Unter den
Eichen“ niedergelassen hat.
Zur Standortprofilierung trägt Reitz gehört zu den Großen
auch die See Conference von in diesem Geschäft. Seine
„Scholz & Volkmer“ bei, die Events sind anders, weil er
zuletzt 800 Teilnehmer in die nur mit Unternehmen zusam
hessische Landeshauptstadt men arbeitet, die sich auch
Foto: Andreas Baier
zog, um über die visuelle Ver ihrer sozialen Verantwortung
arbeitung von Informationen stellen, ein Ansatz, der Groß
zu diskutieren. „Designer“, kunden wie E.ON, BASF und
rolf-Günther Hobbeling, Marketingchef der „Springer fachmedien“. sagt Volkmer, „müssen heute Volkswagen überzeugt. 2007
Die verlagsgruppe bedient alle Universitäten in Deutschland. neue Wege finden um Inhalte hat er die circTochter „circ
17. Wiesbadener Wirtschaft 17
Foto: Andreas Baier
Das team des 3-D-Spezialisten „Weltenbauer“ schafft ungeahnte perspektiven. Unten Mitte: firmengründer robert Mayer
responsibility“ gegründet. betont Wirtschaftsdezernent
Beide Unternehmen arbeiten Bendel. Wiesbaden könne,
seit Januar 2009 nach den glaubt Reitz, beim Thema „so
Prinzipien der von Friedens cial business“ eine weltweite
nobelpreisträger Muhammad Pilotfunktion einnehmen.
Yunus ins Leben gerufenen Der hessischen Landeshaupt
Idee des „social business“. stadt will der Weltenbummler
Mittlerweile bildet „circ respon die Treue halten. „Ich bin jetzt
sibility“ auch ein Joint Venture hier zu Hause“, sagt er. Für
mit dem YunusCenter zum die meisten Kreativen steht
„Grameen Creative Lab“ und der Standort nicht zur Dispo
soll das Projekt in Europa sition. „Wegen der optimalen
voran bringen. Auch in Wies Lage im RheinMainGebiet
Foto: Andreas Baier
baden hat Reitz eine Initiative haben wir uns bewusst für
angestoßen, zu der neben Wiesbaden entschieden“, beto
Grameen unter anderem die nen Stefanie Greb und Arndt
Verlagsgruppe RheinMain, Neckermann. „Wir planen
Wirtschaftsdezernent Detlev Bendel die European Business School für mindestens zehn Jahre“.
findet: „Wiesbaden ist in der Welt der und die Stadt selbst gehören: Auf den Punkt bringt Marcus
Kreativen ein Hidden Champion mit „Auch wir suchen nach neuen Wenig die Vorteile des Stand
großem potential.“
Lösungen für soziale und orts: „Überschaubar, zentral
gesellschaftliche Probleme“, und sehr lebenswert.“
18. 18 Wasserstadt Wiesbaden
u Rheinromantik am u Im historischen Kurviertel:
Biebricher Schloss: „Es Aus einem Quellentümpel
ist völlig ein Mährchen“, wurde im 19. Jahrhundert der
schwärmte der Dichter Kochbrunnen zum schicken
Johann Wolfgang von Mittelpunkt der Wiesbadener
Goethe nach einem Trinkkur mit Wandelhalle
Besuch im August 1814 und Tempel. Brunnenmädchen
über den Blick auf versorgten die Kurgäste mit
Garten und Fluss. Heilwasser.
u Gewässer als Kunst- s Mineralische Ablagerungen
raum: Das weiße Reh von auf dem Kochbrunnen-Sprin-
Michael von Brentano ger: Die alten Römer formten
spiegelt sich im Teich den Sinter zu „mattiakischen
des Neroparks und ist Kugeln“ und schickten sie
ein echter Hingucker. als Haarfärbemittel in ihre
Heimat.
19. Wasserstadt Wiesbaden 19
wellnessfaktor und lebensraum
Aquis Mattiacis* * lat. „den Wassern der Mattiaker [geweiht]“
Diese Vielfalt ist einmalig in Europa
Diese Stadt ruht buchstäblich auf Wasser. Wenn sich die Existenz von Wiesbaden
auf einen Ursprung zurückführen lässt, dann sind es die 26 heißen Quellen.
Der Wasserreichtum hier ist einzigartig. Mehr und mehr macht sich die Stadt daran,
diesen Schatz wieder zu heben.
20. 20 Wasserstadt Wiesbaden
v Der Bäckerbrunnen:
Heißes Wasser für den
Brotteig oder zum Abbrühen
der Schweine holten sich
früher hier die Bäcker und
Metzger. Fünf Pfennig
kostete ein 50-Liter-Fass
mit Thermalwasser. Foto: Archiv Mattiaqua
u Schwitzen und Baden der
besonderen Art: 1913 erbaut,
verbindet die Kaiser-Friedrich-
Therme heute moderne Wellness-
Angebote mit den Badefreuden
des alten Rom und dem
Prunk wilhelminischer Zeit.
s Alte Quelle in neuem Stil:
Die Schützenhofquelle versorgte
früher das Gemeindebad und
das Badehotel Schützenhof.
Man fand hier einen Weihe-
stein der Gesundheitsgöttin
Sirona und Münzen, von
römischen Badegästen, den
Quellgöttern geopfert.
W Wer an einem kühlen Herbsttag durch das Wiesbadener
Zentrum flaniert, sieht vielerorts Dampf aus der Kana-
lisation aufsteigen. Seit mindestens 200.000 Jahren brodelt es
vergeben. „Für mich ist dieses Wasser Natur- und Kulturgut“,
sagt Peter Mikkelsen, Chef des Hotels „Schwarzer Bock“ und
einer der Quellrechtseigentümer an Wiesbadens berühmtester
nach Angaben der Wiesbadener Bädergesellschaft Mattiaqua und ergiebigster Therme, dem Kochbrunnen. Wie das Grand
unter dem Quellenviertel. In 2.000 Meter Tiefe entspringt hier Hotel „Nassauer Hof“ und das Hotel „Zum Bären“ gehört der
mit einer Temperatur von 67 Grad eines der heißesten Ther- „Schwarze Bock“ zu den ältesten noch existierenden „Badhäu-
malwässer Europas. Es gibt so genannte Primärquellen, die sern“ der Stadt. Fasziniert beobachtet der Hotelier, wie viele
direkt aus einem unterirdischen Spaltensystem nach oben stei- Wiesbadener noch heute auf die heilende Kraft des ungewöhn-
gen, und „Sekundärquellen“. Sie verzweigen sich erst später im lich salzhaltigen Wassers vertrauen: Als Trinkkur um den Kör-
zerklüfteten Gestein. „Egal, wo man den Bohrer ansetzt, man per zu entgiften, als Badekur zur Linderung von Rheuma und
stößt überall auf Thermalwasser“, erklärt Mattiaqua-Chef Jörg Gelenkschmerzen oder zur Inhalation bei Atemwegsbeschwerden.
Höhler, „diese Vielfalt ist einmalig in Europa.“
Ohne die Thermalquellen würde es Wiesbaden nicht geben.
Über eine Million Liter heißes Wasser liefern die Wiesbadener Hierin sind sich die Fachleute einig. Gegründet wurde die Stadt
Quellen täglich. Die Quellrechte sind schon seit Jahrhunderten im ersten Jahrhundert vom römischen Militär als eine Art
21. Wasserstadt Wiesbaden 21
Rehazentrum für die von den Kämpfen gegen die Germanen Könige, Komponisten und Literaten, Bankiers und Fabrikanten:
zermürbten Legionäre. „Aquae Mattiacae“, mattiakische Wasser, Wer etwas auf sich hielt, traf sich in den Sommermonaten
nannten die Römer die Stadt. Schon Plinius zählte die Wiesba- in Wiesbaden, kurte, vergnügte sich und unternahm Ausflüge
dener Quellen zu den „wunderbaren Wässern“. Unter der Herr- an den romantischen Rhein. Gewaltige Bauprojekte ließen die
schaft der Flavier entstanden rund um den heutigen Kranzplatz Stadt explosionsartig wachsen. Die Einwohnerzahl kletterte
riesige Thermen mit Schwitzbädern und Laufbrunnen. innerhalb von 100 Jahren von 7.000 auf 100.000.
Wiesbadens erste Blütezeit ging zu Ende, als Rom sich 260 Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war der Boom vorbei.
n. Chr. vom Limes zurückzog. Erst über 500 Jahre später wird Der Krieg und die nachfolgende Inflation ließen große Teile
Einhard, der Biograph Karls des Großen, „Wisibada“ in seinen von Adel und Bürgertum verarmen. Die mondäne Kundschaft
Reisebeschreibungen wieder erwähnen. Um 1300 begann das der „Weltkurstadt“ blieb aus. In den folgenden Jahrzehnten
Geschäft mit dem heißen Wasser erneut. Waren es zunächst ging die Bedeutung der Kur für Wiesbaden mehr und mehr
Badehäuser, die eine äußerst bescheidene Form der Kur anbo- zurück. Die Stadt entwickelte sich zu einem modernen Dienst-
ten, so entstanden im Laufe der folgenden Jahrhunderte immer leistungszentrum, in dem die heißen Quellen immer weniger
mehr und immer großartigere Hotels. Im 19. Jahrhundert genutzt wurden und immer weniger Beachtung fanden.
kulminierte dieser Trend, als die verschlafene Residenzstadt
sich innerhalb weniger Jahrzehnte zum Modebad für Adel und In der Rückschau scheint es manchmal, als habe Wiesbaden
Großbürgertum aus ganz Europa entwickelte. Kaiser und das Wasser, dem es seine Existenz verdankt, zeitweise gar nicht
u Wasserästhetik auch in den Vororten: „Triumph der Galatea“ heißt dieser
nach der Göttin des Meeres benannte Brunnen in Biebrich. Er ist ein Geschenk
des Zementfabrikanten Eugen Dyckerhoff aus dem Jahr 1900.
22. 22 Wasserstadt Wiesbaden
schnell genug verschwinden lassen können. Noch Ende des Erst in den letzten Jahren ist ein Prozess des Umdenkens fest-
18. Jahrhunderts flossen die Bäche mitten durchs Stadtzen- zustellen. Die Stadt erinnert sich mehr und mehr ihrer natür-
trum. Zahlreiche Wassermühlen wurden mit ihnen betrieben. lichen Schätze. Nicht zuletzt der Wellness-Boom erlaubt einen
Doch die Wasserläufe mussten bis auf kleine Teilstücke den neuen Blick auf die heißen Quellen. „Es ist alles da. Man muss
Stadterweiterungen und dem Ausbau der Landwirtschaft wei- es nur nutzen“, sagt Karl Nüser, Geschäftsführer des Nassauer
chen, verschwanden ganz oder wurden in unterirdische Abflüs- Hofes, der seinen Gästen ein eigenes Thermalbad bietet. Brun-
se gezwängt. Ein Ende des 19. Jahrhunderts von Städtebauer nenanlagen wie die in der Wiesbadener Fußgängerzone gele-
Josef Brix geschaffenes Kanalsystem erlaubte es, das Abwasser gene Schützenhofquelle sind in den vergangenen Jahren neu
zusammen mit dem Bachwasser und Thermalwasser zu ent- gestaltet, andere saniert worden.
sorgen und in den Rhein zu leiten.
t Freies Wasser: An die-
sem renaturierten Abschnitt
des Wellritzbaches sehen
Studenten der Wasserwirt-
schaft, wie ein Bachlauf
unter natürlichen Bedin-
gungen aussieht. Früher
floss der einstige „Druden-
bach“ bis in die heutige
Fußgängerzone. Auf seinem
Weg in die Innenstadt soll
er an einigen Stellen bald
wieder ans Tageslicht
kommen.
y Freie Natur: Auf seinem
Weg von der Quelle in Wies-
baden-Naurod bis zum Main
ist dies eine der schönsten
und ursprünglichsten Stellen
am Verlauf des Wickerbachs.
Abenteuerlustige Kinder
können hier Staudämme
bauen, Naturfreunde am
plätschernden Bach ein
Buch lesen, Wanderer eine
Pause einlegen.
23. Wasserstadt Wiesbaden 23
Fotos (13): heikerost.com
u Für die ursprünglich geplante imposante Fontäne reichte der Wasserdruck nicht. u Seit 2007 gibt es sie wieder. Im 19. Jahr-
Wohl aber für die beiden 1856 entworfenen Kaskaden auf dem Bowling Green vor dem hundert ein Hit ist die Kochbrunnenseife
Kurhaus, die zu viel bestaunten Klassikern unter den Springbrunnen geworden sind. auch heute ein echter Verkaufsschlager.
In neuer Pracht erstrahlt seit einigen Jahren auch das Kaiser- Beginn der 90er Jahre vorgearbeitet, um ihr Ziel – eine „öko-
Friedrich-Bad, eine römisch-irische Therme aus der Zeit des logisch durchgängige Fließverbindung von der Quelle bis zur
Kaiserreiches. „Die Badegäste kommen aus dem gesamten Rhein- Mündung“ – zu erreichen, haben die Bachsohle angehoben, das
Main-Gebiet hierher“, betont Bäderchef Höhler. Dazu kommt Bachbett aus seinem Korsett aus Basaltsteinen gelöst und auf
die Nutzung des Thermalwassers als regenerative Energiequelle, diese Weise ein Stück ursprüngliche Landschaft zurückerobert.
etwa zur Beheizung des Rathauses. Die wertvollen Eigenschaften Eine kleine Oase ist auch rund um das erste renaturierte Teil-
des Kochbrunnenwassers werden heute auch wieder kosmetisch stück des Wellritzbaches entstanden. Nachdem eine Projekt-
genutzt. Ein Seifenfabrikant stellt inzwischen wieder die einst gruppe des Wiesbadener Umweltamts und der Hochschule
hoch geschätzte Wiesbadener Kochbrunnenseife her. „Man kann Rhein-Main ihn aus seinen Betonhalbschalen befreit hat, kann
sich immer wieder neu erfinden“, sagt Nüser. er wieder seinen Weg durch die Auenlandschaft suchen. Erlen,
Weiden und besonders widerstandsfähige Seggengrassorten
Das wachsende Bewusstsein für den Wert des Wiesbadener Was- wachsen hier, reinigen das Wasser, stabilisieren mit ihren Wur-
sers wird auch im Umgang mit den einst die Stadt prägenden zeln Uferböschung und Bachsohle.
Bachläufen deutlich. „Heute wollen wir diese Gewässer im Stadt-
bild wieder sichtbar machen“, betont Ernst Kluge, Renaturie- „Wir können hier praktisch direkt vor der Haustür vermitteln,
rungsexperte im Wiesbadener Umweltamt. Ein stärkeres Umwelt- wie Gewässer sich in der freien Wildbahn verhalten“, sagt der
bewusstsein und die zunehmende Hochwasserproblematik haben Wiesbadener Wasserbauingenieur Ernesto Ruiz Rodriguez, der
einen Paradigmenwechsel eingeleitet: „Wir brauchen Bäche, den Wellritzbach als Fließgewässerlehrstrecke und Lehrsaal für
die Platz haben“, sagt der Chemiebauingenieur. „Deswegen ver- seine Studenten nutzt. Auch der Blick des 51jährigen Experten
suchen wir, ihren historischen Zustand wiederherzustellen“. auf das Element Wasser hat sich im Laufe seines Berufslebens
grundlegend geändert: „Früher war ein Gewässer für mich ein
Am Wickerbach im Osten Wiesbadens, einem der größten hydraulisches Ableitungssystem“, sagt er. „Heute begreife ich
Bachsysteme der Stadt, ist dies schon auf weiten Strecken ge- es als Lebensraum für Pflanzen und Tiere und verstehe, dass es
lungen. Stück für Stück haben sich Kluge und sein Team seit Landschaften miteinander vernetzt.“
24. 24 Wiesbadener Geschäftsideen
Wie aus Blüten
die blütensekt-manufaktur
Delikatessen werden
Einfach nur den Anblick blühender Sonnenblumen oder den Duft frischer Rosen zu
genießen, ist Anja Quäschning nicht genug. Sie will auch wissen, wie Sonnenblumen
oder Rosen schmecken. Und deshalb fängt sie deren Geschmack ein.
Von weitem ist nur ihr Strohhut zwi- Holunderblütensekt. Rund 120 Bio-Pro- sie ein Kleinunternehmen mit fünf festen
schen den strahlend gelben Blumen zu dukte bietet Quäschning an. Mitarbeitern und zahlreichen Helfern, die
sehen. Anja Quäschning steht inmitten Gegründet hat die promovierte Bio- sie vor allem zur Erntezeit von März bis
eines Feldes von Sonnenblumen und login ihr Unternehmen im Jahr 2004. Oktober unterstützen. Diese Zeit bedeutet
hält einen geflochtenen Korb in der Doch geweckt wurde ihre Liebe zu Blüten nicht nur enorm viel Arbeit, sondern
Hand, in dem schon einige Blumen lie- und deren Geschmack schon in ihrer erfordert oft auch sehr schnelle Reaktio-
gen. Die Wiesbadenerin erntet. An Kindheit – durch den Holunderblütensirup nen. Denn die Pflanzen stehen nicht zu
diesem Tag sind es Sonnenblumenblü- ihrer Großmutter. „Der war köstlicher als einem festen Stichtag in der Blüte – und
ten, an anderen japanische Kirschblüten alles andere“, erinnert sich Quäschning. dann manchmal nur für kurze Zeit, wie
oder Holunderblüten. Aus den frischen Doch die alte Dame hinterließ nach ihrem etwa die japanische Kirsche. „Sie ent-
Blüten entstehen später weltweit einzig- Tod kein Rezept. Also machte sich die faltet nur fünf Tage im Jahr ihr volles
artige Delikatessen. Enkelin daran, dem Geheimnis auf die Aroma“, erklärt Quäschning.
Quäschning ist Gründerin und In- Spur zu kommen – mit Erfolg. Und nach Insgesamt rund 60 Blüten haben
haberin der Deutschen Blütensekt Manu- jahrelanger Freizeitbeschäftigung mit sich bislang als geeignet erwiesen, um
faktur, die zahlreiche außergewöhnliche Blüten entschloss sie sich, ihr Hobby zum daraus zum Beispiel Sirup oder Salz her-
Produkte anbietet. Bei ihr gibt es zum Beruf zu machen. zustellen. Denn beileibe nicht alles, was
Beispiel Blütensirup aus Salbei- oder Für diese Geschäftsidee bekam schön blüht, muss auch gut schmecken.
Echinaceablüte, Zimtblüten- oder Hibis- sie im Jahr 2005 sogar den hessischen Mit 450 Blüten habe sie bislang schon
kusblütensalz, Blütenzucker, aber auch Gründerpreis. Fünf Jahre später führt experimentiert, sagt Quäschning. In den
25. Wiesbadener Geschäftsideen 25
Nicht nur ein Genuss
für die Augen: Anja
Quäschning und ihre
Mitarbeiter erschaffen
aus Blüten einzig-
artige Delikatessen
wie Blütensirup.
In der Deutschen
Blütensekt Manufaktur
ist Handarbeit gefragt.
meisten Fällen scheitern also die Versuche,
den Geschmack der Natur einzufangen.
Doch wie gelingt es überhaupt, Kirsch-
blütensirup, Rosenblütensalz oder Holunder-
blütensekt herzustellen? An diesem Punkt
gibt sich die sonst so offene Firmenchefin
zugeknöpft. Nur in Umrissen lässt sie durch-
blicken, wie ihre Produkte entstehen: Nach
Fotos (5): Gerhard Hirsch
der Ernte kommen etwa die Blüten, aus
denen Sirup entstehen soll, für einige Wo-
chen oder gar Monate in kaltes Quellwasser.
Der daraus entstehende Extrakt wird für den
Sirup mit Zitronensäure und Zucker ver-
mischt, den zuckerfreien Extrakt mit seinem
intensiven Aroma nutzen zum Beispiel Spit- ihres Unternehmens ist der Blütenschaum- schäften zu finden sind oder direkt in die
zenköche. Chemie, versichert Quäschning, wein: Durch die so genannte Versektung Gastronomie gehen, bietet sie seit diesem
sei an keiner Stelle im Spiel. Und wie ge- von frischen Holunder- oder Rosenblüten Jahr auf ihrer Internetseite www.blueten-
lingt es dann? Geheimnisvoll antwortet sie mit Champagnerhefe entsteht, völlig ohne sekt.de auch die Online-Bestellung an. Vor
darauf nur: „Ich überrede die Blüten, dass Trauben, Blütensekt. Elf Jahre tüftelte allem aber sucht sie noch immer neue Blü-
sie mir ihr Aroma schenken.“ Quäschning, bis sie die perfekte Rezeptur für ten, denen sie ihren Geschmack entlocken
Blütensalze wiederum entstehen, indem ihren Holunderblütensekt gefunden hatte. kann. Deshalb ist vor ihr auch kein Blumen-
die Blüten nach einem ebenfalls geheimen Am Ende ihrer Pläne ist sie aber noch strauß sicher, wie sie offen zugibt: „Wenn
Verfahren mit Salz vermischt werden. Ein lange nicht. Während ihre Produkte bislang ich die Blüten noch nicht probiert habe,
Aushängeschild und zugleich Namensgeber vor allem in ausgewählten Einzelhandelsge- nehme ich jeden Strauß auseinander.“
26. 26 Veranstaltungen und Feste
Herbst und
Winter in Wiesbaden
Die kalte Jahreszeit steht vor der Tür – kein Grund um Trübsal zu blasen.
Die Stadt Wiesbaden hat für Kunstinteressierte, Sportbegeisterte und diejenigen,
die die Vorweihnachtszeit genießen und das Jahr stilvoll beenden wollen, ein
abwechslungsreiches Programm vorbereitet. Das bietet die hessische
Landeshauptstadt im Herbst und Winter:
31. Oktober 2010 – 27. Februar 2011 1. November 2010 – 28. Februar 2011
Ausstellung „Das Geistige in LEGO-Ausstellung
der Kunst – Vom Blauen Reiter zum
Abstrakten Expressionismus“ Unter dem Motto „Design in Stein“ zeigt
René Hoffmeister die größte mobile
Die Ausstellung im Museum Wiesbaden LEGO-Ausstellung Deutschlands im
spannt den Bogen von der Geburtsstunde des Wiesbadener Marktkeller. Zu sehen sind
Expressionismus in Murnau über die Kunst
im Umfeld des Blauen Reiters in München
und die Werkentwicklung der Hauptakteure in
den 1920er Jahren bis hin zur Brückenfunk-
tion der Blauen Vier (Feininger, Jawlensky,
Kandinsky, Klee) für die Verbreitung dieser
Ideen in den USA und deren Auswirkungen
auf die Kunst der Nachkriegszeit.
Passend zu dieser Veranstaltung bietet die
Wiesbaden Marketing GmbH eine Pauschale
ab 62,00 € pro Person im Doppelzimmer.
24. November 2010 –
9. Januar 2011
„Eiszeit“ am Staatstheater spektakuläre Exponate von einer über
drei Meter hohen Saturn-Rakete bis
Ein weiteres Glanzlicht ist die hin zu einem LEGO-Mosaik des Berliner
„ESWE-Eiszeit“ mit ihrer rund 800 Gendarmenmarktes – eine Schau, die
Quadratmeter großen Eisbahn. Am Erwachsene und Kinder gleichermaßen
Warmen Damm vor dem Hessischen begeistert. Sie können hier Live-Modell-
Staatstheater unterhält ein abwechs- bau erleben, an Wettrennen mit einem
lungsreiches Programm mit Eis- selbst gebauten LEGO-Zug teilnehmen
disco, Themenabenden und Eisstock- oder einfach den Ausflug in die faszi-
schießen Jung und Alt. Winterlich- nierende Welt der kleinen bunten Steine
weihnachtlich dekorierte Stände genießen.
mit Glühwein und vielen Leckereien
sorgen rund um das Eisvergnügen Ergänzt werden kann der Besuch der
für das leibliche Wohl. LEGO Ausstellung mit einem Pauschal-
angebot ab 61,50 €.
27. Veranstaltungen und Feste 27
23. November – 23. Dezember 2010
Sternschnuppen Markt
Der Wiesbadener Schloßplatz ist die malerische
Kulisse für den Sternschnuppen Markt. Durch vier
sternengeschmückte Lilien-Tore gelangt man in
eine weihnachtliche Welt mit gold-blauen Markt-
ständen, in der Kunsthandwerker und Speziali-
tätenhändler ihre Waren anbieten oder teilweise
direkt vor Ort anfertigen. Den stimmungsvollen
Auftakt am 23. November sollte man auf keinen
Fall verpassen. Das vorweihnachtliche Begleit-
programm mit Chören, Krippenspielen, Turm-
bläsern, Konzerten und Märchenerzählungen
macht die ganz besondere Stimmung perfekt.
Damit Sie den Sternschnuppen Markt in vollen
Zügen genießen können, bietet Ihnen die Wiesbaden
Marketing GmbH ein Pauschalangebot ab 59,50 €
pro Person im Doppelzimmer an.
31. Dezember 2010
Silvester im Kurhaus Wiesbaden
Stilvoll speisen, flanieren und tanzen: Im histori-
schen Kurhaus können Sie stimmungsvoll ins Jahr
2011 hinein feiern. Im eleganten Ambiente des
Foyers, des Friedrich-von-Thiersch-Saals und vieler
anderer Räume findet hier jedes Jahr eine große
Silvester-Feier statt, die Gourmets, Partybegeisterte
und Freunde von Live-Musik auf ihre Kosten kom-
men lässt. Zum Höhepunkt der Veranstaltung gibt
es traditionell ein musikalisches Höhenfeuerwerk.
Auch in diesem Jahr bietet die Wiesbaden Marketing
GmbH ein attraktives Pauschalangebot ab 101,00 € pro
Person im Doppelzimmer an.
Die Wiesbaden Marketing GmbH bietet
den Besuchern ein breit gefächertes
Angebot an Pauschalen und Leistungs- basispaket für den
bausteinen an, die der Gast ganz wiesbaden-aufenthalt
individuell zusammenstellen und hinzu
buchen kann. Informieren Sie sich im
Internet unter l eine Übernachtung in einem Buchungsanfragen / Reservierung:
www.wiesbaden.de/individualangebote Hotel der Standard-Kategorie Wiesbaden Marketing GmbH
inklusive reichhaltigem Frühstück – Tourist Service –
Monatlich informiert der Tourist- l ein Überraschungspräsent Postfach 60 50 | 65050 Wiesbaden
Newsletter über aktuelle touristische l ein Wiesbaden-Infopaket Tel.: 0611 – 17 29 777
Angebote, Veranstaltungen, Ausflugs- l ein Dumont Reiseführer Wiesbaden Fax: 0611 – 17 29 701
möglichkeiten sowie vielseitige Pauschal- hotel@wiesbaden-marketing.de
arrangements und gibt Tipps für den Anreise: ganzjährig; täglich möglich
nächsten Wiesbaden-Aufenthalt. Eine Buchbarkeit: bis 8 Tage vor Anreise; auf Dieses Paket bildet eine attraktive
kostenfreie Registrierung ist unter Anfrage und nach Verfügbarkeit Grundlage für ein ganz persönliches
www.wiesbaden.de/newsletter möglich. Preis: ab 49,50 € (pro Person im DZ) Wiesbaden-Erlebnis!