1. 1
Stephanie
Grossman
Formschön,
farbenfroh,
zweckentsprechend.
Die
Gestaltung
der
Haushaltwaren
aus
Plaste.
Katalogbeitrag
zu
Katja
Böhme,
Andreas
Ludwig:
Alles
aus
Plaste
–
Versprechen
und
Gebrauch
in
der
DDR.
Köln
2012,
S.
73-‐86.
Auf
Flohmärkten
findet
man
sie
in
den
Kisten
unter
den
Tapeziertischen,
bei
Umzügen
stopft
man
sie
in
die
Kartons
zwischen
das
gute,
sorgfältig
eingewickelte
Porzellan
und
kaum
eine
Erbengemeinschaft
wird
sich
darüber
zerstreiten
–
die
Rede
ist
von
den
zahlreichen
Plastikgegenständen,
die
sich
in
jeder
Küche
finden
lassen.
Auf
dem
ersten
Blick
erscheint
auch
die
in
der
DDR
entstandene
Warenwelt
aus
Plaste
als
anonyme
Massenware
ohne
größeren
Wert,
bei
der
einem
der
Begriff
Design
nicht
in
den
Sinn
käme.
Tatsächlich
spielten
diese
Haushaltsartikel
in
der
Geschichte
der
DDR
nicht
immer
eine
so
nebensächliche
Rolle.
Für
einen
kurzen
Zeitraum
zwischen
1958
und
1960
wurde
ihnen
im
Rahmen
des
Chemieprogramms
eine
geradezu
staatstragende
Funktion
zugewiesen.
Eine
neu
zu
schaffende
Warenwelt
aus
Plaste
sollte
die
privaten
Konsumbedürfnisse
der
Bevölkerung
befriedigen
und
dem
Westen
die
Überlegenheit
des
sozialistischen
Staates
demonstrieren.
Diese
Phase
war
zwar
nur
von
kurzer
Dauer,
sie
blieb
jedoch
nicht
ohne
Folgen
für
diesen
speziellen
Bereich
des
Alltagsdesigns
in
der
DDR.
So
lässt
sich
die
Produktion
der
Haushaltwaren
aus
Plaste
in
drei
Abschnitte
unterteilen:
Die
Zeit
vor,
während
und
nach
dem
Ende
des
Chemieprogramms.
Die
Warenwelt,
die
in
der
unmittelbaren
Nachkriegszeit
zunächst
entstand,
hatte
wenig
Ähnlichkeit
mit
den
bunten
Massenartikeln,
die
wir
heute
mit
Kunststoffen
in
Verbindung
bringen.
Sie
bestand
aus
wenigen,
dunkelfarbigen
Gegenständen,
wie
z.
B.
Schraubdeckeldosen,
Aschenbechern
(Abb.
1),
Zierschalen
oder
-‐tabletts.
Diese
und
ähnliche
Artikel
wurden
überwiegend
aus
Phenolharz
–
besser
bekannt
unter
dem
Markennamen
Bakelit
–
in
kleinen
Betrieben
gefertigt,
die
hauptsächlich
technische
Teile,
Gehäuse
oder
Griffe
produzierten.
Gezielte
Gestaltungsarbeit
fand
zu
diesem
Zeitpunkt
noch
nicht
statt,
entsprechend
uneinheitlich
war
die
Erscheinungsform
der
Produkte.
Kunststoffartikel
der
Nachkriegszeit
Die
Gegenstände,
die
im
Rahmen
dieser
Nebenproduktion
entstanden,
beruhten
überwiegend
auf
älteren
Formen
aus
der
Vorkriegszeit,
die
mit
den
beschränkten
Mitteln
der
Nachkriegszeit
hergestellt
wurden.
In
manchen
Fällen
konnten
Formwerkzeuge,
die
den
Krieg
und
die
Demontagen
durch
die
Sowjetunion
Besatzer
unbeschadet
überstanden
hatten,
weiter
verwendet
werden.
Für
andere
Produkte
baute
man
die
Werkzeuge
mit
den
knappen
Mitteln
der
Nachkriegszeit
nach.
Als
Nachkriegsware
lassen
sich
diese
Artikel
oftmals
nur
durch
die
eingearbeiteten
Markenzeichen
erkennen,
denn
weder
die
Formensprache
noch
die
Farbgebung
alleine
würden
eine
Datierung
in
die
Zeit
nach
1945
vermuten
lassen.
Das
Design
der
unmittelbaren
Nachkriegsjahre
reflektierte
somit
überwiegend
die
Formen
der
Vorkriegszeit,
eine
eigenständige
Formensprache
hatte
sich
zu
diesem
Zeitpunkt
noch
nicht
entwickelt.
Deutlich
wird
dies
am
Beispiel
einer
Schale
aus
der
Produktion
des
VEB
Plasta
Presstoffwerks
Köppelsdorf
(Abb.
2).
Diese
greift
zwar
die
Form
einer
unter
dem
Markennamen
Pollopas
gefertigten
Schale
der
Dynamit
Nobel
AG
von
1935
auf
(Abb.
3),
statt
des
teureren
und
schwieriger
herzustellenden
Harnstoff-‐Formaldehydharzes
wurde
jedoch
Phenol-‐Formaldehydharz
verwendet.
Im
Ergebnis
erscheint
die
jüngere
Schale
aufgrund
der
gedämpften
Farbigkeit
und
der
matten
Oberfläche
älter,
als
das
Modell
aus
den
dreißiger
Jahren.
2. 2
Von
den
Betrieben,
die
nach
1945
auf
dem
Gebiet
der
Sowjetischen
Besatzungszone
die
Produktion
aufnahmen,
konnten
nur
wenige
auf
Erfahrungen
bei
der
systematischen
Gestaltung
von
Konsumgütern
aus
Kunststoff
zurück
blicken.
Zu
den
Herstellern,
die
bereits
in
der
Vorkriegszeit
Gebrauchs-‐
oder
Ziergegenstände
aus
Kunststoff
produzierten
und
ihren
Betrieb
nach
1945
wieder
aufnahmen
oder
weiter
führten
zählten
die
Firma
Isopress
(gegr.
1932),
die
Adler-‐Knopf-‐Fabrik
(gegr.
1924),
die
Glasbijouterie
Zittau
(gegr.
1931),
der
spätere
VEB
Preßstoffwerk
Spremberg
„Dr.
Erani
(gegr.
1867
als
Römmler-‐Werke),
die
Willibald
Böhm
KG,
besser
bekannt
als
Sonja
Plastic
(gegr.
1925),
sowie
der
VEB
Plasta
Preßwerk
Auma
(gegr.
1937).
Das
Warenspektrum
dieser
Betriebe
reichte
von
Knöpfen
und
Modeschmuck
über
Campinggeschirr,
Schalen,
Aschenbecher
und
Dosen
bis
hin
zu
Pressstoffplatten
und
Gehäusen
für
elektrische
Geräte
und
Maschinen.
Entsprechend
unterschiedlich
waren
auch
die
Erfahrungen
bei
der
Produktgestaltung,
die
traditionell
zumeist
ohne
Zutun
von
ausgebildeten
Gestaltern
geschah.
Eine
Ausnahme
stellten
hier
Römmler-‐Werke
dar,
die
unter
anderem
mit
Christian
Dell
zusammen
arbeiteten,
der
von
1922-‐1925
am
Bauhaus
in
Weimar
als
Meister
lehrte
und
zu
den
Pionieren
des
Industriedesigns
in
Deutschland
zählte.1
Auch
die
privaten
Firmenneugründungen
zu
Beginn
der
1950er
Jahre
produzierten
ohne
Gestalter
oder
künstlerische
Beratung.
Gefertigt
wurden
in
der
ersten
Hälfte
der
1950er
Jahre
mehr
oder
weniger
werkstoffgerechte
Werksentwürfe
(Abb.
4),
bewährte
Vorkriegsmodelle
und
Kopien
westdeutscher
Waren.
Wie
das
Warenangebot
gegen
Ende
der
1950er
Jahre
aussah
vermittelt
der
Gebrauchswarenkatalog
Plaste-‐Erzeugnisse
von
1957.
Er
richtete
sich
an
den
Groß-‐
und
Einzelhandel
und
bildet
einen
Großteil
der
damaligen
Konsumgüterproduktion
ab.
Das
rund
400
Artikel
umfassende
Sortiment
reichte
von
einfachen
Küchengerätschaften
über
Blumenübertöpfe
bis
hin
zu
Kämmen,
Taschenspiegeln
und
Kunstledertaschen.
Auffällig
ist,
wie
kleinteilig
und
stilistisch
heterogen
die
Erzeugnisse
sind.
Neben
zahlreichen
einfachen
Gegenständen,
wie
Trinkbechern,
Eierlöffeln
oder
Tellern,
zeigt
der
Katalog
eine
Auswahl
an
nützlichen
Küchengerätschaften,
wie
Gemüsereiben,
Trichter,
Vorratsbehältern
oder
Siebe.
Eher
fragwürdig
in
Bezug
auf
Gestaltung
oder
Haltbarkeit
sind
hingegen
Waren,
wie
ein
Teeservice
aus
Melaminharz
im
barocken
Stil,
Spitzendeckchen
aus
PVC
und
im
asiatischen
Stil
dekorierte
Tabletts
aus
Phenolharzpressmasse
sowie
die
zahlreichen
ornamental
reich
verzierten
Besteckteile
aus
glasklarem
Polystyrol
(Abb.
5).
Die
wenigsten
der
Erzeugnisse
wiesen
eine
Formensprache
auf,
die
sich
aus
den
Eigenschaften
des
Materials
Kunststoff
entwickelt
hatte.
Vielmehr
wurden
die
Gestaltung
von
einem
Willen
zur
Imitation
edlerer
Materialien
und
historischer
Stile
geprägt.
Vergessen
scheinen
die
Bemühungen
des
Deutschen
Werkbundes
und
des
Bauhauses,
materialgerechte
und
zeitgemäße
Formen
zu
entwerfen
und
zu
produzieren,
die
sich
an
den
Bedürfnissen
der
Menschen
und
am
praktischen
Gebrauch
orientierten.
Plaste
für
die
sozialistische
Kultur
Für
die
plastverarbeitende
Industrie
der
DDR
stellte
das
Jahr
1958
eine
bedeutende
Zäsur
dar.
Im
Gesetz
über
den
Siebenjahrplan
von
1959
heißt
es:
„Die
Produktion
von
Konsumgütern
aus
Plaste
ist
im
schnellen
Tempo
zu
entwickeln,
so
daß
der
Bevölkerung
kurzfristig
zweckmäßige
und
formschöne
Plasterzeugnisse
im
großen
Umfang
zur
Verfügung
gestellt
werden
können.“2
1
Siehe
Roman
Schneider
und
Ingeborg
Flagge:
Original
Resopal.
Die
Ästhetik
der
Oberfläche.
Berlin,
2006,
S.
28-‐
34.
2
Auszug
aus
dem
Gesetz
über
den
Siebenjahrplan
1959-‐1965
in
Neues
Deutschland
2.10.59,
S.
9,
zitiert
nach
Walter
Meyer:
Probleme
der
sozialistischen
Gemeinschaftsarbeit
zwischen
der
Konsumgüterproduktion
und
dem
Binnenhandel
der
Deutschen
Demokratischen
Republik
(untersucht
an
den
Wechselbeziehungen
zwischen
der
3. 3
Die
Betonung
der
ästhetischen
Qualitäten
der
Waren
im
Gesetzestext
erfolgte
nicht
von
ungefähr.
Innerhalb
der
sozialistischen
Kulturtheorie
bestand
der
Zweck
eines
Gegenstandes,
eines
Kunstwerkes,
eines
Gebäudes
nicht
nur
einzig
darin,
eine
praktische
Funktion
zu
erfüllen,
vielmehr
sollte
ein
reiches
Dekor,
eine
kunstvolle
Ausfertigung
den
kulturellen
Leistungsstand
des
Volkes,
des
Sozialismus
ausdrücken
und
den
Betrachter
und
Nutzer
mit
Stolz
auf
das
Geleistete
erfüllen.3
Die
gesamte
Lebensumwelt
sollte
bewusstseinsbildend
und
bestätigend
wirken,
um
die
Gesellschaft
auf
ihrem
Weg
zum
vollkommenen
sozialistischen
Staat
zu
unterstützen.
Entsprechend
dieser
Vorgaben
hatten
die
im
Rahmen
des
Chemieprogramms
von
1958
zu
produzierenden
Massenbedarfsartikel
aus
Plaste
die
Aufgabe,
den
Alltag
der
Bevölkerung
nicht
nur
zu
erleichtern,
sondern
auch
schöner
und
moderner
zu
gestalten.
Dieser
Vision
einer
kulturvollen,
sozialistischen
Umweltgestaltung
stand
jedoch
die
Realität
des
tatsächlichen
Warenangebots
gegenüber.
In
einem
ersten
Schritt
wurden
daher
die
vorhandenen
Sortimente
von
staatlichen
Stellen
(dem
Zentralen
Warenkontor
für
Haushaltwaren
und
der
VVB
Plastverarbeitung)
erfasst
und
überprüft.4Zur
Ergänzung
und
Verbesserung
des
Sortiments
vergab
die
VVB
Plastverarbeitung
anschließend
einen
Gestaltungsauftrag
an
das
Institut
für
Entwurf
und
Entwicklung
an
der
Kunsthochschule
Burg
Giebichenstein
in
Halle.
Man
versprach
sich
von
dieser
Auftragsvergabe
an
professionelle
Formgestalter
eine
deutliche
Anhebung
des
ästhetischen
und
qualitativen
Niveaus
der
Warenwelt
der
Zukunft.
Die
mehr
als
200
Objekte,
die
zwischen
1958
und
1960
in
Halle
als
Teil
des
Programmes
Tausend
kleine
Dinge
entstanden,
begleiteten
über
Jahrzehnte
den
Alltag
der
DDR
Bürger.5
Trotz
ihrer
Unauffälligkeit,
die
sich
aus
ihrer
Funktion
als
einfache
Haushaltswaren
ergab,
sind
sie
in
mehr
als
einer
Hinsicht
bemerkenswert.
Zum
einen
stellt
diese
Warengruppe
den
ersten
Versuch
dar,
mit
einem
hohen
ästhetischen
und
funktionellen
Anspruch
ein
ganzes
Warensortiment
im
Rahmen
der
Planwirtschaft
für
die
sozialistische
Gesellschaft
zu
entwerfen.
Zum
anderen
handelte
es
sich
bei
den
Entwerfern
um
die
erste
Generation
der
in
der
DDR
ausgebildeten
Formgestalter,
die
fortan
die
Entwicklung
des
staatlich
gelenkten
Designs
prägen
sollten.
Das
Institut
für
Entwurf
und
Entwicklung,
Halle
Burg
Giebichenstein
Die
fünf
Formgestalter,
die
1958
an
das
Institut
für
Entwurf
und
Entwicklung
an
der
Hochschule
für
industrielle
Formgestaltung
Halle
–
Burg
Giebichenstein
berufen
wurden,
zählten
zu
den
ersten
Hochschulabsolventen
dieses
jungen
Berufes
in
der
DDR
(Abb.
6).
Martin
Kelm
(*1930)
und
Horst
Giese
(*1931)
hatten
zunächst
eine
Ausbildung
zum
Elektroinstallateur
abgeschlossen,
bevor
sie
die
Abteilung
Gerät
an
der
Fachschule
für
angewandte
Kunst
in
Wismar
und
die
Abteilung
Formgestaltung
plastverarbeitenden
Industrie
und
dem
Handel
für
Haushaltwaren
aus
Plaste).
Dissertation
vorgelegt
an
der
Hochschule
für
Binnenhandel
Leipzig.
Oktober
1962,
S.
21.
3
Siehe
Heinz
Hirdina:
Rückwärts
zur
Avantgarde,
vorwärts
zur
Kunst.
Zum
Designverständnis
im
Osten
Deutschlands
zwischen
1950
und
1954.
In
Samson
Dietrich
Sauerbier
(Hg.):
Zwei
Aufbrüche.
Symposion
der
Kunsthochschule
Berlin-‐Weißensee.
Die
ersten
zehn
Jahre.
Sinn
–
Sinne
–
Lehre.
Ansichten
zu
Aussichten,
Berlin,
1997,
S.
127-‐136,
hier
S.131.
4
Siehe
Walter
Meyer:
Probleme
der
sozialistischen
Gemeinschaftsarbeit
zwischen
der
Konsumgüterproduktion
und
dem
Binnenhandel
der
Deutschen
Demokratischen
Republik
(untersucht
an
den
Wechselbeziehungen
zwischen
der
plastverarbeitenden
Industrie
und
dem
Handel
für
Haushaltwaren
aus
Plaste).
Dissertation
vorgelegt
an
der
Hochschule
für
Binnenhandel
Leipzig.
Oktober
1962,
S.
52-‐55.
5
Siehe
die
Liste
der
vom
Institut
für
Entwurf
und
Entwicklung
konzipierten
Erzeugnisse
von
1962.
Archiv
der
Burg
Giebichenstein
–
Kunsthochschule
Halle
BG-‐Rep.
11/ITF/02
o.S.
4. 4
an
der
Hochschule
für
bildende
und
angewandte
Kunst
Berlin-‐Weißensee
besuchten.
Beide
Schulen
gingen
auf
Neugründungen
der
Nachkriegszeit
zurück.
Eine
Orientierung
an
den
Kunstschulausbildungen
der
Weimarer
Zeit
war
in
der
DDR
politisch
unerwünscht.
Ein
Anknüpfen
an
die
von
den
Nationalsozialisten
verfolgten
Kunst-‐
und
Gestaltungstheorien
der
Bauhauszeit
konnte
daher
auch
nach
dem
Ende
des
Zweiten
Weltkrieges
in
der
SBZ/
DDR
nicht
erfolgen.
Die
als
Formalismusdiskussion6
bekannten
politisch
initiierten
Angriffe
gegen
die
Vorkriegsmoderne
führten
dazu,
dass
der
Bruch
mit
diesem
gestalterischen
Erbe
fortgeführt
wurde,
nun
jedoch
unter
dem
Vorzeichen
des
Antikapitalismus.
In
Berlin-‐Weißensee,
aber
auch
an
der
Kunstschule
Halle
kam
es
in
den
Jahren
1948
bis
1952
daher
wiederholt
zu
regelrechten
Säuberungsaktionen
unter
den
Lehrkräften,
die
sich
entweder
der
neuen
Linie
anpassten,
ihren
Beruf
aufgaben
oder
gar
die
DDR
verließen. 7
An
der
Hochschule
Berlin-‐Weißensee
versuchten
die
Formgestalter
unter
der
Leitung
von
Rudi
Högner
sich
den
Angriffen
der
Kulturfunktionäre
dadurch
zu
entziehen,
dass
sie
sich
auf
das
noch
junge
Gebiet
der
technischen
Formgestaltung
konzentrierten.
Nur
so
war
es
möglich,
ornamentlose,
sachliche
Formen
unter
Verwendung
moderner
Materialien
zu
entwerfen,
ohne
sich
des
Formalismus
verdächtig
zu
machen.8
Entsprechend
kamen
mit
Martin
Kelm
und
Horst
Giese
zwei
diplomierte
Formgestalter
nach
Halle,
die
sich
auf
den
Entwurf
technischer
Formen
spezialisiert
hatten
und
das
Wissen
um
die
Möglichkeiten
der
Kunststoffe
und
der
industriellen
Serienproduktion
mit
brachten.
Ergänzt
wurde
die
Gruppe
durch
drei
Absolventen
des
Instituts
für
künstlerische
Werkgestaltung
Burg
Giebichenstein/Halle9:
Albert
Krause
(*1925),
Günter
Reißmann
(*1931)
und
Heinz
Barth
verfügten
als
gelernte
Silberschmiede
bzw.
Keramiker
über
umfangreiche
Erfahrungen
auf
dem
Gebiet
der
Gefäßgestaltung.
Die
1915
als
Handwerker-‐
und
Kunstgewerbeschule
gegründete
Schule
der
Stadt
Halle
galt
neben
dem
Bauhaus
als
eine
der
wichtigsten
Kunst-‐
und
Kunstgewerbeschulen
der
Weimarer
Zeit.
Zu
ihren
Lehrkräften
gehörten
so
bedeutende
Bildhauer
und
Keramiker,
wie
Marguerite
Friedlaender
und
Gerhard
Marcks,
die
in
Halle
einen
künstlerisch
geprägten
Gegenentwurf
zur
industriell
orientierten
Ausbildung
am
Bauhaus
der
Dessauer
Zeit
anstrebten.10
Die
Versuche,
in
der
unmittelbaren
Nachkriegszeit
an
diese
durch
die
Nationalsozialisten
1933
unterbrochenen
Traditionen
anzuknüpfen,
wurden
durch
die
kulturpolitischen
Entwicklungen
der
Jahre
1948
bis
1956
6 Als
Formalismusdiskussion
bzw.
Formalismusstreit
werden
die
kulturpolitischen
Auseinandersetzungen
bezeichnet,
die
ihren
Höhepunkt
in
den
Jahren
1951
bis
1954
erreichten.
Das
Ziel
der
Staatsführung
war
die
Instrumentalisierung
der
Künste
für
die
politischen
Ziele
nach
sowjetischem
Vorbild
und
die
Abschaffung
der
künstlerischen
Autonomie,
die
als
bürgerlich
dekadent
kritisiert
wurde.
7
Zur
Kunsthochschule
Berlin-‐Weißensee:
Hildtrud
Ebert
(Hg.):
Drei
Kapitel
Weißensee.
Dokumente
zur
Geschichte
der
Kunsthochschule
Berlin-‐Weißensee
1946–1957,
Berlin
1996
und
bei
Samson
Dietrich
Sauerbier
(Hg.):
Zwei
Aufbrüche.
Symposion
der
Kunsthochschule
Berlin-‐Weißensee.
Die
ersten
zehn
Jahre.
Sinn
–
Sinne
–
Lehre.
Ansichten
zu
Aussichten,
Berlin
1997.
8
Siehe
Heinz
Hirdina:
Gestalten
für
die
Serie.
Design
in
der
DDR
1949-‐1985.
Dresden
1988,
S.
54-‐63.
9
Die
zahlreichen
Umbenennungen,
die
die
heutige
Burg
Giebichenstein
–
Kunsthochschule
Halle
seit
ihrer
Gründung
1915
erlebte,
spiegeln
die
wechselvolle
Geschichte
der
Schule
wieder.
Für
die
Entwicklung
der
Industriedesignerausbildung
in
Halle
dürfte
die
1956
erfolgte
administrative
Anbindung
der
Schule
unter
den
Namen
Institut
für
künstlerische
Werkgestaltung
an
die
Kunsthochschule
Berlin-‐Weißensee
eine
zentrale
Rolle
gespielt
haben.
1957
erfolgte
die
Gründung
einer
Entwicklungsstelle
für
die
Zusammenarbeit
mit
der
Industrie,
aus
der
1958
das
Institut
für
Entwurf
und
Entwicklung
hervor
ging.
Im
gleichen
Jahr
wurde
das
Institut
für
künstlerische
Werkgestaltung
in
den
Rang
einer
selbständigen
Hochschule
erhoben,
die
bis
1989
den
Namen
Hochschule
für
industrielle
Formgestaltung
Halle
–
Burg
Giebichenstein
führte.
10
Siehe
Renate
Luckner-‐Bien:
Traditionslinien.
Ein
Beitrag
zur
Geschichte
der
Keramik.
In:
Renate
Luckner-‐Bien
(Hrsg):
75
Jahre
Burg
Giebichenstein
1915-‐1990.
Beiträge
zur
Geschichte,
Burg
Giebichenstein
1990,
S.
134-‐153.
5. 5
zunächst
zunichte
gemacht. 11
Es
ist
jedoch
davon
auszugehen,
dass
das
Bewusstsein
um
die
Entwurfsarbeit
der
Vorkriegszeit
durchaus
auch
noch
Mitte
der
1950er
Jahre
an
der
Schule
in
Halle
präsent
und
lebendig
war.
1957
wurde
In
Halle
trafen
somit
zwei
unterschiedliche
Gestaltungsansätze
aufeinander
–
die
eher
technisch
ausgerichtete
Formgestaltung,
wie
sie
in
Berlin-‐Weißensee
gelehrt
wurde
und
die
handwerklich-‐
künstlerisch
geprägte
Arbeitsweise
der
Absolventen
der
Burg
Giebichenstein.
Beide
Einflüsse
lassen
sich
klar
an
den
qualitätsvollen
Entwürfen
erkennen,
die
in
dieser
Zusammenarbeit
in
den
Jahren
1958
bis
1960
am
Institut
für
Entwurf
und
Entwicklung
entstanden.
Die
Ziele
der
Entwurfsarbeit
Der
Auftrag
des
Gestalterkollektivs
bestand
darin,
innerhalb
kürzester
Zeit
eine
große
Anzahl
von
Entwürfen
für
die
Industrie
zu
entwickeln,
um
die
Versorgungslücken
auf
dem
Gebiet
der
Haushaltwaren
zu
schließen.
Die
zu
produzierenden
Waren
sollten
fröhlich
bunt,
die
Formen
elegant
und
praktisch
sein,
um
die
Modernität
und
den
Optimismus
des
jungen
sozialistischen
Staates
zu
verkörpern.
Multifunktionalität
und
Stapelfähigkeit
waren
weitere
wichtige
Aspekte
bei
der
Gestaltung,
um
den
räumlichen
Bedingungen
der
oftmals
recht
kleinen
Neubauwohnungen
oder
dem
Großkücheneinsatz
zu
entsprechen.
Die
Entwürfe
hatten
den
höchsten
Anforderungen
in
Bezug
auf
Gestaltung,
Qualität
und
Haltbarkeit
zu
entsprechen,
denn
im
Gegensatz
zum
Konsumenten
im
kapitalistischen
Ausland
sollte
der
Bürger
der
DDR
eine
maximale
Gegenleistung
für
sein
hart
erarbeitetes
Geld
bekommen.
Künstliche
Kaufanreize
durch
auffälliges
Design
sollten
hingegen
vermieden
werden,
damit
sich
der
Konsument
nicht
gezwungen
fühlen
würde,
einen
funktionstüchtigen
Gegenstand
aufgrund
modischer
Aspekte
durch
einen
neuen
ersetzen
zu
müssen.
Besonders
die
Plastartikel
galten
in
dieser
Hinsicht
als
ein
Herausforderung,
ging
man
doch
von
einer
nahezu
grenzenlosen
Haltbarkeit
der
neuen
Werkstoffe
aus.
Eine
auf
modische
Gestaltung
ausgerichtete
Entwurfstätigkeit
–
bereits
in
den
1960er
Jahren
sprach
man
auch
in
der
DDR
in
diesem
Zusammenhang
vom
Styling
der
Waren
–
wurde
als
Inbegriff
der
kapitalistischen
Warenwirtschaft
von
den
Formgestaltern
abgelehnt.
Die
Entwürfe
sollten
möglichst
neutral
und
zeitlos
sein,
weshalb
auf
Ornamente
und
Muster
weitestgehend
verzichtet
wurde.
Die
entsprechende
Losung
lautete
„modern
ohne
modisch
zu
sein“.
Tatsächlich
hat
sich
dieses
gestalterische
Konzept
als
erfolgreich
erwiesen,
denn
die
meisten
der
Entwürfe
aus
dieser
Zeit
werden
auch
heute
noch
als
formschön
und
elegant
wahrgenommen.
Bei
der
Entwurfsarbeit
standen
jedoch
nicht
nur
die
Bedürfnisse
der
Konsumenten
im
Vordergrund.
Die
Formgestalter
mussten
sich
bei
ihrer
Arbeit
auch
an
den
eingeschränkten
technischen
Möglichkeiten
der
Industrie
und
dem
anhaltenden
Rohstoffmangel
orientieren.
Die
neuen
Waren
sollten
daher
nicht
nur
den
Alltag
der
DDR
Bürger
verschönern,
sondern
auch
der
Industrie
dazu
verhelfen,
Kosten
zu
senken
und
das
teuer
importierte
Material
effizienter
einzusetzen.
Dies
geschah
durch
den
Entwurf
von
Formen,
bei
deren
Herstellung
nur
wenig
Material
in
der
Fertigung
und
bei
der
Nachbearbeitung
verloren
ging
und
durch
die
Wahl
von
Farben,
die
sich
mit
Farbstoffen
und
Pigmenten
aus
heimischer
Produktion
herstellen
ließen.
Die
gleichfalls
knappen
Arbeitskräfte
sollten
gezielter
eingesetzt
werden,
in
dem
die
Herstellung
weitestgehend
automatisiert
ohne
aufwändige
manuelle
Nachbearbeitung
erfolgen
sollte.
Neben
dem
Binnenmarkt
galt
die
Aufmerksamkeit
der
Staatsführung
auch
dem
Exportmarkt.
Die
neu
zu
entwerfenden
Gegenstände
sollten
von
so
hoher
Qualität
sein,
dass
sie
sich
auch
auf
den
westlichen
11
Zur
Geschichte
der
Burg
Giebichenstein
Kunsthochschule
Halle
siehe
Angela
Dolgner:
Architektur
an
der
Burg.
In:
Renate
Luckner-‐Bien
(Hrsg):
75
Jahre
Burg
Giebichenstein
1915
–
1990:
Beiträge
zur
Geschichte.
Halle/Saale
1990,
S.
180-‐197.
6. 6
Märkten
gewinnbringend
absetzen
ließen.
Die
Chemie-‐
und
Plastindustrie
sollte
mit
Hilfe
der
Formgestaltung
zum
erfolgreichen
Konkurrenten
der
westlichen
Firmen
avancieren
und
zum
devisenbringenden
Motor
der
DDR
Wirtschaft
werden.
Die
Entwürfe
Entworfen
wurde
von
den
fünf
Formgestaltern
in
Halle
nahezu
alles,
was
an
Plastartikeln
in
den
Haushalten,
den
Kantinen
oder
beim
Camping
gebraucht
wurde.
Es
entstanden
Zitronenpressen,
Eierlöffel,
Teller,
Tassen,
Schüsseln,
Blumengießkannen,
Eimer,
Milchkannen
und
vieles
mehr
(Abb.
7).
Für
viele
dieser
Arbeiten
lassen
sich
Vorbilder
finden.
An
dieser
Stelle
seien
jedoch
nur
vier
Beispiele
genannt,
die
für
die
verschiedenen
Inspirationsquellen
stehen,
derer
sich
die
Formgestalter
bedienten.
Für
die
Adaption
zeitgenössischer
Entwürfe
steht
exemplarisch
die
von
Horst
Giese
entworfene
Bergbauflasche
(Abb.
8).
Diese
ähnelt
in
ihrer
Grundform
einer
nur
wenige
Jahre
zuvor
von
Wilhelm
Wagenfeld
für
Johannes
Buchsteiner
Plasticwerk
entworfenen
Flasche
(Abb.
9).
Dass
es
sich
dabei
nicht
um
eine
reine
Kopie
handelt,
erkennt
man
an
den
Details,
wie
der
Verbindung
des
Schraubverschlusses
mit
dem
Flaschenkörper.
Die
von
Giese
entwickelte
Lösung
ist
belastbarer
und
bedarf
weniger
Arbeitsschritte
und
Material
bei
der
Fertigung.
Ein
Austausch
des
Haltestücks
ist
bei
Beschädigung
leicht
–
z.B.
durch
ein
Band
–
möglich.
Auch
an
der
Schule
in
Halle
selber
fand
sich
ein
reicher
Fundus
an
Formen.
So
scheint
der
von
Albert
Krause
entworfene
Assiettensatz
aus
Meladur
einen
Konfektschalensatz
von
Gerhard
Marcks
zu
zitieren,
den
dieser
1930
während
seiner
Zeit
in
Halle
für
die
Staatliche
Porzellanmanufaktur
in
Berlin
schuf.
Beide
Entwürfe
bestehen
aus
einem
Tablett
und
kleinen,
quadratischen
Schalen
zur
Aufnahme
verschiedener
Speisen
(Abb.
10
u.
11).
Als
Beispiel
für
die
Adaption
älterer
Entwürfe
sei
hier
lediglich
ein
von
Martin
Kelm
entwickeltes
Teegedeck
erwähnt
(Abb.
12).
Die
Form
der
Tassen
und
der
Tassenhenkel
nimmt
deutlich
Elemente
eines
Services
von
Jutta
Sika
auf,
den
diese
bereits
1903
für
die
Wiener
Porzellanmanufaktur
schuf.
Es
ist
zu
vermuten,
dass
die
Anregung,
sich
mit
diesem,
unter
Keramikern
sicherlich
nicht
unbekannten
-‐
Entwurf
auseinander
zu
setzen,
von
der
Hallenser
Seite
des
Kollektivs
stammte.
Neben
den
namentlich
bekannten
Vorbildern
standen
auch
eine
Vielzahl
von
anonymen
Entwürfen
Pate
für
Neuentwicklungen.
Der
von
Horst
Giese
für
eine
Campinggarnitur
entworfener
Transportbehälter
für
Eier
greift
eine
Form
auf,
deren
Ursprung
nicht
mehr
nachweisbar
ist
(Abb.
13).
Es
lässt
sich
nicht
einmal
mit
Gewissheit
sagen,
in
welchem
Land
diese
Form
erstmals
entwickelt
wurde,
denn
ähnliche
Modelle
finden
sich
sowohl
bei
verschiedenen
deutschen
Herstellern
wie
auch
in
England,
Frankreich,
den
USA
und
Schweden
(Abb.
14).
Die
Liste
der
Beispiele
ließe
sich
noch
weiter
fortführen,
es
bleibt
jedoch
zu
betonen,
dass
es
sich
bei
keinem
der
Entwürfe
um
Kopien
im
eigentlichen
Sinne
handelt.
Der
Großauftrag
der
VVB
Plastverarbeitung
war
trotz
seines
Volumens
für
die
Formgestalter
am
Institut
nur
eine
Aufgabe
von
vielen.
Als
weitere
Industriezweige
wurden
der
Maschinen-‐
und
Gerätebau
betreut,
Gutachtertätigkeiten
wurden
wahrgenommen
und
an
der
Hochschule
selber
waren
die
fünf
Formgestalter
als
Dozenten
in
der
Lehre
tätig.
Vermutlich
entstand
aus
den
Faktoren
Zeit-‐,
Kapazitäten-‐
und
Erfahrungsmangel
eine
Ausgangslage,
bei
der
die
Gestalter
auf
Formen
zurückgriffen,
die
nach
ihren
Maßstäben
als
gelungene
formgestalterische
Lösungen
gelten
konnten.
Wirkliche
Neuentwicklungen
wurden
daher
lediglich
auf
die
Bereiche
beschränkt,
in
denen
nicht
auf
Vorbilder
zurück
gegriffen
werden
konnte.
Wie
sich
die
Arbeit
der
Formgestalter
zusammen
mit
den
verstärkten
Lenkungsmaßnahmen
der
VVB
Plastverarbeitung
auf
das
Warensortiment
auswirkte
lässt
sich
anhand
des
Gebrauchswarenkatalogs
Plaste-‐Erzeugnisse
von
1960
ablesen.
Statt
einer
Vielzahl
gleichartiger
Produkte
wurde
nun
eine
breitere
Palette
mit
weniger
Produktvariationen
abgedeckt.
So
wurden
erstmals
auch
großvolumige
7. 7
Behältnisse
wie
Eimer,
Körbe
und
Milchkannen
aus
Polyethylen
angeboten,
obwohl
deren
Produktion
nach
wie
vor
Schwierigkeiten
bereitete
(Abb.
15).
Die
Waren
wirken
in
ihrer
Erscheinungsform
einheitlicher
und
nicht
mehr
so
stilistisch
heterogen.
Weg
fielen
auch
so
gut
wie
alle
Plastprodukte,
die
andere
Materialien
imitierten.
Der
Gebrauchswarenkatalog
bildete
aber
nicht
die
Gesamtheit
der
Warenproduktion
ab.
Einige
der
Waren,
die
noch
1957
im
ersten
Katalog
abgebildet
waren
finden
sich
in
den
Versandhauskatalogen
der
sechziger
Jahre
wieder
und
waren
auch
weiterhin
im
Einzelhandel
erhältlich.
Produktionsprobleme
und
Absatzschwierigkeiten
Nicht
alle
Entwürfe
aus
Halle
konnten
in
der
Form
umgesetzt
werden,
wie
sie
zunächst
von
den
Gestaltern
entworfen
wurden.
So
mussten
beispielsweise
Entwürfe
verändert
werden,
um
den
Forderungen
der
Verbraucher
zu
entsprechen.
Zur
Illustration
seien
hier
nur
drei
Beispiele
genannt.
Das
vom
Gestalterkollektiv
für
Spremberg
entworfene
Speisegeschirr
(Abb.
16)
wurde
zwar
auf
der
Leipziger
Messe
1961
für
seine
gute
Formgebung
mit
der
Goldmedaille
ausgezeichnet,
dennoch
mussten
die
Gestalter
auf
Grund
von
Verbraucherwünschen
nachträgliche
Änderungen
vornehmen.
Die
moderne,
randlose
–
und
somit
materialsparende
–
Form
der
Teller
kam
bei
den
Konsumenten
nicht
gut
an,
da
sich
derartige
Teller
schlecht
im
befülltem
Zustand
tragen
ließen.
Entsprechend
niedrig
waren
die
Verkaufszahlen,
so
dass
der
Handel
die
zusätzliche
Produktion
von
Tellern
mit
Fahne
einforderte.
Ein
ähnliches
Problem
trat
bei
den
von
Martin
Kelm
entworfenen
Tassen
auf.
Die
zunächst
ohne
Durchbruch
gestalteten
Henkel
wurden
gleichfalls
aufgrund
ihrer
schlechten
Handhabbarkeit
vom
Verbraucher
abgelehnt.
Die
Henkeldurchbrüche
bedeuteten
für
den
Hersteller
jedoch
mehr
Arbeitsschritte,
da
eine
aufwändige
manuelle
Nachbearbeitung
jedes
einzelnen
Henkels
notwendig
war,
um
den
Durchbruch
zu
entgraten.
Auch
die
von
den
Formgestaltern
entwickelten
Farben
stießen
nicht
immer
auf
die
Begeisterung
der
Verbraucher.
So
wurde
bereits
1961
beschlossen,
das
in
Spremberg
produzierte
Geschirr
nicht
mehr
in
türkiser
und
grauer
Tönung
herzustellen,
da
die
Verbraucher
diese
Farben
für
Speisegeschirr
ablehnen
würden.
Auch
das
Ziel
der
Formgestalter,
eine
vollständig
aufeinander
abgestimmte
Warenwelt
aus
Plaste
zu
entwerfen,
konnte
nur
zum
Teil
erreicht
werden.
Zum
einen
gelang
es
den
Formgestaltern
nicht,
ihren
Einfluss
auf
die
privat
geführten
Betriebe
auszuweiten.
Firmen
wie
Kimmel,
WISCO
oder
Kreutz
produzierten
weiterhin
eine
im
wahrsten
Sinne
des
Wortes
bunte
Palette
an
Plastwaren.
Andererseits
führten
Abstimmungsprobleme
zwischen
den
lenkenden
Stellen,
den
beratenden
Instituten
und
den
plastverarbeitenden
Betrieben
neben
den
anhaltenden
technischen
Problemen
dazu,
dass
das
Ziel,
eine
für
alle
Kunststoffe
einheitliche
und
vor
allem
verbindliche
Farbpalette
zu
etablieren,
nicht
erreicht
werden
konnte.
Gestaltungsarbeit
nach
1960
Das
Jahr
1960
stellt
für
die
Haushaltwaren
aus
Plaste
eine
Zäsur
dar.
Nachdem
Mitte
des
Jahres
1960
der
Auftrag
der
VVB
Plastverarbeitung
bis
auf
kleinere
Einzelaufträge
erfüllt
war,
wandten
sich
die
Formgestalter
anderen
Aufgaben
zu.
Die
Gestaltung
der
Haushaltwaren
wurden
fortan
nicht
mehr
als
eine
zentrale
Aufgabe
betrachtet,
da
man
sich
sicher
war,
alle
für
den
Haushalt
notwendigen
Güter
gestaltet
zu
haben.
Die
Zeitlosigkeit
der
Entwürfe
sollte
garantieren,
dass
eine
Erneuerung
der
Produktpalette
aus
modischen
Gründen
nicht
nötig
sein
würde,
und
auch
ein
technischer
Fortschritt,
war
im
Bereich
der
Teller
und
Tassen
nicht
zu
erwarten.
Die
Arbeitskraft
der
Formgestalter
war
damit
frei
für
neue
Aufgaben.
8. 8
Im
Laufe
des
Jahres
1962,
und
somit
ein
Jahr
nachdem
die
Entwurfsarbeit
für
die
VVB
Plastverarbeitung
vom
Institut
für
Entwurf
und
Entwicklung
für
erfolgreich
beendet
erklärt
worden
war,
gelang
es
den
Leuna
Werken
erstmals,
Polystyrol
in
großen
Mengen
herzustellen.
Das
Ergebnis
war
eine
regelrechte
Polystyrolschwemme,
die
nun
der
plastverarbeitende
Industrie
überraschend
zur
Konsumgüterproduktion
zur
Verfügung
stand,
für
die
es
aber
nur
wenige
Formen
gab.
In
den
Werken
entstanden
in
der
Folge
massenhaft
Werksentwürfe
für
preiswerte
Trinkgefäße,
Vorratsdosen,
Besteck
und
Menagerien,
die
den
Konsumenten
eine
dem
Westen
ebenbürtige
Warenvielfalt
vorgaukeln
sollten.
Die
formgestalterische
Ausführung
dieser
Produkte
unterscheidet
sich
deutlich
von
der
geplanten
und
koordinierten
Entwurfsarbeit
des
Instituts
in
Halle.
Die
verwendeten
Farben
waren
bunter,
schriller
und
zunehmend
unverhohlen
wurden
Waren
aus
dem
Westen
kopiert
(Abb.
17).
Das
Ergebnis
war
eine
Rückkehr
zur
heterogenen,
qualitativ
oftmals
minderwertigen
Warenwelt
der
frühen
1950er
Jahre.
Zwar
wurden
viele
der
am
Institut
für
Entwurf
und
Entwicklung
gestalteten
Entwürfe
bis
zur
Wende
weiter
produziert,
sie
gingen
mit
den
Jahren
jedoch
in
der
Masse
der
Werksentwürfe
unter.
Der
gestalterische
Qualitätsschwund
der
Produkte
lässt
sich
jedoch
nicht
nur
auf
die
mangelhafte
Entwurfsarbeit
in
den
Werken
zurück
führen.
Auch
die
professionelle
Formgestaltung
durchlebte
in
der
DDR
einen
Wandel,
der
sich
auf
die
gestaltete
Umwelt
auswirkte.
Mitte
der
1960er
Jahre
zogen
sich
Formgestalter
wie
Horst
Michel
und
Rudi
Högner
altersbedingt
aus
dem
Berufsleben
zurück.
Ihre
Namen
stehen
heute
für
ein
sachliches,
aber
dennoch
künstlerisch
intuitives
Design,
welches
die
Formgestaltung
der
1950er
Jahre
prägte.
Die
nachfolgende
Generation
widmete
sich
weniger
der
Gestaltung
der
privaten
Lebensräume,
als
der
Gestaltung
des
öffentlichen
Raumes
und
der
Arbeitsumwelt,
eine
Entwicklung,
die
sich
bereits
zu
Beginn
der
1960er
Jahre
abzeichnete.
Ihre
Entwürfe
folgten
unter
dem
Einfluss
des
1972
gegründeten
Amts
für
industrielle
Formgestaltung
verstärkt
technischen
Normen
oder
arbeitsergonomischen
Erkenntnissen.
Das
Ergebnis
war
ein
sehr
sprödes,
von
der
Technik
geprägtes,
oftmals
hartkantiges
Design,
welches
insbesondere
von
den
Gestaltern
der
Nachkriegszeit
kritisch
betrachtet
wurde.
So
antwortete
Horst
Michel
in
einem
Interview
von
1973
auf
die
Frage,
ob
es
in
der
DDR
eine
grundlegende
Theorie
der
Industrieformgstaltung
gäbe:
„Die
Grundregeln,
die
sind
doch
schon
geschaffen,
ich
kann
jetzt
nicht
sagen,
an
welcher
Hochschule,
ich
weiß
auch
nicht,
wo
sie
herkommen,
aber
eckig,
grau
und
stapelfähig.“12
Auch
das
Institut
für
Entwurf
und
Entwicklung
in
Halle
durchlebte
zu
Beginn
der
1960er
Jahre
einige
Veränderungen.
Martin
Kelm,
Horst
Giese
und
Günter
Reißmann
verließen
zwischen
1961
und
1963
das
Institut
für
Entwurf
und
Entwicklung,
um
in
Berlin
am
Institut
für
angewandte
Kunst
zu
arbeiten.
Dort
widmete
sich
besonders
Martin
Kelm
der
politischen
Arbeit,
sein
Name
wird
heute
weniger
mit
Entwürfen
für
Plastgeschirr
in
Verbindung
gebracht
als
mit
seiner
politischen
Karriere,
die
ihn
als
Leiter
des
Amts
für
industrielle
Formgestaltung
(AIF)13
bis
in
den
Rang
eines
Staatssekretärs
hob.
In
Halle
lag
nach
diesem
Exodus
der
Fachkräfte
die
Formgestaltung
für
die
Industrie
zunächst
allein
in
den
Händen
von
Manfred
Heintze
und
Albert
Krause.
1966
kam
schließlich
der
Keramiker
Hubert
Petras
an
das
Institut.
Die
von
Petras
1976
für
den
VEB
Presswerk
Ottendorf-‐Okrilla
entworfenen
12
Horst
Michel
im
Interview
mit
Werner
Laux
am
18.9.1973.
Protokoll
des
Tonbandmitschnitts
im
Haus
der
Geschichte
der
Bundesrepublik
Deutschland,
Archiv
der
Sammlung
Industrielle
Gestaltung
Berlin.
Archiv
HdG-‐SIG,
Ordner
Interviews,
S.
32.
13
Das
Amt
für
Industrielle
Formgestaltung
war
von
1972-‐1990
die
staatliche
Behörde
für
die
Leitung
und
Überwachung
der
industriellen
Formgestaltung
in
der
DDR.
9. 9
Wannen
und
Bottiche
aus
Polypropylen
zählen
zu
den
wenigen
heute
namentlich
bekannten
Gestalterarbeiten
auf
dem
Gebiet
der
Haushaltwaren
der
1970er
Jahre.
Dieser
Entwurf
von
Petras
verdeutlicht
noch
einmal,
dass
aus
dem
Zusammenspiel
von
künstlerisch-‐handwerklichen
Erfahrungen
und
dem
tiefgehenden
Verständnis
der
Möglichkeiten
der
industriellen
Fertigung
hochwertige
und
zeitlose
Formen
entstehen,
die
auch
heute
noch
überzeugen
können.
10. 10
Abbildungen
Abb.
1
Aschenbecher
aus
Phenolformaldehydharz,
Preßstoffwerk
Spremberg,
c.
1955.
Abb.
2
Schale
aus
Phenolformaldehydharz,
VEB
Plasta
Pressstoffwerk
Köppelsdorf,
c.
1950.
Abb.
3
Vorsatzblatt
der
Preisliste
Nr.
7
für
TROPAS-‐WAREN,
gültig
ab
1.
Januar
1938.
Sammlung
Kay
Meiners.
11. 11
Abb.
4:
Milchkanne
aus
Polystyrol,
Willibald
Böhm
KG
/
Sonja
Plastic,
c.
1956.
Abb.
5:
Haushaltwarenkatalog
Plasterzeugnisse,
1957.
12. 12
Abb.
6:
Die
Formgestalter
des
Instituts
für
Entwurf
und
Entwicklung
1959.
Von
links
nach
recht:
Heinz
Barth,
Günter
Reißmann,
Horst
Giese,
Manfred
Heintze,
Albert
Krause,
Martin
Kelm;
Foto:
Walter
Danz.
Bildrechte:
Archiv
der
Burg
Giebichenstein,
Kunsthochschule
Halle.
Abb.
7:
Ausstellung
des
Instituts
für
Entwurf
und
Entwicklung
an
der
Hochschule
für
industrielle
Formgestaltung
Halle
Burg
Giebichenstein,
1960.
Foto:
Walter
Danz.
Bildrechte:
Archiv
der
Burg
Giebichenstein,
Kunsthochschule
Halle.
13. 13
Abb.
8:
Bergbauflasche
aus
Polyethylen
und
Melaminharz,
Entwurf
Horst
Giese
Giese,
VEB
Preßwerk
Tambach,
c.
1960.
Abb.
9:
Trinkflasche
aus
Polyethylen,
Entwurf
Wilhelm
Wagenfeld
für
das
Johannes
Bruchsteiner
Plastic
Werk
von
1956.
Wilhelm
Wagenfeld
Stiftung
(c)
VG
Bild-‐
Kunst,
Bonn
2012.
14. 14
Abb.
10:
Konfektschalensatz
aus
Porzellan,
Entwurf
Gerhard
Marcks,
Ausführung
Staatliche
Porzellanmanufaktur
Berlin,
1930.
Manufakturarchiv
der
Königlichen
Porzellan-‐Manufaktur
Berlin
GmbH.
Abb.
11:
Assiettensatz
aus
Melaminharz
(Meladur),
Entwurf
Albert
Krause
1959.
Bildrechte
Archiv
der
Stiftung
Haus
der
Geschichte
der
Bundesrepublik
Deutschland
-‐
Sammlung
Industrielle
Gestaltung.
Abb.
12:
Tee-‐
oder
Kaffeegedeck
aus
Melaminharz
(Meladur),
Entwurf
Martin
Kelm
1959,
Ausführung
VEB
Plastverarbeitungswerk
Schwerin.
Bildrechte:
Archiv
der
Burg
Giebichenstein,
Kunsthochschule
Halle.
15. 15
Abb.
13:
Transportbehälter
für
Eier
als
Teil
eines
Camping-‐Eimers.
Entwurf
Horst
Giese
1959.
Bildrechte
Archiv
der
Stiftung
Haus
der
Geschichte
der
Bundesrepublik
Deutschland
-‐
Sammlung
Industrielle
Gestaltung.
Abb.
14:
Transportbehälter
für
Eier,
Glasbijouterie
Zittau,
c.
1963.
16. 16
Abb.
15:
Gebrauchswarenkatalog
Plaste-‐Erzeugnisse,
Herausgegeben
vom
Zentralen
Warenkontor
für
Haushaltswaren
des
Ministeriums
für
Handel
und
Versorgung,
Berlin,
o.J.
(ca.
1961).
Abb.
16:
Speiseservice
aus
Melaminharz,
Entwurf
Gestalterkollektiv
des
Instituts
für
Entwurf
und
Entwicklung
Halle,
1959.
Messeprospekt
zur
Leipziger
Herbstmesse
des
VEB
Pressstoffwerks
„Dr.
Erani“
Spremberg,
1964.
Abb.
17:
Brotschale
aus
Polystyrol,
unbekannter
Hersteller.
Das
Warenzeichen
P
für
Pneumant
lässt
darauf
schließen,
dass
die
Schale
in
der
DDR
nach
1970
hergestellt
wurde.
Die
Form
der
Schale
zeigt
eine
große
Ähnlichkeit
zu
einem
Entwurf
für
eine
Brotschale
aus
Edelstahl
den
Wilhelm
Wagenfeld
für
WMF
schuf