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E 2.3
Wenn Männer Hunde beißen
Nachrichtenkriterien




                                                               Andreas Archut



Was macht einen Text zur Nachricht? Die wohl bekannteste Definition verdanken wir John B.
Bogart (1848-1921), Lokalredakteur bei der “New York Sun”: „When a dog bites a man, that is not
news, because it happens so often. But if a man bites a dog, that is news.“
Vorgänge, die immer wieder stattfinden, die alltäglich sind und einem erwarteten Schema folgen,
werden sich kaum als Nachricht eignen. Erst, wenn gewohnte Abläufe durchbrochen werden, wenn
etwas Unerwartetes geschieht, ändert sich das. Was genau sind die Faktoren, die aus einer Nicht-
Nachricht eine Nachricht machen? Bei näherem Hinsehen erkennt man schnell eine Reihe von
allgemein gültigen Nachrichtenkriterien. Auch Nachrichten aus der Wissenschaft müssen erst ein-
mal diese „Filter“ überwinden, wenn sie es in die Berichterstattung schaffen wollen. Es lohnt sich
daher, genauer hinzuschauen. Denn ein Pressetext, der nicht mindestens eines dieser Nach-
richtenkriterien bedient, hat kaum eine Chance, redaktionelle Berücksichtigung zu finden.


Gliederung                                                                                  Seite

1.      Nachrichtenkriterium Neuigkeit/Aktualität                                               2
2.      Nachrichtenkriterium Nähe                                                               3
3.      Nachrichtenkriterien Konflikt/Kampf und Dramatik                                        4
4.      Nachrichtenkriterien Gefühl, Liebe und Sex                                              4
5.      Nachrichtenkriterium Prominenz                                                          5




HWK 1 00 08 03                                                                                  1
E 2.3                                            Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür?

Texte für die Presse und Öffentlichkeitsarbeit




                                1.      Nachrichtenkriterium Neuigkeit/Aktualität
Neuigkeit ist ein               Was gibt's Neues? Wenn Menschen sich treffen, werden Informationen
dehnbarer Begriff!              ausgetauscht. Neuigkeit ist ein flüchtiges Nachrichtenkriterium, das
                                sich durch zeitliche Unmittelbarkeit auszeichnet. Dabei muss ein
                                Ereignis nicht unbedingt gerade erst passiert sein, um als neu oder
                                aktuell wahrgenommen zu werden. So wird die Information über ein
                                Forschungsergebnis auch dann noch als „neu“ wahrgenommen, wenn
                                die eigentliche Entdeckung bereits Monate zurückliegt, aber erst jetzt
                                publiziert wird.

                                Ein erstaunliches Phänomen ist es, dass vermeintliche Neuigkeiten
                                immer wieder auftreten können, da das Erinnerungsvermögen der
                                Öffentlichkeit offenbar begrenzt ist. So verkündeten der
                                amerikanische Wissenschaftler Craig Venter von der Firma Celera
                                Genomics und das öffentlich finanzierte          Humangenomprojekt
                                (HUGO) 2001 nacheinander, das menschliche Genom zu 99 Prozent
                                entziffert zu haben. Die Medien reagierten jedes Mal begeistert. Auch,
                                als beide Kontrahenten 2003 gemeinsam erklärten, das Genom nun
                                wirklich entschlüsselt zu haben (die Daten waren 2001 noch sehr
                                fehlerhaft gewesen).

Superlative machen              Themen, die als „aktuell“ gelten, bewegen die Öffentlichkeit gerade
Nachrichten attraktiver         besonders. Nachrichten, die an das aktuelle Interesse anknüpfen
                                können, haben es leichter, wahrgenommen zu werden. Auch Super-
                                lative erhöhen den Neuigkeitswert von Nachrichten ungemein. Der
                                größte Elektronenbeschleuniger der Welt, die kleinste Brezel (ein aus
                                wenigen Atomen bestehendes Molekül), die längste Vorlesung, der äl-
                                teste Mensch – das ist Stoff für Nachrichten, die es in der Auf-
                                merksamkeit weit nach vorne schaffen. Ebenfalls in diese Kategorie –
                                quasi als zeitlicher Superlativ – fallen Nachrichten, in denen über
                                etwas berichtet wird, das „zum ersten Mal“ stattfindet. Auch an sol-
                                chen Meldungen kommen Redakteure kaum vorbei. Natürlich sollten
                                vermeldete Superlative auch von anderen als solche wahrgenommen
                                werden. So ist die „größte Industrieausstellung im südlichen Ostwest-
                                falen“ allenfalls noch für ein paar Zeilen in der Lokalzeitung gut,
                                überregional wird sie kaum Beachtung finden. Und Vorsicht! Nichts
                                ist peinlicher als ein Superlativ, der sich hinterher als falsch her-
                                ausstellt.




2                                                                                       HWK 1 00 08 03
E 2.3                                            Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür?

Texte für die Presse und Öffentlichkeitsarbeit




    Informationen zum Autor:
    Dr. Andreas Archut ist seit 2000 Leiter der Abteilung Presse und Kommunikation und
    Pressesprecher der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Seit Herbst 2004 ist er
    Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Hochschulpressestellen in Deutschland. Der promovierte
    Chemiker war nach Abschluss seiner akademischen Ausbildung freier Mitarbeiter der Bonner
    Rundschau und ab 1998 als Redakteur im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen
    Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Forschungskommunikation verantwortlich. Er unterrichtete in
    Medientrainings Kollegiaten von DFG-geförderten Graduiertenkollegs. Journalistische Erfahrung
    sammelte Archut bereits als Schüler und Student als freier Mitarbeiter der Frankfurter Allgemeinen
    Zeitung, der Bonner Rundschau, der Honnefer Volkszeitung und bei Radio Bonn/Rhein-Sieg.




6                                                                                         HWK 1 00 08 03

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Andreas Archut: Nachrichtenkriterien

  • 1. E 2.3 Wenn Männer Hunde beißen Nachrichtenkriterien Andreas Archut Was macht einen Text zur Nachricht? Die wohl bekannteste Definition verdanken wir John B. Bogart (1848-1921), Lokalredakteur bei der “New York Sun”: „When a dog bites a man, that is not news, because it happens so often. But if a man bites a dog, that is news.“ Vorgänge, die immer wieder stattfinden, die alltäglich sind und einem erwarteten Schema folgen, werden sich kaum als Nachricht eignen. Erst, wenn gewohnte Abläufe durchbrochen werden, wenn etwas Unerwartetes geschieht, ändert sich das. Was genau sind die Faktoren, die aus einer Nicht- Nachricht eine Nachricht machen? Bei näherem Hinsehen erkennt man schnell eine Reihe von allgemein gültigen Nachrichtenkriterien. Auch Nachrichten aus der Wissenschaft müssen erst ein- mal diese „Filter“ überwinden, wenn sie es in die Berichterstattung schaffen wollen. Es lohnt sich daher, genauer hinzuschauen. Denn ein Pressetext, der nicht mindestens eines dieser Nach- richtenkriterien bedient, hat kaum eine Chance, redaktionelle Berücksichtigung zu finden. Gliederung Seite 1. Nachrichtenkriterium Neuigkeit/Aktualität 2 2. Nachrichtenkriterium Nähe 3 3. Nachrichtenkriterien Konflikt/Kampf und Dramatik 4 4. Nachrichtenkriterien Gefühl, Liebe und Sex 4 5. Nachrichtenkriterium Prominenz 5 HWK 1 00 08 03 1
  • 2. E 2.3 Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür? Texte für die Presse und Öffentlichkeitsarbeit 1. Nachrichtenkriterium Neuigkeit/Aktualität Neuigkeit ist ein Was gibt's Neues? Wenn Menschen sich treffen, werden Informationen dehnbarer Begriff! ausgetauscht. Neuigkeit ist ein flüchtiges Nachrichtenkriterium, das sich durch zeitliche Unmittelbarkeit auszeichnet. Dabei muss ein Ereignis nicht unbedingt gerade erst passiert sein, um als neu oder aktuell wahrgenommen zu werden. So wird die Information über ein Forschungsergebnis auch dann noch als „neu“ wahrgenommen, wenn die eigentliche Entdeckung bereits Monate zurückliegt, aber erst jetzt publiziert wird. Ein erstaunliches Phänomen ist es, dass vermeintliche Neuigkeiten immer wieder auftreten können, da das Erinnerungsvermögen der Öffentlichkeit offenbar begrenzt ist. So verkündeten der amerikanische Wissenschaftler Craig Venter von der Firma Celera Genomics und das öffentlich finanzierte Humangenomprojekt (HUGO) 2001 nacheinander, das menschliche Genom zu 99 Prozent entziffert zu haben. Die Medien reagierten jedes Mal begeistert. Auch, als beide Kontrahenten 2003 gemeinsam erklärten, das Genom nun wirklich entschlüsselt zu haben (die Daten waren 2001 noch sehr fehlerhaft gewesen). Superlative machen Themen, die als „aktuell“ gelten, bewegen die Öffentlichkeit gerade Nachrichten attraktiver besonders. Nachrichten, die an das aktuelle Interesse anknüpfen können, haben es leichter, wahrgenommen zu werden. Auch Super- lative erhöhen den Neuigkeitswert von Nachrichten ungemein. Der größte Elektronenbeschleuniger der Welt, die kleinste Brezel (ein aus wenigen Atomen bestehendes Molekül), die längste Vorlesung, der äl- teste Mensch – das ist Stoff für Nachrichten, die es in der Auf- merksamkeit weit nach vorne schaffen. Ebenfalls in diese Kategorie – quasi als zeitlicher Superlativ – fallen Nachrichten, in denen über etwas berichtet wird, das „zum ersten Mal“ stattfindet. Auch an sol- chen Meldungen kommen Redakteure kaum vorbei. Natürlich sollten vermeldete Superlative auch von anderen als solche wahrgenommen werden. So ist die „größte Industrieausstellung im südlichen Ostwest- falen“ allenfalls noch für ein paar Zeilen in der Lokalzeitung gut, überregional wird sie kaum Beachtung finden. Und Vorsicht! Nichts ist peinlicher als ein Superlativ, der sich hinterher als falsch her- ausstellt. 2 HWK 1 00 08 03
  • 3. E 2.3 Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür? Texte für die Presse und Öffentlichkeitsarbeit Informationen zum Autor: Dr. Andreas Archut ist seit 2000 Leiter der Abteilung Presse und Kommunikation und Pressesprecher der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Seit Herbst 2004 ist er Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Hochschulpressestellen in Deutschland. Der promovierte Chemiker war nach Abschluss seiner akademischen Ausbildung freier Mitarbeiter der Bonner Rundschau und ab 1998 als Redakteur im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Forschungskommunikation verantwortlich. Er unterrichtete in Medientrainings Kollegiaten von DFG-geförderten Graduiertenkollegs. Journalistische Erfahrung sammelte Archut bereits als Schüler und Student als freier Mitarbeiter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Bonner Rundschau, der Honnefer Volkszeitung und bei Radio Bonn/Rhein-Sieg. 6 HWK 1 00 08 03