Wenn Wissenschaft Wissen schafft, was wird dann aus dem Wissen? In einer demokratischen Gesellschaft sollte es auch denjenigen zugänglich gemacht werden, die es finanziert haben – für öffentlich alimentierte Forschungseinrichtungen bedeutet das nichts anderes als Kommunikation mit den Steuerzahlern. In einer Form, die „ankommt“, die erklärungsbedürftige Wissenschaft auf anschauliche Weise transparent macht – warum nicht in einer Ausstellung? Wie sie geplant, realisiert und präsentiert wird, warum auch eine Vorstellung im Ausland Sinn macht und dass man Ausstellungen nicht nur „über“ sondern auch „für“ die Wissenschaft machen kann, erklärt dieser Beitrag.
1. E 14.7
Ausgestellte Forschung – das inszenierte Wissen
Dieter Hüsken
Wenn Wissenschaft Wissen schafft, was wird dann aus dem Wissen? In einer demokratischen Ge-
sellschaft sollte es auch denjenigen zugänglich gemacht werden, die es finanziert haben – für öf-
fentlich alimentierte Forschungseinrichtungen bedeutet das nichts anderes als Kommunikation mit
den Steuerzahlern. In einer Form, die „ankommt“, die erklärungsbedürftige Wissenschaft auf an-
schauliche Weise transparent macht – warum nicht in einer Ausstellung? Wie sie geplant, realisiert
und präsentiert wird, warum auch eine Vorstellung im Ausland Sinn macht und dass man Ausstel-
lungen nicht nur „über“ sondern auch „für“ die Wissenschaft machen kann, erklärt dieser Beitrag.
Gliederung Seite
1. Von Ausstellungen und Einstellungen 2
2. Die Planung 6
3. Die Realisierung 14
4. Die Präsentation 17
5. Tournee 22
6. Eine Ausstellung für die Wissenschaft 29
HWK 1 05 09 06 1
2. E 14.7 Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür?
Wissenschaft erlebbar machen
Öffentlich bedeutet
„nicht geheim, sondern vor aller Augen,
seiend und geschehend, so dass es jedermann
sehen, hören, lesen und wissen kann.“
Gebrüder Grimm
1. Von Ausstellungen und Einstellungen
1.1 Über die Effektivität eines Mediums
Viele Wege führen in die Öffentlichkeit. Wenn es um den direkten,
den ungefilterten Zugang zu den Menschen geht, dann erweist sich
eine Ausstellung als besonders effektives Medium. Dabei liegt ihr
Wert nicht allein in der reinen Darstellung von Inhalten. Ausstellungen
können mehr. Sie können etwas „bewegen“, sie können Ansichten
verändern und Perspektiven aufzeigen. Sie machen Wissen – im
wahrsten Sinne des Wortes – „begreifbar“. Eine gute Ausstellung ist
ein multi-funktionales Instrument der Öffentlichkeitsarbeit. Sie bietet
eine spannende Begegnung mit dem Unbekannten, dem Neuen; eine
gute Ausstellung ist das ideale Medium, um Ideen zu vermitteln und
Visionen zu entwerfen.
Medium Ausstellung Wo immer heute Informationen verbreitet werden, konkurrieren sie
mit anderen, und nur dort, wo sie angenommen werden, kommt es zur
Kommunikation. Tatsächlich ist diese eher banal klingende Erkenntnis
der Knackpunkt der Kommunikation. Wenn eine Mitteilung ihren
Empfänger verfehlt, waren alle Mühen des Absenders vergebens. Das
Medium Ausstellung kann Forschungsergebnisse wirkungsvoll ver-
breiten. Wer mit einem besonderen Anliegen die Öffentlichkeit errei-
chen will, dem bietet dieses Instrument eine zuverlässige Navigation
zur Aufmerksamkeit der anvisierten Zielgruppe.
Besondere Ausstellungen können Einstellungen verändern. Ursache dafür ist die
Inhaltsvermittlung spezielle Form der Inhaltsvermittlung. Der Weg ins Bewusstsein der
Menschen führt über ihre Sinne. Sie zu aktivieren, also einzubinden
in den Prozess der Informationsvermittlung, erhöht die Chance auf
Wahrnehmung. Bei Fernsehzuschauern zum Beispiel hinterlassen
Nachrichten, die ohne jeden optischen Reiz vorgelesen werden,
kaum Eindruck. Etwa die Hälfte, so wurde einmal ermittelt, vergisst
sofort wieder, was ihnen der Sprecher vorgetragen hat. Schon deut-
lich klarer wird die Erinnerung hingegen, wenn die verlesene Nach-
richt mit Standbildern kombiniert wird. Doch erst der Film zur Nach-
richt hilft dem Gedächtnis der Zuschauer vollends auf die Sprünge
und löst fast immer Erinnerungen aus. Es macht also Sinn, Kommu-
nikation „sinnvoll“ zu gestalten.
2 HWK 1 05 09 06
3. Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür? E 14.7
Wissenschaft erlebbar machen
Während die meisten Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit zwei- Ausstellungen wirken!
dimensionaler Struktur sind, verfügt eine Ausstellung über eine zu-
sätzliche Wirkungsebene. Die dreidimensionale, „raumfüllende“ Prä-
sentation von Informationen erlaubt eine Bündelung vieler Einzelme-
dien. Auf diese Weise mobilisieren Ausstellungen die Sinne und opti-
mieren damit den Informationstransfer. Hier kann der Besucher sehen,
fühlen, hören und gelegentlich auch riechen. Zudem „erläuft“ er sich
seinen Erkenntnisgewinn, indem ihn ein bewusst arrangiertes System
von Laufwegen durch die Ausstellung leitet. Es findet also ein qualita-
tiver Wandel vom passiven Informationskonsumenten zum aktiven
Teilnehmer eines Wahrnehmungsprozesses statt. Dabei werden die
Eindrücke, die er „mit nach Hause nimmt“, entscheidend bestimmt
durch die Aktivierung seiner Sinne. Sie sind das Transportvehikel der
angebotenen Informationen. Darin liegt die große Stärke einer guten
Ausstellung: Was sie zeigt, prägt sich ein.
1.2 Die Bringschuld der Wissenschaft
Privatwirtschaftliche Unternehmen können, öffentlich alimentierte Insti- Anspruch der Gebenden
tutionen (sogenannte Zuwendungsempfänger) müssen sich der Öffent-
lichkeit stellen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) etwa
erhält für ihre Fördertätigkeit in jedem Jahr von Bund und Ländern rund
zwei Milliarden Euro. Wenn es um derartige Summen aus der Hand des
Steuerzahlers geht, treffen in einem besonderen Maße Anspruch und
Verpflichtung aufeinander: der Anspruch der Gebenden auf Rechen-
schaft über die zweckentsprechende Verwendung der bereitgestellten
Mittel und die Verpflichtung der Nehmenden, diese im erforderlichen
Umfang zu leisten. Hier übernimmt die Öffentlichkeitsarbeit eine
Scharnierfunktion. Unvergessen ist das Wort, das Helmut Schmidt ein-
mal den Forschern ins Stammbuch geschrieben hat: „Öffentlichkeitsar-
beit ist eine Bringschuld der Wissenschaft“. Nicht die Bürgerinnen und
Bürger sollten herausfinden, was in der Wissenschaft passiert, zwingend
erforderlich sei es vielmehr, dass die Wissenschaft initiativ wird und den
Bürgern vor Augen führt, womit sie sich beschäftigt.
Um eine hohe Akzeptanz für das eigene Tun zu gewinnen, muss es das Verständliche
Ziel einer öffentlich finanzierten Forschungseinrichtung sein, die Rolle Vermittlung als Pflicht
der Wissenschaft für die Entwicklung unserer Gesellschaft deutlich zu der Organisation
machen. Es reicht nicht, einfach den Katalog der erbrachten Leistungen
aufzuschlagen. Es geht vielmehr darum, Ergebnisse in angemessener
Form allgemeinverständlich darzustellen und publikumsorientiert zu
präsentieren. Nicht zuletzt erklärungsbedürftige Wissenschaft verlangt
einen transparenten Weg der Vermittlung. Ausstellungen sind kein
Sahnehäubchen der Public Relations, das man sich „mal leistet“; das
Angebot einer Ausstellung ist das notwendige Bemühen um Zustim-
mung der Öffentlichkeit und stellt damit ein Stück demokratischer
Legitimierung für das Handeln der betreffenden Organisation dar.
HWK 1 05 09 06 3
4. E 14.7 Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür?
Wissenschaft erlebbar machen
Dieter Hüsken, Dipl.-Ing., Jahrgang 1946, war langjährig verantwortlicher Referent für
Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Er war Chefredakteur der von
ihm entwickelten und gestalteten Magazine „forschung“ und „german research“ und Moderator der in
Bonn, München und Berlin präsentierten Vortragsreihe „EXKURS – Einblick in die Welt der
Wissenschaft“. Als Ausstellungsleiter hat er alle großen DFG-Ausstellungen konzipiert, gestaltet und
weltweit präsentiert. Zudem hat Hüsken das Corporate Design der DFG entworfen. Er erhielt
Lehraufträge der Universität Siegen und der Fachhochschule Köln und wurde von der Deutschen
Public Relations Gesellschaft (DPRG) mit der „Goldenen Brücke“ für beispielhafte Leistungen
ausgezeichnet.
36 HWK 1 05 09 06