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Frauen
&   ihre Refugien
          Stefanie von WieterSheim
       fotoS von Claudia von BoCh
Inhalt



    	 7	    RAUM	FÜR	MICH	
    	 	     Einleitung
    	
    	16	    DAS	LOFT	IN	DER	FEUERWACHE                  	 98	   NOMADENLEBEN	IM	LANDHAUS	
    	 	     Siggi	Spiegelburg,	Modedesignerin           	   	   Dina	von	Boch-Galhau,	kreative	Familienfrau,	Designerin	und	Model

    	24	    DIE	KLEINE	EMPORE                           104		   SCHREIBZIMMER	MIT	PAPAGEI
    	 	     Alexandra	Kolb,	Bildredakteurin             	 	     Manuela	von	Perfall,	Autorin	und	Hundeliebhaberin

    	30	    DAS	HAUS	AM	SEE                             112		   DER	ALTE	BÄCKERLADEN
    	 	     Stefanie	Harig,	Galeristin                  	 	     Nina	Hollein,	Kleiderarchitektin

    		36	   DAS	FARBZIMMER                              118		   BOUDOIR	&	ALTE	SCHLOSSKÜCHE
    	 	     Petra	Hüttermann,	Interior	Consultant       	 	     I.K.H.	Diane	de	France,	Herzogin	von	Württemberg,	Künstlerin

    	44	    DIE	LIMONAIA	IN	DER	TOSKANA                 126		   DAS	SCHWARZE	ZIMMER
    	 	     Nina	Ruge,	Fernsehmoderatorin	und	Autorin   	 	     Nadja	Michael,	Opernsängerin

    	52	    LESEPLATZ	IM	BERLINER	HIMMEL	               132		   DIE	KINDERVILLA	IN	DEN	BERGEN
    	 	     Anna	von	Griesheim,	Modemacherin            	 	     Laetizia	Riedel-Röthlisberger,	Beraterin	im	Familienunternehmen

    	60	    GARTENHAUS	&	ERKERZIMMER	                   140		   DAS	LILA	KABINETT
    	 	     Friederike	Pfitzner,	Künstlerin             	 	     	Ann	Kathrin	Linsenhoff,	Olympia-Dressurreiterin	und	Gründerin		
                                                          	      einer	eigenen	Stiftung	für	Kinder
    	68	    HAUS	AUF	SYLT
    	 	     Anne	Pillunat,	Schneiderin	und	Bücherfrau   148		   DER	SCHREIBTISCH	DES	POETEN	
                                                        	 	     Senta	Berger,	Schauspielerin
    	74	    AM	ELEFANTENTISCH
    	 	     Bettina	Hagenbeck,	Familienunternehmerin    154	    MEINE	BIBLIOTHEK
                                                        	 	     Karen	Heumann,	Frau	der	Werbung
    	82	    ATELIER	IN	KREUZBERG
    	 	     Elvira	Bach,	Künstlerin                     162		   DIE	ZAUBERRUINE	
                                                        	 	     Nadja	Uhl,	Schauspielerin
    	90	    DIE	BLAUE	WOHNUNG
    	 	     Anne	Maria	Jagdfeld,	Interior	Designerin    170		   Adressen,	Dank,	Bildnachweis,	Impressum




4                                                                                                                                   5
DA S L O F T
     IN DER
     F E U E RWAC H E
     Siggi Spiegelburg, Modedesignerin




16                                       17
Farbige Innenwelt:

                                                                                                                                                                                                   Die ehemalige

                                                                                                                                                                                                   Feuerwache mit

                                                                                                                                                                                                   ihrer lila gestri-

                                                                                                                                                                                                   che nen Industrie-

                                                                                                                                                                                                   treppe ist zu

                                                                                                                                                                                                   einem eleganten
                                                                                                                                                                                                   Hideaway in der
                                                                                                                                                                                                   Stadt geworden.

                                                                                                                                                                                                   Alte Familien-

                                                                                                                                                                                                   bilder, wertvolle

                                                                                                                                                                                                   Antiquitäten und

                                                                                                                                                                                                   elegante Stoffe

                                                                                                                                                                                                   sind mit typisch

                                                                                                                                                                                                   westfälischen

                                                                                                                                                                                                   Klinkermauern

                                                                                                                                                                                                   und rosa Wänden

                                                                                                                                                                                                   kombiniert.




                                                                                                                                      Kinderbüchern und passende Accessoires war, und ihm          Die wiederholte

                                                                                                                                      Mut machte, neue Wege zu gehen. Sie nähte die ersten         Verwendung

                                                                                                                                      Häschen, Teddybären und Lampenschirme selbst. „Ich           von Gold-, Rot-

                                                                                                                                      habe meinem Mann durch Ideen, vor allem aber durch           und Rosatönen

                                                                                                                                      meine Fröhlichkeit und Unbekümmertheit geholfen,             verbindet die

                                                                                                                                      auch schwierige Zeiten im Unternehmen durchzuste-            zahlreichen

                                                                                                                                      hen“, sagt die 53-jährige Designerin im Rückblick.           Wunderkammer-
     Freiraum für die Fantasie: Die Küche von Siggi Spiegelburgs Loft ist mit alten und neuen Delfter Kacheln dekoriert.
                                                                                                                                        Siggi Spiegelburg ist eine dieser Frauen, die auf Männer   Ecken optisch.
     Zwischen der Bilderkollektion hängt ein Schubladenschränkchen, in dem ihr Ehemann einst zu einem Weihnachtsfest viele
                                                                                                                                      unwiderstehlich wirken, die Frauen zur besten Freundin
     kleine Geschenke versteckt hatte. Die Lüster aus buntem Muranoglas krönen die poetische Essecke mit Lichtspielen.
                                                                                                                                      wählen und die Kinder zur großen Schwester haben wol-
                                                                                                                                      len. Sie hat Glamour, Humor, hat Tempo und einen ganz




     F
                                                                                                                                      eigenen Geschmack, der Dinge wagt, die andere sich
             rau mit dem goldenen Lächeln. Elegante Pippi                 räts platziert. Und auf alten Louis-Vuitton-Koffern sta-    schon zu denken verbieten. „Man darf alles nicht so ernst
             Langstrumpf. Unbekümmerte Antipuristin. Vie-                 peln sich Bildbände über Kunst und Kaffeebecher mit         nehmen – auch sich selber nicht!“, sagt die Modemache-
            le Bilder fallen einem zu Siggi Spiegelburg ein,              naivem Punktmuster.                                         rin. Die aus dem Brenninkmeyer-Clan stammende Frau,
        wenn man mit ihr die sechs Etagen ihres Lofts rauf-                 Spiegelburg – dieser Name steht für das Heim des Ha-      die mit acht Geschwistern aufwuchs, hatte schon immer
     und runterturnt über lilafarbene Feuerleitern, die von ei-           sen Felix, der Prinzessin Lillifee und des Capt’n Sharky.   ihren eigenen Kopf. Mit Anfang zwanzig eröffnete die
     nem Wunderraum zum nächsten führen. Man läuft über                   Wenige der Millionen Eltern, die Bücher, Plüschtiere        Autodidaktin mit einem Existenzgründungsdarlehen in
     einen grün-lila karierten Teppich, sieht rosa gestrichene            und Ranzen mit den Kinderikonen kaufen, wissen, dass        Münster eine eigene Boutique, verkaufte Schuhe und Ac-
     Wände neben alten Mauern aus westfälischem Backstein.                dieses Label der Familienname einer Frau Spiegelburg        cessoires, bot selbst genähte Kleider an. Später entwarf
     Staunt über Toile-de-Jouy-Tapeten, die wie kunstvolle                ist, deren Mann Wolfgang Hölker einen kleinen Münste-       sie für verschiedene Firmen Strickkollektionen. Die ers-
     Comics an die Wände geklebt sind. Asiatische Antiqui-                raner Verlag zum Musterbeispiel eines Erfolgsunterneh-      ten Jahre hatte es die junge Frau Spiegelburg schwer, auf
     täten und Fundstücke von belgischen Brocante-Märkten                 mens gemacht hat. Seine Frau war es, die erkannte, dass     Messen ernst genommen zu werden. Im konservativen
     sind vor moderne Fotokunst und formelle Damenport-                   der deutsche Markt reif für eine neue Generation von        Münster waren ihre ausgefallenen Waren in feiner Qua-


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„Freiheit für das Ego ist so schön.“




     Pracht mit Witz: Siggi Spiegelburg kombiniert   Rechts: Luxuriöser Badesalon statt uniforme Nasszelle: Die massive Marmorwanne aus

     in allen Räumen edle Sammlerstücke mit          Antwerpen wurde auf einen Tartanteppich platziert. Das Waschbecken verschwindet

     Trouvaillen von Flohmärkten, zeitgenössischer   elegant in einer schwarzen Kommode mit Goldbeschlägen. Fotografien und persön-

     Kunst und Fotos ihres Familienclans.            liche Accessoires der Modemacherin geben dem hohen Raum intimen Charakter.




                                                                    lität eine Sensation. Doch ihr Talent und ihr Geschmack
                                                                    gefielen immer mehr Kundinnen in ganz Deutschland.
                                                                    So entstand ein großes Maßatelier.
                                                                       Heimat, Westfalen, ein schönes Zuhause, ja, das ist
                                                                    ihr wichtig. Aber wie viele Frauen träumt sie manchmal
                                                                    davon, auszubrechen, ihr Leben zu ändern. Die Mutter
                                                                    zweier erwachsener Töchter und Herrin einer Wasser-
                                                                    burg hat im Jahr 2009 ein Refugium in der Stadt bezogen.
                                                                    Ihr Rückzugsort: der Turm der ehemaligen Hauptfeuer-
                                                                    wache von Münster. Dort, wo früher die meterlangen
                                                                    Schläuche trockneten, hat sich Siggi mit ihrem Mann
                                                                    ein urbanes Domizil eingerichtet. Jedes Stockwerk ist
                                                                    einem Lebensbereich zugeordnet: im Erdgeschoss liegen
                                                                    Eingang und Küche, eine Etage höher ist das Wohnzim-
                                                                    mer, im zweiten Stock kann sie baden, wieder eins rauf
                                                                    geht man zum Schlafen, darüber kommt noch ein Asien-
                                                                    zimmer und ganz oben steht ein weiteres Bett. Viele Mö-


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„Ich bin der Typ Frau, der alles gern selber
                                                                                                                                                                                            tut und für den Ehemann Monogramme in die
                                                                                                                                                                                            Hemden näht. Ab und zu bin ich dann froh,
                                                                                                                                                                                            ein paar Tage allein zu sein.“



                                                                                                                                                                                            Verstecktes Hauptquartier einer Dame von Welt: Das aus England

                                                                                                                                                                                            stammende gelbe Sofa ist der Lieblingsplatz für Lesestunden. Ein

                                                                                                                                                                                            Schrankkoffer von Louis Vuitton dient als ungewöhnlicher Coffee-

                                                                                                                                                                                            table für die zahlreichen Bildbände aus Spiegelburgs Bestand.
                                                                                                                                                                                            Je nach Jahreszeit und Stimmung dekoriert sie das Sofa mit

                                                                                                                                                                                            unterschiedlichen Plaids und Kissen.




     belstücke hat sie aus alten Beständen genommen und          pflegt bewusst ihre Freundschaften. All das kostet viel       ne Kaschmirjacken nähe“, sagt sie und rückt eine Taft-       Ruhe und Frieden finde ich
     wieder hergerichtet, andere auf gemeinsamen Reisen          Energie. Doch trotzdem ist für sie klar: „Hier in der Stadt   schleife am Revers zurecht. Hat sie keine Angst, bei den
     mit ihrem Mann gefunden. Ihre Lieblingsorte für den         möchte ich nicht allen Ernstes immer wohnen, dazu liebe       teuren Stoffen aus Paris einmal daneben zu schneiden?        –   wenn ich bewusst das Handy ausschalte und
     Möbelkauf sind die großen Antiquitätenmärkte in Lille       ich das Land zu sehr. Aber als Refugium ist es wunder-        „Das passiert mir nicht“, sagt sie fröhlich und nimmt ihre       beschließe, einen Tag nicht zu telefonieren.
     und Antwerpen.                                              bar.“                                                         pistaziengrüne Birkin-Tasche mit orangefarbenem Fut-         –   wenn ich mich für ein Wochenende ins Loft
       „Am Land habe ich einfach keine Ruhe – so seltsam           Ihr Geschäft und das Maßatelier liegen am Münstera-         ter und den langen Fransen auf den Schoß. Das Handy              verabschiede und weiß, ich kann abtauchen.
     das für Stadtbewohner auch klingen mag“, sagt sie. Da ist   ner Hafen, in einem der großen Speicherhäuser, in dem         klingt. Es hängt an einem bunten Band aus kunstvoll zu-      –   beim Autofahren! Da kommen mir die
     das große Haus, die Pferde, die Hunde, Kinder, Freunde,     auch der Verlag seinen Sitz hat. Dort kreiert sie elegante    sammengenähten Stoffresten und ist mit einem dicken              besten Ideen.
     Übernachtungsbesuch. „In der Feuerwache kann ich mal        Tageskleider und Abendroben, schneidet Hermès-Tücher          Karabinerhaken an der Tasche festgemacht. Ein bunter
     ein Wochenende abtauchen und absolute Ruhe haben.“          auseinander, näht sie mit anderen Stoffen zu Röcken zu-       Rettungsanker beim ständigen Fischen in den Untiefen
     Denn Nein sagen, andere enttäuschen, das liegt nicht in     sammen und lässt Fransenborten passend dazu einfär-           des Sammelsuriums, das die meisten Frauen mit sich
     ihrer Natur. Sie kümmert sich um siebzehn Angestellte       ben. Sie selbst ist ihr bestes Modell. „Ich sehe ja immer     herumtragen. Und man fragt sich, warum man auf diese
     im Atelier, fährt zu Stoffmessen nach Paris und Mailand,    aus wie eine Gardine, weil ich gern Posamenten an mei-        brillante Idee nicht schon selbst gekommen ist.


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DIE LIMONAIA
     IN DER TOSKANA
     Nina Ruge, Fernsehmoderatorin und Autorin




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Links: Intime Boudoirstimmung im

                                                                                                                               italienischen Glashaus: Vor dem

                                                                                                                               indischen Paravent hat Nina Ruge

                                                                                                                               sich eine bequeme Leseecke geschaf-

                                                                                                                               fen. Kissenbezüge mit Blumen- und

                                                                                                                               Rankenmotiven geben dem großen

                                                                                                                               Raum eine warme Note. Die üppigen

                                                                                                                               Vorhänge bieten der Bewohnerin die

                                                                                                                               Möglichkeit – je nach Stimmungslage

                                                                                                                               und Sonnenstand –, das Außen abzu-

                                                                                                                               schirmen oder einzulassen.




                                                                                                                               „Die Italiener unterscheiden zwischen der Serra, dem
                                                                                                                               gemauerten Überwinterungshaus für Pflanzen, und der
                                                                                                                               Limonaia, dem gläsernen Anzuchthaus“, sagt die diplo-
                                                                                                                               mierte Biologin, die auf dem Gelände auch einen Gemü-
                                                                                                                               segarten angelegt hat. „Ich habe meine Schreib-Limonaia
                                                                                                                               selbst geplant und ausgestattet. Mein Mann hatte mit
                                                                                                                               diesem Raum nichts zu tun, er ist ein Perfektionist“, sagt
                                                                                                                               sie mit einem Lächeln, das ihre fotogenen Katzenaugen
                                                                                                                               leuchten lässt.
                                                                                                                                 Nina Ruge wünschte sich in ihrem sechsten Lebensjahr-
                                                                                                                               zehnt einen besonderen Arbeitsplatz – nicht nur fernab
                                                                                                                               von Deutschland, sondern auch ein Stück vom Haupthaus
                                                                                                                               entfernt. „Ich habe mir diesen Ort ausgesucht, weil ich hier




     N
                                                                                                                               mit Blick auf die Olivenbäume in totaler Stille schreiben
           ina Ruge strahlt. Heute ist ein goldener, sonniger     auf dem von der Sonne verwöhnten Hang die Frau auf,          kann, egal, ob es windet oder sehr kühl ist.“
           Herbsttag. Eine geliebte Freundin aus München ist      die Glamour in die deutsche Nachrichtenwelt brachte.           Tritt man über die Schwelle, ist man in Ninas Innen-
          über das Wochenende zu Besuch, und ihr ganz per-        Sie hat sich einen schützenden Platz geschaffen, in dem      welt, die sie mit leichter Hand eingerichtet hat: Sie legte
      sönliches Refugium ist gerade fertig geworden. „Hier        ihre Gedanken wachsen können, fernab der manchmal            alte Teppiche auf den massiven Holzfußboden, hängte
     geht es runter zu meiner Limonaia“, sagt sie und führt       nervtötenden Geschäftigkeit des Medienbetriebs, in dem       pflaumenblaue Samtvorhänge vor die Eingangstüren und
     uns durch den mediterranen Garten viele Treppen hin-         sie seit über 20 Jahren erfolgreich ist.                     sammelte Möbel aus Beständen der Familie zusammen.
     unter in einen Olivenhain. Da steht sie, die neue Schreib-     Vor neun Jahren kauften Nina Ruge und ihr Mann ein         Sie ließ zwei wacklige Stühlchen der Großmutter repa-
     Orangerie der berühmten deutschen Moderatorin. Nina          typisches toskanisches Haus in den Hügeln um Lucca, das      rieren, ein Sofa vom Sperrmüll mit leuchtendem Samt
     Ruge streicht sich eine blonde Haarsträhne aus dem           zuvor einem Olivenölhersteller gehörte. Ein Hideaway und     beziehen, einen alten Waschtisch anschließen. Exotische
     Gesicht, schließt die großen Flügeltüren auf und sagt:       Wohnsitz im Süden – mit Blick auf die 1000 Jahre alte Kir-   Schmuckstücke sind ein indischer Paravent und zwei Mor-
     „Dieses Stück Erde ist ein magischer Ort. Hier habe ich      che San Martino, deren Glocke zu jeder vollen Stunde läu-    genmäntel, in denen man sich gut auch Virginia Woolf           Oben: Die Liebe zum Detail zeigt sich in Alltagsobjekten: Der

     ein Glashaus nur für mich.“                                  tet. Nina Ruge verbringt so viel Zeit wie möglich südlich    vorstellen könnte. Ein Raum zwischen innerer Improvisa-        antike Waschtisch mit seinen edlen Handtüchern ist ein un-

       Früher stand unterhalb der Natursteinmauer ein altes       der Alpen, vor allem von Mai bis September, auch Weih-       tion und äußerer Perfektion. Ein Ort der Reflexion, zum        gewöhnlicher Blickfang. Bunte Gläser und die für Südeuropa

     Anzuchthaus für empfindliche Südfrüchte, heute lebt          nachten feiert das Paar in dieser alten Kulturlandschaft.    Nachdenken, Lesen, Schreiben. Ein großer Raum, in dem          typische Wasserkaraffe schmücken den Büchertisch.



46                                                                                                                                                                                                                                                            47
„Äußere Stille ist wichtig, denn sie hilft mir, innere Stille zu finden.
     Stille ist heilend. Glück pur.“



     sie ihre Texte allein laut vortragen kann, beobachtet nur   anstaltungen zu Themen aus Wirtschaft, Wissenschaft
     von der Hauskatze, die die stetige Wärme schätzt.           und Forschung. Sie sieht das grundsätzliche Bedürfnis
       Nach intensiven Berufsjahren in Fernsehen, vor allem      nach Ruhe und Gleichgewicht als Frage der persönlichen
     mit ihrer täglichen Sendung „Leute heute“, sucht sich       Reife. „Heute nehme ich weniger gesellschaftliche Events
     die 54-Jährige ihre Verpflichtungen genau aus. „Ich habe    wahr als früher und finde in der Presse weniger statt,
     die Entscheidung getroffen, im Privaten mehr Ruhe           aber ich vermisse nichts. Im Gegenteil – ich genieße die
     zu haben und Zeit mit meinem Mann zu verbringen,            Ruhe unendlich.“
     das geht mit einer täglichen Sendung nicht.“ Sie mode-        Vor allem schreibt sie leidenschaftlich gern Bücher.
     riert nun die Talkshow „Unter vier Augen“ und Galas         Jugendromane, Anthologien, populärwissenschaftliche
     wie „Stars in der Manege“, leitet Talkrunden und Ver-       Sachbücher. „Als Moderatorin bin ich – was das Wort




                                                                                      Hier herrscht weibliche

                                                                                      Anmut: Die toskanische

                                                                                      Hauskatze liebt das warme

                                                                                      Refugium ihrer Herrin – und

                                                                                      darf sogar auf dem neu

                                                                                      bezogenen Stuhl von Nina

                                                                                      Ruges Großmutter sitzen.




                                                                                      Rechts: Der majestätische Lehnsessel mit

                                                                                      seinem stilisierten Blättermotiv aus Brokat

                                                                                      ist ein idealer Platz für die Lektüre zur Tee-

                                                                                      stunde. Die siebenarmige Stehlampe und der

                                                                                      geschwungene Garderobenständer bre-

                                                                                      chen die strenge Geometrie der klassischen

                                                                                      Orangerie-Architektur.



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Ein schützender Innenraum inmitten

                                                                                                                                                                                       der mediterranen Landschaft:

                                                                                                                                                                                       Die Limonaia im Olivenhain ist die

                                                                                                                                                                                       moderne Umsetzung eines weib-

                                                                                                                                                                                       lichen Rückzugsorts mit historischer

                                                                                                                                                                                       Tradition. Sie dient Nina Ruge als

                                                                                                                                                                                       Schreibklause, Lesesalon und Ver-

                                                                                                                                                                                       steck in ihrem global-mobilen Leben.




     „In der Limonaia bin ich weg von allem.“




     sagt – Vermittlerin. Als Autorin kann ich Kino im Kopf       Glauben wieder sehr nah gekommen, auch, weil ich für     ganzen Welt? Ein Anti-Wort zur globalen Businesswelt,       Ruhe und Glück finde ich, wenn ich:
     zur Realität werden lassen“, sagt sie. Gedachtes zu Papier   das Schreiben meiner Kinderbibel die Evangelien in-      in der der strebsame Mensch so lange rast, bis Herz und
     bringen, das war immer wichtig für sie. „Ich schreibe        terpretieren und die entsprechenden Kommentare stu-      Hirn zusammenbrechen: Stille. „Viele haben vor der Stille   –   frühmorgens durch die umliegenden
     Tagebuch, seitdem ich zwölf Jahre alt bin. Heute hat das     dieren musste“, erzählt sie. Auch in Fernsehsendungen    Angst, weil sie Angst vor der Begegnung mit sich selbst         Hügel jogge.
     allerdings nachgelassen, die stürmischen Zeiten lie-         beschäftigt sie sich mit einer lebensnahen Auslegung     haben. Ich habe gelernt, die Stille zu suchen und zu        –   den Sonnenaufgang über dem Tal ansehe.
     gen hinter mir, ich navigiere in ruhigerem Fahrwasser.“      der Heiligen Schrift, mit Themen wie Glück, Liebe und    lieben. Man kann trainieren, das Gedankenrad anzu-          –   im Garten unter der Pergola schreibe.
     In hektischen Zeiten zum Wesentlichen finden, das ist        Himmel.                                                  halten.“ Für die Frau, die den Satz „Alles wird gut“ zu
     für sie die zentrale Frage. „Ich bin nicht Mitglied einer      Was ist ihre persönliche Weisheitsbilanz nach vielen   ihrem Markenzeichen gemacht hat, gilt in der Toskana:
     Kirche, aber ich bin mit den Jahren dem christlichen         Reisen und Gesprächen mit klugen Menschen auf der        „Glück ist jetzt.“


50                                                                                                                                                                                                                                  51
MEINE
      B I B LI O T H E K
      Karen Heumann, Frau der Werbung




154                                     155
„Hier finde ich eine Insel in der Stadt,
                                                                                                                                                                                                      eine Verkapselung. Hier ist alles,
                                                                                                                                                                                                      was ich zu meinem Glück brauche.“


                                                                                                                                       Links: Im Nest einer leidenschaftlichen Bücherliebhaberin:

                                                                                                                                       Herzkammer von Karen Heumanns Hamburger Wohnung ist

                                                                                                                                       die Bibliothek mit dunkelgrünem Chesterfield-Sofa, Felldecke

                                                                                                                                       und Teetisch – und Tausenden von Büchern in drei Sprachen.




                                                                                                                                       sondern auch Dinge aufeinander beziehen, und dass es
                                                                                                                                       Besänftigung und Erhebung durch eine Umgebung gibt.
                                                                                                                                       Das muss kein feudaler Ort sein, aber er muss stimmen“,
                                                                                                                                       erklärt sie.
                                                                                                                                         Endlich einmal Ruhe. Die Lamellenjalousie vor dem
                                                                                                                                       Fenster filtert das Licht in diffuse Strahlen, nur ab und
                                                                                                                                       zu rumpelt eine S-Bahn vorbei. Wie alte Vertraute, be-
                                                                                                                                       ruhigende Freunde mit bekannten Macken wirken in
                                                                                                                                       dieser Stunde die abertausend Bände von Gedichten,
                                                                                                                                       Romanen, Biografien, Reiseführern und Nachschlage-
                                                                                                                                       werken in Deutsch, Französisch und Englisch, die in
                                                                                                                                       Reih und Glied um sie herum stehen. Heute hat sich
                                                                                                                                       Karen Heumann einen Tag frei genommen, eine kurze
                                                                                                                                       Zäsur in ihrem übervollen Leben als Vorstand der Wer-
                                                                                                                                       beagentur Jung von Matt geschaffen. Heumann berät
                                                                                                                                       deutsche Top-Unternehmen bei ihren Markenstrategi-
                                                                                                                                       en, Mercedes-Benz, BILD Zeitung, Deutsche Post, RWE
                                                                                                                                       und Sixt sind darunter. Ihr Alltag: Kundenmeetings,
                                                                                                                                       Arbeit in der Agentur, Reisen, Geschäftsessen, ein
                                                                                                                                       Honorar volumen von rund 580 Millionen Euro, über 850
                                                                                                                                       Mitarbeiter. Viel Reden, Zuhören, Nachdenken. Kom-
                                                                                                                                       munikation als Lebensform. In ihre Wohnung im Erd-
                                                                                                                                       geschoss eines typischen Hamburger Altbaus kommt sie           Die Werberin sortiert ihre Bände akribisch nach Themen




      S
                                                                                                                                       meist erst spät abends zurück. Umso wichtiger ist ihr          und Autoren. Aktuelle Lektüre liegt auf einem Beistelltisch

                  age mir, was du liest, und ich sage dir, wer du bist.   „Bücher sind mein Lebensmittel“, sagt die energische         das Zuhause mit dem kleinen Garten und dem Boots-              oder auf Hockern mit zierlichen Bambusfüßen gestapelt.

                  Ginge es nach dieser Maxime, so wäre Karen              44-Jährige mit der schwungvollen Pferdeschwanzfrisur         anleger am Kanal. „Ohne meine häufigen Reisen würde
                  Heumann ein wenig Simone de Beauvoir, Yas-              und stellt ihre große Meissen-Teetasse auf einen Beistell-   ich mich hier noch viel mehr einweben“, sagt sie ein we-
            mina Reza und Colette, dazu etwas Botho Strauss,              tisch. Die Werberin im maßgeschneiderten schwarzen           nig sehnsuchtsvoll. Sie ist gern allein hier, lauscht auf
      Gottfried Benn und Max Weber. Eine Mischung mit                     Kapuzenkleid – halb Jackie-Kennedy-Eleganz, halb Uni-        die Geräusche um sich und beobachtet die beleuchtete
      schillernder DNA, in der sich europäische Geistesgrö-               form eines klugen Blaustrumpfs – setzt sich auf das Ches-    Hochbahn, wenn sie auf ihrem Jahrhundertwende-Ge-
      ßen, Vertreter des französischen Art de Vivre und radi-             terfield-Sofa in der anisfarbenen Bibliothek und spricht     rüst vorbeischwebt.
      kale Ästheten zu einem ungewöhnlichen Stammbaum                     mit Leidenschaft von ihrem Refugium: der Literatur und         Dort, wo die meisten Hamburger ein Esszimmer ein-
      vereinen.                                                           deren Raum. „Ich glaube, dass sich nicht nur Menschen,       richten, haben die Heumanns das Herz der Wohnung


156                                                                                                                                                                                                                                                                 157
eingepflanzt: die Bibliothek. An drei Seiten des Raums
                                                                  ließen sie von einem Schreiner Bücherregale bauen, bis
                                                                  hoch unter die Decke. Die oberen Bretter erreicht man
                                                                  nur, wenn man auf eine alte Bibliotheksleiter klettert.
                                                                  Mehrere kleine Tischchen sind strategisch perfekt im
                                                                  Raum platziert, auf ihnen liegt die Augenblickslektüre.
                                                                  In jeder Ecke stehen sorgfältig ausgerichtete Leselampen
                                                                  in unterschiedlichen Höhen, da ist Heumann akribisch.
                                                                  „Ich bin jemand, der hundert Tage nach der richtigen
                                                                  Mischung einer Wandfarbe sucht und die Lichtstim-
                                                                  mung perfekt haben muss. Da bin ich schon ein biss-
                                                                  chen schräg“, sagt sie. Man spürt als Besucher: Dies ist
                                                                  der Raum eines Menschen, für den Bücher wie geliebte
                                                                  Menschen sind. Ein Mensch, der Wortwelten leichtfüßig
                                                                  betritt wie andere die Zimmer einer Wohnung.
                                                                    Als sich die Kommunikationsstrategin die Wohnung
                                                                  vor zehn Jahren einrichtete, wünschte sie sich ein er-
                                                                  wachsenes Ambiente mit eher männlichen, ungewöhn-
                                                                  lichen Farben. So wählte sie für die Wände ein leichtes
                                                                  Anisgrün mit einem Schuss Grau und Umbra. Je nach
                                                                  Lichteinfall wirken die Wände golden, wie vergilbtes
                                                                  Grün oder wie angegrüntes Beige, und finden ihre farb-
                                                                  liche Korrespondenz in den vergilbten Umschlägen der
                                                                  alten Flammarion-Bände aus Paris, die wie französische
                                                                  Rohmilchkäse mit der Zeit nachdunkeln. Heumanns Bib-
                                                                  liothek geht in das Wohnzimmer über; dahinter liegt das
                                                                  private Büro, in dem eine Sammlung akademischer Män-
                                                                  nerakte hinter einer großen weißen Frauenstatue hängt.
                                                                  Die frankophile Ästhetin hat die ganze Wohnung mit
                                                                  ungewöhnlichen Trouvaillen möbliert, Art-déco-Stücke
                                                                  finden sich neben Aktenschränken aus der französischen
                                                                  Provinz, Stühlen aus Geweih und einfachen Schemeln.
                                                                    „Ich bin sehr empfänglich für sinnliche Eindrücke und
                                                                  brauche Dinge, die ich als schön empfinde. Das erhebt
                                                                  mein Gemüt. Interessante Objekte haben meine Seele von
      Lektüre als göttliche Lebensform: Karen Heumanns Wohn-      klein auf zum Schwingen gebracht.“ Schon als Kind ge-
      zimmer mit anisgrünen Wänden, gestreiften Sesseln und       staltete sie in der elterlichen Villa in Wetzlar ihr Zimmer
      Fototisch geht in die Bibliothek über. Ein perfekter Raum   ständig um, malte mit Fingerfarben an die Wand, sparte
      für ästhetische Meditationen und Gedankenreisen in          später auf einen antiken Sekretär. Als Kind las sie zuerst
      die Welt der Literatur.                                     die gesamte elterliche Bibliothek durch, entdeckte dann
                                                                  die Stadtbücherei. „Bücher sind mir absolut lebensnot-
                                                                  wendig, nicht als bildungsbürgerliche Zitatquelle oder
                                                                  Ausweis, sondern sie sind organisch mit mir verbunden.
                                                                  Ich weiß, wie sich jedes Buch anfühlt, die Stimmungen
                                                                  sind in mich hineingeflossen, da vermischt sich in mir
                                                                  Erlebtes und Gelesenes in einer Art Éducation sentimen-


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Innenleben als Spiegel der Seele: Im Art-déco-Schrank aus

      Belgien spiegelt sich ein Modell des Eiffelturms wie ein Reflex

      aus ihrer Lieblingsstadt. Das geometrische Möbelstück wird

      von einem verspielten Stuhl aus Schmiedeeisen und einem

      intimen Frauenakt begleitet. Laune des Zufalls: Der Vorname

      der Aktkünstlerin ist Odette – er erinnert Heumann an die

      gleichnamige Figur von Marcel Proust.




      tale“, erklärt sie. Das zeigt sich auch in ihrer Art und Weise
      zu erzählen. Im Gespräch wirkt sie überlegt, gleitet or-
      ganisch von einer Idee zur anderen, offen und selbstver-
      ständlich. Eine Qualität, die in ihrer Branche – mit einem
      strategischen Verstand gepaart – Gold wert ist.
        Die von den Medien und Industrievertretern hoch ge-
      lobte Managerin, die in Aix-en-Provence Germanistik
      und Wirtschaftswissenschaften studierte, beschäftigt die
      Frage, welche Position Frauen heute in der Gesellschaft
      einnehmen, immer wieder – und immer noch. Auch in
      der Politik ist ihre Stimme dazu gefragt. „Es ist nicht ein-
      zusehen, dass Frauen gut ausgebildet werden und dann
      nicht auf allen Ebenen der Berufe zu finden sind. Wir
      müssen das bald lösen“, sagt sie und erzählt von ihrem En-
      gagement im International Women’s Forum, in dem glo-
      bal führende Frauen die Chancengleichheit vorantreiben.
        Wo findet sie Heimat in diesem äußerlich und inner-
      lich bewegten Leben? „Heimat ist für mich eng verbun-             Ruhe und Frieden finde ich:
      den mit der Vorstellung von Gemütlichkeit, die kommt
      ja vom schönen deutschen Wort Gemüt und ist für mich              –   in unserem Haus in Frankreich.
      nicht an einen Herkunftsort gekoppelt“, erklärt sie. „Für             Es ist meine Parallelwelt.
      mich kann es schwerst heimatlich sein, bei einer Freun-           –   wo immer ich träumen kann.
      din auf dem Küchensofa zu sitzen und zu sehen, wie sie            –   beim Essen.
      Pfannkuchen bäckt. Gemütlich ist es aber auch, mit mei-
      nem Mann in Paris im ,Grand Véfour‘ an Colettes Tisch
      zu essen. Manchmal ist Heimat auch das Büro.“ Doch am
      liebsten sitzt sie hier in der Bibliothek mit ihrem so ei-
      genen goldgrünen Licht. Macht sich eine Tasse Earl Grey
      und freut sich über den Ming-Drachen auf ihrer Tasse aus
      Meissener Porzellan. Und liest und liest. Und taucht ein
      in die Suche nach der verlorenen Zeit.


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Frauen und ihre Refugien: Ein Buch über 21 besondere Frauen

  • 1. Frauen & ihre Refugien Stefanie von WieterSheim fotoS von Claudia von BoCh
  • 2. Inhalt 7 RAUM FÜR MICH Einleitung 16 DAS LOFT IN DER FEUERWACHE 98 NOMADENLEBEN IM LANDHAUS Siggi Spiegelburg, Modedesignerin Dina von Boch-Galhau, kreative Familienfrau, Designerin und Model 24 DIE KLEINE EMPORE 104 SCHREIBZIMMER MIT PAPAGEI Alexandra Kolb, Bildredakteurin Manuela von Perfall, Autorin und Hundeliebhaberin 30 DAS HAUS AM SEE 112 DER ALTE BÄCKERLADEN Stefanie Harig, Galeristin Nina Hollein, Kleiderarchitektin 36 DAS FARBZIMMER 118 BOUDOIR & ALTE SCHLOSSKÜCHE Petra Hüttermann, Interior Consultant I.K.H. Diane de France, Herzogin von Württemberg, Künstlerin 44 DIE LIMONAIA IN DER TOSKANA 126 DAS SCHWARZE ZIMMER Nina Ruge, Fernsehmoderatorin und Autorin Nadja Michael, Opernsängerin 52 LESEPLATZ IM BERLINER HIMMEL 132 DIE KINDERVILLA IN DEN BERGEN Anna von Griesheim, Modemacherin Laetizia Riedel-Röthlisberger, Beraterin im Familienunternehmen 60 GARTENHAUS & ERKERZIMMER 140 DAS LILA KABINETT Friederike Pfitzner, Künstlerin Ann Kathrin Linsenhoff, Olympia-Dressurreiterin und Gründerin einer eigenen Stiftung für Kinder 68 HAUS AUF SYLT Anne Pillunat, Schneiderin und Bücherfrau 148 DER SCHREIBTISCH DES POETEN Senta Berger, Schauspielerin 74 AM ELEFANTENTISCH Bettina Hagenbeck, Familienunternehmerin 154 MEINE BIBLIOTHEK Karen Heumann, Frau der Werbung 82 ATELIER IN KREUZBERG Elvira Bach, Künstlerin 162 DIE ZAUBERRUINE Nadja Uhl, Schauspielerin 90 DIE BLAUE WOHNUNG Anne Maria Jagdfeld, Interior Designerin 170 Adressen, Dank, Bildnachweis, Impressum 4 5
  • 3. DA S L O F T IN DER F E U E RWAC H E Siggi Spiegelburg, Modedesignerin 16 17
  • 4. Farbige Innenwelt: Die ehemalige Feuerwache mit ihrer lila gestri- che nen Industrie- treppe ist zu einem eleganten Hideaway in der Stadt geworden. Alte Familien- bilder, wertvolle Antiquitäten und elegante Stoffe sind mit typisch westfälischen Klinkermauern und rosa Wänden kombiniert. Kinderbüchern und passende Accessoires war, und ihm Die wiederholte Mut machte, neue Wege zu gehen. Sie nähte die ersten Verwendung Häschen, Teddybären und Lampenschirme selbst. „Ich von Gold-, Rot- habe meinem Mann durch Ideen, vor allem aber durch und Rosatönen meine Fröhlichkeit und Unbekümmertheit geholfen, verbindet die auch schwierige Zeiten im Unternehmen durchzuste- zahlreichen hen“, sagt die 53-jährige Designerin im Rückblick. Wunderkammer- Freiraum für die Fantasie: Die Küche von Siggi Spiegelburgs Loft ist mit alten und neuen Delfter Kacheln dekoriert. Siggi Spiegelburg ist eine dieser Frauen, die auf Männer Ecken optisch. Zwischen der Bilderkollektion hängt ein Schubladenschränkchen, in dem ihr Ehemann einst zu einem Weihnachtsfest viele unwiderstehlich wirken, die Frauen zur besten Freundin kleine Geschenke versteckt hatte. Die Lüster aus buntem Muranoglas krönen die poetische Essecke mit Lichtspielen. wählen und die Kinder zur großen Schwester haben wol- len. Sie hat Glamour, Humor, hat Tempo und einen ganz F eigenen Geschmack, der Dinge wagt, die andere sich rau mit dem goldenen Lächeln. Elegante Pippi räts platziert. Und auf alten Louis-Vuitton-Koffern sta- schon zu denken verbieten. „Man darf alles nicht so ernst Langstrumpf. Unbekümmerte Antipuristin. Vie- peln sich Bildbände über Kunst und Kaffeebecher mit nehmen – auch sich selber nicht!“, sagt die Modemache- le Bilder fallen einem zu Siggi Spiegelburg ein, naivem Punktmuster. rin. Die aus dem Brenninkmeyer-Clan stammende Frau, wenn man mit ihr die sechs Etagen ihres Lofts rauf- Spiegelburg – dieser Name steht für das Heim des Ha- die mit acht Geschwistern aufwuchs, hatte schon immer und runterturnt über lilafarbene Feuerleitern, die von ei- sen Felix, der Prinzessin Lillifee und des Capt’n Sharky. ihren eigenen Kopf. Mit Anfang zwanzig eröffnete die nem Wunderraum zum nächsten führen. Man läuft über Wenige der Millionen Eltern, die Bücher, Plüschtiere Autodidaktin mit einem Existenzgründungsdarlehen in einen grün-lila karierten Teppich, sieht rosa gestrichene und Ranzen mit den Kinderikonen kaufen, wissen, dass Münster eine eigene Boutique, verkaufte Schuhe und Ac- Wände neben alten Mauern aus westfälischem Backstein. dieses Label der Familienname einer Frau Spiegelburg cessoires, bot selbst genähte Kleider an. Später entwarf Staunt über Toile-de-Jouy-Tapeten, die wie kunstvolle ist, deren Mann Wolfgang Hölker einen kleinen Münste- sie für verschiedene Firmen Strickkollektionen. Die ers- Comics an die Wände geklebt sind. Asiatische Antiqui- raner Verlag zum Musterbeispiel eines Erfolgsunterneh- ten Jahre hatte es die junge Frau Spiegelburg schwer, auf täten und Fundstücke von belgischen Brocante-Märkten mens gemacht hat. Seine Frau war es, die erkannte, dass Messen ernst genommen zu werden. Im konservativen sind vor moderne Fotokunst und formelle Damenport- der deutsche Markt reif für eine neue Generation von Münster waren ihre ausgefallenen Waren in feiner Qua- 18 19
  • 5. „Freiheit für das Ego ist so schön.“ Pracht mit Witz: Siggi Spiegelburg kombiniert Rechts: Luxuriöser Badesalon statt uniforme Nasszelle: Die massive Marmorwanne aus in allen Räumen edle Sammlerstücke mit Antwerpen wurde auf einen Tartanteppich platziert. Das Waschbecken verschwindet Trouvaillen von Flohmärkten, zeitgenössischer elegant in einer schwarzen Kommode mit Goldbeschlägen. Fotografien und persön- Kunst und Fotos ihres Familienclans. liche Accessoires der Modemacherin geben dem hohen Raum intimen Charakter. lität eine Sensation. Doch ihr Talent und ihr Geschmack gefielen immer mehr Kundinnen in ganz Deutschland. So entstand ein großes Maßatelier. Heimat, Westfalen, ein schönes Zuhause, ja, das ist ihr wichtig. Aber wie viele Frauen träumt sie manchmal davon, auszubrechen, ihr Leben zu ändern. Die Mutter zweier erwachsener Töchter und Herrin einer Wasser- burg hat im Jahr 2009 ein Refugium in der Stadt bezogen. Ihr Rückzugsort: der Turm der ehemaligen Hauptfeuer- wache von Münster. Dort, wo früher die meterlangen Schläuche trockneten, hat sich Siggi mit ihrem Mann ein urbanes Domizil eingerichtet. Jedes Stockwerk ist einem Lebensbereich zugeordnet: im Erdgeschoss liegen Eingang und Küche, eine Etage höher ist das Wohnzim- mer, im zweiten Stock kann sie baden, wieder eins rauf geht man zum Schlafen, darüber kommt noch ein Asien- zimmer und ganz oben steht ein weiteres Bett. Viele Mö- 20 21
  • 6. „Ich bin der Typ Frau, der alles gern selber tut und für den Ehemann Monogramme in die Hemden näht. Ab und zu bin ich dann froh, ein paar Tage allein zu sein.“ Verstecktes Hauptquartier einer Dame von Welt: Das aus England stammende gelbe Sofa ist der Lieblingsplatz für Lesestunden. Ein Schrankkoffer von Louis Vuitton dient als ungewöhnlicher Coffee- table für die zahlreichen Bildbände aus Spiegelburgs Bestand. Je nach Jahreszeit und Stimmung dekoriert sie das Sofa mit unterschiedlichen Plaids und Kissen. belstücke hat sie aus alten Beständen genommen und pflegt bewusst ihre Freundschaften. All das kostet viel ne Kaschmirjacken nähe“, sagt sie und rückt eine Taft- Ruhe und Frieden finde ich wieder hergerichtet, andere auf gemeinsamen Reisen Energie. Doch trotzdem ist für sie klar: „Hier in der Stadt schleife am Revers zurecht. Hat sie keine Angst, bei den mit ihrem Mann gefunden. Ihre Lieblingsorte für den möchte ich nicht allen Ernstes immer wohnen, dazu liebe teuren Stoffen aus Paris einmal daneben zu schneiden? – wenn ich bewusst das Handy ausschalte und Möbelkauf sind die großen Antiquitätenmärkte in Lille ich das Land zu sehr. Aber als Refugium ist es wunder- „Das passiert mir nicht“, sagt sie fröhlich und nimmt ihre beschließe, einen Tag nicht zu telefonieren. und Antwerpen. bar.“ pistaziengrüne Birkin-Tasche mit orangefarbenem Fut- – wenn ich mich für ein Wochenende ins Loft „Am Land habe ich einfach keine Ruhe – so seltsam Ihr Geschäft und das Maßatelier liegen am Münstera- ter und den langen Fransen auf den Schoß. Das Handy verabschiede und weiß, ich kann abtauchen. das für Stadtbewohner auch klingen mag“, sagt sie. Da ist ner Hafen, in einem der großen Speicherhäuser, in dem klingt. Es hängt an einem bunten Band aus kunstvoll zu- – beim Autofahren! Da kommen mir die das große Haus, die Pferde, die Hunde, Kinder, Freunde, auch der Verlag seinen Sitz hat. Dort kreiert sie elegante sammengenähten Stoffresten und ist mit einem dicken besten Ideen. Übernachtungsbesuch. „In der Feuerwache kann ich mal Tageskleider und Abendroben, schneidet Hermès-Tücher Karabinerhaken an der Tasche festgemacht. Ein bunter ein Wochenende abtauchen und absolute Ruhe haben.“ auseinander, näht sie mit anderen Stoffen zu Röcken zu- Rettungsanker beim ständigen Fischen in den Untiefen Denn Nein sagen, andere enttäuschen, das liegt nicht in sammen und lässt Fransenborten passend dazu einfär- des Sammelsuriums, das die meisten Frauen mit sich ihrer Natur. Sie kümmert sich um siebzehn Angestellte ben. Sie selbst ist ihr bestes Modell. „Ich sehe ja immer herumtragen. Und man fragt sich, warum man auf diese im Atelier, fährt zu Stoffmessen nach Paris und Mailand, aus wie eine Gardine, weil ich gern Posamenten an mei- brillante Idee nicht schon selbst gekommen ist. 22 23
  • 7. DIE LIMONAIA IN DER TOSKANA Nina Ruge, Fernsehmoderatorin und Autorin 44 45
  • 8. Links: Intime Boudoirstimmung im italienischen Glashaus: Vor dem indischen Paravent hat Nina Ruge sich eine bequeme Leseecke geschaf- fen. Kissenbezüge mit Blumen- und Rankenmotiven geben dem großen Raum eine warme Note. Die üppigen Vorhänge bieten der Bewohnerin die Möglichkeit – je nach Stimmungslage und Sonnenstand –, das Außen abzu- schirmen oder einzulassen. „Die Italiener unterscheiden zwischen der Serra, dem gemauerten Überwinterungshaus für Pflanzen, und der Limonaia, dem gläsernen Anzuchthaus“, sagt die diplo- mierte Biologin, die auf dem Gelände auch einen Gemü- segarten angelegt hat. „Ich habe meine Schreib-Limonaia selbst geplant und ausgestattet. Mein Mann hatte mit diesem Raum nichts zu tun, er ist ein Perfektionist“, sagt sie mit einem Lächeln, das ihre fotogenen Katzenaugen leuchten lässt. Nina Ruge wünschte sich in ihrem sechsten Lebensjahr- zehnt einen besonderen Arbeitsplatz – nicht nur fernab von Deutschland, sondern auch ein Stück vom Haupthaus entfernt. „Ich habe mir diesen Ort ausgesucht, weil ich hier N mit Blick auf die Olivenbäume in totaler Stille schreiben ina Ruge strahlt. Heute ist ein goldener, sonniger auf dem von der Sonne verwöhnten Hang die Frau auf, kann, egal, ob es windet oder sehr kühl ist.“ Herbsttag. Eine geliebte Freundin aus München ist die Glamour in die deutsche Nachrichtenwelt brachte. Tritt man über die Schwelle, ist man in Ninas Innen- über das Wochenende zu Besuch, und ihr ganz per- Sie hat sich einen schützenden Platz geschaffen, in dem welt, die sie mit leichter Hand eingerichtet hat: Sie legte sönliches Refugium ist gerade fertig geworden. „Hier ihre Gedanken wachsen können, fernab der manchmal alte Teppiche auf den massiven Holzfußboden, hängte geht es runter zu meiner Limonaia“, sagt sie und führt nervtötenden Geschäftigkeit des Medienbetriebs, in dem pflaumenblaue Samtvorhänge vor die Eingangstüren und uns durch den mediterranen Garten viele Treppen hin- sie seit über 20 Jahren erfolgreich ist. sammelte Möbel aus Beständen der Familie zusammen. unter in einen Olivenhain. Da steht sie, die neue Schreib- Vor neun Jahren kauften Nina Ruge und ihr Mann ein Sie ließ zwei wacklige Stühlchen der Großmutter repa- Orangerie der berühmten deutschen Moderatorin. Nina typisches toskanisches Haus in den Hügeln um Lucca, das rieren, ein Sofa vom Sperrmüll mit leuchtendem Samt Ruge streicht sich eine blonde Haarsträhne aus dem zuvor einem Olivenölhersteller gehörte. Ein Hideaway und beziehen, einen alten Waschtisch anschließen. Exotische Gesicht, schließt die großen Flügeltüren auf und sagt: Wohnsitz im Süden – mit Blick auf die 1000 Jahre alte Kir- Schmuckstücke sind ein indischer Paravent und zwei Mor- „Dieses Stück Erde ist ein magischer Ort. Hier habe ich che San Martino, deren Glocke zu jeder vollen Stunde läu- genmäntel, in denen man sich gut auch Virginia Woolf Oben: Die Liebe zum Detail zeigt sich in Alltagsobjekten: Der ein Glashaus nur für mich.“ tet. Nina Ruge verbringt so viel Zeit wie möglich südlich vorstellen könnte. Ein Raum zwischen innerer Improvisa- antike Waschtisch mit seinen edlen Handtüchern ist ein un- Früher stand unterhalb der Natursteinmauer ein altes der Alpen, vor allem von Mai bis September, auch Weih- tion und äußerer Perfektion. Ein Ort der Reflexion, zum gewöhnlicher Blickfang. Bunte Gläser und die für Südeuropa Anzuchthaus für empfindliche Südfrüchte, heute lebt nachten feiert das Paar in dieser alten Kulturlandschaft. Nachdenken, Lesen, Schreiben. Ein großer Raum, in dem typische Wasserkaraffe schmücken den Büchertisch. 46 47
  • 9. „Äußere Stille ist wichtig, denn sie hilft mir, innere Stille zu finden. Stille ist heilend. Glück pur.“ sie ihre Texte allein laut vortragen kann, beobachtet nur anstaltungen zu Themen aus Wirtschaft, Wissenschaft von der Hauskatze, die die stetige Wärme schätzt. und Forschung. Sie sieht das grundsätzliche Bedürfnis Nach intensiven Berufsjahren in Fernsehen, vor allem nach Ruhe und Gleichgewicht als Frage der persönlichen mit ihrer täglichen Sendung „Leute heute“, sucht sich Reife. „Heute nehme ich weniger gesellschaftliche Events die 54-Jährige ihre Verpflichtungen genau aus. „Ich habe wahr als früher und finde in der Presse weniger statt, die Entscheidung getroffen, im Privaten mehr Ruhe aber ich vermisse nichts. Im Gegenteil – ich genieße die zu haben und Zeit mit meinem Mann zu verbringen, Ruhe unendlich.“ das geht mit einer täglichen Sendung nicht.“ Sie mode- Vor allem schreibt sie leidenschaftlich gern Bücher. riert nun die Talkshow „Unter vier Augen“ und Galas Jugendromane, Anthologien, populärwissenschaftliche wie „Stars in der Manege“, leitet Talkrunden und Ver- Sachbücher. „Als Moderatorin bin ich – was das Wort Hier herrscht weibliche Anmut: Die toskanische Hauskatze liebt das warme Refugium ihrer Herrin – und darf sogar auf dem neu bezogenen Stuhl von Nina Ruges Großmutter sitzen. Rechts: Der majestätische Lehnsessel mit seinem stilisierten Blättermotiv aus Brokat ist ein idealer Platz für die Lektüre zur Tee- stunde. Die siebenarmige Stehlampe und der geschwungene Garderobenständer bre- chen die strenge Geometrie der klassischen Orangerie-Architektur. 48 49
  • 10. Ein schützender Innenraum inmitten der mediterranen Landschaft: Die Limonaia im Olivenhain ist die moderne Umsetzung eines weib- lichen Rückzugsorts mit historischer Tradition. Sie dient Nina Ruge als Schreibklause, Lesesalon und Ver- steck in ihrem global-mobilen Leben. „In der Limonaia bin ich weg von allem.“ sagt – Vermittlerin. Als Autorin kann ich Kino im Kopf Glauben wieder sehr nah gekommen, auch, weil ich für ganzen Welt? Ein Anti-Wort zur globalen Businesswelt, Ruhe und Glück finde ich, wenn ich: zur Realität werden lassen“, sagt sie. Gedachtes zu Papier das Schreiben meiner Kinderbibel die Evangelien in- in der der strebsame Mensch so lange rast, bis Herz und bringen, das war immer wichtig für sie. „Ich schreibe terpretieren und die entsprechenden Kommentare stu- Hirn zusammenbrechen: Stille. „Viele haben vor der Stille – frühmorgens durch die umliegenden Tagebuch, seitdem ich zwölf Jahre alt bin. Heute hat das dieren musste“, erzählt sie. Auch in Fernsehsendungen Angst, weil sie Angst vor der Begegnung mit sich selbst Hügel jogge. allerdings nachgelassen, die stürmischen Zeiten lie- beschäftigt sie sich mit einer lebensnahen Auslegung haben. Ich habe gelernt, die Stille zu suchen und zu – den Sonnenaufgang über dem Tal ansehe. gen hinter mir, ich navigiere in ruhigerem Fahrwasser.“ der Heiligen Schrift, mit Themen wie Glück, Liebe und lieben. Man kann trainieren, das Gedankenrad anzu- – im Garten unter der Pergola schreibe. In hektischen Zeiten zum Wesentlichen finden, das ist Himmel. halten.“ Für die Frau, die den Satz „Alles wird gut“ zu für sie die zentrale Frage. „Ich bin nicht Mitglied einer Was ist ihre persönliche Weisheitsbilanz nach vielen ihrem Markenzeichen gemacht hat, gilt in der Toskana: Kirche, aber ich bin mit den Jahren dem christlichen Reisen und Gesprächen mit klugen Menschen auf der „Glück ist jetzt.“ 50 51
  • 11. MEINE B I B LI O T H E K Karen Heumann, Frau der Werbung 154 155
  • 12. „Hier finde ich eine Insel in der Stadt, eine Verkapselung. Hier ist alles, was ich zu meinem Glück brauche.“ Links: Im Nest einer leidenschaftlichen Bücherliebhaberin: Herzkammer von Karen Heumanns Hamburger Wohnung ist die Bibliothek mit dunkelgrünem Chesterfield-Sofa, Felldecke und Teetisch – und Tausenden von Büchern in drei Sprachen. sondern auch Dinge aufeinander beziehen, und dass es Besänftigung und Erhebung durch eine Umgebung gibt. Das muss kein feudaler Ort sein, aber er muss stimmen“, erklärt sie. Endlich einmal Ruhe. Die Lamellenjalousie vor dem Fenster filtert das Licht in diffuse Strahlen, nur ab und zu rumpelt eine S-Bahn vorbei. Wie alte Vertraute, be- ruhigende Freunde mit bekannten Macken wirken in dieser Stunde die abertausend Bände von Gedichten, Romanen, Biografien, Reiseführern und Nachschlage- werken in Deutsch, Französisch und Englisch, die in Reih und Glied um sie herum stehen. Heute hat sich Karen Heumann einen Tag frei genommen, eine kurze Zäsur in ihrem übervollen Leben als Vorstand der Wer- beagentur Jung von Matt geschaffen. Heumann berät deutsche Top-Unternehmen bei ihren Markenstrategi- en, Mercedes-Benz, BILD Zeitung, Deutsche Post, RWE und Sixt sind darunter. Ihr Alltag: Kundenmeetings, Arbeit in der Agentur, Reisen, Geschäftsessen, ein Honorar volumen von rund 580 Millionen Euro, über 850 Mitarbeiter. Viel Reden, Zuhören, Nachdenken. Kom- munikation als Lebensform. In ihre Wohnung im Erd- geschoss eines typischen Hamburger Altbaus kommt sie Die Werberin sortiert ihre Bände akribisch nach Themen S meist erst spät abends zurück. Umso wichtiger ist ihr und Autoren. Aktuelle Lektüre liegt auf einem Beistelltisch age mir, was du liest, und ich sage dir, wer du bist. „Bücher sind mein Lebensmittel“, sagt die energische das Zuhause mit dem kleinen Garten und dem Boots- oder auf Hockern mit zierlichen Bambusfüßen gestapelt. Ginge es nach dieser Maxime, so wäre Karen 44-Jährige mit der schwungvollen Pferdeschwanzfrisur anleger am Kanal. „Ohne meine häufigen Reisen würde Heumann ein wenig Simone de Beauvoir, Yas- und stellt ihre große Meissen-Teetasse auf einen Beistell- ich mich hier noch viel mehr einweben“, sagt sie ein we- mina Reza und Colette, dazu etwas Botho Strauss, tisch. Die Werberin im maßgeschneiderten schwarzen nig sehnsuchtsvoll. Sie ist gern allein hier, lauscht auf Gottfried Benn und Max Weber. Eine Mischung mit Kapuzenkleid – halb Jackie-Kennedy-Eleganz, halb Uni- die Geräusche um sich und beobachtet die beleuchtete schillernder DNA, in der sich europäische Geistesgrö- form eines klugen Blaustrumpfs – setzt sich auf das Ches- Hochbahn, wenn sie auf ihrem Jahrhundertwende-Ge- ßen, Vertreter des französischen Art de Vivre und radi- terfield-Sofa in der anisfarbenen Bibliothek und spricht rüst vorbeischwebt. kale Ästheten zu einem ungewöhnlichen Stammbaum mit Leidenschaft von ihrem Refugium: der Literatur und Dort, wo die meisten Hamburger ein Esszimmer ein- vereinen. deren Raum. „Ich glaube, dass sich nicht nur Menschen, richten, haben die Heumanns das Herz der Wohnung 156 157
  • 13. eingepflanzt: die Bibliothek. An drei Seiten des Raums ließen sie von einem Schreiner Bücherregale bauen, bis hoch unter die Decke. Die oberen Bretter erreicht man nur, wenn man auf eine alte Bibliotheksleiter klettert. Mehrere kleine Tischchen sind strategisch perfekt im Raum platziert, auf ihnen liegt die Augenblickslektüre. In jeder Ecke stehen sorgfältig ausgerichtete Leselampen in unterschiedlichen Höhen, da ist Heumann akribisch. „Ich bin jemand, der hundert Tage nach der richtigen Mischung einer Wandfarbe sucht und die Lichtstim- mung perfekt haben muss. Da bin ich schon ein biss- chen schräg“, sagt sie. Man spürt als Besucher: Dies ist der Raum eines Menschen, für den Bücher wie geliebte Menschen sind. Ein Mensch, der Wortwelten leichtfüßig betritt wie andere die Zimmer einer Wohnung. Als sich die Kommunikationsstrategin die Wohnung vor zehn Jahren einrichtete, wünschte sie sich ein er- wachsenes Ambiente mit eher männlichen, ungewöhn- lichen Farben. So wählte sie für die Wände ein leichtes Anisgrün mit einem Schuss Grau und Umbra. Je nach Lichteinfall wirken die Wände golden, wie vergilbtes Grün oder wie angegrüntes Beige, und finden ihre farb- liche Korrespondenz in den vergilbten Umschlägen der alten Flammarion-Bände aus Paris, die wie französische Rohmilchkäse mit der Zeit nachdunkeln. Heumanns Bib- liothek geht in das Wohnzimmer über; dahinter liegt das private Büro, in dem eine Sammlung akademischer Män- nerakte hinter einer großen weißen Frauenstatue hängt. Die frankophile Ästhetin hat die ganze Wohnung mit ungewöhnlichen Trouvaillen möbliert, Art-déco-Stücke finden sich neben Aktenschränken aus der französischen Provinz, Stühlen aus Geweih und einfachen Schemeln. „Ich bin sehr empfänglich für sinnliche Eindrücke und brauche Dinge, die ich als schön empfinde. Das erhebt mein Gemüt. Interessante Objekte haben meine Seele von Lektüre als göttliche Lebensform: Karen Heumanns Wohn- klein auf zum Schwingen gebracht.“ Schon als Kind ge- zimmer mit anisgrünen Wänden, gestreiften Sesseln und staltete sie in der elterlichen Villa in Wetzlar ihr Zimmer Fototisch geht in die Bibliothek über. Ein perfekter Raum ständig um, malte mit Fingerfarben an die Wand, sparte für ästhetische Meditationen und Gedankenreisen in später auf einen antiken Sekretär. Als Kind las sie zuerst die Welt der Literatur. die gesamte elterliche Bibliothek durch, entdeckte dann die Stadtbücherei. „Bücher sind mir absolut lebensnot- wendig, nicht als bildungsbürgerliche Zitatquelle oder Ausweis, sondern sie sind organisch mit mir verbunden. Ich weiß, wie sich jedes Buch anfühlt, die Stimmungen sind in mich hineingeflossen, da vermischt sich in mir Erlebtes und Gelesenes in einer Art Éducation sentimen- 158 159
  • 14. Innenleben als Spiegel der Seele: Im Art-déco-Schrank aus Belgien spiegelt sich ein Modell des Eiffelturms wie ein Reflex aus ihrer Lieblingsstadt. Das geometrische Möbelstück wird von einem verspielten Stuhl aus Schmiedeeisen und einem intimen Frauenakt begleitet. Laune des Zufalls: Der Vorname der Aktkünstlerin ist Odette – er erinnert Heumann an die gleichnamige Figur von Marcel Proust. tale“, erklärt sie. Das zeigt sich auch in ihrer Art und Weise zu erzählen. Im Gespräch wirkt sie überlegt, gleitet or- ganisch von einer Idee zur anderen, offen und selbstver- ständlich. Eine Qualität, die in ihrer Branche – mit einem strategischen Verstand gepaart – Gold wert ist. Die von den Medien und Industrievertretern hoch ge- lobte Managerin, die in Aix-en-Provence Germanistik und Wirtschaftswissenschaften studierte, beschäftigt die Frage, welche Position Frauen heute in der Gesellschaft einnehmen, immer wieder – und immer noch. Auch in der Politik ist ihre Stimme dazu gefragt. „Es ist nicht ein- zusehen, dass Frauen gut ausgebildet werden und dann nicht auf allen Ebenen der Berufe zu finden sind. Wir müssen das bald lösen“, sagt sie und erzählt von ihrem En- gagement im International Women’s Forum, in dem glo- bal führende Frauen die Chancengleichheit vorantreiben. Wo findet sie Heimat in diesem äußerlich und inner- lich bewegten Leben? „Heimat ist für mich eng verbun- Ruhe und Frieden finde ich: den mit der Vorstellung von Gemütlichkeit, die kommt ja vom schönen deutschen Wort Gemüt und ist für mich – in unserem Haus in Frankreich. nicht an einen Herkunftsort gekoppelt“, erklärt sie. „Für Es ist meine Parallelwelt. mich kann es schwerst heimatlich sein, bei einer Freun- – wo immer ich träumen kann. din auf dem Küchensofa zu sitzen und zu sehen, wie sie – beim Essen. Pfannkuchen bäckt. Gemütlich ist es aber auch, mit mei- nem Mann in Paris im ,Grand Véfour‘ an Colettes Tisch zu essen. Manchmal ist Heimat auch das Büro.“ Doch am liebsten sitzt sie hier in der Bibliothek mit ihrem so ei- genen goldgrünen Licht. Macht sich eine Tasse Earl Grey und freut sich über den Ming-Drachen auf ihrer Tasse aus Meissener Porzellan. Und liest und liest. Und taucht ein in die Suche nach der verlorenen Zeit. 160 161