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Afrikas demografische Herausforderung – Wie eine junge Bevölkerung Entwicklung ermöglichen kann
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Berlin-Institut      für Bevölkerung
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         und Entwicklung


                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         in Kooperation mit




                                                                                                                                                                                                                                                    Lilli Sippel, Tanja Kiziak, Franziska Woellert, Reiner Klingholz


                 Berlin-Institut
                 für Bevölkerung und Entwicklung
                 Schillerstraße 59
                 10627 Berlin
                                                                                                                                                                                                                                                    Afrikas demografische
                 www.berlin-institut.org
                                                                                                                                                                                                                                                    Herausforderung
                 Projektpartner:

                                                                                                                                                                                                                                                    Wie eine junge Bevölkerung
                                                                                                                                                                                                                                                    Entwicklung ermöglichen kann
                 International Institute for Applied Systems Analysis
                 Partners in Population and Development, Uganda




                                                                                                                                                  Berlin-Institut
                 DSW Tanzania


                 Wir danken der Europäischen Union, der Schleicher-Stiftung,
                 der Boehringer Ingelheim GmbH, dem Christian Schrom Fonds
                 und der KfW Entwicklungsbank sowie privaten Spendern
                 für die finanzielle Unterstützung.




                 ISBN: 978-3-9812473-9-8




+ gebildete Frauen haben weniger Kinder +++ Entwicklungschancen für Afrika +++ der demografische Bonus +++ Subsahara-Afrika hat die jüngste Bevölkerung +++ Ostasien altert +++ Bildung und Familienplanung als Voraussetzung für Entwicklung +++ die demografische Dividende abschöpfen +++ der Aufstieg de
+++ weniger ungewollte Schwangerschaften +++ hohe Kindersterblichkeit +++ Zugang zu Familienplanung schaffen +++ integrierte Projekte +++ nachhaltige Entwicklungspolitik braucht Bevölkerungsdimension +++ reproduktive Gesundheit und Rechte +++ gesellschaftlicher Wandel in Entwicklungsländern +++
Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung ist ein unabhängiger
                                                                                              Thinktank, der sich mit Fragen globaler demografischer Veränderungen und der
                                                                                              Entwicklungspolitik beschäftigt. Das Institut wurde 2000 als gemeinnützige
                                                                                              Stiftung gegründet und hat die Aufgabe, das Bewusstsein für den demografischen
                                                                                              Wandel zu schärfen, nachhaltige Entwicklung zu fördern, neue Ideen in die Politik
Die vorliegende Studie wird im Rahmen der europäischen Öffentlichkeitskampagne „Africa‘s      einzubringen und Konzepte zur Lösung demografischer und entwicklungspolitischer
Demographic Challenges“ herausgegeben. Die Kampagne wird von der Europäischen Union           Probleme zu erarbeiten. Das Berlin-Institut erstellt Studien, Diskussions- und
finanziell gefördert. Für den Inhalt dieser Veröffentlichung sind allein die Projektpartner   Hintergrundpapiere, bereitet wissenschaftliche Informationen für den politischen
verantwortlich; der Inhalt kann in keiner Weise als Standpunkt der Europäischen Union         Entscheidungsprozess auf und betreibt das „Online-Handbuch Demografie“.
angesehen werden.                                                                             Weitere Informationen sowie die Möglichkeit, den kostenlosen regelmäßigen
                                                                                              Online-Newsletter „Demos“ zu abonnieren, finden Sie unter:
                                                                                              www.berlin-institut.org.



Die Öffentlichkeitskampagne wird von folgenden Organisationen durchgeführt:                   Die Stiftung Weltbevölkerung ist eine international tätige Entwicklungshilfeorganisation.
der Stiftung Weltbevölkerung (Projektleitung),                                                Sie hilft jungen Menschen in Afrika und Asien, sich selbst aus ihrer Armut zu befreien.
dem Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung,                                          Ungewollte Schwangerschaften und Aids verschärfen die Armut und bedeuten
der Österreichischen Stiftung für Weltbevölkerung und internationale Zusammenarbeit           für viele Jugendliche den Tod. Deshalb unterstützt die Stiftung Aufklärungs- und
sowie der ungarischen BOCS Stiftung.                                                          Familienplanungsprojekte sowie Gesundheitsinitiativen in Entwicklungsländern.
                                                                                              www.weltbevoelkerung.de

                  Berlin-Institut      für Bevölkerung
                                    und Entwicklung

                                                                                              Die Österreichische Stiftung für Weltbevölkerung und internationale Zusammenarbeit
Partner der Kampagne sind das International Institute for Applied Systems Analysis,           (SWI) hat ihren Sitz in Wien und wurde 1998 gegründet. Die SWI hat das Ziel, ein
Österreich, Partners in Population and Development, Uganda, sowie DSW Tanzania.               öffentliches Bewusstsein für globale Bevölkerungsentwicklungen, reproduktive Gesundheit,
                                                                                              Verbrauch von Ressourcen und nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Der Schwerpunkt
                                                                                              der SWI Projekte liegt auf der Unterstützung und Stärkung von Frauen und Jugendlichen.
Wir danken der Europäischen Union, der Schleicher-Stiftung,                                   www.swi-austria.org
der Boehringer Ingelheim GmbH, dem Christian Schrom Fonds und der
KfW Entwicklungsbank sowie privaten Spendern für die finanzielle Unterstützung.

                                                                                              BOCS wurde 1975 gegründet und 1994 offiziell registriert. Die Organisation arbeitet seither
                                                                                              in Indien, in Afrika sowie im ungarisch-sprachigen Europa. Die Arbeitsfelder umfassen
                                                                                              Globales Lernen, internationale Entwicklungszusammenarbeit, die Rechte zukünftiger
                                                                                              Generationen, sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte sowie Religionsfreiheit.
                                                                                              BOCS berät die Politik, bildet MultiplikatorInnen aus und entwickelt Bildungsmaterialien.
                                                                                              www.bocs.hu
Berlin-Institut      für Bevölkerung
                                                                                     und Entwicklung


                                                                                     in Kooperation mit




Lilli Sippel, Tanja Kiziak, Franziska Woellert, Reiner Klingholz




Afrikas demografische
Herausforderung
Wie eine junge Bevölkerung
Entwicklung ermöglichen kann
Impressum

Herausgeber:
Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung
Schillerstr. 59
10627 Berlin
Telefon: (030) 22 32 48 45
Telefax: (030) 22 32 48 46
E-Mail: info@berlin-institut.org
www.berlin-institut.org

Originalausgabe
September 2011
©Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Sämtliche, auch auszugsweise
Verwertungen bleiben vorbehalten.

Autoren:
Lilli Sippel, Tanja Kiziak, Franziska Woellert, Reiner Klingholz

Lektorat:
Renate Wilke-Launer, Matthias Wein, Margret Karsch

Wissenschaftliche Hintergrundinformationen wurden von
Anne Goujon, Regina Fuchs, Erich Strießnig, Samir K.C. und Wolfgang Lutz
zur Verfügung gestellt.

Gestaltung:
Jörg Scholz, Köln (www.traktorimnetz.de)

Druck:
Gebrüder Kopp GmbH & Ko. KG, Köln

Die thematischen Weltkarten wurden auf Grundlage des Programms EasyMap der
Lutum+Tappert DV-Beratung GmbH, Bonn, erstellt.

Das Berlin-Institut dankt Carola Ahlborn (Stiftung Weltbevölkerung), Carmen Kommer
(Stiftung Weltbevölkerung), Ines Possemeyer (GEO) und Franziska Woellert (GIZ)
sowie ihren GesprächspartnerInnen für die Interviews in Afrika.

ISBN: 978-3-9812473-9-8
INHALT
VORWORT – WENN WACHSTUM ENTWICKLUNG VERHINDERT..........................................4

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE ..............................................................................................6



1. VIELE KINDER – EIN RISIKOFAKTOR?............................................................................8

2. HOHE GEBURTENRATEN UND ENTWICKLUNG SCHLIESSEN SICH AUS.........................16

3. WAS ZU KLEINEREN FAMILIEN FÜHRT .........................................................................39

4. ROADMAP ZUR DEMOGRAFISCHEN DIVIDENDE..........................................................55

5. HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN ......................................................................................67



METHODISCHE ERLÄUTERUNGEN....................................................................................73

QUELLEN UND ANMERKUNGEN........................................................................................74

GLOSSAR .........................................................................................................................79
WENN WACHSTUM
ENTWICKLUNG VERHINDERT
Kinder sind ein großer Quell der Freude für     Arme Länder mit hohem Bevölkerungs-             Ein entscheidender Faktor für diesen Über-
ihre Eltern und ein Gewinn für jede Gesell-     zuwachs haben nur dann eine Entwick-            gang ist die Bildung – insbesondere von
schaft. Zu viele von ihnen können den Fami-     lungschance, wenn sich das Wachstum             Frauen. Ebenso wichtig ist die Gesundheits-
lien und ganzen Staaten jedoch auch große       verlangsamt, wenn die Geburtenraten sinken.     versorgung. Denn wo viele Kinder in jungen
Sorgen bereiten. Dies gilt insbesondere in      Wovon aber hängt es ab, wie viele Kinder        Jahren sterben, ist es nur zu verständlich,
wenig entwickelten Ländern, vor allem in        die Menschen bekommen? Welche Faktoren          dass die Menschen auch viele Kinder be-
Südasien und in Subsahara-Afrika. Wo immer      beeinflussen den Kinderwunsch?                  kommen, schon allein um sich gegen den
die Zahl der Kinder schneller wächst als die                                                    schlimmsten Fall abzusichern. Zur Gesund-
Möglichkeiten, die nachwachsende Gene-          Letztlich sollten alle Entscheidungen selbst-   heit gehört die Verfügbarkeit von Information
ration mit den notwendigen Schulen, mit         bestimmter Menschen frei und unabhängig         und Mitteln zur Familienplanung. Denn nur
Gesundheitseinrichtungen oder auch nur mit      getroffen werden, auch jene zur Kinderzahl.     mit deren Hilfe können junge Menschen
Nahrung zu versorgen und jungen Menschen        Der demografische Übergang, also jener          ihrer Verantwortung zur Planung ihres Nach-
Arbeit zu geben, verschlechtert sich die Lage   Zeitenwechsel von hohen Geburten- und           wuchses auch nachkommen. Aber rund 215
eines ganzen Landes.                            Sterberaten hin zu niedrigen, den alle Natio-   Millionen Frauen auf der Welt haben keinen
                                                nen im Laufe ihrer Entwicklung erlebt haben     Zugang zu modernen Verhütungsmitteln,
Solche Länder stecken in einem Kreislauf        oder noch erleben werden, ist deshalb auch      obwohl sie eine Schwangerschaft gerne ver-
aus Armut, Unterentwicklung, hoher Kinder-      ein emanzipatorischer Übergang: Mit der         meiden würden.
sterblichkeit – und hohen Kinderzahlen. Sie     Verbesserung der Lebensbedingungen, mit
können ihm nicht ohne Weiteres entkommen,       mehr persönlichen Freiheiten und dem Zu-        Durch das Sinken hoher Geburtenraten
denn wo heute viele junge Menschen leben,       gang zu Bildung und Wissen entwickelt sich      wachsen die Entfaltungsmöglichkeiten von
wird die Bevölkerung weiter wachsen: Die        das Kinderkriegen von einer Schicksalfügung     Familien und von ganzen Gesellschaften. Sie
meisten Jüngeren erreichen erst in den kom-     immer mehr zu einer bewussten Entschei-         können dann besser und mehr in die jungen
menden Jahren das Alter, in dem Familien        dung. Dieses Recht, selbst über die Zahl der    Menschen investieren. Davon profitieren wie-
gegründet werden. In Ländern wie Niger oder     eigenen Nachkommen zu bestimmen, hat            derum die nachwachsenden Generationen.
Uganda ist die Hälfte der Bevölkerung jünger    nicht zuletzt die Weltbevölkerungskonferenz     So entsteht quasi ein Automatismus aus
als 15 Jahre. Die demografische Entwicklung     in Kairo 1994 als Menschenrecht bekräftigt.     sinkenden Kinderzahlen, weiter wachsendem
ist ein träger Dampfer, weil sie aufgrund der                                                   Bildungsstand und steigender Produktivität.
heutigen Altersstruktur über Jahrzehnte vor-
bestimmt ist.




4 Afrikas demografische Herausforderung
Diesen Weg sind alle ehemals armen Gesell-       bei der Frage, wie groß ihre künftige Familie   und „Nachhaltige Entwicklung“, sind direkt
schaften bei ihrem Aufstieg zu Schwellen-        sein sollte. Bildung ist nicht nur das beste    mit der Frage verbunden, wie schnell die Zahl
und Industrieländern gegangen – die asia-        „Verhütungsmittel“, sondern auch das beste      der Menschen auf der Erde wächst. Nachdem
tischen Tigerstaaten wie später die latein-      Instrument zur Gleichstellung von Frauen und    in den Schlussdokumenten des letzten Erd-
amerikanischen Länder. Sogar eine Nation         Männern.                                        gipfels in Johannesburg 2002 Bevölkerungs-
wie Bangladesch, die einst als hoffungsloser                                                     wachstum auf Druck der US-amerikanischen
Fall der damals noch so genannten Entwick-       Die Millenniumsentwicklungsziele, zur Jahr-     Bush-Regierung nicht erwähnt wurde,
lungshilfe galt, ist auf dem besten Wege.        tausendwende von den Vereinten Nationen         besteht jetzt die Chance, das Thema in den
Diese Länder haben gezeigt, dass es keine        verabschiedet, haben acht Vorgaben bis zum      Mittelpunkt der Entwicklungsdiskussion zu
hoffnungslosen Fälle gibt. Warum also sollten    Jahr 2015 gemacht: von der Bekämpfung           rücken. Alle Beteiligten in der Entwicklungs-
nicht auch die Staaten Subsahara-Afrikas         von Hunger und Armut über die Reduzierung       zusammenarbeit müssen begreifen, dass die
diesen Weg gehen können? Vorausgesetzt,          der Kinder- und Müttersterblichkeit und dem     Zukunft der Erde von Eigenschaften und Fä-
sie bekommen dazu die richtige internationa-     Eindämmen der HIV/Aids-Pandemie, bis hin        higkeiten der Menschen abhängt – vor allem
le Unterstützung.                                zur Gleichstellung der Geschlechter und dem     von ihrer Gesundheit, ihrem Bildungsstand
                                                 Zugang zu einer Grundschule für alle Kinder.    und ihrer Friedfertigkeit. Wer in diese Fak-
Die Entwicklungszusammenarbeit hat bisher        Einige Länder wie Thailand oder Brasilien       toren investiert, löst nebenbei das Problem
kaum eine Chance, mit dem sehr hohen Be-         haben die Ziele weitgehend erreicht. Andere     zu hohen Bevölkerungswachstums.
völkerungswachstum mancher afrikanischer         wie Burkina Faso oder die Zentralafrika-
Länder südlich der Sahara mitzuhalten. Mit       nische Republik hängen weit zurück. Sie
einer Verdopplung der Bevölkerungszahl           scheitern unter anderem, weil das hohe          Hannover/Berlin/Wien, im August 2011
in kaum mehr als 20 Jahren, wie sie einige       Bevölkerungswachstum es fast unmöglich
dieser Staaten in der Vergangenheit erlebt       macht, den Millenniumsentwicklungszielen        Renate Bähr
haben, wären selbst reiche Länder über-          auch nur näher zu kommen.                       Geschäftsführerin, Stiftung Weltbevölkerung
fordert. Die Entwicklungszusammenarbeit
sollte sich deshalb mehr als bisher auf die      Bis dato gibt es keine internationale ent-      Dr. Reiner Klingholz
entscheidenden Stellschrauben der Entwick-       wicklungspolitische Agenda für die Zeit nach    Direktor, Berlin-Institut für Bevölkerung und
lung konzentrieren, auf Bildung, Gesundheit      2015. Sie ist aber dringend geboten, weil es    Entwicklung
und Familienplanung. Nur so lässt sich das       in vielen Ländern noch viel zu tun gibt und
Humanvermögen mehren, das wichtigste             weil viele der alten Aufgaben nach wie vor      Prof. Dr. Wolfgang Lutz
Kapital eines jeden Staates.                     unerledigt sind. In den laufenden Diskussio-    Gründungsdirektor, Wittgenstein Centre
                                                 nen um die Ziele sind demografische Aspekte     for Demography and Global Human Capital
Gefordert ist eine Entwicklungspolitik, die      wie das starke Bevölkerungswachstum vieler      (IIASA, ÖAW-VID, WU-Wien)
den Menschen im Fokus hat. Durch Bildung         Länder als Entwicklungshemmnis weit mehr
befähigte Menschen können selbst besser für      als bisher zu berücksichtigen. Auch das 1994
ihr wirtschaftliches Fortkommen sorgen und       auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo
damit für die Zukunft ihrer Gesellschaft. Dies   beschlossene Aktionsprogramm darf nicht
gilt gerade für Frauen, die über die Bildung     aus den Augen verloren werden, denn die
auch einen anderen Status in Familie und         damals anvisierten Ziele in Sachen Familien-
Gemeinwesen erlangen können. Sie gewin-          planung und Gesundheit für Mütter und Kin-
nen so mehr Durchsetzungsfähigkeit – auch        der sind nur zum Teil erreicht.

                                                 Vor allem der 2012 anstehende UN-Erdgipfel,
                                                 der wie die erste Konferenz dieser Art in Rio
                                                 de Janeiro stattfindet, ist ohne das Thema
                                                 Bevölkerungswachstum gar nicht denkbar.
                                                 Seine Hauptthemen „Bekämpfung der Armut“




                                                                                                                                 Berlin-Institut 5
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE
Bevölkerungswachstum:                           Afrika vor demografischen                           Die Geburtenraten sinken nachweislich,
Gründe und Folgen                               Herausforderungen
                                                                                                       wenn Frauen in Familie und Gesellschaft
Die Weltbevölkerung hat eine Zahl von etwa      Entwicklungspolitisch bestehen heute in             mehr Mitsprachemöglichkeiten erhalten und
sieben Milliarden erreicht, und sie wächst      Subsahara-Afrika die meisten und größten            sich ihnen Alternativen zur reinen Mutterrolle
nach wie vor stark – um 79 Millionen Men-       Probleme. Von den weltweit 48 am we-                eröffnen.
schen im Jahr. Dieser Zuwachs findet fast       nigsten entwickelten Ländern befinden sich
ausschließlich in den weniger entwickelten      33 in diesem Teil Afrikas. Gleichzeitig zeich-        wenn Mädchen und Frauen einen unge-
Ländern statt.                                  net sich die Region durch die weltweit höch-        hinderten Zugang zu Sexualaufklärung,
                                                sten Geburtenraten aus. Bis zum Jahr 2050           Familienplanung und Verhütungsmitteln
Das anhaltende Bevölkerungswachstum dort        dürfte sich die Zahl der Menschen in Sub-           haben.
ist auf drei Faktoren zurückzuführen: Erstens   sahara-Afrika verdoppeln, bis Ende des Jahr-
bekommen Frauen in den Entwicklungslän-         hunderts könnte sie sich vervierfachen.                wenn Mädchen und Frauen eine bessere
dern deutlich mehr Kinder als in den entwi-                                                         Bildung erlangen. Insbesondere der Besuch
ckelten Regionen der Welt. Zweitens sind die    Das Bevölkerungswachstum könnte sogar               einer weiterführenden Schule führt dazu,
Bevölkerungen in den Entwicklungsländern        noch stärker ausfallen, etwa wenn Verhütung         dass Frauen später Kinder bekommen und
durch die hohen Geburtenraten im Schnitt        in Subsahara-Afrika keine deutlich stärkere         Familienplanung aktiver betreiben.
sehr jung, das heißt, die Zahl der Frauen im    Verbreitung findet als dies derzeit der Fall ist.
gebärfähigen Alter ist hoch und wird künftig    Bei der Nutzung von modernen Mitteln zur               wenn sich neue Lebensperspektiven
noch steigen. Und drittens werden die mei-      Familienplanung hinkt vor allem Westafrika          ergeben, etwa durch einen Umzug vom Land
sten Menschen in den armen Regionen dank        weit hinterher.                                     in die Stadt, durch bessere Verdienstmöglich-
einer verbesserten gesundheitlichen Versor-                                                         keiten oder durch neue Familienbilder, die
gung und einer besser gesicherten Ernährung                                                         von den Medien transportiert werden.
inzwischen älter.                               Was zu kleineren Familien führt
                                                                                                      wenn die Kindersterblichkeit sich verrin-
Aufgrund des hohen Bevölkerungswachstums        Das Bevölkerungswachstum und die hohen              gert. Denn Paare sind erst bereit, weniger
ergeben sich verschiedene Risiken und           Geburtenraten sind keineswegs allein dem            Nachwuchs zu bekommen, wenn sich die
Entwicklungshemmnisse, etwa mangelnde           Wunsch nach großen Familien geschuldet.             Überlebenschance für jedes einzelne Kind
Ernährungssicherheit, Druck auf Gesund-         Sie lassen sich vielmehr teilweise darauf           erhöht.
heits- und Bildungssysteme, Überlastung der     zurückführen, dass Frauen und Paaren effek-
Infrastruktur oder Ressourcenknappheit          tive Möglichkeiten zur eigentlich gewünsch-
– und daraus folgt auch ein größeres            ten Familienplanung fehlen. Wenn Menschen
Konfliktpotenzial.                              ihre sexuellen und reproduktiven Rechte
                                                wahrnehmen können, das heißt, wenn Verhü-
Bei unserer Untersuchung von 103 heutigen       tungsmittel bereitgestellt, Sexualaufklärung
und ehemaligen Entwicklungsländern konnte       angeboten und reproduktive Gesundheits-
nachgewiesen werden, dass sich kein ein-        und Beratungsdienstleistungen ausgebaut
ziges Land sozioökonomisch entwickelt hat,      werden, gehen die Kinderzahlen dem Wunsch
ohne dass parallel dazu die Geburtenrate        der Menschen entsprechend deutlich zurück.
zurückgegangen ist. Der Entwicklungsstand       Doch damit allein ist es nicht getan. Da sich
eines Landes hängt also eng mit seiner Bevöl-   Frauen in Entwicklungsländern im Durch-
kerungsstruktur zusammen.                       schnitt weniger Kinder wünschen als Männer,
                                                führt der Weg zu niedrigeren Kinderzahlen
                                                vor allem über die Stärkung von Frauen.



6 Afrikas demografische Herausforderung
Chancen der demografischen                      Auch wenn sich das Konzept der demogra-          Bildung muss als zentrale Stellschraube für
Entwicklung                                     fischen Dividende aufgrund von kulturellen,      Entwicklung anerkannt werden. Sie bereitet
                                                politischen und wirtschaftlichen Unterschie-     den Weg zum demografischen Bonus, denn
Wenn Mortalität und Fertilität sinken, kann     den nicht einfach von den „asiatischen           mit zunehmendem Bildungsstand der Be-
eine junge Bevölkerung zu einem volkswirt-      Tigern“ auf die Länder Subsahara-Afrikas         völkerung sinken Mortalität und Fertilität.
schaftlichen Motor werden. Dies lehren die      übertragen lässt, steht den afrikanischen        Außerdem wächst das Humanvermögen.
Erfahrungen der asiatischen Tigerstaaten.       Staaten der Weg der demografischen Divi-         Bildung wird so auch zum wichtigsten In-
Diese hatten zu Beginn ihrer beeindrucken-      dende im Prinzip offen. Dafür muss die Poli-     strument, um die demografische Dividende
den Entwicklung eine ähnliche demogra-          tik allerdings die richtigen Weichen stellen.    einzufahren. Dabei gilt es,
fische Ausgangslage wie viele subsaharische
                                                                                                   Chancengleichheit für Mädchen in der
Staaten heute, und auch ihr damaliger Ent-
                                                                                                 Schulbildung herzustellen,
wicklungsstand war ähnlich schlecht. Den        Zentrale Ansatzpunkte
Entwicklungsschub der asiatischen Tiger-                                                           insbesondere die Sekundarbildung auszu-
staaten ermöglichten zwei grundlegende          Solange Mortalität, insbesondere die Kin-        bauen, da sie sowohl für einen Fertilitäts-
Veränderungen:                                  dersterblichkeit, und Fertilität in Subsahara-   rückgang als auch für einen wirtschaftlichen
                                                Afrika derart hoch bleiben, entsteht kein        Aufschwung entscheidend ist,
      Es ist ein demografischer Bonus           demografischer Bonus und damit auch keine
 1    entstanden, weil sich die Zahl der        Chance auf eine wirtschaftlich günstige Ent-
                                                                                                   die berufliche Bildung als Scharnier
                                                                                                 zwischen Schule und Arbeitswelt zu etablie-
Menschen im erwerbsfähigen Alter im             wicklung. Als wichtigste Ansatzpunkte, um
                                                                                                 ren, sowie
Verhältnis zu den abhängigen jungen und         einen demografischen Bonus zu erreichen,
alten Menschen erhöht hat. Damit solch eine     lassen sich Investitionen in Gesundheit            Mikrokredite zur Verbesserung der Bildung
günstige Altersstruktur zustande kommt,         und Familienplanung sowie in Bildung             von erwachsenen Frauen und damit zu ihrer
müssen die vielen Kinder und Jugendlichen       identifizieren.                                  Stärkung einzusetzen. Dadurch wird zugleich
erwachsen werden, die Sterblichkeit in der                                                       das Unternehmertum gefördert.
Altersgruppe der Erwerbsfähigen muss zu-        Die nationalen Regierungen und die verschie-
rückgehen, und die Fertilität muss sinken,      denen Partner der Entwicklungszusammen-          Das Humanvermögen, das sich durch Bildung
sodass die nachwachsenden Jahrgänge (und        arbeit sollten es sich für den Gesundheits-      und geringere Kinderzahlen deutlich verbes-
die damit verbundenen Belastungen) kleiner      sektor zur Aufgabe machen,                       sert, muss auch volkswirtschaftlich nutzbar
werden.                                                                                          gemacht werden. Dafür müssen Arbeitsplät-
                                                  die Gesundheitssysteme zu stärken,
                                                                                                 ze geschaffen werden. Entscheidend ist es,
      Der demografische Bonus konnte in           die medizinische Grundversorgung auf-
 2    eine demografische Dividende              und auszubauen,
                                                                                                    produktive Beschäftigungsmöglichkeiten
                                                                                                 für Männer und Frauen zu ermöglichen, dabei
verwandelt werden, also in einen volkswirt-
                                                  Krankheitsprävention mit einfachen
schaftlichen Gewinn, weil die vielen                                                               zunächst vor allem in Branchen mit einem
                                                Mitteln zu ermöglichen,
Erwerbsfähigen die Chance bekamen,                                                               hohem Bedarf an gering qualifizierten
erwerbstätig zu werden. Dafür müssen die          Impfkampagnen für Kinder durchzuführen,        Arbeitskräften zu investieren, und
Menschen ausgebildet und Arbeitsplätze
                                                  die sexuelle und reproduktive Gesundheit          in einem späteren Schritt, wenn der
geschaffen werden.
                                                zu verbessern,                                   Bildungsstand der Bevölkerung gestiegen ist,
                                                                                                 Jobs in wissensintensiven Bereichen mit
Die asiatischen Tiger haben gleichzeitig in       Sexualaufklärung anzubieten,
                                                                                                 größerer Wertschöpfung zu schaffen.
Bildung und Familienplanung investiert und
                                                   den Zugang zu Verhütungsmitteln zu
notwendige wirtschaftliche Reformen und
                                                erleichtern und                                  Wenn der formale Beschäftigungssektor
Initiativen durchgesetzt. Zudem erkannten
                                                                                                 wächst, sollten soziale Sicherungssysteme
diese Gesellschaften, dass die Erwerbsbetei-       Fürsprecher zu gewinnen und Medien
                                                                                                 aufgebaut werden. Dadurch sinken zum einen
ligung von Frauen für den wirtschaftlichen      einzusetzen, um Wissen über Gesundheits-
                                                                                                 die Geburtenraten weiter, weil etwa Kinder
Fortschritt unbedingt nötig und Bildung dafür   themen und Akzeptanz für Verhütung zu
                                                                                                 als Alterssicherung weniger wichtig werden,
eine zentrale Voraussetzung ist. Es war gera-   schaffen.
                                                                                                 zum anderen ist dies ein erster Schritt, um
de der umfassende Ansatz, der den Tiger-
                                                                                                 sich auf die langfristige Alterung der Bevölke-
staaten ihre Erfolge ermöglicht hat.
                                                                                                 rung vorzubereiten.


                                                                                                                                 Berlin-Institut 7
VIELE KINDER – EIN
1                 RISIKOFAKTOR?
Afrika gehört derzeit zu den Regionen mit       Geteilte Welt: Zwischen Wachstum               Das anhaltende Bevölkerungswachstum in
dem höchsten Wirtschaftswachstum welt-          und Schrumpfen                                 den armen Ländern ist auf drei Faktoren
weit. Viele Experten zeichnen mittlerweile                                                     zurückzuführen:
ein optimistisches Bild von dem Kontinent,      Die Weltbevölkerung hat derzeit eine Zahl
der es lange Zeit nur wegen seiner Kriege       von etwa sieben Milliarden erreicht, und sie   Erstens leben die meisten Menschen in den
und Hungersnöte, wegen Malaria und Aids         wächst nach wie vor stark – um 79 Millionen    armen Regionen dank einer verbesserten
in die internationalen Medien geschafft hat.    im Jahr, das entspricht einem Zuwachs von      gesundheitlichen Versorgung länger. So
Die Wirtschaftsleistung wächst und mit ihr      rund 216.000 Menschen am Tag.0                 ist die durchschnittliche Lebenserwartung
die Kaufkraft und Mittelschicht. In nur einem                                                  beispielsweise in Ostasien von 42 Jahren
Jahrzehnt haben sich die ausländischen          Dieses Wachstum findet zum überwiegenden       Anfang der 1950er Jahre auf mittlerweile
Direktinvestitionen auf dem Kontinent bei-      Teil in den weniger entwickelten Ländern       75 Jahre gestiegen.0 Zweitens bekommen
nahe versiebenfacht.1 Neben der Landwirt-       statt. Aber auch innerhalb dieser Gruppe ist   Frauen in den Entwicklungsländern deutlich
schaft und dem produzierenden Gewerbe           das Wachstum sehr unterschiedlich verteilt:    mehr Kinder als in den entwickelten Regio-
bieten heute auch Dienstleistungsunterneh-      Während in den Entwicklungsländern die         nen der Welt. Zum Beispiel liegt die durch-
men und vor allem die Baubranche immer          Bevölkerung um 1,2 Prozent im Jahr wächst,     schnittliche Kinderzahl pro Frau auf dem
mehr Jobs. Doch zwischen den einzelnen          beträgt der Zuwachs in den 48 am wenigsten     afrikanischen Kontinent bei 4,5, während sie
Ländern Afrikas bestehen große Unter-           entwickelten Ländern 2,3 Prozent. Damit        in Europa nur 1,5 Kinder pro Frau beträgt.0
schiede. Während etwa Ghana, Mosambik,          verdoppelt sich die Bevölkerung dort in nur    Und drittens sind die Bevölkerungen in den
Namibia oder Südafrika vom gegenwärtigen        30 Jahren.0                                    Entwicklungsländern gerade durch die hohen
Aufschwung profitieren, fehlt in gescheiter-                                                   Geburtenraten im Schnitt sehr jung. Alleine
ten Staaten wie Somalia, Liberia oder Eritrea                                                  in den Ländern südlich der Sahara sind 42
von wirtschaftlichen Erfolgen jede Spur.                                                       Prozent der Bevölkerung jünger als 15 Jahre0
                                                                                               – das heißt, es wird in Zukunft deutlich mehr
Über die zukünftige Entwicklung der ein-                                                       Frauen im gebärfähigen Alter geben. Selbst
zelnen Länder bestimmen jedoch nicht nur                                                       wenn diese Frauen dann im Schnitt weniger
Investitionen, sondern auch die Struktur der                                                   Nachwuchs als ihre Mütter hätten, würde das
Bevölkerung. Entscheidend ist, wie viele alte                                                  starke Bevölkerungswachstum anhalten.
und junge Menschen in einem Land leben
und wie gesund und gebildet die Einwohner
sind. Es kommt also weniger auf die absolute
Zahl von Menschen an als auf die Bevölke-
rungszusammensetzung und das vorhandene
Humanvermögen. Denn es kann die Entwick-
lung hemmen, wenn mehr Kinder geboren
werden, als es Schulplätze gibt, oder wenn
die Bevölkerung schneller wächst als Wirt-
schaft und Infrastruktur und damit zu wenige
Arbeitsplätze geschaffen werden.




8 Afrikas demografische Herausforderung
Bevölkerungsprojektionen – das Wachstum                                   zahlen je Frau gerade in den ärmsten Ländern nicht so rasch zurück-
berechenbar machen                                                        gehen könnten, wie von den Vereinten Nationen erwartet. Auf Basis




                                                                                                                                                                         KAPITEL 1
                                                                          dieser Überlegungen würde die Weltbevölkerung bis 2050 eher auf
Bevölkerungsvorausberechnungen sind ein wichtiges Planungs-               elf Milliarden Menschen anwachsen – also auf mehr als die Verein-
instrument. Am bekanntesten sind die Projektionen der Bevölke-            ten Nationen selbst in ihrer hohen Variante veranschlagen.3 Dies
rungsabteilung der Vereinten Nationen (United Nations Population          unterstreicht die Tatsache, dass die zukünftige Entwicklung der
Division), die für einzelne Länder und Ländergruppen erstellt             Weltbevölkerung und insbesondere der Fertilitätsraten mit großen
werden.                                                                   Unsicherheiten behaftet ist. Obwohl man davon ausgehen kann,
                                                                          dass auch in Ländern mit heute noch hoher Fertilität diese länger-
Die Größe und Zusammensetzung der künftigen Weltbevölkerung               fristig sinken wird, ist ungewiss, wie schnell dieser Prozess ablau-
hängt davon ab, wie sich erstens die Geburten- und zweitens die           fen wird und was der Endpunkt dieser Entwicklung sein wird. Dies
Sterberaten im Laufe der Zeit verändern. Insbesondere bei Projek-         wird nicht zuletzt auch von den zukünftigen politischen Prioritäten
tionen für einzelne Länder sind darüber hinaus Wanderungsbewe-            und Handlungen abhängen. Bevölkerungsszenarien können den
gungen als dritte Größe entscheidend. Auf diese drei Größen wirken        Politikern somit den Gestaltungsrahmen ihres Handelns aufzeigen.
die unterschiedlichsten Faktoren ein: die medizinische Versorgung,
der Bildungsstand der Bevölkerung, die Verfügbarkeit von Verhü-           Ungewisse Zukunft
tungsmitteln, die Wirtschaftslage, Bürgerkriege und vieles mehr.
Die UN-Szenarien treffen Annahmen zu den künftigen Entwick-               Die Vereinten Nationen geben für ihre Projektionen drei Varianten an, die auf
                                                                          unterschiedlichen Annahmen zur zukünftigen Fertilitätsentwicklung beruhen.
lungen der drei Größen, wobei nur im Hinblick auf Geburtenraten           Die mittlere basiert in den Berechnungen von 2008 auf der Annahme, dass die
unterschiedliche Varianten berechnet werden. Sie gehen im Prinzip         Fertilitätsraten in allen Ländern der Welt eines Tages bei durchschnittlich 1,85
davon aus, dass sich die Fertilitätsraten in jenen Ländern, in denen      Kindern pro Frau konvergieren werden. Die hohe Variante liegt um 0,5 Kinder
die Menschen noch viele Kinder bekommen, weiter verringern, weil          höher, die niedrige Variante um 0,5 Kinder niedriger, also entsprechend bei
dies dem Trend in anderen Ländern entspricht.                             einer durchschnittlichen Kinderzahl je Frau von 2,35 respektive 1,35. Am
                                                                          häufigsten wird die mittlere Projektion der Vereinten Nationen zitiert, die
                                                                          davon ausgeht, dass die Weltbevölkerung bis 2050 auf rund 9,15 Milliarden
Um neue empirische Daten einzuarbeiten, werden die Projektionen           Menschen anwächst.0 Bei den neuen Projektionen aus dem Jahr 2010 wurde
in regelmäßigen Abständen revidiert, wobei gelegentlich auch die          angenommen, dass die Fertilitätsraten auf 2,1 Kinder pro Frau zulaufen und
Annahmen für die Zukunft geändert werden. So wurden in den ak-            der Rückgang der Raten in Afrika etwas langsamer ist, was für 2050 zu einer
                                                                          Weltbevölkerung von 9,31 Milliarden führen würde.4 Die konstante Variante                 11
tuellsten UN-Projektionen aus dem Jahr 2010 etwas höhere Annah-
                                                                          beruht auf der als unrealistisch erachteten Annahme, dass die durchschnitt-
men zur zukünftigen Fertilität getroffen als in denen aus dem Jahr        lichen Kinderzahlen aller Länder auf dem heutigen weltweiten Niveau von
2008, und gleichzeitig wurde der Zeithorizont auf 2100 verlängert.        2,5 Kindern pro Frau verharren.
Die in dieser Studie zitierten weiterführenden Berechnungen (ins-                                                                                                   10
besondere die des IIASA/VID und der Futures Group in Kapitel 4)                Konstante Variante 2008
basieren auf den Ausgangsdaten der UN-Projektionen von 2008.                   Hohe Variante 2008
Wir beziehen uns daher in der gesamten Studie aus Gründen der                  Mittlere Variante 2010
Einheitlichkeit auf diese Projektionen. Die grundsätzlichen Beob-              Mittlere Variante 2008                                                                9
achtungen und Schlussfolgerungen gelten jedoch ohne Abstriche                  Niedrige Variante 2008
auch für die neueren Projektionen.

Die Projektionen der Vereinten Nationen sind nicht unumstritten.                                                                                                    8
So sind sich die Fachleute beispielsweise nicht einig, wie stark die
Fertilitätsrate in China bis heute gesunken ist. Es gibt Gründe anzu-
nehmen, dass die Vereinten Nationen die Fertilität dort als zu hoch
einschätzen. Dann würden ihre Projektionen insgesamt zu hoch                                                                                                         7
                                                                         Bevölkerungsvorausberechnungen der Vereinten Nationen
ausfallen, denn China stellt gut ein Fünftel der heutigen Weltbevöl-     in verschiedenen Varianten, in Milliarden
kerung.2 Andere Forscher glauben hingegen, dass die Projektionen         (Datengrundlage: United Nations0)
der Vereinten Nationen für Afrika zu niedrig sind, weil die Kinder-
                                                                                                                                                                    6


                                                                        2010       2015       2020        2025        2030        2035        2040           2045


                                                                                                                                             Berlin-Institut 9
Wachstum vor allem in den armen Ländern                                                                           gesellschaftlicher Wandel, der mit einem
                                                                                                                  steigenden Bildungsniveau der Bevölkerung
Die globale Bevölkerung wächst weiter und dabei verringert sich der Anteil der Menschen, die in hoch
                                                                                                                  einherging und ein Wirtschaftswachstum
entwickelten Ländern wohnen: Lebte um 1950 noch einer von drei Menschen in den westlichen Industrie-
ländern oder Japan, ist es heute nur etwa einer von fünf. In 40 Jahren wird es voraussichtlich nur noch einer     nach sich zog, führte dazu, dass schließlich
von sieben sein. Allerdings dürften bis dahin viele der heutigen Schwellenländer einen den heutigen Industrie-    auch die Fertilitätsraten sanken. Die Verän-
nationen vergleichbaren Entwicklungsstand erreicht haben.                                                         derung von hohen Sterbe- und Geburtenraten
10                                                                                                                zu niedrigen bezeichnet die Wissenschaft als
                                                                               am wenigsten entwickelte           demografischen Übergang.
 9                                                                             Länder
 8
                                                                                                                  Wenn die Fertilität im Laufe des demogra-
 7                                                                                                                fischen Übergangs sinkt, verändert sich die
 6                                                                                                                Altersstruktur der Bevölkerung. Zunächst
 5                                                                                                                gibt es anteilig weniger Kinder, aber dafür
                                                                                Entwicklungsländer                mehr Menschen im erwerbsfähigen Alter. Die
 4
                                                                                                                  Zahl der älteren Menschen bleibt dagegen
 3
                                                                                                                  noch gering und wächst erst, wenn die große
 2
                                                                                                                  Gruppe der Erwerbsfähigen allmählich älter
 1                                                                                                                wird. Eine Gesellschaft kann umso produkti-
                                                                                Industrieländer
 0                                                                                                                ver sein, je weniger Kinder und Senioren sie
  1950       1960      1970      1980       1990      2000       2010      2020       2030        2040     2050   anteilig versorgen muss. Dieses Zeitfenster in
Weltbevölkerung in Milliarden, mittlere Variante, nach Ländertypen                                                der demografischen Entwicklung einer Ge-
(Datengrundlage: United Nations0)                                                                                 sellschaft zwischen Geburtenrückgang und
                                                                                                                  Alterung nennt man den demografischen
                                                                                                                  Bonus. Um diesen Bonus nutzen zu können,
Asien zählt mit seinen demografischen Rie-               Auf den Spuren der Entwicklung                           müssen die erwerbsfähigen Menschen aus-
sen China und Indien die meisten Menschen                                                                         gebildet werden, Arbeit finden und ein mög-
auf der Welt, doch prozentual wird Afrika                Auch die wohlhabenden westlichen Indus-                  lichst langes und produktives Berufsleben
aufgrund seiner jungen Bevölkerungsstruktur              trieländer durchlebten einst Phasen mit star-            führen, bevor sie selbst alt und abhängig
am stärksten wachsen. Bis 2050 dürfte sich               kem Bevölkerungswachstum. Durch verbes-                  werden. Gelingt einer Gesellschaft dies, wird
die Einwohnerzahl Afrikas auf knapp zwei                 serte Lebensbedingungen und medizinische                 der Bonus zur Dividende. Den Schlüssel zum
Milliarden Menschen verdoppeln. In Asien                 Fortschritte sowie durch Hygiene und saube-              Erfolg bilden dabei Investitionen in Bildung
und Lateinamerika ist mit einem Bevölke-                 res Trinkwasser starben seit Anfang des 19.              und in den Arbeitsmarkt.
rungszuwachs von jeweils rund 20 Prozent                 Jahrhunderts immer weniger Kinder, während
zu rechnen – in absoluten Zahlen wachsen                 die Kinderzahlen pro Frau zunächst hoch
deren Bevölkerungen um knapp 1,1 Milliarden              blieben. Das Wachstum verlief allerdings
respektive 140 Millionen Menschen. Europa                langsamer als heute in den Entwicklungslän-
muss sich dagegen als einziger Kontinent                 dern, da das Heiratsalter höher lag und viele
auf einen Bevölkerungsrückgang von sechs                 Frauen kinderlos blieben. Außerdem wurde
Prozent auf rund 690 Millionen Menschen                  ein Teil des Wachstumsproblems exportiert,
einstellen.0 Ein Ende des globalen Bevölke-              denn viele Menschen verließen damals auf
rungswachstums ist also für die erste Hälfte             der Suche nach einem besseren Leben ihre
dieses Jahrhunderts noch nicht abzusehen,                Heimat. Auf dem Höhepunkt der Auswande-
auch wenn es sich im Vergleich zu den letzten            rungswelle im 19. Jahrhundert etwa kehrten
Jahrzehnten verlangsamt hat.                             in nur einem Jahrzehnt 14 Prozent der Iren
                                                         ihrem Vaterland den Rücken. Um 1900
                                                         fanden jedes Jahr Millionen Europäer in der
                                                         Neuen Welt ihr Zuhause.5 Ein mit der Indus-
                                                         trialisierung und Verstädterung verbundener




10 Afrikas demografische Herausforderung
Geburtenrückgang und ökonomischer Aufschwung:                             Wo viele Arbeitskräfte reich gemacht haben
das Beispiel Südkorea




                                                                                                                                                                                                                    KAPITEL 1
                                                                          Rückläufige Kinderzahlen haben seit Ende der 1960er Jahre in Südkorea
                                                                          zu einem wachsenden Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung geführt.
Vor 50 Jahren hätte kaum ein Entwicklungsexperte gedacht, dass das        Da die Erwerbsbevölkerung relativ wenig junge Menschen zu versorgen
vom Korea-Krieg gebeutelte, agrarisch geprägte Südkorea einmal zur        hatte, wurden Mittel frei, um Arbeitsplätze zu schaffen und in Bildung zu
neuntgrößten Exportnation heranwachsen und gemessen am Brutto-            investieren. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf stieg und die Menschen
nationaleinkommen zu den 20 reichsten Nationen der Welt zählen            entschieden sich für noch weniger Kinder, investierten aber umso mehr in
                                                                          deren Bildung.
würde.8
                                                                          24.000                                                                                                                               80
Angefangen hat diese Erfolgsgeschichte mit massiven Investitionen
in die Bildung der breiten Bevölkerung und mit einer effektiven Politik   22.000
zur Familienplanung, die sowohl die Verbreitung von Verhütungs-                                                                                                                                                70
                                                                          20.000
methoden als auch eine Verbesserung der Gesundheit von Müttern
und Kindern mit einschloss.9 Als Folge sanken die Geburtenraten           18.000                                                                                                                               60
drastisch. Hatte ein Anfang der 1960er Jahre geborener Südkoreaner
                                                                          16.000
noch durchschnittlich ungefähr fünf Geschwister, war er 25 Jahre                                                                                                                                               50
später selbst Vater von höchstens zwei Kindern und hat heute von          14.000
jedem seiner Kinder sogar nur ein Enkelkind. Damit hat sich zwischen
                                                                          12.000                                                                                                                               40
1970 und heute die erwerbsfähige Bevölkerung in Südkorea im Alter
zwischen 15 und 64 Jahren auf 35 Millionen Menschen verdoppelt,           10.000
während die Bevölkerungszahl in der jüngeren Altersgruppe zurück-                                                                                                                                              30
                                                                           8.000
ging.0 Südkorea hat es verstanden, diesen demografischen Bonus zu
nutzen, da es seine Bevölkerung – inklusive der Frauen – frühzeitig        6.000                                                                                                                               20
ausgebildet und erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert hat.
                                                                           4.000
                                                                                                                                                                                                               10
Etwas zeitversetzt zum Geburtenrückgang fing die Wirtschaft Süd-           2.000
koreas an zu wachsen, wodurch immer mehr Kapital zur Verfügung
                                                                               0                                                                                                                               0
stand, das vom Staat für den weiteren Ausbau des Bildungs- und
                                                                                   1960
                                                                                          1963
                                                                                                 1966
                                                                                                        1969
                                                                                                               19 7 2
                                                                                                                        19 75
                                                                                                                                1978
                                                                                                                                       19 8 1
                                                                                                                                                1984
                                                                                                                                                       1987
                                                                                                                                                              1990
                                                                                                                                                                     1993
                                                                                                                                                                            1996
                                                                                                                                                                                   1999
                                                                                                                                                                                          2002
                                                                                                                                                                                                 2005
                                                                                                                                                                                                        2008
Gesundheitssystems, der Infrastruktur und der Förderung entlegener
Regionen genutzt wurde. Mit seinen immer besser ausgebildeten
Einwohnern wurde Südkorea auch für Privat- und Auslandsinvestoren            Anteil der Personen im Erwerbsalter zwischen
interessant. Die Wachstumsraten der südkoreanischen Wirtschaft               15 und 64 Jahren in Prozent
erreichten während der letzten dreißig Jahre trotz der Asienkrise von        Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in US-Dollar
1997/98 und der Finanzkrise 2008 im Mittel 6,3 Prozent.10
                                                                          (Datengrundlage: United Nations für Abhängigkeitsrate;0
                                                                          World Bank für Bruttoinlandsprodukt11)
Der Preis des demografischen Bonus ist die Alterung der Bevölkerung.
Weil in Südkorea die Fertilitätsrate in den 1960er und -70er Jahren
so schnell gesunken ist wie nirgendwo sonst und nun mit 1,2 Kindern
pro Frau auf einem der niedrigsten Niveaus weltweit liegt, altert
die Bevölkerung dort gegenwärtig so schnell wie keine andere. Der
Anteil der über 64-jährigen Südkoreaner liegt heute zwar erst bei elf
Prozent, Vorausberechnungen zufolge dürfte er aber bis 2050 auf 34
Prozent steigen.0 Immer weniger junge Menschen müssen dann diese
alten Menschen versorgen. Darauf muss sich der Staat vorbereiten,
indem er beispielsweise rechtzeitig in soziale Sicherungssysteme
investiert und dafür sorgt, dass die Menschen länger gesund, qualifi-
ziert und produktiv bleiben können.




                                                                                                                                                                                          Berlin-Institut 11
Die heutigen Tigerstaaten (Südkorea, Taiwan,     bilden, denn die Fertilitätsraten liegen dort    Wie das Bevölkerungswachstum die
Hongkong, Singapur) folgten genau diesem         im Schnitt bei fast fünf Kindern pro Frau, und   Entwicklung bremst
Modell der demografischen Dividende. Sie         Kinder und Jugendliche dominieren damit bis
investierten in den 1960er und -70er Jahren      heute die Bevölkerungszusammensetzung.0          Aus den hohen Fertilitätsraten, dem damit
massiv in Bildung und Familienplanungs-          Nicht zufällig zählen viele Länder südlich der   verbundenen hohen Bevölkerungswachstum
programme, worauf ein starkes Wirtschafts-       Sahara zu den ärmsten der Welt. 73 Prozent       sowie dem überproportional hohen Anteil an
wachstum folgte und sie sich von armen           der Bewohner Subsahara-Afrikas, so schätzt       jungen Menschen ergeben sich verschiedene
Ländern mit hohem Bevölkerungswachstum           die Weltbank, leben von weniger als zwei         Risiken und Entwicklungshemmnisse.13
zu wohlhabenden Ländern mit niedriger Fer-       US-Dollar am Tag.12
tilität entwickelten.6 Es wird geschätzt, dass                                                    Infrastruktur. Gerade in ländlichen Regionen
rund ein Drittel des Wirtschaftswachstums        Absolut gesehen wird es in Zukunft in der        reicht das Angebot an Schulen und Gesund-
in Ost- und Südostasien darauf beruht, dass      Region trotz aller Anstrengungen der Länder      heitseinrichtungen schon jetzt oft nicht
der demografische Bonus genutzt werden           und der Hilfen der internationalen Staaten-      aus. Das enorme Bevölkerungswachstum
konnte.7 Zu diesem Effekt der Altersstruktur     gemeinschaft vermutlich mehr Arme geben          verschärft diese Probleme, denn mit einer
kommt dann noch die positive Wirkung, die        als heute. Denn das verhältnismäßig hohe         größeren Bevölkerung steigt auch der Bedarf
bessere Bildung und wirtschaftliche Refor-       Wirtschaftswachstum der letzten Jahre und        an Lehrern, Ärzten und anderen Dienstlei-
men für den Aufschwung hatten.                   die Leistungen der Entwicklungszusammen-         stern. Mangelnde Perspektiven auf dem Land
                                                 arbeit reichen nicht aus, um die wachsenden      führen zu verschärfter Migration in die städ-
Auch auf dem lateinamerikanischen Konti-         Bevölkerungen zu versorgen. Dies zeigt           tischen Räume, die sich dadurch teilweise
nent folgten viele Staaten diesem Entwick-       das Beispiel des Tschads ganz deutlich. Der      zu Megastädten entwickeln. Die Megastädte
lungspfad, wenn auch mit weniger ausge-          Sahelstaat hat mit durchschnittlich sechs        können ihrerseits den Einwohnerzuwachs
prägten und unterschiedlichen Erfolgen. Der      Kindern pro Frau eine der höchsten Fertili-      kaum bewältigen, weil es ihnen ebenfalls an
Einfluss der katholischen Kirche erschwerte      tätsraten und auch eine der höchsten Bevöl-      Infrastruktur mangelt, an Wohnraum, fließen-
dort aktive Familienplanung, und die wirt-       kerungswachstumsraten der Welt. Die Ein-         dem Wasser und formellen Arbeitsplätzen.
schaftliche Entwicklung litt in manchen          wohnerzahl hat sich in den letzten 20 Jahren     So landen die meisten Migranten erst einmal
Ländern unter innenpolitischen Auseinan-         beinahe verdoppelt und liegt nun bei über elf    in Slums.
dersetzungen. Doch heute zählen die großen       Millionen. Bis 2050 dürfte sie um das Zwei-
lateinamerikanischen Staaten mindestens zu       einhalbfache auf gut 27 Millionen geklettert     Ernährungssicherheit. Weltweit werden
den Schwellenländern, und sie nehmen eine        sein.0 Von diesem Wachstum ist der ohnehin       zwar genügend Lebensmittel produziert – nur
zunehmend wichtige Rolle in der globalen         fragile Staat überfordert.                       nicht immer da, wo sie benötigt werden. Ge-
Gemeinschaft ein.                                                                                 rade in Ländern mit starkem Bevölkerungs-
                                                                                                  wachstum finden kaum Ertragssteigerungen
                                                                                                  durch moderne Anbaumethoden statt.
Afrikanische Länder südlich der                                                                   Insgesamt wird geschätzt, dass bis zum Jahr
Sahara auf anderen Wegen                                                                          2080 in den Entwicklungsländern 90 bis 125
                                                                                                  Millionen Menschen zusätzlich unter Hunger
Bis auf wenige Ausnahmen sieht es in Afri-                                                        leiden könnten.14 Der Klimawandel verschärft
ka ganz anders aus. In Nordafrika hat sich                                                        die Ernährungsprobleme weiter. Weltweit
zwar die Altersstruktur günstig entwickelt,
doch ist es bislang nicht gelungen, diesen
demografischen Bonus zu nutzen, weil
es an Arbeitsplätzen fehlt. In der Region
Subsahara-Afrika konnte sich dagegen noch
gar kein Bonus an Erwerbsfähigen heraus-




12 Afrikas demografische Herausforderung
GRÖNLAND
                                                                                      (DÄNEMARK)


                                                                                                             ISLAND
USA                                                                                                                                             SCHWEDEN
                                                                                                                                   NORWEGEN           FINNLAND                                                           RUSSLAND




                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      KAPITEL 1
                       KANADA                                                                                         GROSS-     DÄNEMARK
                                                                                                                      BRITANNIEN
                                                                                                                IRLAND                                      WEISSRUSSLAND
                                                                                                                                       DEUTSCH-    POLEN
                                                                                                                                         LAND                 UKRAINE
                                                                                                                                                                                                      KASACHSTAN
                                                                                                                          FRANKREICH                UNGARN                                                                                   MONGOLEI
                                                                                                                                                         RUMÄNIEN
                                                                                                                                                            BULGARIEN GEORGIEN                     USBEKISTAN
                                                                                                                                            ITALIEN                                 ASER-                       KIRGISIEN
                    USA                                                                                       PORTUGAL                                                  ARMENIEN BEIDSCHAN
                                                                                                                         SPANIEN                                                                                                                                                  NORDKOREA
                                                                                                                                                                    TÜRKEI                    TURKMENISTAN TADSCHIKISTAN
                                                                                                                                                    GRIECHENLAND                                                                                                                    SÜDKOREA     JAPAN
                                                                                                                                                                         SYRIEN                                                                    CHINA
                                                                                                                                          TUNESIEN              LIBANON                                AFGHANISTAN
                                                                                                                                                                               IRAK         IRAN
                                                                                                              MAROKKO                                            ISRAEL
                                                                                                                                                                         JORDANIEN
                                                                                                                                                                                       KUWAIT                                 NEPAL BHUTAN
                                                                                                                             ALGERIEN                                                                      PAKISTAN
                                                                                                                                                 LIBYEN                                   BAHRAIN
                                                                                                                                                             ÄGYPTEN                        KATAR                                         INDIEN
                                              BAHAMAS                                                WEST-                                                                       SAUDI-
                                                                                                                                                                                                VEREINIGTE                          BANGLADESCH
           MEXIKO                                                                                    SAHARA                                                                     ARABIEN         ARABISCHE
                                                                                                                                                                                                EMIRATE                   INDIEN                                                   TAIWAN
                                    KUBA             DOMINIKANISCHE                                                                                                                                                                            MYANMAR
                                                     REPUBLIK                                                                                                                                      OMAN                                                 LAOS
                                                                                                         MAURETANIEN
                                                                                      KAP VERDE                            MALI
                           BELIZE JAMAIKA HAITI           PUERTO RICO                                                                   NIGER
                                                          (USA)                                                                                    TSCHAD                      ERITREA   JEMEN
             GUATEMALA      HONDURAS                                                                                                                                                                                                                    THAILAND
                                                                                                                                                                 SUDAN                                                                                                VIETNAM
                                                                                              SENEGAL                    BURKINA                                                                                                                                                        PHILIPPINEN
                 EL SALVADOR    NICARAGUA                                                                                FASO                                                        DSCHIBUTI                                                            KAMBODSCHA
                                                            TRINIDAD UND                        GAMBIA
                                    PANAMA                  TOBAGO                                                              BENIN
                     COSTA RICA                                                                  GUINEA-                            NIGERIA
                                                  VENEZUELA   GUYANA                             BISSAU                                                                      ÄTHIOPIEN
                                                                                                                                             ZENTRALAFR.
                                                                SURINAM                             GUINEA                                   REPUBLIK                                                                            SRI LANKA                               BRUNEI
                                                                     FRANZÖSISCH                                           TOGO      KAMERUN                                                SOMALIA
                                           KOLUMBIEN                                                         LIBERIA                                                                                                                                               MALAYSIA
                                                                     GUYANA                                           GHANA ÄQUAT.                                     UGANDA
                                                                                                     SIERRA LEONE
                                                                                                                   ELFENBEIN- GUINEA      KONGO DEMO-                      KENIA                                                                               SINGAPUR
                                  ECUADOR                                                                          KÜSTE             GABUN
                                                                                                                                                KRATISCHE
                                                                                                                                                                                   RUANDA                                                                                                                PAPUA-
                                                                                                                                                 REPUBLIK                                                                                                                 INDONESIEN
                                                                                                                                                  KONGO                           BURUNDI                                                                                                                NEUGUINEA
                                                                                                                                                                      TANSANIA

                                           PERU                           BRASILIEN                                                                                                                                                                                                         OSTTIMOR
                                                                                                                                                  ANGOLA
                                                                                                                                                                         MALAWI
                                                                                                                                                            SAMBIA
                                                          BOLIVIEN
                                                                                                                                                                                             MADAGASKAR
                                                                                                                                                             SIMBABWE        MOSAMBIK
                                                                                                                                                                                                       MAURITIUS
                                                                     PARAGUAY                                                                 NAMIBIA
                                                                                                                                                        BOTSUANA                                 RÉUNION
                                                                                                                                                                                                                                                                                            AUSTRALIEN
                                                  CHILE                                                                                                               SWASILAND

                                                                                                                                                                   LESOTHO
                                                           ARGENTINIEN                                                                               SÜDAFRIKA
                                                                           URUGUAY




                                                                                                                                                                                                                                                                                                         NEUSEELAND




      Wo die Familien groß sind                                                                    trifft er die Entwicklungsländer am stärksten,                                                             Umwelt. In manchen Regionen verringern
                                                                                                   vor allem die Region südlich der Sahara.                                                                   sich die Erträge in der Landwirtschaft auch
      Während in Asien absolut betrachtet die meisten
                                                                                                   Gerade die Entwicklungsländer haben aber                                                                   deshalb, weil fruchtbare Böden durch falsche
      Kinder geboren werden, haben die Frauen in Sub-
      sahara-Afrika durchschnittlich die höchsten Kinder-                                          die geringsten Chancen, sich daran anzupas-                                                                Anbautechniken erodieren oder weil durch
      zahlen. Zugleich tragen sie bei Schwangerschaft                                              sen. Die Auswirkungen sind dort am gravie-                                                                 künstliche Bewässerung der Grundwasser-
      und Geburt ein großes Gesundheitsrisiko, denn die                                            rendsten, wo viele Menschen von begrenzten                                                                 spiegel sinkt und die Böden versalzen.
      Mütter- und Kindersterblichkeit sind höher als an-                                           natürlichen Ressourcen leben – wie etwa                                                                    Gerade dadurch wird immer mehr Fläche
      derswo auf der Welt. Anders als in Afrika schrumpft
                                                                                                   am Nildelta. Projektionen zufolge dürften                                                                  benötigt, um die hinzukommenden Men-
      die Bevölkerung in einigen Ländern Europas und
      Asiens, denn hier werden weniger Kinder geboren,                                             2050 allein in Afrika 350 bis 600 Millionen                                                                schen zu ernähren. Da tropische Länder das
      als zum Ersatz der Elterngeneration nötig sind.                                              Menschen in Gebieten mit Wasserknappheit                                                                   stärkste Bevölkerungswachstum verzeichnen,
                                                                                                   leben.15                                                                                                   schwinden vor allem die artenreichen Regen-
      Durchschnittliche Kinderzahl pro Frau im                                                                                                                                                                wälder.16 So hat der Amazonasregenwald seit
      Jahr 2010                                                                                                                                                                                               1970 rund 20 Prozent seiner Fläche verlo-
          unter 1,5                                                                                                                                                                                           ren.17 Ein weiteres Beispiel: 80 Prozent der
          1,5 bis unter 2,0                                                                                                                                                                                   weltweiten Fischbestände, von denen sich
          2,0 bis unter 3,0                                                                                                                                                                                   mehr als 2,9 Milliarden Menschen ernähren,
          3,0 bis unter 4,0                                                                                                                                                                                   sind bereits heute überfischt.18 Außerdem
          4,0 bis unter 5,0                                                                                                                                                                                   bestehen Mängel bei der umweltgerechten
          5,0 bis unter 6,0                                                                                                                                                                                   Abwasserentsorgung – vor allem durch die
          6,0 und mehr
      (Datengrundlage: United Nations0)




                                                                                                                                                                                                                                                                                  Berlin-Institut 13
industriellen Abwässer, die in Entwicklungs-    Bevölkerungswachstum –                          die es aufgrund der begrenzten natürlichen
ländern meist ungeklärt in Flüsse und Meere     ein Tabuthema der heutigen                      Ressourcen und aus Sorge vor Hungersnöten
abfließen, geht der regionale natürliche        Entwicklungspolitik                             zu reduzieren galt. Viele Entwicklungsländer
Lebensraum verloren, was umso proble-                                                           nahmen Familienplanung in ihre Entwick-
matischer ist, wenn die Bevölkerung weiter      Angesicht der vielen Verflechtungen zwi-        lungsstrategien auf, indem sie einen unkom-
wächst.                                         schen Bevölkerungsdynamik und Entwick-          plizierten Zugang zu Verhütungsmitteln schu-
                                                lungserfolgen verwundert es, dass dem           fen. Doch es gab auch Programme, die mit
Nationale Sicherheit. Die Verknappung von       Thema in der internationalen Entwicklungs-      Zwangsmaßnahmen verbunden waren, etwa
lebenswichtigen Ressourcen wie Trinkwasser      zusammenarbeit derzeit nur wenig Beach-         die strenge Ein-Kind-Politik Chinas.22
und fruchtbaren Böden trägt ein großes          tung geschenkt wird.21 Ein Grund dafür ist
Konfliktpotential in sich und kann grenzüber-   die erbittert geführte Debatte, ob und wie      Manche Politiker und gesellschaftliche
schreitende Flucht- und Migrationsbewe-         der Staat in private Angelegenheiten wie die    Akteure nahmen Anstoß daran, dass der
gungen auslösen. Flüchtlinge und Migranten      Fortpflanzung eingreifen sollte. Frauenrecht-   entwicklungspolitische Fokus so sehr auf den
können zu einem Sicherheitsrisiko werden,       lerinnen, (Bevölkerungs-)Politiker und die      Familienplanungsprogrammen lag. „Entwick-
wenn die Nachbarländer mit der Aufnahme         Kirchen hatten dazu von Anfang an unverein-     lung ist die beste Verhütung“, so brachten
überfordert sind. Studien zeigen außerdem,      bare Positionen, die sie zum Teil bis heute     es Vertreter dieser Fraktion auf der ersten
dass Länder mit einem überproportional          aufrechterhalten.                               Weltbevölkerungskonferenz der Vereinten
hohen Anteil an Jugendlichen anfällig für                                                       Nationen in Bukarest 1974 auf den Punkt. Sie
politische Unruhen und bewaffnete Konflikte     Bereits in den 1960er Jahren hatte die in-      setzten sich für eine Politik ein, die lediglich
sind.19 Junge Erwachsene, insbesondere          ternationale Staatengemeinschaft auf das        die soziale und wirtschaftliche Entwicklung
junge Männer, neigen zur Gewaltbereitschaft,    massive Bevölkerungswachstum in den             vorantreiben sollte – ein Fertilitätsrückgang
wenn ihnen Perspektiven, Bildung und Ar-        Entwicklungsländern reagiert. Dabei richtete    komme dann von allein. Verfechter dieser
beitsplätze verwehrt bleiben. Die meisten       sich die Aufmerksamkeit bis in die 1980er       Idee waren meist religiöse Oberhäupter und
gefährdeten Staaten liegen in Afrika und am     Jahre allein auf die hohen Geburtenraten,       Politiker aus den ärmeren Ländern selbst, die
Hindukusch, also in jenen Regionen mit dem
höchsten Bevölkerungswachstum.20

                                                   Sexuelle und Reproduktive Gesundheit und Rechte (SRGR)

                                                   Die etwas sperrige Begrifflichkeit „Sexuelle und Reproduktive Gesundheit und Rechte“
                                                   steht für einen menschenrechtsbasierten Ansatz, der auf der Weltbevölkerungskonfe-
                                                   renz in Kairo 1994 in der internationalen Bevölkerungspolitik verankert wurde. Das
                                                   Aktionsprogramm der Konferenz definiert reproduktive Gesundheit als „den Zustand
                                                   des vollständigen seelischen, körperlichen und sozialen Wohlbefindens im Hinblick auf
                                                   Sexualität und Fortpflanzung“.28 Jeder Mensch soll ein befriedigendes und ungefährliches
                                                   Sexualleben haben können und frei über den Zeitpunkt für eigene Kinder sowie über ihre
                                                   Anzahl bestimmen dürfen.

                                                   Damit verlangt reproduktive Gesundheit erstens nach Zugang zu sicheren, effektiven und
                                                   bezahlbaren Verhütungsmethoden sowie zu Informationen darüber. Zweitens umfasst
                                                   reproduktive Gesundheit die medizinische Betreuung während und nach Schwanger-
                                                   schaft und Geburt – dazu gehört auch die medizinische Versorgung neugeborener Kin-
                                                   der. Und drittens schließt der Begriff sämtliche Gesundheitsleistungen ein, die sexuell
                                                   übertragbare Krankheiten sowie Erkrankungen der Fortpflanzungsorgane behandeln
                                                   oder eindämmen. Im Zentrum stehen dabei die individuellen Rechte auf bestmögliche
                                                   Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Nicht-Diskriminierung
                                                   aufgrund des Geschlechts.




14 Afrikas demografische Herausforderung
sich angesichts der Unterstützung von Fami-       Sieg der internationalen Frauenbewegung.          Eine notwendige Neuorientierung
lienplanungsprogrammen durch den Westen           Die Staatengemeinschaft einigte sich auf
bevormundet fühlten. Nichtsdestotrotz             ein detailliertes Aktionsprogramm, das frei-      Die vorliegende Studie möchte dazu beitra-




                                                                                                                                                       KAPITEL 1
verabschiedeten die Teilnehmer am Ende der        willige Familienplanung, die (reproduktive)       gen, dass in Zukunft sowohl faktenbasiert
Konferenz den sogenannten World Popula-           Gesundheit von Müttern und Kindern sowie          als auch menschen(rechts)orientiert über
tion Action Plan, in dem Familienplanung mit      die Gleichstellung von Männern und Frauen         bevölkerungspolitische Zusammenhänge dis-
weiteren Entwicklungsmaßnahmen verknüpft          in den Mittelpunkt stellte.26 Die Geberländer     kutiert wird. Dazu werden zum einen Zusam-
wurde.23                                          sagten zu, ein Drittel der bis 2005 anfallen-     menhänge zwischen Bevölkerungsdynamik
                                                  den Kosten zu übernehmen, geschätzte 6,1          und sozioökonomischer Entwicklung durch
Doch der Streit setzte sich fort und eskalierte   Milliarden US-Dollar.27 Die tatsächlich bereit-   Analysen verdeutlicht. Zum anderen wird
1984 auf der zweiten Weltbevölkerungs-            gestellten Gelder blieben allerdings deutlich     umfänglich darauf eingegangen, welche Fak-
konferenz in Mexiko-Stadt. Die Vereinigten        hinter den Erwartungen zurück. Der Druck          toren auf die Kinderzahlen einwirken. Es wird
Staaten, bis dato größter Befürworter und         der Familienplanungsgegner, die schließlich       sich zeigen, dass Maßnahmen, die aus ver-
Geldgeber einer regulierenden staatlichen         auch US-Präsident George W. Bush auf ihre         schiedensten Gründen erstrebenswert sind
Bevölkerungspolitik, zogen sich weitgehend        Seite zogen, war zu groß.                         – etwa Zugang zu Bildung, Verhütungsmitteln
aus diesem Bereich zurück. Die damalige                                                             und Gesundheitsdienstleistungen sowie die
Regierung von Präsident Ronald Reagan rea-        Noch immer prallen bei diesem Thema die           Stärkung der Frau – die Fertilitätsraten sin-
gierte damit auf den Druck der Abtreibungs-       Ansichten der unterschiedlichen Gruppie-          ken lassen und die Voraussetzungen für eine
gegner im eigenen Land. Diese verlangten,         rungen, politischen Richtungen und Kultur-        demografische Dividende schaffen.
dass die USA sich aus allen Programmen zu         kreise aufeinander. Auch bei dem Millen-
Familienplanung und reproduktiver Gesund-         niumsgipfel der Vereinten Nationen im Jahr        Daraus ergibt sich letztlich die Forderung,
heit zurückziehen sollten, die auch nur im        2000 wurde die Bevölkerungsdynamik in             dass demografische Zusammenhänge bei
weitesten Sinne Abtreibungen erlaubten.           ihrer Bedeutung verkannt, und das, obwohl         entwicklungspolitischen Planungen wieder
Starke Verbündete fanden die Vereinigten          die Entwicklungsziele, die es bis 2015 zu         stärker in den Vordergrund rücken müssen.
Staaten mit ihrem neuen Kurs im Vatikan und       erreichen gilt, mit messbaren Kriterien verse-    Entwicklungszusammenarbeit kann nur
in den konservativ-islamischen Staaten.24         hen wurden. Wenn Armut und Hunger hal-            dann erfolgreich und nachhaltig sein, wenn
                                                  biert (MDG 1), die Kindersterblichkeit um ein     starkes Bevölkerungswachstum als eine der
Die dritte Weltbevölkerungskonferenz in           Drittel gesenkt werden sollen (MDG 4), müs-       Ursachen von Ressourcenknappheit, gewalt-
Kairo 1994 steht für einen Wendepunkt in          sen die Entwicklungsbemühungen jedoch mit         samen Konflikten oder Defiziten im Bildungs-
der internationalen Bevölkerungspolitik. Das      dem Bevölkerungswachstum mithalten. Unter         und Gesundheitssystem (an)erkannt wird.
Konzept des ungedeckten Bedarfs (siehe            den Millenniumsentwicklungszielen finden          Die Maßnahmen, mit denen gegengesteuert
Kapitel 3 und Glossar) half damals, zwischen      sich zwar einige Vereinbarungen aus dem           werden kann, lassen sich dabei an den Be-
Bevölkerungspolitikern einerseits und             Bereich der reproduktiven Gesundheit wie          dürfnissen der Menschen ausrichten.
Frauenrechtlerinnen andererseits zu vermit-       die Senkung der Kinder- und Müttersterblich-
teln.25 Anstelle demografischer Zielvorgaben      keit und die Eindämmung der HIV/Aids-Pan-
rückten individuelle Rechte und Bedürfnisse       demie. Aber Möglichkeiten, das Bevölke-
der Frauen und Männer in den Vordergrund.         rungswachstum zu bremsen, etwa durch die
Das Thema Bevölkerungswachstum ver-               Verbesserung des Verhütungsangebotes in
schwand damit von der politischen Agenda          Entwicklungsländern, finden keinerlei Erwäh-
– auch weil in Asien und Lateinamerika            nung. Dabei gefährdet gerade das starke
die Geburtenraten bereits stark gefallen          Bevölkerungswachstum das Erreichen der
waren, und in Afrika vor allem die HIV/Aids-      Millenniums-Entwicklungsziele, denn seit
Pandemie für Aufsehen sorgte. Kairo gilt als      ihrer Formulierung im Jahr 2000 ist die Welt-
                                                  bevölkerung um knapp 15 Prozent, von 6,1
                                                  Milliarden auf etwa sieben Milliarden,
                                                  gewachsen.0




                                                                                                                                  Berlin-Institut 15
Afrikas demografische Herausforderung
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Afrikas demografische Herausforderung

  • 1. Afrikas demografische Herausforderung – Wie eine junge Bevölkerung Entwicklung ermöglichen kann Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in Kooperation mit Lilli Sippel, Tanja Kiziak, Franziska Woellert, Reiner Klingholz Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung Schillerstraße 59 10627 Berlin Afrikas demografische www.berlin-institut.org Herausforderung Projektpartner: Wie eine junge Bevölkerung Entwicklung ermöglichen kann International Institute for Applied Systems Analysis Partners in Population and Development, Uganda Berlin-Institut DSW Tanzania Wir danken der Europäischen Union, der Schleicher-Stiftung, der Boehringer Ingelheim GmbH, dem Christian Schrom Fonds und der KfW Entwicklungsbank sowie privaten Spendern für die finanzielle Unterstützung. ISBN: 978-3-9812473-9-8 + gebildete Frauen haben weniger Kinder +++ Entwicklungschancen für Afrika +++ der demografische Bonus +++ Subsahara-Afrika hat die jüngste Bevölkerung +++ Ostasien altert +++ Bildung und Familienplanung als Voraussetzung für Entwicklung +++ die demografische Dividende abschöpfen +++ der Aufstieg de +++ weniger ungewollte Schwangerschaften +++ hohe Kindersterblichkeit +++ Zugang zu Familienplanung schaffen +++ integrierte Projekte +++ nachhaltige Entwicklungspolitik braucht Bevölkerungsdimension +++ reproduktive Gesundheit und Rechte +++ gesellschaftlicher Wandel in Entwicklungsländern +++
  • 2. Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung ist ein unabhängiger Thinktank, der sich mit Fragen globaler demografischer Veränderungen und der Entwicklungspolitik beschäftigt. Das Institut wurde 2000 als gemeinnützige Stiftung gegründet und hat die Aufgabe, das Bewusstsein für den demografischen Wandel zu schärfen, nachhaltige Entwicklung zu fördern, neue Ideen in die Politik Die vorliegende Studie wird im Rahmen der europäischen Öffentlichkeitskampagne „Africa‘s einzubringen und Konzepte zur Lösung demografischer und entwicklungspolitischer Demographic Challenges“ herausgegeben. Die Kampagne wird von der Europäischen Union Probleme zu erarbeiten. Das Berlin-Institut erstellt Studien, Diskussions- und finanziell gefördert. Für den Inhalt dieser Veröffentlichung sind allein die Projektpartner Hintergrundpapiere, bereitet wissenschaftliche Informationen für den politischen verantwortlich; der Inhalt kann in keiner Weise als Standpunkt der Europäischen Union Entscheidungsprozess auf und betreibt das „Online-Handbuch Demografie“. angesehen werden. Weitere Informationen sowie die Möglichkeit, den kostenlosen regelmäßigen Online-Newsletter „Demos“ zu abonnieren, finden Sie unter: www.berlin-institut.org. Die Öffentlichkeitskampagne wird von folgenden Organisationen durchgeführt: Die Stiftung Weltbevölkerung ist eine international tätige Entwicklungshilfeorganisation. der Stiftung Weltbevölkerung (Projektleitung), Sie hilft jungen Menschen in Afrika und Asien, sich selbst aus ihrer Armut zu befreien. dem Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Ungewollte Schwangerschaften und Aids verschärfen die Armut und bedeuten der Österreichischen Stiftung für Weltbevölkerung und internationale Zusammenarbeit für viele Jugendliche den Tod. Deshalb unterstützt die Stiftung Aufklärungs- und sowie der ungarischen BOCS Stiftung. Familienplanungsprojekte sowie Gesundheitsinitiativen in Entwicklungsländern. www.weltbevoelkerung.de Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung Die Österreichische Stiftung für Weltbevölkerung und internationale Zusammenarbeit Partner der Kampagne sind das International Institute for Applied Systems Analysis, (SWI) hat ihren Sitz in Wien und wurde 1998 gegründet. Die SWI hat das Ziel, ein Österreich, Partners in Population and Development, Uganda, sowie DSW Tanzania. öffentliches Bewusstsein für globale Bevölkerungsentwicklungen, reproduktive Gesundheit, Verbrauch von Ressourcen und nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Der Schwerpunkt der SWI Projekte liegt auf der Unterstützung und Stärkung von Frauen und Jugendlichen. Wir danken der Europäischen Union, der Schleicher-Stiftung, www.swi-austria.org der Boehringer Ingelheim GmbH, dem Christian Schrom Fonds und der KfW Entwicklungsbank sowie privaten Spendern für die finanzielle Unterstützung. BOCS wurde 1975 gegründet und 1994 offiziell registriert. Die Organisation arbeitet seither in Indien, in Afrika sowie im ungarisch-sprachigen Europa. Die Arbeitsfelder umfassen Globales Lernen, internationale Entwicklungszusammenarbeit, die Rechte zukünftiger Generationen, sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte sowie Religionsfreiheit. BOCS berät die Politik, bildet MultiplikatorInnen aus und entwickelt Bildungsmaterialien. www.bocs.hu
  • 3. Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in Kooperation mit Lilli Sippel, Tanja Kiziak, Franziska Woellert, Reiner Klingholz Afrikas demografische Herausforderung Wie eine junge Bevölkerung Entwicklung ermöglichen kann
  • 4. Impressum Herausgeber: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung Schillerstr. 59 10627 Berlin Telefon: (030) 22 32 48 45 Telefax: (030) 22 32 48 46 E-Mail: info@berlin-institut.org www.berlin-institut.org Originalausgabe September 2011 ©Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Sämtliche, auch auszugsweise Verwertungen bleiben vorbehalten. Autoren: Lilli Sippel, Tanja Kiziak, Franziska Woellert, Reiner Klingholz Lektorat: Renate Wilke-Launer, Matthias Wein, Margret Karsch Wissenschaftliche Hintergrundinformationen wurden von Anne Goujon, Regina Fuchs, Erich Strießnig, Samir K.C. und Wolfgang Lutz zur Verfügung gestellt. Gestaltung: Jörg Scholz, Köln (www.traktorimnetz.de) Druck: Gebrüder Kopp GmbH & Ko. KG, Köln Die thematischen Weltkarten wurden auf Grundlage des Programms EasyMap der Lutum+Tappert DV-Beratung GmbH, Bonn, erstellt. Das Berlin-Institut dankt Carola Ahlborn (Stiftung Weltbevölkerung), Carmen Kommer (Stiftung Weltbevölkerung), Ines Possemeyer (GEO) und Franziska Woellert (GIZ) sowie ihren GesprächspartnerInnen für die Interviews in Afrika. ISBN: 978-3-9812473-9-8
  • 5. INHALT VORWORT – WENN WACHSTUM ENTWICKLUNG VERHINDERT..........................................4 DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE ..............................................................................................6 1. VIELE KINDER – EIN RISIKOFAKTOR?............................................................................8 2. HOHE GEBURTENRATEN UND ENTWICKLUNG SCHLIESSEN SICH AUS.........................16 3. WAS ZU KLEINEREN FAMILIEN FÜHRT .........................................................................39 4. ROADMAP ZUR DEMOGRAFISCHEN DIVIDENDE..........................................................55 5. HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN ......................................................................................67 METHODISCHE ERLÄUTERUNGEN....................................................................................73 QUELLEN UND ANMERKUNGEN........................................................................................74 GLOSSAR .........................................................................................................................79
  • 6. WENN WACHSTUM ENTWICKLUNG VERHINDERT Kinder sind ein großer Quell der Freude für Arme Länder mit hohem Bevölkerungs- Ein entscheidender Faktor für diesen Über- ihre Eltern und ein Gewinn für jede Gesell- zuwachs haben nur dann eine Entwick- gang ist die Bildung – insbesondere von schaft. Zu viele von ihnen können den Fami- lungschance, wenn sich das Wachstum Frauen. Ebenso wichtig ist die Gesundheits- lien und ganzen Staaten jedoch auch große verlangsamt, wenn die Geburtenraten sinken. versorgung. Denn wo viele Kinder in jungen Sorgen bereiten. Dies gilt insbesondere in Wovon aber hängt es ab, wie viele Kinder Jahren sterben, ist es nur zu verständlich, wenig entwickelten Ländern, vor allem in die Menschen bekommen? Welche Faktoren dass die Menschen auch viele Kinder be- Südasien und in Subsahara-Afrika. Wo immer beeinflussen den Kinderwunsch? kommen, schon allein um sich gegen den die Zahl der Kinder schneller wächst als die schlimmsten Fall abzusichern. Zur Gesund- Möglichkeiten, die nachwachsende Gene- Letztlich sollten alle Entscheidungen selbst- heit gehört die Verfügbarkeit von Information ration mit den notwendigen Schulen, mit bestimmter Menschen frei und unabhängig und Mitteln zur Familienplanung. Denn nur Gesundheitseinrichtungen oder auch nur mit getroffen werden, auch jene zur Kinderzahl. mit deren Hilfe können junge Menschen Nahrung zu versorgen und jungen Menschen Der demografische Übergang, also jener ihrer Verantwortung zur Planung ihres Nach- Arbeit zu geben, verschlechtert sich die Lage Zeitenwechsel von hohen Geburten- und wuchses auch nachkommen. Aber rund 215 eines ganzen Landes. Sterberaten hin zu niedrigen, den alle Natio- Millionen Frauen auf der Welt haben keinen nen im Laufe ihrer Entwicklung erlebt haben Zugang zu modernen Verhütungsmitteln, Solche Länder stecken in einem Kreislauf oder noch erleben werden, ist deshalb auch obwohl sie eine Schwangerschaft gerne ver- aus Armut, Unterentwicklung, hoher Kinder- ein emanzipatorischer Übergang: Mit der meiden würden. sterblichkeit – und hohen Kinderzahlen. Sie Verbesserung der Lebensbedingungen, mit können ihm nicht ohne Weiteres entkommen, mehr persönlichen Freiheiten und dem Zu- Durch das Sinken hoher Geburtenraten denn wo heute viele junge Menschen leben, gang zu Bildung und Wissen entwickelt sich wachsen die Entfaltungsmöglichkeiten von wird die Bevölkerung weiter wachsen: Die das Kinderkriegen von einer Schicksalfügung Familien und von ganzen Gesellschaften. Sie meisten Jüngeren erreichen erst in den kom- immer mehr zu einer bewussten Entschei- können dann besser und mehr in die jungen menden Jahren das Alter, in dem Familien dung. Dieses Recht, selbst über die Zahl der Menschen investieren. Davon profitieren wie- gegründet werden. In Ländern wie Niger oder eigenen Nachkommen zu bestimmen, hat derum die nachwachsenden Generationen. Uganda ist die Hälfte der Bevölkerung jünger nicht zuletzt die Weltbevölkerungskonferenz So entsteht quasi ein Automatismus aus als 15 Jahre. Die demografische Entwicklung in Kairo 1994 als Menschenrecht bekräftigt. sinkenden Kinderzahlen, weiter wachsendem ist ein träger Dampfer, weil sie aufgrund der Bildungsstand und steigender Produktivität. heutigen Altersstruktur über Jahrzehnte vor- bestimmt ist. 4 Afrikas demografische Herausforderung
  • 7. Diesen Weg sind alle ehemals armen Gesell- bei der Frage, wie groß ihre künftige Familie und „Nachhaltige Entwicklung“, sind direkt schaften bei ihrem Aufstieg zu Schwellen- sein sollte. Bildung ist nicht nur das beste mit der Frage verbunden, wie schnell die Zahl und Industrieländern gegangen – die asia- „Verhütungsmittel“, sondern auch das beste der Menschen auf der Erde wächst. Nachdem tischen Tigerstaaten wie später die latein- Instrument zur Gleichstellung von Frauen und in den Schlussdokumenten des letzten Erd- amerikanischen Länder. Sogar eine Nation Männern. gipfels in Johannesburg 2002 Bevölkerungs- wie Bangladesch, die einst als hoffungsloser wachstum auf Druck der US-amerikanischen Fall der damals noch so genannten Entwick- Die Millenniumsentwicklungsziele, zur Jahr- Bush-Regierung nicht erwähnt wurde, lungshilfe galt, ist auf dem besten Wege. tausendwende von den Vereinten Nationen besteht jetzt die Chance, das Thema in den Diese Länder haben gezeigt, dass es keine verabschiedet, haben acht Vorgaben bis zum Mittelpunkt der Entwicklungsdiskussion zu hoffnungslosen Fälle gibt. Warum also sollten Jahr 2015 gemacht: von der Bekämpfung rücken. Alle Beteiligten in der Entwicklungs- nicht auch die Staaten Subsahara-Afrikas von Hunger und Armut über die Reduzierung zusammenarbeit müssen begreifen, dass die diesen Weg gehen können? Vorausgesetzt, der Kinder- und Müttersterblichkeit und dem Zukunft der Erde von Eigenschaften und Fä- sie bekommen dazu die richtige internationa- Eindämmen der HIV/Aids-Pandemie, bis hin higkeiten der Menschen abhängt – vor allem le Unterstützung. zur Gleichstellung der Geschlechter und dem von ihrer Gesundheit, ihrem Bildungsstand Zugang zu einer Grundschule für alle Kinder. und ihrer Friedfertigkeit. Wer in diese Fak- Die Entwicklungszusammenarbeit hat bisher Einige Länder wie Thailand oder Brasilien toren investiert, löst nebenbei das Problem kaum eine Chance, mit dem sehr hohen Be- haben die Ziele weitgehend erreicht. Andere zu hohen Bevölkerungswachstums. völkerungswachstum mancher afrikanischer wie Burkina Faso oder die Zentralafrika- Länder südlich der Sahara mitzuhalten. Mit nische Republik hängen weit zurück. Sie einer Verdopplung der Bevölkerungszahl scheitern unter anderem, weil das hohe Hannover/Berlin/Wien, im August 2011 in kaum mehr als 20 Jahren, wie sie einige Bevölkerungswachstum es fast unmöglich dieser Staaten in der Vergangenheit erlebt macht, den Millenniumsentwicklungszielen Renate Bähr haben, wären selbst reiche Länder über- auch nur näher zu kommen. Geschäftsführerin, Stiftung Weltbevölkerung fordert. Die Entwicklungszusammenarbeit sollte sich deshalb mehr als bisher auf die Bis dato gibt es keine internationale ent- Dr. Reiner Klingholz entscheidenden Stellschrauben der Entwick- wicklungspolitische Agenda für die Zeit nach Direktor, Berlin-Institut für Bevölkerung und lung konzentrieren, auf Bildung, Gesundheit 2015. Sie ist aber dringend geboten, weil es Entwicklung und Familienplanung. Nur so lässt sich das in vielen Ländern noch viel zu tun gibt und Humanvermögen mehren, das wichtigste weil viele der alten Aufgaben nach wie vor Prof. Dr. Wolfgang Lutz Kapital eines jeden Staates. unerledigt sind. In den laufenden Diskussio- Gründungsdirektor, Wittgenstein Centre nen um die Ziele sind demografische Aspekte for Demography and Global Human Capital Gefordert ist eine Entwicklungspolitik, die wie das starke Bevölkerungswachstum vieler (IIASA, ÖAW-VID, WU-Wien) den Menschen im Fokus hat. Durch Bildung Länder als Entwicklungshemmnis weit mehr befähigte Menschen können selbst besser für als bisher zu berücksichtigen. Auch das 1994 ihr wirtschaftliches Fortkommen sorgen und auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo damit für die Zukunft ihrer Gesellschaft. Dies beschlossene Aktionsprogramm darf nicht gilt gerade für Frauen, die über die Bildung aus den Augen verloren werden, denn die auch einen anderen Status in Familie und damals anvisierten Ziele in Sachen Familien- Gemeinwesen erlangen können. Sie gewin- planung und Gesundheit für Mütter und Kin- nen so mehr Durchsetzungsfähigkeit – auch der sind nur zum Teil erreicht. Vor allem der 2012 anstehende UN-Erdgipfel, der wie die erste Konferenz dieser Art in Rio de Janeiro stattfindet, ist ohne das Thema Bevölkerungswachstum gar nicht denkbar. Seine Hauptthemen „Bekämpfung der Armut“ Berlin-Institut 5
  • 8. DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE Bevölkerungswachstum: Afrika vor demografischen Die Geburtenraten sinken nachweislich, Gründe und Folgen Herausforderungen wenn Frauen in Familie und Gesellschaft Die Weltbevölkerung hat eine Zahl von etwa Entwicklungspolitisch bestehen heute in mehr Mitsprachemöglichkeiten erhalten und sieben Milliarden erreicht, und sie wächst Subsahara-Afrika die meisten und größten sich ihnen Alternativen zur reinen Mutterrolle nach wie vor stark – um 79 Millionen Men- Probleme. Von den weltweit 48 am we- eröffnen. schen im Jahr. Dieser Zuwachs findet fast nigsten entwickelten Ländern befinden sich ausschließlich in den weniger entwickelten 33 in diesem Teil Afrikas. Gleichzeitig zeich- wenn Mädchen und Frauen einen unge- Ländern statt. net sich die Region durch die weltweit höch- hinderten Zugang zu Sexualaufklärung, sten Geburtenraten aus. Bis zum Jahr 2050 Familienplanung und Verhütungsmitteln Das anhaltende Bevölkerungswachstum dort dürfte sich die Zahl der Menschen in Sub- haben. ist auf drei Faktoren zurückzuführen: Erstens sahara-Afrika verdoppeln, bis Ende des Jahr- bekommen Frauen in den Entwicklungslän- hunderts könnte sie sich vervierfachen. wenn Mädchen und Frauen eine bessere dern deutlich mehr Kinder als in den entwi- Bildung erlangen. Insbesondere der Besuch ckelten Regionen der Welt. Zweitens sind die Das Bevölkerungswachstum könnte sogar einer weiterführenden Schule führt dazu, Bevölkerungen in den Entwicklungsländern noch stärker ausfallen, etwa wenn Verhütung dass Frauen später Kinder bekommen und durch die hohen Geburtenraten im Schnitt in Subsahara-Afrika keine deutlich stärkere Familienplanung aktiver betreiben. sehr jung, das heißt, die Zahl der Frauen im Verbreitung findet als dies derzeit der Fall ist. gebärfähigen Alter ist hoch und wird künftig Bei der Nutzung von modernen Mitteln zur wenn sich neue Lebensperspektiven noch steigen. Und drittens werden die mei- Familienplanung hinkt vor allem Westafrika ergeben, etwa durch einen Umzug vom Land sten Menschen in den armen Regionen dank weit hinterher. in die Stadt, durch bessere Verdienstmöglich- einer verbesserten gesundheitlichen Versor- keiten oder durch neue Familienbilder, die gung und einer besser gesicherten Ernährung von den Medien transportiert werden. inzwischen älter. Was zu kleineren Familien führt wenn die Kindersterblichkeit sich verrin- Aufgrund des hohen Bevölkerungswachstums Das Bevölkerungswachstum und die hohen gert. Denn Paare sind erst bereit, weniger ergeben sich verschiedene Risiken und Geburtenraten sind keineswegs allein dem Nachwuchs zu bekommen, wenn sich die Entwicklungshemmnisse, etwa mangelnde Wunsch nach großen Familien geschuldet. Überlebenschance für jedes einzelne Kind Ernährungssicherheit, Druck auf Gesund- Sie lassen sich vielmehr teilweise darauf erhöht. heits- und Bildungssysteme, Überlastung der zurückführen, dass Frauen und Paaren effek- Infrastruktur oder Ressourcenknappheit tive Möglichkeiten zur eigentlich gewünsch- – und daraus folgt auch ein größeres ten Familienplanung fehlen. Wenn Menschen Konfliktpotenzial. ihre sexuellen und reproduktiven Rechte wahrnehmen können, das heißt, wenn Verhü- Bei unserer Untersuchung von 103 heutigen tungsmittel bereitgestellt, Sexualaufklärung und ehemaligen Entwicklungsländern konnte angeboten und reproduktive Gesundheits- nachgewiesen werden, dass sich kein ein- und Beratungsdienstleistungen ausgebaut ziges Land sozioökonomisch entwickelt hat, werden, gehen die Kinderzahlen dem Wunsch ohne dass parallel dazu die Geburtenrate der Menschen entsprechend deutlich zurück. zurückgegangen ist. Der Entwicklungsstand Doch damit allein ist es nicht getan. Da sich eines Landes hängt also eng mit seiner Bevöl- Frauen in Entwicklungsländern im Durch- kerungsstruktur zusammen. schnitt weniger Kinder wünschen als Männer, führt der Weg zu niedrigeren Kinderzahlen vor allem über die Stärkung von Frauen. 6 Afrikas demografische Herausforderung
  • 9. Chancen der demografischen Auch wenn sich das Konzept der demogra- Bildung muss als zentrale Stellschraube für Entwicklung fischen Dividende aufgrund von kulturellen, Entwicklung anerkannt werden. Sie bereitet politischen und wirtschaftlichen Unterschie- den Weg zum demografischen Bonus, denn Wenn Mortalität und Fertilität sinken, kann den nicht einfach von den „asiatischen mit zunehmendem Bildungsstand der Be- eine junge Bevölkerung zu einem volkswirt- Tigern“ auf die Länder Subsahara-Afrikas völkerung sinken Mortalität und Fertilität. schaftlichen Motor werden. Dies lehren die übertragen lässt, steht den afrikanischen Außerdem wächst das Humanvermögen. Erfahrungen der asiatischen Tigerstaaten. Staaten der Weg der demografischen Divi- Bildung wird so auch zum wichtigsten In- Diese hatten zu Beginn ihrer beeindrucken- dende im Prinzip offen. Dafür muss die Poli- strument, um die demografische Dividende den Entwicklung eine ähnliche demogra- tik allerdings die richtigen Weichen stellen. einzufahren. Dabei gilt es, fische Ausgangslage wie viele subsaharische Chancengleichheit für Mädchen in der Staaten heute, und auch ihr damaliger Ent- Schulbildung herzustellen, wicklungsstand war ähnlich schlecht. Den Zentrale Ansatzpunkte Entwicklungsschub der asiatischen Tiger- insbesondere die Sekundarbildung auszu- staaten ermöglichten zwei grundlegende Solange Mortalität, insbesondere die Kin- bauen, da sie sowohl für einen Fertilitäts- Veränderungen: dersterblichkeit, und Fertilität in Subsahara- rückgang als auch für einen wirtschaftlichen Afrika derart hoch bleiben, entsteht kein Aufschwung entscheidend ist, Es ist ein demografischer Bonus demografischer Bonus und damit auch keine 1 entstanden, weil sich die Zahl der Chance auf eine wirtschaftlich günstige Ent- die berufliche Bildung als Scharnier zwischen Schule und Arbeitswelt zu etablie- Menschen im erwerbsfähigen Alter im wicklung. Als wichtigste Ansatzpunkte, um ren, sowie Verhältnis zu den abhängigen jungen und einen demografischen Bonus zu erreichen, alten Menschen erhöht hat. Damit solch eine lassen sich Investitionen in Gesundheit Mikrokredite zur Verbesserung der Bildung günstige Altersstruktur zustande kommt, und Familienplanung sowie in Bildung von erwachsenen Frauen und damit zu ihrer müssen die vielen Kinder und Jugendlichen identifizieren. Stärkung einzusetzen. Dadurch wird zugleich erwachsen werden, die Sterblichkeit in der das Unternehmertum gefördert. Altersgruppe der Erwerbsfähigen muss zu- Die nationalen Regierungen und die verschie- rückgehen, und die Fertilität muss sinken, denen Partner der Entwicklungszusammen- Das Humanvermögen, das sich durch Bildung sodass die nachwachsenden Jahrgänge (und arbeit sollten es sich für den Gesundheits- und geringere Kinderzahlen deutlich verbes- die damit verbundenen Belastungen) kleiner sektor zur Aufgabe machen, sert, muss auch volkswirtschaftlich nutzbar werden. gemacht werden. Dafür müssen Arbeitsplät- die Gesundheitssysteme zu stärken, ze geschaffen werden. Entscheidend ist es, Der demografische Bonus konnte in die medizinische Grundversorgung auf- 2 eine demografische Dividende und auszubauen, produktive Beschäftigungsmöglichkeiten für Männer und Frauen zu ermöglichen, dabei verwandelt werden, also in einen volkswirt- Krankheitsprävention mit einfachen schaftlichen Gewinn, weil die vielen zunächst vor allem in Branchen mit einem Mitteln zu ermöglichen, Erwerbsfähigen die Chance bekamen, hohem Bedarf an gering qualifizierten erwerbstätig zu werden. Dafür müssen die Impfkampagnen für Kinder durchzuführen, Arbeitskräften zu investieren, und Menschen ausgebildet und Arbeitsplätze die sexuelle und reproduktive Gesundheit in einem späteren Schritt, wenn der geschaffen werden. zu verbessern, Bildungsstand der Bevölkerung gestiegen ist, Jobs in wissensintensiven Bereichen mit Die asiatischen Tiger haben gleichzeitig in Sexualaufklärung anzubieten, größerer Wertschöpfung zu schaffen. Bildung und Familienplanung investiert und den Zugang zu Verhütungsmitteln zu notwendige wirtschaftliche Reformen und erleichtern und Wenn der formale Beschäftigungssektor Initiativen durchgesetzt. Zudem erkannten wächst, sollten soziale Sicherungssysteme diese Gesellschaften, dass die Erwerbsbetei- Fürsprecher zu gewinnen und Medien aufgebaut werden. Dadurch sinken zum einen ligung von Frauen für den wirtschaftlichen einzusetzen, um Wissen über Gesundheits- die Geburtenraten weiter, weil etwa Kinder Fortschritt unbedingt nötig und Bildung dafür themen und Akzeptanz für Verhütung zu als Alterssicherung weniger wichtig werden, eine zentrale Voraussetzung ist. Es war gera- schaffen. zum anderen ist dies ein erster Schritt, um de der umfassende Ansatz, der den Tiger- sich auf die langfristige Alterung der Bevölke- staaten ihre Erfolge ermöglicht hat. rung vorzubereiten. Berlin-Institut 7
  • 10. VIELE KINDER – EIN 1 RISIKOFAKTOR? Afrika gehört derzeit zu den Regionen mit Geteilte Welt: Zwischen Wachstum Das anhaltende Bevölkerungswachstum in dem höchsten Wirtschaftswachstum welt- und Schrumpfen den armen Ländern ist auf drei Faktoren weit. Viele Experten zeichnen mittlerweile zurückzuführen: ein optimistisches Bild von dem Kontinent, Die Weltbevölkerung hat derzeit eine Zahl der es lange Zeit nur wegen seiner Kriege von etwa sieben Milliarden erreicht, und sie Erstens leben die meisten Menschen in den und Hungersnöte, wegen Malaria und Aids wächst nach wie vor stark – um 79 Millionen armen Regionen dank einer verbesserten in die internationalen Medien geschafft hat. im Jahr, das entspricht einem Zuwachs von gesundheitlichen Versorgung länger. So Die Wirtschaftsleistung wächst und mit ihr rund 216.000 Menschen am Tag.0 ist die durchschnittliche Lebenserwartung die Kaufkraft und Mittelschicht. In nur einem beispielsweise in Ostasien von 42 Jahren Jahrzehnt haben sich die ausländischen Dieses Wachstum findet zum überwiegenden Anfang der 1950er Jahre auf mittlerweile Direktinvestitionen auf dem Kontinent bei- Teil in den weniger entwickelten Ländern 75 Jahre gestiegen.0 Zweitens bekommen nahe versiebenfacht.1 Neben der Landwirt- statt. Aber auch innerhalb dieser Gruppe ist Frauen in den Entwicklungsländern deutlich schaft und dem produzierenden Gewerbe das Wachstum sehr unterschiedlich verteilt: mehr Kinder als in den entwickelten Regio- bieten heute auch Dienstleistungsunterneh- Während in den Entwicklungsländern die nen der Welt. Zum Beispiel liegt die durch- men und vor allem die Baubranche immer Bevölkerung um 1,2 Prozent im Jahr wächst, schnittliche Kinderzahl pro Frau auf dem mehr Jobs. Doch zwischen den einzelnen beträgt der Zuwachs in den 48 am wenigsten afrikanischen Kontinent bei 4,5, während sie Ländern Afrikas bestehen große Unter- entwickelten Ländern 2,3 Prozent. Damit in Europa nur 1,5 Kinder pro Frau beträgt.0 schiede. Während etwa Ghana, Mosambik, verdoppelt sich die Bevölkerung dort in nur Und drittens sind die Bevölkerungen in den Namibia oder Südafrika vom gegenwärtigen 30 Jahren.0 Entwicklungsländern gerade durch die hohen Aufschwung profitieren, fehlt in gescheiter- Geburtenraten im Schnitt sehr jung. Alleine ten Staaten wie Somalia, Liberia oder Eritrea in den Ländern südlich der Sahara sind 42 von wirtschaftlichen Erfolgen jede Spur. Prozent der Bevölkerung jünger als 15 Jahre0 – das heißt, es wird in Zukunft deutlich mehr Über die zukünftige Entwicklung der ein- Frauen im gebärfähigen Alter geben. Selbst zelnen Länder bestimmen jedoch nicht nur wenn diese Frauen dann im Schnitt weniger Investitionen, sondern auch die Struktur der Nachwuchs als ihre Mütter hätten, würde das Bevölkerung. Entscheidend ist, wie viele alte starke Bevölkerungswachstum anhalten. und junge Menschen in einem Land leben und wie gesund und gebildet die Einwohner sind. Es kommt also weniger auf die absolute Zahl von Menschen an als auf die Bevölke- rungszusammensetzung und das vorhandene Humanvermögen. Denn es kann die Entwick- lung hemmen, wenn mehr Kinder geboren werden, als es Schulplätze gibt, oder wenn die Bevölkerung schneller wächst als Wirt- schaft und Infrastruktur und damit zu wenige Arbeitsplätze geschaffen werden. 8 Afrikas demografische Herausforderung
  • 11. Bevölkerungsprojektionen – das Wachstum zahlen je Frau gerade in den ärmsten Ländern nicht so rasch zurück- berechenbar machen gehen könnten, wie von den Vereinten Nationen erwartet. Auf Basis KAPITEL 1 dieser Überlegungen würde die Weltbevölkerung bis 2050 eher auf Bevölkerungsvorausberechnungen sind ein wichtiges Planungs- elf Milliarden Menschen anwachsen – also auf mehr als die Verein- instrument. Am bekanntesten sind die Projektionen der Bevölke- ten Nationen selbst in ihrer hohen Variante veranschlagen.3 Dies rungsabteilung der Vereinten Nationen (United Nations Population unterstreicht die Tatsache, dass die zukünftige Entwicklung der Division), die für einzelne Länder und Ländergruppen erstellt Weltbevölkerung und insbesondere der Fertilitätsraten mit großen werden. Unsicherheiten behaftet ist. Obwohl man davon ausgehen kann, dass auch in Ländern mit heute noch hoher Fertilität diese länger- Die Größe und Zusammensetzung der künftigen Weltbevölkerung fristig sinken wird, ist ungewiss, wie schnell dieser Prozess ablau- hängt davon ab, wie sich erstens die Geburten- und zweitens die fen wird und was der Endpunkt dieser Entwicklung sein wird. Dies Sterberaten im Laufe der Zeit verändern. Insbesondere bei Projek- wird nicht zuletzt auch von den zukünftigen politischen Prioritäten tionen für einzelne Länder sind darüber hinaus Wanderungsbewe- und Handlungen abhängen. Bevölkerungsszenarien können den gungen als dritte Größe entscheidend. Auf diese drei Größen wirken Politikern somit den Gestaltungsrahmen ihres Handelns aufzeigen. die unterschiedlichsten Faktoren ein: die medizinische Versorgung, der Bildungsstand der Bevölkerung, die Verfügbarkeit von Verhü- Ungewisse Zukunft tungsmitteln, die Wirtschaftslage, Bürgerkriege und vieles mehr. Die UN-Szenarien treffen Annahmen zu den künftigen Entwick- Die Vereinten Nationen geben für ihre Projektionen drei Varianten an, die auf unterschiedlichen Annahmen zur zukünftigen Fertilitätsentwicklung beruhen. lungen der drei Größen, wobei nur im Hinblick auf Geburtenraten Die mittlere basiert in den Berechnungen von 2008 auf der Annahme, dass die unterschiedliche Varianten berechnet werden. Sie gehen im Prinzip Fertilitätsraten in allen Ländern der Welt eines Tages bei durchschnittlich 1,85 davon aus, dass sich die Fertilitätsraten in jenen Ländern, in denen Kindern pro Frau konvergieren werden. Die hohe Variante liegt um 0,5 Kinder die Menschen noch viele Kinder bekommen, weiter verringern, weil höher, die niedrige Variante um 0,5 Kinder niedriger, also entsprechend bei dies dem Trend in anderen Ländern entspricht. einer durchschnittlichen Kinderzahl je Frau von 2,35 respektive 1,35. Am häufigsten wird die mittlere Projektion der Vereinten Nationen zitiert, die davon ausgeht, dass die Weltbevölkerung bis 2050 auf rund 9,15 Milliarden Um neue empirische Daten einzuarbeiten, werden die Projektionen Menschen anwächst.0 Bei den neuen Projektionen aus dem Jahr 2010 wurde in regelmäßigen Abständen revidiert, wobei gelegentlich auch die angenommen, dass die Fertilitätsraten auf 2,1 Kinder pro Frau zulaufen und Annahmen für die Zukunft geändert werden. So wurden in den ak- der Rückgang der Raten in Afrika etwas langsamer ist, was für 2050 zu einer Weltbevölkerung von 9,31 Milliarden führen würde.4 Die konstante Variante 11 tuellsten UN-Projektionen aus dem Jahr 2010 etwas höhere Annah- beruht auf der als unrealistisch erachteten Annahme, dass die durchschnitt- men zur zukünftigen Fertilität getroffen als in denen aus dem Jahr lichen Kinderzahlen aller Länder auf dem heutigen weltweiten Niveau von 2008, und gleichzeitig wurde der Zeithorizont auf 2100 verlängert. 2,5 Kindern pro Frau verharren. Die in dieser Studie zitierten weiterführenden Berechnungen (ins- 10 besondere die des IIASA/VID und der Futures Group in Kapitel 4) Konstante Variante 2008 basieren auf den Ausgangsdaten der UN-Projektionen von 2008. Hohe Variante 2008 Wir beziehen uns daher in der gesamten Studie aus Gründen der Mittlere Variante 2010 Einheitlichkeit auf diese Projektionen. Die grundsätzlichen Beob- Mittlere Variante 2008 9 achtungen und Schlussfolgerungen gelten jedoch ohne Abstriche Niedrige Variante 2008 auch für die neueren Projektionen. Die Projektionen der Vereinten Nationen sind nicht unumstritten. 8 So sind sich die Fachleute beispielsweise nicht einig, wie stark die Fertilitätsrate in China bis heute gesunken ist. Es gibt Gründe anzu- nehmen, dass die Vereinten Nationen die Fertilität dort als zu hoch einschätzen. Dann würden ihre Projektionen insgesamt zu hoch 7 Bevölkerungsvorausberechnungen der Vereinten Nationen ausfallen, denn China stellt gut ein Fünftel der heutigen Weltbevöl- in verschiedenen Varianten, in Milliarden kerung.2 Andere Forscher glauben hingegen, dass die Projektionen (Datengrundlage: United Nations0) der Vereinten Nationen für Afrika zu niedrig sind, weil die Kinder- 6 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 Berlin-Institut 9
  • 12. Wachstum vor allem in den armen Ländern gesellschaftlicher Wandel, der mit einem steigenden Bildungsniveau der Bevölkerung Die globale Bevölkerung wächst weiter und dabei verringert sich der Anteil der Menschen, die in hoch einherging und ein Wirtschaftswachstum entwickelten Ländern wohnen: Lebte um 1950 noch einer von drei Menschen in den westlichen Industrie- ländern oder Japan, ist es heute nur etwa einer von fünf. In 40 Jahren wird es voraussichtlich nur noch einer nach sich zog, führte dazu, dass schließlich von sieben sein. Allerdings dürften bis dahin viele der heutigen Schwellenländer einen den heutigen Industrie- auch die Fertilitätsraten sanken. Die Verän- nationen vergleichbaren Entwicklungsstand erreicht haben. derung von hohen Sterbe- und Geburtenraten 10 zu niedrigen bezeichnet die Wissenschaft als am wenigsten entwickelte demografischen Übergang. 9 Länder 8 Wenn die Fertilität im Laufe des demogra- 7 fischen Übergangs sinkt, verändert sich die 6 Altersstruktur der Bevölkerung. Zunächst 5 gibt es anteilig weniger Kinder, aber dafür Entwicklungsländer mehr Menschen im erwerbsfähigen Alter. Die 4 Zahl der älteren Menschen bleibt dagegen 3 noch gering und wächst erst, wenn die große 2 Gruppe der Erwerbsfähigen allmählich älter 1 wird. Eine Gesellschaft kann umso produkti- Industrieländer 0 ver sein, je weniger Kinder und Senioren sie 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 anteilig versorgen muss. Dieses Zeitfenster in Weltbevölkerung in Milliarden, mittlere Variante, nach Ländertypen der demografischen Entwicklung einer Ge- (Datengrundlage: United Nations0) sellschaft zwischen Geburtenrückgang und Alterung nennt man den demografischen Bonus. Um diesen Bonus nutzen zu können, Asien zählt mit seinen demografischen Rie- Auf den Spuren der Entwicklung müssen die erwerbsfähigen Menschen aus- sen China und Indien die meisten Menschen gebildet werden, Arbeit finden und ein mög- auf der Welt, doch prozentual wird Afrika Auch die wohlhabenden westlichen Indus- lichst langes und produktives Berufsleben aufgrund seiner jungen Bevölkerungsstruktur trieländer durchlebten einst Phasen mit star- führen, bevor sie selbst alt und abhängig am stärksten wachsen. Bis 2050 dürfte sich kem Bevölkerungswachstum. Durch verbes- werden. Gelingt einer Gesellschaft dies, wird die Einwohnerzahl Afrikas auf knapp zwei serte Lebensbedingungen und medizinische der Bonus zur Dividende. Den Schlüssel zum Milliarden Menschen verdoppeln. In Asien Fortschritte sowie durch Hygiene und saube- Erfolg bilden dabei Investitionen in Bildung und Lateinamerika ist mit einem Bevölke- res Trinkwasser starben seit Anfang des 19. und in den Arbeitsmarkt. rungszuwachs von jeweils rund 20 Prozent Jahrhunderts immer weniger Kinder, während zu rechnen – in absoluten Zahlen wachsen die Kinderzahlen pro Frau zunächst hoch deren Bevölkerungen um knapp 1,1 Milliarden blieben. Das Wachstum verlief allerdings respektive 140 Millionen Menschen. Europa langsamer als heute in den Entwicklungslän- muss sich dagegen als einziger Kontinent dern, da das Heiratsalter höher lag und viele auf einen Bevölkerungsrückgang von sechs Frauen kinderlos blieben. Außerdem wurde Prozent auf rund 690 Millionen Menschen ein Teil des Wachstumsproblems exportiert, einstellen.0 Ein Ende des globalen Bevölke- denn viele Menschen verließen damals auf rungswachstums ist also für die erste Hälfte der Suche nach einem besseren Leben ihre dieses Jahrhunderts noch nicht abzusehen, Heimat. Auf dem Höhepunkt der Auswande- auch wenn es sich im Vergleich zu den letzten rungswelle im 19. Jahrhundert etwa kehrten Jahrzehnten verlangsamt hat. in nur einem Jahrzehnt 14 Prozent der Iren ihrem Vaterland den Rücken. Um 1900 fanden jedes Jahr Millionen Europäer in der Neuen Welt ihr Zuhause.5 Ein mit der Indus- trialisierung und Verstädterung verbundener 10 Afrikas demografische Herausforderung
  • 13. Geburtenrückgang und ökonomischer Aufschwung: Wo viele Arbeitskräfte reich gemacht haben das Beispiel Südkorea KAPITEL 1 Rückläufige Kinderzahlen haben seit Ende der 1960er Jahre in Südkorea zu einem wachsenden Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung geführt. Vor 50 Jahren hätte kaum ein Entwicklungsexperte gedacht, dass das Da die Erwerbsbevölkerung relativ wenig junge Menschen zu versorgen vom Korea-Krieg gebeutelte, agrarisch geprägte Südkorea einmal zur hatte, wurden Mittel frei, um Arbeitsplätze zu schaffen und in Bildung zu neuntgrößten Exportnation heranwachsen und gemessen am Brutto- investieren. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf stieg und die Menschen nationaleinkommen zu den 20 reichsten Nationen der Welt zählen entschieden sich für noch weniger Kinder, investierten aber umso mehr in deren Bildung. würde.8 24.000 80 Angefangen hat diese Erfolgsgeschichte mit massiven Investitionen in die Bildung der breiten Bevölkerung und mit einer effektiven Politik 22.000 zur Familienplanung, die sowohl die Verbreitung von Verhütungs- 70 20.000 methoden als auch eine Verbesserung der Gesundheit von Müttern und Kindern mit einschloss.9 Als Folge sanken die Geburtenraten 18.000 60 drastisch. Hatte ein Anfang der 1960er Jahre geborener Südkoreaner 16.000 noch durchschnittlich ungefähr fünf Geschwister, war er 25 Jahre 50 später selbst Vater von höchstens zwei Kindern und hat heute von 14.000 jedem seiner Kinder sogar nur ein Enkelkind. Damit hat sich zwischen 12.000 40 1970 und heute die erwerbsfähige Bevölkerung in Südkorea im Alter zwischen 15 und 64 Jahren auf 35 Millionen Menschen verdoppelt, 10.000 während die Bevölkerungszahl in der jüngeren Altersgruppe zurück- 30 8.000 ging.0 Südkorea hat es verstanden, diesen demografischen Bonus zu nutzen, da es seine Bevölkerung – inklusive der Frauen – frühzeitig 6.000 20 ausgebildet und erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert hat. 4.000 10 Etwas zeitversetzt zum Geburtenrückgang fing die Wirtschaft Süd- 2.000 koreas an zu wachsen, wodurch immer mehr Kapital zur Verfügung 0 0 stand, das vom Staat für den weiteren Ausbau des Bildungs- und 1960 1963 1966 1969 19 7 2 19 75 1978 19 8 1 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 Gesundheitssystems, der Infrastruktur und der Förderung entlegener Regionen genutzt wurde. Mit seinen immer besser ausgebildeten Einwohnern wurde Südkorea auch für Privat- und Auslandsinvestoren Anteil der Personen im Erwerbsalter zwischen interessant. Die Wachstumsraten der südkoreanischen Wirtschaft 15 und 64 Jahren in Prozent erreichten während der letzten dreißig Jahre trotz der Asienkrise von Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in US-Dollar 1997/98 und der Finanzkrise 2008 im Mittel 6,3 Prozent.10 (Datengrundlage: United Nations für Abhängigkeitsrate;0 World Bank für Bruttoinlandsprodukt11) Der Preis des demografischen Bonus ist die Alterung der Bevölkerung. Weil in Südkorea die Fertilitätsrate in den 1960er und -70er Jahren so schnell gesunken ist wie nirgendwo sonst und nun mit 1,2 Kindern pro Frau auf einem der niedrigsten Niveaus weltweit liegt, altert die Bevölkerung dort gegenwärtig so schnell wie keine andere. Der Anteil der über 64-jährigen Südkoreaner liegt heute zwar erst bei elf Prozent, Vorausberechnungen zufolge dürfte er aber bis 2050 auf 34 Prozent steigen.0 Immer weniger junge Menschen müssen dann diese alten Menschen versorgen. Darauf muss sich der Staat vorbereiten, indem er beispielsweise rechtzeitig in soziale Sicherungssysteme investiert und dafür sorgt, dass die Menschen länger gesund, qualifi- ziert und produktiv bleiben können. Berlin-Institut 11
  • 14. Die heutigen Tigerstaaten (Südkorea, Taiwan, bilden, denn die Fertilitätsraten liegen dort Wie das Bevölkerungswachstum die Hongkong, Singapur) folgten genau diesem im Schnitt bei fast fünf Kindern pro Frau, und Entwicklung bremst Modell der demografischen Dividende. Sie Kinder und Jugendliche dominieren damit bis investierten in den 1960er und -70er Jahren heute die Bevölkerungszusammensetzung.0 Aus den hohen Fertilitätsraten, dem damit massiv in Bildung und Familienplanungs- Nicht zufällig zählen viele Länder südlich der verbundenen hohen Bevölkerungswachstum programme, worauf ein starkes Wirtschafts- Sahara zu den ärmsten der Welt. 73 Prozent sowie dem überproportional hohen Anteil an wachstum folgte und sie sich von armen der Bewohner Subsahara-Afrikas, so schätzt jungen Menschen ergeben sich verschiedene Ländern mit hohem Bevölkerungswachstum die Weltbank, leben von weniger als zwei Risiken und Entwicklungshemmnisse.13 zu wohlhabenden Ländern mit niedriger Fer- US-Dollar am Tag.12 tilität entwickelten.6 Es wird geschätzt, dass Infrastruktur. Gerade in ländlichen Regionen rund ein Drittel des Wirtschaftswachstums Absolut gesehen wird es in Zukunft in der reicht das Angebot an Schulen und Gesund- in Ost- und Südostasien darauf beruht, dass Region trotz aller Anstrengungen der Länder heitseinrichtungen schon jetzt oft nicht der demografische Bonus genutzt werden und der Hilfen der internationalen Staaten- aus. Das enorme Bevölkerungswachstum konnte.7 Zu diesem Effekt der Altersstruktur gemeinschaft vermutlich mehr Arme geben verschärft diese Probleme, denn mit einer kommt dann noch die positive Wirkung, die als heute. Denn das verhältnismäßig hohe größeren Bevölkerung steigt auch der Bedarf bessere Bildung und wirtschaftliche Refor- Wirtschaftswachstum der letzten Jahre und an Lehrern, Ärzten und anderen Dienstlei- men für den Aufschwung hatten. die Leistungen der Entwicklungszusammen- stern. Mangelnde Perspektiven auf dem Land arbeit reichen nicht aus, um die wachsenden führen zu verschärfter Migration in die städ- Auch auf dem lateinamerikanischen Konti- Bevölkerungen zu versorgen. Dies zeigt tischen Räume, die sich dadurch teilweise nent folgten viele Staaten diesem Entwick- das Beispiel des Tschads ganz deutlich. Der zu Megastädten entwickeln. Die Megastädte lungspfad, wenn auch mit weniger ausge- Sahelstaat hat mit durchschnittlich sechs können ihrerseits den Einwohnerzuwachs prägten und unterschiedlichen Erfolgen. Der Kindern pro Frau eine der höchsten Fertili- kaum bewältigen, weil es ihnen ebenfalls an Einfluss der katholischen Kirche erschwerte tätsraten und auch eine der höchsten Bevöl- Infrastruktur mangelt, an Wohnraum, fließen- dort aktive Familienplanung, und die wirt- kerungswachstumsraten der Welt. Die Ein- dem Wasser und formellen Arbeitsplätzen. schaftliche Entwicklung litt in manchen wohnerzahl hat sich in den letzten 20 Jahren So landen die meisten Migranten erst einmal Ländern unter innenpolitischen Auseinan- beinahe verdoppelt und liegt nun bei über elf in Slums. dersetzungen. Doch heute zählen die großen Millionen. Bis 2050 dürfte sie um das Zwei- lateinamerikanischen Staaten mindestens zu einhalbfache auf gut 27 Millionen geklettert Ernährungssicherheit. Weltweit werden den Schwellenländern, und sie nehmen eine sein.0 Von diesem Wachstum ist der ohnehin zwar genügend Lebensmittel produziert – nur zunehmend wichtige Rolle in der globalen fragile Staat überfordert. nicht immer da, wo sie benötigt werden. Ge- Gemeinschaft ein. rade in Ländern mit starkem Bevölkerungs- wachstum finden kaum Ertragssteigerungen durch moderne Anbaumethoden statt. Afrikanische Länder südlich der Insgesamt wird geschätzt, dass bis zum Jahr Sahara auf anderen Wegen 2080 in den Entwicklungsländern 90 bis 125 Millionen Menschen zusätzlich unter Hunger Bis auf wenige Ausnahmen sieht es in Afri- leiden könnten.14 Der Klimawandel verschärft ka ganz anders aus. In Nordafrika hat sich die Ernährungsprobleme weiter. Weltweit zwar die Altersstruktur günstig entwickelt, doch ist es bislang nicht gelungen, diesen demografischen Bonus zu nutzen, weil es an Arbeitsplätzen fehlt. In der Region Subsahara-Afrika konnte sich dagegen noch gar kein Bonus an Erwerbsfähigen heraus- 12 Afrikas demografische Herausforderung
  • 15. GRÖNLAND (DÄNEMARK) ISLAND USA SCHWEDEN NORWEGEN FINNLAND RUSSLAND KAPITEL 1 KANADA GROSS- DÄNEMARK BRITANNIEN IRLAND WEISSRUSSLAND DEUTSCH- POLEN LAND UKRAINE KASACHSTAN FRANKREICH UNGARN MONGOLEI RUMÄNIEN BULGARIEN GEORGIEN USBEKISTAN ITALIEN ASER- KIRGISIEN USA PORTUGAL ARMENIEN BEIDSCHAN SPANIEN NORDKOREA TÜRKEI TURKMENISTAN TADSCHIKISTAN GRIECHENLAND SÜDKOREA JAPAN SYRIEN CHINA TUNESIEN LIBANON AFGHANISTAN IRAK IRAN MAROKKO ISRAEL JORDANIEN KUWAIT NEPAL BHUTAN ALGERIEN PAKISTAN LIBYEN BAHRAIN ÄGYPTEN KATAR INDIEN BAHAMAS WEST- SAUDI- VEREINIGTE BANGLADESCH MEXIKO SAHARA ARABIEN ARABISCHE EMIRATE INDIEN TAIWAN KUBA DOMINIKANISCHE MYANMAR REPUBLIK OMAN LAOS MAURETANIEN KAP VERDE MALI BELIZE JAMAIKA HAITI PUERTO RICO NIGER (USA) TSCHAD ERITREA JEMEN GUATEMALA HONDURAS THAILAND SUDAN VIETNAM SENEGAL BURKINA PHILIPPINEN EL SALVADOR NICARAGUA FASO DSCHIBUTI KAMBODSCHA TRINIDAD UND GAMBIA PANAMA TOBAGO BENIN COSTA RICA GUINEA- NIGERIA VENEZUELA GUYANA BISSAU ÄTHIOPIEN ZENTRALAFR. SURINAM GUINEA REPUBLIK SRI LANKA BRUNEI FRANZÖSISCH TOGO KAMERUN SOMALIA KOLUMBIEN LIBERIA MALAYSIA GUYANA GHANA ÄQUAT. UGANDA SIERRA LEONE ELFENBEIN- GUINEA KONGO DEMO- KENIA SINGAPUR ECUADOR KÜSTE GABUN KRATISCHE RUANDA PAPUA- REPUBLIK INDONESIEN KONGO BURUNDI NEUGUINEA TANSANIA PERU BRASILIEN OSTTIMOR ANGOLA MALAWI SAMBIA BOLIVIEN MADAGASKAR SIMBABWE MOSAMBIK MAURITIUS PARAGUAY NAMIBIA BOTSUANA RÉUNION AUSTRALIEN CHILE SWASILAND LESOTHO ARGENTINIEN SÜDAFRIKA URUGUAY NEUSEELAND Wo die Familien groß sind trifft er die Entwicklungsländer am stärksten, Umwelt. In manchen Regionen verringern vor allem die Region südlich der Sahara. sich die Erträge in der Landwirtschaft auch Während in Asien absolut betrachtet die meisten Gerade die Entwicklungsländer haben aber deshalb, weil fruchtbare Böden durch falsche Kinder geboren werden, haben die Frauen in Sub- sahara-Afrika durchschnittlich die höchsten Kinder- die geringsten Chancen, sich daran anzupas- Anbautechniken erodieren oder weil durch zahlen. Zugleich tragen sie bei Schwangerschaft sen. Die Auswirkungen sind dort am gravie- künstliche Bewässerung der Grundwasser- und Geburt ein großes Gesundheitsrisiko, denn die rendsten, wo viele Menschen von begrenzten spiegel sinkt und die Böden versalzen. Mütter- und Kindersterblichkeit sind höher als an- natürlichen Ressourcen leben – wie etwa Gerade dadurch wird immer mehr Fläche derswo auf der Welt. Anders als in Afrika schrumpft am Nildelta. Projektionen zufolge dürften benötigt, um die hinzukommenden Men- die Bevölkerung in einigen Ländern Europas und Asiens, denn hier werden weniger Kinder geboren, 2050 allein in Afrika 350 bis 600 Millionen schen zu ernähren. Da tropische Länder das als zum Ersatz der Elterngeneration nötig sind. Menschen in Gebieten mit Wasserknappheit stärkste Bevölkerungswachstum verzeichnen, leben.15 schwinden vor allem die artenreichen Regen- Durchschnittliche Kinderzahl pro Frau im wälder.16 So hat der Amazonasregenwald seit Jahr 2010 1970 rund 20 Prozent seiner Fläche verlo- unter 1,5 ren.17 Ein weiteres Beispiel: 80 Prozent der 1,5 bis unter 2,0 weltweiten Fischbestände, von denen sich 2,0 bis unter 3,0 mehr als 2,9 Milliarden Menschen ernähren, 3,0 bis unter 4,0 sind bereits heute überfischt.18 Außerdem 4,0 bis unter 5,0 bestehen Mängel bei der umweltgerechten 5,0 bis unter 6,0 Abwasserentsorgung – vor allem durch die 6,0 und mehr (Datengrundlage: United Nations0) Berlin-Institut 13
  • 16. industriellen Abwässer, die in Entwicklungs- Bevölkerungswachstum – die es aufgrund der begrenzten natürlichen ländern meist ungeklärt in Flüsse und Meere ein Tabuthema der heutigen Ressourcen und aus Sorge vor Hungersnöten abfließen, geht der regionale natürliche Entwicklungspolitik zu reduzieren galt. Viele Entwicklungsländer Lebensraum verloren, was umso proble- nahmen Familienplanung in ihre Entwick- matischer ist, wenn die Bevölkerung weiter Angesicht der vielen Verflechtungen zwi- lungsstrategien auf, indem sie einen unkom- wächst. schen Bevölkerungsdynamik und Entwick- plizierten Zugang zu Verhütungsmitteln schu- lungserfolgen verwundert es, dass dem fen. Doch es gab auch Programme, die mit Nationale Sicherheit. Die Verknappung von Thema in der internationalen Entwicklungs- Zwangsmaßnahmen verbunden waren, etwa lebenswichtigen Ressourcen wie Trinkwasser zusammenarbeit derzeit nur wenig Beach- die strenge Ein-Kind-Politik Chinas.22 und fruchtbaren Böden trägt ein großes tung geschenkt wird.21 Ein Grund dafür ist Konfliktpotential in sich und kann grenzüber- die erbittert geführte Debatte, ob und wie Manche Politiker und gesellschaftliche schreitende Flucht- und Migrationsbewe- der Staat in private Angelegenheiten wie die Akteure nahmen Anstoß daran, dass der gungen auslösen. Flüchtlinge und Migranten Fortpflanzung eingreifen sollte. Frauenrecht- entwicklungspolitische Fokus so sehr auf den können zu einem Sicherheitsrisiko werden, lerinnen, (Bevölkerungs-)Politiker und die Familienplanungsprogrammen lag. „Entwick- wenn die Nachbarländer mit der Aufnahme Kirchen hatten dazu von Anfang an unverein- lung ist die beste Verhütung“, so brachten überfordert sind. Studien zeigen außerdem, bare Positionen, die sie zum Teil bis heute es Vertreter dieser Fraktion auf der ersten dass Länder mit einem überproportional aufrechterhalten. Weltbevölkerungskonferenz der Vereinten hohen Anteil an Jugendlichen anfällig für Nationen in Bukarest 1974 auf den Punkt. Sie politische Unruhen und bewaffnete Konflikte Bereits in den 1960er Jahren hatte die in- setzten sich für eine Politik ein, die lediglich sind.19 Junge Erwachsene, insbesondere ternationale Staatengemeinschaft auf das die soziale und wirtschaftliche Entwicklung junge Männer, neigen zur Gewaltbereitschaft, massive Bevölkerungswachstum in den vorantreiben sollte – ein Fertilitätsrückgang wenn ihnen Perspektiven, Bildung und Ar- Entwicklungsländern reagiert. Dabei richtete komme dann von allein. Verfechter dieser beitsplätze verwehrt bleiben. Die meisten sich die Aufmerksamkeit bis in die 1980er Idee waren meist religiöse Oberhäupter und gefährdeten Staaten liegen in Afrika und am Jahre allein auf die hohen Geburtenraten, Politiker aus den ärmeren Ländern selbst, die Hindukusch, also in jenen Regionen mit dem höchsten Bevölkerungswachstum.20 Sexuelle und Reproduktive Gesundheit und Rechte (SRGR) Die etwas sperrige Begrifflichkeit „Sexuelle und Reproduktive Gesundheit und Rechte“ steht für einen menschenrechtsbasierten Ansatz, der auf der Weltbevölkerungskonfe- renz in Kairo 1994 in der internationalen Bevölkerungspolitik verankert wurde. Das Aktionsprogramm der Konferenz definiert reproduktive Gesundheit als „den Zustand des vollständigen seelischen, körperlichen und sozialen Wohlbefindens im Hinblick auf Sexualität und Fortpflanzung“.28 Jeder Mensch soll ein befriedigendes und ungefährliches Sexualleben haben können und frei über den Zeitpunkt für eigene Kinder sowie über ihre Anzahl bestimmen dürfen. Damit verlangt reproduktive Gesundheit erstens nach Zugang zu sicheren, effektiven und bezahlbaren Verhütungsmethoden sowie zu Informationen darüber. Zweitens umfasst reproduktive Gesundheit die medizinische Betreuung während und nach Schwanger- schaft und Geburt – dazu gehört auch die medizinische Versorgung neugeborener Kin- der. Und drittens schließt der Begriff sämtliche Gesundheitsleistungen ein, die sexuell übertragbare Krankheiten sowie Erkrankungen der Fortpflanzungsorgane behandeln oder eindämmen. Im Zentrum stehen dabei die individuellen Rechte auf bestmögliche Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Nicht-Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. 14 Afrikas demografische Herausforderung
  • 17. sich angesichts der Unterstützung von Fami- Sieg der internationalen Frauenbewegung. Eine notwendige Neuorientierung lienplanungsprogrammen durch den Westen Die Staatengemeinschaft einigte sich auf bevormundet fühlten. Nichtsdestotrotz ein detailliertes Aktionsprogramm, das frei- Die vorliegende Studie möchte dazu beitra- KAPITEL 1 verabschiedeten die Teilnehmer am Ende der willige Familienplanung, die (reproduktive) gen, dass in Zukunft sowohl faktenbasiert Konferenz den sogenannten World Popula- Gesundheit von Müttern und Kindern sowie als auch menschen(rechts)orientiert über tion Action Plan, in dem Familienplanung mit die Gleichstellung von Männern und Frauen bevölkerungspolitische Zusammenhänge dis- weiteren Entwicklungsmaßnahmen verknüpft in den Mittelpunkt stellte.26 Die Geberländer kutiert wird. Dazu werden zum einen Zusam- wurde.23 sagten zu, ein Drittel der bis 2005 anfallen- menhänge zwischen Bevölkerungsdynamik den Kosten zu übernehmen, geschätzte 6,1 und sozioökonomischer Entwicklung durch Doch der Streit setzte sich fort und eskalierte Milliarden US-Dollar.27 Die tatsächlich bereit- Analysen verdeutlicht. Zum anderen wird 1984 auf der zweiten Weltbevölkerungs- gestellten Gelder blieben allerdings deutlich umfänglich darauf eingegangen, welche Fak- konferenz in Mexiko-Stadt. Die Vereinigten hinter den Erwartungen zurück. Der Druck toren auf die Kinderzahlen einwirken. Es wird Staaten, bis dato größter Befürworter und der Familienplanungsgegner, die schließlich sich zeigen, dass Maßnahmen, die aus ver- Geldgeber einer regulierenden staatlichen auch US-Präsident George W. Bush auf ihre schiedensten Gründen erstrebenswert sind Bevölkerungspolitik, zogen sich weitgehend Seite zogen, war zu groß. – etwa Zugang zu Bildung, Verhütungsmitteln aus diesem Bereich zurück. Die damalige und Gesundheitsdienstleistungen sowie die Regierung von Präsident Ronald Reagan rea- Noch immer prallen bei diesem Thema die Stärkung der Frau – die Fertilitätsraten sin- gierte damit auf den Druck der Abtreibungs- Ansichten der unterschiedlichen Gruppie- ken lassen und die Voraussetzungen für eine gegner im eigenen Land. Diese verlangten, rungen, politischen Richtungen und Kultur- demografische Dividende schaffen. dass die USA sich aus allen Programmen zu kreise aufeinander. Auch bei dem Millen- Familienplanung und reproduktiver Gesund- niumsgipfel der Vereinten Nationen im Jahr Daraus ergibt sich letztlich die Forderung, heit zurückziehen sollten, die auch nur im 2000 wurde die Bevölkerungsdynamik in dass demografische Zusammenhänge bei weitesten Sinne Abtreibungen erlaubten. ihrer Bedeutung verkannt, und das, obwohl entwicklungspolitischen Planungen wieder Starke Verbündete fanden die Vereinigten die Entwicklungsziele, die es bis 2015 zu stärker in den Vordergrund rücken müssen. Staaten mit ihrem neuen Kurs im Vatikan und erreichen gilt, mit messbaren Kriterien verse- Entwicklungszusammenarbeit kann nur in den konservativ-islamischen Staaten.24 hen wurden. Wenn Armut und Hunger hal- dann erfolgreich und nachhaltig sein, wenn biert (MDG 1), die Kindersterblichkeit um ein starkes Bevölkerungswachstum als eine der Die dritte Weltbevölkerungskonferenz in Drittel gesenkt werden sollen (MDG 4), müs- Ursachen von Ressourcenknappheit, gewalt- Kairo 1994 steht für einen Wendepunkt in sen die Entwicklungsbemühungen jedoch mit samen Konflikten oder Defiziten im Bildungs- der internationalen Bevölkerungspolitik. Das dem Bevölkerungswachstum mithalten. Unter und Gesundheitssystem (an)erkannt wird. Konzept des ungedeckten Bedarfs (siehe den Millenniumsentwicklungszielen finden Die Maßnahmen, mit denen gegengesteuert Kapitel 3 und Glossar) half damals, zwischen sich zwar einige Vereinbarungen aus dem werden kann, lassen sich dabei an den Be- Bevölkerungspolitikern einerseits und Bereich der reproduktiven Gesundheit wie dürfnissen der Menschen ausrichten. Frauenrechtlerinnen andererseits zu vermit- die Senkung der Kinder- und Müttersterblich- teln.25 Anstelle demografischer Zielvorgaben keit und die Eindämmung der HIV/Aids-Pan- rückten individuelle Rechte und Bedürfnisse demie. Aber Möglichkeiten, das Bevölke- der Frauen und Männer in den Vordergrund. rungswachstum zu bremsen, etwa durch die Das Thema Bevölkerungswachstum ver- Verbesserung des Verhütungsangebotes in schwand damit von der politischen Agenda Entwicklungsländern, finden keinerlei Erwäh- – auch weil in Asien und Lateinamerika nung. Dabei gefährdet gerade das starke die Geburtenraten bereits stark gefallen Bevölkerungswachstum das Erreichen der waren, und in Afrika vor allem die HIV/Aids- Millenniums-Entwicklungsziele, denn seit Pandemie für Aufsehen sorgte. Kairo gilt als ihrer Formulierung im Jahr 2000 ist die Welt- bevölkerung um knapp 15 Prozent, von 6,1 Milliarden auf etwa sieben Milliarden, gewachsen.0 Berlin-Institut 15