1. Marktchancen
des Spirituellen Tourismus
Dr. Christian Antz
Ministerium für Wirtschaft und Arbeit
des Landes Sachsen-Anhalt
Tel.: ++49-391-567-4333
christian.antz@mw.sachsen-anhalt.de
Gera 16. März 2010
2. Spirituelles Reisen
Definition des Spirituellen Tourismus
Reise ins ich (Selbsttranszendenz)
und
Reise an die Grenzen seiner selbst (Heilige Orte)
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3. Spirituelles Reisen
Unzureichende Beachtung des spirituellen Reisens
Kirche und Theologie
lehnen Tourismus aufgrund seiner ökonomischen Aspekte
und scheinbar negativen Auswirkungen grundsätzlich ab
Tourismus und Tourismuswissenschaft
unterschätzen das wirtschaftliche Potential als
Nischenthema
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5. Spiritualität in der Gesellschaft
Individualismus, eigene Erfahrungsorientierung,
als Zukunft der christlichen Religion?!
Spiritualität ist die „subjektive Seite der Dogmatik“
(Hans Urs von Balthasar 1960)
An die Stelle von Religion tritt das Spirituelle
(Hubert Knoblauch 2007)
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6. Spiritualität in der Gesellschaft
„Zusammengebastelte“ Religion als Zukunft?
Verschiedene religiös-spirituelle
Sinnmärkte/ Sinnanbieter/ Sinnkunden
Wiederkehr der Religion
(Gottfried Küenzlen 2003)
oder
Jahrmarkt der Religionen?
Chance oder Risiko für das Christentum?
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8. Drei Lebenswirklichkeiten
Wo stehen wir ?
Erstens
Globalisierung, Individualisierung, Beliebigkeit
Überangebot und Orientierungslosigkeit
Pluriforme und multioptionale Welt
Alles ist Patchwork und buntes Spiel über die Welt
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9. Drei Lebenswirklichkeiten
Zweitens
Thema Geborgenheit als Hauptbedürfnis der Deutschen
(Horst Opaschowski)
Megareisetrend Sinnorientierung 2010/ 2020
(Horst Opaschowski)
21. Jahrhundert wird Jahrhundert der Spiritualität
(Ernst Jünger)
30 % Interessierte an christlichen Reisethemen
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10. Drei Lebenswirklichkeiten
Drittens
Amtskirche als Auslaufmodell ?
Austritte aus christlichen Kirchen halten an
Gemeindekirchen und Gottesdienste überaltern
Beschäftigung der christlichen Kirchen mit sich selbst
15 % Mitglieder christlicher Kirchen in Mitteldeutschland
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12. Spiritualität und Zukunft
„Es scheint aber äußerst wahrscheinlich,
dass Spiritualität eine große Zukunft hat,
sei es nun
innerhalb oder außerhalb
des religiösen Feldes“
(Hubert Knoblauch 2007)
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13. Spiritualität und Zukunft
Fazit
Menschen brauchen / suchen offenbar
Stabilität für ihr eigenes Leben
Rituale, um ihr Leben meistern zu können
Gewohntes Handeln,
das sie ohne große Reflexionen einsetzen können
Merke: Anwendung auf den Tourismus
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15. Spiritueller Auftrag
Kein Weltuntergang, sondern Weltveränderung
Nachfrager offen, Anbieter in der Defensive
Klarer Auftrag zuerst an die Kirchen, nicht an den Tourismus
den gesellschaftlichen Veränderungen
mit veränderten, jetzt spirituellen Konzepten zu begegnen
Es geht nicht darum, etwas gut oder schlecht zu finden,
sondern nur darum, zu handeln oder nichts zu tun
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17. Religiöser Tourismusmarkt
Kirchen- und Klosterbesichtigungen/ -reisen:
Kulturtourismus
Pilgerwege/ Wallfahrten
Urlaub im Kloster
Pilgerreisen: Studienreisen
Besuch religiös-historischer Stätten und Feste
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18. Religiöser Tourismusmarkt
Zielgruppen spirituellen Reisens
Intensivchristen: Ganzheitliche Angebote
und
Nichtkirchliche: Niederschwellige Angebote
Nicht nur für „Berufschristen“ (Amtsträger der Kirche)
Suchbewegungen vieler unterschiedlicher Menschen
Breites gesellschaftliches Grundinteresse
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22. Gastgeberschaft der Kirche
Beispiel Gastgeberschaft der Kirche
„Wer einen aufnimmt in meinem Namen, nimmt mich auf“
(Johannes 13,20)
Keine Angst und kein Jammern vor Gästen
50 % der Gäste kommen aus der Landes- bzw.
Nachbarkirche
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24. Gastgeberschaft der Kirche
Einfache, niederschwellige, alte Instrumente
der Gastgeberschaft vor Ort
Kirche als „heilige“ Orte (Authentisches, Identifikation)
Kunst und Kultur (Geschichte als Hebel)
Übernachtungsort Kloster (Geborgenheit, Anderes)
Kirche als Ruheort (Citypastoral)
Wege/ Pilgern (Selbst- und Gottessuche)
Gesten/ Rituale (Kerzen, Segen, Botschaft, Gebete)
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26. Gastgeberschaft der Kirche
Gastgeberschaft für neue Zielgruppen
Gastgeberschaft für Suchende
Christentum für Anfänger
„Anonyme Christen“
Nichtchristen
Die Menschen dort abholen,
wo sie stehen,
und nicht dort,
wo die christlichen Kirchen stehen
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28. Spiritualität in der Gesellschaft
Spiritualität und Popularisierung von Religion
Das kleine „BibelQuiz“ - NDR Fernsehshow ab 2007
Mit 1,4 Mio. das meist verkaufte Buch Deutschlands 2006/07
„Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling
„Bravo Bene“ erstes religiöses Poster in 50 Jahren
Bravo-Geschichte 2006
1,2 Mio. (77.000) Internet-Eintragungen 2004 und 12,4 Mio.
(760.000) 2006 zu „Pilgrimage“ („Wallfahrt“)
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30. Spirituelle Reisehighlights
5 Mio. Lourdes-Wallfahrer 1990
(wie Marianisches Jahr 1958)
1 Mio. Besucher der Abschlussmesse auf
dem Marienfeld bei Köln – Besuch Papst Benedikt XVI.
auf dem Weltjugendtag
„Wir sind gekommen, um IHN anzubeten“ 2006
180.000 registrierte Pilger zum Hl. Jakobus Jahr
in Santiago de Compostela 2004
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31. Spirituelle Reisehighlights
8,5 Mio. registrierte Pilger und 14,5 Mio.
Übernachtungen insgesamt zum Heiligen Jahr in Rom
2000
80.000 Pilger bei der Wallfahrt der Völker/
Mitteleuropäischer Katholikentag
in Mariazell 2004
200 Mio. Pilgerreisen jährlich weltweit /
allein 20 Mio. Pilger zur Marienwallfahrt
nach Guadalupe (Mexiko)
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33. Spirituelles Reisen
Beispiele für spirituelle Kernzielgruppen
150-200.000 jährliche Reisen in Deutschland
mit christlichen Reiseveranstaltern
100.000 Anfrager/ 40.000 Bucher
religiös motivierter Klosterübernachtungen in Deutschland
Daneben die größeren, erweiterten Zielgruppen
der Kultur-, Wellness-, Wander- etc. Reisen
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36. Zukunft des Reisens
Vergleich des Spirituellen Reisens
zu vergleichbaren momentanen Reisetrends
zum Urlaub zu Hause/ Balkonien (Muße)
zum Wandern (Langsamkeit)
zur Authentizität (Kulturtourismus)
zur Natur (Naturtourismus)
zu Wellness (Innere und äußere Gesundheit)
zur Emotion (Markenorientierung)
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37. Fazit Spiritueller Tourismus
„Nichts Neues, nichts Außergewöhnliches, sondern Anderes“
(Johannes von Salisbury, um 1115-1180)
Spiritualität ist kleiner, aber wachsender Markt im Tourismus
Auftrag an Anbieter/ Kirche, den spirituellen Wünsche der Nachfrager
zu begegnen
Auftrag an Tourismus, die Anbieter bei der Professionalisierung der
Angebote zu unterstützen (vgl. Kultur- und Naturtourismus)
Ziel: Gelebte Win-Win-Situation zwischen Kirche und Tourismus
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39. Beispiel „Wittenbergfahrer“ 1925
Ziel ist es, den spirituellen Tourismus „von dem Niveau des
Vergnügungsunternehmens auf die Höhe religiös-
kirchlicher Feier zu erheben“ (Pfarrer Geibel 1922)
Intensive Werbearbeit für Gruppenreisen durch den
Vorsitzenden des kirchlichen Verkehrsausschusses !
und Superintendenten Maximilian Meichssner
55.000 „Pilger“ zwischen 1924 und 1926
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40. Beispiel „Wittenbergfahrer“ 1925
Jeden Sonntag
Extrazüge aus Berlin, Sachsen, Thüringen, Braunschweig
Kirchengemeinden, Kirchenvereine, Evangelischer Bund
als Veranstalter
Grußwort an der Luthereiche
Besichtigung Lutherhaus und Schlosskirche
mit Predigt
Gemeinsames Mittagessen
Stadtbummel und Besichtigung der Stadtkirche
„Ein gemeinsames Lied und ein kurzer Abschiedsgruß
[in der Kirche oder auf dem Markt] gaben den weihevollen
Schluß“ (Pfarrer Geibel 1922)
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41. Fazit Spiritueller Tourismus
Unabdingbare Voraussetzung für
spirituelles Reisen
Kenntnis über die spirituellen Kern des „Produktes“
Darauf abgestimmte Marketingstrategie
Kompetenz der „Geistlichen Begleitung“
Kompetenz des professionellen touristischen Rahmens
Qualität
des „Angebotes“ in Tourismus und Spiritualität
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42. Fazit Spiritueller Tourismus
„Pilgern mit Genuss“
ist kirchlich gesehen also grundsätzlich nichts Böses
hat aber nur Erfolg
wenn Kirche und Tourismus eng zusammenarbeiten
qualitätsvolle spirituelle wie touristische Angebote gemeinsam
entwickeln
denn Martin Luther sagt
„Gastfreiheit ist an allen Orten wo Kirche ist“
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