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Ein Blick zurück: Freiwilligenarbeit und Ehrenamt in
Deutschland und Europa ab ca. 1800
Z unäc hs t zur Einführung : Woher stammt die Freiwilligenarbeit? Woher das Ehrenamt? Auch wenn wir heute meinen Ehrenamt,
Volunteering, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftliches Engagement synonym nennen zu können, verbirgt sich hinter der einschlägigen
Rhetorik vom 'ehrenamtlichen Helfer' doch eine ganze Menge mehr als bloß die öffentlichkeitswirksame Anschlussfähigkeit ihrer
Reklamation. Nebst weißer Männlichkeitgewählten Ehrenamtes findet sich in den verbreiteten Termini von Bürgerengagement und
Ehrenamt die Traditionslinie des kommunitaristischen (republikanischen) Verständnisses von S taatsbürgerschaft, die Jürgen
Habermas in Gegensatz zur liberalen Tradition beschreibt:
“In der Rechtsphilosophie liegen zwei konträre Deutungen dieser S taatsbürgerschaftmiteinander im Widerstreit. In der von Locke
ausgehenden liberalen Tradition des Naturrechtes hatsich ein individualistisch-instrumentalistisches, in der aufAristoteles
zurückgreifenden republikanischen Tradition der S taatslehre ein kommunitaristisch-ethisches Verständnis der S taatsbürgerrolle
herauskristallisiert. In einem Fall wird die S taatsbürgerrolle nach dem Muster einer Organisationsmitgliedschaftkonzipiert, die eine
Rechtsstellung begründet, im anderen Fall nach dem Modell der Zugehörigkeitzu einer sich selbstbestimmenden ethisch-kulturellen
Gemeinschaft. Nach der einen Lesartbleiben die Individuen dem S taatäußerlich, leisten zu dessen Reproduktion – etwa mit
Wahlstimmen und S teuerzahlungen [aber auch freiwilligen Engagementals Möglichkeitdemokratischer Mitgestaltung H.J.] –
bestimmte Beiträge, um im Austausch dafür Organisationsleistungen zu erhalten. Nach der anderen Lesartsind die Bürger dem
politischen Gemeinwesen wie die Teile einem Ganzen derartintegriert, dass sie ihre persönliche und soziale Identitätnur im Horizont
gemeinsamer Überlieferungen und anerkannter politischer Institutionen ausbilden können. Nach liberaler Lesartunterscheiden sich
die S taatsbürger nichtwesentlich von Privatleuten, die ihre vorpolitischen Interessen gegenüber dem S taatsapparatzur Geltung
bringen; nach republikanischer Lesartaktualisiertsich die S taatsbürgerschaftallein in der kollektiven S elbstbestimmungspraxis“
(Jürgen Habermas (1990): S taatsbürgerschaftund Nationalität. in: ders. (1992): Faktizitätund Geltung – Beiträge zur Diskurstheorie
des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates. Frankfurtam Main: suhrkamp. S . 640).
Auf den folgenden S lides soll deutlich werden, dass das freiwillige Engagement und Ehrenamt in Deutschland der
kommunitaristischen Tradition entstammt. Die Hypothese, dass sich das republikanische Paradigma der (S taats-)Bürgergesellschaft
bis heute durchzieht, bestätigen dabei die Rudimente verpflichtender Freiwilligkeit, die wir auch im heutigen Recht finden.
Dipl. Soz.Päd. (FH) Hannes Jähnert
Weblog: foulder.wordpress.com
Twitter: twitter.com/foulder
Skype: der.foulder
Im Lützow'schen Freikops dienten sowohl einfache als auch prominente Persönlichkeiten. Hier im Bild „Auf Vorposten“ von
Georg Friedrich Kersting (1815) der Jurastudent Heinrich Hartmann (vorn mit Pfeife), der Dichter und Dramaturg Theodor
Körner (hinter Hartmann) & der Mitbegründer der Turnbewegung, Friedrich Friesen (rechts im Bild)
In der deutschen Revolution von 1848/49 (Märzrevolution) kämpften verschiedene Fraktionen für eine Vereinigung
Deutschlands. Hier im Bild (vom 19. März 1848) sind sowohl die Trikoloren der republikanischen Revolutionäre (rechte
Bildmitte sowie am Hausgiebel rechts oben), als auch die Flaggen der monarchistischen Revolutionäre (Bildmitte sowie unterer
Bildrand) zu sehen.
Die deutsche Kriegserklärung und der Eintritt in den ersten Weltkrieg mobilisierte zigtausende Freiwillige. Hier im Bild: jüdische
Kriegsfreiwillige aus Hameln 1914 (Stadtarchiv Hameln)
Zur Mobilmachung 1914 (Deutsches Bundesarchiv)
Beim deutschen Russlandfeldzug während des zweiten Weltkriegs („Unternehmen Brbarossa“ ab 21. Juni 1941) zogen neben
ca. zwei Millionen deutschen Soldaten schätzungsweise eine Millionen ausländische Freiwillige in den Krieg. Die Parole vom
“Kampf gegen den Bolschewismus” fand zeitweilig in ganz Europa Widerhall: Konservative, enttäuschte Sozialisten und
überzeugte Faschisten kämpften ebenso gegen Stalins rote Armee wie Freiheitskämpfer aus der damaligen UdSSR.
Kriegsfreiwilligkeit hat natürlich auch Eingang in die Drehbücher zahlloser Kinofilme gefunden. Hier ein Bild aus „Platoon“ (USA
1986). In dieser Kampfeinheit, stationiert in Vietnam, wird der Volunteer Chris Taylor (Charlie Sheen) mit der unmenschlichen
Brutalität des Vietnamkrieges konfrontiert. Eine Erfahrung, die wohl auch viele andere (echte) Kriegsfreiwillige in den
Schützengräben des ersten und zweiten Weltkrieges machten.
Auch moderne Armeen sind auf Freiwillige angewiesen. Hier im Bild ein Hauptgefreiter auf Posten in Kundus (Bildquelle:
Berliner Morgenpost 30. Mai 2008). Der freiwillige Kriegsdienst scheint heute zwar eher eine Möglichkeit außerhalb der freien
Wirtschaft Geld zu verdienen, doch kann er als Rudiment des Kriegsfreiwilligen früherer Zeiten angesehen werden.
SUMMARY
(1) Der Bürgerkrieg als eines der
ältesten Freiwilligenprojekte der
Welt
(2) Engagement unabhängig von
Glaube, Nationalität, Kultur,
Status ...
(3) geprägt vom kommunitaristischen
Paradigma einer Bürgergesell-
schaft
(4) Freiwilliges Engagement wurde
tendenziell heroisiert
(5) Motive plural bis nicht
nachvollziehbar
„Warum bist du noch nicht
in der Armee?“
Kampagnenplakat zur Rekrutierung Kriegsfreiwilliger aus
der russischen Revolution (1917/18 – 1920)
E
H
R
E
N
A
M
T
Nur kein Ehrenamt
Willst Du froh und glücklich leben,
lass kein Ehrenamt dir geben!
Willst du nicht zu früh ins Grab
lehne jedes Amt gleich ab!
Wie viel Mühen, S orgen, Plagen
wie viel Ärger musst Du tragen;
gibst viel Geld aus, opferst Zeit -
und der Lohn? Undankbarkeit!
Ohne Amt lebst Du so friedlich
und so ruhig und so gemütlich,
Du sparst Kraft und Geld und Zeit,
wirst geachtet weit und breit.
S o ein Amt bringt niemals Ehre,
denn der Klatschsucht scharfe S chere
schneidet boshaft Dir, schnipp-schnapp,
Deine Ehre vielfach ab.
Willst du froh und glücklich leben,
lass kein Ehrenamt dir geben!
Willst du nicht zu früh ins Grab
lehne jedes Amt gleich ab!
S elbst Dein Ruf geht Dir verloren,
wirst beschmutzt vor Tür und Toren,
und es macht ihn oberfaul
jedes ungewaschne Maul!
Drum, so rat ich Dir im Treuen:
willst Du Weib und Kind erfreuen,
soll Dein Kopf Dir nicht mehr brummen,
lass das Amt doch and'ren Dummen
Wilhelm Busch (*1832 †1908)
Ab dem Beginn des 19 Jahrhunderts setzte in Deutschland die Industrialisierung ein. Schwerpunkt war vor allem die
Montanindustrie, sprich die Metall-, Bergbau- und Eisenbahnindustrie. Aufgrund der voranschreitenden Landflucht
(Urbanisierung) sahen sich viele Kommunen vor Probleme gestellt, die aus der Verelendung der Arbeiterschaft, Arbeitslosigkeit
und Armut resultierten. Besonders Industriestädte waren gezwungen auf die negativen Folgen der Industrialisierung, wie z.B.
hohe Kriminalität und hygienische Missstände, zu reagieren. Die damals junge Industriestadt Elberfeld (heute ein Stadtteil von
Wuppertal) führte als erste Kommune ein Fürsorgesystem ein, dass auf „Arbeit statt Almosen“ setzte – das Elberfelder System.
Die Preußische Kommunalverwaltungsreform
(Steinische Städteordnung)
Die Prinzipien des Elberfelder Systems, das später auch in vielen anderen Industriestätten umgesetzt wurde, wurden in der
Preußischen Kommunalverwaltungsreform von 1808 festgeschrieben. Federführend bei dieser Reform war Karl Freiherr vom
Stein, weshalb die Preußische Kommunalverwaltungsreform auch als „Steinische Städteordnung“ bekannt wurde. Diese
Städteordnung verpflichtete erstmals Bürger – für den Erhalt ihrer Ehrenrechte – zur Armenpflege. Jede bürgerliche Familie
wurde verpflichtet bis zu vier Arme und deren Familien zu betreuen, wobei sich die Betreuung nicht auf finanzielle
Unterstützung bezog, sondern auf Hilfe bei der Arbeitssuche („Arbeit statt Almosen“) und Kontrolle der Bemühungen.
Rudimente des bürgerlichen Ehrenamts, dass
weniger auf Freiwilligkeit denn gesetzlicher
Verordnung beruhte, finden sich auch heute
noch. Das Amt des Schöffen bspw. ist ein Amt,
dass man nicht – oder nur unter bestimmten
Umständen – ablehnen darf (siehe §35 des
Gerichtsverfassungsgesetzes)
SUMMARY
(1) Ehrenamt als staatlich abgeleitete
Tätigkeit (Koproduzentenrolle)
(2) geprägt vom kommunitaristischen
Paradigma einer Bürgergesell-
schaft
(3) Ehrenamt zum erhalt des Status
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freiwilligen Engagements 2011
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  • 1. Ein Blick zurück: Freiwilligenarbeit und Ehrenamt in Deutschland und Europa ab ca. 1800 Z unäc hs t zur Einführung : Woher stammt die Freiwilligenarbeit? Woher das Ehrenamt? Auch wenn wir heute meinen Ehrenamt, Volunteering, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftliches Engagement synonym nennen zu können, verbirgt sich hinter der einschlägigen Rhetorik vom 'ehrenamtlichen Helfer' doch eine ganze Menge mehr als bloß die öffentlichkeitswirksame Anschlussfähigkeit ihrer Reklamation. Nebst weißer Männlichkeitgewählten Ehrenamtes findet sich in den verbreiteten Termini von Bürgerengagement und Ehrenamt die Traditionslinie des kommunitaristischen (republikanischen) Verständnisses von S taatsbürgerschaft, die Jürgen Habermas in Gegensatz zur liberalen Tradition beschreibt: “In der Rechtsphilosophie liegen zwei konträre Deutungen dieser S taatsbürgerschaftmiteinander im Widerstreit. In der von Locke ausgehenden liberalen Tradition des Naturrechtes hatsich ein individualistisch-instrumentalistisches, in der aufAristoteles zurückgreifenden republikanischen Tradition der S taatslehre ein kommunitaristisch-ethisches Verständnis der S taatsbürgerrolle herauskristallisiert. In einem Fall wird die S taatsbürgerrolle nach dem Muster einer Organisationsmitgliedschaftkonzipiert, die eine Rechtsstellung begründet, im anderen Fall nach dem Modell der Zugehörigkeitzu einer sich selbstbestimmenden ethisch-kulturellen Gemeinschaft. Nach der einen Lesartbleiben die Individuen dem S taatäußerlich, leisten zu dessen Reproduktion – etwa mit Wahlstimmen und S teuerzahlungen [aber auch freiwilligen Engagementals Möglichkeitdemokratischer Mitgestaltung H.J.] – bestimmte Beiträge, um im Austausch dafür Organisationsleistungen zu erhalten. Nach der anderen Lesartsind die Bürger dem politischen Gemeinwesen wie die Teile einem Ganzen derartintegriert, dass sie ihre persönliche und soziale Identitätnur im Horizont gemeinsamer Überlieferungen und anerkannter politischer Institutionen ausbilden können. Nach liberaler Lesartunterscheiden sich die S taatsbürger nichtwesentlich von Privatleuten, die ihre vorpolitischen Interessen gegenüber dem S taatsapparatzur Geltung bringen; nach republikanischer Lesartaktualisiertsich die S taatsbürgerschaftallein in der kollektiven S elbstbestimmungspraxis“ (Jürgen Habermas (1990): S taatsbürgerschaftund Nationalität. in: ders. (1992): Faktizitätund Geltung – Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates. Frankfurtam Main: suhrkamp. S . 640). Auf den folgenden S lides soll deutlich werden, dass das freiwillige Engagement und Ehrenamt in Deutschland der kommunitaristischen Tradition entstammt. Die Hypothese, dass sich das republikanische Paradigma der (S taats-)Bürgergesellschaft bis heute durchzieht, bestätigen dabei die Rudimente verpflichtender Freiwilligkeit, die wir auch im heutigen Recht finden. Dipl. Soz.Päd. (FH) Hannes Jähnert Weblog: foulder.wordpress.com Twitter: twitter.com/foulder Skype: der.foulder
  • 2. Im Lützow'schen Freikops dienten sowohl einfache als auch prominente Persönlichkeiten. Hier im Bild „Auf Vorposten“ von Georg Friedrich Kersting (1815) der Jurastudent Heinrich Hartmann (vorn mit Pfeife), der Dichter und Dramaturg Theodor Körner (hinter Hartmann) & der Mitbegründer der Turnbewegung, Friedrich Friesen (rechts im Bild)
  • 3. In der deutschen Revolution von 1848/49 (Märzrevolution) kämpften verschiedene Fraktionen für eine Vereinigung Deutschlands. Hier im Bild (vom 19. März 1848) sind sowohl die Trikoloren der republikanischen Revolutionäre (rechte Bildmitte sowie am Hausgiebel rechts oben), als auch die Flaggen der monarchistischen Revolutionäre (Bildmitte sowie unterer Bildrand) zu sehen.
  • 4. Die deutsche Kriegserklärung und der Eintritt in den ersten Weltkrieg mobilisierte zigtausende Freiwillige. Hier im Bild: jüdische Kriegsfreiwillige aus Hameln 1914 (Stadtarchiv Hameln)
  • 5. Zur Mobilmachung 1914 (Deutsches Bundesarchiv)
  • 6. Beim deutschen Russlandfeldzug während des zweiten Weltkriegs („Unternehmen Brbarossa“ ab 21. Juni 1941) zogen neben ca. zwei Millionen deutschen Soldaten schätzungsweise eine Millionen ausländische Freiwillige in den Krieg. Die Parole vom “Kampf gegen den Bolschewismus” fand zeitweilig in ganz Europa Widerhall: Konservative, enttäuschte Sozialisten und überzeugte Faschisten kämpften ebenso gegen Stalins rote Armee wie Freiheitskämpfer aus der damaligen UdSSR.
  • 7. Kriegsfreiwilligkeit hat natürlich auch Eingang in die Drehbücher zahlloser Kinofilme gefunden. Hier ein Bild aus „Platoon“ (USA 1986). In dieser Kampfeinheit, stationiert in Vietnam, wird der Volunteer Chris Taylor (Charlie Sheen) mit der unmenschlichen Brutalität des Vietnamkrieges konfrontiert. Eine Erfahrung, die wohl auch viele andere (echte) Kriegsfreiwillige in den Schützengräben des ersten und zweiten Weltkrieges machten.
  • 8. Auch moderne Armeen sind auf Freiwillige angewiesen. Hier im Bild ein Hauptgefreiter auf Posten in Kundus (Bildquelle: Berliner Morgenpost 30. Mai 2008). Der freiwillige Kriegsdienst scheint heute zwar eher eine Möglichkeit außerhalb der freien Wirtschaft Geld zu verdienen, doch kann er als Rudiment des Kriegsfreiwilligen früherer Zeiten angesehen werden.
  • 9. SUMMARY (1) Der Bürgerkrieg als eines der ältesten Freiwilligenprojekte der Welt (2) Engagement unabhängig von Glaube, Nationalität, Kultur, Status ... (3) geprägt vom kommunitaristischen Paradigma einer Bürgergesell- schaft (4) Freiwilliges Engagement wurde tendenziell heroisiert (5) Motive plural bis nicht nachvollziehbar „Warum bist du noch nicht in der Armee?“ Kampagnenplakat zur Rekrutierung Kriegsfreiwilliger aus der russischen Revolution (1917/18 – 1920)
  • 10. E H R E N A M T Nur kein Ehrenamt Willst Du froh und glücklich leben, lass kein Ehrenamt dir geben! Willst du nicht zu früh ins Grab lehne jedes Amt gleich ab! Wie viel Mühen, S orgen, Plagen wie viel Ärger musst Du tragen; gibst viel Geld aus, opferst Zeit - und der Lohn? Undankbarkeit! Ohne Amt lebst Du so friedlich und so ruhig und so gemütlich, Du sparst Kraft und Geld und Zeit, wirst geachtet weit und breit. S o ein Amt bringt niemals Ehre, denn der Klatschsucht scharfe S chere schneidet boshaft Dir, schnipp-schnapp, Deine Ehre vielfach ab. Willst du froh und glücklich leben, lass kein Ehrenamt dir geben! Willst du nicht zu früh ins Grab lehne jedes Amt gleich ab! S elbst Dein Ruf geht Dir verloren, wirst beschmutzt vor Tür und Toren, und es macht ihn oberfaul jedes ungewaschne Maul! Drum, so rat ich Dir im Treuen: willst Du Weib und Kind erfreuen, soll Dein Kopf Dir nicht mehr brummen, lass das Amt doch and'ren Dummen Wilhelm Busch (*1832 †1908)
  • 11. Ab dem Beginn des 19 Jahrhunderts setzte in Deutschland die Industrialisierung ein. Schwerpunkt war vor allem die Montanindustrie, sprich die Metall-, Bergbau- und Eisenbahnindustrie. Aufgrund der voranschreitenden Landflucht (Urbanisierung) sahen sich viele Kommunen vor Probleme gestellt, die aus der Verelendung der Arbeiterschaft, Arbeitslosigkeit und Armut resultierten. Besonders Industriestädte waren gezwungen auf die negativen Folgen der Industrialisierung, wie z.B. hohe Kriminalität und hygienische Missstände, zu reagieren. Die damals junge Industriestadt Elberfeld (heute ein Stadtteil von Wuppertal) führte als erste Kommune ein Fürsorgesystem ein, dass auf „Arbeit statt Almosen“ setzte – das Elberfelder System.
  • 12. Die Preußische Kommunalverwaltungsreform (Steinische Städteordnung) Die Prinzipien des Elberfelder Systems, das später auch in vielen anderen Industriestätten umgesetzt wurde, wurden in der Preußischen Kommunalverwaltungsreform von 1808 festgeschrieben. Federführend bei dieser Reform war Karl Freiherr vom Stein, weshalb die Preußische Kommunalverwaltungsreform auch als „Steinische Städteordnung“ bekannt wurde. Diese Städteordnung verpflichtete erstmals Bürger – für den Erhalt ihrer Ehrenrechte – zur Armenpflege. Jede bürgerliche Familie wurde verpflichtet bis zu vier Arme und deren Familien zu betreuen, wobei sich die Betreuung nicht auf finanzielle Unterstützung bezog, sondern auf Hilfe bei der Arbeitssuche („Arbeit statt Almosen“) und Kontrolle der Bemühungen.
  • 13. Rudimente des bürgerlichen Ehrenamts, dass weniger auf Freiwilligkeit denn gesetzlicher Verordnung beruhte, finden sich auch heute noch. Das Amt des Schöffen bspw. ist ein Amt, dass man nicht – oder nur unter bestimmten Umständen – ablehnen darf (siehe §35 des Gerichtsverfassungsgesetzes)
  • 14. SUMMARY (1) Ehrenamt als staatlich abgeleitete Tätigkeit (Koproduzentenrolle) (2) geprägt vom kommunitaristischen Paradigma einer Bürgergesell- schaft (3) Ehrenamt zum erhalt des Status Logo des Europäischen Jahres des freiwilligen Engagements 2011 (European Year of Volunteering)