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     August Hermann Franckes kurzer Unterricht,

                      wie man die Heilige Schrift

          zu seiner wahren Erbauung lesen sollte.

Wenn ein Einfältiger zu seiner Erbauung in Gott die Heilige Schrift Alten und Neuen
Testaments lesen will, so muß er

1. sich mit allem Fleiß davor hüten, daß er nicht etwa einen heimlichen falschen Grund in
seinem Herzen habe oder irgend einen unrichtigen Zweck, warum er die Heilige Schrift
lese. Denn die Schriftgelehrten und Pharisäer lasen auch die Heilige Schrift, und waren
doch dadurch nichts gebessert. Sie meinten das ewige Leben darinnen zu haben; aber zu
Christo wollten sie nicht kommen, daß sie das Leben haben möchten (Joh. 5,39.40). Ein
falscher Grund aber und unrechter Zweck ist es, wenn man die Heilige Schrift lieset
entweder zum bloßen Zeitvertreib und weil hier und da einige Historien darinnen sind,
daran sich auch ein natürliches Gemüt einigermaßen ergötzet; oder, wenn man das Lesen
der Heiligen Schrift als ein bloß äußerliches Werk treibt, gleichsam voraussetzt, daß man
schon gar fest ini seinem Christentum stehe, und als zum Überfluß die Gewohnheit frühe
und abends hält, das eine oder andere Kapitel zu lesen, und meinet dann, man habe
dadurch dem lieben Gott ein sonderlich gutes Werk dargelegt, wie also viele Menschen sich
damit trösten, daß sie fleißig Gottes Wort lesen, deren Sinn und ganzes Leben mit dem
Wort Gottes doch im geringsten nicht übereinstimmt; oder, wenn man nur zu dem Ende
die Heilige Schrift vor sich nimmt, daß man schriftgelehrt werde, und vieles Wissen
erlange, darunter sich denn Eigenliebe, Ehrsucht und allerlei andere pharisäische Laster
zu verberngen pflegen. Und dieses ist heutzutage vieler Gelehrten Zweck, welche denn der
Schrift Meister sein wollen, und wissen nicht, was sie sagen, oder was sie setzen (1. Tim.
1,7). Ja, auch durchaus ist dieses die verkehrte Art der Menschen, daß sie sich in der
Heiligen Schrift mehr auf unnütze Fragen oder hohe Geheimnisse befleißigen, als erst
einen rechten Grund in der Buße und im Glauben zu legen. Wo einer nun diese
obberührten oder sonst dergleichen falsche Absichten in seinem Herzen hat, warum er die
Heilige Schrift lieset, der kann mit aller seiner Schriftgelehrsamkeit in den Abgrund der
Hölle verdammet werden, wenn er gleich die ganze Schrift auswendig lernte.

So bringe denn ein Einfältiger

2. zur Lesung der Heiligen Schrift ein recht einfältiges Herz , das ist, ein aufrichtiges und
ungeheucheltes Verlangen, daß er durch die Heilige Schrift möge unterwiesen werden zu
seiner Seligkeit durch den Glauben an Christum Jesum (2. Tim. 3,15), und daß er also
glauben und leben möge, wie es ihm in Lesung der Heiligen Schrift von Gott selbst
vorgehalten wird. In summa: Wenn du die Heilige Schrift zu lesen vornimmst, muß allein
dein aufrichtiger Zweck sein, daß du ein gläubiger und frommer Christ werden mögest,
nicht nach dem Schein, sondern in der wahren Kraft, daß du dich versichern könnest, du
gefallest Gott wohl, und werdest dort seiner mit ewiger Freude genießen.


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3. Da muß nun das Gebet das erste sein, und ein Einfältiger auf diese oder dergleichen Art
und Weise, ehe er in der Bibel lieset, Gott anreden, nicht mit dem Munde allein, sondern
mit recht andächtigem Herzen: O du ewiger und lebendiger, wie können wir dir genugsam
danken, daß du uns deinen heiligen Willen in deinem Wort so gnädig geoffenbaret hast,
daß wir daraus lernen können, wie wir gläubig, fromm und selig werden sollen. So gib mir
nun deinen Heiligen Geist, daß er mir meine Augen öffne, zu sehen die Wunder an deinem
Gesetz; daß er durch dein Wort den Glauben in meinem Herzen wirke und vermehre, und
meinen Willen kräftiglich lenke, daß ich mich freue über deine Zeugnisse und von Herzen
an dich glaube und dein Wort halte.

4. Billig ist es auch, daß das Lesen der Heiligen Schrift mit lauter Gebet und Seufzen, wie
auch mit Lob und Dank Gottes verrichtet werde. Denn dieses ist die einfältige Art, daß man
allezeit seine gute Erbauung dabei habe. Zum Beispiel 1. Mose 1,1: Am Anfang schuf Gott
Himmel und Erde. O du ewiger Gott, ich danke dir, daß du mich durch dein Wort lehrest,
woher Himmel und Erde ihren Ursprung haben. Oder: Ach, lieber Vater im Himmel, wenn
ich meine Augen aufrichte zu dem Himmel und niedersehe zu der Erde, so führe doch mir
dieses dein göttlich Wort zu Gemüte, daß ich dich als den Schöpfer Himmels und der
Erden ehren und anbeten soll. Oder: Ach lieber Gott, hast du Himmel und Erde erschaffen,
so bist du ja besser und herrlicher als Himmel und Erde. Darum, wenn ich nur dich habe,
so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Oder: Gott, du bist ja wohl der Vater über alles,
was da Kinder heißet im Himmel und auf Erden, der du Himmel und Erde erschaffen hast.
Ach lehre mich doch allezeit recht bedenken, was mein sterblicher Leib, das Stücklein
Erde, für einen großen Baumeister und Schöpfer habe. Oder: Ach, lieber Vater in dem
Himmel, wie kann ich doch nun ferner sorgen um meine leibliche Erhaltung, weil ich dich
zum Vater anrufe, der du Himmel und Erde erschaffen hast, usw. Also mag man bei einem
jeglichen Vers in der Bibel stille stehen und, wie Luther redet, gleichsam an ein jegliches
Sträuchlein klopfen, ob auch einige Beerlein herunterfallen wollen. Dünket’s einen im
Anfang etwas schwer zu sein, und will nicht sogleich das Gebet fließen, so mag man wohl
weitergehen und es gleichsam an einem andern Sträuchlein versuchen. Wenn die Seele nur
fein hungig ist, so wird sie der Geist Gottes nicht ungesättigt lassen, ja es wird sich endlich
finden, daß der Mensch an einem einigen kleinen Verslein so viel lebendiger Früchte
ersehen wird, daß er sich auch bei demselbigen wird aufhalten und niederlassen als bei
einem mit Früchten ganz beladenenen Bäumlein. Wer aber im Anfang davor erschrickt
und denket, es sei ihm gar zu schwer, er könne die Heilige Schrift nicht also lesen, der ist
selbst schuld daran, daß er in seinem ganzen Leben keine rechte Lust und Freude an der
Heiligen Schrift gewinnt.

5. Dem Gebet muß die Betrachtung die hand bieten, daß man bei einem jeglichen ein
wenig stille stehe und alles fein in seinem Herz erwäge. Gar fein spricht Luther über das
Evangelium am Christtage in seiner Kirchenpostille f. 56 b: Das Evangelium ist so klar, daß
es nicht viel Auslegens bedarf, sondern es will nur wohl betrachtet, angesehen und tief zu
Herzen genommen sein. Und wird niemand mehr Nutz davon bringen, denn die ihr Herz
stillehalten, alle Dinge ausschlagen und mit Fleiß drein sehen, gleichwie die Sonne in
einem stillen Wasser gar eben sich sehen lässet und kräftig wärmet, die im rauschenden
und laufenden Wasser nicht also gesehen werden mag, auch nicht also wärmen kann.
Darum, willst du allhier auch erleuchtet werden, göttliche Gnade und Wunder sehen, daß
dein Herz entbrannt, erleuchtet, andächtig und fröhlich werde, so gehe hin, da du stille
seiest und das Bild tief ins Herz fassest, da wirst du finden Wunder über Wunder. Dieses
ist nun bei der ganzen Heiligen Schrift und deren Lesung in acht zu nehmen. Wo man über

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ein Kapitel hinrauschet, danach die Bibel zuschlägt und, was man gelesen hat, bald aus den
Gedanken fahren lässet, so ist es kein Wunder, daß man die Bibel wohl oft durchlese un
ddoch nicht frömmer und andächtiger danach werde. Das Gebet und die Betrachtung
müssen einander stets die Hand bieten. Wenn es mit der Betrachtung nicht fort will,
somußt du beten; und wenn das Gebet nicht fließen will, so mußt du die Worte ein wenig
betrachten. Aus dem Gebet wird die Betrachtung entspringenund vermehret werden; und
durch die Betrachtung wirst du zum Gebet erwecket werden. Kein Mensch, spricht
Bernhardus, kommt plötzlich oben an. Durch Aufsteigen und nicht durch Fliegen erreicht
man die obersten Sprossen der Leiter. Darum lasset uns hinaufsteigen, als wie mit zweien
Flüßen, nämlich durch die Betrachtung und durch das Gebet. Denn die Betrachtung lehrt
und zeigt uns, was uns mangelt; das Gebet aber erhält und erlangt uns bei Gott dem Herrn
so viel, daß uns nichts mangele oder fehle. Die Betrachtung zeigt uns den rechten Weg, das
Gebet aber führt uns denselbigen Weg. Und an einem anderen Orte spricht er: Durchs
Gebet wird die Betrachtung erleuchtet und in der Betrachtung wird das Gebet inbrünstig.
Es ist ein süßes liebliches Gespräch, und eine selige Unterredung, wo nämlich das Gebet
und die Betrachtung zusammenkommen, also daß eines das andere regiert. Und abermals:
Das Gebet ohne Betrachtung ist ein kalt und faul Ding. Die Betrachtung ohne das Gebet ist
unfruchtbar und durchaus nichts nütze. Wer diese Erinnerung des frommen Bernhardus
in Lesung der Heiligen Schrift wohl in acht zu nehmen weiß, der wird niemals ohne großen
Nutzen die Heilige Schrift lesen. Zum 1. Buch Mose 1,2: Und die Erde war wüst und leer,
und es war finster auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.
Betrachtung: Wie hat doch der wunderbare Gott von Anfang so gar einerlei Wege gehalten,
daß er seine Herrlichkeit darinnen am meisten beweiset, daß er aus nichts etwas, aus dem
Wüsten und Ungestalteten etwas Schönes und Whlgestaltetes, aus dem Elenden etwas
Großes und Erhabenes macht. So mußte es zum Preise seines heiligen Namens gereichen,
daß die Erde wüst und leer war, ehe sie von ihm gebildet, schön und fruchtbar gamacht
worden. Gebet: Ach, lieber Vater, ich nehme mir dieses zu einem Trost, wenn ich mein
Elend und verderbtes Wesen ansehe. Laß mich nur mein eigenes natürliches Verderben
recht erkennen. Ich weiß, du wirst dich dann auch über mich erbarmen und Christum
lassen eine Gestalt in mir gewinnen, daß ich wohlgestaltet vor deinem angesicht erscheine.
Die Bußtränen will ich gerne über meine Sünden vergießen. Laß du nur deinen Geist auch
auf solchem Wasser schweben. Bei solcher Betrachtung muß nun die Prüfung unserer
selbst nie unterlassen werden, damit wir aus dem göttlichen Wort das Verderben unsers
Herzens recht erkennen lernen und unser ganzes Herz nach dem Vorbilde der heilsamen
Lehre geartet werde.

6. Wie nun die Lesung der Heiligen Schrift mit dem Gebet muß angefangen und in
stetigem Gebet verrichtet werden, also muß man auch damit beschließen. So mag man
denn, wenn man aufgehört hat zu lesen, auf diese oder dergleichen Art Gott anreden: O du
getreuer, himmlischer Vater! Lob, Ehre, Preis und Dank sei dir demütiglich gesagt für
diese große Gnade, daß du mich mti dem edlen Manna deines göttlichen Worts an meiner
Seele gelabet, gestärket und erquicket hast. Schreibe es nun alles, was ich gelesen, mit dem
göttlichen Finger deines Heiligen Geistes in mein Herz, und versiegele es mit demselbigen,
damit es der Satan nicht wiederum von meinem Herzen raube, sondern daß ich solches in
einem feinen und guten Herzen und mich dessen dort ewiglich vor deinem Angesicht
erfreue. Amen. Auch kann man sich gewöhnen, dasjenige, was man gelesen, zum Beschluß
in ein Gebet zu fassen, und es also Gott dem Herrn vorzutragen.

7. Gott, der getreu ist, wird dann einem solchen andächtigen Bibelleser es nicht fehlen

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lassen am innerlichen Kreuz und Leiden und allerlei Anfechtungen, welches ein teures
Pfand seiner Liebe sind, dadurch wir seinem eingebornen Sohne allhier ähnlicher werden.
Und dieses, nämlich das liebe Kreuz, ist nun ein recht kräftiges Mittel, die Heilige Schrift
zu verstehen, ja vielmehr zu schmecken und zu empfinden. Das Gebet, die Betrachtung
und die Anfechtung sind die drei Stücke, welche einen rechten gottesgelehrten Mann
machen. Sobald dir etwas Widriges begegnet, es sei innerlich oder äußerlich, so denke, daß
der Präceptor da sei, und wolle dich examinieren, was du aus der Heiligen Schrift gelernt
hast; so siehe dich denn flugs nach einem Sprüchlein um, das sich auf deine Not und
Anliegen schicket. Findest du keins, so nimm, wenn die Gelegenheit da ist, gleich die Bibel
zur Hand und lies einen Psalm oder wozu dich sonst deine Andacht träget, so wirst du bald
finden, womit du dich stärken könnest. Doch sollst du billig allezeit viele gute Sprüchlein
der Heiligen Schrift in Vorrat haben und gleichsam einen Schatz davon sammeln, damit es
dir niemals fehle, wenn du deren eines bedarfst. Findest du dann ein Sprüchlein, so laß nur
deine Gedanken (Gott wird dir dazu Gnade geben) von der äußerlichen Not fahren und
wende sie nur auf solches Sprüchlein und erwäge solches fein andächtiglich in deinem
Herzen. O wie wird dir das eine Quelle lebendigen Wassers sein! Wie wirst du es so viel
tiefer verstehen unter dem Kreuz, als vor dem Kreuz! Endlich wisse, so viel du der Welt
absterben wirst, so viel wirst du in der Heiligen Schrift sehen und erkennen. So viele du
aber nach dem Sinne des Fleisches und der Welt leben wirst, so viel wirst du in der
Heiligen Schrift blind und unverständig sein. Der Gott aber unsers Herrn Jesu Christi, der
Vater der Herrlichkeit, gebe uns den Geist der Wahrheit und Offenbarung zu seiner selbst
Erkenntnis und erleuchtete Augen unsers Verständnisses, daß wir erkennen mögen,
welche da sei die Hoffnung unsers Berufs und welcher sei der Reichtum seines herrlichen
Erbes an seinen Heiligen und welche da sei die überschwengliche Größe seiner Kraft an
uns, die wir glauben nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke, welche er gewirket hat in
Christo, da er ihn von den Toten auferwecket hat und gesetzet zu seiner Rechten im
Himmel, welchem sei Ehre und Preis von nun an bis in Ewigkeit, Amen.

                            Herr, dein Wort, die edle Gabe,
                                Dieses Gold erhalte mir;
                              Denn ich zieh es aller Habe
                            Und dem größten Reichtum für.
                          Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten
                             Worauf soll der Glaube ruhn?
                           Mir ist’s nicht um tausend Welten,
                              Aber um dein Wort zu tun.




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August Hermann Franckes kurzer Unterricht wie man die Heilige Schrift zu seiner wahren Erbauung lesen sollte.

  • 1. GuteBot[aft.$om August Hermann Franckes kurzer Unterricht, wie man die Heilige Schrift zu seiner wahren Erbauung lesen sollte. Wenn ein Einfältiger zu seiner Erbauung in Gott die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments lesen will, so muß er 1. sich mit allem Fleiß davor hüten, daß er nicht etwa einen heimlichen falschen Grund in seinem Herzen habe oder irgend einen unrichtigen Zweck, warum er die Heilige Schrift lese. Denn die Schriftgelehrten und Pharisäer lasen auch die Heilige Schrift, und waren doch dadurch nichts gebessert. Sie meinten das ewige Leben darinnen zu haben; aber zu Christo wollten sie nicht kommen, daß sie das Leben haben möchten (Joh. 5,39.40). Ein falscher Grund aber und unrechter Zweck ist es, wenn man die Heilige Schrift lieset entweder zum bloßen Zeitvertreib und weil hier und da einige Historien darinnen sind, daran sich auch ein natürliches Gemüt einigermaßen ergötzet; oder, wenn man das Lesen der Heiligen Schrift als ein bloß äußerliches Werk treibt, gleichsam voraussetzt, daß man schon gar fest ini seinem Christentum stehe, und als zum Überfluß die Gewohnheit frühe und abends hält, das eine oder andere Kapitel zu lesen, und meinet dann, man habe dadurch dem lieben Gott ein sonderlich gutes Werk dargelegt, wie also viele Menschen sich damit trösten, daß sie fleißig Gottes Wort lesen, deren Sinn und ganzes Leben mit dem Wort Gottes doch im geringsten nicht übereinstimmt; oder, wenn man nur zu dem Ende die Heilige Schrift vor sich nimmt, daß man schriftgelehrt werde, und vieles Wissen erlange, darunter sich denn Eigenliebe, Ehrsucht und allerlei andere pharisäische Laster zu verberngen pflegen. Und dieses ist heutzutage vieler Gelehrten Zweck, welche denn der Schrift Meister sein wollen, und wissen nicht, was sie sagen, oder was sie setzen (1. Tim. 1,7). Ja, auch durchaus ist dieses die verkehrte Art der Menschen, daß sie sich in der Heiligen Schrift mehr auf unnütze Fragen oder hohe Geheimnisse befleißigen, als erst einen rechten Grund in der Buße und im Glauben zu legen. Wo einer nun diese obberührten oder sonst dergleichen falsche Absichten in seinem Herzen hat, warum er die Heilige Schrift lieset, der kann mit aller seiner Schriftgelehrsamkeit in den Abgrund der Hölle verdammet werden, wenn er gleich die ganze Schrift auswendig lernte. So bringe denn ein Einfältiger 2. zur Lesung der Heiligen Schrift ein recht einfältiges Herz , das ist, ein aufrichtiges und ungeheucheltes Verlangen, daß er durch die Heilige Schrift möge unterwiesen werden zu seiner Seligkeit durch den Glauben an Christum Jesum (2. Tim. 3,15), und daß er also glauben und leben möge, wie es ihm in Lesung der Heiligen Schrift von Gott selbst vorgehalten wird. In summa: Wenn du die Heilige Schrift zu lesen vornimmst, muß allein dein aufrichtiger Zweck sein, daß du ein gläubiger und frommer Christ werden mögest, nicht nach dem Schein, sondern in der wahren Kraft, daß du dich versichern könnest, du gefallest Gott wohl, und werdest dort seiner mit ewiger Freude genießen. 1
  • 2. GuteBot[aft.$om 3. Da muß nun das Gebet das erste sein, und ein Einfältiger auf diese oder dergleichen Art und Weise, ehe er in der Bibel lieset, Gott anreden, nicht mit dem Munde allein, sondern mit recht andächtigem Herzen: O du ewiger und lebendiger, wie können wir dir genugsam danken, daß du uns deinen heiligen Willen in deinem Wort so gnädig geoffenbaret hast, daß wir daraus lernen können, wie wir gläubig, fromm und selig werden sollen. So gib mir nun deinen Heiligen Geist, daß er mir meine Augen öffne, zu sehen die Wunder an deinem Gesetz; daß er durch dein Wort den Glauben in meinem Herzen wirke und vermehre, und meinen Willen kräftiglich lenke, daß ich mich freue über deine Zeugnisse und von Herzen an dich glaube und dein Wort halte. 4. Billig ist es auch, daß das Lesen der Heiligen Schrift mit lauter Gebet und Seufzen, wie auch mit Lob und Dank Gottes verrichtet werde. Denn dieses ist die einfältige Art, daß man allezeit seine gute Erbauung dabei habe. Zum Beispiel 1. Mose 1,1: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. O du ewiger Gott, ich danke dir, daß du mich durch dein Wort lehrest, woher Himmel und Erde ihren Ursprung haben. Oder: Ach, lieber Vater im Himmel, wenn ich meine Augen aufrichte zu dem Himmel und niedersehe zu der Erde, so führe doch mir dieses dein göttlich Wort zu Gemüte, daß ich dich als den Schöpfer Himmels und der Erden ehren und anbeten soll. Oder: Ach lieber Gott, hast du Himmel und Erde erschaffen, so bist du ja besser und herrlicher als Himmel und Erde. Darum, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Oder: Gott, du bist ja wohl der Vater über alles, was da Kinder heißet im Himmel und auf Erden, der du Himmel und Erde erschaffen hast. Ach lehre mich doch allezeit recht bedenken, was mein sterblicher Leib, das Stücklein Erde, für einen großen Baumeister und Schöpfer habe. Oder: Ach, lieber Vater in dem Himmel, wie kann ich doch nun ferner sorgen um meine leibliche Erhaltung, weil ich dich zum Vater anrufe, der du Himmel und Erde erschaffen hast, usw. Also mag man bei einem jeglichen Vers in der Bibel stille stehen und, wie Luther redet, gleichsam an ein jegliches Sträuchlein klopfen, ob auch einige Beerlein herunterfallen wollen. Dünket’s einen im Anfang etwas schwer zu sein, und will nicht sogleich das Gebet fließen, so mag man wohl weitergehen und es gleichsam an einem andern Sträuchlein versuchen. Wenn die Seele nur fein hungig ist, so wird sie der Geist Gottes nicht ungesättigt lassen, ja es wird sich endlich finden, daß der Mensch an einem einigen kleinen Verslein so viel lebendiger Früchte ersehen wird, daß er sich auch bei demselbigen wird aufhalten und niederlassen als bei einem mit Früchten ganz beladenenen Bäumlein. Wer aber im Anfang davor erschrickt und denket, es sei ihm gar zu schwer, er könne die Heilige Schrift nicht also lesen, der ist selbst schuld daran, daß er in seinem ganzen Leben keine rechte Lust und Freude an der Heiligen Schrift gewinnt. 5. Dem Gebet muß die Betrachtung die hand bieten, daß man bei einem jeglichen ein wenig stille stehe und alles fein in seinem Herz erwäge. Gar fein spricht Luther über das Evangelium am Christtage in seiner Kirchenpostille f. 56 b: Das Evangelium ist so klar, daß es nicht viel Auslegens bedarf, sondern es will nur wohl betrachtet, angesehen und tief zu Herzen genommen sein. Und wird niemand mehr Nutz davon bringen, denn die ihr Herz stillehalten, alle Dinge ausschlagen und mit Fleiß drein sehen, gleichwie die Sonne in einem stillen Wasser gar eben sich sehen lässet und kräftig wärmet, die im rauschenden und laufenden Wasser nicht also gesehen werden mag, auch nicht also wärmen kann. Darum, willst du allhier auch erleuchtet werden, göttliche Gnade und Wunder sehen, daß dein Herz entbrannt, erleuchtet, andächtig und fröhlich werde, so gehe hin, da du stille seiest und das Bild tief ins Herz fassest, da wirst du finden Wunder über Wunder. Dieses ist nun bei der ganzen Heiligen Schrift und deren Lesung in acht zu nehmen. Wo man über 2
  • 3. GuteBot[aft.$om ein Kapitel hinrauschet, danach die Bibel zuschlägt und, was man gelesen hat, bald aus den Gedanken fahren lässet, so ist es kein Wunder, daß man die Bibel wohl oft durchlese un ddoch nicht frömmer und andächtiger danach werde. Das Gebet und die Betrachtung müssen einander stets die Hand bieten. Wenn es mit der Betrachtung nicht fort will, somußt du beten; und wenn das Gebet nicht fließen will, so mußt du die Worte ein wenig betrachten. Aus dem Gebet wird die Betrachtung entspringenund vermehret werden; und durch die Betrachtung wirst du zum Gebet erwecket werden. Kein Mensch, spricht Bernhardus, kommt plötzlich oben an. Durch Aufsteigen und nicht durch Fliegen erreicht man die obersten Sprossen der Leiter. Darum lasset uns hinaufsteigen, als wie mit zweien Flüßen, nämlich durch die Betrachtung und durch das Gebet. Denn die Betrachtung lehrt und zeigt uns, was uns mangelt; das Gebet aber erhält und erlangt uns bei Gott dem Herrn so viel, daß uns nichts mangele oder fehle. Die Betrachtung zeigt uns den rechten Weg, das Gebet aber führt uns denselbigen Weg. Und an einem anderen Orte spricht er: Durchs Gebet wird die Betrachtung erleuchtet und in der Betrachtung wird das Gebet inbrünstig. Es ist ein süßes liebliches Gespräch, und eine selige Unterredung, wo nämlich das Gebet und die Betrachtung zusammenkommen, also daß eines das andere regiert. Und abermals: Das Gebet ohne Betrachtung ist ein kalt und faul Ding. Die Betrachtung ohne das Gebet ist unfruchtbar und durchaus nichts nütze. Wer diese Erinnerung des frommen Bernhardus in Lesung der Heiligen Schrift wohl in acht zu nehmen weiß, der wird niemals ohne großen Nutzen die Heilige Schrift lesen. Zum 1. Buch Mose 1,2: Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Betrachtung: Wie hat doch der wunderbare Gott von Anfang so gar einerlei Wege gehalten, daß er seine Herrlichkeit darinnen am meisten beweiset, daß er aus nichts etwas, aus dem Wüsten und Ungestalteten etwas Schönes und Whlgestaltetes, aus dem Elenden etwas Großes und Erhabenes macht. So mußte es zum Preise seines heiligen Namens gereichen, daß die Erde wüst und leer war, ehe sie von ihm gebildet, schön und fruchtbar gamacht worden. Gebet: Ach, lieber Vater, ich nehme mir dieses zu einem Trost, wenn ich mein Elend und verderbtes Wesen ansehe. Laß mich nur mein eigenes natürliches Verderben recht erkennen. Ich weiß, du wirst dich dann auch über mich erbarmen und Christum lassen eine Gestalt in mir gewinnen, daß ich wohlgestaltet vor deinem angesicht erscheine. Die Bußtränen will ich gerne über meine Sünden vergießen. Laß du nur deinen Geist auch auf solchem Wasser schweben. Bei solcher Betrachtung muß nun die Prüfung unserer selbst nie unterlassen werden, damit wir aus dem göttlichen Wort das Verderben unsers Herzens recht erkennen lernen und unser ganzes Herz nach dem Vorbilde der heilsamen Lehre geartet werde. 6. Wie nun die Lesung der Heiligen Schrift mit dem Gebet muß angefangen und in stetigem Gebet verrichtet werden, also muß man auch damit beschließen. So mag man denn, wenn man aufgehört hat zu lesen, auf diese oder dergleichen Art Gott anreden: O du getreuer, himmlischer Vater! Lob, Ehre, Preis und Dank sei dir demütiglich gesagt für diese große Gnade, daß du mich mti dem edlen Manna deines göttlichen Worts an meiner Seele gelabet, gestärket und erquicket hast. Schreibe es nun alles, was ich gelesen, mit dem göttlichen Finger deines Heiligen Geistes in mein Herz, und versiegele es mit demselbigen, damit es der Satan nicht wiederum von meinem Herzen raube, sondern daß ich solches in einem feinen und guten Herzen und mich dessen dort ewiglich vor deinem Angesicht erfreue. Amen. Auch kann man sich gewöhnen, dasjenige, was man gelesen, zum Beschluß in ein Gebet zu fassen, und es also Gott dem Herrn vorzutragen. 7. Gott, der getreu ist, wird dann einem solchen andächtigen Bibelleser es nicht fehlen 3
  • 4. GuteBot[aft.$om lassen am innerlichen Kreuz und Leiden und allerlei Anfechtungen, welches ein teures Pfand seiner Liebe sind, dadurch wir seinem eingebornen Sohne allhier ähnlicher werden. Und dieses, nämlich das liebe Kreuz, ist nun ein recht kräftiges Mittel, die Heilige Schrift zu verstehen, ja vielmehr zu schmecken und zu empfinden. Das Gebet, die Betrachtung und die Anfechtung sind die drei Stücke, welche einen rechten gottesgelehrten Mann machen. Sobald dir etwas Widriges begegnet, es sei innerlich oder äußerlich, so denke, daß der Präceptor da sei, und wolle dich examinieren, was du aus der Heiligen Schrift gelernt hast; so siehe dich denn flugs nach einem Sprüchlein um, das sich auf deine Not und Anliegen schicket. Findest du keins, so nimm, wenn die Gelegenheit da ist, gleich die Bibel zur Hand und lies einen Psalm oder wozu dich sonst deine Andacht träget, so wirst du bald finden, womit du dich stärken könnest. Doch sollst du billig allezeit viele gute Sprüchlein der Heiligen Schrift in Vorrat haben und gleichsam einen Schatz davon sammeln, damit es dir niemals fehle, wenn du deren eines bedarfst. Findest du dann ein Sprüchlein, so laß nur deine Gedanken (Gott wird dir dazu Gnade geben) von der äußerlichen Not fahren und wende sie nur auf solches Sprüchlein und erwäge solches fein andächtiglich in deinem Herzen. O wie wird dir das eine Quelle lebendigen Wassers sein! Wie wirst du es so viel tiefer verstehen unter dem Kreuz, als vor dem Kreuz! Endlich wisse, so viel du der Welt absterben wirst, so viel wirst du in der Heiligen Schrift sehen und erkennen. So viele du aber nach dem Sinne des Fleisches und der Welt leben wirst, so viel wirst du in der Heiligen Schrift blind und unverständig sein. Der Gott aber unsers Herrn Jesu Christi, der Vater der Herrlichkeit, gebe uns den Geist der Wahrheit und Offenbarung zu seiner selbst Erkenntnis und erleuchtete Augen unsers Verständnisses, daß wir erkennen mögen, welche da sei die Hoffnung unsers Berufs und welcher sei der Reichtum seines herrlichen Erbes an seinen Heiligen und welche da sei die überschwengliche Größe seiner Kraft an uns, die wir glauben nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke, welche er gewirket hat in Christo, da er ihn von den Toten auferwecket hat und gesetzet zu seiner Rechten im Himmel, welchem sei Ehre und Preis von nun an bis in Ewigkeit, Amen. Herr, dein Wort, die edle Gabe, Dieses Gold erhalte mir; Denn ich zieh es aller Habe Und dem größten Reichtum für. Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten Worauf soll der Glaube ruhn? Mir ist’s nicht um tausend Welten, Aber um dein Wort zu tun. 4