Kurze Einführung zu Transmedia / Pervasive Games / Alternate Reality Games und zwei Fallbeispiele (I love Bees, The Final Mill).
Folien zur Veranstaltung "Jahresthema" im Studiengang Intermedia Design der FH Trier.
Hypermedia: Einführung in das Lehrgebiet (1. Sitzung)
Transmedia Storytelling in Pervasive Games / Alternate Reality Games
1. Transmedia Storytelling
am Beispiel von Pervasive Games / ARGs
Marcus Haberkorn | IntermediaMarcus Haberkorn
Design | 2011
Seminar | Jahresthema: Drittmittelprojekt 'Pervasives Lernspiel' | für drittes Semester
4. Definition
Transmedia Storytelling represents a process by which
narrative information is systematically dispersed across
multiple media channels for the purposes of creating a
unified and coordinated entertainment experience.
Ideally each medium makes its own unique contribution
to the unfolding of the story.
Henry Jenkins
Convergence Culture: Where Old and New Media Collide
Marcus Haberkorn 4
5. Pervasive Games im (pop-) kulturellen Kontext
A) Blair Witch
Project
B) Graffiti &
Street Art
C) Dance Dance
Revolution
D) Zombie Walks
E) kompetitives
Skateboarding
F) Big Brother
Stenros / Montola / Mäyra „Future Play“ 2007
Marcus Haberkorn 7
6. Vergleich
KLASSISCHES VIDEOSPIEL PERVASIVES SPIEL
Spielort Computer, Konsole … unbeschränkt,
Position hat häufig Spielfunktion
Spielwelt virtuell Spielwelt real / mixed
häufig alleine gespielt meist kooperativ
Interaktion via Computer Interaktion auch real / natürlich
ein Medium häufig multiple Medien
Marcus Haberkorn 8
7. Johan Huizinga: Homo Ludens (1938)
Homo ludens (1938)
Der Mensch entwickelt seine
Fähigkeiten über das Spiel,
entdeckt seine Eigenschaften.
Spiel setzt Kreativität, Energie
und Kraft frei.
Kulturelle Systeme wie
Religion, Politik, Wissenschaft
und Rechte haben sich aus
spielerischen Verhaltensweisen
entwickelt und über Riten
institutionell verfestigt.
Marcus Haberkorn
8. Spieldefinition Huizinga
Teilnahme am Spiel ist freiwillig
Spiel wird von Spielern erschaffen und in Gang gehalten
Spiel ist getrennt vom gewöhnlichen Leben / Alltag
Spielaktivitäten in eigener Welt (“der magische Kreis”)
Spiele nur von interner Spielelogik und -regeln bestimmt
Marcus Haberkorn
9. Expansion: PerGs brechen Magic Circle auf
Räumliche Expansion
in den öffentlichen und den virtuellen Raum;
dient Entdeckungen und Wahrnehmungs-
veränderungen
Zeitliche Expansion
Dichotomie von Spielzeit und Nicht-Spielzeit
aufgelöst; Dramaturgie der Spielintensität
Soziale Expansion
neben Spielern auch zufällige Außenstehende als
Teilnehmende; ethische Fragestellungen
Marcus Haberkorn 11
10. Eine Gattung, acht Genres
- Schatzsuchen (auch Geocaching)
- Pervasive Live Action Role Playing Games
- Alternate Reality Games
- Smart Street Sports
- spielerische, öffentliche Performances
- Urban Adventure Games
- Reality Games
- Assassination-Games
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11. Alternate Reality Games (ARGs)
erstes Spielgenre, das sich ausschließlich aus dem
WWW heraus entwickelt hat
junges Genre: erstes großes ARG „The Beast“ 2001
fluides Genre: Charakteristika & Grenzen variabel
Marcus Haberkorn 13
12. Alternate Reality Games (ARGs)
Web dient ARGs als bequemes, billiges
Massenkommunikations- und Kooperationsmittel statt
als 'Zwangsjacke‘ für eine eng definiertes Spielerlebnis
(Martin & Chatfield 2007)
Marcus Haberkorn 14
13. Alternate Reality Games (ARGs)
ARGs erzählen Geschichten mittels narrativer Elemente,
die über verschiedene Plattformen verstreut werden.
Diese Spielvariablen werden solange vor den Spielern
verborgen, bis geeignete Zeitpunkte erreicht sind, die
von den Gamedesignern festgelegt werden.
Marcus Haberkorn 15
14. Alternate Reality Games (ARGs)
Spieler reagieren i.d.R. auf diese narrativen Hinweise,
die über zahlreiche Medienplattformen verteilt werden.
Das Game Play beinhaltet die Kooperation der Spieler
via Email, Telefon/SMS, Echtzeit- und interaktion sowie
extensive Nutzung alltäglicher online Werkzeuge
(Foren, Wikis, Videosites etc.).
Marcus Haberkorn 16
15. Kommerzielle ARGs
ARGs dienen primär dem
Marketing oder der Bildung,
als Spiel für sich kommen
kommerzielle ARGs selten vor:
Dann primär non-kommerzielle
Grassroots-ARGs
(z.B. Metacortex 2003)
Ausnahme: Majestic
(Electronic Arts 2001)
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16. Marketing ARGs und Serious ARGs
Werbung für Produkte in anderen Medien:
Filme, TV-Serien, Bücher, Musik, Computerspiele …
> Erweiterung der Narration / World Building
In Unternehmen: Recruiting / Human Resources
als alternatives Assessment Center, Weiterbildung …
Marcus Haberkorn 18
17. Serious ARGs in der Bildung
an und von (Hoch-) Schulen, z.B.
Vanished, Skeleton Chase, Black Cloud weitere Beispiele
als Format zur Auseinandersetzung mit
gesellschaftlichen Herausforderungen, z.B.
Evoke, World without Oil, Superstruct,
Traces of Hope, Routes u.a
EU-Projekt: "ARGuing for Multilingual
Motivation in Web 2.0: The Tower of Babel"
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18. Alternate Reality Games (ARGs)
Drei Hauptbestandteile:
Aufgaben, Puzzles
transmediale Narration
kollaborative Community
Marcus Haberkorn 20
19. Alternate Reality Games: Narration
plattformungebundene, transmediale Narration
- Websites: Blogs, Foren, Wikis etc.
- Email, Telefon, SMS …
- Live-Events
Situierung in alltäglichen medialen Kontexten
"This is not a Game": Vermischung von In-Game und
Out-of-Game-Inhalten (z.B. in Recherche)
Marcus Haberkorn 21
20. Alternate Reality Games: Puzzles & Aufgaben
Gesamtheit nur von "kollektiver Intelligenz" lösbar
- Recherche
- Kommunikation
- Kollaboration
häufig Echtzeitkomponenten (Deadlines etc.)
Live-Events
Marcus Haberkorn 22
21. Alternate Reality Games: Community
"real play statt role play"
- man spielt als man selbst
- im Spiel zählen die eigenen Fähigkeiten
verschiedene Ebenen der Teilnahme möglich
- passiv verfolgen, casual gaming
- Aufgaben lösen
- Communityinteraktion …
Marcus Haberkorn 23
22. Alternate Reality Games: Community
Durchbrechen der “vierten Wand“
- (Live-) Interaktion mit Game-Charakteren
(Schauspieler, etc.)
- Spielleiter reagieren flexibel auf Spielerhandlungen
- chaotic fiction / collaborative storytelling
Marcus Haberkorn 24
23. Ausprobieren!
Eine kurze Demo der Genreprinzipien der Agentur
No Mimes Media:
www.nomimes.com > Mime Academy
Marcus Haberkorn 25
25. Fallstudie 'I love Bees'
Zentrale Quellen:
Szulborski, Dave (2005): This is not a Game
McGonigal, Jane (2007): Why I Love Bees: A Case Study in Collective Intelligence Gaming
Marcus Haberkorn
26. I love Bees: Spieltyp
kommerzielles Marketing-ARG im Auftrag von Microsoft
beworbenes Produkt: Halo 2
Durchführung: 42 Entertainment
Laufzeit: 100 Tage
Marcus Haberkorn 28
27. I love Bees: Resonanz, Erfolg
über 2.000.000 Teilnehmer
600.000 aktive Online Spieler
10-20.000 Teilnehmer an Live Events
primär: High School & College Students
Marcus Haberkorn 29
28. I love Bees: Resonanz, Erfolg
Preise:
2005 - Webby Award:
Best Games-Related Site
2005 - Game Developers
Choice Awards:
Innovation Award
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30. I love Bees: Gameplay & Puzzles
• Rabbithole: Honiggläser mit Buchstaben
• ilovebees.com-URL im Halo2-Trailer
> „gehackte“ Webseite einer Amateur-Imkerin
• verlinkter Blog der Tochter der Imkerin
• GPS-Koordinaten (200 später 1000)
• Countdown
• massenhaft versteckter, codierter Content
Doku-Clip (YouTube)
Marcus Haberkorn 32
35. I love Bees als Gamedesign-Experiment
ILB aus Sicht seiner Designer:
Spiel als digitale Lernumgebung
in der Spieler in einem niedrig-Risiko-Setting
die Schwierigkeiten und die Freude erleben,
Teil eines Massenkooperationsnetzwerks zu sein.
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36. I love Bees als Gamedesign-Experiment
Gameplay:
Drei Stufen der Communityentwicklung
1) Kollektive Erkenntnis
2) Kooperation
3) Koordination
Marcus Haberkorn 38
37. I love Bees: Erkenntnis
Absenz von klaren Regeln:
• Spielern wurde nur der Content präsentiert
• kein Ziel, Instruktionen, Regeln o.a. formelle
Richtlinien wie sonst typisch für Games
Mehrdeutigkeit wurde als Designressource
eingesetzt, um persönliche Auseinandersetzung
mit dem Content zu fördern
Marcus Haberkorn 39
38. I love Bees: Erkenntnis
Thema Intelligenzforschung wurde integriert
z.B. GPS-Koordinaten sind „Axons“
Bienenmetapher > Schwarmintelligenz
> Keiner weiß alles, jeder weiß etwas
> „Dude, that means that WE are the bees!”
Marcus Haberkorn 40
39. I love Bees: Kooperation
Spezialisierung in Gruppen mit verschiedenen
Ansätzen bzgl. der Bedeutung der GPS-Koordinaten
1. Wörtlich: echte Plätze sind gemeint
2. Relativ: echte Plätze, aber Umgebung, Gebäude,
Wifi etc. sind der Schlüssel
3. Numerisch: Koordinaten als Zahlenfolgen mit
versteckter Botschaft
Marcus Haberkorn 41
40. I love Bees: Kooperation
Spieler erarbeiteten und diskutierten Hunderte
von Thesen, testeten sie gemeinsam aus und
verfeinerten sie, z.B.:
- erste Buchstaben der Stadt, ergeben zusammen
Codewort o.ä.
- Zeitversatz könnte Morsecode sein:
3-Minuten-Versatz bedeutet Punkt,
4-Minuten-Versatz bedeutet Strich
Marcus Haberkorn 42
41. I love Bees: Kooperation
Lösung: Koordinaten
veweisen auf 200-1000
öffentl. Telefonzellen.
Zu Ablauf des Countdown
klingeln diese. Für jeden
beantworteten Anruf wird
eine Dateifreigegeben:
Audiofragmente eines
Hörspiels
Marcus Haberkorn 43
42. I love Bees: Koordination
Interaktivität in digitalen Spielen:
in Algorithmen überführte Regeln arbeiten
"hinter dem Vorhang"
Unterschied zu ILB:
zum Launch war nur 60% des Contents fertig
ein weiterer Teil vorbereitet, ein anderer noch offen
> Beobachtung der Spieleraktivitäten &
flexible Reaktion darauf
Marcus Haberkorn 44
43. I love Bees: Koordination
• Programmcode, z.B. !probe extern proc 1
• Spieler interpretierten Code und erstellten Wiki-Guide
für Programmiersprache Flea++
• Game Designer entwarf neuen Content auf Basis der
Arbeit der Spieler :
“to be perfectly honest, after a while, i started to use
the syntax cheat sheet from the [players-created]
wiki”
Marcus Haberkorn 45
44. I love Bees: Koordination
Verschärfung der Telefonevents
- nur kurz vorher angekündigt
- Antwort eines Spielers
musste im Abstand von
30 Sekunden Spieler an
beliebigem anderen von
1000 Telefonen vorliegen
Marcus Haberkorn 46
45. I love Bees: Game Design
1) massenhafter, verteilter Content
2) sinnvolle Mehrdeutigkeit
3) Echtzeit-Reaktion
"The game isn't the art, or the puzzles, or the
story. They are designed to precipitate, to
catalyze the actual work of art. Which is you."
(Sean Stewart)
Marcus Haberkorn 47
46. I love Bees: Spielerfazit
"It is really important to me that you, and other
people, understand the differences that alternate
reality gaming has made in our way of thinking. It has
powerfully affected our attitudes about what is
possible. The game for me has been about gathering a
first hand knowledge of how a large community can
function, including the role of technology. I know that
large scale communities can work and be
extraordinarily effective. I am not afraid of the
complexities."
Marcus Haberkorn 48
47. Fallstudie 'The Final Mill'
Zentrale Quellen:
Interview mit Game Designer Patrick Möller
Doku-Wiki http://www.argwiki.de/
Marcus Haberkorn
48. ARG-Beispiel: The Final Mill
ARG als Marketingaktion für MS Visual Studio 2008
im Auftrag von Microsoft
Spielort Deutschland
Ortstermine in Berlin & München
Zielgruppe Informatiker bzw. Personen mit VS-Kenntnis
Laufzeit: Februar 2008
Doku-Wiki
Marcus Haberkorn 51
51. Rabbithole 2: Anonyme Päckchen
diverse Blogger sowie im
Vorfeld recherchierte
Informatiker erhalten per Post
anonyme Päckchen mit
Lochkarten & Textkarte
„To execute these commands
you’ll have to find the properly
gifted fellows.“
> initiiert Kommunikation
URL führt zur Webseite einer
Softwarefirma Final Mill Inc.
Marcus Haberkorn 54
52. Hinweise in Quellcodes
nur zur Veranschaulichung
nicht aus „Final Mill“
Marcus Haberkorn 55
53. Spielmechaniken
- im Webseiten-Quellcode versteckte Hinweise
z.B. Anmeldung zu Experten-Audit der V.V. Foundation
Aufgaben: MS Visual Studio, Dechiffrierungen
- diverse Programmieraufgaben im Spielverlauf
Marcus Haberkorn 56
54. Spielmechaniken
- Kommunikation mit NPCs: E-Mail, Foren, Blogs,
Twitternachrichten, YouTube-Clips, LiveChat …
- Live-Events / Treffen mit NPCs
- Beispiel für inszenierte Realität durch Details:
bei Audit gereichtes Getränk einer fiktiven Marke,
Homepage liefert wiederum Clues
Marcus Haberkorn 57
60. Lerneffekte
Final Mill zwar kein explizites Lernspiel,
dennoch Elemente:
IT-Historie (Ada Lovelace, Lochkarten …)
Audit/Assessment
MS Visual Studio
Dechiffrierung
… weitere Programmieraufgaben
MS suchte Programmierer die
kreative Problemlösungen finden können und
webbasierte Kooperation & Kollaboration nutzen
Marcus Haberkorn 63