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„Führung in Unternehmungen –
           eine Darstellung“


                 Bachelor – Thesis
   in der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften
        an der Universität Witten/Herdecke
                   vorgelegt von
     Janis Zech (janis.zech@googlemail.com)




     Betreut durch Prof. Dr. Arist von Schlippe,
 Inhaber des „Lehrstuhls für Führung und Dynamik“




              Witten, den 21.07.2008




                         1
Inhaltsverzeichnis
1    Der Abstrakt............................................................................................................ 4
2    Das Modell.............................................................................................................. 5
    2.1 Die Elemente.................................................................................................... 6
    2.2 Die Dimensionen.............................................................................................. 7
    2.3 Die Reflektion .................................................................................................. 9
3    Die Analyse der Führungstheorien......................................................................... 12
    3.1 Der Eigenschaftsansatz................................................................................... 12
    3.2 Der Verhaltensansatz...................................................................................... 13
    3.3 Der situative Ansatz ....................................................................................... 15
    3.4 Der transaktionale Ansatz............................................................................... 18
    3.5 Der charismatische und transaktionale Ansatz ................................................ 20
    3.6 Der mikropolitische Ansatz ............................................................................ 23
    3.7 Der symbolische Ansatz ................................................................................. 24
    3.8 Der systemische Ansatz .................................................................................. 26
    3.9 Die Zusammenfassung ................................................................................... 27
4    Die Führung in Unternehmungen .......................................................................... 31
    4.1 Die Methodik ................................................................................................. 31
    4.2 Der Ansatz ..................................................................................................... 39
    4.3 Die Zusammenfassung ................................................................................... 58
5    Das Literaturverzeichnis........................................................................................ 60




                                                              2
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Medium der Führung ............................................................................... 5
Abbildung 2: Zusammenfassung der Führungsanalyse ................................................ 30
Abbildung 3: Das Formkalkül ..................................................................................... 38
Abbildung 4: Form der Führung in Unternehmungen .................................................. 39




                                                         3
1    Der Abstrakt

Die Ausarbeitung untersucht Führung in Unternehmungen und lässt sich in zwei
Abschnitte gliedern:
Im   ersten   Abschnitt     analysieren       wir   die    wissenschaftlichen        Beiträge   der
Führungsforschung seit dem Erscheinen von Bernard’s Ausarbeitung “An introduction
to social psychology” (1926). Wir entwickelt das Modell „Medium der Führung“,
welches den Möglichkeitsraum von Führungselementen markiert und dem Zweck der
anschaulichen Beschreibung wichtiger Führungstheorien dient. Mit Referenz auf das
Modell beobachten und analysieren               wir anschließend Führungstheorien wie
Eigenschaftsansatz,       Verhaltensansatz,          den         situativen,     transaktionalen,
transformationalen, mikropolitischen, symbolischen und abschließend den systemischen
Ansatz. Wir prüfen, welche Elemente (Führer, Geführte, Kommunikation, Interaktion,
Wahrnehmung      etc.)    und      Dimensionen      (sachlich,     zeitlich    und    sozial)   die
unterschiedlichen Ansätze bestimmen, welche sie ausblenden und was dadurch jeweils
verloren geht. Die Analyse endet mit einer Vernetzung der Ergebnisse, welche als
Grundlage für die anschließend vorgestellte Form von Führung in Unternehmen dient.
Ergebnisse    dieser     Analyse     bilden     Muster     wie      die   Differenzierung       des
Untersuchungsgegenstandes, der Anschluss an bestehende Untersuchungen, die
Ausdifferenzierung von bestehenden Theorien und die Anwendung von fachfremden
Theorien auf den Untersuchungsgegenstand der Führung.
Der zweite Abschnitt entspricht einer eigenen Darstellung von Führung in
Unternehmungen. Unser Ansatz basiert auf einem interdisziplinären Theoriekonzept
und bezieht herkömmlichen Führungstheorien als auch Systemtheorie, Formtheorie und
Netzwerktheorie mit in die Darstellung ein. Wir nehmen an, dass es sich bei Führung in
Unternehmungen um ein soziales System handelt, welches die System/ Umwelt
Differenz durch ihre Selbstbezüglichkeit reproduziert. Die Kommunikation um die
Macht der Entscheidung bildet hierbei die Ausgangsunterscheidung und wird durch die
Kontexte Netzwerke, Organisation der Unternehmung, Wirtschaft, Gesellschaft und
Individuen bestimmt. Neben der Selbstbezüglichkeit unterstellen wir dem System die
Fähigkeit zur Selbstbeobachtung. Im Prozess der Reflektion werden die obigen
Unterscheidungen reflektiert und Aspekte wie Ungewissheit, Konflikte, Markt,
Unternehmenskultur und Rollen treten hervor.


                                                4
2    Das Modell

Das Modell „Medium der Führung“ (siehe Abb. 1) versucht das multidimensionale
Geschehen von Führung weitgehend vollständig abzubilden. Wir unterscheiden hierbei
zwei Bereich, die Modellelemente und die Modelldimensionen, auf welche wir im
Folgenden näher
eingehen.


Abbildung 1: Medium der Führung




Quelle: Janis Zech, 2008




                                        5
2.1      Die Elemente

Das Modell stellt die wichtigsten Elemente von Führung in Form von Variablen dar.
Diese beziehen sich auf die jeweiligen Untersuchungsgegenstände der Führungstheorien
und deren repräsentieren die im Laufe der Zeit ausgearbeiteten Unterscheidungen. Die
methodische Vorgehensweise zum Auffinden der Modellelemente entspricht einem
dreigliedrigen Prozess. Der erste Schritt zielt auf das Auffinden des Möglichkeitsraumes
für die Modellvariablen, oder wie wir sagen, das Auffinden des Mediums von Führung.
Zu diesem Zweck führen wir eine umfassende Literaturrecherche des Forschungsfeldes
Führung durch, wobei wir sowohl die nachfolgend beschriebenen, als auch weitere
Führungstheorien analysieren. Wir beobachten Führungstheorien im Hinblick auf ihren
Untersuchungsschwerpunkt, markieren die analysierten Elemente und leiten daraus den
Möglichkeitsraum der Führungsforschung seit dem Jahr 19261 ab. Der zweite Schritt
entspricht der Eliminierung von Doppelnennungen der Elemente und deren qualitative
Ordnung. Anschließend erhöhen wir den Abstraktheitsgrad der Begriffe, was die Anzahl
der Modellvariablen reduziert und Übersichtlichkeitsgewinne mit sich bringt. Neben
diesem        dreigliedrigen     Prozess       führen   wir     während      des    Schreibprozesses
Reflektionsschleifen         durch,    welche weitere Spannungen              zwischen      Elementen
aufdecken, um anschließend die Modellvariablen zu adjustieren.
Wir fragen, worauf der jeweilige Erklärungsansatz von Führung schaut, wobei die
Modellvariablen den Möglichkeitsraum der Führungsforschung markieren.2 Die Ein-
bzw. Ausgrenzung der Elemente innerhalb unterschiedlicher Theorien und die
Zeitlichkeit schafft Variabilität der Elemente und somit bezeichnen wir die Elemente
auch als Variablen, welche durch den Beschreibungsprozess der Führungstheorien
bestimmte Formen annehmen – die Betrachtung der Führungstheorien wandelt die
Variabilität in bestimmte Elemente. Wir gehen folglich davon aus, dass jeder
Beschreibungsansatz eine Selektion der Elemente aus dem „Medium der Führung“
vornimmt, sich somit auf bestimmte Elemente beschränkt, diese wiederum bestimmt um
dadurch Erkenntnisgewinne zu erzielen (Heider, 1926; Baecker, 2005: 175 ff.). Diese
Form         der     Selektion        macht     Systematisierungsversuche          notwendig,          um


1
    Das Jahr 1926 kennzeichnet die Erscheinung von Bernard’s “An introduction to social psychology”.
2
    wobei wir uns bewusst sind, dass es sich bei Modellen um eine vereinfachte Abbildung der Realität
handelt, also um Komplexitätsreduktionen, was wiederum einige wichtige Elemente für Führung
ausgrenzt (vgl. Abschnitt „Die Reflektion“).
                                                    6
Erkenntnisgewinne der unterschiedlichen Ansätze zu strukturieren und zu konservieren.
Gleichzeitig bedeutet jede Einschränkung auch Ausschränkung. Wir untersuchen die
unterschiedlichen Beobachtungsperspektiven der Führungstheorien, beobachten folglich
auf der Ebene zweiter Ordnung, was es uns ermöglicht, mit Referenz auf das Modell zu
sehen, was der jeweilige Ansatz ausgrenzt.3
Im Hinblick auf die Führungselemente markiert die Literatur die Unterscheidung von
Führer und Geführten, deren Eigenschaften, Fähigkeiten, Wertevorstellungen,
Rollenverständnisse, Interessen und Erwartungen sowie gegenseitige Referenzen in
Form von Verhalten (Interaktion), Kommunikation und Wahrnehmung. Diese Elemente
werden         von      Kontextfaktoren         wie       beispielsweise       Führungssituationen,
Unternehmensarchitektur, -größe, -kultur, der Wirtschaft etc. gerahmt.
Die Literaturrecherche beschränkt sich auf die wichtigsten Ansätze, welche den
Möglichkeitsraum          der   Führungsvariablem        komplett      abbilden.4    Im    Folgenden
analysieren wir die Führungstheorie im Hinblick auf die Selektion und Bestimmung der
Modellvariablen, wie diese in Relation zum Untersuchungszweck stehen und welche
Spannungen in dieser Relation enthalten sind. Dabei wird gleichzeitig deutlich, welche
Führungselemente von dem jeweiligen Erklärungsansatz ausgeblendet werden und
welche Konsequenzen dies im Hinblick auf die von dem Erklärungsansatz bearbeitete
Frage haben kann.


2.2      Die Dimensionen

Wir beziehen uns bei Sach-, Zeit- und sozialen Dimension auf das Konzept Luhmanns,
welcher diese drei Dimensionen als Dekomposition einer weiteren Dimension, der
Sinndimension, beschrieben hat (1984). Dabei besitzen die Dimensionen eine
gemeinsame Eigenschaft, sie entsprechen einer Unterscheidung oder anders
ausgedrückt, einer Form mit zwei Seiten (Spencer Brown, 1969: 1). Dadurch wird die
Sinndimension in zu beobachtbare Differenzen, nämlich in Bezug auf Sach-, Zeit- und
Sozialdimension, dekompositioniert (Luhmann, 1984: 112 ff.), was erst ein Umgehen
mit Ihr möglich macht.




3
    Dies gilt ebenfalls für den eigens entwickelten Ansatz, welcher sich von diesem Dilemma nicht lösen
kann
4
    Hierbei handelt es sich um die Selektion der wichtigsten Leadership-Ansätze seit 1926, wobei wir uns
des Ausschlusses möglicherweise wichtiger Betrachtungsperspektiven von Führung bewusst sind.
                                                    7
Wozu dient die Referenz auf Sach-, Zeit- und Sozialdimensionen im Kontext unserer
Analyse? Dieses Konzept ermöglicht es, die von den Theorieansätzen getroffene
Selektionen der Elemente im Hinblick auf deren Dimensionen zu untersuchen und dabei
wiederum Ein- und Ausschluss, in diesem Fall der Dimensionen, zu verdeutlichen.
Gleichzeitig erhöht es den Grad der Abstraktion des Modells, wodurch wir zusätzliche
Flexibilität für unsere Untersuchung gewinnen.

2.2.1 Die Sachdimension
Die Sachdimension entspricht dem Treffen einer Unterscheidung, um Themen
„sinnhafter Kommunikation in sozialen Systemen“ (Luhmann, 1987: 114) wie dem
Führungssystem zu beschreiben. Nach Spencer Brown bilden Unterscheidungen zwei
Horizonte, die Innen- und die Außenseite der Unterscheidung, wobei die Innenseite
markiert oder, anders ausgedrückt, bestimmt wird und die Außenseite als Unbestimmt
mitschwingt. Dies bezeichnet Spencer Brown als Form (1969: 1)5. Wir haben es also bei
der Sachdimensionen mit Formen zu tun, welche durch Elemente des Führungsmediums
von Teilnehmern selektiert werden und somit für kommunikative Anschlussoperationen
sorgen – oder eben auch nicht (Luhmann, 1987: 114). Im Kontext unserer Analyse
schauen wir auf die von der jeweiligen Theorie in der Sachdimension getroffene
Unterscheidung. Uns interessiert, ob die Führungsforschung überhaupt anschlussfähige
Unterscheidung trifft und wenn dies der Fall ist, welche Differenzen beschrieben
werden und wozu, also im Hinblick auf welche Erklärungsgegenstände6.

2.2.2 Die Zeitdimension
Die Zeitdimension trifft die Unterscheidung von Vor- und Nachher oder anders
ausgedrückt, die Differenz der Vergangenheit und Zukunft. Dieser Unterschied mündet
im Jetzt, in der Gegenwart, welche aus unendlich vielen Zeitpunkten besteht. Luhmann
kennt zwei Formen der Gegenwart. Die Form der stetigen, irreversiblen Veränderung
im Jetzt, und die Form der kommunikativen Referenz auf das Vergangene und
Zukünftige, wodurch Reversibilität erlangt wird (1987: 116 ff.). Wir untersuchen,
welche der im Folgenden dargestellten Führungstheorien diese Dimension bei Ihren
Beschreibungen berücksichtigen. Bei Führung scheint vor allem der Aspekt der
kommunikativen Referenz auf die Vergangenheit und Zukunft interessant, vor allem vor

5
    siehe ausführlicher den Abschnitt 4.1.2 zur Form
6
    worauf schauen Führungstheoretiker, um was zu erklären (Führungserfolge; Führung als soziales
Phänomen, generelle Muster von Führung, etc.)
                                                       8
dem Hintergrund wie ein Führungssystem mit dem Wissen um die Unveränderlichkeit
der Vergangenheit und die Unsicherheit der Zukunft umgeht. Beim Lesen dieses
Absatzes wird bereits die Bedeutung der Zeitdimension für Führung intuitiv klar.
Veränderungen innerhalb des Führungssystems existieren in vielfältigen Bereichen wie
der Beziehungen zwischen Führer und Geführten, einer möglichen Restrukturierung der
Organisation oder dem technologischen Fortschritt durch die Einführung von
Computern in Unternehmen, um nur einige Beispiele zu nennen.

2.2.3 Die Sozialdimension
Die soziale Dimension wird ebenfalls durch eine Differenz konstituiert, nämlich der
Unterscheidung von Konsens und Dissens. Diese Dimension schärft den Blick für den
Vergleich zwischen Ego, dem „Ich“ und Alter, dem „anderen Ich“.7 Man schaut, was
andere tun, wie sie sich verhalten, wie sie kommunizieren und stimmt diesem entweder
zu oder lehnt es ab. Gleichzeitig setzt man sich selbigen Beobachtungen anderer
Beobachter aus (Luhmann, 1987: 120). An dieser Stelle kommt die Moral ins Spiel,
welche die Bedingungen zur gegenseitigen und eigenen Be- oder Missachtungen von
beispielsweise Führer und Geführten beschreibt. Man meint, dass gerade diese
Dimension bei allen Führungstheorien abgebildet sein sollte, schließlich braucht man
zum Führen mindestens zwei Personen (Führer/Geführte), welche sich gegenseitig
beobachten, dem eigenen Handeln oder der eigenen Kommunikation und dem Handeln
und der Kommunikation anderen Personen zustimmen oder es ablehnen. Im
anschließenden Abschnitt werden wir sehen, wie sich die Beschreibung von Konsens/
Dissens konkret in den Untersuchungen der Führungstheoretiker ausgestaltet.


2.3      Die Reflektion

Modelle entsprechen vereinfachten Abbildungen von Realitäten (Endres, 2000: 8). Sie
reduzieren Komplexität durch die Selektion von Variablen und Dimensionen. Und
gerade darin liegt die          Attraktivität eines solchen Modells, welches es erlaubt,
Komplexität zu reduzieren, Annahmen über Welt zu treffen und unter Ceteris-paribus-
Klauseln       Erkenntnisgewinne        über     den   jeweiligen   Untersuchungsschwerpunkt
hervorzubringen. Für die Entwicklung eines solchen Modells ist neben den zugrunde
liegenden Annahmen folglich entscheidend, welche Elemente und Dimension, die als
Referenzpunkt für die spätere Analyse dienen, von den jeweiligen Führungstheorien

7
    vgl. Langenscheidt, Online Fremdwörterbuch
                                                   9
selektiert werden. Das Modell markiert also den Möglichkeitsraum der Analyse. Wie
bereits oben beschrieben entspricht unsere Selektion der Modellelemente einem
dreigliedrigen Prozess. Trotz umfangreicher Literaturanalysen, einer Ordnungsphase,
der Steigerung des Abstraktionsgrades der Elementbegriffe und der Unterlegung der
Sinndimensionen von Luhmann können wir uns nicht freimachen von dem Dilemma,
dass Modelle den Möglichkeitsraum beschränken, somit Komplexität reduziert und
dadurch immer Teile des Untersuchungsschwerpunktes nicht abgebildet werden. Die
Situation ist also paradox, einerseits soll ein Modell Komplexität reduzieren, den
Untersuchungsgegenstand             auf    wesentliche      Variablen      reduzieren   und   somit
Erkenntnisgewinne in Form von „eindeutigen“ Ergebnissen erzielen, andererseits liegt
gerade in dieser Trivialisierung die Gefahr - denn Einschluss einiger Elemente bedeutet
gleichzeitig immer auch Ausschluss von allem anderen. Und somit befinden wir uns in
dem Dilemma, dass „wir nicht sehen, was wir nicht sehen“ (von Foerster, 1993: 27).
Genau diesen Aspekt versucht diese Ausarbeitung in dem ersten Teil zu bearbeiten. Wir
untersuchen die bestimmten Elemente der unterschiedlichen Führungstheorien und
sehen mit Hilfe des Modells, was mit der Selektion weniger Variablen verloren geht,
welche Dimensionen welchen Führungstheorien explizit sowie implizit bekannt sind
und welche gleichzeitig ausgeschlossen werden. Wir beobachten folglich die
Führungstheorien aus einer Perspektive zweiter Ordnung. Nach Luhmann ist der
entscheidende Unterschied zwischen der Beobachtung erster und zweiter Ordnung der,
dass die Beobachtung erster sich der beobachteten Unterscheidung bewusst ist - soll
heißen, dass man sich nur dessen bewusst ist, was man selektiert, nicht aber dessen, was
man dadurch ausschließt. Die Beobachtung erster Ordnung ist somit eine sichere, klare
und komplexitätsarme Beobachtung, da das Beobachtete nicht reflektiert wird.8
Hingegen wird man sich bei der Beobachtung zweiter Ordnung der Kontingenz der
beobachteten Beobachtung bewusst. Man sieht die andere Seite der Medaille, weiß
folglich, wiederum als Beobachter erster Ordnung beschränkt, um die Unterscheidung
der beobachteten Beobachtung (1987: 156 ff.). Dabei gilt trotz allem das „Foersterische
Nichtsehen“, was der Idee entspricht, dass die Beobachtung zweiter Ordnung immer
auch eine Beobachtung erster Ordnung darstellt (Luhmann, 1987: 156). Unserer
Antwort auf das beschriebene Dilemma bildet der Entwicklungsprozess des Modells,
wobei gerade die Steigerung der begrifflichen Abstraktion wie beispielsweise die
Bezeichnung „Kontextfaktoren“ und die Unterlegung der Sinndimensionen, welche

8
    Auf dieser Ebene beobachten die meisten der analysierten Führungstheorien.
                                                    10
nach Luhmann universal sind und von Ihm auch als „Weltdimensionen“ bezeichnet
werden (1987: 112), für die Steigerung von Freiheitsgraden im Modell sorgen. Das
Modell wird somit flexibel. Um zusätzlich die Ausbildung von blinden Flecken zu
reduzieren, begeben wir uns während des Schreibprozesses in kommunikative
Reflektionsschleifen mit Bekannten und Kollegen und nehmen, falls notwendig,
Anpassungen vor.




                                      11
3     Die Analyse der Führungstheorien

Wir beginnen die Analyse mit den „klassischen“ Führungstheorie, dem Eigenschafts-,
dem Verhaltens- und dem situativen Ansatz. Anschließend beschäftigen wir uns mit
„neueren“      Betrachtungsweisen       von     Führung     wie    dem       transaktionalen,   dem
transformationalen, dem mikropolitischen, dem symbolischen und dem systemischen
Ansatz.9      Die    gewählte     Reihenfolge      entspricht     unserer     Wahrnehmung       des
Kompliziertheitsgrads der Theorien: Während Eigenschafts- und Verhaltensansatz nur
wenige Modellelemente und -dimensionen berücksichtigen, steigert sich ihre Zahl mit
fortlaufender Analyse.


3.1     Der Eigenschaftsansatz

Der Eigenschaftsansatz untersucht den Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der
Führungskraft und einem individuellen oder einem organisationalen Führungserfolg.
Nach Bernard (1926) erklärt sich die Qualität der Führung aus den angeborenen
Eigenschaften des Führers. Vertreter des Eigenschaftsansatzes reduzieren das
multidimensionale Phänomen der Führung auf eine Variable (Neuberger 1994:61) und
suchen nach allgemeinen Eigenschaften, welche die Wahrscheinlichkeit eines
Führungserfolges       erhöhen.     Nach      Neuberger     untersuchen       die   Wissenschaftler
Eigenschaften von „erfolgreichen“ und „nicht erfolgreichen“ Führungspersönlichkeiten,
von Führern im Unterschied zu Geführten oder sie analysieren die Personen, welche
Führungspositionen besetzen, um Eigenschaften aufzudecken, die das Erklären eines
Führungserfolges zulässt (1994: 62). Mit Hinblick auf das Modell wird deutlich, dass
der Fokus auf die Eigenschaften der Führungsperson Führung auf eine Variable
reduziert, welche in die Sachdimension eingeordnet wird. Wir erinnern uns, dass die
sachliche Dimension zwei Horizonte bildet, die Innen- und die Außenseite einer
Unterscheidung, wobei hier die Innenseite von Unterscheidung durch die Eigenschaften
markiert wird. Fraglich bleibt, ob diese starke Vereinfachung der Realität das kausale
Schließen der Eigenschaften auf individuelle und organisatorische Führungserfolge
zulässt. Hierbei wird das erste Mal die Stärke des Modells „Medium der Führung“


9
    wir sind uns bewusste, dass hier einige Ansätze der Führungsforschung ausgelassen sind, jedoch
erscheinen uns die genannten Strömungen am relevantesten für die Einordnung in das Modell und der
damit beabsichtigen Systematisierung im Hinblick auf die drei Dimensionen.
                                                 12
deutlich, da man nicht nur sieht, welche Faktoren von dem Eigenschaftsansatz
berücksichtigt werden, sondern auch, welche dieser ausgrenzt. Weder Verhalten,
Interessen, Werte etc. der Führungspersönlichkeit noch die Person der Geführten mit
ihren Eigenschaften, Fähigkeiten, Interessen etc. finden Berücksichtigung. Selbiges gilt
für die Interaktion, die Kommunikation, Anwendung von Führungsinstrumenten und
der Wahrnehmungen beider Akteure. Dieser Ansatz kommt somit einer starken
Vereinfachung von Führung gleich.
Auf der Ebene der Dimensionen werden die Sozialdimension (für die eine
Beziehungsrelation vorliegen muss) und die Zeitdimension, also Referenzen auf
Vergangenes und Zukünftiges oder anders ausgedrückt, die Veränderung der
Eigenschaften10, ebenfalls nicht untersucht. Ergebnisse unterschiedlicher empirischer
Untersuchungen         haben       mittlerweile    eine    Vielzahl       von       Eigenschaften     von
Führungskräften wie beispielsweise Geschlecht („Männlichkeit“), Erziehung, sozialer
Status,       Aktivität,     Initiative,    Energie,       Intelligenz,     Entscheidungsfähigkeit,
Urteilsvermögen,           Dominanz,       Durchsetzungsfähigkeit            und        Selbstvertrauen
herausgearbeitet (vgl. Stogdill, 1948; Mann, 1959; Stogdill, 1974; Lord/De Vader &
Allinger, 1986; Kirkpatrick/ & Locke, 1991; Neuberger 1994: 65; Delhees 1995: 902f.;
Bass, 1993; Northouse 1997: 1113ff.). Hierbei ist allerdings zu beachten ist, dass
methodische Schwierigkeiten bei der Messung von Eigenschaften auftraten (Delhees,
1995: 902f., Neuberger, 1994: 65). Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass nach
Neuberger eine sehr geringe Korrelation zwischen Führungserfolg und den
Eigenschaften nachgewiesen werden konnte (1994: 64ff.).

3.1.1.1 Modellvariablen und -dimensionen:
Eigenschaften des Führers; Sachdimension

3.1.1.2 Untersuchungszweck:
Führungserfolg


3.2      Der Verhaltensansatz

Der Verhaltensansatz analysiert erfolgreiche Führungskräfte mit Hinblick auf deren
Verhalten        (Halpin       &      Winer,       1957;     Hemphill           &     Coons,        1957).
Untersuchungsgegenstand bildet somit das Beschreiben und Strukturieren von


10
     Veränderungen der Eigenschaften widersprechen bereits der Grunddefinition von Eigenschaften nach
Bernard (1926), der diese als angeboren annimmt.
                                                   13
Führungsverhalten, woraus unterschiedliche Führungsstile resultieren. Gesucht werden
die „idealen“ Verhaltensweisen, welche die Wahrscheinlichkeit des Führungserfolges
erhöhen. Dies geschieht völlig losgekoppelt von Kontexten wie beispielsweise
Teamgröße, Reifegrad der Geführten oder dem Organisationsaufbau. Ähnlich wie beim
Eigenschaftsansatz reduziert diese Strömung das Führungsgeschehen auf eine Variable
und untersucht dessen Wirkungen auf den Führungserfolg.
Lewin,       Lippit    und     White     (1939)     differenzieren     Führung         in   Formen   wie
autokratischem/autoritärem und demokratischem Führungsstil. Diese (sachliche)
Unterscheidung wurde von diversen Vertretern aufgegriffen und ausdifferenziert. Somit
kennen Tannenbaum und Schmidt in ihrem Führungsstil-Kontinuum bereits sieben
Stile11, wobei die Unterscheidung zwischen autoritärem und kooperativem Führungsstil
die Eckpunkte des Kontinuums bildet (1958, 1973: 164 ff.). Blake und Mouton (1964)
differenzierten in ihrem zweidimensionalen „Managerial Grid“ nach Aufgaben- und
Personenorientierung („concern for production“, später „concern for results“ sowie
„concern for people“) und beschreiben fünf charakteristische Führungsstile12 näher .
Der Verhaltensansatz analysiert folglich die Modellvariable des Führers mit Fokus auf
deren Verhalten, welche durch die oben beschriebenen Unterscheidungen sachlich
eingeordnet werden. Ausgegrenzt werden neben Aspekten wie Interessen, Erwartungen
etc. der Führungskraft, die Person des Geführten mit ihren Eigenschaften, Interessen,
Fähigkeiten usw., sämtliche relationale Aspekte wie Kommunikation, Wahrnehmungen
und Interaktionen sowie Kontextfaktoren. Auch sind Zeit- und Sozialdimension nicht
weiter berücksichtigt. Nach Vertretern dieses Ansatzes kommt den ausgeblendeten
Elementen und Dimensionen für einen Führungserfolg keine Wichtigkeit zu, was
ebenfalls vergleichbar mit dem Eigenschaftsansatz einer starken Vereinfachung von
Führung entspricht.
Schlussendlich liegen es eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen vor13, welche
bestätigen, dass Mitarbeiterorientierung deutlich häufiger mit Mitarbeiterzufriedenheit
korreliert als Aufgabenorientierung. Was allerdings die Leistungseffizienz anbelangt,
sind keine derartigen Unterschiede festzustellen (Neuberger, 1994: 143). In Abgrenzung
zum Eigenschaftsansatz muss betont werden, dass eine wesentliche Neuerung dieser


11
   die sieben Führungsstile sind: autoritär, patriarchalisch, informierend, beratend, kooperativ,
partizipativ, demokratisch.
12
    Diese fünf Führungsstile sind: Impoverished Management, Authority-Compliance-Management,
Country Club-Management, Middle of the Road – Management, Team-Management.
13
     Neuberger gibt einen guten Überblick der empirischen Ergebnisse (1994: 142ff.).
                                                    14
Perspektive die Möglichkeit der gezielten Erlernbarkeit von Führungsfähigkeiten (z.B.
Stile) entsprach (Saal and Knight, 1988).14

3.2.1.1 Modellvariablen und -dimensionen:
Führungsverhalten von Führungskräften; Sachdimension

3.2.1.2 Untersuchungszwecke:
Führungserfolg


3.3      Der situative Ansatz

Der situative Ansatz rahmt das Führungsverhalten. Der Führungserfolg wird vom
Führungsverhalten im Kontext von organisations-strukturellen und organisations-
kulturellen Faktoren wie Machtstrukturen, Führer-Geführten-Beziehung (Fiedler, 1967),
Organisationsgröße (Child, 1973; Pugh and Payne, 1976) und Motivationsaspekten wie
beispielsweise der Qualifikation der Mitarbeiter (Hersey und Blanchard, 1977, 1982)
bestimmt. Im Unterschied zu den beiden oben beschriebenen, eindimensionalen
Theorien erweitern Vertreter dieses Ansatzes den Untersuchungsgegenstand um
allgemeine Situationen oder Orte, in der Führungskräfte operieren und welche das
Verhalten grundliegend beeinflussen. Auf der Analyseebene des Führungsverhaltens
werden rein sachliche Unterscheidungen getroffen, allerdings inkludiert die Analyse der
Kontexte sachliche, soziale und zeitliche Dimensionen. Dadurch zeichnet sich bei
diesem Ansatz ein erweitertes Bild des Führungsgeschehens ab. Die Erkenntnisgewinne
entsprechen dem Wunsch des Auffindens von allgemeingültigen, idealen Führungsstilen
im Kontext bestimmter Rahmenbedingungen, um die Zielvariable des Führungserfolgs
zu maximieren. Führungskräfte sollten demnach in der Lage sein die Situation, in der
sie sich befinden, zu analysieren, diese mit der Vergangenheit abzugleichen um
mögliche Unterschiede festzustellen, und dies in ihr Führungsverhalten einrechnen (Saal
and Knight, 1988).
Um nicht in allgemeine Aussagen ohne Erkenntnisgewinne abzurutschen, beschreiben
wir nun konkret die vier bekanntesten Konzepte dieser Theorieströmung, um die oben
kurz angesprochene Einordnung der Theorie in die Dimensionen des Modells zu
verdeutlichen. Wir orientieren uns dabei an der beobachteten Zuordnung, nämlich
Sachdimension bei dem Führungsverhalten und Sach-, Zeit- und Sozialdimension bei
den Kontexten.

14
     worauf eine komplette Industrie baut, die der Weiterbildung und Führungskräfteentwicklung.
                                                    15
Reddin’s sachliche Unterscheidung im Hinblick auf das Führungsverhalten knüpft an
die des Verhaltenansatzes (Tannenbaum und Schmidt, 1958; Blake und Mouton, 1964)
an. Das Kontinuum zwischen mitarbeiter- und aufgabenorientierten Führungsstilen15
bildet somit den Anpassungsspielraum für die Situation (Reddin, 1967: 11ff.). Die
Einschränkungs- oder, anders ausgedrückt, Kontextsfaktoren bilden eine Funktion zur
Bestimmung der Effektivität des Führers. Diese Faktoren sind Arbeitsanforderungen der
Aufgabe, Anforderung an Führungsstil der Vorgesetzten durch den Vorgesetzten und
durch die Organisationsphilosophie sowie die Anforderung an das Verhalten der
Untergebenen durch Erwartungen und deren Verhalten (Reddin, 1967: 15ff.). Das
Konzept von Reddin bezieht die sachliche Dimension in Form der Differenzierungen
des Schwierigkeitsgrads der Arbeitsanforderungen und des Führungsstils der
Vorgesetzten mit ein. Die soziale Dimension ist in den Erwartungen der Geführten und
deren Verhalten impliziert.
Fiedler (1967) trifft im Hinblick auf die Führungsstile ebenfalls die Unterscheidung in
Aufgaben-/ Mitarbeiterorientierung. Er markiert als Situationsfaktoren die Führer-
Mitarbeiter-Beziehung,              die     Positionsmacht          der     Beteiligten   und       die
Aufgabenanforderung, welche im Zusammenspiel mit dem Führungsverhalten zu Erfolg
oder Effizienz gemessen an der Erfüllung der Aufgabe der Gruppe führen (Fiedler,
1965: 166f.). Fiedler expliziert die Führer-Mitarbeiter-Beziehung (soziale Dimension),
unterscheidet Macht/ keine Macht zur Beschreibung der Position der Führungskraft und
hohe/ niedrige Arbeitsanforderung zur Darstellung des Reifegrads der Mitarbeiter
(sachliche Dimension).
Vroom          und         Yetton    differenzieren        das      Führungsverhalten     nach      der
Entscheidungsbeteiligung             der     Mitarbeiter,        welche    einem    Kontinuum       von
Alleinentscheidung und              Gruppenentscheidung entspricht (1973: 13). Beschränkt
werden diese Entscheidungen durch sieben Kontextfaktoren: Qualität des Ergebnisses
(hoch/niedrig - Sachdimension), Informationsstand des Vorgesetzten (vollständig/
unvollständig          –     Sachdimension),         Problemstruktur       (eindeutig/mehrdeutig      –
Sachdimension),             Handlungsspielraum          der      Mitarbeiter    (hoch/    niedrig    –
Sozialdimension), Einstellung der Mitarbeiter zu autoritärer Führung (Konsens/ Dissens
– Soziale Dimension), Akzeptanz der Organisationsziele durch die Mitarbeiter
(Konsens/ Dissens – Soziale Dimension) und Gruppenkonformität (Konsens/ Dissens –
Soziale Dimension) (Vroom/ Yetton, 1973).

15
     Reddin nennt es: „relationsship orientation“ und „task orientation“
                                                      16
Das situative Führungsmodell nach Blanchard and Hersey (1969) unterscheidet wie
Reddin (1967) und Fiedler (1967) zwischen aufgaben- und mitarbeiterorientiertem
Führungsverhalten (Sachdimension), dessen Kontext der Reifegrad der Mitarbeiter
(hoch/ niedrig - Sachdimension), bestimmt durch Fähig- und Willigkeit, bildet.
Während alle anderen Konzepte des situativen Ansatzes sowohl Sach- als auch soziale
Dimension expliziert haben, schaut das zuletzt beschriebene Modell nur auf sachliche
Unterscheidungen.
Der situative Ansatz verdeutlicht, dass die Einbeziehung von Einschränkungsfaktoren
für das Führungsverhalten den Untersuchungsgegenstand von Führung im Hinblick auf
die Modellvariablen und –dimensionen stark ausweitet. Jedoch bilden normative
Handlungsempfehlungen,             wie     beim    Eigenschafts-     und     Verhaltensansatz,      die
Schlussfolgerungen der Untersuchungen bilden (Vroom & Jago, 2007: 21). Beim
Verhaltensansatz resultiert dies in der Forderung eines kooperativen Führungsstils
(Seidel, 1978; Wunderer/ Grunwald, 1980). Hingegen bestimmt der situative Ansatz
Situationen, welche ein bestimmtes, idealtypisches Führungsverhalten verlangen.
Wissen Führer um diesen Situationsstil, könnte die Kontingenz des Führungsverhaltens
durch ein mechanisiertes Führungsprogramm ersetzt werden. Nach dem Motto:
Situationsanalyse durchführen, passenden Führungsstil auswählen und „einfach“
durchführen!16 Im klaren Gegensatz dazu stehen die nachfolgend aufgeführten
Theorien, deren Untersuchungen eher das Beschreiben und Verstehen von Führung zum
Erklärungsgegenstand haben.

3.3.1.1 Modellvariablen und -dimensionen:
Verhalten         (Führungsstil)         der   Führungskraft,        Erwartungen,        Fähigkeiten,
unterschiedliche Kontextfaktoren; Sachdimension bei Analyse der Führungsstile; Sach-
und Sozialdimension bei Analyse der Kontextfaktoren.

3.3.1.2 Untersuchungszweck:
Führungserfolg, Führungseffektivität




16
     sicherlich hier etwas überspitzt dargestellt. Bei diesem Vorgehen wird, ähnlich wie beim rationalen
Entscheiden, vergessen, dass Situationen dynamisch sind und somit Situationsanalysen permanent
durchgeführt werden müssten – was die Handlungsfähigkeit von Führungskräften enorm einschränken
würde. Wichtig erscheint uns hier noch einmal darauf hinzuweisen, dass wissenschaftliche Aussagen im
Wechselspiel mit der beobachteten Realität stehen sollten.
                                                   17
3.4   Der transaktionale Ansatz

Der auf der Gruppenforschung basierende transaktionale Ansatz beobachtet die Führer-
Geführten-Beziehung und analysiert deren zeitlichen Verlauf, schaut also auf
Veränderung der Beziehungsqualität. Ins Modell übersetzt bedeutet dies: die Variable
Führer-Geführten-Verhalten wird im Hinblick auf Zeit- und soziale Dimension
untersucht. Wie bei der Darstellung des situativen Ansatzes möchten wir im Folgenden
auf die zwei bekanntesten Ansätze dieses Forschungsfeldes eingehen - die Theorie der
Führungsdyaden und das Idiosynkrasiekreditmodell.

3.4.1 Theorie der Führungsdyaden
Die Theorie der Führungsdyaden, auch bekannt als „Leader-Member-Exchange“,
untersucht die Qualität der sozialen Beziehung in Form der Interaktion von Führer und
Geführten (soziale Dimension), dessen deskriptive Beschreibung anfänglich den
Untersuchungsgegenstand des Ansatzes ausmachte. Blau verstand Führung als soziale
Austauschbeziehung. Diese „bezieht sich auf freiwillige Handlungen von Individuen,
die durch Gegenleistungen motiviert sind, die sie erwartungsgemäß einbringen sollen
und typischerweise auch einbringenquot; (1964:91). Er unterscheidet In- und Out-Group-
Beziehungen. Graen/ Cashman (1975) erweitern „In-“ und „Out-“ um die „Middle-
Group“ (Sachdimension). Der Begriff „Out-Group“ markiert hierbei eine rein
vertragliche Beziehungssituation. Jegliche Beziehungsstruktur, welche über diese
formelle Beziehung hinausgeht, wie beispielsweise gegenseitiger Respekt, Motivation,
Offenheit, Ehrlichkeit und gegenseitige Unterstützung, ermöglicht das Bilden einer In-
Group Beziehung, welche auch als reife Führer-Geführten-Beziehungen bezeichnet
werden (Graen/ Uhl-Bien, 1995:1047).
Graen/Uhl-Bien (1991) entwickelten einen dreistufigen Prozess zur Entwicklung von
In-Group Beziehungen, welcher von der Phase der formalen Beziehung über die das
gegenseitige Kennen lernen zur Partnerschaft führt. Bauer/ Green (1996) fanden heraus,
dass frühzeitiges Delegieren von Verantwortung das Bilden von In-Group Beziehungen
begünstigt.
Empirische Ergebnisse ergaben positive Korrelationen zwischen der Führer-Geführten
Beziehung und Zufriedenheit mit der Führungskraft seitens der Geführten, sowie mit
der generellen Zufriedenheit im Unternehmen (vgl. Dansereau et al., 1975;
Liden/Graen,    1980;   Duchon     et   al.,   1986;   Liden/Maslyn,    1998),   dem



                                          18
Unternehmensumsatz (z.B. Dansereau et al., 1975; Sparrowe, 1994; Liden/ Maslyn
1998) und der Selbstverpflichtung (Duchon et al., 1986; Green et al. 1996).
Nach diesen Ansatz sollte folglich das Ziel einer Führungskraft sein, Out- in In-Group
Beziehungen zu wandeln (Zeitdimension), was vor allem von präskriptiven
Ausarbeitung zu späterer Zeitpunkten gefordert wurde (vgl. Graen/Uhl-Bien, 1991;
Bauer/ Green, 1996).

3.4.1.1 Modellvariablen und -dimensionen:
Führer-/Geführteninteraktion; Sach-, Zeit- und Sozialdimension

3.4.1.2 Untersuchungszweck:
Qualität der Führer-/Geführtenbeziehung

3.4.2 Idiosynkrasiekreditmodell
Während die Theorie der Führungsdyaden die Qualität der Beziehung zwischen Führer
und Geführten und dessen Auswirkungen auf den Führungserfolg analysiert, liegt bei
dem Idiosynkrasiekreditmodell der Untersuchungsschwerpunkt auf dem von den
Geführten der Führungskraft zugeschriebenen Führungskredit. Dieser Ansatz expliziert
erstmals Abhängigkeiten der Führungspersonen von den Geführten (Hollander, 1995:
926).
Personen        in   Führungsrollen        erhalten    einen   Führungskredit     durch   positiv
wahrgenommenes Verhalten aus der Perspektive der Geführten (Sozialdimension), der
es Ihnen erlaubt Einfluss auf das Verhalten der Geführten auszuüben. Diese Form der
sozialen Zustimmung und der damit verbundene Status bildet die langfristige
Legitimationsgrundlage für den (Hollander, 1995: 927).
Bewertungskriterien für die Zustimmung von Führungsrollen sind hierbei der Beitrag
zum Gruppenziel und die Loyalität der Gruppenmitgliedern (Sozialdimension), aber
auch      Aspekte     wie    Intelligenz    (Hollander,    1978),   persönliche    Eigenschaften
(Kenny/Zaccaro 1983), Geschlecht (Geis et al. 1985), Anzahl der verbalen Äußerungen
(Sorrentino/Boutillier 1975, Stein/Heller 1983) oder Dienstalter17 (Insko et al. 1982).
Neben der Legitimation von Führung durch komplexe, soziale Interaktion (Read, 1974:
203) analysiert dieser Ansatz ebenfalls die Zeitlichkeit des Führungskredits, welche es
erlaubt, abweichendes Verhalten mit Hinblick auf die Gruppennormen ohne
Führungsverlust zu erklären. Ein Führungskredit ermöglicht somit den Einfluss auf die


17
     Diese Unterscheidungen entsprechen Sachdimensionen.
                                                  19
Geführten für eine gewisse Zeit nach dessen Zuweisung, was nach Staehle auch als
Freiraum für persönliche Eigenarten und Besonderheiten der Führungskräfte verstanden
werden kann (1999:271).
Das Idiosynkrasiekreditmodell bearbeitet folglich die Modellvariable Mitarbeiter und
Führungskraft mit Fokus auf Eigenschaften, Verhalten, deren Interaktionen und
Wahrnehmungen (Hollander, 1995: 934), welche im Kontext von Sach-, Zeit- und
Sozialdimension analysiert werden. Hierbei ist zu beobachten, dass dieser Ansatz sich
kaum auf einige wenige Modellvariablen beschränkt, sondern vielmehr offen lässt, was
genau zur Produktion und Reproduktion von Führungskrediten führt.
Verschiedene Studien wie beispielsweise von Goldman/ Fraas (1965), Hollander/Julian
(1970, 1978) oder Hollander et al. (1977) zeigen, dass gewählte Führungspersonen in
aller Regel eher und länger durch die Geführten unterstützt werden, wenn Sie
abweichendes Verhalten bezüglich der Gruppennorm beobachten.

3.4.2.1 Modellvariablen und -dimensionen:
Eigenschaften, Verhalten von Mitarbeiter und Führern, deren Interaktion und
Wahrnehmung sowie Sach-, Zeit-, Sozialdimension.

3.4.2.2 Untersuchungszweck:
(Re-) Produktion des Führungskredits


3.5   Der charismatische und transaktionale Ansatz

Konzepte der charismatischen und transaktionalen Führung basieren vor allem auf
Ausarbeitungen von House (1977), Bass (1985) sowie Tichy und Devanna (1986).

3.5.1 Charismatische Führung
House (1977) entwickelte mit Rückgriff auf Max Weber das Konzept der
charismatischen Führung. Nach Weber entspricht Charisma einer speziellen,
persönlichen Begabung außergewöhnliches zu tun, welche im Kontext von sozialen
Beziehungen gedacht wird und durch Zuschreibungsprozesse von Beobachtern erst
seine Wirkungen entfaltet (Weber, 1972: 124). Die Zuschreibung ist dynamisch, ändert
sich mit der Zeit und drückt die Instabilität des charismatischen Führungskonzeptes aus.
Nach House (1977) charakterisieren bestimmte Eigenschaften wie Dominanz,
Selbstvertrauen, Einflussstreben und der Glaube an die eigenen, moralisch
anschlussfähigen Wertvorstellungen einen charismatischen Führer. Diese Eigenschaften
werden von den Geführten wahrgenommen, welche in Vertrauen, Loyalität und
                                          20
bedingungsloser Akzeptanz, sowie bestimmten Handlungen wie das Nacheifern der
Werte, die Erhöhung der Selbstachtung, die Steigerung der Erwartungen an die eigene
Leistung und die Akzeptanz herausfordernder Ziele münden. Daraus resultiert nach
Hentzel/ Kammel (1996) die effektivere Leistung der Geführten. Es ist bereits deutlich
zu     beobachten,     dass   das    Konzept     der    charismatischen        Führung     auf      dem
Eigenschaftsansatz aufbaut und diesen um die Modellvariablen der Geführten (deren
Fähigkeiten, Interessen etc.) anreichert. Beispielsweise stellen Akzeptanz/ Ablehnung
der Geführten mit Hinblick auf das von der Führungskraft vorgeschlagene Wertegerüst,
die Artikulationen der Ziele, die vorgelebten Rollen etc. die soziale Dimension dar. Die
Zeitdimension findet vor allem bei den neocharismatischen Ansätzen durch die
notwendige Reproduktion der Zuschreibung von Charisma des Führers durch die
Geführten Berücksichtigung (House/ Shamir, 1995: 878).18
Abschließend wollen wir kurz auf die empirischen Ergebnisse von Bass und Steyrer
verweisen, welche einen signifikanten Zusammenhang zwischen Faktoren wie
Charisma und der durch die Mitarbeiter eingeschätzten Effizienz, Zufriedenheit und
überdurchschnittlichen Leistungen nachweisen (1995: 2057ff.).

3.5.1.1 Modellvariablen und -dimensionen:
Eigenschaften, Fähigkeiten, Werte, Interessen von Führer/ Geführten, Wahrnehmung
der Geführten und Sach-, Zeit-, Sozialdimension.

3.5.1.2 Untersuchungszweck:
Führungserfolg

3.5.2 Transformationale Führung
Das von Bass (1985) oder Tichy/ DeVanna (1986) entwickelte Konzept der
transformationalen Führung basiert auf den Ansätzen von House (1977) und Burns
(1979), wobei allerdings Charisma eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung
einer Produktivitätstransformation von Führungskraft auf die Geführten stellt. Es
kommt zu einer Akzentverschiebung des Untersuchungsgegenstands von den




18
     dieser Gedanke wurde vor allem von Conger und Kanungo (1987) in ihrer charismatischen
Attributionstheorie   aufgenommen.   Bennis/   Nanus   (1985)   entwickelten   einen    weiteren,   dem
charismatischen Konzept von House sehr ähnlichen Ansatz, den der „visionären Führung“. House und
Shamir sublimieren diese und weitere Ansätze unter dem Begriff der „neocharismatische Ansätze“ (1995:
878), während Brynman diese mit dem Ausdruck „new ledership“ betitelt (1996: 280ff.).
                                                 21
Eigenschaften des Führers auf die Bedürfnisse, Interessen, Fähigkeiten der Mitarbeiter
sowie emotionale Aspekte von Führung (Northouse 1997: 133f.).
Der Transformationsprozess soll das Bewusstsein für die Relevanz der Aufgaben und
dessen qualitativer Bearbeitung steigern, die Wichtigkeit der personellen Entwicklung
sowie Lernfähigkeit betonen und zur Verinnerlichung der Organisationsziele anstelle
eigener Interessen (Bass, 1985) führen. Tichy und Devanna charakterisieren den
transformationalen Führer als „change agent“, welcher mutig und wertebasiert, mit dem
Glaube an Menschen und lebenslanges Lernen befähigt ist, komplizierte Sachverhalte
zu bearbeiten und eigene Visionen zu verfolgen (1986:5).
Eine spätere Ausarbeitung von Bass, Avolio und Jung nennt vier Kategorien von
Merkmalen eines transformationalen Führers. Die Vorbildfunktion für die Mitarbeiter
(Sozialdimension), das Setzen hoher moralischer Standards (Sachdimension), das
Entwickeln der Wahrnehmung der Mission oder der Vision des Teams und der
Organisation (Zeitdimension) bildet die Kategorie des Charismas (idealized influence).
Gleichzeitig stimuliert das Interesse der Führungskraft an den bearbeiteten Aufgaben
der Mitarbeiter, ihre Arbeit aus neuen Perspektiven zu sehen (intellectual stimulation).
Transformationale Führungskräfte tragen die Fähigkeiten und die Potentiale der
Kollegen und Mitarbeiter auf höhere Niveaustufen (individualized consideration,
Zeitdimension) und motivieren Kollegen und Mitarbeiter über ihre eigenen Interessen
hinaus zum Wohl der Gruppe beizutragen (inspirational motivation) (Bass et al, 2003:
208). Im Gegensatz zur transaktionalen Führung wird bei diesem Konzept die Leistung
der Geführten nicht nur durch den Führer erzeugt, sondern auf eine qualitativ höhere
Ebene gehoben.
Übersetzen wir dies in unser Modell, so identifizieren wir im Hinblick auf die
Modellvariablen die Untersuchung der Eigenschaften von Führungskräften und ihrem
Verhalten, die Wahrnehmung und Erwartungen von Seiten der Geführten sowie deren
Fähigkeiten, Werte, Zielfunktionen und Rollenverständnisse. Untersuchungsziel ist der
Nachweis eines Führungserfolges durch unterschiedliche Formen der Stimulierung von
Führer auf Geführte. Hierbei wird die Sozialdimension des Konzepts sehr deutlich,
welche für potentielle Stimulierungswirkungen Zustimmung oder eben auch
Ablehnungen notwendige macht. Auch wenn die Entwicklung der Transformation nicht
expliziert ist, laufen Vergleiche der Vergangenheit mit der Gegenwart und die
Erwartungen in Bezug auf eine unsichere Zukunft im Kontext der Führung von den
Geführten immer mit und bestimmen die Zeitdimension.

                                          22
3.5.2.1 Modellvariablen und -dimensionen:
Eigenschaften,   Werte   und    Verhalten    der   Führungskraft;     Interessen,   Werte,
Rollenverständnis und Wahrnehmung der Geführten und Sach-, Zeit-, Sozialdimension.

3.5.2.2 Untersuchungszweck:
Führung als Faktor zur Steigerung der Produktivität


3.6   Der mikropolitische Ansatz

Der auf der Machttheorie (vgl. zum Überblick Sandner, 1988: 56) basierende Begriff
der Mikropolitik beschreibt nach Frost „die Verkörperung der Machtausübung. Sie ist
repräsentiert in den Strategien und Taktiken, welche die Akteure im tagtäglichen,
laufenden und gegenwärtigen Organisationsgeschehen nutzen, um ihre Interessen
durchzusetzen“ (1987: 518).
Die Anwendung der mikropolitischen Perspektive auf Führungsprozesse zeichnet sich
nach Neuberger durch Faktoren wie beispielsweise den Interessenbezug, -wahrung und
-durchsetzung von Führungskräften (Sozialdimension), der Bedeutung von Koalitionen
(Sozialdimension), der Bedeutung des richtigen Zeitpunktes (Zeitdimension) und der
Akteursperspektive mit Handlungsspielräumen (1994: 263f.) aus.
Vertreter des mikropolitischen Ansatzes (vgl. z.B. Falbo, 1977; Kipnis et al., 1984;
Ortmann, 1988; Neuberger, 1994, 1995a und 1995b) analysieren Modellvariablen wie
die Interessen von Führer und Geführten, deren Interaktion und strategisches Verhalten,
welche durch Kontextfaktoren wie Handlungsspielräume oder legitimierte Ordnung
innerhalb von Organisationen beschränkt werden (Neuberger, 1994: 264). Analysiert
werden vor allem Strategien zur Einflussnahme und Durchsetzung eigener Interessen,
wobei Neuberger (1995a: 154) zwischen offenen, authentischen und verdeckten
Taktiken unterscheidet (Sachdimension). Bosetzky hingegen untersucht die Chancen
von    Informationen     zum    tieferen     Organisationskenntnis:     Status,     Image,
Selbstverwirklichungschancen, Karrierechancen, Machtvermehrungschancen, Gegen-
und Blockiermacht, Ressourcen für den eigenen Bereich (1995: 1529ff.) und Risiken
wie Imageverlust durch den Geruch von Günstlingswirtschaft, Rollenüberlastung der
Führungskraft, Abhängigkeit von Untergebenen, strategischen Führungsverhaltens in
Organisationen (1995: 1522ff.) bilden hierbei relevante Gegenstände der Untersuchung.
Transferieren wir diese Informationen in das Modell wird deutlich, dass der Fokus auf
den Interessen, Rollen und der Erwartungen von Führer und Geführten liegen, wobei
allerdings die Personen des Führers und des Geführten eher als strategisch-rationale
                                            23
Akteure betrachtet werden. Gleichzeitig positionieren, sprich interagieren diese „homo
oeconomici“ in einem dynamischen Kontext. Der mikropolitische Ansatz bildet die drei
Dimensionen vollständig ab. Es wird deutlich, dass Führung von Unternehmen bei
diesem Ansatz rein von politischen Motiven abhängig gemacht wird, womit sich
jegliche Handlungen fernab von der Rationalitätsprämisse ex-post als rational erklären
lassen. Eine gute Theorie muss aber nicht nur einen nachgelagerten Erklärungskasten
liefern, sondern auch gewisse Situation ex-ante beschreibbar machen.
Empirische Studien von beispielsweise Kipnis et al. (1984) und Kipnis/Schmidt (1988)
bestätigten       die     Unterscheidung        zwischen        einer   direkten      machtpolitischen
Einflussstrategie und einer kooperativen Einflussstrategie als zu beobachtendes
Strategie-Muster (Sachdimension).

3.6.1.1 Modellvariablen und -dimensionen:
Interessen,         Rollen,      Erwartungen        von      Führer/      Geführten,        Interaktion,
Führungsinstrumente & Kontextfaktoren und Sach-, Zeit-, Sozialdimension.

3.6.1.2 Untersuchungszweck:
Erklärung des strategischen Verhaltens der Führungskräfte und der Geführten.


3.7      Der symbolische Ansatz

Die symbolische Führungsforschung basiert auf der Kulturforschung von Geertz (1973),
der Unternehmenskulturforschung von Schein (1992) und Weiblers’s Idee, wonach
Menschen in einer bedeutungsbehafteten oder anders ausgedrückt, symbolischen Welt
handeln, welche durch Interaktionsprozesse geschaffen wird und welche die
Interpretation ihrer Teilnehmer erfordert19 (1995:2017f.). Nach Neuberger sind Symbole
konkrete Sachverhalte mit übertragener Bedeutung, auch als Sinnbilder betitelt (1994:
244f).      Somit       beeinflussen    Symbole      soziales     Verhalten     und    werden     durch
Kommunikation reproduziert werden. Mit Blick auf das Modell beschreiben die
Forscher die Kommunikation und Interaktion zwischen Führer und Geführten, welche
Symbole produzieren und reproduzieren und deren unterschiedlichen Wahrnehmungen
Interpretationsmöglichkeiten bieten, welche in das Verhalten oder die Kommunikation
der Führung eingerechnet werden.




19
     Der Begriff „Interpretation“ impliziert bereits unterschiedliche Wahrnehmungen der Akteure
                                                    24
Weibler beispielsweise unterscheidet drei Ebenen von Symbolen: verbale (Mythen,
Geschichten etc.), interaktionelle (Riten, Traditionen, Tagungen etc.) und die artifizielle
(Statussymbole, Arbeitsbedingungen, Fahnen etc.) Form (1995: 2016; Sachdimension).
Neuberger hingegen unterscheidet symbolisierte und symbolisierende Handlung (1994:
251ff.;   Sachdimension).     Die    „symbolisierte    Führung“      kommt    der   obigen
Differenzierung von Weibler nah, welche ohne aktives Eingreifen der Führungskraft das
Führungsgeschehen rahmt:
„...dass Führung (Handlungssteuerung) in Fakten „verborgen“ ist: In Sprachregelungen,
sozialen Intuitionen und Artefakten wird Handeln verlässlich kanalisiert“ (Neuberger,
1994:252).
Die „symbolisierende Führung“ hingegen entspricht der Verwendung von Symbolen als
Führungsinstrument von Seiten der Führungskraft, also das gezielte Verwenden von
Symbolen zur Führung von Mitarbeitern:
„...geht es um Sinn-Entbindung, also die Geburt neuen Sinns. Neue Hinsichten können
aufgezeigt oder vorgelebt und durch neue Fakten konkretisiert werden. Die bedeutet die
Destabilisierung und löst Widerstand, Unsicherheit, Angst, Restaurationsbemühungen
etc. aus“ (Neuberger, 1994:256).
Symbolisches Management           kann    hierbei   als Überbegriff    für   die sachliche
Unterscheidung Neubergers verstanden werden und oszilliert zwischen Verfestigung
(Symbole werden zu Fakten gemacht, welche entziffert werden müssen) und
Verflüssigung (Fakten werden hinterfragt, was Raum für neue Sinnbilder schafft) von
Symbolen. Dieser Kreisprozess analysiert, für wen die Sinnbilder Bedeutung haben und
welche Wirkungen sie auf wen erzielen (Neuberger, 1994:248). Diese Darstellung
enthält die soziale Dimension, die Spannung in Form von Konsens und Dissens
zwischen Führer und Geführten im Hinblick auf die Interpretation von Symbolen
aufdeckt. Die Zeitdimension entspricht der Vorstellung der Verfestigung und
Verflüssigung, welche die Dynamisierung der Symbolentwicklung in Organisationen
impliziert.
Wir sehen, dass dieser Ansatz bereits viele Variablen (Führer/ Geführten mit sämtlichen
Elementen,    Kontextfaktoren,      Kommunikation,      Verhalten,    Führungsinstrumente,
Wahrnehmung von Führer und Geführte) und alle Dimensionen unseres Modells
berücksichtigt. Auch beobachten wir eine andere Zwecksetzung der Untersuchung, die
stärker nach der Dimension des Sinns in Führungsprozessen schaut, anstatt
Handlungsempfehlungen       für     das   Verhalten    oder   die    Kommunikation     von

                                             25
Führungskräften zur Wahrscheinlichkeitssteigerung des Führungserfolgs zu liefern.
Deutlich wird, dass die Möglichkeit der Beeinflussung von Führungserfolgen von
Seiten der Führungskräfte abgeschwächt wird, während strukturelle Gegebenheiten und
Wahrnehmungen wie beispielsweise Interpretationen von Symbolen an Bedeutung
gewinnen.

3.7.1.1 Modellvariablen und -dimensionen:
Führer/ Geführten, Kommunikation, Wahrnehmung, Führungsinstrumente, Interaktion
von Führungskräften und Geführten, und Sach-, Zeit-, Sozialdimension.

3.7.1.2 Untersuchungszweck:
Erklärung der Rolle von Symbolen in Führungsprozessen.


3.8   Der systemische Ansatz

Der systemische Führungsansatz basiert auf den Erkenntnissen der neueren
Systemtheorie von Luhmann (1984). Führung wird als soziales System betrachtet, was
gewisse Grundannahmen der neueren Systemtheorie in den Untersuchungsgegenstand
der Führung transferiert. Zu nennen ist die Selbstbezüglichkeit des Systems, welche
Strukturen für die Selbstorganisation des Systems niederlegt. Die Struktur bestimmt
somit die Form des Führungssystems und dessen Anschlusskommunikationen, welche
für die Autopoesis oder, anders ausgedrückt, Reproduktion des Systems sorgt. Weitere
Annahmen betreffen die Abkehr von kausalen Erklärungswegen für soziale Prozesse
wie Führung, da sowohl System als auch Umwelt durch Komplexität gekennzeichnet
sind und Anschlusskommunikationen vielfältig interdependente Wirkungen und
Folgewirkungen     mit   vernetzten   Rückkopplungsschleifen   nach     sich   ziehen.
Führungskräfte durchleben die Komplexität von sozialen Systemen in ihren Alltag, sind
folglich mit „Widersprüchen, Mehrdeutigkeit, Intransparenz, Doppelarbeit, Vergeudung
von Ressourcen, Provisorien, Überraschungen etc. konfrontiert“ (Neuberger, 1994:
230). Nach Türk bestimmt die „Eigendynamik“ des Systems die Kommunikation und
die Einflussmöglichkeiten der Führungskräfte auf die Geführten (1981). Probst gibt
dementsprechende    Empfehlungen      im    Umgang    mit   Führungsprozessen     wie
beispielsweise dem Respekt vor dem System, das Anerkennen von Unsicherheiten und
Mehrdeutigkeiten, die Schaffung von Möglichkeiten und das Balancieren von Extremen
(1987: 114ff.).


                                           26
Im Hinblick auf die Modellvariablen fokussiert sich der systemische Ansatz auf die
Kommunikation zwischen Führer und Geführten, welche allerdings alle anderen
Elemente des Modells mit einrechnet, was durch den hohen Abstraktheitsgrad der
Systemtheorie   ermöglicht   wird.   Nach     Luhmann   bildet   Kommunikation     die
selbstreferentielle Operation von sozialen Systemen, wodurch dessen Strukturen im
Hinblick auf Zeit-, Sach- und Sozialdimension gelegt werden (1984: 66f.). Dieser
Ansatz bildet das gesamte Modell mit allen Variablen und Dimensionen ab und ist
damit der ganzheitlichste und zugleich abstrakteste Versuch zur Beschreibung von
Führung.

3.8.1.1 Modellvariablen und -dimensionen:
Kommunikation, Kontextfaktoren und Sach-, Zeit-, Sozialdimension.

3.8.1.2 Untersuchungszweck:
Reproduktion von sozialen Führungssystemen.


3.9   Die Zusammenfassung

Bevor wir unseren eigenen Ansatz von Führung in Unternehmen vorstellen, vernetzen
wir die Ergebnisse der obigen Analyse. Abbildung 2 stellt die Ergebnisse noch einmal
übersichtlich dar. Aus der Analyse gehen zwei wesentliche Sachverhalte hervor:


1. Der Kompliziertheitsgrad der Führungsforschung hat sich im 20. Jahrhundert deutlich
gesteigert. Dies wird durch die Anzahl der untersuchten Elemente deutlich. Während
der Eigenschaftsansatz ausschließlich die Korrelation zwischen Eigenschaften und
Führungserfolg untersuchte, beziehen die neueren Analysen eine höhere Anzahl an
Variablen und Dimensionen in ihre Untersuchungen mit ein. Wir beobachten, dass die
Suche nach eindeutigen Ergebnissen, vor allem im empirischen Bereich, bis heute eine
der größten Herausforderungen der Führungsforschung darstellt. Hier begegnet man
dem Dilemma, dass die Reduzierung des Phänomens Führung auf weniger Variablen
konträre empirische Ergebnisse erzeugen sowie Messschwierigkeiten mit sich bringen -
die Variablen sind nicht unabhängig, werden aber als solche bearbeitet. Die Vernetzung
der Variablen bei unterschiedlichen Messungen sind unterschiedlich ausgeprägt war.
Die Folge: Messungen von Variablen in unterschiedlichen Kontexten führen zu
widersprüchlichen Ergebnissen. Hinzu kommt die Schwierigkeit der Messung an sich,
welche von der Form der Datenerhebung (beispielsweise eine anonyme im Vergleich zu

                                         27
einer personalisierte Umfrage etc.) abhängt. Diese Faktoren begrenzen die Aussagekraft
empirischer Ergebnisse (Delhees 1995: 901).                     Wir halten fest, dass eindeutige
Ergebnisse in Bezug auf Führung a) mehrdeutig sein können, wie die unterschiedlichen
Ergebnisse unabhängiger Forscher beim Eigenschaftsansatz bestätigt, b) wir somit über
Kausalitäten in Führungssystemen kaum etwas wissen und schließen: Führung in
Unternehmen ist ein komplexer Sachverhalt.


2. Wir beobachten eine Ausdifferenzierung der Führungsforschung. Wir sind uns
bewusst, dass Führung bereits vor dem erscheinen von Bernard “An introduction to
social psychology” aus dem Jahr 1926 den Untersuchungsgegenstand von Wissenschaft
bildet, wir uns aber auf dieses Jahr als Analysestartpunkt beziehen. Diese Form der
Ausdifferenzierung wird durch a) die Steigerung der Anzahl von unterschiedlichen
Führungstheorien, auch aus anderen Wissenschaftsgebieten, b) die Weiterentwicklung
und Ausdifferenzierung von bereits bestehenden Führungstheorien und c) die breite,
interdisziplinäre Grundlage zur Betrachtung von Führung deutlich.
Neben den neun Ansätzen, welche wir vorstellen, existieren eine Vielzahl weiterer
Theorien20, welche sich teilweise ganz spezifischen Fragestellungen widmen.
Gleichzeitig erfolgt eine weitergehende Differenzierung innerhalb der Theorien wie
zum Beispiel der charismatische, der auf dem Eigenschafts-, oder der situative, der auf
dem Verhaltensansatz basiert.
Die Veränderung des Untersuchungszwecks repräsentiert ebenfalls eine Form der
Differenzierung. Während anfänglich der Zweck von Führungsforschung der Erklärung
von      organisationalem       und     individuellem      Führungserfolg      gleichzusetzen      war
(Eigenschafts- und Verhaltensansatz), beobachten wir heute eine Vielzahl von
alternativen       Zwecksetzung        wie    der    Erklärung      der    Qualität     der    Führer-
/Geführtenbeziehung          (Leader-Member-Exchange),            der       (Re-)Produktion       eines
Führungskredit            (Idiosynkrasiekreditmodell),           der       Transformation          von
Produktivitätsgewinnen (Transaktionaler Ansatz), dem strategischen Führungsverhalten
(Mikropolitischer         Ansatz),     der    Sinndimension        von    Führung       (Symbolische
Führungsansätze) und der Reproduktion von sozialen Führungssystemen (Systemische
Ansätze).


20
     Wie beispielsweise der attributionstheoretische, der psychodynamische, der kritische Ansatz, um nur
einige zu nennen


                                                    28
Des Weiteren wird deutlich, dass eine Vielzahl von Ansätzen auf bereits bestehenden,
allgemeinen Theoriegerüsten wurzelt, dessen Untersuchungsgegenstand nicht oder nicht
ausschließlich der Thematik Führung entspricht. Zu nennen sind Gruppenforschung
(Leader-Member-Exchange,        Idiosynkrasiekreditmodell),      die    Kulturforschung
(Symbolische Führungsansätze), die Systemtheorie (Systemische Ansätze) und die
Machttheorie (Kritische Theorie, Mikropolitischer Ansatz). Dies verdeutlicht zum einen
die Schwierigkeit der Erklärung von Führung und zum anderen unterstützt es die Kritik
an der Vereinfachung von Realität. Wozu sollten Forscher mit Hilfe von anderen
Methodiken und Annahmen einen Sachverhalt untersuchen, wenn seine herkömmlichen
Mittel ausreichen, um Wahrheit zu leisten.
Wir folgern. Führung benötigt eine Betrachtung, welche alle Elemente und
Dimensionen von Führung abbildet, um somit ihrer Komplexität gerecht zu werden, und
trotz allem nicht in allgemeine Beschreibungen verläuft. Neben der Kombination von
Erkenntnissen der herkömmlichen Führungstheorien besitzen unserer Meinung nach
Denkkonzepte     wie   die   allgemeine      Systemtheorie,   welche   sich   selbst   als
Universaltheorie versteht, die Formtheorie und die Netzwerktheorie das Potential für ein
besseres Verständnis von Führung.




                                             29
Variablen                                                    Dimensionen            Erklärungszusammenhang                             Erklärungszweck
     Eigenschaftsansatz         Eigenschaften des Führers                                    Sachdimension          Korrelation zwischen Eigenschaften des Führers und Führungserfolg
                                                                                                                    dem Führungserfolg
     Verhaltensansatz           Verhalten (Führungsstil) der                                 Sachdimension          Korrelation zwischen Führungsstil und dem         Führungserfolg
                                Führungskraft                                                                       Führungserfolg
     Situativer Ansatz          Verhalten (Führungsstil) der                                 Sachdimension (bei     Korrelation zwischen dem idealem Führungsstil für Führungserfolg,
                                Führungskraft, Erwartungen,                                  Führungsverhalten);    konkrete Kontextsituation und dem Führungserfolg Führungseffektivität
                                Fähigkeiten, unterschiedliche                                Sach-, Zeit- und




                                                                  Quelle: Janis Zech, 2008
                                Kontextfaktoren                                              Sozialdimension (bei
                                                                                             Kontextfaktoren)
     Transformationaler Ansatz
     - Leader-Member-          Führer-/Geführteninteraktion           Sach-, Zeit-,                                 Korrelation zwischen Führer-/Geführteninteraktion   Qualität der Führer-
     Exchange                                                         Sozialdimension                               und deren Beziehungsqualität                        /Geführtenbeziehung
     - Idiosynkrasie-          Verhalten von Mitarbeiter und Führern, Sach-, Zeit-,                                 Korrelation zwischen Mitarbeiterverhalten/ -        (Re-) Produktion eines
     kreditmodell              deren Interaktion und Wahrnehmung Sozialdimension                                    wahrnehmung und (Re-) Produktion eines              Führungskredit
                                                                                                                    Führungskredits




30
     Charismatische Führung     Eigenschaften, Fähigkeiten, Werte,     Sach-, Zeit-,                                Korrelation zwischen dem von den Mitarbeiter        Führungserfolg
                                Interessen von Führer/ Geführten,      Sozialdimension                              wahrgenommenen Charisma der Führungskraft und
                                Wahrnehmung der Geführten                                                           dem Führungserfolg
     Transaktionaler Ansatz     Eigenschaften, Werte und Verhalten der Sach-, Zeit-,                                Korrelation zwischen sozialer Interaktion von       Führung als Faktor zur
                                Führungskraft; Interessen, Werte,      Sozialdimension                              Führung und Produktionvitätsgewinnen                Steigerung der
                                                                                                                                                                                                  Abbildung 2: Zusammenfassung der Führungsanalyse




                                Rollenverständnis und Wahrnehmung                                                                                                       Produktivität
                                der Geführten
     Mikropolitischer Ansatz    Interessen von Führer/ Geführten,      Sach-, Zeit-,                                Korrelation zwischen Interaktion von Führer/        Strategisches
                                Interaktion, Führungsinstrumente &     Sozialdimension                              Geführten und strategischem Verhalten               Führungsverhalten
                                Kontextfaktoren
     Symbolische                Führer/ Geführten, Kommunikation,      Sach-, Zeit-,                                Korrelation zwischen Kommunikation/ Interaktion     Erklärung der Rolle von
     Führungansätze             Wahrnehmung, Führungsinstrumente, Sozialdimension                                   von Führer/ Geführten und der Sinndimension von     Symbolen in
                                Interaktion von Führungskräften und                                                 Führung                                             Führungsprozessen
                                Geführten
     Systemische Ansätze        Kommunikation, Kontextfaktoren         Sach-, Zeit-,                                Korrelation von Kommunikation und der               Reproduktion von
                                                                       Sozialdimension                              Reproduktion von sozialen Führungsystemen           sozialen
                                                                                                                                                                        Führungssystemen
4     Die Führung in Unternehmungen

Nachdem wir mit Hilfe des Modells Führung im Kontext von Sach-, Zeit- und
Sozialdimension untersucht haben, entwickeln wir unseren eigenen Ansatz von
Führung:      Zu Beginn beschreiben wir die Methodik, auf der unserer Ansatz basiert.
Hierbei sind neben der Begriffsklärung vor allem die getroffen Grundannahmen von
Bedeutung und die Beschreibung der Notation einer Form. Nachfolgende konzentrieren
wir uns auf die Entwicklung des eigenen Ansatzes, einer Betrachtung von Führung in
Unternehmen. Wir arbeiten mit einem Formkalkül, welches erlaubt komplexe
Sachverhalte in Form von Unterscheidungen darzustellen. Abschließend fassen wir die
Ergebnisse zusammen.


4.1    Die Methodik

Wie in der obigen Zusammenfassung dargestellt, basieren die meisten Führungstheorien
auf Methodiken, dessen Untersuchungsschwerpunkte in erster Linie nicht zur
Betrachtung von Führung entwickelt wurden. So bauen der transaktionale Ansatz auf
der Gruppenforschung, der Symbolische auf der Kulturforschung, der Mikropolitische
auf der Machttheorie und der Systemische auf der Systemtheorie. Zusätzlich fanden wir
auch     Rückbezüge    innerhalb    der   Führungsforschung.     Die    charismatische
Führungsforschung entspricht einer Ausdifferenzierung des Eigenschaftsansatzes und
der situative Ansatz referiert auf die Unterscheidungen des Verhaltensansatzes
(Mitarbeiter-/Aufgabenorientierung).
Wir versuchen einen interdisziplinären Erklärungsansatz von Führung zu entwickeln,
dessen   Grundlage die neuere Systemtheorie Niklas Luhmanns (1987),                die
Unterscheidungstheorie von Spencer Browns (1969) und deren Weiterentwicklung von
Dirk Baecker (1993) sowie die bereits dargestellten Führungstheorien bilden.

4.1.1 Die Annahmen
Wir nehmen an, dass es sich bei Führung um ein soziales System handelt, wobei diese
Aussage bereits auf vielfältige Theoriekonzepte von W. Ross Ashby (1958), Gregory
Bateson (1982), George Spencer Brown (1969), Heinz von Foerster (1993), Ranulph
Glanville (1982), Niklas Luhmann (1987), Claude E. Shannon und Warren Weaver
(1963) referiert.
Annahme 1: Führung ist komplex.
                                          31
Wie bereits bei der obigen Analyse deutlich wird, handelt es sich bei Führung um einen
Sachverhalt, welcher durch Komplexität gekennzeichnet ist. Dies wird nach Luhmann
als „eine zusammenhängende Menge an Elementen bezeichnen, wenn auf Grund der
immanenten Beschränkungen der Verknüpfungskapazität der Elemente nicht mehr jedes
Element jederzeit mit jedem anderen verknüpft sein kann“ (1987: 46). Im Umgang mit
Komplexität selektiert das Führungssystem die Beziehung seiner Elemente, sprich es
relationiert die Relationen zwischen den einzelnen Elementen, lässt somit gewisse
Beziehungen zu und schließt andere grundlegend aus. Dies entspricht Weaver’s Idee der
organisierten Komplexität (1948:536 ff.). „denn organisierte Komplexität heißt nichts
anderes als Komplexität mit selektiven Beziehungen zwischen den Elementen“
(Luhmann,         1987:      46).   Das    Modell       Medium      der    Führung      bildet     diese
Mehrdimensionalität von Führung ab und verdeutlicht die Kontingenz in der Selektivität
zur Erklärung des Phänomens Führung. Dabei wird ausgespart, wie wissenschaftliche
Betrachtungen von Führung mit der Problematik der Überwältigung umgehen, was
Führung überhaupt handlungsfähig macht? Reflektion der eigenen Selektion im
Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand ist nicht gerade die Stärke der vorgestellten
Ansätze. Kontingenz folgt nach Luhmann aus der Annahme der Komplexität:
„Komplexität         [...]   Selektionszwang,      Selektionszwang        heißt    Kontingenz,      und
Kontingenz heißt Risiko. Jeder komplexe Sachverhalt beruht auf einer Selektion der
Relation zwischen seinen Elementen, die er benutzt, um sich zu konstituieren und zu
erhalten“ (1987:47). Somit beruht jeder komplexe Sachverhalt auf der Relationierung
seines Möglichkeitsraumes, seiner Elemente (1987:47). Diese Form der Reduzierung
von       Komplexität,       der    „Relationierung     von     Relationen“       (1987:49),     schafft
Systemstrukturen wie bestimmte Beziehungsnetzwerke oder Macht, Ressourcen oder
Kompetenzbereiche von Führung in Unternehmen, welche die Wahrscheinlichkeit für
bestimmte Formen der Kommunikationen zulassen. Gleichzeitig bedeutet jede
Bestimmung          von      wiederkehrender     Kommunikation        die Ausgrenzung            anderer
Kommunikationsmöglichkeiten. Es gibt folglich Formen der Kommunikation, die
anschlussfähiger sind als andere und somit Führung reproduzieren. Wir schauen, welche
spezifische Form der Kommunikation Führungssysteme reproduzieren21 und welche
Kontexte die Kommunikation von Führung in Unternehmen rahmt. Nach Luhmann
heißt „Kommunizieren Beschränken“ (1987: 66), Shannon’s Sender-Transmitter-

21
     dies entspricht der Operation der Führung in Unternehmen, an dessen Reproduktion das soziale System
arbeitet.
                                                   32
Empfänger-Modell sieht Nachrichten als eine Selektion aus dem Raum von möglichen
Nachrichten (1963: 31), was bereits eine gewisse Kontingenz impliziert, denn der
Empfänger hätte auch anders selektieren können. Nachrichten müssen immer in
Relation zu Ihrem Möglichkeitsbereich gelesen werden, damit statistisch errechnet
werden kann, wie wahrscheinlich es ist, dass die gesendete Nachricht l (anstatt als
kleines L) bei der Übermittlung durch Rauschen verzerrt auch als 1 (die Zahl Eins) und
nicht als „kleines L“ empfangen wird. Um die Zahl 1 entziffern zu können, muss der
Empfänger den Möglichkeitsraum der natürlichen Zahlen kennen, um selektieren zu
können, was gemeint ist. Nach Baecker arbeitet Kommunikation an der Bestimmung
des Unbestimmten (2005: 23), er notiert Shannon’s Kommunikationsbegriff als
Unterscheidung        von    Selektion    und    Redundanz (2005:        24),    entwickelt    den
Kommunikationsbegriff als Unterscheidung von kommunikativer Bezeichnung/
Unterscheidung weiter (2005: 60), um letztendlich den Begriff des Freiheitsgrads
einzuführen. Diesen verwendet er um darzustellen, dass bei Beschreibung von Welt
mithilfe von Variabeln immer Bestimmungsspielsräume mitgelesen werden. Folglich
bildet Kommunikation die Bestimmung von Freiheitsgraden im Kontext von
Konditionierung (2005: 63ff.). Der Aspekt der Freiheitsgrade spielt eine wesentliche
Rolle für das nachfolgend notierte Formkalkül.
Grundlegend für unseren Ansatz ist die Annahme, dass alles Gesagte zu einem
Beobachter gesagt wird (von Foerster, 1993: 85). Maturana und Varela fügen hinzu,
dass alles Gesagte von Jemanden (dem Beobachter) gesagt wird (1987: 32).22 Diese
Annahmen gelten auch für soziale Systeme. Sie haben die Fähigkeit, sich selbst zu
beobachten (1987:66), was der „Handhabung von Unterscheidungen“ (Luhmann, 1987:
63) entspricht. Systeme beobachten die eigens getroffenen Unterscheidungen und
führen ihre konstitutive Unterscheidung, die System/ Umwelt Unterscheidung, wieder
in das System ein. Führung stellt dabei eine Beziehung zu sich selbst her, wobei diese
Beziehung in Differenz zur Beziehung ihrer Umwelt steht (Luhmann, 1987: 31).
Zusätzlich nehmen wir an, dass das Führungssystem operationell geschlossen ist. Dies
bedeutet, dass das soziale System der Führung entscheidet, welche Form der
Kommunikation einen Unterschied macht, der wiederum einen Unterschied im System
nach sich zieht (Bateson, 1982: 580) oder, anders ausgedrückt, die Wahrscheinlichkeit


22
     Das unterliegende Prinzip dieser Annahmen ist der des radikalem Konstruktivismus, welcher sich
gegen die ontologische Ansicht von Welt wendet und die Welt als Konstruktion der Beobachter
beschreibt.
                                                 33
von Anschlusskommunikationen bestimmt. Dieser Bezug auf sich selbst legt den
Grundstein für den von Maturana und Varela vorgeschlagenen Begriff der Autopoiesis
(1987: 55ff.). „Auto“ bedeutet „selbst“ und bezeichnet hier die Autonomie
selbstorganisierender Systeme. Poiese basiert aus derselben griechischen Wurzel wie
das Wort „Poesie“ und bedeutet „machen“. Somit heißt „Autopoiese“ wörtlich
Selbstmachen (Capra, 1996). Zur Reproduktion beziehen Systeme sich auf sich selbst,
also auf die Unterscheidung System/ Umwelt, da durch die Beobachtung der System/
Umwelt-Unterscheidung Anschlussunterscheidungen (in sozialen Systemen in Form
von kommunikativen Operationen) getroffen werden (Luhmann, 1987: 63). Wir
selektieren folglich die konstitutiven Unterscheidungen, welche von Führung getroffen
immer wieder getroffen werden. Hierbei entscheiden Operationen, so genannte
systemspezifische Form der Kommunikation, über die Wahrscheinlichkeit von
Anschlussoperationen. Nach Luhmann differenziert sich die moderne Gesellschaft in
funktionale Subsysteme mit jeweils verschiedenen Reproduktionsmechanismen. So
kommuniziert beispielsweise die Wirtschaft über Knappheit/Überfluss, die Politik über
Macht/Ohnmacht, das Rechtssystem über Recht/Unrecht und die Wissenschaft über
Wahrheit/ Unwahrheit (Luhmann, 1998: 482). Wie bereits oben erwähnt, konzentrieren
wir uns auf Führung in Unternehmen, den Organisationen im Kontext der Wirtschaft,
markieren somit unseren Untersuchungs- und Erkenntnisraum durch den Ausschluss
aller anderen funktionalen Gesellschaftssysteme. Wir betrachten Führung in
Unternehmen als ein Subsystem der Wirtschaft, welche die Systemreferenz darstellt.
Möglicherweise greift die Unternehmensführung Störungen anderer Funktionssysteme
auf und verarbeitet diese im Führungssystem.23 Diesen Aspekt berücksichtigen wir
durch den Aspekt der Gesellschaft.
Ausgehend von diesen Theoriekonzepten suchen wir nach der Operation des
Führungssystems,          also   der   spezifischen     Form    der    Kommunikation,        welche
Anschlusskommunikationen im Führungssystem bedingen. Wir beobachten, welche
Unterscheidungen das Führungssystem reproduziert, wie sich also ein Führungssystem
selbst      beobachtet,     welche     rekursive    Form     des    Zugriffs    auf    Komplexität
Führungssysteme ausbilden und welche Einschränkungen und Ausschränkungen das
Geschehen von Führung bestimmen. Zur Beschreibung eines solch schwierigen


23
     Diese Diskussion griff der Ökonom Milton Friedman durch sein Argument auf, dass das Kerngeschäft
von Firmen der Profit sei, woraufhin eine breite Diskussion über die Zwecksetzung von modernen
Unternehmungen der 20. Jhd. entfachte (1970).
                                                   34
Sachverhalts wie Führung verwenden wir das Unterscheidungskalkül von Spencer
Brown. Dies bedarf allerdings einer kurzen Einführung zum besseren Verständnis.

4.1.2 Die Form
Im Folgenden führen wir kurz in die Formtheorie Spencer Browns ein. Hierbei bildet
der kreative Akt der Unterscheidung den Ausgangspunkt einer Form, wobei eine
Unterscheidung immer einem Beobachter zugeschrieben werden muss. Nach Korzybski
sind Formalismen ähnlich wie Modelle nur hilfreich, wenn die wenigen Variablen, auf
die sich auf unserer Formalismus anschließend konzentriert, im bewussten Kontext der
unendlichen Anzahl an Variablen der Welt steht (1958: 276). Somit sollten
Vereinfachungen durch Modelle oder anderen Formalismen im Kontext von allem
Ausgeschlossenen stehen und die Schlüsse dementsprechend als theoretische
Betrachtungsweise von Welt gelesen werden.
Nach Gumbrecht muss eine soziologische Formtheorie, deren Betrachtungsweise wir in
Bezug auf das Thema „Führung in Unternehmen“ adoptieren, als eine Konstruktion der
Wirklichkeit verstanden werden. Eine weitere Vorraussetzung ist, dass die Form einem
Ereignis entsprechen muss - anderenfalls wäre sie nicht beobachtbar (1996: 587).


Aber nun erst einmal zur Notation des Formalismus von Spencer Brown - er notiert die
Asymmetrie der Unterscheidung mithilfe eines Hakens:




Die   vertikale   Linie   zieht   die   Unterscheidung,   beispielsweise   Führung   in
Unternehmungen von allem Anderen, und die horizontale Linie bezeichnet das, was
man beobachtet – hier: Führung in Unternehmung. Wichtig ist, dass beim Treffen einer
Unterscheidung immer nur eine Seite der Unterscheidung beobachtet und bezeichnet
wird. Dies ist der „marked state“, die Innenseite der Unterscheidung im Gegensatz zum
„unmarked state“, der Außenseite der Unterscheidung.
Wir beziehen uns auf den nach Baecker verwendeten Formbegriff, welcher Operation
auf der Innenseite und den Kontext der Operation auf der Außenseite notiert (2005: 65).
Das Kalkül ermöglicht dem Beobachter weitere Kontexte zu bezeichnen, wobei
allerdings immer die Außenseite, also alles andere, der unbestimmte Zustand,
mitschwingt. Dadurch wird die Kontingenz der Selektion der unterschiedenen Begriffe
                                       35
deutlich und somit die Konstruktion des Beobachters, welcher diese bezeichnet und
unterscheidet. Die Außenseite der Unterscheidung wird erst deutlich im Akt der
Reflektion – wobei gleichermaßen das Prinzip des Nichtsehens von von Foerster gilt
(von Foerster, 1993: 27). Dies stützt abermals die Aussage der Kontingenz der Selektion
des Beobachters, welcher ebenfalls eine andere Unterscheidung treffen könnte oder wie
Baecker es auf den Punkt bringt: „Der Formbegriff beschreibt eine unbestimmte
Bestimmtheit, in die sich abhängig von der Beobachterperspektive unterschiedliche und
unterscheidbare Bestimmungen einzeichnen können. Er ist damit ein Relationsbegriff,
der alternativ zum Begriff der Kausalität, der Bestimmtes mit Bestimmtem in
Verbindung bringt, verstanden werden kann“ (Baecker, 2005: 68f.) und sich somit für
unseren Zweck, der Beschreibung von Führung in Unternehmung, sehr gut eignet.
Nach Spencer Brown gibt es nur drei allgemeingültige Gesetze für den Umgang mit der
Notation der Form:

4.1.2.1 Laws of calling
„The value of a call made again is the value of the call“ (Spencer Brown, 1969: 1f.).


                                                        =


Das Gesetz der Nennung beschreibt den Wert einer wiederholten Nennung24.
Nennungen bezeichnen eine Seite der Unterscheidung, in der Notation durch die
horizontale Linie verdeutlicht. Der Wert einer einfachen Nennung ist gleich dem Wert
einer wiederholten Nennung, da die Eindeutigkeit der Nennung nur die eine Seite
beschreibt. Wird etwas ein zweites Mal benannt löst dies keinen relevanten Unterschied
aus. Somit gleichen zwei Nennungen einer Nennung. Dies nennt Spencer Brown eine
wertindifferente Vermehrung, was der Möglichkeit beliebiger Vervielfältigung ohne
qualitative Verschiedenheit entspricht (1969: 83). Wir beispielsweise unterscheiden
Führung von allem anderen. Führung unterschieden von allem anderen und Führung
unterschieden von allem anderen bleibt nach Spencer Brown Führung unterschieden
von allem anderen.

4.1.2.2 Laws of crossing
„The value of the crossing is not the value of the crossing. That is to say, if it is intended
to cross a boundary and then it is intended to do it again, the value indicated by the two


24
     Nennung kann im Folgenden mit Bezeichnung gleichgesetzt werden.
                                                  36
intentions taken together is the value indicated by none of them. That is to say, for any
boundary, to recross is not to cross“ (Spencer Brown, 1969: 1f.).

                                                =


Das „Gesetz der Grenzüberschreitung“ behandelt den Wert einer Grenzüberschreitung.
Die Grenzüberschreitung kann sowohl von der bestimmten als auch von der
unbestimmten Seite vorgenommen werden. Als Grenze wird der Unterschied der beiden
Seiten verstanden – sie ist durch den vertikalen Strich markiert. Das Axiom sagt aus,
dass der Wert einer wiederholten Grenzüberschreitung nicht dem Wert einer einfachen
Überschreitung entspricht (Spencer Brown: 1f.). Die wiederholte Grenzüberschreitung
hebt die Bestimmtheit der Ausgangsunterscheidung auf und wandelt den „marked state“
in einem „unmarked state“. Nach Spencer Brown gibt es drei Möglichkeiten der
Grenzüberschreitung: die einfache, die wiederholte oder beide zusammen – keine dieser
Möglichkeiten weist den gleichen Wert auf. Folglich handelt es sich damit bei der
Grenzüberschreitung um einen relevanten Unterschied (1969: 87).

4.1.2.3 Re-entry
Die Ebene des Re-entries bezeichnet den Wiedereintritt der Unterscheidung in den
Raum der Unterscheidung und kann als Reflektionsebene, als Beobachtung zweiter
Ordnung, verstanden werden. Man beobachtet die getroffene, relevante Unterscheidung.
Diese Reflektion der Unterscheidung schafft einen Blick für das, was die Beobachtung,
also das Benennen einer Unterscheidung (den marked state), ausklammert und sorgt
damit für die Möglichkeit der Oszillation zwischen der Innen- und Außenseite der
Unterscheidung. Eine Operation, welche beide Seiten der Form beobachten kann wird
als Re-entry bezeichnet (Spencer Brown, 1969: 56, 65). Die Notation führt somit die
Unterscheidung wieder in den Zustand der Unterscheidung ein. Formen werden damit
selbstbezüglich (Baecker 2005: 57).




Nach Baecker ist die Selbstbezüglichkeit der Form das Fundamentale an dem
Denkkonzept Spencer Browns (1969: 24f.). Es ermöglicht modellhafte Abbildung von
rekursiven Betrachtungen.



                                           37
Das Führungssystem der Unternehmung reproduziert sich folglich aus seinen eigenen
Bezeichnungen und Unterscheidungen, welche stetig getroffen und erneuert werden.
Ein konkretes Beispiel für diese Selbstbezüglichkeit stellt die Ausgangsunterscheidung
Entscheidungsmacht/ Netzwerke unseres Führungskalküls dar. Die These lautet:
Führung in Unternehmen kommuniziert die Macht der Entscheidung im Kontext von
Netzwerken, welche diese Kommunikation beschränken – dies entspricht einer
relevanten Unterscheidung. Dieser Unterschied wird ständig reproduziert, das
Führungssystem beobachtet sich selbst bei dem Treffen der Unterscheidung – dies
entspricht       der   Ebene     des     Re-entries.      Das      Treffen   der   Unterscheidung
Entscheidungsmacht/ Netzwerke bezeichnet die Entscheidungsmacht im Kontext des
Netzwerkes – die Wiedereinführung jedoch macht die Ungewissheit dieser
Wiedereinführung klar.

4.1.2.4 Fazit
Zur Darstellung der Führung in Unternehmen verwenden wir die Notation Spencer
Browns. Das Formkalkül folgt einer klaren Logik, welche auf den beschriebenen
Axiomen          Spencer   Browns       basieren.     Wir     beschreiben    die   Operation    des
Führungssystems (marked state), bestimmten dessen Kontexte und benennen die
Beobachtung         zweiter    Ordnung     (den      „Re-entry“)     durch   die   Reflektion   der
Unterscheidung. Abbildung 3 stellt diese Vorgehensweise bildlich dar:


Abbildung 3: Das Formkalkül


Form         =      Operation          Kontext'          Kontext''           ...         X

                                         Re-entry'

                                                            Re-entry''

                                                                                   ...
Quelle: Baecker, 2006


Zum einen bleibt die Anzahl der Kontexte offen, wie die obige Abbildung verdeutlicht.
Schon daran wird die Flexibilität der Notation deutlich. Zum anderen erfüllt das Kalkül
ebenfalls den von Korzybski geforderten Modellkontext der unendlichen Anzahl an
Variablen der Welt (1958: 276), welcher durch den „unmarked state“ (hier durch X

                                                    38
gekennzeichnet) berücksichtig ist. Folglich ist diese Notation für unseren Zweck, der
Beschreibung von Führung in Unternehmen, sehr gut geeignet.


4.2   Der Ansatz

In diesem Abschnitt präsentieren wir unsere Form der Führung. Die Notation setzt den
Untersuchungsgegenstand, die Führung in Unternehmen, mit einem differenzierten
Unterscheidungskalkül gleich. Unsere Form der Führung in Unternehmungen (siehe
Abbildung 4) besteht aus sechs bezeichneten Variablen, welche voneinander
unterschieden werden. Diese Unterscheidungen werden von dem Führungssystem
immer wieder getroffen und stehen in einem kommunikativen Zusammenhang. Dies
soll heißen, dass diese Unterschiede im Führungssystem kommuniziert werden.
In Reflektion auf das Modell sind wir uns bewusst, dass bei Einschluss der Variablen
eine Vielzahl, teilweise zur Erklärung von Führung in Unternehmen ebenfalls
interessante Aspekte, wegfallen. Dieses Dilemma ist jedoch wie bereits bei dem ersten
Modell beschrieben schwer zu umgehen. Einzig die gewählte Notation verringert wie
oben dargestellt die angesprochene Problematik.
Wir notieren mit Hilfe von Spencer Brown folgendes Kalkül und beschreiben
anschließend die Variablen, die Unterscheidungen und die Wiedereintrittsebenen.


Abbildung 4: Form der Führung in Unternehmungen

 Quelle: Janis Zech, 2008




Führung in       Entscheidungs-           Organisation der
               =                Netzwerke                    Wirtschaft   Gesellschaft   Individuen   X
Unternehmungen       macht                Unternehmung

                            Ungewissheit

                                           Konflikt

                                                         Markt

                                                                 Unternehmenskultur

                                                                                      Rollen




                                           39
4.2.1 Entscheidungsmacht
Führung in Unternehmen bearbeitet die Macht der Entscheidung. Nach Luhmann
kommunizieren Organisationen, wobei das Unternehmen einen spezielle Form der
Organisation im Kontext der Wirtschaft darstellt, Entscheidungen (2000: 63f.). Führung
in Unternehmen greift diesen Aspekt auf und bearbeitet die Verteilung von
Entscheidungsgewalten, deren Legitimation und zeitliche Veränderungen sowie soziale
Akzeptanz von Machtverhältnissen. Die Kommunikation über die Macht zum
Entscheiden ist es, was im Führungssystem sowohl produziert als reproduziert wird.
Nach Mintzberg beschreibt Macht die Fähigkeit, Einfluss auf organisatorische
Ergebnisse zu nehmen (1983) und Weber sieht Macht als jene Chance den Willen gegen
Widerstreben des sozialen Kontextes durchzusetzen (1972). Nach Luhmann „geht es um
die Zurechnung von Verantwortung, also auch um die Entlastung von Verantwortung
oder schließlich um die Bestimmung der Stelle, auf die man einwirken muss, wenn man
die Entscheidung des Systems beeinflussen will“ (Luhmann, 2000: 200). Er macht
deutlich, dass Entscheidungsmacht nicht losgelöst von Verantwortung gedacht werden
kann, deren Verteilung Konflikte bedingen kann und somit für die Neuordnung des
Führungssystems sorgt. Des Weiteren steht neben dem Aspekt der Macht die
Unsicherheit, welche durch Machtordnungen innerhalb der Unternehmung dem
Führungssystem die Möglichkeit zur Beobachtung der eigenen, unsicheren Zukunft gibt
(Luhmann, 2000: 220). Diesen Aspekt greifen wir in der Beschreibung des ersten „Re-
entries“ wieder auf.
Nach Bennis und Nanus bildet Macht die Grundlage für anfängliches und nachhaltiges
Handeln sowie die Transformation von Intention in die Unternehmensrealität (1985:
17). Gardner weißt darauf hin, das die Ausübung von Macht nicht die beabsichtigten
Wirkungen haben muss (1986a: 5), was von Foersters Idee der nicht trivialen Maschine
entspricht, deren Informationstransformationsalgorithmus verborgen bleibt.
Zusammenfassend wird durch die obigen Definitionsversuche deutlich, dass
Entscheidungsmacht soziale, zeitliche und sachliche Dimensionen abdeckt. Sozialität
besitzt Entscheidungsmacht durch relative Beobachtung, welche Ablehnung oder
Zustimmung nach sich zieht. Zeitlichkeit entspringt den Veränderungen der
Kommunikation im Netzwerk, der Organisation, der Wirtschaft, der Gesellschaft und
den Individuen sowie allem Anderen, kurz: durch die Veränderungen der
nachgelagerten Variablen. Sachlichkeit kommt den anschlussfähigen, kommunikativen
Unterscheidungen       gleich,   welche   im    Unternehmen    beispielsweise   durch
                                           40
Entscheidungen nach effizienten und effektiven Knappheitskalkülen (nach ökonomisch
Kalkülen) oder     durch Erhöhung von Einflussnahme auf Entscheidungen (nach
unternehmenspolitischen Kalkülen) deutlich werden.
Führung kommuniziert Entscheidungsmacht. Das ist es, worauf Führung in
Unternehmen sich beschränkt und was für Anschlusskommunikationen sorgt. Den
Kontext dieser Operation bilden Netzwerke, denn nach Foucault entspricht die Macht
„nicht etwas, was man erwirbt, wegnimmt, teilt, was man bewahrt oder verliert; die
Macht ist etwas, was sich von unzähligen Punkten aus und im Spiel ungleicher und
beweglicher Beziehungen vollzieht.“ (Foucault, 1983: 115).

4.2.2 Netzwerke
Das Zitat Foucaults beschreibt bereits sehr gut, was wir unter einem Netzwerk
verstehen. Wir beziehen uns im Folgenden auf den soziologischen Netzwerkbegriff von
White und Baecker:
„Ein Netzwerk verwebt Identitätsentwürfe von Personen, Institutionen, Ideologien und
Geschichten zu einem Versuch wechselseitiger Kontrolle, der an den Identitäten, die
hier im Spiel sind, laufend scheitert und daraus, nämlich aus den resultierenden
Unsicherheiten, seine nächsten Motive rekrutieren“ (Baecker, 2005: 226).
Baecker beschreibt nach White Netzwerke als Kontrolle im Kontext von Identitäten,
wobei sowohl Kontrolle als auch Identitäten wiederum als Differenzen betrachtet
werden. Identität gleicht der Wiedereinführung der Unterscheidung Abweichung/Norm
in die Abweichung (2005: 228f.). Kontrolle gleicht der Wiedereinführung der
Unterscheidung Abweichung/Ziel in die Abweichung (2005: 230f.). Netzwerke können
nicht gezielt errichtet, verändert oder kontrolliert, sondern vielmehr gestört und
geschwächt werden. Auch die Teilnahme kann nicht selbst entschieden werden, das
Netzwerk    entscheidet   über   Identitätsvorschläge,   welche   bei   Übernahme    in
Kontrollvorgänge transferiert werden (Baecker, 2005: 232).
Was bedeutet dies für Führung in Unternehmungen?
Dieser Netzwerkbegriff integriert sowohl Individuen als auch Institutionen, Geschichten
und Ideologien. Zusammen rahmen sie die Kommunikation über die Macht der
Entscheidung. Bedeutend hierbei ist, dass die Struktur des Netzwerks diese Operation
insofern bestimmt, als das es bestimmte kommunikative Verknüpfungen zulässt und
fördert, andere jedoch damit verhindert oder über die Zeit austrocknet. Dieser
Sachverhalt hängt mit der Struktur von Netzwerken zusammen, welche Knoten
zwischen Individuen, Institutionen, Geschichten und Ideologien bildet. Daraus
                                      41
entstehen        Netzwerke,       welche     die     Kommunikation         von        unterschiedlichen
Funktionsbereichen auf einer Hierarchiestufe oder gleichen Funktionsbereichen auf
unterschiedlichen Hierarchiestufen bestimmen, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Nach Baecker definiert jedes Netzwerk seine eigenen Handlungspotentiale, seine
Empfindlichkeiten für unterschiedliche Umwelten und seine Indifferenz gegenüber
allem anderen. Die Leistung von Führung stellt es dar, zwischen diesen Netzwerken zu
wählen, was bei einer größeren Anzahl an Netzwerken die Schwierigkeit der
Führungsaufgabe steigert (2003: 282f.). Die Kommunikation von Entscheidungsmacht
muss erst einmal das „richtige“ Netzwerk selektieren, welches für die spezifische
Reproduktion dieser Kommunikation geeignet scheint. Dies erhöht die Ungewissheit,
somit die Kontingenz der Kommunikation und folglich die Schwierigkeit der formal
zugeschrieben Führungsaufgabe. Andererseits verdeutlicht es die Beschränktheit von
formalen Führungstiteln, welche von Netzwerken gerahmt sind, deren Wirkungen
unsicher sind. Diese Spannung zwischen Organisation der Unternehmung25 und den
Netzwerken bietet großes Konfliktpotential (siehe „Re-entry“ Konflikt).
Ein weiterer interessanter Aspekt der Führung im Hinblick auf Netzwerke ist, dass es
sich meistens um asymmetrische Beziehung handelt, bei der die eine mehr und die
andere Partei weniger Entscheidungsmacht innehält. Der Führer nutzt die Macht, um
Entscheidungen auch gegen den Willen der Geführten durchsetzen zu können und
Zustimmungen in Form von kommunizierten „Ja’s“ erwartet (Baecker, 2003: 280).

4.2.3 Entscheidungsmacht/ Netzwerke
Die erste Unterscheidung der Führung in Unternehmen bildet Entscheidungsmacht und
Netzwerke. Die Kommunikation über Entscheidungsmacht operiert im Kontext von
unternehmensinternen und -externen Netzwerken, welche durch Kontroll- und
Identitätsversuche die Machtverhältnisse der Entscheidung rahmen. Es bilden sich
Relationen der Netzwerkelemente, dessen Struktur die Anschlusskommunikationen von
Entscheidungsmacht beschränkt. Besteht keine direkte und indirekte Verknüpfungen
zwischen A (Personen, Geschichten, Ideologien, Institutionen etc.) und B (Personen,
Geschichten,        Ideologien,     Institutionen     etc.),   ist   die   Wahrscheinlichkeit       für
Anschlusskommunikation gering, da die Netzwerke dies nicht zulässt – die entspricht
einer Situation, bei der die notwendigen Elemente nicht in die relevanten Netzwerke der
Führung integriert sind. Interessant für die Führung ist allerdings, welche direkten und


25
     Der Begriff „Organisation der Unternehmung“ wird im Folgenden näher erläutert.
                                                    42
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B.A.-Thesis: Führung in Unternehmen

  • 1. „Führung in Unternehmungen – eine Darstellung“ Bachelor – Thesis in der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften an der Universität Witten/Herdecke vorgelegt von Janis Zech (janis.zech@googlemail.com) Betreut durch Prof. Dr. Arist von Schlippe, Inhaber des „Lehrstuhls für Führung und Dynamik“ Witten, den 21.07.2008 1
  • 2. Inhaltsverzeichnis 1 Der Abstrakt............................................................................................................ 4 2 Das Modell.............................................................................................................. 5 2.1 Die Elemente.................................................................................................... 6 2.2 Die Dimensionen.............................................................................................. 7 2.3 Die Reflektion .................................................................................................. 9 3 Die Analyse der Führungstheorien......................................................................... 12 3.1 Der Eigenschaftsansatz................................................................................... 12 3.2 Der Verhaltensansatz...................................................................................... 13 3.3 Der situative Ansatz ....................................................................................... 15 3.4 Der transaktionale Ansatz............................................................................... 18 3.5 Der charismatische und transaktionale Ansatz ................................................ 20 3.6 Der mikropolitische Ansatz ............................................................................ 23 3.7 Der symbolische Ansatz ................................................................................. 24 3.8 Der systemische Ansatz .................................................................................. 26 3.9 Die Zusammenfassung ................................................................................... 27 4 Die Führung in Unternehmungen .......................................................................... 31 4.1 Die Methodik ................................................................................................. 31 4.2 Der Ansatz ..................................................................................................... 39 4.3 Die Zusammenfassung ................................................................................... 58 5 Das Literaturverzeichnis........................................................................................ 60 2
  • 3. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Medium der Führung ............................................................................... 5 Abbildung 2: Zusammenfassung der Führungsanalyse ................................................ 30 Abbildung 3: Das Formkalkül ..................................................................................... 38 Abbildung 4: Form der Führung in Unternehmungen .................................................. 39 3
  • 4. 1 Der Abstrakt Die Ausarbeitung untersucht Führung in Unternehmungen und lässt sich in zwei Abschnitte gliedern: Im ersten Abschnitt analysieren wir die wissenschaftlichen Beiträge der Führungsforschung seit dem Erscheinen von Bernard’s Ausarbeitung “An introduction to social psychology” (1926). Wir entwickelt das Modell „Medium der Führung“, welches den Möglichkeitsraum von Führungselementen markiert und dem Zweck der anschaulichen Beschreibung wichtiger Führungstheorien dient. Mit Referenz auf das Modell beobachten und analysieren wir anschließend Führungstheorien wie Eigenschaftsansatz, Verhaltensansatz, den situativen, transaktionalen, transformationalen, mikropolitischen, symbolischen und abschließend den systemischen Ansatz. Wir prüfen, welche Elemente (Führer, Geführte, Kommunikation, Interaktion, Wahrnehmung etc.) und Dimensionen (sachlich, zeitlich und sozial) die unterschiedlichen Ansätze bestimmen, welche sie ausblenden und was dadurch jeweils verloren geht. Die Analyse endet mit einer Vernetzung der Ergebnisse, welche als Grundlage für die anschließend vorgestellte Form von Führung in Unternehmen dient. Ergebnisse dieser Analyse bilden Muster wie die Differenzierung des Untersuchungsgegenstandes, der Anschluss an bestehende Untersuchungen, die Ausdifferenzierung von bestehenden Theorien und die Anwendung von fachfremden Theorien auf den Untersuchungsgegenstand der Führung. Der zweite Abschnitt entspricht einer eigenen Darstellung von Führung in Unternehmungen. Unser Ansatz basiert auf einem interdisziplinären Theoriekonzept und bezieht herkömmlichen Führungstheorien als auch Systemtheorie, Formtheorie und Netzwerktheorie mit in die Darstellung ein. Wir nehmen an, dass es sich bei Führung in Unternehmungen um ein soziales System handelt, welches die System/ Umwelt Differenz durch ihre Selbstbezüglichkeit reproduziert. Die Kommunikation um die Macht der Entscheidung bildet hierbei die Ausgangsunterscheidung und wird durch die Kontexte Netzwerke, Organisation der Unternehmung, Wirtschaft, Gesellschaft und Individuen bestimmt. Neben der Selbstbezüglichkeit unterstellen wir dem System die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung. Im Prozess der Reflektion werden die obigen Unterscheidungen reflektiert und Aspekte wie Ungewissheit, Konflikte, Markt, Unternehmenskultur und Rollen treten hervor. 4
  • 5. 2 Das Modell Das Modell „Medium der Führung“ (siehe Abb. 1) versucht das multidimensionale Geschehen von Führung weitgehend vollständig abzubilden. Wir unterscheiden hierbei zwei Bereich, die Modellelemente und die Modelldimensionen, auf welche wir im Folgenden näher eingehen. Abbildung 1: Medium der Führung Quelle: Janis Zech, 2008 5
  • 6. 2.1 Die Elemente Das Modell stellt die wichtigsten Elemente von Führung in Form von Variablen dar. Diese beziehen sich auf die jeweiligen Untersuchungsgegenstände der Führungstheorien und deren repräsentieren die im Laufe der Zeit ausgearbeiteten Unterscheidungen. Die methodische Vorgehensweise zum Auffinden der Modellelemente entspricht einem dreigliedrigen Prozess. Der erste Schritt zielt auf das Auffinden des Möglichkeitsraumes für die Modellvariablen, oder wie wir sagen, das Auffinden des Mediums von Führung. Zu diesem Zweck führen wir eine umfassende Literaturrecherche des Forschungsfeldes Führung durch, wobei wir sowohl die nachfolgend beschriebenen, als auch weitere Führungstheorien analysieren. Wir beobachten Führungstheorien im Hinblick auf ihren Untersuchungsschwerpunkt, markieren die analysierten Elemente und leiten daraus den Möglichkeitsraum der Führungsforschung seit dem Jahr 19261 ab. Der zweite Schritt entspricht der Eliminierung von Doppelnennungen der Elemente und deren qualitative Ordnung. Anschließend erhöhen wir den Abstraktheitsgrad der Begriffe, was die Anzahl der Modellvariablen reduziert und Übersichtlichkeitsgewinne mit sich bringt. Neben diesem dreigliedrigen Prozess führen wir während des Schreibprozesses Reflektionsschleifen durch, welche weitere Spannungen zwischen Elementen aufdecken, um anschließend die Modellvariablen zu adjustieren. Wir fragen, worauf der jeweilige Erklärungsansatz von Führung schaut, wobei die Modellvariablen den Möglichkeitsraum der Führungsforschung markieren.2 Die Ein- bzw. Ausgrenzung der Elemente innerhalb unterschiedlicher Theorien und die Zeitlichkeit schafft Variabilität der Elemente und somit bezeichnen wir die Elemente auch als Variablen, welche durch den Beschreibungsprozess der Führungstheorien bestimmte Formen annehmen – die Betrachtung der Führungstheorien wandelt die Variabilität in bestimmte Elemente. Wir gehen folglich davon aus, dass jeder Beschreibungsansatz eine Selektion der Elemente aus dem „Medium der Führung“ vornimmt, sich somit auf bestimmte Elemente beschränkt, diese wiederum bestimmt um dadurch Erkenntnisgewinne zu erzielen (Heider, 1926; Baecker, 2005: 175 ff.). Diese Form der Selektion macht Systematisierungsversuche notwendig, um 1 Das Jahr 1926 kennzeichnet die Erscheinung von Bernard’s “An introduction to social psychology”. 2 wobei wir uns bewusst sind, dass es sich bei Modellen um eine vereinfachte Abbildung der Realität handelt, also um Komplexitätsreduktionen, was wiederum einige wichtige Elemente für Führung ausgrenzt (vgl. Abschnitt „Die Reflektion“). 6
  • 7. Erkenntnisgewinne der unterschiedlichen Ansätze zu strukturieren und zu konservieren. Gleichzeitig bedeutet jede Einschränkung auch Ausschränkung. Wir untersuchen die unterschiedlichen Beobachtungsperspektiven der Führungstheorien, beobachten folglich auf der Ebene zweiter Ordnung, was es uns ermöglicht, mit Referenz auf das Modell zu sehen, was der jeweilige Ansatz ausgrenzt.3 Im Hinblick auf die Führungselemente markiert die Literatur die Unterscheidung von Führer und Geführten, deren Eigenschaften, Fähigkeiten, Wertevorstellungen, Rollenverständnisse, Interessen und Erwartungen sowie gegenseitige Referenzen in Form von Verhalten (Interaktion), Kommunikation und Wahrnehmung. Diese Elemente werden von Kontextfaktoren wie beispielsweise Führungssituationen, Unternehmensarchitektur, -größe, -kultur, der Wirtschaft etc. gerahmt. Die Literaturrecherche beschränkt sich auf die wichtigsten Ansätze, welche den Möglichkeitsraum der Führungsvariablem komplett abbilden.4 Im Folgenden analysieren wir die Führungstheorie im Hinblick auf die Selektion und Bestimmung der Modellvariablen, wie diese in Relation zum Untersuchungszweck stehen und welche Spannungen in dieser Relation enthalten sind. Dabei wird gleichzeitig deutlich, welche Führungselemente von dem jeweiligen Erklärungsansatz ausgeblendet werden und welche Konsequenzen dies im Hinblick auf die von dem Erklärungsansatz bearbeitete Frage haben kann. 2.2 Die Dimensionen Wir beziehen uns bei Sach-, Zeit- und sozialen Dimension auf das Konzept Luhmanns, welcher diese drei Dimensionen als Dekomposition einer weiteren Dimension, der Sinndimension, beschrieben hat (1984). Dabei besitzen die Dimensionen eine gemeinsame Eigenschaft, sie entsprechen einer Unterscheidung oder anders ausgedrückt, einer Form mit zwei Seiten (Spencer Brown, 1969: 1). Dadurch wird die Sinndimension in zu beobachtbare Differenzen, nämlich in Bezug auf Sach-, Zeit- und Sozialdimension, dekompositioniert (Luhmann, 1984: 112 ff.), was erst ein Umgehen mit Ihr möglich macht. 3 Dies gilt ebenfalls für den eigens entwickelten Ansatz, welcher sich von diesem Dilemma nicht lösen kann 4 Hierbei handelt es sich um die Selektion der wichtigsten Leadership-Ansätze seit 1926, wobei wir uns des Ausschlusses möglicherweise wichtiger Betrachtungsperspektiven von Führung bewusst sind. 7
  • 8. Wozu dient die Referenz auf Sach-, Zeit- und Sozialdimensionen im Kontext unserer Analyse? Dieses Konzept ermöglicht es, die von den Theorieansätzen getroffene Selektionen der Elemente im Hinblick auf deren Dimensionen zu untersuchen und dabei wiederum Ein- und Ausschluss, in diesem Fall der Dimensionen, zu verdeutlichen. Gleichzeitig erhöht es den Grad der Abstraktion des Modells, wodurch wir zusätzliche Flexibilität für unsere Untersuchung gewinnen. 2.2.1 Die Sachdimension Die Sachdimension entspricht dem Treffen einer Unterscheidung, um Themen „sinnhafter Kommunikation in sozialen Systemen“ (Luhmann, 1987: 114) wie dem Führungssystem zu beschreiben. Nach Spencer Brown bilden Unterscheidungen zwei Horizonte, die Innen- und die Außenseite der Unterscheidung, wobei die Innenseite markiert oder, anders ausgedrückt, bestimmt wird und die Außenseite als Unbestimmt mitschwingt. Dies bezeichnet Spencer Brown als Form (1969: 1)5. Wir haben es also bei der Sachdimensionen mit Formen zu tun, welche durch Elemente des Führungsmediums von Teilnehmern selektiert werden und somit für kommunikative Anschlussoperationen sorgen – oder eben auch nicht (Luhmann, 1987: 114). Im Kontext unserer Analyse schauen wir auf die von der jeweiligen Theorie in der Sachdimension getroffene Unterscheidung. Uns interessiert, ob die Führungsforschung überhaupt anschlussfähige Unterscheidung trifft und wenn dies der Fall ist, welche Differenzen beschrieben werden und wozu, also im Hinblick auf welche Erklärungsgegenstände6. 2.2.2 Die Zeitdimension Die Zeitdimension trifft die Unterscheidung von Vor- und Nachher oder anders ausgedrückt, die Differenz der Vergangenheit und Zukunft. Dieser Unterschied mündet im Jetzt, in der Gegenwart, welche aus unendlich vielen Zeitpunkten besteht. Luhmann kennt zwei Formen der Gegenwart. Die Form der stetigen, irreversiblen Veränderung im Jetzt, und die Form der kommunikativen Referenz auf das Vergangene und Zukünftige, wodurch Reversibilität erlangt wird (1987: 116 ff.). Wir untersuchen, welche der im Folgenden dargestellten Führungstheorien diese Dimension bei Ihren Beschreibungen berücksichtigen. Bei Führung scheint vor allem der Aspekt der kommunikativen Referenz auf die Vergangenheit und Zukunft interessant, vor allem vor 5 siehe ausführlicher den Abschnitt 4.1.2 zur Form 6 worauf schauen Führungstheoretiker, um was zu erklären (Führungserfolge; Führung als soziales Phänomen, generelle Muster von Führung, etc.) 8
  • 9. dem Hintergrund wie ein Führungssystem mit dem Wissen um die Unveränderlichkeit der Vergangenheit und die Unsicherheit der Zukunft umgeht. Beim Lesen dieses Absatzes wird bereits die Bedeutung der Zeitdimension für Führung intuitiv klar. Veränderungen innerhalb des Führungssystems existieren in vielfältigen Bereichen wie der Beziehungen zwischen Führer und Geführten, einer möglichen Restrukturierung der Organisation oder dem technologischen Fortschritt durch die Einführung von Computern in Unternehmen, um nur einige Beispiele zu nennen. 2.2.3 Die Sozialdimension Die soziale Dimension wird ebenfalls durch eine Differenz konstituiert, nämlich der Unterscheidung von Konsens und Dissens. Diese Dimension schärft den Blick für den Vergleich zwischen Ego, dem „Ich“ und Alter, dem „anderen Ich“.7 Man schaut, was andere tun, wie sie sich verhalten, wie sie kommunizieren und stimmt diesem entweder zu oder lehnt es ab. Gleichzeitig setzt man sich selbigen Beobachtungen anderer Beobachter aus (Luhmann, 1987: 120). An dieser Stelle kommt die Moral ins Spiel, welche die Bedingungen zur gegenseitigen und eigenen Be- oder Missachtungen von beispielsweise Führer und Geführten beschreibt. Man meint, dass gerade diese Dimension bei allen Führungstheorien abgebildet sein sollte, schließlich braucht man zum Führen mindestens zwei Personen (Führer/Geführte), welche sich gegenseitig beobachten, dem eigenen Handeln oder der eigenen Kommunikation und dem Handeln und der Kommunikation anderen Personen zustimmen oder es ablehnen. Im anschließenden Abschnitt werden wir sehen, wie sich die Beschreibung von Konsens/ Dissens konkret in den Untersuchungen der Führungstheoretiker ausgestaltet. 2.3 Die Reflektion Modelle entsprechen vereinfachten Abbildungen von Realitäten (Endres, 2000: 8). Sie reduzieren Komplexität durch die Selektion von Variablen und Dimensionen. Und gerade darin liegt die Attraktivität eines solchen Modells, welches es erlaubt, Komplexität zu reduzieren, Annahmen über Welt zu treffen und unter Ceteris-paribus- Klauseln Erkenntnisgewinne über den jeweiligen Untersuchungsschwerpunkt hervorzubringen. Für die Entwicklung eines solchen Modells ist neben den zugrunde liegenden Annahmen folglich entscheidend, welche Elemente und Dimension, die als Referenzpunkt für die spätere Analyse dienen, von den jeweiligen Führungstheorien 7 vgl. Langenscheidt, Online Fremdwörterbuch 9
  • 10. selektiert werden. Das Modell markiert also den Möglichkeitsraum der Analyse. Wie bereits oben beschrieben entspricht unsere Selektion der Modellelemente einem dreigliedrigen Prozess. Trotz umfangreicher Literaturanalysen, einer Ordnungsphase, der Steigerung des Abstraktionsgrades der Elementbegriffe und der Unterlegung der Sinndimensionen von Luhmann können wir uns nicht freimachen von dem Dilemma, dass Modelle den Möglichkeitsraum beschränken, somit Komplexität reduziert und dadurch immer Teile des Untersuchungsschwerpunktes nicht abgebildet werden. Die Situation ist also paradox, einerseits soll ein Modell Komplexität reduzieren, den Untersuchungsgegenstand auf wesentliche Variablen reduzieren und somit Erkenntnisgewinne in Form von „eindeutigen“ Ergebnissen erzielen, andererseits liegt gerade in dieser Trivialisierung die Gefahr - denn Einschluss einiger Elemente bedeutet gleichzeitig immer auch Ausschluss von allem anderen. Und somit befinden wir uns in dem Dilemma, dass „wir nicht sehen, was wir nicht sehen“ (von Foerster, 1993: 27). Genau diesen Aspekt versucht diese Ausarbeitung in dem ersten Teil zu bearbeiten. Wir untersuchen die bestimmten Elemente der unterschiedlichen Führungstheorien und sehen mit Hilfe des Modells, was mit der Selektion weniger Variablen verloren geht, welche Dimensionen welchen Führungstheorien explizit sowie implizit bekannt sind und welche gleichzeitig ausgeschlossen werden. Wir beobachten folglich die Führungstheorien aus einer Perspektive zweiter Ordnung. Nach Luhmann ist der entscheidende Unterschied zwischen der Beobachtung erster und zweiter Ordnung der, dass die Beobachtung erster sich der beobachteten Unterscheidung bewusst ist - soll heißen, dass man sich nur dessen bewusst ist, was man selektiert, nicht aber dessen, was man dadurch ausschließt. Die Beobachtung erster Ordnung ist somit eine sichere, klare und komplexitätsarme Beobachtung, da das Beobachtete nicht reflektiert wird.8 Hingegen wird man sich bei der Beobachtung zweiter Ordnung der Kontingenz der beobachteten Beobachtung bewusst. Man sieht die andere Seite der Medaille, weiß folglich, wiederum als Beobachter erster Ordnung beschränkt, um die Unterscheidung der beobachteten Beobachtung (1987: 156 ff.). Dabei gilt trotz allem das „Foersterische Nichtsehen“, was der Idee entspricht, dass die Beobachtung zweiter Ordnung immer auch eine Beobachtung erster Ordnung darstellt (Luhmann, 1987: 156). Unserer Antwort auf das beschriebene Dilemma bildet der Entwicklungsprozess des Modells, wobei gerade die Steigerung der begrifflichen Abstraktion wie beispielsweise die Bezeichnung „Kontextfaktoren“ und die Unterlegung der Sinndimensionen, welche 8 Auf dieser Ebene beobachten die meisten der analysierten Führungstheorien. 10
  • 11. nach Luhmann universal sind und von Ihm auch als „Weltdimensionen“ bezeichnet werden (1987: 112), für die Steigerung von Freiheitsgraden im Modell sorgen. Das Modell wird somit flexibel. Um zusätzlich die Ausbildung von blinden Flecken zu reduzieren, begeben wir uns während des Schreibprozesses in kommunikative Reflektionsschleifen mit Bekannten und Kollegen und nehmen, falls notwendig, Anpassungen vor. 11
  • 12. 3 Die Analyse der Führungstheorien Wir beginnen die Analyse mit den „klassischen“ Führungstheorie, dem Eigenschafts-, dem Verhaltens- und dem situativen Ansatz. Anschließend beschäftigen wir uns mit „neueren“ Betrachtungsweisen von Führung wie dem transaktionalen, dem transformationalen, dem mikropolitischen, dem symbolischen und dem systemischen Ansatz.9 Die gewählte Reihenfolge entspricht unserer Wahrnehmung des Kompliziertheitsgrads der Theorien: Während Eigenschafts- und Verhaltensansatz nur wenige Modellelemente und -dimensionen berücksichtigen, steigert sich ihre Zahl mit fortlaufender Analyse. 3.1 Der Eigenschaftsansatz Der Eigenschaftsansatz untersucht den Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Führungskraft und einem individuellen oder einem organisationalen Führungserfolg. Nach Bernard (1926) erklärt sich die Qualität der Führung aus den angeborenen Eigenschaften des Führers. Vertreter des Eigenschaftsansatzes reduzieren das multidimensionale Phänomen der Führung auf eine Variable (Neuberger 1994:61) und suchen nach allgemeinen Eigenschaften, welche die Wahrscheinlichkeit eines Führungserfolges erhöhen. Nach Neuberger untersuchen die Wissenschaftler Eigenschaften von „erfolgreichen“ und „nicht erfolgreichen“ Führungspersönlichkeiten, von Führern im Unterschied zu Geführten oder sie analysieren die Personen, welche Führungspositionen besetzen, um Eigenschaften aufzudecken, die das Erklären eines Führungserfolges zulässt (1994: 62). Mit Hinblick auf das Modell wird deutlich, dass der Fokus auf die Eigenschaften der Führungsperson Führung auf eine Variable reduziert, welche in die Sachdimension eingeordnet wird. Wir erinnern uns, dass die sachliche Dimension zwei Horizonte bildet, die Innen- und die Außenseite einer Unterscheidung, wobei hier die Innenseite von Unterscheidung durch die Eigenschaften markiert wird. Fraglich bleibt, ob diese starke Vereinfachung der Realität das kausale Schließen der Eigenschaften auf individuelle und organisatorische Führungserfolge zulässt. Hierbei wird das erste Mal die Stärke des Modells „Medium der Führung“ 9 wir sind uns bewusste, dass hier einige Ansätze der Führungsforschung ausgelassen sind, jedoch erscheinen uns die genannten Strömungen am relevantesten für die Einordnung in das Modell und der damit beabsichtigen Systematisierung im Hinblick auf die drei Dimensionen. 12
  • 13. deutlich, da man nicht nur sieht, welche Faktoren von dem Eigenschaftsansatz berücksichtigt werden, sondern auch, welche dieser ausgrenzt. Weder Verhalten, Interessen, Werte etc. der Führungspersönlichkeit noch die Person der Geführten mit ihren Eigenschaften, Fähigkeiten, Interessen etc. finden Berücksichtigung. Selbiges gilt für die Interaktion, die Kommunikation, Anwendung von Führungsinstrumenten und der Wahrnehmungen beider Akteure. Dieser Ansatz kommt somit einer starken Vereinfachung von Führung gleich. Auf der Ebene der Dimensionen werden die Sozialdimension (für die eine Beziehungsrelation vorliegen muss) und die Zeitdimension, also Referenzen auf Vergangenes und Zukünftiges oder anders ausgedrückt, die Veränderung der Eigenschaften10, ebenfalls nicht untersucht. Ergebnisse unterschiedlicher empirischer Untersuchungen haben mittlerweile eine Vielzahl von Eigenschaften von Führungskräften wie beispielsweise Geschlecht („Männlichkeit“), Erziehung, sozialer Status, Aktivität, Initiative, Energie, Intelligenz, Entscheidungsfähigkeit, Urteilsvermögen, Dominanz, Durchsetzungsfähigkeit und Selbstvertrauen herausgearbeitet (vgl. Stogdill, 1948; Mann, 1959; Stogdill, 1974; Lord/De Vader & Allinger, 1986; Kirkpatrick/ & Locke, 1991; Neuberger 1994: 65; Delhees 1995: 902f.; Bass, 1993; Northouse 1997: 1113ff.). Hierbei ist allerdings zu beachten ist, dass methodische Schwierigkeiten bei der Messung von Eigenschaften auftraten (Delhees, 1995: 902f., Neuberger, 1994: 65). Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass nach Neuberger eine sehr geringe Korrelation zwischen Führungserfolg und den Eigenschaften nachgewiesen werden konnte (1994: 64ff.). 3.1.1.1 Modellvariablen und -dimensionen: Eigenschaften des Führers; Sachdimension 3.1.1.2 Untersuchungszweck: Führungserfolg 3.2 Der Verhaltensansatz Der Verhaltensansatz analysiert erfolgreiche Führungskräfte mit Hinblick auf deren Verhalten (Halpin & Winer, 1957; Hemphill & Coons, 1957). Untersuchungsgegenstand bildet somit das Beschreiben und Strukturieren von 10 Veränderungen der Eigenschaften widersprechen bereits der Grunddefinition von Eigenschaften nach Bernard (1926), der diese als angeboren annimmt. 13
  • 14. Führungsverhalten, woraus unterschiedliche Führungsstile resultieren. Gesucht werden die „idealen“ Verhaltensweisen, welche die Wahrscheinlichkeit des Führungserfolges erhöhen. Dies geschieht völlig losgekoppelt von Kontexten wie beispielsweise Teamgröße, Reifegrad der Geführten oder dem Organisationsaufbau. Ähnlich wie beim Eigenschaftsansatz reduziert diese Strömung das Führungsgeschehen auf eine Variable und untersucht dessen Wirkungen auf den Führungserfolg. Lewin, Lippit und White (1939) differenzieren Führung in Formen wie autokratischem/autoritärem und demokratischem Führungsstil. Diese (sachliche) Unterscheidung wurde von diversen Vertretern aufgegriffen und ausdifferenziert. Somit kennen Tannenbaum und Schmidt in ihrem Führungsstil-Kontinuum bereits sieben Stile11, wobei die Unterscheidung zwischen autoritärem und kooperativem Führungsstil die Eckpunkte des Kontinuums bildet (1958, 1973: 164 ff.). Blake und Mouton (1964) differenzierten in ihrem zweidimensionalen „Managerial Grid“ nach Aufgaben- und Personenorientierung („concern for production“, später „concern for results“ sowie „concern for people“) und beschreiben fünf charakteristische Führungsstile12 näher . Der Verhaltensansatz analysiert folglich die Modellvariable des Führers mit Fokus auf deren Verhalten, welche durch die oben beschriebenen Unterscheidungen sachlich eingeordnet werden. Ausgegrenzt werden neben Aspekten wie Interessen, Erwartungen etc. der Führungskraft, die Person des Geführten mit ihren Eigenschaften, Interessen, Fähigkeiten usw., sämtliche relationale Aspekte wie Kommunikation, Wahrnehmungen und Interaktionen sowie Kontextfaktoren. Auch sind Zeit- und Sozialdimension nicht weiter berücksichtigt. Nach Vertretern dieses Ansatzes kommt den ausgeblendeten Elementen und Dimensionen für einen Führungserfolg keine Wichtigkeit zu, was ebenfalls vergleichbar mit dem Eigenschaftsansatz einer starken Vereinfachung von Führung entspricht. Schlussendlich liegen es eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen vor13, welche bestätigen, dass Mitarbeiterorientierung deutlich häufiger mit Mitarbeiterzufriedenheit korreliert als Aufgabenorientierung. Was allerdings die Leistungseffizienz anbelangt, sind keine derartigen Unterschiede festzustellen (Neuberger, 1994: 143). In Abgrenzung zum Eigenschaftsansatz muss betont werden, dass eine wesentliche Neuerung dieser 11 die sieben Führungsstile sind: autoritär, patriarchalisch, informierend, beratend, kooperativ, partizipativ, demokratisch. 12 Diese fünf Führungsstile sind: Impoverished Management, Authority-Compliance-Management, Country Club-Management, Middle of the Road – Management, Team-Management. 13 Neuberger gibt einen guten Überblick der empirischen Ergebnisse (1994: 142ff.). 14
  • 15. Perspektive die Möglichkeit der gezielten Erlernbarkeit von Führungsfähigkeiten (z.B. Stile) entsprach (Saal and Knight, 1988).14 3.2.1.1 Modellvariablen und -dimensionen: Führungsverhalten von Führungskräften; Sachdimension 3.2.1.2 Untersuchungszwecke: Führungserfolg 3.3 Der situative Ansatz Der situative Ansatz rahmt das Führungsverhalten. Der Führungserfolg wird vom Führungsverhalten im Kontext von organisations-strukturellen und organisations- kulturellen Faktoren wie Machtstrukturen, Führer-Geführten-Beziehung (Fiedler, 1967), Organisationsgröße (Child, 1973; Pugh and Payne, 1976) und Motivationsaspekten wie beispielsweise der Qualifikation der Mitarbeiter (Hersey und Blanchard, 1977, 1982) bestimmt. Im Unterschied zu den beiden oben beschriebenen, eindimensionalen Theorien erweitern Vertreter dieses Ansatzes den Untersuchungsgegenstand um allgemeine Situationen oder Orte, in der Führungskräfte operieren und welche das Verhalten grundliegend beeinflussen. Auf der Analyseebene des Führungsverhaltens werden rein sachliche Unterscheidungen getroffen, allerdings inkludiert die Analyse der Kontexte sachliche, soziale und zeitliche Dimensionen. Dadurch zeichnet sich bei diesem Ansatz ein erweitertes Bild des Führungsgeschehens ab. Die Erkenntnisgewinne entsprechen dem Wunsch des Auffindens von allgemeingültigen, idealen Führungsstilen im Kontext bestimmter Rahmenbedingungen, um die Zielvariable des Führungserfolgs zu maximieren. Führungskräfte sollten demnach in der Lage sein die Situation, in der sie sich befinden, zu analysieren, diese mit der Vergangenheit abzugleichen um mögliche Unterschiede festzustellen, und dies in ihr Führungsverhalten einrechnen (Saal and Knight, 1988). Um nicht in allgemeine Aussagen ohne Erkenntnisgewinne abzurutschen, beschreiben wir nun konkret die vier bekanntesten Konzepte dieser Theorieströmung, um die oben kurz angesprochene Einordnung der Theorie in die Dimensionen des Modells zu verdeutlichen. Wir orientieren uns dabei an der beobachteten Zuordnung, nämlich Sachdimension bei dem Führungsverhalten und Sach-, Zeit- und Sozialdimension bei den Kontexten. 14 worauf eine komplette Industrie baut, die der Weiterbildung und Führungskräfteentwicklung. 15
  • 16. Reddin’s sachliche Unterscheidung im Hinblick auf das Führungsverhalten knüpft an die des Verhaltenansatzes (Tannenbaum und Schmidt, 1958; Blake und Mouton, 1964) an. Das Kontinuum zwischen mitarbeiter- und aufgabenorientierten Führungsstilen15 bildet somit den Anpassungsspielraum für die Situation (Reddin, 1967: 11ff.). Die Einschränkungs- oder, anders ausgedrückt, Kontextsfaktoren bilden eine Funktion zur Bestimmung der Effektivität des Führers. Diese Faktoren sind Arbeitsanforderungen der Aufgabe, Anforderung an Führungsstil der Vorgesetzten durch den Vorgesetzten und durch die Organisationsphilosophie sowie die Anforderung an das Verhalten der Untergebenen durch Erwartungen und deren Verhalten (Reddin, 1967: 15ff.). Das Konzept von Reddin bezieht die sachliche Dimension in Form der Differenzierungen des Schwierigkeitsgrads der Arbeitsanforderungen und des Führungsstils der Vorgesetzten mit ein. Die soziale Dimension ist in den Erwartungen der Geführten und deren Verhalten impliziert. Fiedler (1967) trifft im Hinblick auf die Führungsstile ebenfalls die Unterscheidung in Aufgaben-/ Mitarbeiterorientierung. Er markiert als Situationsfaktoren die Führer- Mitarbeiter-Beziehung, die Positionsmacht der Beteiligten und die Aufgabenanforderung, welche im Zusammenspiel mit dem Führungsverhalten zu Erfolg oder Effizienz gemessen an der Erfüllung der Aufgabe der Gruppe führen (Fiedler, 1965: 166f.). Fiedler expliziert die Führer-Mitarbeiter-Beziehung (soziale Dimension), unterscheidet Macht/ keine Macht zur Beschreibung der Position der Führungskraft und hohe/ niedrige Arbeitsanforderung zur Darstellung des Reifegrads der Mitarbeiter (sachliche Dimension). Vroom und Yetton differenzieren das Führungsverhalten nach der Entscheidungsbeteiligung der Mitarbeiter, welche einem Kontinuum von Alleinentscheidung und Gruppenentscheidung entspricht (1973: 13). Beschränkt werden diese Entscheidungen durch sieben Kontextfaktoren: Qualität des Ergebnisses (hoch/niedrig - Sachdimension), Informationsstand des Vorgesetzten (vollständig/ unvollständig – Sachdimension), Problemstruktur (eindeutig/mehrdeutig – Sachdimension), Handlungsspielraum der Mitarbeiter (hoch/ niedrig – Sozialdimension), Einstellung der Mitarbeiter zu autoritärer Führung (Konsens/ Dissens – Soziale Dimension), Akzeptanz der Organisationsziele durch die Mitarbeiter (Konsens/ Dissens – Soziale Dimension) und Gruppenkonformität (Konsens/ Dissens – Soziale Dimension) (Vroom/ Yetton, 1973). 15 Reddin nennt es: „relationsship orientation“ und „task orientation“ 16
  • 17. Das situative Führungsmodell nach Blanchard and Hersey (1969) unterscheidet wie Reddin (1967) und Fiedler (1967) zwischen aufgaben- und mitarbeiterorientiertem Führungsverhalten (Sachdimension), dessen Kontext der Reifegrad der Mitarbeiter (hoch/ niedrig - Sachdimension), bestimmt durch Fähig- und Willigkeit, bildet. Während alle anderen Konzepte des situativen Ansatzes sowohl Sach- als auch soziale Dimension expliziert haben, schaut das zuletzt beschriebene Modell nur auf sachliche Unterscheidungen. Der situative Ansatz verdeutlicht, dass die Einbeziehung von Einschränkungsfaktoren für das Führungsverhalten den Untersuchungsgegenstand von Führung im Hinblick auf die Modellvariablen und –dimensionen stark ausweitet. Jedoch bilden normative Handlungsempfehlungen, wie beim Eigenschafts- und Verhaltensansatz, die Schlussfolgerungen der Untersuchungen bilden (Vroom & Jago, 2007: 21). Beim Verhaltensansatz resultiert dies in der Forderung eines kooperativen Führungsstils (Seidel, 1978; Wunderer/ Grunwald, 1980). Hingegen bestimmt der situative Ansatz Situationen, welche ein bestimmtes, idealtypisches Führungsverhalten verlangen. Wissen Führer um diesen Situationsstil, könnte die Kontingenz des Führungsverhaltens durch ein mechanisiertes Führungsprogramm ersetzt werden. Nach dem Motto: Situationsanalyse durchführen, passenden Führungsstil auswählen und „einfach“ durchführen!16 Im klaren Gegensatz dazu stehen die nachfolgend aufgeführten Theorien, deren Untersuchungen eher das Beschreiben und Verstehen von Führung zum Erklärungsgegenstand haben. 3.3.1.1 Modellvariablen und -dimensionen: Verhalten (Führungsstil) der Führungskraft, Erwartungen, Fähigkeiten, unterschiedliche Kontextfaktoren; Sachdimension bei Analyse der Führungsstile; Sach- und Sozialdimension bei Analyse der Kontextfaktoren. 3.3.1.2 Untersuchungszweck: Führungserfolg, Führungseffektivität 16 sicherlich hier etwas überspitzt dargestellt. Bei diesem Vorgehen wird, ähnlich wie beim rationalen Entscheiden, vergessen, dass Situationen dynamisch sind und somit Situationsanalysen permanent durchgeführt werden müssten – was die Handlungsfähigkeit von Führungskräften enorm einschränken würde. Wichtig erscheint uns hier noch einmal darauf hinzuweisen, dass wissenschaftliche Aussagen im Wechselspiel mit der beobachteten Realität stehen sollten. 17
  • 18. 3.4 Der transaktionale Ansatz Der auf der Gruppenforschung basierende transaktionale Ansatz beobachtet die Führer- Geführten-Beziehung und analysiert deren zeitlichen Verlauf, schaut also auf Veränderung der Beziehungsqualität. Ins Modell übersetzt bedeutet dies: die Variable Führer-Geführten-Verhalten wird im Hinblick auf Zeit- und soziale Dimension untersucht. Wie bei der Darstellung des situativen Ansatzes möchten wir im Folgenden auf die zwei bekanntesten Ansätze dieses Forschungsfeldes eingehen - die Theorie der Führungsdyaden und das Idiosynkrasiekreditmodell. 3.4.1 Theorie der Führungsdyaden Die Theorie der Führungsdyaden, auch bekannt als „Leader-Member-Exchange“, untersucht die Qualität der sozialen Beziehung in Form der Interaktion von Führer und Geführten (soziale Dimension), dessen deskriptive Beschreibung anfänglich den Untersuchungsgegenstand des Ansatzes ausmachte. Blau verstand Führung als soziale Austauschbeziehung. Diese „bezieht sich auf freiwillige Handlungen von Individuen, die durch Gegenleistungen motiviert sind, die sie erwartungsgemäß einbringen sollen und typischerweise auch einbringenquot; (1964:91). Er unterscheidet In- und Out-Group- Beziehungen. Graen/ Cashman (1975) erweitern „In-“ und „Out-“ um die „Middle- Group“ (Sachdimension). Der Begriff „Out-Group“ markiert hierbei eine rein vertragliche Beziehungssituation. Jegliche Beziehungsstruktur, welche über diese formelle Beziehung hinausgeht, wie beispielsweise gegenseitiger Respekt, Motivation, Offenheit, Ehrlichkeit und gegenseitige Unterstützung, ermöglicht das Bilden einer In- Group Beziehung, welche auch als reife Führer-Geführten-Beziehungen bezeichnet werden (Graen/ Uhl-Bien, 1995:1047). Graen/Uhl-Bien (1991) entwickelten einen dreistufigen Prozess zur Entwicklung von In-Group Beziehungen, welcher von der Phase der formalen Beziehung über die das gegenseitige Kennen lernen zur Partnerschaft führt. Bauer/ Green (1996) fanden heraus, dass frühzeitiges Delegieren von Verantwortung das Bilden von In-Group Beziehungen begünstigt. Empirische Ergebnisse ergaben positive Korrelationen zwischen der Führer-Geführten Beziehung und Zufriedenheit mit der Führungskraft seitens der Geführten, sowie mit der generellen Zufriedenheit im Unternehmen (vgl. Dansereau et al., 1975; Liden/Graen, 1980; Duchon et al., 1986; Liden/Maslyn, 1998), dem 18
  • 19. Unternehmensumsatz (z.B. Dansereau et al., 1975; Sparrowe, 1994; Liden/ Maslyn 1998) und der Selbstverpflichtung (Duchon et al., 1986; Green et al. 1996). Nach diesen Ansatz sollte folglich das Ziel einer Führungskraft sein, Out- in In-Group Beziehungen zu wandeln (Zeitdimension), was vor allem von präskriptiven Ausarbeitung zu späterer Zeitpunkten gefordert wurde (vgl. Graen/Uhl-Bien, 1991; Bauer/ Green, 1996). 3.4.1.1 Modellvariablen und -dimensionen: Führer-/Geführteninteraktion; Sach-, Zeit- und Sozialdimension 3.4.1.2 Untersuchungszweck: Qualität der Führer-/Geführtenbeziehung 3.4.2 Idiosynkrasiekreditmodell Während die Theorie der Führungsdyaden die Qualität der Beziehung zwischen Führer und Geführten und dessen Auswirkungen auf den Führungserfolg analysiert, liegt bei dem Idiosynkrasiekreditmodell der Untersuchungsschwerpunkt auf dem von den Geführten der Führungskraft zugeschriebenen Führungskredit. Dieser Ansatz expliziert erstmals Abhängigkeiten der Führungspersonen von den Geführten (Hollander, 1995: 926). Personen in Führungsrollen erhalten einen Führungskredit durch positiv wahrgenommenes Verhalten aus der Perspektive der Geführten (Sozialdimension), der es Ihnen erlaubt Einfluss auf das Verhalten der Geführten auszuüben. Diese Form der sozialen Zustimmung und der damit verbundene Status bildet die langfristige Legitimationsgrundlage für den (Hollander, 1995: 927). Bewertungskriterien für die Zustimmung von Führungsrollen sind hierbei der Beitrag zum Gruppenziel und die Loyalität der Gruppenmitgliedern (Sozialdimension), aber auch Aspekte wie Intelligenz (Hollander, 1978), persönliche Eigenschaften (Kenny/Zaccaro 1983), Geschlecht (Geis et al. 1985), Anzahl der verbalen Äußerungen (Sorrentino/Boutillier 1975, Stein/Heller 1983) oder Dienstalter17 (Insko et al. 1982). Neben der Legitimation von Führung durch komplexe, soziale Interaktion (Read, 1974: 203) analysiert dieser Ansatz ebenfalls die Zeitlichkeit des Führungskredits, welche es erlaubt, abweichendes Verhalten mit Hinblick auf die Gruppennormen ohne Führungsverlust zu erklären. Ein Führungskredit ermöglicht somit den Einfluss auf die 17 Diese Unterscheidungen entsprechen Sachdimensionen. 19
  • 20. Geführten für eine gewisse Zeit nach dessen Zuweisung, was nach Staehle auch als Freiraum für persönliche Eigenarten und Besonderheiten der Führungskräfte verstanden werden kann (1999:271). Das Idiosynkrasiekreditmodell bearbeitet folglich die Modellvariable Mitarbeiter und Führungskraft mit Fokus auf Eigenschaften, Verhalten, deren Interaktionen und Wahrnehmungen (Hollander, 1995: 934), welche im Kontext von Sach-, Zeit- und Sozialdimension analysiert werden. Hierbei ist zu beobachten, dass dieser Ansatz sich kaum auf einige wenige Modellvariablen beschränkt, sondern vielmehr offen lässt, was genau zur Produktion und Reproduktion von Führungskrediten führt. Verschiedene Studien wie beispielsweise von Goldman/ Fraas (1965), Hollander/Julian (1970, 1978) oder Hollander et al. (1977) zeigen, dass gewählte Führungspersonen in aller Regel eher und länger durch die Geführten unterstützt werden, wenn Sie abweichendes Verhalten bezüglich der Gruppennorm beobachten. 3.4.2.1 Modellvariablen und -dimensionen: Eigenschaften, Verhalten von Mitarbeiter und Führern, deren Interaktion und Wahrnehmung sowie Sach-, Zeit-, Sozialdimension. 3.4.2.2 Untersuchungszweck: (Re-) Produktion des Führungskredits 3.5 Der charismatische und transaktionale Ansatz Konzepte der charismatischen und transaktionalen Führung basieren vor allem auf Ausarbeitungen von House (1977), Bass (1985) sowie Tichy und Devanna (1986). 3.5.1 Charismatische Führung House (1977) entwickelte mit Rückgriff auf Max Weber das Konzept der charismatischen Führung. Nach Weber entspricht Charisma einer speziellen, persönlichen Begabung außergewöhnliches zu tun, welche im Kontext von sozialen Beziehungen gedacht wird und durch Zuschreibungsprozesse von Beobachtern erst seine Wirkungen entfaltet (Weber, 1972: 124). Die Zuschreibung ist dynamisch, ändert sich mit der Zeit und drückt die Instabilität des charismatischen Führungskonzeptes aus. Nach House (1977) charakterisieren bestimmte Eigenschaften wie Dominanz, Selbstvertrauen, Einflussstreben und der Glaube an die eigenen, moralisch anschlussfähigen Wertvorstellungen einen charismatischen Führer. Diese Eigenschaften werden von den Geführten wahrgenommen, welche in Vertrauen, Loyalität und 20
  • 21. bedingungsloser Akzeptanz, sowie bestimmten Handlungen wie das Nacheifern der Werte, die Erhöhung der Selbstachtung, die Steigerung der Erwartungen an die eigene Leistung und die Akzeptanz herausfordernder Ziele münden. Daraus resultiert nach Hentzel/ Kammel (1996) die effektivere Leistung der Geführten. Es ist bereits deutlich zu beobachten, dass das Konzept der charismatischen Führung auf dem Eigenschaftsansatz aufbaut und diesen um die Modellvariablen der Geführten (deren Fähigkeiten, Interessen etc.) anreichert. Beispielsweise stellen Akzeptanz/ Ablehnung der Geführten mit Hinblick auf das von der Führungskraft vorgeschlagene Wertegerüst, die Artikulationen der Ziele, die vorgelebten Rollen etc. die soziale Dimension dar. Die Zeitdimension findet vor allem bei den neocharismatischen Ansätzen durch die notwendige Reproduktion der Zuschreibung von Charisma des Führers durch die Geführten Berücksichtigung (House/ Shamir, 1995: 878).18 Abschließend wollen wir kurz auf die empirischen Ergebnisse von Bass und Steyrer verweisen, welche einen signifikanten Zusammenhang zwischen Faktoren wie Charisma und der durch die Mitarbeiter eingeschätzten Effizienz, Zufriedenheit und überdurchschnittlichen Leistungen nachweisen (1995: 2057ff.). 3.5.1.1 Modellvariablen und -dimensionen: Eigenschaften, Fähigkeiten, Werte, Interessen von Führer/ Geführten, Wahrnehmung der Geführten und Sach-, Zeit-, Sozialdimension. 3.5.1.2 Untersuchungszweck: Führungserfolg 3.5.2 Transformationale Führung Das von Bass (1985) oder Tichy/ DeVanna (1986) entwickelte Konzept der transformationalen Führung basiert auf den Ansätzen von House (1977) und Burns (1979), wobei allerdings Charisma eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung einer Produktivitätstransformation von Führungskraft auf die Geführten stellt. Es kommt zu einer Akzentverschiebung des Untersuchungsgegenstands von den 18 dieser Gedanke wurde vor allem von Conger und Kanungo (1987) in ihrer charismatischen Attributionstheorie aufgenommen. Bennis/ Nanus (1985) entwickelten einen weiteren, dem charismatischen Konzept von House sehr ähnlichen Ansatz, den der „visionären Führung“. House und Shamir sublimieren diese und weitere Ansätze unter dem Begriff der „neocharismatische Ansätze“ (1995: 878), während Brynman diese mit dem Ausdruck „new ledership“ betitelt (1996: 280ff.). 21
  • 22. Eigenschaften des Führers auf die Bedürfnisse, Interessen, Fähigkeiten der Mitarbeiter sowie emotionale Aspekte von Führung (Northouse 1997: 133f.). Der Transformationsprozess soll das Bewusstsein für die Relevanz der Aufgaben und dessen qualitativer Bearbeitung steigern, die Wichtigkeit der personellen Entwicklung sowie Lernfähigkeit betonen und zur Verinnerlichung der Organisationsziele anstelle eigener Interessen (Bass, 1985) führen. Tichy und Devanna charakterisieren den transformationalen Führer als „change agent“, welcher mutig und wertebasiert, mit dem Glaube an Menschen und lebenslanges Lernen befähigt ist, komplizierte Sachverhalte zu bearbeiten und eigene Visionen zu verfolgen (1986:5). Eine spätere Ausarbeitung von Bass, Avolio und Jung nennt vier Kategorien von Merkmalen eines transformationalen Führers. Die Vorbildfunktion für die Mitarbeiter (Sozialdimension), das Setzen hoher moralischer Standards (Sachdimension), das Entwickeln der Wahrnehmung der Mission oder der Vision des Teams und der Organisation (Zeitdimension) bildet die Kategorie des Charismas (idealized influence). Gleichzeitig stimuliert das Interesse der Führungskraft an den bearbeiteten Aufgaben der Mitarbeiter, ihre Arbeit aus neuen Perspektiven zu sehen (intellectual stimulation). Transformationale Führungskräfte tragen die Fähigkeiten und die Potentiale der Kollegen und Mitarbeiter auf höhere Niveaustufen (individualized consideration, Zeitdimension) und motivieren Kollegen und Mitarbeiter über ihre eigenen Interessen hinaus zum Wohl der Gruppe beizutragen (inspirational motivation) (Bass et al, 2003: 208). Im Gegensatz zur transaktionalen Führung wird bei diesem Konzept die Leistung der Geführten nicht nur durch den Führer erzeugt, sondern auf eine qualitativ höhere Ebene gehoben. Übersetzen wir dies in unser Modell, so identifizieren wir im Hinblick auf die Modellvariablen die Untersuchung der Eigenschaften von Führungskräften und ihrem Verhalten, die Wahrnehmung und Erwartungen von Seiten der Geführten sowie deren Fähigkeiten, Werte, Zielfunktionen und Rollenverständnisse. Untersuchungsziel ist der Nachweis eines Führungserfolges durch unterschiedliche Formen der Stimulierung von Führer auf Geführte. Hierbei wird die Sozialdimension des Konzepts sehr deutlich, welche für potentielle Stimulierungswirkungen Zustimmung oder eben auch Ablehnungen notwendige macht. Auch wenn die Entwicklung der Transformation nicht expliziert ist, laufen Vergleiche der Vergangenheit mit der Gegenwart und die Erwartungen in Bezug auf eine unsichere Zukunft im Kontext der Führung von den Geführten immer mit und bestimmen die Zeitdimension. 22
  • 23. 3.5.2.1 Modellvariablen und -dimensionen: Eigenschaften, Werte und Verhalten der Führungskraft; Interessen, Werte, Rollenverständnis und Wahrnehmung der Geführten und Sach-, Zeit-, Sozialdimension. 3.5.2.2 Untersuchungszweck: Führung als Faktor zur Steigerung der Produktivität 3.6 Der mikropolitische Ansatz Der auf der Machttheorie (vgl. zum Überblick Sandner, 1988: 56) basierende Begriff der Mikropolitik beschreibt nach Frost „die Verkörperung der Machtausübung. Sie ist repräsentiert in den Strategien und Taktiken, welche die Akteure im tagtäglichen, laufenden und gegenwärtigen Organisationsgeschehen nutzen, um ihre Interessen durchzusetzen“ (1987: 518). Die Anwendung der mikropolitischen Perspektive auf Führungsprozesse zeichnet sich nach Neuberger durch Faktoren wie beispielsweise den Interessenbezug, -wahrung und -durchsetzung von Führungskräften (Sozialdimension), der Bedeutung von Koalitionen (Sozialdimension), der Bedeutung des richtigen Zeitpunktes (Zeitdimension) und der Akteursperspektive mit Handlungsspielräumen (1994: 263f.) aus. Vertreter des mikropolitischen Ansatzes (vgl. z.B. Falbo, 1977; Kipnis et al., 1984; Ortmann, 1988; Neuberger, 1994, 1995a und 1995b) analysieren Modellvariablen wie die Interessen von Führer und Geführten, deren Interaktion und strategisches Verhalten, welche durch Kontextfaktoren wie Handlungsspielräume oder legitimierte Ordnung innerhalb von Organisationen beschränkt werden (Neuberger, 1994: 264). Analysiert werden vor allem Strategien zur Einflussnahme und Durchsetzung eigener Interessen, wobei Neuberger (1995a: 154) zwischen offenen, authentischen und verdeckten Taktiken unterscheidet (Sachdimension). Bosetzky hingegen untersucht die Chancen von Informationen zum tieferen Organisationskenntnis: Status, Image, Selbstverwirklichungschancen, Karrierechancen, Machtvermehrungschancen, Gegen- und Blockiermacht, Ressourcen für den eigenen Bereich (1995: 1529ff.) und Risiken wie Imageverlust durch den Geruch von Günstlingswirtschaft, Rollenüberlastung der Führungskraft, Abhängigkeit von Untergebenen, strategischen Führungsverhaltens in Organisationen (1995: 1522ff.) bilden hierbei relevante Gegenstände der Untersuchung. Transferieren wir diese Informationen in das Modell wird deutlich, dass der Fokus auf den Interessen, Rollen und der Erwartungen von Führer und Geführten liegen, wobei allerdings die Personen des Führers und des Geführten eher als strategisch-rationale 23
  • 24. Akteure betrachtet werden. Gleichzeitig positionieren, sprich interagieren diese „homo oeconomici“ in einem dynamischen Kontext. Der mikropolitische Ansatz bildet die drei Dimensionen vollständig ab. Es wird deutlich, dass Führung von Unternehmen bei diesem Ansatz rein von politischen Motiven abhängig gemacht wird, womit sich jegliche Handlungen fernab von der Rationalitätsprämisse ex-post als rational erklären lassen. Eine gute Theorie muss aber nicht nur einen nachgelagerten Erklärungskasten liefern, sondern auch gewisse Situation ex-ante beschreibbar machen. Empirische Studien von beispielsweise Kipnis et al. (1984) und Kipnis/Schmidt (1988) bestätigten die Unterscheidung zwischen einer direkten machtpolitischen Einflussstrategie und einer kooperativen Einflussstrategie als zu beobachtendes Strategie-Muster (Sachdimension). 3.6.1.1 Modellvariablen und -dimensionen: Interessen, Rollen, Erwartungen von Führer/ Geführten, Interaktion, Führungsinstrumente & Kontextfaktoren und Sach-, Zeit-, Sozialdimension. 3.6.1.2 Untersuchungszweck: Erklärung des strategischen Verhaltens der Führungskräfte und der Geführten. 3.7 Der symbolische Ansatz Die symbolische Führungsforschung basiert auf der Kulturforschung von Geertz (1973), der Unternehmenskulturforschung von Schein (1992) und Weiblers’s Idee, wonach Menschen in einer bedeutungsbehafteten oder anders ausgedrückt, symbolischen Welt handeln, welche durch Interaktionsprozesse geschaffen wird und welche die Interpretation ihrer Teilnehmer erfordert19 (1995:2017f.). Nach Neuberger sind Symbole konkrete Sachverhalte mit übertragener Bedeutung, auch als Sinnbilder betitelt (1994: 244f). Somit beeinflussen Symbole soziales Verhalten und werden durch Kommunikation reproduziert werden. Mit Blick auf das Modell beschreiben die Forscher die Kommunikation und Interaktion zwischen Führer und Geführten, welche Symbole produzieren und reproduzieren und deren unterschiedlichen Wahrnehmungen Interpretationsmöglichkeiten bieten, welche in das Verhalten oder die Kommunikation der Führung eingerechnet werden. 19 Der Begriff „Interpretation“ impliziert bereits unterschiedliche Wahrnehmungen der Akteure 24
  • 25. Weibler beispielsweise unterscheidet drei Ebenen von Symbolen: verbale (Mythen, Geschichten etc.), interaktionelle (Riten, Traditionen, Tagungen etc.) und die artifizielle (Statussymbole, Arbeitsbedingungen, Fahnen etc.) Form (1995: 2016; Sachdimension). Neuberger hingegen unterscheidet symbolisierte und symbolisierende Handlung (1994: 251ff.; Sachdimension). Die „symbolisierte Führung“ kommt der obigen Differenzierung von Weibler nah, welche ohne aktives Eingreifen der Führungskraft das Führungsgeschehen rahmt: „...dass Führung (Handlungssteuerung) in Fakten „verborgen“ ist: In Sprachregelungen, sozialen Intuitionen und Artefakten wird Handeln verlässlich kanalisiert“ (Neuberger, 1994:252). Die „symbolisierende Führung“ hingegen entspricht der Verwendung von Symbolen als Führungsinstrument von Seiten der Führungskraft, also das gezielte Verwenden von Symbolen zur Führung von Mitarbeitern: „...geht es um Sinn-Entbindung, also die Geburt neuen Sinns. Neue Hinsichten können aufgezeigt oder vorgelebt und durch neue Fakten konkretisiert werden. Die bedeutet die Destabilisierung und löst Widerstand, Unsicherheit, Angst, Restaurationsbemühungen etc. aus“ (Neuberger, 1994:256). Symbolisches Management kann hierbei als Überbegriff für die sachliche Unterscheidung Neubergers verstanden werden und oszilliert zwischen Verfestigung (Symbole werden zu Fakten gemacht, welche entziffert werden müssen) und Verflüssigung (Fakten werden hinterfragt, was Raum für neue Sinnbilder schafft) von Symbolen. Dieser Kreisprozess analysiert, für wen die Sinnbilder Bedeutung haben und welche Wirkungen sie auf wen erzielen (Neuberger, 1994:248). Diese Darstellung enthält die soziale Dimension, die Spannung in Form von Konsens und Dissens zwischen Führer und Geführten im Hinblick auf die Interpretation von Symbolen aufdeckt. Die Zeitdimension entspricht der Vorstellung der Verfestigung und Verflüssigung, welche die Dynamisierung der Symbolentwicklung in Organisationen impliziert. Wir sehen, dass dieser Ansatz bereits viele Variablen (Führer/ Geführten mit sämtlichen Elementen, Kontextfaktoren, Kommunikation, Verhalten, Führungsinstrumente, Wahrnehmung von Führer und Geführte) und alle Dimensionen unseres Modells berücksichtigt. Auch beobachten wir eine andere Zwecksetzung der Untersuchung, die stärker nach der Dimension des Sinns in Führungsprozessen schaut, anstatt Handlungsempfehlungen für das Verhalten oder die Kommunikation von 25
  • 26. Führungskräften zur Wahrscheinlichkeitssteigerung des Führungserfolgs zu liefern. Deutlich wird, dass die Möglichkeit der Beeinflussung von Führungserfolgen von Seiten der Führungskräfte abgeschwächt wird, während strukturelle Gegebenheiten und Wahrnehmungen wie beispielsweise Interpretationen von Symbolen an Bedeutung gewinnen. 3.7.1.1 Modellvariablen und -dimensionen: Führer/ Geführten, Kommunikation, Wahrnehmung, Führungsinstrumente, Interaktion von Führungskräften und Geführten, und Sach-, Zeit-, Sozialdimension. 3.7.1.2 Untersuchungszweck: Erklärung der Rolle von Symbolen in Führungsprozessen. 3.8 Der systemische Ansatz Der systemische Führungsansatz basiert auf den Erkenntnissen der neueren Systemtheorie von Luhmann (1984). Führung wird als soziales System betrachtet, was gewisse Grundannahmen der neueren Systemtheorie in den Untersuchungsgegenstand der Führung transferiert. Zu nennen ist die Selbstbezüglichkeit des Systems, welche Strukturen für die Selbstorganisation des Systems niederlegt. Die Struktur bestimmt somit die Form des Führungssystems und dessen Anschlusskommunikationen, welche für die Autopoesis oder, anders ausgedrückt, Reproduktion des Systems sorgt. Weitere Annahmen betreffen die Abkehr von kausalen Erklärungswegen für soziale Prozesse wie Führung, da sowohl System als auch Umwelt durch Komplexität gekennzeichnet sind und Anschlusskommunikationen vielfältig interdependente Wirkungen und Folgewirkungen mit vernetzten Rückkopplungsschleifen nach sich ziehen. Führungskräfte durchleben die Komplexität von sozialen Systemen in ihren Alltag, sind folglich mit „Widersprüchen, Mehrdeutigkeit, Intransparenz, Doppelarbeit, Vergeudung von Ressourcen, Provisorien, Überraschungen etc. konfrontiert“ (Neuberger, 1994: 230). Nach Türk bestimmt die „Eigendynamik“ des Systems die Kommunikation und die Einflussmöglichkeiten der Führungskräfte auf die Geführten (1981). Probst gibt dementsprechende Empfehlungen im Umgang mit Führungsprozessen wie beispielsweise dem Respekt vor dem System, das Anerkennen von Unsicherheiten und Mehrdeutigkeiten, die Schaffung von Möglichkeiten und das Balancieren von Extremen (1987: 114ff.). 26
  • 27. Im Hinblick auf die Modellvariablen fokussiert sich der systemische Ansatz auf die Kommunikation zwischen Führer und Geführten, welche allerdings alle anderen Elemente des Modells mit einrechnet, was durch den hohen Abstraktheitsgrad der Systemtheorie ermöglicht wird. Nach Luhmann bildet Kommunikation die selbstreferentielle Operation von sozialen Systemen, wodurch dessen Strukturen im Hinblick auf Zeit-, Sach- und Sozialdimension gelegt werden (1984: 66f.). Dieser Ansatz bildet das gesamte Modell mit allen Variablen und Dimensionen ab und ist damit der ganzheitlichste und zugleich abstrakteste Versuch zur Beschreibung von Führung. 3.8.1.1 Modellvariablen und -dimensionen: Kommunikation, Kontextfaktoren und Sach-, Zeit-, Sozialdimension. 3.8.1.2 Untersuchungszweck: Reproduktion von sozialen Führungssystemen. 3.9 Die Zusammenfassung Bevor wir unseren eigenen Ansatz von Führung in Unternehmen vorstellen, vernetzen wir die Ergebnisse der obigen Analyse. Abbildung 2 stellt die Ergebnisse noch einmal übersichtlich dar. Aus der Analyse gehen zwei wesentliche Sachverhalte hervor: 1. Der Kompliziertheitsgrad der Führungsforschung hat sich im 20. Jahrhundert deutlich gesteigert. Dies wird durch die Anzahl der untersuchten Elemente deutlich. Während der Eigenschaftsansatz ausschließlich die Korrelation zwischen Eigenschaften und Führungserfolg untersuchte, beziehen die neueren Analysen eine höhere Anzahl an Variablen und Dimensionen in ihre Untersuchungen mit ein. Wir beobachten, dass die Suche nach eindeutigen Ergebnissen, vor allem im empirischen Bereich, bis heute eine der größten Herausforderungen der Führungsforschung darstellt. Hier begegnet man dem Dilemma, dass die Reduzierung des Phänomens Führung auf weniger Variablen konträre empirische Ergebnisse erzeugen sowie Messschwierigkeiten mit sich bringen - die Variablen sind nicht unabhängig, werden aber als solche bearbeitet. Die Vernetzung der Variablen bei unterschiedlichen Messungen sind unterschiedlich ausgeprägt war. Die Folge: Messungen von Variablen in unterschiedlichen Kontexten führen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Hinzu kommt die Schwierigkeit der Messung an sich, welche von der Form der Datenerhebung (beispielsweise eine anonyme im Vergleich zu 27
  • 28. einer personalisierte Umfrage etc.) abhängt. Diese Faktoren begrenzen die Aussagekraft empirischer Ergebnisse (Delhees 1995: 901). Wir halten fest, dass eindeutige Ergebnisse in Bezug auf Führung a) mehrdeutig sein können, wie die unterschiedlichen Ergebnisse unabhängiger Forscher beim Eigenschaftsansatz bestätigt, b) wir somit über Kausalitäten in Führungssystemen kaum etwas wissen und schließen: Führung in Unternehmen ist ein komplexer Sachverhalt. 2. Wir beobachten eine Ausdifferenzierung der Führungsforschung. Wir sind uns bewusst, dass Führung bereits vor dem erscheinen von Bernard “An introduction to social psychology” aus dem Jahr 1926 den Untersuchungsgegenstand von Wissenschaft bildet, wir uns aber auf dieses Jahr als Analysestartpunkt beziehen. Diese Form der Ausdifferenzierung wird durch a) die Steigerung der Anzahl von unterschiedlichen Führungstheorien, auch aus anderen Wissenschaftsgebieten, b) die Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung von bereits bestehenden Führungstheorien und c) die breite, interdisziplinäre Grundlage zur Betrachtung von Führung deutlich. Neben den neun Ansätzen, welche wir vorstellen, existieren eine Vielzahl weiterer Theorien20, welche sich teilweise ganz spezifischen Fragestellungen widmen. Gleichzeitig erfolgt eine weitergehende Differenzierung innerhalb der Theorien wie zum Beispiel der charismatische, der auf dem Eigenschafts-, oder der situative, der auf dem Verhaltensansatz basiert. Die Veränderung des Untersuchungszwecks repräsentiert ebenfalls eine Form der Differenzierung. Während anfänglich der Zweck von Führungsforschung der Erklärung von organisationalem und individuellem Führungserfolg gleichzusetzen war (Eigenschafts- und Verhaltensansatz), beobachten wir heute eine Vielzahl von alternativen Zwecksetzung wie der Erklärung der Qualität der Führer- /Geführtenbeziehung (Leader-Member-Exchange), der (Re-)Produktion eines Führungskredit (Idiosynkrasiekreditmodell), der Transformation von Produktivitätsgewinnen (Transaktionaler Ansatz), dem strategischen Führungsverhalten (Mikropolitischer Ansatz), der Sinndimension von Führung (Symbolische Führungsansätze) und der Reproduktion von sozialen Führungssystemen (Systemische Ansätze). 20 Wie beispielsweise der attributionstheoretische, der psychodynamische, der kritische Ansatz, um nur einige zu nennen 28
  • 29. Des Weiteren wird deutlich, dass eine Vielzahl von Ansätzen auf bereits bestehenden, allgemeinen Theoriegerüsten wurzelt, dessen Untersuchungsgegenstand nicht oder nicht ausschließlich der Thematik Führung entspricht. Zu nennen sind Gruppenforschung (Leader-Member-Exchange, Idiosynkrasiekreditmodell), die Kulturforschung (Symbolische Führungsansätze), die Systemtheorie (Systemische Ansätze) und die Machttheorie (Kritische Theorie, Mikropolitischer Ansatz). Dies verdeutlicht zum einen die Schwierigkeit der Erklärung von Führung und zum anderen unterstützt es die Kritik an der Vereinfachung von Realität. Wozu sollten Forscher mit Hilfe von anderen Methodiken und Annahmen einen Sachverhalt untersuchen, wenn seine herkömmlichen Mittel ausreichen, um Wahrheit zu leisten. Wir folgern. Führung benötigt eine Betrachtung, welche alle Elemente und Dimensionen von Führung abbildet, um somit ihrer Komplexität gerecht zu werden, und trotz allem nicht in allgemeine Beschreibungen verläuft. Neben der Kombination von Erkenntnissen der herkömmlichen Führungstheorien besitzen unserer Meinung nach Denkkonzepte wie die allgemeine Systemtheorie, welche sich selbst als Universaltheorie versteht, die Formtheorie und die Netzwerktheorie das Potential für ein besseres Verständnis von Führung. 29
  • 30. Variablen Dimensionen Erklärungszusammenhang Erklärungszweck Eigenschaftsansatz Eigenschaften des Führers Sachdimension Korrelation zwischen Eigenschaften des Führers und Führungserfolg dem Führungserfolg Verhaltensansatz Verhalten (Führungsstil) der Sachdimension Korrelation zwischen Führungsstil und dem Führungserfolg Führungskraft Führungserfolg Situativer Ansatz Verhalten (Führungsstil) der Sachdimension (bei Korrelation zwischen dem idealem Führungsstil für Führungserfolg, Führungskraft, Erwartungen, Führungsverhalten); konkrete Kontextsituation und dem Führungserfolg Führungseffektivität Fähigkeiten, unterschiedliche Sach-, Zeit- und Quelle: Janis Zech, 2008 Kontextfaktoren Sozialdimension (bei Kontextfaktoren) Transformationaler Ansatz - Leader-Member- Führer-/Geführteninteraktion Sach-, Zeit-, Korrelation zwischen Führer-/Geführteninteraktion Qualität der Führer- Exchange Sozialdimension und deren Beziehungsqualität /Geführtenbeziehung - Idiosynkrasie- Verhalten von Mitarbeiter und Führern, Sach-, Zeit-, Korrelation zwischen Mitarbeiterverhalten/ - (Re-) Produktion eines kreditmodell deren Interaktion und Wahrnehmung Sozialdimension wahrnehmung und (Re-) Produktion eines Führungskredit Führungskredits 30 Charismatische Führung Eigenschaften, Fähigkeiten, Werte, Sach-, Zeit-, Korrelation zwischen dem von den Mitarbeiter Führungserfolg Interessen von Führer/ Geführten, Sozialdimension wahrgenommenen Charisma der Führungskraft und Wahrnehmung der Geführten dem Führungserfolg Transaktionaler Ansatz Eigenschaften, Werte und Verhalten der Sach-, Zeit-, Korrelation zwischen sozialer Interaktion von Führung als Faktor zur Führungskraft; Interessen, Werte, Sozialdimension Führung und Produktionvitätsgewinnen Steigerung der Abbildung 2: Zusammenfassung der Führungsanalyse Rollenverständnis und Wahrnehmung Produktivität der Geführten Mikropolitischer Ansatz Interessen von Führer/ Geführten, Sach-, Zeit-, Korrelation zwischen Interaktion von Führer/ Strategisches Interaktion, Führungsinstrumente & Sozialdimension Geführten und strategischem Verhalten Führungsverhalten Kontextfaktoren Symbolische Führer/ Geführten, Kommunikation, Sach-, Zeit-, Korrelation zwischen Kommunikation/ Interaktion Erklärung der Rolle von Führungansätze Wahrnehmung, Führungsinstrumente, Sozialdimension von Führer/ Geführten und der Sinndimension von Symbolen in Interaktion von Führungskräften und Führung Führungsprozessen Geführten Systemische Ansätze Kommunikation, Kontextfaktoren Sach-, Zeit-, Korrelation von Kommunikation und der Reproduktion von Sozialdimension Reproduktion von sozialen Führungsystemen sozialen Führungssystemen
  • 31. 4 Die Führung in Unternehmungen Nachdem wir mit Hilfe des Modells Führung im Kontext von Sach-, Zeit- und Sozialdimension untersucht haben, entwickeln wir unseren eigenen Ansatz von Führung: Zu Beginn beschreiben wir die Methodik, auf der unserer Ansatz basiert. Hierbei sind neben der Begriffsklärung vor allem die getroffen Grundannahmen von Bedeutung und die Beschreibung der Notation einer Form. Nachfolgende konzentrieren wir uns auf die Entwicklung des eigenen Ansatzes, einer Betrachtung von Führung in Unternehmen. Wir arbeiten mit einem Formkalkül, welches erlaubt komplexe Sachverhalte in Form von Unterscheidungen darzustellen. Abschließend fassen wir die Ergebnisse zusammen. 4.1 Die Methodik Wie in der obigen Zusammenfassung dargestellt, basieren die meisten Führungstheorien auf Methodiken, dessen Untersuchungsschwerpunkte in erster Linie nicht zur Betrachtung von Führung entwickelt wurden. So bauen der transaktionale Ansatz auf der Gruppenforschung, der Symbolische auf der Kulturforschung, der Mikropolitische auf der Machttheorie und der Systemische auf der Systemtheorie. Zusätzlich fanden wir auch Rückbezüge innerhalb der Führungsforschung. Die charismatische Führungsforschung entspricht einer Ausdifferenzierung des Eigenschaftsansatzes und der situative Ansatz referiert auf die Unterscheidungen des Verhaltensansatzes (Mitarbeiter-/Aufgabenorientierung). Wir versuchen einen interdisziplinären Erklärungsansatz von Führung zu entwickeln, dessen Grundlage die neuere Systemtheorie Niklas Luhmanns (1987), die Unterscheidungstheorie von Spencer Browns (1969) und deren Weiterentwicklung von Dirk Baecker (1993) sowie die bereits dargestellten Führungstheorien bilden. 4.1.1 Die Annahmen Wir nehmen an, dass es sich bei Führung um ein soziales System handelt, wobei diese Aussage bereits auf vielfältige Theoriekonzepte von W. Ross Ashby (1958), Gregory Bateson (1982), George Spencer Brown (1969), Heinz von Foerster (1993), Ranulph Glanville (1982), Niklas Luhmann (1987), Claude E. Shannon und Warren Weaver (1963) referiert. Annahme 1: Führung ist komplex. 31
  • 32. Wie bereits bei der obigen Analyse deutlich wird, handelt es sich bei Führung um einen Sachverhalt, welcher durch Komplexität gekennzeichnet ist. Dies wird nach Luhmann als „eine zusammenhängende Menge an Elementen bezeichnen, wenn auf Grund der immanenten Beschränkungen der Verknüpfungskapazität der Elemente nicht mehr jedes Element jederzeit mit jedem anderen verknüpft sein kann“ (1987: 46). Im Umgang mit Komplexität selektiert das Führungssystem die Beziehung seiner Elemente, sprich es relationiert die Relationen zwischen den einzelnen Elementen, lässt somit gewisse Beziehungen zu und schließt andere grundlegend aus. Dies entspricht Weaver’s Idee der organisierten Komplexität (1948:536 ff.). „denn organisierte Komplexität heißt nichts anderes als Komplexität mit selektiven Beziehungen zwischen den Elementen“ (Luhmann, 1987: 46). Das Modell Medium der Führung bildet diese Mehrdimensionalität von Führung ab und verdeutlicht die Kontingenz in der Selektivität zur Erklärung des Phänomens Führung. Dabei wird ausgespart, wie wissenschaftliche Betrachtungen von Führung mit der Problematik der Überwältigung umgehen, was Führung überhaupt handlungsfähig macht? Reflektion der eigenen Selektion im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand ist nicht gerade die Stärke der vorgestellten Ansätze. Kontingenz folgt nach Luhmann aus der Annahme der Komplexität: „Komplexität [...] Selektionszwang, Selektionszwang heißt Kontingenz, und Kontingenz heißt Risiko. Jeder komplexe Sachverhalt beruht auf einer Selektion der Relation zwischen seinen Elementen, die er benutzt, um sich zu konstituieren und zu erhalten“ (1987:47). Somit beruht jeder komplexe Sachverhalt auf der Relationierung seines Möglichkeitsraumes, seiner Elemente (1987:47). Diese Form der Reduzierung von Komplexität, der „Relationierung von Relationen“ (1987:49), schafft Systemstrukturen wie bestimmte Beziehungsnetzwerke oder Macht, Ressourcen oder Kompetenzbereiche von Führung in Unternehmen, welche die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Formen der Kommunikationen zulassen. Gleichzeitig bedeutet jede Bestimmung von wiederkehrender Kommunikation die Ausgrenzung anderer Kommunikationsmöglichkeiten. Es gibt folglich Formen der Kommunikation, die anschlussfähiger sind als andere und somit Führung reproduzieren. Wir schauen, welche spezifische Form der Kommunikation Führungssysteme reproduzieren21 und welche Kontexte die Kommunikation von Führung in Unternehmen rahmt. Nach Luhmann heißt „Kommunizieren Beschränken“ (1987: 66), Shannon’s Sender-Transmitter- 21 dies entspricht der Operation der Führung in Unternehmen, an dessen Reproduktion das soziale System arbeitet. 32
  • 33. Empfänger-Modell sieht Nachrichten als eine Selektion aus dem Raum von möglichen Nachrichten (1963: 31), was bereits eine gewisse Kontingenz impliziert, denn der Empfänger hätte auch anders selektieren können. Nachrichten müssen immer in Relation zu Ihrem Möglichkeitsbereich gelesen werden, damit statistisch errechnet werden kann, wie wahrscheinlich es ist, dass die gesendete Nachricht l (anstatt als kleines L) bei der Übermittlung durch Rauschen verzerrt auch als 1 (die Zahl Eins) und nicht als „kleines L“ empfangen wird. Um die Zahl 1 entziffern zu können, muss der Empfänger den Möglichkeitsraum der natürlichen Zahlen kennen, um selektieren zu können, was gemeint ist. Nach Baecker arbeitet Kommunikation an der Bestimmung des Unbestimmten (2005: 23), er notiert Shannon’s Kommunikationsbegriff als Unterscheidung von Selektion und Redundanz (2005: 24), entwickelt den Kommunikationsbegriff als Unterscheidung von kommunikativer Bezeichnung/ Unterscheidung weiter (2005: 60), um letztendlich den Begriff des Freiheitsgrads einzuführen. Diesen verwendet er um darzustellen, dass bei Beschreibung von Welt mithilfe von Variabeln immer Bestimmungsspielsräume mitgelesen werden. Folglich bildet Kommunikation die Bestimmung von Freiheitsgraden im Kontext von Konditionierung (2005: 63ff.). Der Aspekt der Freiheitsgrade spielt eine wesentliche Rolle für das nachfolgend notierte Formkalkül. Grundlegend für unseren Ansatz ist die Annahme, dass alles Gesagte zu einem Beobachter gesagt wird (von Foerster, 1993: 85). Maturana und Varela fügen hinzu, dass alles Gesagte von Jemanden (dem Beobachter) gesagt wird (1987: 32).22 Diese Annahmen gelten auch für soziale Systeme. Sie haben die Fähigkeit, sich selbst zu beobachten (1987:66), was der „Handhabung von Unterscheidungen“ (Luhmann, 1987: 63) entspricht. Systeme beobachten die eigens getroffenen Unterscheidungen und führen ihre konstitutive Unterscheidung, die System/ Umwelt Unterscheidung, wieder in das System ein. Führung stellt dabei eine Beziehung zu sich selbst her, wobei diese Beziehung in Differenz zur Beziehung ihrer Umwelt steht (Luhmann, 1987: 31). Zusätzlich nehmen wir an, dass das Führungssystem operationell geschlossen ist. Dies bedeutet, dass das soziale System der Führung entscheidet, welche Form der Kommunikation einen Unterschied macht, der wiederum einen Unterschied im System nach sich zieht (Bateson, 1982: 580) oder, anders ausgedrückt, die Wahrscheinlichkeit 22 Das unterliegende Prinzip dieser Annahmen ist der des radikalem Konstruktivismus, welcher sich gegen die ontologische Ansicht von Welt wendet und die Welt als Konstruktion der Beobachter beschreibt. 33
  • 34. von Anschlusskommunikationen bestimmt. Dieser Bezug auf sich selbst legt den Grundstein für den von Maturana und Varela vorgeschlagenen Begriff der Autopoiesis (1987: 55ff.). „Auto“ bedeutet „selbst“ und bezeichnet hier die Autonomie selbstorganisierender Systeme. Poiese basiert aus derselben griechischen Wurzel wie das Wort „Poesie“ und bedeutet „machen“. Somit heißt „Autopoiese“ wörtlich Selbstmachen (Capra, 1996). Zur Reproduktion beziehen Systeme sich auf sich selbst, also auf die Unterscheidung System/ Umwelt, da durch die Beobachtung der System/ Umwelt-Unterscheidung Anschlussunterscheidungen (in sozialen Systemen in Form von kommunikativen Operationen) getroffen werden (Luhmann, 1987: 63). Wir selektieren folglich die konstitutiven Unterscheidungen, welche von Führung getroffen immer wieder getroffen werden. Hierbei entscheiden Operationen, so genannte systemspezifische Form der Kommunikation, über die Wahrscheinlichkeit von Anschlussoperationen. Nach Luhmann differenziert sich die moderne Gesellschaft in funktionale Subsysteme mit jeweils verschiedenen Reproduktionsmechanismen. So kommuniziert beispielsweise die Wirtschaft über Knappheit/Überfluss, die Politik über Macht/Ohnmacht, das Rechtssystem über Recht/Unrecht und die Wissenschaft über Wahrheit/ Unwahrheit (Luhmann, 1998: 482). Wie bereits oben erwähnt, konzentrieren wir uns auf Führung in Unternehmen, den Organisationen im Kontext der Wirtschaft, markieren somit unseren Untersuchungs- und Erkenntnisraum durch den Ausschluss aller anderen funktionalen Gesellschaftssysteme. Wir betrachten Führung in Unternehmen als ein Subsystem der Wirtschaft, welche die Systemreferenz darstellt. Möglicherweise greift die Unternehmensführung Störungen anderer Funktionssysteme auf und verarbeitet diese im Führungssystem.23 Diesen Aspekt berücksichtigen wir durch den Aspekt der Gesellschaft. Ausgehend von diesen Theoriekonzepten suchen wir nach der Operation des Führungssystems, also der spezifischen Form der Kommunikation, welche Anschlusskommunikationen im Führungssystem bedingen. Wir beobachten, welche Unterscheidungen das Führungssystem reproduziert, wie sich also ein Führungssystem selbst beobachtet, welche rekursive Form des Zugriffs auf Komplexität Führungssysteme ausbilden und welche Einschränkungen und Ausschränkungen das Geschehen von Führung bestimmen. Zur Beschreibung eines solch schwierigen 23 Diese Diskussion griff der Ökonom Milton Friedman durch sein Argument auf, dass das Kerngeschäft von Firmen der Profit sei, woraufhin eine breite Diskussion über die Zwecksetzung von modernen Unternehmungen der 20. Jhd. entfachte (1970). 34
  • 35. Sachverhalts wie Führung verwenden wir das Unterscheidungskalkül von Spencer Brown. Dies bedarf allerdings einer kurzen Einführung zum besseren Verständnis. 4.1.2 Die Form Im Folgenden führen wir kurz in die Formtheorie Spencer Browns ein. Hierbei bildet der kreative Akt der Unterscheidung den Ausgangspunkt einer Form, wobei eine Unterscheidung immer einem Beobachter zugeschrieben werden muss. Nach Korzybski sind Formalismen ähnlich wie Modelle nur hilfreich, wenn die wenigen Variablen, auf die sich auf unserer Formalismus anschließend konzentriert, im bewussten Kontext der unendlichen Anzahl an Variablen der Welt steht (1958: 276). Somit sollten Vereinfachungen durch Modelle oder anderen Formalismen im Kontext von allem Ausgeschlossenen stehen und die Schlüsse dementsprechend als theoretische Betrachtungsweise von Welt gelesen werden. Nach Gumbrecht muss eine soziologische Formtheorie, deren Betrachtungsweise wir in Bezug auf das Thema „Führung in Unternehmen“ adoptieren, als eine Konstruktion der Wirklichkeit verstanden werden. Eine weitere Vorraussetzung ist, dass die Form einem Ereignis entsprechen muss - anderenfalls wäre sie nicht beobachtbar (1996: 587). Aber nun erst einmal zur Notation des Formalismus von Spencer Brown - er notiert die Asymmetrie der Unterscheidung mithilfe eines Hakens: Die vertikale Linie zieht die Unterscheidung, beispielsweise Führung in Unternehmungen von allem Anderen, und die horizontale Linie bezeichnet das, was man beobachtet – hier: Führung in Unternehmung. Wichtig ist, dass beim Treffen einer Unterscheidung immer nur eine Seite der Unterscheidung beobachtet und bezeichnet wird. Dies ist der „marked state“, die Innenseite der Unterscheidung im Gegensatz zum „unmarked state“, der Außenseite der Unterscheidung. Wir beziehen uns auf den nach Baecker verwendeten Formbegriff, welcher Operation auf der Innenseite und den Kontext der Operation auf der Außenseite notiert (2005: 65). Das Kalkül ermöglicht dem Beobachter weitere Kontexte zu bezeichnen, wobei allerdings immer die Außenseite, also alles andere, der unbestimmte Zustand, mitschwingt. Dadurch wird die Kontingenz der Selektion der unterschiedenen Begriffe 35
  • 36. deutlich und somit die Konstruktion des Beobachters, welcher diese bezeichnet und unterscheidet. Die Außenseite der Unterscheidung wird erst deutlich im Akt der Reflektion – wobei gleichermaßen das Prinzip des Nichtsehens von von Foerster gilt (von Foerster, 1993: 27). Dies stützt abermals die Aussage der Kontingenz der Selektion des Beobachters, welcher ebenfalls eine andere Unterscheidung treffen könnte oder wie Baecker es auf den Punkt bringt: „Der Formbegriff beschreibt eine unbestimmte Bestimmtheit, in die sich abhängig von der Beobachterperspektive unterschiedliche und unterscheidbare Bestimmungen einzeichnen können. Er ist damit ein Relationsbegriff, der alternativ zum Begriff der Kausalität, der Bestimmtes mit Bestimmtem in Verbindung bringt, verstanden werden kann“ (Baecker, 2005: 68f.) und sich somit für unseren Zweck, der Beschreibung von Führung in Unternehmung, sehr gut eignet. Nach Spencer Brown gibt es nur drei allgemeingültige Gesetze für den Umgang mit der Notation der Form: 4.1.2.1 Laws of calling „The value of a call made again is the value of the call“ (Spencer Brown, 1969: 1f.). = Das Gesetz der Nennung beschreibt den Wert einer wiederholten Nennung24. Nennungen bezeichnen eine Seite der Unterscheidung, in der Notation durch die horizontale Linie verdeutlicht. Der Wert einer einfachen Nennung ist gleich dem Wert einer wiederholten Nennung, da die Eindeutigkeit der Nennung nur die eine Seite beschreibt. Wird etwas ein zweites Mal benannt löst dies keinen relevanten Unterschied aus. Somit gleichen zwei Nennungen einer Nennung. Dies nennt Spencer Brown eine wertindifferente Vermehrung, was der Möglichkeit beliebiger Vervielfältigung ohne qualitative Verschiedenheit entspricht (1969: 83). Wir beispielsweise unterscheiden Führung von allem anderen. Führung unterschieden von allem anderen und Führung unterschieden von allem anderen bleibt nach Spencer Brown Führung unterschieden von allem anderen. 4.1.2.2 Laws of crossing „The value of the crossing is not the value of the crossing. That is to say, if it is intended to cross a boundary and then it is intended to do it again, the value indicated by the two 24 Nennung kann im Folgenden mit Bezeichnung gleichgesetzt werden. 36
  • 37. intentions taken together is the value indicated by none of them. That is to say, for any boundary, to recross is not to cross“ (Spencer Brown, 1969: 1f.). = Das „Gesetz der Grenzüberschreitung“ behandelt den Wert einer Grenzüberschreitung. Die Grenzüberschreitung kann sowohl von der bestimmten als auch von der unbestimmten Seite vorgenommen werden. Als Grenze wird der Unterschied der beiden Seiten verstanden – sie ist durch den vertikalen Strich markiert. Das Axiom sagt aus, dass der Wert einer wiederholten Grenzüberschreitung nicht dem Wert einer einfachen Überschreitung entspricht (Spencer Brown: 1f.). Die wiederholte Grenzüberschreitung hebt die Bestimmtheit der Ausgangsunterscheidung auf und wandelt den „marked state“ in einem „unmarked state“. Nach Spencer Brown gibt es drei Möglichkeiten der Grenzüberschreitung: die einfache, die wiederholte oder beide zusammen – keine dieser Möglichkeiten weist den gleichen Wert auf. Folglich handelt es sich damit bei der Grenzüberschreitung um einen relevanten Unterschied (1969: 87). 4.1.2.3 Re-entry Die Ebene des Re-entries bezeichnet den Wiedereintritt der Unterscheidung in den Raum der Unterscheidung und kann als Reflektionsebene, als Beobachtung zweiter Ordnung, verstanden werden. Man beobachtet die getroffene, relevante Unterscheidung. Diese Reflektion der Unterscheidung schafft einen Blick für das, was die Beobachtung, also das Benennen einer Unterscheidung (den marked state), ausklammert und sorgt damit für die Möglichkeit der Oszillation zwischen der Innen- und Außenseite der Unterscheidung. Eine Operation, welche beide Seiten der Form beobachten kann wird als Re-entry bezeichnet (Spencer Brown, 1969: 56, 65). Die Notation führt somit die Unterscheidung wieder in den Zustand der Unterscheidung ein. Formen werden damit selbstbezüglich (Baecker 2005: 57). Nach Baecker ist die Selbstbezüglichkeit der Form das Fundamentale an dem Denkkonzept Spencer Browns (1969: 24f.). Es ermöglicht modellhafte Abbildung von rekursiven Betrachtungen. 37
  • 38. Das Führungssystem der Unternehmung reproduziert sich folglich aus seinen eigenen Bezeichnungen und Unterscheidungen, welche stetig getroffen und erneuert werden. Ein konkretes Beispiel für diese Selbstbezüglichkeit stellt die Ausgangsunterscheidung Entscheidungsmacht/ Netzwerke unseres Führungskalküls dar. Die These lautet: Führung in Unternehmen kommuniziert die Macht der Entscheidung im Kontext von Netzwerken, welche diese Kommunikation beschränken – dies entspricht einer relevanten Unterscheidung. Dieser Unterschied wird ständig reproduziert, das Führungssystem beobachtet sich selbst bei dem Treffen der Unterscheidung – dies entspricht der Ebene des Re-entries. Das Treffen der Unterscheidung Entscheidungsmacht/ Netzwerke bezeichnet die Entscheidungsmacht im Kontext des Netzwerkes – die Wiedereinführung jedoch macht die Ungewissheit dieser Wiedereinführung klar. 4.1.2.4 Fazit Zur Darstellung der Führung in Unternehmen verwenden wir die Notation Spencer Browns. Das Formkalkül folgt einer klaren Logik, welche auf den beschriebenen Axiomen Spencer Browns basieren. Wir beschreiben die Operation des Führungssystems (marked state), bestimmten dessen Kontexte und benennen die Beobachtung zweiter Ordnung (den „Re-entry“) durch die Reflektion der Unterscheidung. Abbildung 3 stellt diese Vorgehensweise bildlich dar: Abbildung 3: Das Formkalkül Form = Operation Kontext' Kontext'' ... X Re-entry' Re-entry'' ... Quelle: Baecker, 2006 Zum einen bleibt die Anzahl der Kontexte offen, wie die obige Abbildung verdeutlicht. Schon daran wird die Flexibilität der Notation deutlich. Zum anderen erfüllt das Kalkül ebenfalls den von Korzybski geforderten Modellkontext der unendlichen Anzahl an Variablen der Welt (1958: 276), welcher durch den „unmarked state“ (hier durch X 38
  • 39. gekennzeichnet) berücksichtig ist. Folglich ist diese Notation für unseren Zweck, der Beschreibung von Führung in Unternehmen, sehr gut geeignet. 4.2 Der Ansatz In diesem Abschnitt präsentieren wir unsere Form der Führung. Die Notation setzt den Untersuchungsgegenstand, die Führung in Unternehmen, mit einem differenzierten Unterscheidungskalkül gleich. Unsere Form der Führung in Unternehmungen (siehe Abbildung 4) besteht aus sechs bezeichneten Variablen, welche voneinander unterschieden werden. Diese Unterscheidungen werden von dem Führungssystem immer wieder getroffen und stehen in einem kommunikativen Zusammenhang. Dies soll heißen, dass diese Unterschiede im Führungssystem kommuniziert werden. In Reflektion auf das Modell sind wir uns bewusst, dass bei Einschluss der Variablen eine Vielzahl, teilweise zur Erklärung von Führung in Unternehmen ebenfalls interessante Aspekte, wegfallen. Dieses Dilemma ist jedoch wie bereits bei dem ersten Modell beschrieben schwer zu umgehen. Einzig die gewählte Notation verringert wie oben dargestellt die angesprochene Problematik. Wir notieren mit Hilfe von Spencer Brown folgendes Kalkül und beschreiben anschließend die Variablen, die Unterscheidungen und die Wiedereintrittsebenen. Abbildung 4: Form der Führung in Unternehmungen Quelle: Janis Zech, 2008 Führung in Entscheidungs- Organisation der = Netzwerke Wirtschaft Gesellschaft Individuen X Unternehmungen macht Unternehmung Ungewissheit Konflikt Markt Unternehmenskultur Rollen 39
  • 40. 4.2.1 Entscheidungsmacht Führung in Unternehmen bearbeitet die Macht der Entscheidung. Nach Luhmann kommunizieren Organisationen, wobei das Unternehmen einen spezielle Form der Organisation im Kontext der Wirtschaft darstellt, Entscheidungen (2000: 63f.). Führung in Unternehmen greift diesen Aspekt auf und bearbeitet die Verteilung von Entscheidungsgewalten, deren Legitimation und zeitliche Veränderungen sowie soziale Akzeptanz von Machtverhältnissen. Die Kommunikation über die Macht zum Entscheiden ist es, was im Führungssystem sowohl produziert als reproduziert wird. Nach Mintzberg beschreibt Macht die Fähigkeit, Einfluss auf organisatorische Ergebnisse zu nehmen (1983) und Weber sieht Macht als jene Chance den Willen gegen Widerstreben des sozialen Kontextes durchzusetzen (1972). Nach Luhmann „geht es um die Zurechnung von Verantwortung, also auch um die Entlastung von Verantwortung oder schließlich um die Bestimmung der Stelle, auf die man einwirken muss, wenn man die Entscheidung des Systems beeinflussen will“ (Luhmann, 2000: 200). Er macht deutlich, dass Entscheidungsmacht nicht losgelöst von Verantwortung gedacht werden kann, deren Verteilung Konflikte bedingen kann und somit für die Neuordnung des Führungssystems sorgt. Des Weiteren steht neben dem Aspekt der Macht die Unsicherheit, welche durch Machtordnungen innerhalb der Unternehmung dem Führungssystem die Möglichkeit zur Beobachtung der eigenen, unsicheren Zukunft gibt (Luhmann, 2000: 220). Diesen Aspekt greifen wir in der Beschreibung des ersten „Re- entries“ wieder auf. Nach Bennis und Nanus bildet Macht die Grundlage für anfängliches und nachhaltiges Handeln sowie die Transformation von Intention in die Unternehmensrealität (1985: 17). Gardner weißt darauf hin, das die Ausübung von Macht nicht die beabsichtigten Wirkungen haben muss (1986a: 5), was von Foersters Idee der nicht trivialen Maschine entspricht, deren Informationstransformationsalgorithmus verborgen bleibt. Zusammenfassend wird durch die obigen Definitionsversuche deutlich, dass Entscheidungsmacht soziale, zeitliche und sachliche Dimensionen abdeckt. Sozialität besitzt Entscheidungsmacht durch relative Beobachtung, welche Ablehnung oder Zustimmung nach sich zieht. Zeitlichkeit entspringt den Veränderungen der Kommunikation im Netzwerk, der Organisation, der Wirtschaft, der Gesellschaft und den Individuen sowie allem Anderen, kurz: durch die Veränderungen der nachgelagerten Variablen. Sachlichkeit kommt den anschlussfähigen, kommunikativen Unterscheidungen gleich, welche im Unternehmen beispielsweise durch 40
  • 41. Entscheidungen nach effizienten und effektiven Knappheitskalkülen (nach ökonomisch Kalkülen) oder durch Erhöhung von Einflussnahme auf Entscheidungen (nach unternehmenspolitischen Kalkülen) deutlich werden. Führung kommuniziert Entscheidungsmacht. Das ist es, worauf Führung in Unternehmen sich beschränkt und was für Anschlusskommunikationen sorgt. Den Kontext dieser Operation bilden Netzwerke, denn nach Foucault entspricht die Macht „nicht etwas, was man erwirbt, wegnimmt, teilt, was man bewahrt oder verliert; die Macht ist etwas, was sich von unzähligen Punkten aus und im Spiel ungleicher und beweglicher Beziehungen vollzieht.“ (Foucault, 1983: 115). 4.2.2 Netzwerke Das Zitat Foucaults beschreibt bereits sehr gut, was wir unter einem Netzwerk verstehen. Wir beziehen uns im Folgenden auf den soziologischen Netzwerkbegriff von White und Baecker: „Ein Netzwerk verwebt Identitätsentwürfe von Personen, Institutionen, Ideologien und Geschichten zu einem Versuch wechselseitiger Kontrolle, der an den Identitäten, die hier im Spiel sind, laufend scheitert und daraus, nämlich aus den resultierenden Unsicherheiten, seine nächsten Motive rekrutieren“ (Baecker, 2005: 226). Baecker beschreibt nach White Netzwerke als Kontrolle im Kontext von Identitäten, wobei sowohl Kontrolle als auch Identitäten wiederum als Differenzen betrachtet werden. Identität gleicht der Wiedereinführung der Unterscheidung Abweichung/Norm in die Abweichung (2005: 228f.). Kontrolle gleicht der Wiedereinführung der Unterscheidung Abweichung/Ziel in die Abweichung (2005: 230f.). Netzwerke können nicht gezielt errichtet, verändert oder kontrolliert, sondern vielmehr gestört und geschwächt werden. Auch die Teilnahme kann nicht selbst entschieden werden, das Netzwerk entscheidet über Identitätsvorschläge, welche bei Übernahme in Kontrollvorgänge transferiert werden (Baecker, 2005: 232). Was bedeutet dies für Führung in Unternehmungen? Dieser Netzwerkbegriff integriert sowohl Individuen als auch Institutionen, Geschichten und Ideologien. Zusammen rahmen sie die Kommunikation über die Macht der Entscheidung. Bedeutend hierbei ist, dass die Struktur des Netzwerks diese Operation insofern bestimmt, als das es bestimmte kommunikative Verknüpfungen zulässt und fördert, andere jedoch damit verhindert oder über die Zeit austrocknet. Dieser Sachverhalt hängt mit der Struktur von Netzwerken zusammen, welche Knoten zwischen Individuen, Institutionen, Geschichten und Ideologien bildet. Daraus 41
  • 42. entstehen Netzwerke, welche die Kommunikation von unterschiedlichen Funktionsbereichen auf einer Hierarchiestufe oder gleichen Funktionsbereichen auf unterschiedlichen Hierarchiestufen bestimmen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Nach Baecker definiert jedes Netzwerk seine eigenen Handlungspotentiale, seine Empfindlichkeiten für unterschiedliche Umwelten und seine Indifferenz gegenüber allem anderen. Die Leistung von Führung stellt es dar, zwischen diesen Netzwerken zu wählen, was bei einer größeren Anzahl an Netzwerken die Schwierigkeit der Führungsaufgabe steigert (2003: 282f.). Die Kommunikation von Entscheidungsmacht muss erst einmal das „richtige“ Netzwerk selektieren, welches für die spezifische Reproduktion dieser Kommunikation geeignet scheint. Dies erhöht die Ungewissheit, somit die Kontingenz der Kommunikation und folglich die Schwierigkeit der formal zugeschrieben Führungsaufgabe. Andererseits verdeutlicht es die Beschränktheit von formalen Führungstiteln, welche von Netzwerken gerahmt sind, deren Wirkungen unsicher sind. Diese Spannung zwischen Organisation der Unternehmung25 und den Netzwerken bietet großes Konfliktpotential (siehe „Re-entry“ Konflikt). Ein weiterer interessanter Aspekt der Führung im Hinblick auf Netzwerke ist, dass es sich meistens um asymmetrische Beziehung handelt, bei der die eine mehr und die andere Partei weniger Entscheidungsmacht innehält. Der Führer nutzt die Macht, um Entscheidungen auch gegen den Willen der Geführten durchsetzen zu können und Zustimmungen in Form von kommunizierten „Ja’s“ erwartet (Baecker, 2003: 280). 4.2.3 Entscheidungsmacht/ Netzwerke Die erste Unterscheidung der Führung in Unternehmen bildet Entscheidungsmacht und Netzwerke. Die Kommunikation über Entscheidungsmacht operiert im Kontext von unternehmensinternen und -externen Netzwerken, welche durch Kontroll- und Identitätsversuche die Machtverhältnisse der Entscheidung rahmen. Es bilden sich Relationen der Netzwerkelemente, dessen Struktur die Anschlusskommunikationen von Entscheidungsmacht beschränkt. Besteht keine direkte und indirekte Verknüpfungen zwischen A (Personen, Geschichten, Ideologien, Institutionen etc.) und B (Personen, Geschichten, Ideologien, Institutionen etc.), ist die Wahrscheinlichkeit für Anschlusskommunikation gering, da die Netzwerke dies nicht zulässt – die entspricht einer Situation, bei der die notwendigen Elemente nicht in die relevanten Netzwerke der Führung integriert sind. Interessant für die Führung ist allerdings, welche direkten und 25 Der Begriff „Organisation der Unternehmung“ wird im Folgenden näher erläutert. 42