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Immobilienreport 4. Oktober 2012
Vielfältige Effekte der Schuldenkrise
Autor:
Dr. Stefan Mitropoulos
Die Staatsschuldenkrise hat vielfältige Auswirkungen auf die Immobilienmärkte. Kaum haben
Telefon: 0 69/91 32-46 19
Inflationsängste und historisch niedrige Zinsen den deutschen Wohnungsmarkt beflügelt,
research@helaba.de
werden schon Gefahren einer Blasenbildung beschworen (S. 2). Die deutschen Versicherun-
gen werfen einen gründlicheren Blick auf Immobilien einschließlich deren Finanzierung
(S. 3). Offene Immobilienfonds bleiben trotz der jüngsten Probleme und des regulatorischen
Redaktion: Gegenwinds ein wichtiger Vermögensbaustein für private Anleger (S. 4).
Dr. Gertrud R. Traud
1 Auf einen Blick 1
Herausgeber: 2 Ausgewählte Immobilienanalysen 2
Dr. Gertrud R. Traud 2.1 (Noch) Keine Blase am deutschen Wohnungsmarkt 2
Chefvolkswirt/Leitung Research
2.2 Versicherungen: Konkurrenz am Finanzierungsmarkt? 3
2.3 Offene Immobilienfonds behaupten sich 4
Landesbank Hessen-Thüringen
MAIN TOWER
Neue Mainzer Str. 52-58
60311 Frankfurt am Main 1 Auf einen Blick
Telefon: 0 69/91 32-20 24
Telefax: 0 69/91 32-22 44 Große Bandbreite europäischer Immobilienaktien
FTSE EPRA NAREIT Immobilienaktienindizes, Gesamtrendite in Euro, 1. Januar 2012 = 100
135 135
130 D 130
UK
125 125
FR
120 DAX 120
115 115
110 110
105 NL 105
100 100
95 95
90 90
2. Jan. 15. Feb. 30. Mrz. 15. Mai. 28. Jun. 13. Aug. 26. Sep.
Die Publikation ist mit größter Sorgfalt Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research Stand: 27. Sep. 2012
bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich
unverbindliche Analysen und Prognosen zu
den gegenwärtigen und zukünftigen Markt- Deutsche Immobilienaktien haben sich im bisherigen Jahresverlauf gut entwickelt. Dies gilt im
verhältnissen. Die Angaben beruhen auf
europäischen Vergleich, in dem sie zusammen mit den britischen Werten an der Spitze liegen.
Quellen, die wir für zuverlässig halten, für
deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktua-
Deutlich abgehängt wurden dagegen Immobilienaktien aus den Niederlanden. Aber auch im Ver-
lität wir aber keine Gewähr übernehmen kön- gleich zum deutschen Aktienmarkt insgesamt können sich deutsche Immobilientitel sehen lassen.
nen. Sämtliche in dieser Publikation getroffe- Die Outperformance gegenüber dem DAX geht vor allem auf die überdurchschnittliche Entwick-
nen Angaben dienen der Information. Sie
lung der Wohnungsunternehmen zurück, die im deutschen Immobilienaktienindex eine hohe Ge-
dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für
Anlageentscheidungen verstanden werden.
wichtung einnehmen. Dies spiegelt die gute Lage am deutschen Wohnungsmarkt wider (vgl. S. 2).
2. Immobilienreport
2 Ausgewählte Immobilienanalysen
2.1 (Noch) Keine Blase am deutschen Wohnungsmarkt
Inflationsangst, Anlage-Notstand und historisch niedrige Finanzierungszinsen: Dies sind die
Zutaten für eine Flucht der deutschen Anleger in das „Betongold“. Nach vielen Jahren sind
die Kaufpreise für Wohnimmobilien in Deutschland wieder spürbar gestiegen. Droht nun als
nächstes eine Hauspreisblase ausgerechnet in Deutschland?
Inflationsängste sind in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet, obwohl der Verbraucherpreis-
anstieg mit gut 2 % derzeit moderat ausfällt. Angesichts der extrem expansiven Geldpolitik der
europäischen Zentralbank wird aber vielfach befürchtet, die europäische Staatsschuldenkrise könn-
te mittelfristig über eine deutlich höhere Inflation gelöst werden. Die Flucht in vermeintlich siche-
re Sachwerte wie Immobilien wird durch den Mangel an Anlagealternativen verstärkt. Für sicher-
heitsorientierte Anleger sind Festgelder wie auch Staatsanleihen mit historisch niedriger Verzin-
sung derzeit wenig attraktiv. Da auch die Hypothekenzinsen drastisch gesunken sind, ist der Er-
werb von Wohneigentum für viele private Haushalte erschwinglich geworden.
Die verstärkte Nachfrage nach Wohnimmobilien hat insbesondere in den deutschen Ballungszen-
ten die Kaufpreise zuletzt deutlich steigen lassen. Befürchtungen, hier könnte sich eine neue Blase
Preisanstieg bislang bilden, wird üblicherweise entgegnet, der Preisanstieg sei bislang fundamental gerechtfertigt. Tat-
fundamental sächlich ist in vielen Großstädten, in denen weiterhin die Bevölkerungszahl zunimmt, bei nach wie
gerechtfertigt vor sehr geringer Neubauaktivität Wohnraum knapp. Auch gilt der deutsche Wohnungsmarkt im
internationalen Vergleich als stabil. Dieser Einschätzung liegt die schwache Entwicklung der
Wohnimmobilienpreise in den Jahren vor der Finanzkrise zugrunde, als die Hauspreise in den
USA und auch in vielen europäischen Ländern kräftig zugelegt hatten. Der bemerkenswerte An-
stieg 1987 bis 1994 widerspricht jedoch der Stabilitätsthese und hatte den deutschen Wohnungs-
markt in der Folge um mehr als ein Jahrzehnt gelähmt.
Deutsche Hauspreise kommen in Fahrt Weiterhin geringe Wohnungsbautätigkeit
Deutscher Hauspreisindex, % gg. Vj. Wohnungsfertigstellungen in Tausend, vor 1993 Westdeutschland
120 120 700 700
116 116 600 600
Neubau
112 112 500 500
108 108 400 400
gesamt
104 104 300 300
100 100 200 200
96 Bestand 96 100 100
92 92 0 0
00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10 12e
Quellen: Statistisches Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: Statistisches Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research
Leider zeigt die Historie von Finanzmarktblasen, dass vorab nicht feststellbar ist, wann genau ein
Preisanstieg noch fundamental gerechtfertigt ist und wann die spekulative Preisbildung beginnt.
Steigende
Bei fortgesetzt kräftigem Preisanstieg deutscher Wohnimmobilien ist daher auf mittlere Frist eine
Refinanzierungsrisiken
Überhitzung in Teilmärkten nicht auszuschließen. Darüber hinaus dürften trotz der im internatio-
nalen Vergleich eher konservativen Finanzierungspraxis langfristig die Refinanzierungsrisiken
zunehmen. Vielen Haushalten, die derzeit Wohneigentum mit hohem Fremdkapitalanteil zu rund
3 % erwerben, könnte in 10 oder 15 Jahren die Refinanzierung schwer fallen, wenn sich das Zins-
niveau normalisiert hat. Zur Erinnerung: Die Hypothekenzinsen mit 10-jähriger Bindung lagen in
Deutschland im Zeitraum 1990 bis 2000 bei durchschnittlich 7,7 %.
Helaba Volkswirtschaft/Research · 4. Oktober 2012· © Helaba 2
3. Immobilienreport
2.2 Versicherungen: Konkurrenz am Finanzierungsmarkt?
Versicherungen erhöhen im Niedrigzinsumfeld ihren Immobilienbestand und interessieren
sich zunehmend für Immobilienfinanzierungen. Letzteres sollte weniger als Konkurrenz für
die Banken denn als Beitrag zur Vermeidung einer Kreditklemme gesehen werden.
Die seit Jahren andauernde Finanzkrise wirkt sich auf das Anlageverhalten der Versicherungen
aus. Sie legen traditionell ihre Gelder überwiegend in festverzinsliche Anlagen an, deren Verzin-
Immobilienquote nur
sung nun historische Tiefstände erreicht. Auf Dauer ist damit die Garantieverzinsung der Lebens-
geringfügig gestiegen
versicherungen nicht gesichert, die im Durchschnitt aller Verträge noch bei knapp 3 ½ % liegt.
Damit werden Immobilienanlagen für die Versicherer zunehmend interessant. Dem in Umfragen
regelmäßig geäußerten Ziel verstärkter Immobilieninvestitionen steht aber bislang nur ein modera-
ter Anstieg gegenüber. So ist die Immobilienquote bei Lebensversicherern nach Verbandsangaben
seit 2009 von 3,4 % auf 3,7 % 2011 gestiegen, bei Erstversicherungen von 3,3 % auf 3,5 %. Dies
ist in erster Linie auf die hohen Ansprüche der Versicherungen zurückzuführen. Ihr Fokus liegt auf
hochwertigen, möglichst neuwertigen Immobilien in besten Standorten, die im unsicheren Umfeld
der Finanzkrise stark gesucht, aber schwer zu finden sind.
Deutsche Versicherungen erhöhen Immobilienbestände… … sind aber zurückhaltender bei Hypotheken
Kapitalanlagen deutscher Erstversicherungen, Mrd. Euro Kapitalanlagen deutscher Lebensversicherungen, Mrd. Euro
65 65 65 65
60 60 60 60
55 55 55 55
Hypotheken
50 Hypotheken 50 50 50
45 45 45 45
40 40 40 40
35 35 35 35
Immobilien Immobilien
30 30 30 30
25 25 25 25
20 20 20 20
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Quellen: GDV, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: GDV, Helaba Volkswirtschaft/Research
Als Anlagealternative für Versicherungen wird derzeit verstärkt die Finanzierung von Immobilien
diskutiert, zumal einzelne gewerbliche Großfinanzierungen zuletzt für Aufsehen sorgten. In der
Immobilienfinanzierung
Kapitalstruktur der Versicherungen hat sich dies jedoch noch nicht niedergeschlagen, der Hypo-
als Alternative
thekenbestand ist sogar spürbar zurückgegangen. So betrug der Anteil an den gesamten Kapitalan-
lagen 2011 bei Erstversicherern 5,1 % (2007: 6,2 %) und bei Lebensversicherern 6,7 % (8,1 %).
Als wichtiges Argument für das verstärkte Engagement von Versicherungen in der Immobilienfi-
nanzierung wird die Reform der europäischen Versicherungsaufsicht durch die „Solvency II“-
Richtlinie genannt, die bis 2015 eingeführt werden soll. Danach soll die Eigenkapitalunterlegung
von direkten Immobilieninvestitionen unter bestimmten Bedingungen deutlich höher ausfallen als
die Bereitstellung von Fremdkapital. Die gewerbliche Immobilienfinanzierung kommt vor allem
für große Versicherungen in Frage, für die sich der Aufbau entsprechender Expertise lohnt. Ange-
sichts des Rückzugs einer Reihe von Banken stehen den verbliebenen Akteuren für die Finanzie-
rung großer Immobilienvorhaben im Rahmen eines Konsortiums weniger Partner zur Verfügung.
Der Markteintritt einzelner Versicherungen sollte daher für die finanzierenden Banken nicht als
unliebsame Konkurrenz gesehen werden, sondern vielmehr als Chance für die gemeinsame Aus-
weitung des Finanzierungsgeschäfts und damit als Beitrag zur Sicherung der Kreditversorgung.
Welche Rolle die Versicherungen langfristig in der gewerblichen Immobilienfinanzierung ein-
nehmen werden, wird sich allerdings erst nach einer Normalisierung an den Finanzmärkten zeigen.
Helaba Volkswirtschaft/Research · 4. Oktober 2012· © Helaba 3
4. Immobilienreport
2.3 Offene Immobilienfonds behaupten sich
Offene Immobilienfonds haben in den letzten Jahren immer wieder für negative Schlagzeilen
gesorgt. Die Schließung und Abwicklung einer Reihe von Fonds hat eine Konsolidierung
eingeleitet. Die Entwicklung der Mittelzuflüsse und die Performance der verbleibenden Fonds
zeigen aber, dass diese ein wichtiger Baustein der Vermögensanlage privater Anleger bleiben.
Offene Immobilienfonds verbuchten in den ersten sieben Monaten dieses Jahres Nettomittelzuflüs-
se in Höhe von fast 2,4 Mrd. Euro. Diese Zuflüsse erzielten drei der vier führenden Anbieter, de-
Deutliche Mittelzuflüsse;
ren Fonds primär auf Privatanleger ausgerichtet sind und auf einen leistungsstarken Bankvertrieb
Performanceerwartung
zurückgreifen können. Die Performance dieser Anlagen kann sich im aktuellen Niedrigzinsumfeld
rund 3 %
sehen lassen: Der „Helaba OIF-Index“ weist aktuell eine Jahresperformance von 2,7 % auf. Der
Index bildet die gleichgewichtete Wertentwicklung von neun offenen Immobilienfonds der füh-
renden vier Anbieter ab, die sich nicht in der Abwicklung befinden und die Anteilsrücknahme
nicht ausgesetzt haben. Mit ihrem aktuellen Fondsvolumen von insgesamt rund 53 Mrd. Euro
decken sie weitgehend das für Privatanleger derzeit investierbare Universum dieser Fondskatego-
rie ab. Viele Immobilienmärkte, in denen diese Fonds investiert sind, haben sich inzwischen erholt
oder zumindest stabilisiert, so dass das Ausmaß der Abwertungen zurückgehen dürfte. Dies wird
sich positiv auf die Rendite auswirken. Da jedoch die weiterhin sehr niedrige Verzinsung der li-
quiden Mittel die Wertentwicklung belastet, rechnen wir auch auf mittlere Frist nicht mit einer
Performance des Helaba OIF-Index von spürbar über 3 %.
Deutliche Zuflüsse bei den „Überlebenden“ Akzeptable Performance im Niedrigzinsumfeld
Monatliche Nettomittelzuflüsse in Mrd. Euro Helaba OIF Index, Jahresperformance in %
2,0 2,0
8,0 8,0
1,5 1,5
7,0 7,0
1,0 1,0
6,0 6,0
0,5 0,5
5,0 5,0
0,0 0,0
4,0 4,0
-0,5 -0,5 3,0 3,0
-1,0 -1,0 2,0 2,0
-1,5 -1,5 1,0 1,0
-2,0 -2,0 0,0 0,0
2010 2011 2012 06 07 08 09 10 11 12
Quellen: Datastream, BVI, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research
Im Zuge der Änderung des Investmentgesetzes wurden bei den offenen Immobilienfonds als Lehre
aus der Krise Mindesthalte- und Kündigungsfristen eingeführt. Sie sollen das Anlagevehikel künf-
Regulatorischer
tig weniger attraktiv für institutionelle Anleger machen und damit deren Liquiditätssteuerung
Gegenwind hält an
erleichtern. Trotz dieser Neuregelung, die offene Immobilienfonds als langfristig orientierte Im-
mobilienanlage für private Anleger stärkt, sehen sich diese einem anhaltenden regulatorischen
Druck ausgesetzt: So sorgte das Bundesfinanzministerium im Juli 2012 mit der Vorlage eines
Gesetzentwurfes zu Umsetzung der EU-Richtlinie für Verwalter alternativer Investmentfonds
(AIFM) für eine Überraschung. Die Richtlinie muss bis Juli 2013 in nationales Recht umgesetzt
werden. Der Entwurf sieht vor, dass Immobilienfonds künftig nur noch in Form von geschlossenen
Fonds aufgelegt werden können. Allerdings sollen die bestehenden offenen Immobilienfonds Be-
standsschutz erhalten, so dass diese weiterhin für die Vermögensanlage privaten Anlegern zur
Verfügung stehen würden. Die deutliche Kritik an diesen Vorschlägen – auch aus den Reihen der
Koalitionsparteien – und die Erfahrung früherer Gesetzgebungsverfahren deuten darauf hin, dass
es hier noch zu substanziellen inhaltlichen Änderungen kommen dürfte.
Helaba Volkswirtschaft/Research · 4. Oktober 2012· © Helaba 4