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Helaba Volkswirtschaft/Research



                                                   USA aktuell                                                                                23. November 2011




                                                   Staatsschulden: Eine Plage biblischen Ausmaßes
                                      Autor:

                        Patrick Franke
                                                          Das überparteiliche Komitee zur Defizitreduktion hat sich nicht auf einen gemeinsamen
             Tel.: 0 69/91 32-47 38
                                                           Sparvorschlag für die Jahre ab 2013 einigen können.
              research@helaba.de
                                                          Dies unterstreicht die Differenzen zwischen den politischen Lagern, hat aber keine unmit-
                                                           telbaren ökonomischen Folgen. Der Kongress kann die „automatischen“ Ausgabenkür-
                                                           zungen, die nun eigentlich anstehen, mit einfacher Mehrheit modifizieren.
                              Redaktion:                  Leider ist damit eine weitere Gelegenheit verpasst worden, die nötige Haushaltskonsoli-
            Dr. Stefan Mitropoulos                         dierung voranzutreiben. Je näher die Präsidentschafts- und Kongresswahlen im Novem-
                                                           ber 2012 rücken, desto geringer wird der Wille zur Kooperation.


                          Herausgeber:
                                                   Die politisch Verantwortlichen in den USA haben zwar grundsätzlich erkannt, dass die hohen
               Dr. Gertrud R. Traud                Haushaltsdefizite und die steigenden Staatsschulden ein Problem darstellen, das eigentlich drin-
Chefvolkswirt/Leitung Research                     gend angegangen werden muss. Wenn es um konkrete Schritte geht, folgen sie jedoch Augustinus
Landesbank Hessen-Thüringen                        von Hippo: „Gib mir Keuschheit und Enthaltsamkeit – aber nicht sofort!“.
                        MAIN TOWER
         Neue Mainzer Str. 52-58                   Im August hatten Demokraten und Republikaner einen Kompromiss getroffen. Der Kongress hob
        60311 Frankfurt am Main                    die Schuldengrenze an, der drohende Staatsbankrott wurde verhindert. Man einigte sich einerseits
       Telefon: 0 69/91 32-20 24                   auf merkliche Einschnitte bei den Ausgaben – aber erst ab dem Fiskaljahr 2013, das im Oktober
       Telefax: 0 69/91 32-22 44                   2012 beginnt. Andererseits erging der Auftrag an das Komitee, Einsparmöglichkeiten im Umfang
                                                   von mindestens weiteren 1,2 Billionen Dollar über zehn Jahre zu finden – jedoch erneut mit der
                                                   Maßgabe, dass dies erst ab dem Fiskaljahr 2013 greift. Das laufende Haushaltsjahr wurde ausge-
                                                   nommen, denn angesichts des schwachen Wachstums, der hohen Arbeitslosigkeit und der Wahlen
                                                   im November 2012 erscheinen kurzfristige Belastungen politisch und ökonomisch nicht ratsam.
                                                   Um automatische Ausgabenkürzungen von 1,2 Billionen Dollar zu vermeiden, hätte der Kongress
                                                   nun eigentlich bis zum 23. Dezember Zeit gehabt, den Vorschlag des Komitees als Gesetz zu ver-
                                                   abschieden – ohne diesen ändern zu können und mit einfacher Mehrheit. Die für eine Verabschie-
                                                   dung im Senat faktisch erforderliche Mehrheit von 60 Stimmen war außer Kraft gesetzt.

                                                   Unter plausiblen Annahmen auf absehbare Zeit wachsender Schuldenberg
                                                   Finanzen des Bundes im Basis- und im realistischeren Alternativszenario des Congressional Budget Office (CBO), % am BIP

                                                    10                                                                                                                  85
                                                     9        Def izit (CBO-Baseline, LS)
                                                                                                            "debt held by the public" (CBO-Alternative, RS)
                                                     8                                                                                                                  80
                                                     7                     Def izit (CBO-Alternative, LS)
        Die Publikation ist mit größter Sorgfalt
                                                     6                                                                                                                  75
bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich
  unverbindliche Analysen und Prognosen zu           5                                             "debt held by the public" (CBO-Baseline, RS)
   den gegenwärtigen und zukünftigen Markt-          4                                                                                                                  70
     verhältnissen. Die Angaben beruhen auf          3
    Quellen, die wir für zuverlässig halten, für
                                                     2                                                                                                                  65
 deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktua-
                                                     1
 lität wir aber keine Gewähr übernehmen kön-
 nen. Sämtliche in dieser Publikation getroffe-
                                                     0                                                                                                                  60
                                                          2010      2011     2012     2013      2014        2015    2016     2017     2018     2019     2020    2021
     nen Angaben dienen der Information. Sie
 dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für      Quellen: CBO, Helaba Volkswirtschaft/Research
  Anlageentscheidungen verstanden werden.
USA aktuell




                                    Nach dem Scheitern des Komitees sind die Perspektiven für eine Einigung schlecht. Schon Ende
                                    2010 hatte eine überparteiliche Kommission einen Vorschlag zur Haushaltskonsolidierung 1 vorge-
         Kein gutes Omen            stellt und dieser sang- und klanglos in der Schublade verschwand. Theoretisch hat der Kongress
                                    nun vier Wochen Zeit, sich doch noch auf das nötige Sparvolumen zu einigen und damit die auto-
                                    matischen Kürzungen zu verhindern. Diese würden zu je 50 % auf die Verteidigungsausgaben und
                                    die zivilen Ausgaben – einschließlich Medicare, des Gesundheitssystems für Rentner, aber aus-
                                    schließlich Medicaid (Arme) und Social Security (Renten) – entfallen.

                                    Die Hürden für eine Einigung in letzter Minute sind jedoch hoch. Die Republikaner, die im Reprä-
                                    sentantenhaus die Mehrheit der Abgeordneten stellen, verweigern sich mehrheitlich jeglicher Steu-
                                    ererhöhung. Die Demokraten, die im Senat über eine Mehrheit, aber nicht über 60 oder mehr Sitze
                                    verfügen, lehnen deutliche Einschnitte bei den Leistungsgesetzen (insbesondere dem staatlichen
                                    Renten- und Gesundheitssystem) ab. Die Schnittmenge zwischen beiden Parteien ist entsprechend
                                    gering.

                                    Allerdings ist die sich aus einer fehlenden Einigung ergebende Konsequenz automatischer Ein-
                                    schnitte aus Sicht der Politik ebenfalls unattraktiv. So umfangreiche Kürzungen bei den Verteidi-
                                    gungsausgaben (aktuell 50 % der diskretionären Ausgaben des Bundes, aber nur 20 % der Ge-
                                    samtausgaben) könnten negative Auswirkungen auf die Schlagkraft der Streitkräfte haben. Dies
                                    wäre jedoch in breiten Wählerschichten unpopulär. Ob dies wirklich den Druck zu einem Kom-
                                    promiss erhöht, oder es nicht vielmehr wahrscheinlicher macht, dass der Kongress den ganzen
                                    Prozess aushebelt, indem er die „automatischen“ Kürzungen aussetzt, ist offen. Die Ankündigung
                                    von Präsident Obama, einen entsprechenden Versuch durch sein Veto zu stoppen, sollte nicht
                                    überinterpretiert werden. Sie ist Teil der politischen Auseinandersetzung. Wird er im Wahlkampf
                                    wirklich dabei bleiben, wenn ein konkreter Gesetzesentwurf auf seinem Tisch landet?

                                    Status Quo: Hohes strukturelles Defizit, steigende Schuldenlast

                                    Die Notwendigkeit, den Haushalt zu konsolidieren, besteht unverändert. Unter den führenden
                                    Industrienationen haben die USA auch 2011 wieder das größte strukturelle Defizit im Staatshaus-
   Am Sparen führt kein
                                    halt. Bereinigt um zyklische Schwankungen liegt der Fehlbetrag der amerikanischen Gebietskör-
              Weg vorbei
                                    perschaften aller Ebenen in diesem Jahr bei 8,6 % des Bruttoinlandsproduktes (OECD-Schätzung
                                    vom Mai). Davon entfällt der Löwenanteil auf den Bund, denn die Defizite der Staaten und Ge-
                                    meinden sind vergleichsweise gering. 2


Gesamtsparvolumen nicht sehr ambitioniert                                          USA sind die Nummer Eins beim strukturellen Defizit
Staatsausgaben und geplantes Sparvolumen 2012-2021, Mrd. Dollar                    Zyklisch bereinigtes Haushaltsdefizit Gesamtstaat 2011, % am BIP

 30000                   Ausgaben                                     30000         10                                                                  10
                         ($39.000 Mrd.)                                              9                                                                  9
 25000                                                                25000
                                                                                     8                                                                  8
                                                Rentensystem                         7                                                                  7
 20000                                                                20000
                                                                                     6         OECD-Durchschnitt                                        6
 15000        Verteidigung                      Gesundheit            15000          5                                                                  5
                                                                                     4                                                                  4
                                                 andere
 10000                                                                10000          3                                                                  3

                                                     Sparvolumen                     2                                                                  2
  5000                   zivile                                       5000
                                                     ($1.200 Mrd.)                   1                                                                  1
                         Ausgaben
     0                                                                0              0                                                                  0
            "discretionary"      "mandatory"                                             AUD        D    F      I      J     CDN     E      UK    USA

Quellen: CBO, Helaba Volkswirtschaft/Research                                      Quellen: OECD, Helaba Volkswirtschaft/Research




                                    1
                                        Siehe hierzu unser USA aktuell „Haushaltspolitik nach den Wahlen: Was nun?“ vom Dezember 2010.
                                    2
                                        Siehe USA aktuell „Kommunalanleihen: Subprime, die Fortsetzung?“ vom Mai 2011.




                                    Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. November 2011· © Helaba                                                            2
USA aktuell




                                 Die bisherige Verbesserung beim Bundeshaushaltssaldo ist zum einen konjunkturell bedingt und
                                 reflektiert zum anderen das Auslaufen des Stimuluspakets von 2009. Keiner dieser beiden Effekte
                                 wird jedoch nach 2012 noch eine größere Rolle spielen. Die letzten Maßnahmen im Rahmen des
                                 Konjunkturpakets laufen 2012 aus. Konjunkturell ist in den kommenden zwei Jahren keine deutli-
                                 che Verbesserung mehr zu erwarten, denn das Wachstum dürfte in diesem Zeitraum im Durch-
                                 schnitt nahe seinem Trend von 2 % liegen.

                                 Da die Defizite zunächst weiterhin höher sind als das nominale Wachstum steigt die Schuldenlast
                                 der öffentlichen Hand. Zwar liegen die USA im Vergleich mit anderen OECD-Ländern in dieser
                                 Hinsicht eher im Durchschnitt. Zusammen mit dem hohen strukturellen Defizit und dem rasanten
                                 Anstieg der Schuldenquote ergibt sich aber ein wenig schmeichelhaftes Bild von den Staatsfinan-
                                 zen. Für den Gesamtstaat haben die USA 2011 laut OECD einen Schuldenstand von über 100 %
                                 des BIP erreicht. In der in Amerika selbst im Vordergrund stehenden Abgrenzung der Bundes-
                                 schulden („debt held by the public“) liegt der Schuldenstand bei fast 70 % und damit rund doppelt
                                 so hoch wie noch 2006. Auch wenn sich die Zinsbelastung derzeit wegen des Rekordtiefs der
                                 Kapitalmarktzinsen in Grenzen hält, ist der Konsolidierungsbedarf erheblich.

                                 Auslaufende Regelungen als zusätzliche Herausforderungen

                                 Der Handlungsspielraum in der Finanzpolitik wird zusätzlich geschmälert, weil verschiedene Ge-
                                 setze per Jahresanfang 2012 und 2013 auslaufen. Dies gilt es in der Finanzplanung zu berücksich-
 Restriktiver Impuls zum
                                 tigen – vorausgesetzt, dass es wirklich so kommt. Denn der Umgang mit diesen „automatischen“
          Jahreswechsel
                                 Änderungen ist zwischen Demokraten und Republikanern ebenfalls umstritten. Der nächste Stich-
                                 tag ist der 1. Januar 2012: Erstens endet dann die Regelung, nach der Arbeitslose einen auf bis zu
                                 99 Wochen verlängerten Anspruch auf Unterstützung haben. Da die Arbeitslosenquote mit 9 %
                                 noch immer hoch und der Anteil der Langzeitarbeitslosen erheblich ist, wird diskutiert, die groß-
                                 zügige Regelung um ein Jahr zu verlängern. Zweitens springt zum Jahreswechsel der für das Ka-
                                 lenderjahr 2011 gesenkte Rentenbeitrag wieder auf sein normales Niveau zurück. Dies würde die
                                 Einnahmen der Rentenkasse 2012 um rund 90 Mrd. Dollar erhöhen – aber die privaten Haushalte
                                 in gleichem Umfang belasten. Präsident Obamas im September vorgestellter „American Jobs Act“
                                 sah deshalb vor, den niedrigen Beitrag 2012 beizubehalten und darüber hinaus auch den Arbeitge-
                                 beranteil zu senken. Bisher hat dies jedoch noch keine Mehrheit im Kongress gefunden. Drittens
                                 müssen Investitionen, die von der derzeit möglichen steuerlichen Sofortabschreibung profitieren,
                                 bis zum 31. Dezember 2011 in Betrieb genommen sein. Dies stellt einen Anreiz für Unternehmen
                                 dar, geplante Anschaffungen eher früher als später vorzunehmen. Die Steuereinnahmen werden in
                                 diesem Fall nur verschoben – denn die Abschreibungen fallen in den kommenden Jahren entspre-
                                 chend geringer aus. Die Wirksamkeit dieses Instruments ist jedoch umstritten und es sieht derzeit
                                 so aus, als würde die Deadline hier wie geplant beibehalten.

Schuldenstand im OECD-Vergleich normal, aber…                                  …schneller Anstieg Anlass zur Sorge
Bruttoschulden Gesamtstaat 2011, % am BIP                                      Schulden der öffentlichen Hand, % am BIP

 250                                                                250          120                                                                120

                                                                                 100             Bruttoschulden Gesamtstaat*                        100
 200                                                                200
                                                                                         "Federal debt
                                                                                  80                                                                80
                                                                                         held by the public"**
 150                                                                150
                                                                                  60                                                                60
         OECD-Durchschnitt
 100                                                                100
                                                                                  40                                                                40

  50                                                                50
                                                                                  20                                                                20

   0                                                                0              0                                                                0
       AUD     D      F      I      J    CDN       E   UK    USA                        2006       2007     2008    2009       2010   2011   2012

Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research                               Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research
                                                                               * 2011/12: OECD-Schätzung, ** 2011/12: CBO-Baseline.




                                 Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. November 2011· © Helaba                                                            3
USA aktuell




                                   Größer noch ist die Unsicherheit hinsichtlich des Termins 1. Januar 2013. Zu diesem Zeitpunkt
                                   laufen die so genannten „Bush tax cuts“ aus. Damit wird eine Reihe von umfangreichen Steuer-
                                   senkungen bezeichnet, die unter George Bush 2001 und 2003 in Kraft traten, aber von Anfang an
                                   zeitlich beschränkt waren, weil sie so leichter durch den Kongress gebracht werden konnten. Im
                                   Dezember 2010 einigte sich Präsident Obama mit den Republikanern, die eigentlich schon Ende
                                   2010 auslaufenden Regelungen bis Ende 2012 zu verlängern. Wenn diese Steuerentlastungen in
                                   vollem Umfang auslaufen, bringt dies laut CBO-Schätzungen dem Treasury Mehreinnahmen von
                                   240 Mrd. Dollar im ersten Jahr und fast 2.500 Mrd. Dollar in den nächsten zehn Jahren. In gleicher
                                   Höhe werden allerdings die privaten Haushalte belastet.

                                   Da sich die Republikaner gegen jede Form von Steuererhöhung positioniert haben, kann man ge-
                                   spannt sein, wie sie mit diesem Problem umgehen. Im Wahlkampf könnten sie versuchen, Präsi-
          Schwarzer Peter          dent Obama den schwarzen Peter zuzuschieben und ihm die Schuld für die drohende Steuererhö-
          vor den Wahlen
                                   hung geben. Allerdings wäre denkbar, dass die Demokraten ein Gesetz vorschlagen, das die Steu-
                                   ern nur für die reichsten Amerikaner erhöht. Dann müssten die Republikaner den Wählern erklä-
                                   ren, warum sie – nur um Mehrbelastungen einer kleinen Minderheit zu verhindern – höhere Steu-
                                   ern für alle Amerikaner und möglicherweise eine Rezession in Kauf genommen haben.

Ausgaben zu hoch, Steuern zu niedrig                                             Klarer Reformbedarf im Steuerrecht
Bundesebene, % am BIP                                                            Textlänge in Worten (in Tausend)

 26                                                                       26       3500                                                            3500
                                                      Ausgaben
 24                                                                       24                       "Internal Revenue Code"
                                                                                   3000                                                            3000
                                                                                                   (Steuergesetz ohne Regulierungen)
 22                                                                       22
                                                                                   2500                                                            2500
 20                                                                       20
                                                                                   2000                                                            2000
 18                                                                       18
                                        Einnahmen
 16                                                                       16       1500                                                            1500
                                                                                                   Bibel plus Tora plus Koran
 14                                                                       14       1000            (engl. Übersetzung)                             1000

 12                                                                       12
                                                                                    500                                                            500
 10                                                                       10
   1954    1960   1966   1972   1978   1984   1990   1996   2002   2008               0                                                            0

Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research                                 Quellen: Tax Foundation, Yahoo, Helaba Volkswirtschaft/Research


                                   Ausblick : Umfassende Steuerreform als Preis höherer Einnahmen?

                                   Vor allem wenn die Politiker diese 2013 drohende Steuererhöhung verhindern sollten, reichen
                                   „Sparanstrengungen“ im bisher diskutierten Umfang nicht aus, um die langfristige Tragfähigkeit
                                   der US-Staatsfinanzen sicher zu stellen. Die langfristigen Belastungen durch die Sozialsysteme
                                   erfordern in jedem Fall Einschnitte bei den Leistungen, höhere Einnahmen oder eine Kombination
                                   aus beidem. Statt den bislang vorgesehenen 2,4 Billionen Dollar an Konsolidierung von 2013 bis
                                   2022 müsste eher eine Größenordnung von 4 Billionen Dollar anvisiert werden. Dies ist aber bei
                                   einer Beschränkung auf die Ausgabenseite nicht realistisch.

                                   Damit wird der zukünftige Umgang der Republikaner mit dem Thema „höhere Steuern“ zur zent-
                                   ralen Frage. Die Lösung könnte in einer grundlegenden Reform und Vereinfachung des extrem
      Höhere Steuern wohl
                                   komplizierten Steuerrechts liegen. Der Bedarf hierfür liegt auf der Hand: Der Internal Revenue
            unumgänglich
                                   Code umfasst (ohne Regularien) 3,4 Mio. Worte. Die heiligen Bücher der drei großen monotheisti-
                                   schen Weltreligionen bringen es hingegen auf weniger als 900.000 Worte. So könnten wohl selbst
                                   eingefleischte Gegner höherer Abgaben steigenden Einnahmen zustimmen, sofern das System
                                   gleichzeitig merklich vereinfacht und verbessert würde. Ob es jedoch möglich ist, ohne eine weite-
                                   re Zuspitzung der Situation (Herabstufung durch Rating-Agenturen, Druck des Rentenmarktes) die
                                   Widerstände gegen eine solche Reform zu überwinden, ist fraglich. Denn Steuersubventionen für
                                   Ausgaben für Spenden und Hypothekenzinsen, um nur die zwei wichtigsten zu nennen, haben
                                   zahlreiche und einflussreiche Verteidiger. 




                                   Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. November 2011· © Helaba                                                          4

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  • 1. Helaba Volkswirtschaft/Research USA aktuell 23. November 2011 Staatsschulden: Eine Plage biblischen Ausmaßes Autor: Patrick Franke  Das überparteiliche Komitee zur Defizitreduktion hat sich nicht auf einen gemeinsamen Tel.: 0 69/91 32-47 38 Sparvorschlag für die Jahre ab 2013 einigen können. research@helaba.de  Dies unterstreicht die Differenzen zwischen den politischen Lagern, hat aber keine unmit- telbaren ökonomischen Folgen. Der Kongress kann die „automatischen“ Ausgabenkür- zungen, die nun eigentlich anstehen, mit einfacher Mehrheit modifizieren. Redaktion:  Leider ist damit eine weitere Gelegenheit verpasst worden, die nötige Haushaltskonsoli- Dr. Stefan Mitropoulos dierung voranzutreiben. Je näher die Präsidentschafts- und Kongresswahlen im Novem- ber 2012 rücken, desto geringer wird der Wille zur Kooperation. Herausgeber: Die politisch Verantwortlichen in den USA haben zwar grundsätzlich erkannt, dass die hohen Dr. Gertrud R. Traud Haushaltsdefizite und die steigenden Staatsschulden ein Problem darstellen, das eigentlich drin- Chefvolkswirt/Leitung Research gend angegangen werden muss. Wenn es um konkrete Schritte geht, folgen sie jedoch Augustinus Landesbank Hessen-Thüringen von Hippo: „Gib mir Keuschheit und Enthaltsamkeit – aber nicht sofort!“. MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 Im August hatten Demokraten und Republikaner einen Kompromiss getroffen. Der Kongress hob 60311 Frankfurt am Main die Schuldengrenze an, der drohende Staatsbankrott wurde verhindert. Man einigte sich einerseits Telefon: 0 69/91 32-20 24 auf merkliche Einschnitte bei den Ausgaben – aber erst ab dem Fiskaljahr 2013, das im Oktober Telefax: 0 69/91 32-22 44 2012 beginnt. Andererseits erging der Auftrag an das Komitee, Einsparmöglichkeiten im Umfang von mindestens weiteren 1,2 Billionen Dollar über zehn Jahre zu finden – jedoch erneut mit der Maßgabe, dass dies erst ab dem Fiskaljahr 2013 greift. Das laufende Haushaltsjahr wurde ausge- nommen, denn angesichts des schwachen Wachstums, der hohen Arbeitslosigkeit und der Wahlen im November 2012 erscheinen kurzfristige Belastungen politisch und ökonomisch nicht ratsam. Um automatische Ausgabenkürzungen von 1,2 Billionen Dollar zu vermeiden, hätte der Kongress nun eigentlich bis zum 23. Dezember Zeit gehabt, den Vorschlag des Komitees als Gesetz zu ver- abschieden – ohne diesen ändern zu können und mit einfacher Mehrheit. Die für eine Verabschie- dung im Senat faktisch erforderliche Mehrheit von 60 Stimmen war außer Kraft gesetzt. Unter plausiblen Annahmen auf absehbare Zeit wachsender Schuldenberg Finanzen des Bundes im Basis- und im realistischeren Alternativszenario des Congressional Budget Office (CBO), % am BIP 10 85 9 Def izit (CBO-Baseline, LS) "debt held by the public" (CBO-Alternative, RS) 8 80 7 Def izit (CBO-Alternative, LS) Die Publikation ist mit größter Sorgfalt 6 75 bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu 5 "debt held by the public" (CBO-Baseline, RS) den gegenwärtigen und zukünftigen Markt- 4 70 verhältnissen. Die Angaben beruhen auf 3 Quellen, die wir für zuverlässig halten, für 2 65 deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktua- 1 lität wir aber keine Gewähr übernehmen kön- nen. Sämtliche in dieser Publikation getroffe- 0 60 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 nen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Quellen: CBO, Helaba Volkswirtschaft/Research Anlageentscheidungen verstanden werden.
  • 2. USA aktuell Nach dem Scheitern des Komitees sind die Perspektiven für eine Einigung schlecht. Schon Ende 2010 hatte eine überparteiliche Kommission einen Vorschlag zur Haushaltskonsolidierung 1 vorge- Kein gutes Omen stellt und dieser sang- und klanglos in der Schublade verschwand. Theoretisch hat der Kongress nun vier Wochen Zeit, sich doch noch auf das nötige Sparvolumen zu einigen und damit die auto- matischen Kürzungen zu verhindern. Diese würden zu je 50 % auf die Verteidigungsausgaben und die zivilen Ausgaben – einschließlich Medicare, des Gesundheitssystems für Rentner, aber aus- schließlich Medicaid (Arme) und Social Security (Renten) – entfallen. Die Hürden für eine Einigung in letzter Minute sind jedoch hoch. Die Republikaner, die im Reprä- sentantenhaus die Mehrheit der Abgeordneten stellen, verweigern sich mehrheitlich jeglicher Steu- ererhöhung. Die Demokraten, die im Senat über eine Mehrheit, aber nicht über 60 oder mehr Sitze verfügen, lehnen deutliche Einschnitte bei den Leistungsgesetzen (insbesondere dem staatlichen Renten- und Gesundheitssystem) ab. Die Schnittmenge zwischen beiden Parteien ist entsprechend gering. Allerdings ist die sich aus einer fehlenden Einigung ergebende Konsequenz automatischer Ein- schnitte aus Sicht der Politik ebenfalls unattraktiv. So umfangreiche Kürzungen bei den Verteidi- gungsausgaben (aktuell 50 % der diskretionären Ausgaben des Bundes, aber nur 20 % der Ge- samtausgaben) könnten negative Auswirkungen auf die Schlagkraft der Streitkräfte haben. Dies wäre jedoch in breiten Wählerschichten unpopulär. Ob dies wirklich den Druck zu einem Kom- promiss erhöht, oder es nicht vielmehr wahrscheinlicher macht, dass der Kongress den ganzen Prozess aushebelt, indem er die „automatischen“ Kürzungen aussetzt, ist offen. Die Ankündigung von Präsident Obama, einen entsprechenden Versuch durch sein Veto zu stoppen, sollte nicht überinterpretiert werden. Sie ist Teil der politischen Auseinandersetzung. Wird er im Wahlkampf wirklich dabei bleiben, wenn ein konkreter Gesetzesentwurf auf seinem Tisch landet? Status Quo: Hohes strukturelles Defizit, steigende Schuldenlast Die Notwendigkeit, den Haushalt zu konsolidieren, besteht unverändert. Unter den führenden Industrienationen haben die USA auch 2011 wieder das größte strukturelle Defizit im Staatshaus- Am Sparen führt kein halt. Bereinigt um zyklische Schwankungen liegt der Fehlbetrag der amerikanischen Gebietskör- Weg vorbei perschaften aller Ebenen in diesem Jahr bei 8,6 % des Bruttoinlandsproduktes (OECD-Schätzung vom Mai). Davon entfällt der Löwenanteil auf den Bund, denn die Defizite der Staaten und Ge- meinden sind vergleichsweise gering. 2 Gesamtsparvolumen nicht sehr ambitioniert USA sind die Nummer Eins beim strukturellen Defizit Staatsausgaben und geplantes Sparvolumen 2012-2021, Mrd. Dollar Zyklisch bereinigtes Haushaltsdefizit Gesamtstaat 2011, % am BIP 30000 Ausgaben 30000 10 10 ($39.000 Mrd.) 9 9 25000 25000 8 8 Rentensystem 7 7 20000 20000 6 OECD-Durchschnitt 6 15000 Verteidigung Gesundheit 15000 5 5 4 4 andere 10000 10000 3 3 Sparvolumen 2 2 5000 zivile 5000 ($1.200 Mrd.) 1 1 Ausgaben 0 0 0 0 "discretionary" "mandatory" AUD D F I J CDN E UK USA Quellen: CBO, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: OECD, Helaba Volkswirtschaft/Research 1 Siehe hierzu unser USA aktuell „Haushaltspolitik nach den Wahlen: Was nun?“ vom Dezember 2010. 2 Siehe USA aktuell „Kommunalanleihen: Subprime, die Fortsetzung?“ vom Mai 2011. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. November 2011· © Helaba 2
  • 3. USA aktuell Die bisherige Verbesserung beim Bundeshaushaltssaldo ist zum einen konjunkturell bedingt und reflektiert zum anderen das Auslaufen des Stimuluspakets von 2009. Keiner dieser beiden Effekte wird jedoch nach 2012 noch eine größere Rolle spielen. Die letzten Maßnahmen im Rahmen des Konjunkturpakets laufen 2012 aus. Konjunkturell ist in den kommenden zwei Jahren keine deutli- che Verbesserung mehr zu erwarten, denn das Wachstum dürfte in diesem Zeitraum im Durch- schnitt nahe seinem Trend von 2 % liegen. Da die Defizite zunächst weiterhin höher sind als das nominale Wachstum steigt die Schuldenlast der öffentlichen Hand. Zwar liegen die USA im Vergleich mit anderen OECD-Ländern in dieser Hinsicht eher im Durchschnitt. Zusammen mit dem hohen strukturellen Defizit und dem rasanten Anstieg der Schuldenquote ergibt sich aber ein wenig schmeichelhaftes Bild von den Staatsfinan- zen. Für den Gesamtstaat haben die USA 2011 laut OECD einen Schuldenstand von über 100 % des BIP erreicht. In der in Amerika selbst im Vordergrund stehenden Abgrenzung der Bundes- schulden („debt held by the public“) liegt der Schuldenstand bei fast 70 % und damit rund doppelt so hoch wie noch 2006. Auch wenn sich die Zinsbelastung derzeit wegen des Rekordtiefs der Kapitalmarktzinsen in Grenzen hält, ist der Konsolidierungsbedarf erheblich. Auslaufende Regelungen als zusätzliche Herausforderungen Der Handlungsspielraum in der Finanzpolitik wird zusätzlich geschmälert, weil verschiedene Ge- setze per Jahresanfang 2012 und 2013 auslaufen. Dies gilt es in der Finanzplanung zu berücksich- Restriktiver Impuls zum tigen – vorausgesetzt, dass es wirklich so kommt. Denn der Umgang mit diesen „automatischen“ Jahreswechsel Änderungen ist zwischen Demokraten und Republikanern ebenfalls umstritten. Der nächste Stich- tag ist der 1. Januar 2012: Erstens endet dann die Regelung, nach der Arbeitslose einen auf bis zu 99 Wochen verlängerten Anspruch auf Unterstützung haben. Da die Arbeitslosenquote mit 9 % noch immer hoch und der Anteil der Langzeitarbeitslosen erheblich ist, wird diskutiert, die groß- zügige Regelung um ein Jahr zu verlängern. Zweitens springt zum Jahreswechsel der für das Ka- lenderjahr 2011 gesenkte Rentenbeitrag wieder auf sein normales Niveau zurück. Dies würde die Einnahmen der Rentenkasse 2012 um rund 90 Mrd. Dollar erhöhen – aber die privaten Haushalte in gleichem Umfang belasten. Präsident Obamas im September vorgestellter „American Jobs Act“ sah deshalb vor, den niedrigen Beitrag 2012 beizubehalten und darüber hinaus auch den Arbeitge- beranteil zu senken. Bisher hat dies jedoch noch keine Mehrheit im Kongress gefunden. Drittens müssen Investitionen, die von der derzeit möglichen steuerlichen Sofortabschreibung profitieren, bis zum 31. Dezember 2011 in Betrieb genommen sein. Dies stellt einen Anreiz für Unternehmen dar, geplante Anschaffungen eher früher als später vorzunehmen. Die Steuereinnahmen werden in diesem Fall nur verschoben – denn die Abschreibungen fallen in den kommenden Jahren entspre- chend geringer aus. Die Wirksamkeit dieses Instruments ist jedoch umstritten und es sieht derzeit so aus, als würde die Deadline hier wie geplant beibehalten. Schuldenstand im OECD-Vergleich normal, aber… …schneller Anstieg Anlass zur Sorge Bruttoschulden Gesamtstaat 2011, % am BIP Schulden der öffentlichen Hand, % am BIP 250 250 120 120 100 Bruttoschulden Gesamtstaat* 100 200 200 "Federal debt 80 80 held by the public"** 150 150 60 60 OECD-Durchschnitt 100 100 40 40 50 50 20 20 0 0 0 0 AUD D F I J CDN E UK USA 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research * 2011/12: OECD-Schätzung, ** 2011/12: CBO-Baseline. Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. November 2011· © Helaba 3
  • 4. USA aktuell Größer noch ist die Unsicherheit hinsichtlich des Termins 1. Januar 2013. Zu diesem Zeitpunkt laufen die so genannten „Bush tax cuts“ aus. Damit wird eine Reihe von umfangreichen Steuer- senkungen bezeichnet, die unter George Bush 2001 und 2003 in Kraft traten, aber von Anfang an zeitlich beschränkt waren, weil sie so leichter durch den Kongress gebracht werden konnten. Im Dezember 2010 einigte sich Präsident Obama mit den Republikanern, die eigentlich schon Ende 2010 auslaufenden Regelungen bis Ende 2012 zu verlängern. Wenn diese Steuerentlastungen in vollem Umfang auslaufen, bringt dies laut CBO-Schätzungen dem Treasury Mehreinnahmen von 240 Mrd. Dollar im ersten Jahr und fast 2.500 Mrd. Dollar in den nächsten zehn Jahren. In gleicher Höhe werden allerdings die privaten Haushalte belastet. Da sich die Republikaner gegen jede Form von Steuererhöhung positioniert haben, kann man ge- spannt sein, wie sie mit diesem Problem umgehen. Im Wahlkampf könnten sie versuchen, Präsi- Schwarzer Peter dent Obama den schwarzen Peter zuzuschieben und ihm die Schuld für die drohende Steuererhö- vor den Wahlen hung geben. Allerdings wäre denkbar, dass die Demokraten ein Gesetz vorschlagen, das die Steu- ern nur für die reichsten Amerikaner erhöht. Dann müssten die Republikaner den Wählern erklä- ren, warum sie – nur um Mehrbelastungen einer kleinen Minderheit zu verhindern – höhere Steu- ern für alle Amerikaner und möglicherweise eine Rezession in Kauf genommen haben. Ausgaben zu hoch, Steuern zu niedrig Klarer Reformbedarf im Steuerrecht Bundesebene, % am BIP Textlänge in Worten (in Tausend) 26 26 3500 3500 Ausgaben 24 24 "Internal Revenue Code" 3000 3000 (Steuergesetz ohne Regulierungen) 22 22 2500 2500 20 20 2000 2000 18 18 Einnahmen 16 16 1500 1500 Bibel plus Tora plus Koran 14 14 1000 (engl. Übersetzung) 1000 12 12 500 500 10 10 1954 1960 1966 1972 1978 1984 1990 1996 2002 2008 0 0 Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: Tax Foundation, Yahoo, Helaba Volkswirtschaft/Research Ausblick : Umfassende Steuerreform als Preis höherer Einnahmen? Vor allem wenn die Politiker diese 2013 drohende Steuererhöhung verhindern sollten, reichen „Sparanstrengungen“ im bisher diskutierten Umfang nicht aus, um die langfristige Tragfähigkeit der US-Staatsfinanzen sicher zu stellen. Die langfristigen Belastungen durch die Sozialsysteme erfordern in jedem Fall Einschnitte bei den Leistungen, höhere Einnahmen oder eine Kombination aus beidem. Statt den bislang vorgesehenen 2,4 Billionen Dollar an Konsolidierung von 2013 bis 2022 müsste eher eine Größenordnung von 4 Billionen Dollar anvisiert werden. Dies ist aber bei einer Beschränkung auf die Ausgabenseite nicht realistisch. Damit wird der zukünftige Umgang der Republikaner mit dem Thema „höhere Steuern“ zur zent- ralen Frage. Die Lösung könnte in einer grundlegenden Reform und Vereinfachung des extrem Höhere Steuern wohl komplizierten Steuerrechts liegen. Der Bedarf hierfür liegt auf der Hand: Der Internal Revenue unumgänglich Code umfasst (ohne Regularien) 3,4 Mio. Worte. Die heiligen Bücher der drei großen monotheisti- schen Weltreligionen bringen es hingegen auf weniger als 900.000 Worte. So könnten wohl selbst eingefleischte Gegner höherer Abgaben steigenden Einnahmen zustimmen, sofern das System gleichzeitig merklich vereinfacht und verbessert würde. Ob es jedoch möglich ist, ohne eine weite- re Zuspitzung der Situation (Herabstufung durch Rating-Agenturen, Druck des Rentenmarktes) die Widerstände gegen eine solche Reform zu überwinden, ist fraglich. Denn Steuersubventionen für Ausgaben für Spenden und Hypothekenzinsen, um nur die zwei wichtigsten zu nennen, haben zahlreiche und einflussreiche Verteidiger.  Helaba Volkswirtschaft/Research · 23. November 2011· © Helaba 4