1. TECHNISCHE HOCHSCHULE
MITTELHESSEN
- Fachbereich Wirtschaft -
Diplomarbeit zur Erlangung des Grades eines
Diplom-Betriebswirtes
über das Thema:
Markenkommunikation in
Social Media
Eingereicht bei: Michael Döring
Von: Mesut Göcmen
Matrikelnummer: 899350
Anschrit: Schopenhauerstraße 2
60316 Frankfurt/Main
Abgabetag: 16.05.2011
2. Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich, Mesut Göcmen, an Eides Statt, dass ich die
vorgelegte Diplomarbeit selbständig und ohne Benutzung anderer als
der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus fremden
Quellen übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich
gemacht.
Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Weise keiner
anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch nicht veröffentlicht.
Gießen, den 16. Mai 2011
__________________________
Unterschrift
1
3. Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ........................................................... 3
A. EINLEITUNG ................................................................................. 6
I. BEDEUTUNG DER MARKE................................................................. 9
1. Funktion der Marke ........................................................................ 11
2. Stufen der Markenführung ............................................................. 14
II. ERKENNTNISSE DER NEUROWISSENSCHAFT ................................... 16
1. Der Einfluss des Unbewussten auf unser Handeln ........................ 17
2. Belohnungswert und emotionale Bedeutung einer Marke ............. 22
III. INTEGRIERTE KOMMUNIKATION .................................................... 29
1. Bedeutung der integrierten Kommunikation ................................... 31
2. Prozess der Kaufentscheidung ...................................................... 44
3. Beispiel........................................................................................... 51
C. SOCIAL MEDIA ........................................................................... 54
I. DER SOCIAL MEDIA EINFLUSS ....................................................... 57
II. SOCIAL MEDIA KANÄLE ................................................................ 72
II. WORD-OF-MOUTH UND VIRALE VERBREITUNG ............................... 87
IV. ERFOLGSMESSUNG UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN ................. 104
D. ZUSAMMENFASSUNG............................................................. 124
LITERATURVERZEICHNIS ........................................................... 127
2
4. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: 5-Stufen-Modell der Markenführung,
Quelle: Zimmermann et al. (2001), S. 16 .................................. 14
Abbildung 2: Adelsonʼs checker shadow illusion,
Quelle: Massachusetts Institute of Technology
(http://goo.gl/eKrG5) .................................................................. 19
Abbildung 3: Erlebniswelt in der Bounty-Werbung,
Quelle: YouTube (http://goo.gl/lpi9d) ......................................... 25
Abbildung 4: Brand Desire durch integrierte Kommunikation,
Quelle: Geibig (2010), S. 53 ...................................................... 35
Abbildung 5: Informationsquellen vor dem Kauf,
Quelle: Yahoo! (2010), S. 9 ....................................................... 45
Abbildung 6: Kaufentscheidung, Quelle: Edelman (2010), S. 64 ..... 46
Abbildung 7: Konversation während einer Kaufentscheidung,
eigene Darstellung, in Anlehnung an: Microsoft Advertising
(2010), S. 5................................................................................ 47
Abbildung 8: Die einflussreichsten Berührungspunkte im
Prozess der Kaufentscheidung in %,
Quelle: Court et al. (2009), S. 6 ................................................. 48
Abbildung 9: (Produkt-)Involvement bei Kaufentscheidungen,
Quelle: Carat (2010), S. 10 ....................................................... 49
Abbildung 10: holistisches Kundenerlebnis bei Apple,
eigene Darstellung, Bildquelle: apple.de ................................... 52
Abbildung 11: iPhone 4 Werbung, eigene Darstellung,
Bildquelle: apple.com ................................................................ 53
Abbildung 12: Aktivität auf Facebook,
Quelle: Kowalsky (2011), S. 33 ................................................. 54
Abbildung 13: Motive für die Nutzung von Social Media,
Quelle: Microsoft Digital Advertising Solutions Report .............. 55
Abbildung 14: Soziodemografie in Community Plattformen,
Quelle: comScore (http://goo.gl/4dUWz) ................................... 56
Abbildung 15: Nestlé – Reaktion in Social Media, Quelle:
http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-53876-4.html ..... 62
3
5. Abbildung 16: Anzahl der Beiträge zum Thema Palmöl nach
Medientypen. Quelle:
http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-53876-8.html ..... 63
Abbildung 17: Greenpeace bedankt sich für die gelungene Aktion,
Quelle: www.greenpeace.org/international/campaigns/
climate-change/kitkat................................................................. 63
Abbildung 18: persönliche Nutzungsmotive
Social Media in Europa,
Quelle: Microsoft Digital Advertising Solutions Report .............. 66
Abbildung 19: Effektivität der ANA einer Werbeanzeige auf
Facebook, Quelle: www.facebook.com/advertising .................. 68
Abbildung 20: Volkswagen Werbung „The Force“,
Quelle: YouTube (http://goo.gl/eopcy) ....................................... 70
Abbildung 21: Social Media Prisma,
Quelle: www.ethority.de/weblog/social-media-prisma/,
www.theconversationprism.com/............................................... 72
Abbildung 22: Nutzung von Markenseiten auf Facebook,
Quelle: DDB (2010), S. 48 ......................................................... 75
Abbildung 23: Interaktionen mit Markenseiten auf Facebook,
Quelle: DDB (2010), S. 56 ......................................................... 76
Abbildung 24: Ausschnitt facebook.com/marketing ......................... 77
Abbildung 25: Coca-Cola Twitter Seite, Quelle:
twitter.com/@CocaCola............................................................. 79
Abbildung 26: Twitter-Trend und Suchergebnisse für Maggi,
Quelle: twitter.com ..................................................................... 80
Abbildung 27: Hashtags auf Twitter,
Quelle: twitter.com (10.05.2011) ............................................... 81
Abbildung 28: Kundenservice der Telekom auf Twitter,
Quelle: twitter.com/@Telekom_hilft........................................... 85
Abbildung 29: virale Kampagne „Will it blend?“,
eigene Darstellung, Bildquelle: willitblend.com ......................... 92
Abbildung 30: Strategien der sozialen Interaktion
für Unternehmen, Quelle: Esch/Krieger/Stenger (2009),
S. 12, in Anlehnung an: Godes et al. (2005), S. 422 ................. 94
Abbildung 31: Emotionale Ansprache in viralen Videos,
Quelle: YouTube ....................................................................... 96
4
6. Abbildung 32: Volkswagen Werbung „The Force“,
eigene Darstellung, Quelle: Youtube ......................................... 98
Abbildung 33: Interaktive Tipp-Ex Werbung, Quelle: YouTube ..... 101
Abbildung 34: Interaktives Samsung Gewinnspiel,
Quelle: YouTube ..................................................................... 103
Abbildung 35: Budgetprognose im Bereich Social Marketing,
Quelle: MarketingSherpa (2011), S. 4 ..................................... 104
Abbildung 36: Erwartungen in Social Media aus Sicht der
Markenmanager, Quelle: MarketingSherpa (2011), S. 3 ......... 105
Abbildung 37: Vier Perspektive einer Social Media Balanced
Scorecard, eigene Darstellung,
in Anlehnung an: Ray (2010), S. 4 .......................................... 107
Abbildung 38: Relevante Kennzahlen für Social Media
Anwendungen, Quelle: Hoffman/Fodor (2010), S. 44 ............. 111
Abbildung 39: McDonaldʼs Aktion „Mein Burger“,
eigene Darstellung, Bildquellen: mcdonalds.de,
facebook.com/mcd .................................................................. 119
Abbildung 40: Audi USA Facebook Seite, eigene Darstellung,
Bildquellen: www.facebook.com/audi,
apps.facebook.com/audi-quattro/ ............................................ 120
Abbildung 41: Markenauftritt Volkswagen in unterschiedlichen
Ländern, eigene Darstellung, Bildquellen: volkswagen-
karriere.de, facebook.com/volkswagen.karriere,
binekarac.vw.com.tr, facebook.com/VolkswagenUK............... 121
Abbildung 42: Coca-Cola in Social Media, eigene Darstellung,
Bildquellen: facebook.com/CocaCola,
twitter.com/CocaCola .............................................................. 122
Abbildung 43: Informationssuche mit Smartphones
resultiert in Kauf, Quelle: Google/Ipsos (2011),
S. 18 (http://goo.gl/lh8zb) ........................................................ 123
HINWEIS: Bei manueller Eingabe der Kurzlinks (goo.gl/...) bitte
unbedingt Groß- und Kleinschreibung der Buchstaben beachten!
5
7. A. Einleitung
Ziel dieser Arbeit ist es, eine Grundlage zum Verständnis und zur
Zweckmäßigkeit der Markenkommunikation in Social Media zu
schaffen. Vor diesem Hintergrund werden, anhand Beispiele aus der
Praxis, Chancen und Risiken aufgezeigt, die sich durch
Kommunikation in diesem sich stetig wandelnden und relativ neuen
Umfeld für Unternehmen, Marken und Produkte ergeben können.
Zunächst erfolgt eine Einführung in das Verständnis von Marken und
der Funktionen, die diese für Konsumenten und Unternehmen
erfüllen. Eine strategische Markenführung ist entscheidend für den
Erfolg eines Unternehmens. Dabei können abhängig von der
Markenpositionierung unterschiedliche Stufen erreicht werden.
Die einzelnen Stufen der Markenführung werden in einem Modell
abgebildet und verdeutlichen das Potential einer erfolgreichen Marke
aus Sicht der Unternehmen.
Für den Aufbau starker Marken müssen Entscheidungs- und
Denkprozesse der Menschen verstanden werden, damit eine
Kommunikation den gewünschten Erfolg erzielen kann. Viele
Entscheidungsprozesse des Menschen laufen unbewusst, instinktiv
und fast automatisch ab. Wir bilden Assoziationen zu Gegenständen
und Sachverhalten, die unsere Denkprozesse beschleunigen und
erleichtern. Diese mentalen Verbindungen helfen uns Erlebnisse aus
der Vergangenheit zu nutzen, um in der Gegenwart die richtige
Entscheidung treffen zu können. Wir sind in einer Entscheidungs-
situation eher gewillt, die Alternative zu wählen, zu der wir positive
Assoziationen haben. Menschen können zu Marken ebenfalls
Assoziationen haben, die ihre Entscheidung beeinflussen. Aufgabe
der Markenkommunikation ist es, diese Assoziationen positiv zu
gestalten und ihren Aufbau bei den Menschen zu fördern.
Eine Marke erhält dadurch einen positiven Charakter und Menschen
6
8. stufen diese, besonders in einer Entscheidungssituation, höher ein
als negative Assoziationen. Dies führt zu einer Präferenz der Marke.
Grundlage für diese Erkenntnis liefern Forschungsergebnisse aus
dem Bereich der Neurowissenschaften in Verbindung mit der
Psychologie.
Konsumenten durchlaufen in einer Kaufsituation unterschiedliche
Prozesse, an denen jeder Kontaktpunkt zur Marke entscheidenden
Einfluss auf die Kaufentscheidung haben kann. Voraussetzung dafür
ist eine konsistente und integrierte Kommunikation der Marke an
allen Kontaktpunkten. Der dritte Teil des ersten Kapitels widmet sich
der integrierten Kommunikation in Bezug auf den Prozess der
Kaufentscheidung und zeigt abschließend ein Beispiel aus der Praxis.
Social Media ermöglicht eine neue Form der Kommunikation, in der
Menschen mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft selbst
gestalten. Unternehmen nutzen Social Media ebenfalls für die
Kommunikation und treten in direkten Dialog mit Konsumenten.
Dies kann viele Vorteile bieten, aber insbesondere bei falscher
Kommunikation auch zu erheblichen Problemen führen.
Der zweite Teil dieser Arbeit liefert zunächst eine Definition des
Begriffes Social Media und stellt die wichtigsten Kanäle für
Unternehmen vor. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die
Markenkommunikation in Social Media ist Word-of-Mouth und die
virale Verbreitung von Botschaften. Anhand Beispiele erfolgreicher
Kampagnen werden, mit Bezug auf die geführte Argumentation,
Empfehlungen und Implikationen für die Kommunikation in Social
Media geliefert. Im letzten Teil des zweiten Kapitels werden
Möglichkeiten zur Erfolgsmessung vorgestellt.
Diese Arbeit liefert umfassende Einblicke und Erkenntnisse für das
Verständnis von Marken und bestimmt essentielle Faktoren einer
strategischen Markenkommunikation in Social Media.
7
9. B. Markenkommunikation
Die Wettbewerbssituation für Unternehmen wird immer schwieriger
und komplexer. Ständig steigende Leistungsangebote, weitgehend
homogene Produkte und Dienstleistungen sowie ein bereits
erreichter hoher Sättigungsgrad der Konsumenten führen zu einem
härteren Kommunikationswettbewerb. Ziel ist es, die Aufmerksamkeit
des Publikums für sich zu gewinnen, eine Differenzierung gegenüber
der Konkurrenz zu erreichen und schließlich Präferenzen bei den
Kunden für eigene Produkte und Dienstleistungen zu schaffen.
Die Kommunikation wird zu einer Herausforderung; die Bedingungen,
unter denen sie erfolgen muss, haben sich verschärft.
Das Kommunikationsangebot hat sich weiterentwickelt, es ist
gewachsen und hat sich auf die unterschiedlichsten Bereiche
ausgedehnt. Es ist eine Beschleunigung der Kommunikation und
eine allgemeine Verschiebung von Offline- zu Online-Medien
erkennbar.1 Werbeinvestitionen steigen stetig, das Medienangebot
nimmt weiter zu. Aufgrund der steigenden Anzahl an Werbe- und
Kommunikationsbotschaften ergeben sich Veränderungen bei den
Nachfragern der Kommunikation. Die Vielzahl der kommunikativen
Stimuli, in Verbindung mit begrenzten Aufnahme- und
Verarbeitungsfähigkeit der Konsumenten, führen zu einer
weitreichenden Informationsüberlastung. Diese ist verantwortlich für
ein geringes Interesse der Konsumenten an der Kommunikation und
ihre negativen Reaktionen gegenüber der Werbung. Konsumenten
entwickeln eine Verweigerungshaltung, weil sie sich nicht den
ständigen Werbebotschaften der Unternehmen aussetzen möchten.
Die Kommunikationsnachfrager werden zudem meist inkonsistenten,
widersprüchlichen Inhalten ausgesetzt, wodurch die empfangene
1
Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2011), S. 17
2
Vgl. Bruhn (2009), S. 437; Kroeber-Riel/Esch (2004), S. 16 f.
8
10. Werbebotschaft in ihrer Wirkung zusätzlich abgeschwächt wird.2
Unternehmen stehen vor der Herausforderung, diese Barrieren zu
durchbrechen. Sie müssen die Erkenntnisse der
Kommunikationsforschung nutzen und die Entwicklungen der
gesellschaftlichen Mediennutzung verstehen, um die Wahrnehmung
der Kunden auf sich lenken und die Beziehung zu ihnen zu stärken.
I. Bedeutung der Marke
Schon 1951 definierte David Ogilvy den Markenbegriff mit dem Satz:
„A brand is the consumerʼs idea of a product.“
Für das Verständnis von Marken ist eine wirkungsbezogene
Sichtweise notwendig, welche sich an den jeweiligen
Endverbrauchern und Anspruchsgruppen ausrichtet.
Demnach entsteht eine Marke, wenn es gelingt, ein positives,
relevantes und eindeutiges Image bei den Konsumenten aufzubauen.
Marken werden heute als unverwechselbare Vorstellungsbilder
verstanden, die in der Psyche der Menschen verankert sind.3
„Marken sind Vorstellungsbilder in den Köpfen
der Anspruchsgruppen, die eine Identifikations-
und Differenzierungsfunktion übernehmen und
das Wahlverhalten prägen“.
4
Wir leben in einer komplexen Zeit, in der sogar eine Internet
Suchmaschine zu einer der bekanntesten und wertvollsten Marken
weltweit avanciert ist. Marken gehören heute zu den essentiellen
Erfolgsfaktoren in Unternehmen, und sie werden immer wertvoller.
2
Vgl. Bruhn (2009), S. 437; Kroeber-Riel/Esch (2004), S. 16 f.
3
Vgl. Meffert/Burmann (1998), S. 81
4
Esch (2007), S. 22
9
11. Durch starke Marken kann sich ein Produkt bzw. das Unternehmen
profilieren und von der Konkurrenz abgrenzen.
Starke Marken erzeugen einen höheren Unternehmenswert, indem
sie steigende Erträge und größere Gewinnspannen schaffen,
sie senken das Cashflow-Risiko der Unternehmen.5
Marken sind als Netzwerke von Assoziationen im menschlichen
Gehirn verankert. Es handelt sich dabei um Bruchstücke an
Informationen, Bedeutungen, Erfahrungen, Emotionen und
Intentionen, die neuronal unterschiedlich stark miteinander
verbunden sind. Die Qualität und Anzahl der Markenassoziationen ist
letztendlich verantwortlich für Einstellung und Verhalten der
Konsumenten.6
Erfolgreiche Marken sind bei Konsumenten stark gefühlsmäßig
verankert. Besonders auf gesättigten Märkten mit austauschbaren
Produkten wird es für die Unternehmen immer wichtiger,
Vorstellungbilder, die Konsumenten mit ihrer Marke verbinden,
zu erkennen. Aufbau und Ansprache des in den Köpfen der
Konsumenten verankerten Markenwissens ist essentiell für ein
erfolgreiches Markenmanagement, denn die Marke lebt im
Bewusstsein des Verbrauchers. Dieses Bewusstsein ist bei den
Konsumenten geprägt durch innere Bilder und Vorstellungen über
die Marke.7 Vorstellungen werden im Gehirn als Markenschemata
gespeichert, welche sachliche, emotionale, verbale und nonverbale
Eigenschaften zu Marken enthalten. Sie bestimmen, wie Marken-
informationen aufgenommen, verarbeitet und gespeichert werden,
und bilden somit den zentralen Einfluss auf das Verhalten. Starke
Marken haben, neben den aus der jeweiligen Produktkategorie
5
Vgl. Walvis (2008), S. 176; Madden et al. (2006), S. 228 ff.
6
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 231 f., S. 171 ff.; Walvis (2008), S. 180
7
Vgl. Esch (2007), S. 22 f.
10
12. verbundenen Eigenschaften, auch einen hohen Anteil eigenständiger
Assoziationen.8
Diese sollten in der Markenkommunikation angesprochen und
ausgebaut werden, um das Markenwissen der Konsumenten zu
erhöhen. Das erhöhte Markenwissen soll einen positiven Beitrag zur
Einstellung der Konsumenten gegenüber der Marke leisten, um ihre
Kaufbereitschaft und Loyalität zu stärken.
1. Funktion der Marke
Aus Sicht der KONSUMENTEN erfüllen Marken unterschiedliche
Funktionen:
Marken übernehmen eine Kommunikations- und
Identifikationsfunktion. Sie bieten eine Orientierungshilfe,
erleichtern Konsumenten das Erkennen eines bestimmten
Produktes und dienen als Qualitätssignal, das die Informations-
verarbeitung bezüglich der Produkte erleichtert.
Über generiertes Vertrauen reduziert sich gleichzeitig das
empfundene Kaufrisiko.
Eine Marke kann als soziale Visitenkarte fungieren und ein
Gemeinschaftsgefühl erzeugen. Sie vermittelt eine empfundene
Gruppenzugehörigkeit. Dies kann beispielsweise bei Luxus-
marken bis zu einer Ausstrahlung von Prestige führen.
Es erfolgt eine Übertragung bestimmter Attribute der Marke auf
die eigene Persönlichkeit, wodurch das Selbstimage und damit
die Identität des Konsumenten geprägt werden.
Menschen demonstrieren durch den Kauf bestimmter Marken
persönliche Werthaltungen. Die Marke wird zum Werkzeug der
8
Vgl. Esch/Herrmann/Sattler (2008), S. 194
11
13. Identitätsbildung, sie wird in gewissem Maße zur persönlichen
(Corporate) Identity.
Besonders in den letzten Jahren wird verstärkt auf die
„Mythosfunktion“ einer Marke hingewiesen, wenn Konsumenten
die Marke als Kultobjekte verehren.
Unternehmen profitieren von zahlreichen nutzenbringenden
Funktionen, die Marken den Konsumenten bieten. Es ergeben sich
folgende Funktionen der Marken aus UNTERNEHMENSSICHT:
Mit Hilfe von Marken differenzieren sich Unternehmen von ihrer
Konkurrenz. Marken tragen zudem in erheblichem Maße dazu
bei, Präferenzen aufzubauen und sich beim Kunden zu
profilieren.
Durch starke Marken werden Kundenbindung und -treue
gefördert. Es kann ein Preispremium am Markt durchgesetzt
werden. Zudem werden negative Reaktionen der Konsumenten
auf Preisänderungen verringert. Besonders marktorientierte
Käufer, für die eine Marke und nicht der Preis wichtig ist, sind
bei Veränderungen der Wettbewerbssituation belastbarer und
somit die wertvolleren Kunden: Sie reagieren weniger sensibel
auf Preisanpassungen.
Marken können durch ein niedriger empfundenes Kaufrisikos
Vertrauensverhältnisse aufbauen, die Markentreue und
Kundenbindung stark fördern.
Mittels starker Marken bestehen Möglichkeiten, eine
Abhängigkeit vom immer stärker werdenden Handel zu
reduzieren. Bestimmte Marken müssen im Handel geführt
werden, um der Konsumentennachfrage gerecht zu werden.
Starke Marken bieten konstant gesicherte Umsätze und
12
14. Marktanteile. Sie verringern deutlich die Abhängigkeit von
kurzfristigen Sonder- und Preisaktionen.
Eine erhöhte Kundenbindung geht mit einer
Planungssicherheit für die Unternehmen einher und kann zu
einer Wertsteigerung des Unternehmens führen.
Starke Marken können von Ideen ihrer Kunden profitieren,
indem sie die Interaktion und Partizipation der Kunden fördern.
Dadurch können Unternehmen letztendlich eine höhere
Innovationskraft entwickeln und das Risiko des Scheiterns
einer Produktneueinführung verringern.
Zufriedene und Loyale Kunden, die eine Marke wertschätzen,
empfehlen diese weiter und erhöhen damit den Absatz.
Die Kundenbindung ist aus Sicht der Unternehmen meist die
wichtigste Funktion der Markenführung. Auch die Gewinnung von
Neukunden spielt dabei eine große Rolle, denn durch
Kundenbindung alleine werden keine hohen Umsatzzuwächse
erreicht. Eine Neukundengewinnung bei starken Marken erfolgt
insbesondere über Word of Mouth, also Weiterempfehlungen.
Für die Erreichung der Hauptziele sind insbesondere die aus
Kundensicht genannten Funktionen Vertrauen, Emotion, Prestige,
Gemeinschaft, Identifikation und Mythos von Bedeutung, also jene
Funktionen, die über den physischen Wert des Produktes
hinausgehen und höhere Bedürfnisse ansprechen. Dies verdeutlicht
die Entwicklung der Markenführung zu einem sozialpsychologischen
Phänomen.9
9
Vgl. Esch/Herrmann/Sattler (2008), S. 195; von Loewenfeld (2006), S. 12 ff.;
Zimmermann et al. (2001), S. 9 f.
13
15. 2. Stufen der Markenführung
Das 5-Stufen-Modell der Markenführung verdeutlicht den
immateriellen Aspekt einer Marke. Das Modell zeigt, wie im Rahmen
der Markenentwicklung immer mehr Funktionen der Marke aus Sicht
der Konsumenten abgedeckt werden. Ebenso wird deutlich, dass
stärkere Marken weit mehr als nur einen funktionalen Nutzen erfüllen.
Abbildung 1: 5-Stufen-Modell der Markenführung,
10
Quelle: Zimmermann et al. (2001), S. 16
Auf der ersten Stufe, der MARKENWARE, stehen funktionale
Eigenschaften des Produktes im Vordergrund. Die Marke kann auf
dieser Stufe nur als Qualitätsversprechen des Herstellers angesehen
werden, da kein zusätzlicher Werbeaufwand betrieben wird.
Zur Erreichung der zweiten Stufe, dem MARKENARTIKEL, ist die
Erreichung eines Markenstatuszeichens erforderlich. Die Marke
muss einen gewissen Bekanntheitsgrad oder eine hohe
Distributionsquote im Handel erreichen. Dem Kunden sind hier
Informationen zur Marke bekannt, denn es werden zusätzliche
Investitionen in Werbung und Distribution geleistet.
Der Bekanntheitsgrad der Marke und die gespeicherten
Informationen leisten einen Beitrag zur Entlastung des Kunden und
10
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 15
14
16. schaffen Vertrauen. Auch die Navigation im Internet wird durch die
Bekanntheit der Marke erleichtert, es werden jedoch keine
emotionalen Beziehungen aus Sicht des Konsumenten aufgebaut.
Auf der dritten Stufe finden sich POSITIONIERTE MARKEN wieder.
Neben der Differenzierung und Abgrenzung kommt nun die
emotionale Komponente hinzu. Die Marke erreicht einen hohen
Bekanntheits- und Emotionsgrad und bewirkt eine starke Kaufabsicht.
Die Markentreue wird über Erlebnisse emotional aufgeladen, um
damit den Premiumpreis zu begründen. Der Kunde muss ein aktives
Involvement zur Marke aufweisen, damit eine hohe Markenstärke in
Verbindung mit einer starken Markenpersönlichkeit aufgebaut
werden kann.
Die nächste Stufe der IDENTITÄTSSTIFTENDEN MARKE ist durch
aktives Involvement der Kunden und durch den Dialog zum Anbieter
gekennzeichnet. Der Kunde kann sich auf dieser Stufe vollkommen
mit der Marke identifizieren, sie wird zu einem Teil seiner
Persönlichkeit. Kunden definieren sich über den Konsum der Marke
und fühlen sich einer Gruppe zugehörig. Durch Ansprache
spezifischer Erlebniswelten und Förderung der Kommunikation
zwischen den Konsumenten können Brand Communities aufgebaut
werden.
Die höchste Stufe der Markenführung ist die MYTHISCHE MARKE.
Die Marke erhebt sich zu einem Legenden- bzw. Mythos-Status, sie
vermittelt komplexe Werte und wird zu einer Art Ersatzreligion.
Eine Werteverschiebung in der Gesellschaft oder Enttäuschungen
der Anhängerschaft können die Position der Marke gefährden.
Die Entwicklung dieses Stadiums ist im Gegensatz zu den anderen
von vorneherein nicht planbar und generell sehr zeitaufwendig. 11
11
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 15 f.; Zimmermann et al. (2001), S. 16 ff.
15
17. II. Erkenntnisse der Neurowissenschaft
Starken Marken, also Marken auf den höheren Stufen des Modells
der Markenführung, haben die Fähigkeit, Menschen scheinbar
magnetisch anzuziehen. Marken bilden und bestimmen den Erfolg
von Produkten und Dienstleistungen. Dennoch spielt die
Markenführung in den Unternehmen meist noch immer eine
untergeordnete Rolle. Auch bei Konsumenten wird die Bedeutung
der Marke unterschätzt. Sie zahlen zwar mehr für einen Kaffee bei
Starbucks, jedoch taucht bei Befragungen nach einem Kaufgrund die
Marke nur selten auf. Oftmals können oder wollen Konsumenten
unbewusst nicht zum Ausdruck bringen, was sie eigentlich
empfinden.12 Die explizit geäußerten Angaben der Konsumenten
widersprechen sogar meist ihren inneren Zuständen und
Empfindungen.13 Warum besteht diese Diskrepanz zwischen dem
nachgewiesenen Wert einer starken Marke und den Aussagen der
Kunden sowie dem Umgang mit Marken in Unternehmen?
Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage ist nicht das
„Was“ der Markenführung. Es ist bekannt, dass eine Marke zum
Erfolg führt, wenn sie einen attraktiven, relevanten nachhaltigen,
differenzierten, funktionalen sowie emotionalen Mehrwert bietet und
über die Markenführung alle Bereiche umfassend konsistent mit der
Marke integriert sind. Allgemein wird empfohlen, eine klare und
eindeutige Positionierung anzustreben, da Marken eine
Orientierungsfunktion übernehmen sollen. „Was“ erreicht werden
muss, ist hinlänglich bekannt. Natürlich sind diese Ansätze berechtigt
und richtig, jedoch bieten sie keine Erklärung für die Beantwortung
der Frage „wie“ starke Marken zum Erfolg führen.14
12
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, (2003) S. 106
13
Vgl. Aharon et al. (2001), S. 543 f.
14
Vgl. Scheier/Held (2009), S. 14 ff.
16
18. Wie also der Erfolg starker Marken zu begründet ist und welche
Prozesse sie bei den Konsumenten auslösen, kann mit
Erkenntnissen der Neurowissenschaften beantwortet werden.
Daniel Kahnemans, der als Psychologe erstmals den Nobelpreis für
Wirtschaftswissenschaften erhielt, entschlüsselte indirekte
Wirkungen gedanklicher Verarbeitungsprozesse auf das menschliche
Verhalten. Seine Erkenntnisse ermöglichen neue Sichtweisen auf
Marken und Konsumenten.15 Sie ermöglichen einen Einblick in die
Anatomie des menschlichen Gehirns und dessen Funktionsweise
und unterstützen die Lokalisierung, Beschreibung sowie
Differenzierung der Zustände und Prozesse der mentalen
Verarbeitung. Diese Forschungsrichtung bietet entsprechend der
Verhaltensökonomie neue Ansätze zur Erklärung menschlicher
Verhaltensweisen in ökonomischen Situationen. Zur Deutung der
gemessenen Hirnaktivitäten leisten Erkenntnisse der Psychologie
und Soziologie einen erheblichen Beitrag.16
1. Der Einfluss des Unbewussten auf unser Handeln
Gespeicherte Wissensinhalte des Menschen haben implizite (nicht
bewusste) und explizite (bewusste) Komponenten.17
IMPLIZITE PROZESSE sind typischerweise sehr schnell, sie laufen
automatisch und ohne Anstrengung ab. Sie sind assoziativ, meist
emotional geladen und werden oft durch den Habitus bestimmt,
wodurch man sie nur schwer kontrollieren oder verändern kann.
Es sind also die indirekten, subtilen, unbewusst wirkenden Prozesse,
die im Hintergrund ablaufen, ohne dass wir viel davon mitbekommen.
Sie umfassen Sinneswahrnehmungen, Lernvorgänge
15
Vgl. Scheier/Held (2009), S. 23
16
Vgl. Schilke/Reimann (2007), S. 249
17
Vgl. Esch (2007), S. 560
17
19. (z.B. beim Erlernen von Markenwissen), Emotionen, Archetypen,
Marken-Assoziationen, unbewusste Markenimages, spontanes
Verhalten und intuitive Entscheidungen.18
Die PROZESSE DES EXPLIZITEN SYSTEMS laufen langsam, aber
beständig ab. Sie werden bewusst überwacht, willentlich kontrolliert
und sind daher mental anstrengender. Das explizite System arbeitet
seriell, also Schritt für Schritt. Es ist verantwortlich für das
menschliche Arbeitsgedächtnis. Dieses System dient dazu, die
impliziten Vorgänge zu prüfen. Es hilft dabei, Kosten-Nutzen-
Analysen zu erstellen, Probleme systematisch und analytisch
anzugehen sowie langfristige Pläne zu schmieden.19 Verschiedene
Hirnregionen übernehmen dabei entscheidende Tätigkeiten.
Messbar wird dies durch die Reaktion bestimmter Bereiche des
menschlichen Gehirns auf unterschiedliche Reize.20
Im impliziten System entfalten Marken ihre Wirkung und ändern
ebenso die Wirkung von Produkt und Preis, den Kunden bereit sind
zu zahlen. Kunden lernen implizit weitaus mehr und häufig andere
Informationen über Marken und Produkte als explizit.
Als Konsequenz weichen implizite und explizite Einstellungen und
Assoziationen der Konsumenten zu einer Marke voneinander ab.
Das implizite System ist insbesondere dann dominant und Ursache
für eine Entscheidung, wenn Konsumenten
• unter Zeitdruck,
• mit Informationen überlastet,
• wenig interessiert (involviert) und
• unsicher hinsichtlich ihrer Entscheidung sind. 21
18
Vgl. Kahneman (2003), S. 698; Scheier (2008), S. 308
19
Vgl. Scheier/Held (2009), S. 34; Kahneman (2003), S. 698;
Scheier (2008), S. 308
20
Vgl. Esch (2007), S. 561 f.
21
Vgl. Scheier (2008), S. 308 f.
18
20. Die Betrachtung der unbewussten und bewussten Aufnahme sowie
die Verarbeitung von Reizen ist für die Werbung essentiell, denn:
• Etwa 70 bis 80% aller Entscheidungen fallen unbewusst.
• Nur 0,04%aller Informationen erreichen unser Bewusstsein,
die meisten Reize werden unbewusst direkt in Verhalten
umgesetzt.
• Fast alle wesentlichen Entscheidungen werden emotional
getroffen.22
Abbildung 2: Adelsonʼs checker shadow illusion, Quelle: Massachusetts
Institute of Technology (http://goo.gl/eKrG5)
Wenn wir die Quadrate A und B betrachten, so erscheint sie uns
unterschiedlich hell. Deckt man jedoch Teile des Bildes ab oder
verbindet die Quadrate mit der einheitlichen Farbe, so erkennt man,
dass es sich bei A und B exakt um denselben Grauton handelt. Das
Gesamtbild bildet den Rahmen (Frame) für unsere Wahrnehmung.
Der Hintergrund strahlt auf die Figur ab und verändert ihre Wirkung.
Marken wirken sehr ähnlich: Sie bilden den Hintergrund bzw. das
Gesamtbild und bestimmen die Wahrnehmung eines Produkt oder
einer Dienstleistung. Starke Marken verändern die Wahrnehmung
des Produktes, sie statten es mit einer Anziehungskraft aus.
Marken wirken wie ein Rahmen (Frame) für das Produkt.23
22
Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2011), S. 204
23
Vgl. Scheier/Held (2009), S. 28 ff.
19
21. Dieser Framing-Effekt besagt, dass (Kauf-)Entscheidungen stark
vom Entscheidungsrahmen bzw. der Präsentationsform der
Entscheidungsgrundlage abhängen. Der Mensch lässt sich
unbewusst von äußeren Umständen beeinflussen und reagiert alles
andere als rational. Das ist auch der Grund, warum Konsumenten
Produkte, die als 80% „fettfrei“ deklariert werden eher kaufen, als
identische Produkte, die mit einem 20%igen Fettgehalt beworben
werden.24 Eine bekannte Studie verdeutlicht den Effekt:
Konsumenten, die nicht die Marke des Getränkes kennen,
bevorzugten Pepsi gegenüber Coca-Cola. Bei der Messung der
Hirnaktivitäten konnten keine Auffälligkeiten festgestellt werden.
Kennen nun diese Konsumenten die Marke, ist ihnen also bewusst,
welche Marke sie gerade konsumieren, ändert sich ihre Präferenz
erheblich. Sie tendieren stärker zu Coca-Cola als zu Pepsi.
Eine Messung der Gehirnaktivitäten verrät, dass Bereiche im
Gehirnaktiviert werden, die mit Erinnerungen und Emotionen
verbunden sind.25 Diese Erkenntnisse zeigen, wie wichtig der Aufbau
von Markenassoziationen für die Präferenz der Konsumenten ist.
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen zudem vor allem eines:
Funktionale Präferenz, wie z.B. der Geschmack eines Produktes,
kann durch Markenpräferenzen übersteuert werden.
Markenpräferenzen entstehen durch den Gedächtnisabruf
spezifischer Assoziationen zum Zeitpunkt der Wahlsituation und
beeinflussen die finale Kaufentscheidung zugunsten einer Marke mit
zuvor aufgebauten bestehenden Assoziationen.26
Unbewusste Gehirnaktivitäten, erleichtern es den Menschen, eine
Entscheidung zu treffen. Unbewusste Inhalte laufen schneller ab,
denn beim Rückgriff auf bewährte Erfahrungen wird das Gehirn
entlastet.
24
Vgl. Raab/Gernsheimer/Schindler (2009), S. 224 f.;
Horcajo/Briñol/Petty (2010), S. 940
25
Vgl. McClure et al. (2004), S. 379 ff.; Schilke/Reimann (2007), S. 254 f.
26
Vgl. Walvis (2008), S, 180; Kroeber-Riel (2003), S. 340 ff.
20
22. Im Kern, wird das Verhalten von Schemata geleitet, also von
standardisierten Vorstellungen mit typischen Eigenschaften, die man
mit bestimmten Sachverhalten verbindet. Starke Marken entlasten
das Gehirn, weil der Konsument schematisch auf markenspezifische
Informationen und Gefühle zurückgreifen kann. Jede neue Erfahrung
und Information muss zunächst beschwerlich erlernt werden, da kein
Rückgriff auf ein bereits vorhandenes Wissen erfolgen kann.
Bezogen auf Marken bedeutet dies ein Musterabgleich zwischen
dem vorhandenen Wissen zur Marke und der aktuell vermittelten
Kommunikation, also neuen Informationen zur Marke.
Ist die Übereinstimmung zwischen dem gespeicherten
Markenschema und dem Kommunikationsinhalt hoch, wird der Abruf
der markenspezifischen Informationen beschleunigt. Die Werbung ist
leicht verständlich und baut bereits bestehende Informationen,
Präferenzen und Einstellungen zur Marke aus.
Ist die Übereinstimmung jedoch gering, kommt es bei dem
Mustervergleich zu einer Fehlzuordnung, die Werbung wird entweder
nicht beachtet oder falsch zugeordnet. Dies kann die
Präferenzbildung und Einstellung zur Marke negativ beeinflussen.27
Unterschiedlich bekannte Marken aktivieren unterschiedliche
Hirnregionen. Unbekannte Marken (auf niedrigen Stufen der
Markenführung) aktivieren Hirnregionen, die z.B. für das Lernen
neuer Wörter zuständig sind. Daher erfolgt ein markenrelevanter
Gedächtnisaufbau nur langsam und beschwerlich. Bekannte und
starke Marken (auf hohen Stufen der Markenführung) aktivieren
Hirnregionen, bei denen auf vorhandenes Wissen zurückgegriffen
wird. Zudem aktivieren sie Bereiche im Gehirn, die für positive
Emotionen zuständig sind. Schwache und unbekannte Marken
hingegen aktivieren Bereiche, die für negative Emotionen zuständig
sind. Marken, die mit positiven Emotionen verbunden sind, werden
27
Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2011), S. 207 ff.
21
23. gegenüber Marken, die mit negativen Emotionen in Verbindung
stehen, präferiert. Ein Verständnis für markenrelevante Emotionen
und Gedächtnisstrukturen ist daher von erheblicher Bedeutung für
den Aufbau erfolgreicher und starker Marken.28
2. Belohnungswert und emotionale Bedeutung einer Marke
Eine auf das implizite System abgestimmte Kommunikation, die den
Emotions- und Belohnungswert der Marke erhöht, ist im Ergebnis
extrem effizient. Die Vorgänge laufen zwar sehr schnell und
unbewusst ab, sie sind jedoch hauptsächlich verantwortlich für das
Kaufverhalten und die Wirkung der Marke bei Konsumenten.
Eine erste Einschätzung der Marke wirkt wie ein Frame, ein
Referenzrahmen, für alle folgenden Verarbeitungsschritte.29
Studien zeigen, dass bei der Verarbeitung von Statussymbolen
(bzw. Marken) ein Belohnungseffekt ausgelöst wird, der sich auf die
Kaufbereitschaft auswirken kann. Bei bekannten Marken werden bei
Konsumenten zusätzliche Gehirnareale aktiviert, die mit Emotionen
in Verbindung stehen und an der Präferenzbildung beteiligt sind.30
Kulturell bekannte Marken aktivieren Areale des Gehirns, die auf
eine Selbstreflexion der Betrachter schließen lassen. Es findet somit
über die Marke ein Bezug zur eigenen kulturellen Identität statt.31
Die Wahl einer Marke ist mit Erinnerungen und eventuellen
Emotionen verbunden, auf die jedoch für einfache Unterscheidungs-
aufgaben nicht bewusst zurückgegriffen wird. In Kaufsituationen fällt
die Entscheidung für starke Marken unbewusst wesentlich schneller
als für schwache Marken.32 Marken sind somit der Anker zur
Orientierung und dienen zur Beschleunigung der Entscheidungs-
findung.33
28
Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2011), S. 214
29
Vgl. Scheier/Held (2009), S. 36 f.
30
Vgl. Erk et al. (2002), S. 2500 f.; McClure et al. (2004), S. 383 ff.
31
Vgl. Schaefer et al. (2006). S. 863 f.
32
Vgl. Groeppel-Klein (2005), S. 429
33
Vgl. Esch (2007), S. 565; Merkle/Kreutzer (2008), S. 28 f.
22
24. Das Gehirn geht ähnlich vor wie ein Unternehmen: Prozesse und
Vorgänge werden automatisiert, es entstehen Routinen und
organisierte Abläufe, um eine effiziente Entlastung zu erreichen.
Das implizite System des Gehirns ist dabei entscheidend für unser
Verhalten.
Auch bei komplexen Kaufentscheidungen ist das implizite System
ausschlaggebend. Schätzungen zufolge laufen bis zu 95% unserer
Kaufentscheidungen implizit ab.34 Dabei spielen zwei fundamental
wichtige Verarbeitungsschritte eine entscheidende Rolle:
1. Die Dekodierung der BEDEUTUNG von Signalen und
2. die Zuweisung der BELOHNUNG, die in den Signalen bzw.
ihrer Bedeutung steckt.
Nur wenn beides vorhanden ist, entsteht ein Kaufbedürfnis.
Starke Marken wirken also aufgrund zweier Verarbeitungsprozesse:
die Dekodierung der Bedeutung („Was bedeutet die Marke?“) und die
Auswertung des Belohnungswertes („Welche Belohnung bietet mir
diese Marke?“). Beide Schritte laufen sehr rasch bzw. implizit ab.35
Eine Markenpositionierung ist direkt verhaltenssteuernd,
insbesondere wenn sie auf grundlegenden Motiven (wie Bedürfnis
nach Sicherheit, Erregung oder Autonomie) beruht.36 Menschen
konsumieren, um ihre Bedürfnisse und Motive zu befriedigen.
Marken und Produkte, die diese Motive und Bedürfnisse bedienen,
lösen neuronale Belohnungsreaktionen aus.37
Leid und Belohnung werden getrennt voneinander im Gehirn
verarbeitet.38 Sieht jemand ein interessantes Produkt oder eine ihm
bedeutsame Marke, werden Systeme im Gehirn aktiviert, die als
34
Vgl. Zaltman/Mahoney (2003), Harvard Business School; Walvis, (2008) S. 181
35
Vgl. Scheier/Held (2009), S. 41 ff.
36
Vgl. Esch (2007), S. 148; Scheier (2008), S. 312
37
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S, 337 ff; Scheier (2008), S. 313
38
Vgl. Knutson et al. (2007), S. 147 ff.; Prelec/Loewenstein (1998); S. 4 ff.
23
25. Belohnung empfunden werden. Betrachtet diese Person den
jeweiligen Preis, werden Schmerzareale des Gehirns aktiviert.
Ob nun ein Kauf getätigt wird, ist abhängig von der subjektiv
empfundenen Differenz aus Belohnung und Schmerz.39
Wenn der Belohnungswert der Marke subjektiv hoch eingestuft wird,
tätigt die jeweilige Person einen Kauf. Eine hohe implizite Belohnung
einer Marke wird durch ihren Referenzrahmen (Frame) gebildet und
erhöht im Ergebnis die Kauf- und Zahlungsbereitschaft der
Konsumenten.40 Dabei beinhalten Marken einen Fiktionswert, der
eine symbolische Gegenleistung darstellt. Ein Markenerfolg ohne
diesen Fiktionswert, der die essentielle Grundlage für
Markenerlebnisse bildet, ist heutzutage kaum noch vorstellbar.41
Die Aufgabe der Markenführung ist es demnach, bei möglichst allen
Kontaktpunkten den Erlebniswert der Marke auszubauen.
Dieser leistet einen erheblichen Beitrag zur Befriedigung der Motive
des Konsumenten und erhöht den Belohnungswert der Marke.
Werbung bzw. Markenkommunikation ist insbesondere dann
wirksam, wenn sie somatische Marker beinhaltet, also emotionale
Elemente, die das Gehirn an Botschaften knüpft, welche es für
emotional relevant hält.42
Durch unsere Erziehung, soziale Lernprozesse und den Umgang mit
Gegenständen entwickeln wir emotionale Haltungen gegenüber
unserer Umwelt. Die meisten Gefühle des Menschen sind erlernt.
Die Markenkommunikation versucht diesen Lerneffekt zu nutzen,
indem sie dem Produkt- oder Markennamen eine emotionale
Bedeutung gibt. Die Marke wird also emotional aufgeladen.
39
Vgl. Kahneman/Tversky (1979), S. 288
40
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 337 f.; Scheier/Held (2009), S. 131 ff.;
Knutson et al. (2001), S. 3 f.
41
Vgl. Gonzales et al. (2005), S. 2 ff.; Maheswaran/Meyers-Levy (1990), S. 362 f.
42
Vgl. Heath/Nairn (2005), S. 278 f.; Raab/Gernsheimer/Schindler (2009), S. 231
24
26. Diese emotionale Bedeutung bestimmt das Konsumverhalten und die
Einstellung zur Marke. Es erfolgt eine emotionale Konditionierung,
die auf folgender Regel beruht: Wird in der Werbung wiederholt eine
Marke gemeinsam mit emotionalen Reizen dargestellt, erhält die
Marke einen emotionalen Erlebnisgehalt.43
Neuronal erfolgt die emotionale Konditionierung hauptsächlich in
Bereichen des Gehirns, in denen Gerüche verarbeitet, vegetative und
affektive Reaktionen gesteuert sowie verschiedene
modalitätsspezifische Systeme (visuell, auditorisch, sensorisch) mit
einem Bewertungssystem (positiv/negativ) verknüpft werden.44
Für eine wirksame emotionale Konditionierung sollte eine
gleichzeitige Darbietung des emotionalen Reizes mit der Marke
erfolgen. Dabei sollten starke Reize durch zahlreiche
Wiederholungen unter Beachtung der gedanklichen Passivität der
Konsumenten mit einer gewissen Konsistenz in der Reizdarbietung
verwendet werden.
Abbildung 3: Erlebniswelt in der Bounty-Werbung,
Quelle: YouTube (http://goo.gl/lpi9d)
Die karge Insel nach dem Genuss von Bounty in ein Paradies.
43
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 130; Kroeber-Riel/Esch, (2011), S, 333
44
Vgl. Kroeber-Riel/Esch, (2011), S. 334
25
27. Es wird ein Erlebnisprofil durch die Werbung aufgebaut. Dieses
Markenerlebnis vermittelt die Bedeutung und Belohnung der Marke45.
Durch die Verknüpfung der sensorischen mit affektiv-emotionalen
Zuständen wird eine Bewertung erzeugt:
„Ich mag den exotischen Schokoriegel Bounty“.
Die räumliche Nähe zwischen Marke und Umfeld fördert das
emotionale Lernen und die Verarbeitung der dargebotenen Reize:
Darbietung des Bounty-Riegels in einer mit Eiswürfeln gefüllten
Kokosnusshälfte mit der exotischen Insel im Hintergrund.46
Reizwirkungen werden durch die Verwendung stereotypischer und
abgegriffener Gestaltungselemente oder der Vermittlung
gefühlsschwacher Inhalte abgeschwächt. Es kommt auf die
psychologische Stärke und das emotionale Schema der verwendeten
Reize an. Besonders wirksam sind stark aktivierende Elemente, die
biologisch vorprogrammierte und kulturübergreifende47, kulturell
geprägte48 oder zielgruppenspezifisch erlernte49 Schema-
vorstellungen ansprechen. Durch die Ansprache innerer
Erlebnisbilder können Konsum- und Markenerlebnisse besonders
wirksam aufgebaut werden. Die Konsistenz der verwendeten Reize
ist ausschlaggebend für die Wirkung der emotionalen
Konditionierung, denn ein klares Erlebnis kann nicht aufgebaut
werden, wenn ständig abweichende Erlebnisse vermittelt werden.
Eine Konsistenz ist dann gegeben, wenn emotionalen Erlebnisse
einheitlich in der Werbung, bei sonstigen Marketingmaßnahmen
sowie an den unterschiedlichen Markenkontaktpunkten vermittelt
werden. 50
45
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 125 f.
46
Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2011), S. 334 f.; ebd. S. 218
47
z.B. Kindchenschema oder Archetypen
48
z.B. Tropenschema oder länderspezifische Schemata
49
z.B. Subkulturspezifische Reize wie Sportschema oder Mode
50
Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2011), S. 335 ff.
26
28. In der Markenkommunikation sind die verwendeten impliziten Codes
entscheidend. Sie sind kulturell verankert und bauen Assoziationen
auf, die zu einem Abruf in einer Kaufsituation führen und die
Kaufentscheidung beeinflussen können. Unser Gehirn dekodiert und
speichert implizite Codes auf vier Arten:
SENSORISCHE REIZE umfassen alle sensorischen Erlebnisse, die
in der Kommunikation und Produktgestaltung verwendet werden
können (Farben, Formen, Geräusche, Lichtverhältnisse, Typografie
oder Haptik). Sie werden konkret wahrgenommen und beschreiben
wie Dinge aussehen (Deutsche Bank = Blau; Telekom = Magenta).
Die Speicherung im Gehirn erfolgt eher oberflächlich. Die erzeugten
Sinneseindrücke können durch Optik, Geschmack, Geruch oder
Haptik in einer Kaufsituation eine entscheidende Rolle spielen.
Die individuelle Gestaltung der erzeugten Sinneseindrücke kann
unterschiedliche Konsumententypen ansprechen (ein süßlicher Duft
spricht z.B. eher junge Frauen an).
EPISODISCHE CODES sind die Geschichten und Episoden einer
Marke. Das Gehirn speichert, welche Geschichten wir mit der Marke
verknüpfen, z.B. ein Apple-Enthusiast, der sich daran erinnert, wie er
stundelang vor dem Store gewartet hat, um ein iPad zu erwerben; die
Erinnerungen an den ersten selbstgemachten Dr. Oetker-Pudding).
Konsumenten entwickeln, unter Einfluss der Markenkommunikation,
die oftmals Archetypen einsetzt, Geschichten über Marken und
kodieren diese im Gedächtnis.51 Diese enthalten auch die
Geschichten, die eine Marke durch einen Werbespot erzählt.
Die Verschmelzung von erzeugten Erinnerungen, verwendeten
Metaphern und der erzählten Geschichte versetzt den Konsumenten
in die Lage, eine persönliche und emotionale Beziehung zu einer
Marke aufzubauen.
27
29. SYMBOLISCHE CODES sind die Protagonisten (z.B. der Archetyp
„alter Weise“ in Form des Dr. Best), die Figuren, Gesten,
Handlungsorte und Markenlogos. Das Gehirn speichert, wofür die
Signale stehen und was sie bedeuten (z.B. steht das offene Meer
und der Dreimaster in der Beckʼs Werbung für Freiheit und
Entdeckung). Es sind implizite, kulturell gelernte Bedeutungen der
Markenkommunikation, die eine Geschichte effizient transportieren
und der Marke einen besonderen Wert geben.
SPRACHLICHE CODES umfassen das geschriebene oder
gesprochene Wort. Sie können Botschaften nicht nur explizit über die
tatsächliche Bedeutung der Worte, sondern auch implizit übertragen,
durch die Sprechweise, den Wortklang und die hervorgerufenen
mentalen Assoziationen.
Bei der Kombination der Codes sollte beachtet werden, dass über
alle Botschaftsträger die gleiche Bedeutung transportiert wird.
Ihre Aufgabe besteht darin, Produkte und Marken mit kultureller und
sozialer Bedeutung aufzuladen.52
Zusammenfassend bietet die Neuropsychologie drei wichtige
Ansatzpunkte für das Marketing und die Markenführung:
1. Starke Marken wirken indirekt und implizit. Sie bilden den
Hintergrund und wirken sich auf Produkte aus.
2. Entscheidend für das Kaufverhalten sind implizite Systeme im
menschlichen Hirn.
3. Durch kodierte Bedeutung und Belohnung in der Kommunikation
entfalten Marken ihre Anziehungskraft.53
52
Vgl. Scheier (2008), S. 319; Scheier/Held (2009), S. 233 f.;
Raab/Gernsheimer/Schindler (2009), S. 238 ff.
53
Vgl. Esch (2007), S. 287; Scheier/Held (2009), S. 171 f.
28
30. III. Integrierte Kommunikation
Die Verankerung einer Botschaft mag zunächst simpel erscheinen:
Wir sprechen mit Nachdruck, damit jemand das Gesagte nicht wieder
vergisst. Wir reden laut und wiederholen, was wir zu sagen haben.
Soll eine Anzeige oder ein Werbespot etwas bewirken, muss sie vom
Publikum mehrmals gesehen worden sein. Dieser Grundsatz ist
verantwortlich für die vielen Werbeunterbrechungen während eines
Spielfilms oder die ganzseitigen Werbeanzeigen in einer Zeitschrift.
Oftmals geht die konventionelle Werbung dabei von diesen
Prämissen aus: Elemente wie Humor, bunte Grafiken oder Endorser
funktionieren und unterstützen die Werbewirkung.
In den siebziger Jahren geriet der Direktmarketer Lester Wunderman
in einen Wettkampf mit der Werbeagentur McCann Erickson.
Wunderman betreute seit den fünfziger Jahren einen der größten
Mail Order Clubs weltweit, den Columbia Record Club.
Columbia entschied sich jedoch, ihren Werbeetat an McCann
Erickson zu erteilen, mit dem Ziel, die unter Wundermans Leitung
geschalteten Printanzeigen durch TV-Spots zu unterstützen.
Es handelte sich dabei um gewöhnliche Fernsehwerbung, die
Aufmerksamkeit auf das Angebot des Columbia Record Club lenken
sollte. Wunderman war entsetzt und zweifelte stark an der
Wirksamkeit der von McCann entwickelten Werbung. Er schlug
Columbia einen Test vor: Columbia sollte die von ihm entwickelte
Werbung in zwei Magazinen auf 26 Medienmärkten der USA
schalten. In der Hälfte dieser Märkte sollte man McCann gestatten,
ihre konventionellen Spots zu senden. In der anderen Markthälfte
wollte Wunderman einen selbst entwickelten TV-Spot einsetzen.
Die Reaktion der Leser, also die Anzahl ihrer Bestellungen, sollte
dabei der Indikator für den Erfolg der jeweiligen Werbung sein.
Der Sieger sollte den gesamten Werbeetat erhalten.
Columbia stimmte zu, die Ergebnisse wurden rasch ausgewertet.
29
31. Die Bestellungen aus den Märkten, in denen Wunderman seine
TV-Werbung ausstrahlte, hatten sich um 80% erhöht,
die TV-Werbung in der Markthälfte von McCann verzeichnete einen
Anstieg der Bestellungen um 19,5%. Wunderman hatte klar gesiegt.
Der Schlüssel zu Wundermans Erfolg lag in einem Konzept, das er
„Schatzsuche“ nannte. Er ließ in jeder Anzeige der beiden Magazine
eine kleine goldene Kiste in die Ecke des Bestellcoupons drucken.
Eine Serie von TV-Spots entschlüsselte das Geheimnis der Goldkiste.
Den Zuschauern wurde erklärt, dass sie den Titel einer Schallplatte,
den Columbia im Sortiment hatte, auf den Coupon schreiben könnten,
um sie gratis zugesendet zu bekommen. Voraussetzung war, dass
ihr Coupon eine Goldkiste enthält.
Die Goldkiste war ein „Trigger“, ein Auslöser, so Wunderman.
Sie gab den Zuschauern einen Grund, in den entsprechenden
Magazinen nach der Anzeige mit dem Coupon zu suchen.
Die Goldkiste schuf eine Verbindung zwischen der Columbia-
Botschaft, welche die Zuschauer im TV sahen, und der Botschaft, die
sie in den Magazinen lasen. Wunderman erklärte, die Goldkiste habe
das Publikum zum Teil eines interaktiven Werbesystems gemacht.
Sie seien nicht nur mehr Publikum, sondern zu Teilnehmern
geworden, wie in einem Spiel. Die Wirkung der Kampagne war sehr
erfolgreich. Bis 1977 machte sich keine der Anzeigen in den
Magazinen bezahlt, 1978 veränderte die kleine Goldkiste im
Fernsehen alles. Die Printanzeigen wurden plötzlich profitabel.
McCann Erickson hatte nichts falsch gemacht, sie war eine der Star-
Agenturen an der Madison Avenue, bekannt für ihre Kreativität und
ihr hohes Niveau. Aber ihnen fehlte das kleine entscheidende
Element, die Goldkiste, welche die Botschaften miteinander
verknüpfte und verankerte.54
54
Vgl. Gladwell (2002), S. 112 ff.
30
32. 1. Bedeutung der integrierten Kommunikation
Um in der vorherrschenden Informationsflut die Aufmerksamkeit
gering involvierter und nicht interessierter Konsumenten auf sich zu
lenken, erhöhen Unternehmen stetig ihr Werbebudget.
Ein Großteil dieser Werbegelder laufen jedoch ins Leere, da sie nicht
die entsprechende Wirkung erzielen: Potenz in Form von hohem
Werbedruck mag auf den ersten Blick beeindruckend wirken, jedoch
bleibt sie meist wirkungslos ohne den Einsatz strategischer
Intelligenz zur wirksamen Gestaltung der Kommunikation.
Die Priorität besteht darin, die Informationsaufnahme, -verarbeitung
und -speicherung markenspezifischer Informationen sicherzustellen,
um den Aufbau eines klaren Markenimages zu erreichen und deren
Erinnerungsfunktion beim Konsumenten über einen langen
Zeithorizont zu stärken.55
Die Vermittlung einer klaren Markenpositionierung wird jedoch durch
die verschärften Markt- und Kommunikationsbedingungen erschwert.
Der Marken-, Medien- und Kommunikationsausweitung stehen wenig
involvierte Konsumenten mit geringer Aufmerksamkeit und
beschränkten Informationsverarbeitungskapazitäten gegenüber.
Diese Situation führt zu einer Zersplitterung der Kommunikations-
wirkungen. Die Wirkung einzelner Kommunikationskontakte nimmt
stetig ab.56
Abwehrhaltungen der Nachfrager gegenüber der Informations- und
Kommunikationsflut verstärken sich zusätzlich, wenn die Marken-
kommunikation widersprüchlich wirkt und die Aussagen der
Unternehmen in unterschiedlichen Medien nicht übereinstimmen.
Die Wirkungen der Kommunikationselemente schwächen sich
gegenseitig, es kommt zu Gedächtnisüberlagerungen durch
Botschaften unterschiedlichen Inhalts.
55
Vgl. Esch et al. (2009), S. 461
56
Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2011), S. 148
31
33. Die Grundüberlegung der integrierten Kommunikation ist eine
intensivere Koordination innerhalb der Kommunikation, um die
Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit, bei Kunden,
Mitarbeitern und anderen Zielgruppen effektiv und effizient zu
gestaltet. Dem Unternehmen muss es gelingen an allen
Kontaktpunkten mit den Stakeholdern ein einheitliches Bild zu
vermitteln.
Die Integration einer Kommunikation gewinnt umso mehr an
Bedeutung, je stärker die Differenzierung im Umfeld des
Unternehmens sowie der Leistungen und Marken erfolgen soll.57
Integrierte Kommunikation bedeutet, dass alle Teile einer Kampagne
bzw. alle Berührungspunkte auf die Marke einzahlen. Dabei ist ein
eindimensionales, die Wirkung einzelner Elemente hervorhebendes
Verständnis zu vermeiden.58 Die inhaltliche und formale Abstimmung
aller Maßnahmen der Markenkommunikation soll die erzeugten
Eindrücke vereinheitlichen und verstärken. Durch die Kommunikation
hervorgerufene Wirkungen sollen sich gegenseitig unterstützen.
Eine durchgängige Umsetzung der Kommunikation führt zur
Optimierung der Kontaktwirkungen. Die Erinnerung der
Konsumenten an den Kontakt zur Marke wird erleichtert, Präferenzen
für die Marke werden verstärkt und gefestigt.59
57
Vgl. Bruhn (2008), S. 515 f.; Esch et al. (2009), S. 461
58
Vgl. Geibig (2010), S. 52
59
Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2011). S. 148 f.
32
34. „Die Integrierte Kommunikation ist ein
Prozess der Analyse, Planung,
Organisation, Durchführung und Kontrolle,
der darauf ausgerichtet ist, aus den
differenzierten Quellen der internen und
externen Kommunikation von
Unternehmen eine Einheit herzustellen,
um ein für die Zielgruppen der
Kommunikation konsistentes
Erscheinungsbild über das Unternehmen
bzw. ein Bezugsobjekt des Unternehmens
zu vermitteln.“ 60
Die integrierte Kommunikation im Marketing (IMC61) ist somit mehr
als nur ein Prozess oder eine Aktivität in einer Organisation.
Sie ist ein System der Überzeugung und Einstellung, eingebunden in
die Unternehmenskultur, gestärkt von der Kommunikation und dem
technologischen Wandel. Sie muss als Paradigma des Marketings
gesehen werden, das zentrale Kommunikationskonzepte und
mehrere Unternehmensbereiche umfasst.62
Während früher die Kommunikation meist nur in eine Richtung mit
dem Konsumenten als Endpunkt geführt wurde, tritt heute das
Verständnis in den Vordergrund, wie sich Konsumenten über die
unterschiedlichsten Medien und Kontaktpunkte mit Marken
auseinandersetzen und mit ihnen interagieren. Es geht darum, die
Eigenleistungen der Kunden im Kontakt mit Marken in
unterschiedlichen Bereichen zu verstehen und zu gestalten.63
60
Bruhn (2006), S. 17
61
IMC = Integrated Marketing Communication
62
Vgl. Luck/Moffatt (2009), S. 311
63
Vgl. Geibig (2010), S. 47
33
35. Die Kommunikation im Marketing ist die Stimme der Marke und bildet
die Basis des Unternehmens, mit den Kunden einen Dialog über das
Produktangebot aufzubauen.64 Integrierte Kommunikation bedeutet
nicht, auf möglichst vielen Kanälen so oft wie möglich aufzutreten.
Vielmehr gilt: weniger, jedoch durchdacht und gezielt, ist mehr.
Eine misslungene Einschätzung des Wirkungspotentials einzelner
Kanäle kann die Investitionen ohne Wirkung ins Leere laufen
lassen.65 Der Wandel im Markt, dominiert von Konsumenten und ihrer
Fähigkeit, die Informationstechnologie zu nutzen bzw.
zu kontrollieren, Produkte und Dienstleistungen überall zu erwerben,
sowie die Einschätzung der Konsumenten, welche Beziehung für sie
wichtig, nötig und von Wert ist, muss auch einen Wandel im
Marketing bewirken. Unternehmen sehen sich vor der wichtigen
Herausforderung eine offene, transparente und interaktive
Kommunikation zu führen, die über alle Unternehmensbereiche
integriert ist.66 Die integrierte Kommunikation muss ein strategischer
Prozess in der Markenführung sein67, die über verschiedene
Kontaktpunkte ein stimmiges und konsistentes Bild von der Marke
bei den Konsumenten aufbaut.
Konsumenten haben mehr Kontrolle, mit der Marke zu interagieren,
und können unabhängig von den Unternehmen über sie
kommunizieren. Diese neue Situation stellt die Unternehmen vor die
Herausforderung, neue Wege zu finden, um Beziehungen zu
Konsumenten aufzubauen und die Kommunikation zu steuern.68
Die Kommunikation bildet die Basis für die strategische
Markenführung eines Unternehmens. Sie stärkt Markenidentität und
Markenwert bei den Konsumenten durch den Aufbau
64
Vgl. Keller (2001), S. 823
65
Vgl. Geibig (2010), S. 50
66
Vgl. Luck/Moffatt (2009), S. 311 ff.
67
Vgl. Kitchen et al. (2004), S. 22 f.
68
Vgl. Geibig (2010), S. 49
34
36. markenspezifischer Images und Bekanntheit. Voraussetzung für den
Aufbau des Markenwerts ist eine eindeutige Markenidentität, um
diese konsistent für alle Interessengruppen kommunizieren zu
können und Synergieeffekte zu nutzen.69
Es handelt sich dabei um ein Lernkonzept, das nicht nur zum Aufbau
von Markenwissen dient, sondern auch die ständige Aktualisierung
der vermittelten Botschaften bewirkt, um die Gedächtnisinhalte
dauerhaft zu verankern. Je größer die Kongruenz der
wahrgenommenen Informationen mit den bereits vorhandenen
Schemata, desto einfacher und automatisierter erfolgt die
Verarbeitung.70 Maßnahmen unterschiedlicher Medien müssen unter
einem strategischen Ziel verknüpft werden, das alle Kontaktpunkte
zur Marke berücksichtigt und in die Planung integriert.71
Abbildung 4: Brand Desire durch integrierte Kommunikation,
Quelle: Geibig (2010), S. 53
69
Vgl. Madhavaram et al. (2005), S. 69 ff
70
Vgl. Esch/Brunner/Ullrich (2009), S. 463 f.
71
Vgl. Geibig (2010), S. 52 f.
35
37. Bezüglich der integrierten Kommunikation sind sieben Merkmale
erkennbar, die weitgehend miteinander verknüpft sind.
Diese Merkmale umfassen Kommunikation, Branding,
Beziehungsmanagement, funktionsübergreifende Planung,
Integration, Synergie und Marktorientierung.72
Kommunikation
Die Grundvoraussetzung für eine Integration ist die Existenz einer
Zielsetzung in der Markenkommunikation und die Möglichkeiten
unterschiedlicher Kommunikationsmethoden, die zur Erreichung der
Zielsetzung eingesetzt werden können.73 Es soll eine strategische
Positionierung des Unternehmens bzw. der Marke im Wettbewerb
ermöglicht werden, um die Kommunikation als Wettbewerbsfaktor
und Treiber der Marketingstrategie zu nutzen.74 Empfehlenswert ist
dabei der Einsatz unterschiedlicher interaktiver Medien, um einen
wechselseitigen Kontakt zu ermöglichen. Die Kommunikation kann
ihre Wirkung nur entfalten, wenn viele Aspekte des Unternehmens
integriert werden.
Das Unternehmen an sich ist verknüpft mit jeglicher Kommunikation,
die ihre Marke in irgendeiner Form betrifft.75 Eine Serviceleistung des
Unternehmens stellt ebenfalls eine Kommunikationserfahrung dar.
Erlebt der Kunde diese Leistung und Erfahrung als emotional
befriedigend, so wird auch der Markenwert beim Konsumenten durch
eine positive und emotionale Bindung erhöht.76
72
Vgl. Luck/Moffatt (2009), S. 317
73
Vgl. Keller (2001). S. 825
74
Vgl. Bruhn (2008), S. 517
75
Vgl. Luck/Moffatt (2009), S. 318
76
Vgl. Duncan/Moriarty (2006), S. 239 f.
36
38. Branding
Eine der wichtigen Gründe für die wachsende Bedeutung der
integrierten Kommunikation und ihr Einfluss auf den Aufbau von
Markenidentität und -wert ist unumstritten das Branding einer Marke.
Es ist eine Priorität des Marketings, eine holistische Betrachtung aller
Branding Elemente zu verfolgen.77 Die Markenkommunikation ist das
Instrument zum Aufbau eines Dialogs zwischen Unternehmen und
Kunden. Das Branding bildet dabei das Bild und das Image, welches
die Konsumenten sehen und hören bzw. mit welchem die
Konsumenten mit der Marke in Berührung kommen.78 Durch visuelle
Reize auf der Verpackung fällt es den Konsumenten beispielsweise
leichter, bereits gesehene Werbeinhalte vor ihrem inneren Auge
abzurufen. Durch die Werbung ausgelöste Präferenzen zur Marke
werden verstärkt und der Zugriff auf Assoziationen zur Marke wird
erleichtert.79
Jeder Kontakt mit der überlieferten Information und der Marke stellt
eine Markenbotschaft dar. Jede Berührung mit der Marke bietet
somit ein erhöhtes Potential, dem Produktangebot einen
Zusatznutzen zu verschaffen und die Markenerfahrung zu stärken.
Die Beziehung zwischen Klientel und Marke kann bei jedem Kontakt
gestärkt werden.80
77
Vgl. Esch (2007), S. 206 ff.; Luck/Moffatt (2009), S. 318
78
Vgl. Luck/Moffatt (2009), S. 318
79
Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2011), S. 176 f.
80
Vgl. Duncan/Moriarty (2006), S. 237 f.; Esch/Brunner/Ulrich (2009), S. 468;
Esch (2007), S. 291 f.
37
39. Allgemein können für das Branding drei grundlegende Aussagen
getroffen werden:
1. Je höher die charakteristischen Merkmale des Brandings,
desto wahrscheinlicher fällt die Wahl auf die betreffende
Marke.
2. Eine hohe Stimmigkeit (Kohärenz) der Branding-Merkmale
über einen ausgeprägten zeitlichen und inhaltlichen Horizont
erhöht die Kaufbereitschaft.
3. Je aktivierender das Umfeld des Brandings bzw. der Marke,
umso höher ist die Kaufbereitschaft.81
Beziehungsmanagement
Die integrierte Kommunikation umfasst alle internen und externen
Kommunikationsinstrumente. Zur sinnvollen Integration der
verschiedenen Instrumente, ist eine genaue Analyse der
spezifischen Funktionen, Zielgruppen, Aufgaben und Beziehungen
notwendig.82 Die Pflege einer profitablen Beziehung zwischen dem
Unternehmen und ihren Interessengruppen bildet ein weiteres
zentrales Konzept in der Kommunikation des Marketings.
Die Bindung zwischen Kunden und der Marke wird durch die
integrierte Kommunikation aufgebaut und gestärkt. Diese Bindung
bildet dabei die permanente Beziehung zwischen Konsument und
Marke. Die internen Beziehungen eines Unternehmens mit
Angestellten sowie externe Beziehungen mit Interessengruppen
werden durch eine strategische Kommunikation über alle Plattformen
hinweg einbezogen und angesprochen.
81
Vgl. Walvis (2008), S. 186 ff.;
82
Vgl. Bruhn (2008), S. 517
38
40. Die Konsistenz der integrierten Kommunikation führt zum Aufbau,
zum Ausbau und zur Stärkung der Interaktionen innerhalb der
geführten Beziehungen und kann neue Ansätze in der funktions-
übergreifenden Planung bilden.83
Funktionsübergreifende Planung
Bei der integrierten Kommunikation handelt es sich um einen
Managementprozess, in dem alle Kommunikationsaktivitäten einer
richtungsweisenden Analyse, Planung, Organisation und Kontrolle
folgen müssen.84 Es bedarf einer systematischen Integration
innerhalb der Organisation des Unternehmens. Je mehr Strukturen
des Unternehmens die Zusammenarbeit der Abteilungen und der
Dienstleister fördert, umso einfach wird es, eine integrierte
Kommunikation über unterschiedliche Kanäle und Kontaktpunkte zu
konzipieren. Ein systematisches und durchdachtes Prozess-
management, das die Interaktion und Informationsübermittlung
innerhalb des Unternehmens fördert, ist unabdingbar.
Beteiligte Agenturen und sonstige Dienstleister sind in den Prozess
mit einzubeziehen.85 Die funktionsübergreifende Planung benötigt
das Einflussmanagement unterschiedlicher Abteilungen und
Funktionen. Kritische Prozesse, insbesondere in der Pflege von
Kundenbeziehungen, beanspruchen zur Bearbeitung meist mehr als
nur eine Abteilung in einem Unternehmen.
Daher benötigen abteilungsübergreifende Aktivitäten eine gewisse
Konsistenz der vermittelten Markenbotschaft und Koordinierung der
internen Kommunikation. Eine strategische Konsistenz dieser
Aufgaben führt zur Bildung, Erhaltung und wirksamen Nutzung der
Kommunikation sowie zu starken Kundenbeziehungen.86
83
Vgl. Reid (2005), S. 43; Luck/Moffatt (2009), S. 319
84
Vgl. Bruhn (2008), S. 517
85
Vgl. Geibig (2010), S. 51
86
Vgl. Reid (2005), S. 43
39
41. Integration
In der Vergangenheit wurde oftmals die Meinung vertreten,
integrierte Kommunikation umfasse lediglich die Integration aller
Markenbotschaften auf möglichst vielen Kanälen. Die Integration und
Interaktivität der Botschaft werde dabei von der Informations-
technologie bestimmt und verbessere die Wirkung der Medien und
der Informationsvermittlung. Diese Meinung impliziert jedoch eine
Integration seitens des Senders der Botschaften, dem
Unternehmen.87 Aktuelle Ansichten beschreiben, dass der
Empfänger der Botschaft die Integration selbst steuert und
automatisch Synergien erzeugt, indem er mit der Marke interagiert.
Integrations- und Synergieeffekte entstehen durch die Medien-
nutzung der Konsumenten und durch das Bereitstellen der
Botschaften durch die Unternehmen.88 Während Manager sich auf
individuelle Komponenten der Marketingaktionen konzentrieren
(z.B. auf Werbung, Preis, Design), tendieren Konsumenten zu einer
kontextabhängigen und integrierten Betrachtung des Produkts, des
Markenauftritts und der Leistungen des Unternehmens sowie ihrer
persönlichen Beziehung zu diesen.89 Konsumenten und Mitglieder
anderer Interessengruppen integrieren einheitliche Marken-
botschaften automatisch und selbständig.90 Eine Ausrichtung der
integrierten Kommunikation auf die Markenstrategie des
Unternehmens ist jedoch unumgänglich. Die integrierte
Kommunikation soll eine Einheit in der Kommunikation schaffen.
Diese Einheit schafft eine gemeinsame übergeordnete Zielrichtung
und Orientierung für die Integration aller Kommunikations-
maßnahmen.91
87
Vgl. Esch (2007), S. 289; Esch/Brunner/Ulrich (2009), S. 461;
Luck/Moffatt (2009), S. 319
88
Vgl. Schultz (2006), S. 7; Finne/Grönroos (2009), S. 192
89
Vgl. Luck/Moffatt (2009), S. 319 f.
90
Vgl. Duncan/Mariarty (1998), S. 2 f.
91
Vgl. Bruhn (2008), S. 517
40
42. Synergie
Die Effizienz der Kommunikation wird durch die Integration gesteigert.
Die Wirksamkeit der integrierten Kommunikation ist daran zu messen,
ob durch den gemeinsamen Auftritt Synergiewirkungen erzielt
werden können und somit ein effektiver und effizienter Einsatz des
Kommunikationsbudgets erfolgt.92 Synergien bilden den primären
Nutzen der integrierten Kommunikation und bauen auf dem
Grundsatz, dass jedes Kommunikationsmedium den Beitrag aller
anderen Medien verstärkt und mögliche Schwächen ausgleicht.
Dadurch entsteht eine stärkere gemeinsame Wirkung als durch
einzelne Nachrichten und Botschaften.
Die strategische Konsistenz der Markenbotschaften ist dann
gegeben, wenn die Marke aus Sicht der Konsumenten hält, was sie
verspricht. Was die Marke als Botschaft sendet und aussagt, wird
ebenfalls bestimmt durch die Aussagen anderer über die Marke.
Daher bilden Marktorientierung und externer Fokus auf die Marke
eine bedeutende Rolle für den Markenwert. 93
Marktorientierung/externer Fokus
Die integrierte Kommunikation führt ein Unternehmen von der
ursprünglichen Situation des Erzählens und Verkaufens, also einer
Inside-out Perspektive zu einem Outside-in Denken: einer Situation
des Zuhörens und Lernens.
Dies setzt das Management gewünschter und unerwünschter
Kommunikation aus jeder möglichen Richtung voraus, auch
derjenigen Kommunikation, die nicht vom Management kontrolliert
werden kann.94 Integrierte Kommunikation ist letztendlich darauf
bezogen, ein inhaltlich, formal und zeitlich einheitliches
Erscheinungsbild bei allen Zielgruppen zu erzeugen.
92
Vgl. Bruhn ebd.
93
Vgl. Kitchen (2005), S. 75; Luck/Moffatt (2009), S. 320
94
Vgl. Kliatchko (2005), S. 44 ff.; Luck/Moffatt (2009), S. 320
41
43. Eine positive Beeinflussung der Zielgruppen hinsichtlich ihres
Entscheidungsverhaltens erfolgt durch prägnante, in sich
widerspruchsfreie und damit glaubwürdige Kommunikation.95
Zusammenfassend sind alle aufgeführten Merkmale wichtig und
entscheidend für den Prozess der integrierten Kommunikation.
Abhängig von der jeweiligen Umgebung und Situation kann jedoch
eine Konzentration auf einige wichtige Merkmale notwendig sein.
Bei der Umsetzung der integrierten Kommunikation sollte Folgendes
beachtet werden:
Der Preis an sich ist nicht entscheidend für eine Kaufabsicht
der Kunden. Wird der wahrgenommene Wert der Marke bzw.
des Produktes als Belohnung empfunden, ist es akzeptabel,
teurer zu sein. Die Markenkommunikation kann den
entscheidenden Unterschied ausmachen, wenn Produkt-
leistungen und Preise ähnlich sind. Die Kommunikation schafft
schließlich die Möglichkeit, sich zu differenzieren.
Steht die Zielsetzung, Aufmerksamkeit auf ein neues Angebot
zu lenken im Vordergrund, stellt der PoS einen wichtigen Kanal
dar. Erfahrungen in Geschäften eignen sich besonders dazu,
Nähe zu einem Produkt und der Marke aufzubauen. Wenn es
darum geht, Aufmerksamkeit zu wecken, bilden
Produkt-/Leistungskontaktpunkte die wichtigsten Treiber.
Es muss daher sichergestellt werden, dass das Branding
effektiv und die Produktleistung stimmig und konsistent ist.
Eine unterdurchschnittliche Leistung in diesen Bereichen kann
nur selten durch überragende Werbung ausgeglichen werden.
Der PoS ist ebenfalls von besonderer Bedeutung, wenn
bisherige Nicht-Kunden und Nicht-Verwender angesprochen
werden sollen.
95
Vgl. Bruhn (2008), S. 517
42
44. Das traditionelle Medium TV übernimmt nach wie vor die Lead-
Position, wenn es darum geht, Aufmerksamkeit für eine neue
Kampagne zu wecken. Jedoch ist Fernsehwerbung kein Garant
für den Erfolg: Eine Kampagne wird nur beachtet und erinnert,
wenn die kreative Geschichte der Marke stimmt.
Bei Radio und Print ist im Vergleich zum TV ein schwächerer
Effekt festzustellen, insbesondere zu Beginn einer neuen
Kampagne. Hat die TV Werbung bereits Aufmerksamkeit
erzeugt, bieten Radiowerbung und Printanzeigen die
Möglichkeit, die Informationen zu aktualisieren und die
Aufmerksamkeit stärker auf diese Informationen zu richten.
Websites sind für Verwender und Markenenthusiasten ein
wichtiges Medium, um die Loyalität zur Marke zu sichern.
Nicht zu vergessen ist der überragende Effekt der Weiter-
empfehlungen begeisterter Nutzer im Rahmen von Word-of-
Mouth. Online-Auftritte sind zudem in frühen und späten
Phasen einer Kampagne am besten dafür geeignet,
Informationen zu vermitteln und Resonanz zu generieren.
Websites stellen daher einen wichtigen Bestandteil einer
Kampagne dar, die aufgrund der erhöhten Interaktions-
möglichkeit deutliche Vorteile gegenüber traditionellen Medien
zeigen. Die Durchsetzungsstärke der digitalen Kommunikation
hängt davon ab, inwiefern durch die kreative Umsetzung die
angestrebte Zielgruppe erreicht wird. Es bieten sich zahlreiche
Möglichkeiten zur Verknüpfung mit traditionellen Medien.96
96
Vgl. Geibig (2010), S. 61 f.
43
45. 2. Prozess der Kaufentscheidung
Eines der wichtigsten Ziele im Marketing ist, die Konsumenten in den
Momenten zu erreichen, die den größten Einfluss auf ihre
Entscheidung haben. Dieser Zielsetzung folgend werden beispiels-
weise im Bereich der Unterhaltungselektronik die Fernsehgeräte
nicht nur prominent in einem Geschäft präsentiert, sondern sind die
Geräte zusätzlich in Betrieb und zeigen lebendige hochauflösende
Bilder. Dieses Ziel ist auch der Grund, warum Procter & Gamble
schon vor langer Zeit Radio- und TV-Programme produzierte, um das
Publikum auf alternativen Wegen zu erreichen und eine Verkaufs-
steigerung zu bewirken. Daher übrigens auch der Begriff
„Seifenoper“.97
Konsumenten sind meist unbeständig in ihrer Beziehung zu Marken:
Sie stellen einen Kontakt zu unzähligen Marken her, oftmals durch
neue Medienkanäle, die sich nicht unter der Kontrolle oder sogar der
Kenntnis des jeweiligen Unternehmens befinden. Nach dem Kauf
können sie eine starke Bindung zur Marke entwickeln und Lob oder
Kritik bezüglich des erworbenen Produkts äußern, oder die Marke in
höchsten Maße kritisieren. Konsumenten fordern ein klares
Markenversprechen. Jedoch haben sich die Berührungspunkte mit
der Marke, die Beeinflussung an diesen und die Möglichkeit, mit
Konsumenten zu interagieren, erheblich geändert.98 Konsumenten
kontrollieren vermehrt den Informationsprozess. Es erfolgt ein aktiver
„Pull-Effekt“ für produkt- und markenspezifische Informationen.
Konsumenten leiten diesen Prozess selbst ein und suchen bewusst
nach Informationen.99 Unabhängig vom Online-Einkauf ist das
Internet neben dem PoS die wichtigste Informationsquelle für fast alle
97
Vgl. Court et al. (2009), S. 1; Tharrington (2010), Procter & Gamble
98
Vgl. Edelman (2010), S. 64; Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 393
99
Vgl. Court et al. S. 5
44
46. Retail-Bereiche. Selbst wenn der Kauf nicht online stattfindet, hat das
Internet großen Einfluss auf die Kaufentscheidung.100
Abbildung 5: Informationsquellen vor dem Kauf,
Quelle: Yahoo! (2010), S. 9
Jeden Tag sind Menschen neuen Impressionen und Meinungen über
Marken an unterschiedlichen Berührungspunkten ausgesetzt.
Wenn sich Konsumenten nicht gerade in einer aktuellen
Kaufsituation befinden, scheint es, als ob die Wirkung der
Kontaktpunkte ins Leere läuft. Was aber geschieht, wenn eine neue
Situation die Intention zum Kauf auslöst? Die akkumulierten
Impressionen zur Marke aus den unterschiedlichsten
Markenkontaktpunkten können in diesem Fall entscheidungsrelevant
werden, da sie das anfängliche consideration-set der Konsumenten
bilden: die kleine Anzahl an Marken, die Konsumenten von Beginn
an als potentielle Kaufoption berücksichtigen.
Bei ihrer Entscheidung durchlaufen Konsumenten vier grundlegende
Prozesse, an denen das Marketing anknüpfen kann: anfängliche
Erwägung, aktive Beurteilung der potentiellen Kaufobjekte,
Abschluss bzw. Kauf und Nachkaufphase, in der Konsumenten das
Produkt erleben, es fördern und eine Bindung aufbauen.
100
Vgl. Yahoo! (2010), S. 2
45
47. Consideration-Set
Konsumenten tendieren dazu, eine kleine Anzahl an Marken in
Erwägung zu ziehen und in einer Kaufsituation aus diesen Marken zu
wählen. Das Markenbewusstsein ist entscheidend: Marken innerhalb
des anfänglichen consideration-set entwickeln eine höhere
Kaufabsicht beim Konsumenten als Marken, die sich nicht im
consideration-set befinden. Durch eine aktive Beurteilung kann sich
die Anzahl der in Erwägung gezogenen Marken erhöhen, da
Konsumenten verstärkt nach Informationen suchen. Starke Marken
können den Entscheidungsprozess unterbrechen, indem sie eine
Präferenz auslösen und andere Marken aus dem consideration-set
verdrängen. Die Position der Marken, die in Erwägung gezogen
werden, ist somit nicht gesichert.101
Abbildung 6: Kaufentscheidung, Quelle: Edelman (2010), S. 64
Anstatt ihre Auswahl an Marken bzw. ähnlichen Produkten
systematisch zu verringern, durchlaufen Konsumenten eine
erweiterte Evaluationsphase. In dieser sortieren sie aus den in
Erwägung gezogenen Marken präferierte Marken aus oder fügen
neue hinzu. Nach dem Kauf gehen sie, bei positivem Markenerlebnis,
eine unbeschränkte Beziehung mit der Marke ein, teilen ihre
Erfahrung mit anderen und sprechen idealerweise eine Empfehlung
aus.
101
Vgl. Court et al. (2009), S. 3 ff.
46
48. ERWÄGEN & KAUFEN: Marketingexperten heben diese Punkte
meist zu stark hervor, indem sie mehr Ressourcen als nötig für
Werbemaßnahmen zur Aufmerksamkeitssteigerung und Promotions
im Einzelhandel zur Erhöhung der Kaufbereitschaft einsetzen.
BEURTEILEN & FÖRDERN: Diese Prozesse werden in Verbindung
mit neuen Medien immer relevanter. Marketinginvestitionen,
die Konsumenten beim Beurteilungsprozess zur Hilfe stehen und
eine positive Word-of-Mouth Beurteilung über die gewählte Marke
fördern, können ebenso wichtig sein wie der Aufbau von
Aufmerksamkeit und die Verkaufsförderung.
BINDEN: Eine starke Bindung der Konsumenten zur Marke erhöht,
ohne einen vorherigen Durchlauf der verschiedenen Stationen des
Entscheidungsprozesses, den Wiederkauf der Marke.102
Abbildung 7: Konversation während einer Kaufentscheidung,
eigene Darstellung, in Anlehnung an: Microsoft Advertising (2010), S. 5
102
Vgl. Edelman (2010), S. 64
47
49. Die Implikationen der Kaufentscheidung für das Marketing sind
weitreichend. Der Einfluss verschiedener Markenberührungspunkte
in den verschiedenen Phasen der Kaufentscheidung der
Konsumenten ist sehr unterschiedlich.
Abbildung 8: Die einflussreichsten Berührungspunkte im Prozess der
103
Kaufentscheidung in %, Quelle: Court et al. (2009), S. 6
Integrierte Kommunikation dient zum Aufbau klarer spezifischer
Markenimages. Eigene Erfahrungen und Kommunikation prägen
Vorstellungsbilder und Images der Kunden zur Marke.
Die Kommunikation geht allerdings weit über die Werbung hinaus.
So werden gespeicherte Erfahrungen auch durch den aktuellen
Markenauftritt ergänzt, der sich ebenfalls in der persönlichen
Kommunikation widerspiegelt. Für den Aufbau klarer Markenimages
ist eine Integration aller kaufentscheidenden Kontaktpunkte auf das
Interesse der Kunden abzustimmen.
Bei der klassischen Werbung ist von einem geringen Involvement der
Konsumenten auszugehen. Das Involvement erhöht sich jedoch bei
anderen Kommunikationsinstrumenten, z.B. beim persönlichen
Verkauf oder bei der Internet-Kommunikation. Das Involvement der
Konsumenten bestimmt maßgeblich, welche Markenbotschaft in den
103
Ergebnisse aufgerundet, daher kumulativ ein Wert über 100% möglich
48
50. Phasen der Entscheidung vermittelt wird.104 Die integrierte
Kommunikation wird idealerweise über jeden Markenkontaktpunkt zu
einem holistischen und involvierenden Konsumentenerlebnis.105
Abbildung 9: (Produkt-)Involvement bei Kaufentscheidungen,
Quelle: Carat (2010), S. 10
Anstatt das gesamte Werbebudget auf die Verwendung in
traditionellen Medien wie Fernsehen, Radio oder Zeitschriften zu
konzentrieren, sollten marketingrelevante Ziele für die
unterschiedlichen Stationen im Entscheidungsprozess des Kunden
gesetzt werden. Allgemein ist eine Diskrepanz zwischen den
Marketingausgaben eines Unternehmens und den
Berührungspunkten mit den Kunden zu verzeichnen. Rund 70 bis
90% der Marketingausgaben werden in Bereichen der Werbung und
Promotion eingesetzt, die Kunden ausschließlich in der Erwägungs-
und Kaufphase ansprechen. Kunden werden jedoch, insbesondere
bei Gütern mit hohem Involvement während der Beurteilungsphase
hauptsächlich nicht durch Werbung, sondern durch eigene
Recherchen im Internet und Word-of-Mouth106 in ihrer
104
Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2011), S. 178 f.
105
Vgl. Tsai, (2005), S. 437 f.
106
Vgl. Carat (2010), S. 15 ff.
49
51. Kaufentscheidung beeinflusst. Kunden, die das gekaufte Produkt und
die Marke positiv erleben, werden das Produkt sehr wahrscheinlich
weiterempfehlen und eine Bindung zur Marke aufbauen.
Diese Kunden sind sehr loyal und gewillt, die Marke bzw. das
Produkt erneut zu kaufen, ohne vorher andere Marken in Erwägung
zu ziehen.107 Die aufwendigste TV-Werbung oder das meistgesehene
virale Video mag zwar zu einer Erwägung der Marke führen, jedoch
verpufft diese Wirkung, wenn die Marke schlechte
Kundenbewertungen erhält oder erst gar nicht online thematisiert
wird. Heutzutage müssen Unternehmen nicht nur die bezahlten
Medien („paid media“, z.B. Werbung) beachten, sondern auch eigene
Kommunikationskanäle („owned media“, z.B. Online-Auftritt) und
verdiente Medien („earned media“, z.B. Social Media Beteiligung der
Nutzer, Word-of-Mouth), die sich gegenseitig beeinflussen.
Ein Teil des Werbebudgets sollte für Ressourcen eingeplant werden,
die Inhalte für Social Media Kanäle kreieren, überwachen und
steuern.108 Der Standard der Verbraucher für die wahrgenommene
Konsistenz der Informationen an verschiedenen Kontaktpunkten,
die Art, wie Information an diesen dargeboten wird und der Nutzen
der dargebotenen Inhalte werden täglich stringenter.
Gleichzeitig werden das Publizieren von Inhalten, der Aufbau von
Markenerlebnissen, die Pflege von Kundeninteressen und das
Generieren personalisierten Leads immer wichtiger.
Unternehmen müssen die strategische Ausrichtung der genutzten
Medien überdenken, wenn sie eigene und verdiente Medien
ausbauen möchten. Bezahlte Medien sollten potentielle Kunden an
unternehmenseigne Medien führen und die Motivation zur
Beteiligung der Kunden fördern.109
107
Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2011), S. 179
108
Vgl. Edelman (2010), S. 65 f.; Edelman/Salsberg (2010), S. 2 f.
109
Vgl. Edelman/Salsberg (2010), S. 7
50
52. 3. Beispiel
APPLE KUNDENERLEBNIS
Die Erfolgsgeschichte des Elektronikkonzerns Apple ist beispielhaft
und stellvertretend für gelungene Markenkommunikation.
Apple übertrumpft 2011 zum ersten Mal Google und wird zur
wertvollsten Marke weltweit110 Das Unternehmen erzielt hohe
Kundenzufriedenheit und Markenbindung. Diesen weltweiten Erfolg
verdankt Apple auch einer gelungenen Markenführung. Der Kauf
eines Apple-Produktes wird zu einem Kunden- und Markenerlebnis.
Das konkrete Markenlogo ist an allen Berührungspunkten zur Marke
prominent vertreten. Das Branding des Unternehmens ist einheitlich,
eingehend und unverwechselbar. Apple-Produkte sind bewusst
umweltfreundlich, die Verpackung ist kompakt, funktionell und
ästhetisch.
Das Produktdesign bei Apple ist kompakt und multisensual
abgestimmt. Verwendete Materialien und Verarbeitung der Apple-
Produkte wirken stets hochwertig – wer einmal ein iPhone besessen
hat, möchte es so schnell nicht wieder hergeben. Die Bedienung der
Geräte ist intuitiv gestaltet und auf die Nutzer abgestimmt.
Der spezielle Ton beim Starten eines Mac ist unverkennbar und
wurde sogar bei Wall-E dem kleinen Roboter und dem
Hauptdarsteller des gleichnamigen Pixar Animationsfilms, verwendet.
Die Verkäufer in weltweit vertretenen Apple-Stores sind speziell
geschult, kompetent und stets bemüht, Kundenbedürfnissen gerecht
zu werden. Besucher können im Apple Store mit allen Produkten
interagieren, sie ausprobieren und testen. Alle ausgestellten Geräte
sind betriebsbereit, mit dem Internet verbunden und uneingeschränkt
nutzbar. Bei technischen Problemen werden die Kunden an die
Genius Bar weitergeleitet, wo sie kompetent betreut werden.
In speziellen Workshops oder Kundenprogrammen wie dem
110
Vgl. MillwardBrown (2011), S. 14
51
53. one-to-one, können Kunden die Bedienung der Produkte und
Software erlernen.
Abbildung 10: holistisches Kundenerlebnis bei Apple,
eigene Darstellung, Bildquelle: apple.de
Kunden können eine Apple Produktneueinführung kaum abwarten,
sie spekulieren online über mögliche Neuerungen und
Produktfeatures. Wird ein neues Produkt, wie das iPad zum Verkauf
angeboten, stehen die Kunden bis zur Eröffnung stundenlang in der
Warteschlange. Zur Belohnung werden sie bejubelt und mit Applaus
empfangen. Kaufen sie ein Produkt, wird ihnen das Produkt mit
Handschlag und Gratulation zum Kauf überreicht. Nach ihrem Kauf
teilen Kunden ihre Erfahrungen auf den unterschiedlichsten
Plattformen und laden Unboxing-Videos hoch, um ihre persönliche
Erfahrung beim Auspacken eines Apple-Produktes mitzuteilen.
Kunden und Interessierte erhalten zusätzliche kostenlose
Serviceleistungen in Form von persönlichen Chats, Telefon-
gesprächen, Forenbeiträgen oder Produktvideos auf der Apple-
Homepage.
Die Markenkommunikation für Apple-Produkte ist stets emotional,
informativ und simpel gestaltet. Durch unterschiedliche Inhalte
52
54. einheitlich konzipierter Werbung, die verschiedene Möglichkeiten der
Produktnutzung (z.B. als Spielkonsole, Arbeitsgerät oder
Kommunikationsinstrument) hervorheben, werden unterschiedliche
Nutzertypen und Bedürfnisse angesprochen.
Abbildung 11: iPhone 4 Werbung, eigene Darstellung,
Bildquelle: apple.com
Zusammengefasst bietet Apple an jedem Berührungspunkt zur
Marke positive Erlebnisse für potentielle Kunden. In den Apple
Stores gilt die Devise: „Wir möchten die Erwartungen der Kunden
übertreffen.“ Die Kommunikation zur Marke ist einheitlich, konsistent
und verständlich gestaltet. Selbst in unternehmensfremden
Elektronikgeschäften werden Apple-Produkte in markenspezifisch
gestalteten Ladenflächen dargeboten. Produkt- und
Verpackungsdesign sowie das Branding der Marke sind
unverkennbar. Jeder Kontakt zu einem Apple-Mitarbeiter soll die
Kunden zufriedenstellen und positiv bereichern. Der Erfolg des
Unternehmens spricht für sich, die Zufriedenheit und Loyalität der
Kunden ist kaum zu übertreffen.
Die Marke Apple gilt als Paradebeispiel für verstandenes und
gelebtes Marketing, das im Zuge einer integrierten Kommunikation
ein holistisches Erlebnis an allen Markenberührungspunkten bietet
sowie intrinsische Belohnungswerte und Emotionen der Menschen
bedient.
53
55. C. Social Media
Die Tragweite des Mediums Internet, insbesondere der sozialen
Vernetzung, wird deutlich, bei einer Betrachtung des Zeitraums, den
Massenmedien zur Erreichung von 50 Millionen Menschen
benötigten: Das Radio war in seiner Verbreitung sehr träge, es waren
38 Jahre nötig um die Grenze zu durchbrechen. Erst nach 13 Jahren
Fernsehen waren diese Anzahl an Zuschauern erreicht. Das Internet
verbreitete sich rasend schnell und erreichte 50 Millionen Nutzer
innerhalb von vier Jahren. Facebook, als größtes soziales Netzwerk
stellvertretend für Social Media, erreichte über 200 Millionen Nutzer –
im ersten Jahr.111 Anfang 2011 durchbrach Facebook weltweit die
Schwelle von 500 Millionen Besuchern. Alleine in Deutschland hat
Facebook über 14 Millionen aktive Nutzer.112
Social Media bedient vor allem eins: die Befriedigung sozialer
Motivstrukturen der Menschen (Selbstdarstellung, Mitteilungsdrang,
Eskapismus, Suche nach sozialen Kontakten)113. Soziale Netzwerke
ermöglichen den Nutzern zudem eine Einsicht in unterschiedlichste
Informationen, z.B. darüber was Menschen denken, wohin sie reisen,
wofür sie Geld ausgeben, sogar wann und mit wem sie eine neue
Beziehung eingehen oder sich von ihrem Partner trennen (meist an
einem Montag kurz vor Weihnachten).114
Abbildung 12: Aktivität auf Facebook, Quelle: Kowalsky (2011), S. 33
111
Vgl. Hellriegel/Panknin (2010), S. 13
112
Vgl. Kowalsky (2011), S. 33
113
Vgl. Kreutzer/Merkle (2008), S. 151
114
Vgl. Kowalsky (2011), S. 29
54
56. Abbildung 13: Motive für die Nutzung von Social Media,
Quelle: Microsoft Digital Advertising Solutions Report
Im letzten Jahr wurden Videos mit einer Gesamtspielzeit von mehr
als 13 Millionen Stunden auf YouTube hochgeladen. Das entspricht
einer Videolaufzeit von über 150.000 Kinofilmen pro Woche.115
YouTube ist inzwischen nach Google die meistgenutzte
Suchmaschine.116
Aktuell hat der Microblogging Dienst Twitter weltweit 230 Millionen
Besucher. Alleine in Deutschland hat Twitter über 3 Millionen aktive
Mitglieder.
In Deutschland nutzen 40% der Bevölkerung mit Internetanschluss
Soziale Netzwerke wie Facebook, Xing oder StudiVZ. Über die Hälfte
dieser Nutzer geben an, dass sie diese Social Media Dienste häufig
und regelmäßig in Anspruch nehmen.117
115
Vgl. http://www.youtube.com/t/press_statistics
116
Vgl. Qualman (2011), S. 263
117
Vgl. Faehling (2010), S. 11 f.
55
57. Abbildung 14: Soziodemografie in Community Plattformen,
Quelle: comScore (http://goo.gl/4dUWz)
Weltweit wird Social Media im Schnitt 4,6 Stunden pro Woche
genutzt und macht den größten Teil des Online-Zeitbudgets aus.
Im Schnitt hat der globale Nutzer 120 Online-Freunde und ist bereits
mit vier Marken vernetzt. Knapp ein Drittel der Nutzer sind auf der
Suche nach Markenkontakten in Social Media.118
Die technologische Revolution, die durch die Massenherstellung von
PCs in den 70er Jahren begann und durch die Massentauglichkeit
des Internets in den 90er Jahren einen neuen Schub bekam, hat eine
Generation hervorgebracht, die anders als ihre Eltern in einer stark
vernetzten, technologisch hochentwickelten Welt aufwächst.
Eine Welt, die sich in kontinuierlich beschleunigendem Tempo
bewegt und entwickelt. Nur alte Generationen erinnern sich noch an
eine andere, analoge Zeit und sehen die technischen Neuerungen
als etwas Besonderes an. Für die neue Generation sind sie Alltag.
Es ist die Erfahrung und Routine in der Nutzung und nicht die simple
Dichte und Verbreitung von Technologien, die diese Generation
unterscheidet. Die alte Generation sieht die Technologie aus einer
Informationssicht, verbunden mit Datenverarbeitung, mit Produktivität
und Effizienz als Schlüsselfaktoren. Für die aktuelle Generation, ist
der Faktor Information zwar von Bedeutung, aber Technologie
bedeutet für sie eher Vernetzung. Technologie ist sozial.
118
Vgl. Reichl (2011), Financial Times Deutschland
56
58. Information wird verwaltet und durch Verbindungen moduliert.
Aus Marketingsicht ist die technologische Kluft zwischen den
Generationen tief. Alte Konsumenten erwarten von den Medien
Information und Unterhaltung. Junge Konsumenten sehen Medien
jedoch als eine Plattform für Verbindungen. Alte Konsumenten sind
aufgewachsen in indirekter Interaktion mit der Markenkommunikation,
mit individueller Verarbeitung der Werbung und Entscheidungs-
findung. Junge Konsumenten sehen Marketing als einen Teil ihrer
laufenden, nie endenden, sich ständig weiterentwickelnden
Konversation über Marken, Probleme, Persönlichkeiten, Anlässe,
Sport, Politik, Musik, Filme und vieles mehr. Sie begegnen Marketing
nicht mehr im Sinne traditioneller Modelle der Medien, Vermarktung,
Beeinflussung und Einstellungs-änderung. Früher folgten
Werbetreibende noch dem Ziel ihrer Stimme in der Masse ein Gehör
zu verschaffen. In der Tat ging es darum, lauter zu schreien als die
Konkurrenz, daher war die einschlägige Kennzahl der Share of Voice.
Heute und in der Zukunft sollte es zum Ziel werden, derjenige zu sein,
über den gesprochen wird, mit Share of Conversation als möglicher
relevanter Kennzahl.119
I. Der Social Media Einfluss
Social Media ist eine neue Form der zwischenmenschlichen
Kommunikation und Vernetzung. Weltweit kommunizieren Menschen
aller Altersgruppen multimedial über die unterschiedlichsten
Plattformen. Sie teilen ihre Interessen, tauschen gegenseitig
Informationen und Entertainment aus, geben Hilfestellung für das
Wohl der Allgemeinheit oder vernetzen sich für die Erreichung eines
gemeinsamen Zwecks und all dies geschieht öffentlich und
persönlich. Die Zeit der Pseudonyme, der Anonymität in Foren mit
119
Vgl. MillwardBrown (2011), S. 68
57
59. ausgefallenen Avataren ist einer Offenheit der Nutzer gewichen.
Die Menschen wollen sich nicht mehr verstecken, sie möchten
gefunden werden und sich vernetzen.120
Welches Ausmaß die Beteiligung der Bevölkerung an der Social
Media Kommunikation einnehmen kann, zeigen auch Beispiele aus
der Weltpolitik: Bis zum seinem Einzug in das Weiße Haus hatte
Barack Obama 5 Millionen Fans auf Social Media Plattformen und
5,4 Millionen Wähler, die einen „I voted for Obama“ Facebook-Button
anklickten. Am Spendenaufruf zur Unterstützung des Wahlkampfes
in Social Media beteiligten sich 3 Millionen Nutzer, die insgesamt
einen Betrag in Höhe von 500 Millionen US-Dollar spendeten.
Im Gegenzug erhielten sie ein von dem Street Artist Shepard Fairey
entworfenes „Obama Hope“-Bild.121
Während der Unruhen im Nahen Osten im Jahre 2011 war die
Berichterstattung durch Behinderungen der Presse stark
eingeschränkt. Informationen im Internet von Augenzeugen vor Ort
und unabhängigen Experten wurden immer wichtiger.
Die Berichterstattung zu den Ereignissen erfolgte häufig von
Privatpersonen und wenigen Quellen, die über Twitter, Facebook,
Google Maps, Flickr oder Blogs Informationen in die restliche Welt
sendeten.122
120
Vgl. Kowalsky (2011), S. 35 f.
121
Vgl. Qualman (2011), S. 259
122
Vgl. Jung (2011), Tagesschau
58