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Busverkehr:
Abfahrt Richtung
Billiglöhne
Ausgabe 03 / 2013
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Kontakt:
mobifair GmbH
Westendstraße 52
60325 Frankfurt
Tel. : +49 (69) 271 39 96 - 6
Fax : +49 (69) 271 39 96 - 77
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3
Editorial
Impressum
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Redaktion:
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Eingetragen im Vereinsregister Frankfurt am Main: VR 13555
Ab ins Beet. Unsere Arbeit trägt weiter Früchte. Es ist wie im Garten, was faul ist
muss weg. Und da sind wir gerade heftig am Aussortieren. „Ab ins Beet“ hieß es
gemeinsam mit dem ARD-Magazin »Plusminus« und da fanden wir die Bahnbus-
gesellschaft RBO, die grenzüberschreitend in Tschechien einen Ableger gesät hat,
aber leider nicht düngen wollte. Also den Mitarbeitern ihrer tschechischen Tochter-
gesellschaft für viel zu viel Arbeit viel zu wenig Lohn bezahlt. Das war nicht gut, liebe
Deutsche Bahn, wenn man unter die zehn besten Arbeitgeber rutschen will.
Im Fernbusverkehr läuft das nicht besser. Hier wächst viel Unkraut, weil man dort die
falsche Erde verwendet. Die wurde von der Bundesregierung gemischt und man hat
doch glatt nicht gewollt, dass der Boden sozialdumpingfrei gehalten wird. Das rächt
sich jetzt und so müssen die fleißigen Gärtner, in diesem Fall Busfahrer, alles geben, damit sich die Dumping-
fahrpreise auch rechnen. Da ist man schon mal viel zu lange unterwegs oder man setzt wieder einmal mehr auf
günstigere osteuropäische „Erntehelfer“. Wir sind mit im Bus und werden beweisen, dass der Gartenplaner hier
ganz etwas Wichtiges vergessen hat: Kontrollen, um vor Frost zu schützen.
Die Landesgartenschau, unsere Beiratssitzung, war ein voller Erfolg. Es ging um die vielen Blüten in der Tarif­
treuelandschaft. Nur noch drei Bundesländer setzen auf Unkraut und wollen weder einen Mindestlohn noch ein
Tariftreuegesetz. Aber die Sense ist gewetzt und letztendlich werden sie nicht daran vorbeikommen, dass auch
diese Gärten blühen. Bleiben wir aktiv : Auf eine gute Ernte!
Aus dem Inhalt
Titelthema:
Abfahrt Richtung Billiglöhne
Fernbus:
Preiswert durch die Republik...S. 7
mobifair – Beiratssitzung........S. 9
mobifair zertifiziert
Abellio Rail NRW.......................S. 14
Meldungen................................S. 16
Editorial
Helmut Diener, Geschäftsführer
mobifair intern:
Projektabschlüsse....................S. 12
„Die Firma schreibt die Stunden auf,
die sie braucht...“................... S. 4
Konservative und Liberale senken
Sozialstandards für entsendete
Arbeitnehmer in Europa...........S. 6
mopinio 03/20134
Busverkehr
Auszüge aus dem Gespräch mit
einem betroffenen Busfahrer:
„Die Firma schreibt die Stunden
auf, die sie braucht…“
Das im Grenzverkehr Deutschland/Tschechien operierende Busunternehmen RDS
schickt seine Fahrer zu täglichen 14-Stunden-Schichten auf deutschen Linienstrecken
los, wie mobifair herausfand. Kläglicher Lohn für die Beschäftigten: Umgerechnet um
die zwei Euro die Stunde. RDS fährt im Auftrag der RBO, einer Tochter der DB AG. mo-
bifair hat mittlerweile die zuständige Behörde, die Staatsanwaltschaft Passau, wegen
Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz eingeschaltet.
mobifair: Du bist seit fünf Jah-
ren bei der RDS und fährst die
Buslinie Zelezna Ruda-Passau.
Wie oft fährst du am Tag?
Vladislav Vlach: Zweimal nach
Passau und zurück.
mobifair: Wann ist Dienstbeginn?
Vlach: Ich komme um 4.50 Uhr zur
Arbeit, Abfahrt ist um 5.25 Uhr.
Um 7.26 sind wir in Passau und um
7.45 Uhr fahren wir zurück nach
Zelezna Ruda. Dazwischen ungefähr
15 Minuten Pause und in Zelezna
Ruda nochmal eine halbe Stunde.
mobifair: Um elf Uhr fährst du
wieder nach Passau, Ankunft ist
um 13.09 Uhr?
Vlach: Ja, genau. Ich habe drei Stun-
den Pause, muss aber Papiere schrei-
ben, den Bus waschen und tanken.
Um 16.10 fahre ich zum Bahnhof an
die Haltestelle und um 16.25 Uhr fa-
hren wir wieder nach Zelezna Ruda.
Danach wieder sauber machen, viel-
leicht tanken und um 19 Uhr habe ich
Feierabend.
mobifair: Das ist eine Schichtzeit
von 14 Stunden täglich.
Vlach: Ja. 14 Stunden insgesamt.
Neun Stunden fahren und fünf Stun-
den Pause mit Bus säubern und so.
mobifair: Wie oft machst du das
in der Woche?
Vlach: Fünf Tage die Woche nach
Passau und manchmal nochmal
zusätzlich diese Route und mit dem
Skibus/Wanderbus zum Arber, aber
am Sonntag. 6,40 Stunden und zwei
Stunden Pause.
mobifair: Das würde 280 Stun-
den im Monat bedeuten. Deine
Lohnzettel weisen im Schnitt
netto um die 22.000 tschechische
Kronen aus. Das sind umge-
rechnet knapp über 800 Euro.
Vlach: Ja. Ich komme auf einen
Stundenlohn von unter drei Euro.
mobifair: Der vorliegende
Stundennachweis sieht nicht
aus, als ob alles ordentlich
aufgeschrieben wurde.
Vlach: Ja. Die Stunden stimmen
nicht. Die Firma schreibt die Stun­
den auf, die sie braucht, aber die
Stunden der Fahrer stimmen nicht.
5
Busverkehr
Das ARD-Magazin »plusminus« hat über die Ergebnisse
der mobifair-Recherchen berichtet, die Bahn bereits im
Vorfeld des TV-Beitrags vehement dementiert und alle
Vorwürfe von sich gewiesen. Das Unternehmen RDS hat
mittlerweile teilweise reagiert und die Arbeitsbedin-
gungen der Fahrer verändert. Die Staatsanwaltschaft
Passau prüft die Strafanzeige von mobifair gegen RDS
wegen Verstößen gegen Arbeitszeitrecht und Lenk-
zeitenverordnung.
In Brüssel haben die Abgeordneten des Beschäftigten-
ausschusses des EU-Parlaments den Plänen der EU-
Kommission zur Aufweichung der Entsenderichtlinie eine
Absage erteilt – auch ausgelöst durch die mobifair-Re-
cherchen an der tschechischen Grenze. Sozialdumping in
Europa müsse endlich wirksam bekämpft und ein fairer
Wettbewerb im Binnenmarkt sichergestellt werden, er-
klärten die Sozialdemokraten im Parlament. Die Abgeord-
neten drängen darüber hinaus auf eine so genannte „Ge-
neralunternehmer-Haftung“. Wenn Firmen also Sub- und
sogar Sub-Sub-Unternehmer einsetzen, sollen sie künftig
auch die Verantwortung dafür übernehmen, dass alle die-
se Betriebe die vorgeschriebenen Standards einhalten.
Immer mehr Unternehmen nutzen Werkverträge – oft al-
lerdingsnur„Scheinwerkverträge“–und Ausgründungen
von Gesellschaften, um im Personalbereich Kosten zu
drücken. Das gilt nicht nur für die Busbranche, obwohl
gerade im Bahnbusbereich ein 60- bis 70prozentiger An-
teil an Subunternehmen verzeichnet werden muss. Bei
Scheinwerkverträgen liegt die Bezahlung der Beschäf-
tigten oft noch unter der Lohnuntergrenze für Leiharbeit.
Prüfungen, etwa wegen illegaler Arbeitnehmerüber-
lassung, gestalten sich extrem schwierig. Kontrollme-
chanismen greifen kaum, da ebenso wie bei den Sozi-
alleistungsträgern auch beim Zoll zu wenig Personal
eingesetzt wird. Aber auch reale Werkverträge machen
Probleme. Die Tarifbedingungen des Auftragsunterneh-
mens werden unterlaufen. Die Aufgabenträger stehen
auf dem Standpunkt, dass Sub-Unternehmen keine Ta-
rifbindung brauchen. Der schwarze Peter bleibt somit
wieder an den Beschäftigten hängen, die gleiche Arbeit
für weniger Lohn leisten. Entsprechende Verordnungen,
die solche Praktiken einschränken, sind Mangelware.
Betriebsrat und Sub-Unternehmen
mopinio 03/20136
Busverkehr
Die grenzüberschreitende Beschäftigung von Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmern in Europa nimmt zu. Im-
mer häufiger werden auch im Bereich der Beförderung
Mitarbeiter von ihren Firmen in EU Länder entsandt.
Häufig kommt es dabei zu Sozialdumping und selbst die
bestehenden Regeln werden noch unterlaufen. Deshalb
hat die Europäische Kommission eine Durchsetzungs-
richtlinie zur Entsenderichtlinie vorgelegt, die im Be-
schäftigungsausschuss des Europaparlamentes im Juni
zur Abstimmung stand. Die konservativ-liberale Mehr-
heit will die Durchsetzungsbestimmungen jedoch dazu
missbrauchen, in Zukunft die sozialen Standards in Eu-
ropa weiter zu senken. Gegen die Stimmen der Sozial-
demokraten wurden zahlreiche Verschlechterungen für
entsandte Arbeitnehmer in Europa verabschiedet.
Konservative und Liberale senken Sozialstandards
für entsendete Arbeitnehmer in Europa
Von Jutta Steinruck und Ismail Ertug,
beide MdEP, beide SPD
Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parla-
mentes stimmt über die Durchsetzungsrichtlinie zur
Entsenderichtlinie ab
Gerade Kraft- und Busfahrer sind hiervon besonders
stark betroffen, da ihr Arbeitsplatz – anders als in vielen
anderen Sektoren – immer mobil ist.
Im Falle von Missbrauch der bestehenden Regelungen
zum Schutz vor Ausbeutung kann in Zweifelsfällen auch
das Herkunftsland des Arbeitnehmers als rechtliche
Grundlage verwendet werden. Das hat zum Beispiel zur
Folge, dass entsandte Arbeitnehmer dann nach den Tari-
fen des Herkunftslandes bezahlt werden könnten, sofern
es keine gesetzlichen Mindestlöhne im Aufnahmestaat
gibt. Diese Vorschläge höhlen Sozialbestimmungen in
den einzelnen Mitgliedstaaten aus und können so nicht
akzeptiert werden. Auch das künftige Verbot des Ver-
bandsklagerechtes für Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer ist für uns völlig inakzeptabel. Diese Form der
Klage muss möglich sein, wenn ArbeitnehmerInnen ge-
gen ihren fehlenden Lohn oder andere Vergehen der Ar-
beitgeber vor Gericht gehen wollen. Das öffnet weiterem
Lohndumping Tür und Tor, was offenbar im Sinne der
CDU/CSU und FDP ist.
Auch wenn auf Druck der Sozialdemokraten Kontroll-
rechte gestärkt werden konnten und verbindliche Haf-
tungsregeln für den Generalunternehmer aufgenommen
wurden, bleibt unter dem Strich eine Richtlinie, die ent-
sandte Arbeitnehmer schwächt. Damit haben schwarz-
gelbe Europaabgeordnete Europa ein Stück unsozialer
und unmoralischer gemacht. Leider haben die Grünen
sie dabei am Ende unterstützt.
© BayernSPD
Der Personaleinsatz in den Sub-Unternehmen wird auf
Kosten der Arbeitnehmer „flexibel“ gehandhabt. Üblich
sind „Zwangsteilzeit“ – Einsatz nur in Auftragsspitzen-
zeiten, z.B. beim Schülerverkehr auf 450-Euro-Basis
oder immer neue befristete Verträge. Dabei sehen sich
auch Betriebsräte mit einer ganzen Reihe zusätzlicher
Probleme konfrontiert. Die Mitbestimmungsrechte bei
Dienstplangestaltung, Arbeitszeit, Arbeitsschutz und
internen Versetzungen – auch für Leiharbeit müssen
konsequent durchgesetzt werden, oft braucht der BR
einen sehr langen Atem und Mut zu Auseinanderset-
zungen. Mit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes
vom Juli wurde der Betriebsrat bereits gestärkt: Bei
unbefristeter Leiharbeit kann er seine Zustimmung ver-
weigern. Dennoch bleibt in diesem Bereich eine Menge
zu tun. Rechtsexperten sind sich in der Auffassung einig,
dass das Betriebsverfassungsgesetz gerade auf die BR-
Rechte in Sachen Leiharbeit dringend überarbeitet wer-
den muss. Änderungsbedarf besteht allerdings auch bei
den Vorgaben der Länder für die Gestaltung der ÖPNV-
Verkehre oder bei EU-Verordnungen. Besonders für den
Fall der Betreiberwechsel bei Auftragsvergaben müssen
verbindliche Regelungen zum Schutz der Beschäftigten
getroffen werden. Grundsätzlich gilt, dass Betriebsräte
weiter und besser qualifiziert werden müssen, um ihre
– zum Teil bereits vorhandenen – Rechte im Zusammen-
hang mit Sub-Unternehmen und Fremdarbeitskräften
effektiv wahrnehmen zu können.
7
Dass der potenziell lukrative Markt viele Anbieter an-
lockt, ist offensichtlich. Bis Ende 2012 gab es ganze 86
Fernbuslinien innerhalb Deutschlands – davon die mei-
sten von und nach Berlin. Seit der Marktöffnung zum
Jahresanfang 2013 hat sich das Angebot nach Anga-
ben des Verkehrsministeriums nahezu verdoppelt. Al-
lein zwischen Januar und März sind die Unternehmen
MeinFernbus.de; city2city, DeinBus.de, public express,
Flixbus und Univers mit ihren Linien gestartet, Post und
ADAC haben ihre eigene Großoffensive für den Herbst
angekündigt. Ein Drittel des Marktes wird angepeilt,
teilte der ADAC mit. Das ist ein dicker Brocken, denn
nach Experteneinschätzungen beläuft sich das Gesamt-
umsatzvolumen auf etwa 400 Millionen Euro.
Damit ist eine weitere Verschärfung des Preiswettbe-
werbs unumgänglich. Bereits jetzt unterbieten sich die
Unternehmen mit günstigen Ticketpreisen. Ebenso ab-
sehbar sind allerdings die Folgen für die Beschäftigten
in den neuen Bussen. Wie mobifair bereits im Vorfeld der
Preiswert durch die Republik –
wer zahlt im Endeffekt die billigen Tickets?
Mit der Freigabe des Fernbuslinienmarktes in Deutschland haben sich die Bedingungen nicht nur für Reisende
verändert – betroffen von der Liberalisierung sind auch die Beschäftigten in den Busunternehmen, denn soziale
Vorgaben und Arbeitsnehmerrechte wurden bei der Novellierung des Gesetzes nicht berücksichtigt. „Den Markt
von seinen jahrzehntealten Fesseln befreit“ nennt das Verkehrsminister Ramsauer und freut sich: „Wir erleben
eine Aufbruchstimmung: viele neue Angebote, kostengünstig quer durch Deutschland zu reisen“.
Fernbusse
Busverkehr
mopinio 03/20138
Busverkehr
Gesetzesnovelle warnte, sind die Fahrer akut von Lohn-
und Sozialdumping bedroht. Auch die Gewerkschaft
ver.di befürchtet, dass der „scheinbar unausweichliche
Preiskrieg“ allein auf dem Rücken der Fahrer ausgetra-
gen wird. Nach Recherchen von mobifair gibt es bereits
jetzt deutsche Busunternehmen, die nur noch Fahrer
aus dem europäischen Ausland einstellen – selbst-
verständlich mit dem Lohnniveau ihres Heimatlandes.
ver.di berichtet zudem von tschechischen oder kroa-
tischen Sub-Unternehmern, die ihre Angestellten nach
dortigen Arbeitsbedingungen beschäftigen, dann aber
im innerdeutschen Linienverkehr einsetzen.
Kontrollen nicht eindeutig geregelt 	
Welche Auswirkungen auf Arbeit und Beschäftigung
die Liberalisierung des Marktes hat, soll erstmals 2017
überprüft werden. Viel zu spät, kritisiert mobifair und
fordert Regelungen, um die Standards der Beschäfti-
gungsverhältnisse zu sichern. Bereits bei der Konzes-
sionsvergabe sollten nur solche Anbieter den Zuschlag
erhalten, die sich zur Einhaltung von sozialen Standards
verpflichten. Der Gesetzgeber habe bei der Novellierung
des Personenbeförderungsgesetzes soziale Aspekte
außen vor gelassen, bemängelt der Verein und fordert
umgehend Nachbesserungen. Auch die Kontrollbefug-
nisse müssten dringend geklärt werden. Derzeit sind die
Zuständigkeiten für Kontrollen im Fernbuslinienverkehr
zwischen Bund und den Ländern nicht eindeutig gere-
gelt. Fernbusse aber fahren ländergrenzen-übergrei-
fend. mobifair fordert eine einheitliche Kontrollinstanz,
wie zum Beispiel das Bundesamt für Güterverkehr (BAG).
Eindeutige Wettbewerbsverzerrung 		
Handlungsbedarf sieht mobifair ebenso wie die Gewerk-
schaft EVG zudem bei den Kosten für die Busanbieter.
Anders als Schienenunternehmen, die Kosten für Tras-
sen und Infrastruktur zu tragen haben, zahlen die Fern-
busse keine Maut. Eine klare Wettbewerbsverzerrung,
kommentiert mobifair.
Wer zahlt für die Busbahnhöfe?
Kosten übernehmen sollen die Busbetreiber auch für
Omnibusbahnhöfe – geht es nach dem Deutschen Städ-
tetag. In vielen Städten sind derzeit provisorische Hal-
tepunkte eingerichtet, die Vielzahl der neuen Anbieter
drängt sich – etwa in Frankfurt – in mehr oder minder
chaotischen Reihen. Die Unternehmen drängen die
Städte, entsprechende Einrichtungen vorzuhalten, in
etlichen Kommunen wird derzeit über entsprechende
Pläne nachgedacht. Die Städte fordern die Betreiber der
Fernbuslinien auf, Investitionen in den Bau von Busbahn-
höfen zu tätigen. Das allerdings wäre ein Kostenfaktor,
der die Kalkulation der billigen Reisepreise nachhaltig
beeinflussen könnte – und damit den Befürchtungen,
dass Sparmaßnahmen zu Lasten der Beschäftigten ge-
hen, weiter Nahrung gibt.
9
beiratssitzung
mobifair-Wal für Tariftreuegesetz
Alexander Kirchner, Vorsitzender
der Gewerkschaft EVG würdigte in
seiner Rede den Preisträger als
Politiker, der immer den Menschen
in den Mittelpunkt seiner Arbeit
gestellt habe. Das Tariftreuegesetz
des Landes Nordrhein-Westfalen könne aus gewerk-
schaftlicher Sicht als vorbildhaft bezeichnet werden. Al-
lerdings, so Kirchner, könnten Tariftreuegesetze immer
nur ein erster Schritt auf dem Weg zu fairen Löhnen und
gerechten Arbeitsbedingungen sein. Der Begriff soziale
Marktwirtschaft müsse mit neuem Leben erfüllt werden.
„WerVollzeitarbeitet,mussvonseinemVerdienstsichund
seine Familie ernähren können“, sagte Kirchner. Leider
sehe die Realität zunehmend anders aus. Besonders die
europäische Politik werde hauptsächlich von den Wett-
bewerbskommissaren bestimmt. „Wir brauchen aber
ein Europa der Menschen, nicht ein Europa der Märkte“,
so der Gewerkschaftsvorsitzende bei der Verleihung des
Fairnesspreises an Guntram Schneider. Gerade bei öf-
fentlichenAusschreibungendürfe„billig“nichtlängerein
maßgebliches Kriterium sein, sondern Qualität müsse in
den Vordergrund gerückt werden. Wettbewerb über den
Preis gehe immer auf Kosten der Arbeitnehmer. 	
Für sein Engagement bei der Gestaltung von Tariftreue-
gesetzen wurde auch Karl-Heinz Zimmermann, Vor-
sitzender des Zentralen Betriebsgruppenausschusses
Eisenbahnen in der SPD, mit dem Fairnesspreis aus-
gezeichnet. mobifair-Geschäftsführer Helmut Diener
sagte, durch die Unterstützung von Zimmermann seien
viele Türen aufgestoßen und viel erreicht worden.
Die Diskussion um die Tariftreue sei nicht neu, so der
2. Vorsitzende von mobifair, Dirk Schlömer, bereits im
19. Jahrhundert gab es nach seinen Worten in Württem-
berg die Vorschrift „Mindestlohn ist einzuhalten“. Der Weg
bis zu heutigen Gesetzen allerdings war durchaus steinig.
Besonders nachdem die EU mit ihren Liberalisierungs-
bestrebungen die Dienstleistungsfreiheit forcierte, wurde
es umso wichtiger, sagte Schlömer, Rahmenbedingungen
für Standards zu schaffen. „Was ist wichtiger – Dienstlei-
stungsfreiheit oder die Rechte der Menschen?“, fragte er.
Der Europäische Gerichtshof habe sich mit seinen Urtei-
len gegen die Arbeitnehmer gestellt und damit den Tarif-
treuebestrebungen einen schweren Rückschlag erteilt.
Es bleibe immer noch viel zu tun. Nachdem nun die Mehr-
heit der Bundesländer Tariftreuegesetze in Kraft gesetzt
habe, stelle sich die Frage nach Kontrolle der Einhaltung
von Bedingungen und Vorgaben. Dies könne, so Schlömer,
auch eine Aufgabe von mobifair sein. Ein Prä-Qualifizie-
rungsverfahren für Unternehmen, die sich um Aufträge
bewerben, erleichtere die Auswahl für die Aufgabenträger
und mache Vergaben kalkulierbarer.
Immer kontrovers, so Fairnesspreisträger Guntram
Schnei­der, sei das Thema Tariftreue gewesen. Das Gesetz
in NRW habe gegen die Vorurteile „ist nicht zu kontrol-
lieren, schafft Bürokratie, hemmt Wachstum“ durchge-
setzt werden müssen. „Wir werden mit unserem Gesetz
das Gegenteil beweisen“, versicherte Schneider. Neben
einem Mindeststundenlohn von 8,62 Euro (Schneider:
„dynamisch festgelegt“) wurden andere soziale Aspekte
wie Ausbildung und Frauenförderung festgelegt. Kontroll-
mechanismen würden derzeit entwickelt. 	
Für seine maßgeblichen Verdienste um das Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalen hat mobifair Guntram Schnei-
der, Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Bundeslandes mit dem Fairnesspreis ausgezeichnet. Über-
reicht wurde die Ehrung im Rahmen der Beiratssitzung von mobifair in Fulda.
mopinio 03/201310
beiratssitzung
Rezept gegen Lohndumping oder Papiertiger?
Ländertariftreuegesetze kontrovers – Podiumsdiskussion in Fulda
v. l. : Udo Willms, Dr. Walter Arnold, Alexander Kirchner, Uli Röhm, Guntram Schneider, Gerhard Ameis, Dirk Schlömer, Dr. Thorsten Schulten
Die Standpunkte der Befürworter und Gegner des Themas Tariftreue blieben auch während der Podiumsdiskussi-
on im Rahmen der mobifair-Beiratssitzung kontrovers. Während Vertreter von SPD, Gewerkschaften oder wissen-
schaftlichen Instituten dafür plädierten, Tariftreuegesetze zu verankern, um soziale Mindeststandards zu sichern,
sprachen sich konservative Politiker und Vertreter von Arbeitgeberverbänden dafür aus, allein den Tarifpartnern
die Regelungen zu überlassen. Die Debatte ist nicht neu, in der Mehrheit der deutschen Bundesländer haben sich
jedoch mittlerweile die Befürworter durchgesetzt. Lediglich drei – Bayern, Hessen und Sachsen – haben keine
entsprechenden Landesgesetze erlassen.
Unter dem Motto „Tariftreue – Allheilmittel gegen Lohn-
und Sozialdumping?“ fand eine Podiumsdiskussion mit
Vertretern von Parteien, Unternehmen und wissenschaft-
lichen Instituten statt. Die kontroversen Auffassungen,
die Tariftreue- und Vergabegesetze seit langem begleiten,
wurden auch hier wieder deutlich. Vertreter der SPD, wie
Minister für Arbeit, Integration und Soziales in NRW Gun-
tram Schneider und der NRW-Landtagsabgeordnete Dirk
Schlömer stellten klar, dass nur mit der gesetzlichen Fest-
schreibung von Standards die Interessen der Beschäftigten
gesichert werden können und Schluss sein muss mit dem
Motto „der billigste Anbieter erhält den Zuschlag“. Unter-
stützung erhielten sie von Dr. Thorsten Schulten vom Wirt-
schafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der
Hans-Böckler-Stiftung ebenso wie von Alexander Kirchner.
Auch Gerhard Ameis, Geschäftsführer der Nürnberger
Wach- und Schließgesellschaft, bestätigte, dass gerade
bei öffentlichen Vergaben der Preis das einzige Kriteri-
um sei. Dr. Walter Arnold, CDU-Landtagsabgeordneter
in Hessen vertrat dagegen ebenso wie Udo Willms, Ge-
schäftsführer der Arbeitgebervereinigung öffentlicher
NahverkehrsunternehmendenStandpunkt,dassdieTarif-
partner soziale Fragen selber lösen sollten, Tariftreue-
gesetze daher nicht nötig seien.
Gewerkschaftsvorsitzender Alexander Kirchner machte
deutlich, dass eine Festschreibung von Mindestlöhnen in
„Bei Aufträgen müssen die
Vorgaben vorher geklärt werden.
Dreizehn von sechzehn
Bundesländern waren mutig.“
Dirk Schlömer
Schneider: „Der Wettbewerb um Aufträge kann nicht
über den Faktor Kosten ausgetragen werden“. Bei öffent-
lichen Aufträgen müsse die Qualität dominieren. Gute
Arbeit beinhalte auch ordentliche Bezahlung. Von Arbeit
müsse man ordentlich leben können, Tariftreuegesetze
seien dazu ein wichtiger Schritt, der auch mit der Würde
der betroffenen Arbeitnehmer zu tun habe. Allerdings, so
Schneider in Fulda: „Kein Gesetz ersetzt gewerkschaft-
liche Stärke. Es geht nur mit aktiven Gewerkschaften“.
Er habe die Auszeichnung von mobifair gerne entgegen-
genommen, obwohl er ansonsten im politischen Leben
Ehrenzeichen nicht annehme, sagte der Minister, „weil es
gewerkschaftspolitisch ein so wichtiges Thema ist“.
Die jährliche Beiratssitzung von mobifair und die Verlei-
hung des Fairnesspreises an Guntram Schneider fanden
im Esperanto-Hotel in Fulda statt. Der erste Vorsitzende
von mobifair, Jörg Krüger konnte eine Reihe von Ehren-
gästen begrüßen, die an der Veranstaltung und der an-
schließenden Podiumsdiskussion teilnahmen.
11
beiratssitzung
„Die öffentliche Hand war bisher
der unseriöseste Auftraggeber. Das
einzige Kriterium ist der Preis.“
Gerhard Ameis
„In Deutschland sind weniger
als 60 Prozent der Unternehmen
tarifgebunden, damit sind wir in
Westeuropa am unteren Ende.“
Dr. Thorsten Schulten
„Es wäre besser, wenn die
Politik sich zurückhielte. Die
Tarifpartner schaffen das selber.“
Udo Willms
„Tarifpartner sind bestens geeignet,
sich alleine zu einigen.
Gesetze müssen nicht regeln,
was der Markt selbst kann.“
Dr. Walter Arnold
„Wir brauchen auch Kontrollmecha-
nismen, Meldestellen und Klagerecht
für die Beschäftigten. Das Tariftreue-
gesetz ist nur ein erster Schritt.“
Alexander Kirchner
„Wettbewerb um Aufträge kann nicht
über den Faktor Kosten ausgetra-
gen werden. Das ist Wettbewerb auf
den Knochen der Arbeitnehmer.“
Guntram Schneider
Gerhard Ameis von der Nürnberger Wach- und Schließ-
gesellschaft beklagte, dass gerade die öffentliche Hand
bisher als unseriöser Auftraggeber hervorgetreten sei.
Einziges Kriterium sei der Preis, Qualität spiele keine
Rolle. Gerade im Bereich der Sicherheitsdienstleistungen
sei diese Einstellung „zynisch“. Um kein „Papiertiger“ zu
bleiben, müsse ein Tariftreuegesetz erst mit Leben erfüllt
werden, davon merke er in seinem Bereich noch nichts.
Dass neben Mindestlöhnen auch weitere Vergabe-
kriterien in Tariftreuegesetzen festgeschrieben werden
müssen, war Konsens zwischen den Befürwortern der
Regelungen. Um Wettbewerb auf Kosten der Arbeitneh-
mer einzudämmen, müssen konkrete Vorgaben gegen
Sozialdumping Bedingung sein. So lange allerdings Bil-
liganbieter nach wie vor bevorzugt werden, bleiben die
Probleme existent.
Minister Guntram Schneider stimmte zu, immer mehr Un-
ternehmen weigerten sich, Tarifbindungen einzugehen.
Die Festschreibung eines Mindestlohnes sei in jedem Fall
wichtig, denn manche Unternehmen zahlten – trotz Tarif-
vertrag – weniger als die gesetzlich festgelegten Beträ-
ge. Aus seiner Erfahrung mit dem Tariftreuegesetz des
Landes Nordrhein-Westfalen sagte er, schon die Auffas-
sungen von Lohndumping seien unterschiedlich. Die Po-
litik müsse in manchen Bereichen eingrenzen – so auch
Thorsten Schulten, Vertreter des WSI, ergänzte, dass in
Deutschland weniger als 60 Prozent der Unternehmen
tarifgebunden seien. Ganz im Gegensatz zu den europä-
ischen Nachbarstaaten. In Frankreich, Belgien oder den
Niederlanden liege diese Rate bei bis zu 90 Prozent.
mit einem Mindestlohn beginnend bei 8,50 Euro die Stun-
de. Vergabe- und Tariftreuegesetze seien aber nicht nur
Ländersache, auch der Bund sei gefordert.
Tariftreuegesetzen alleine aber nur ein erster Schritt sein
kann. Wichtig sei die Benennung eines repräsentativen
Tarifvertrages. Seit 20 Jahren werde das Tarifrecht syste-
matisch ausgehebelt, nur deswegen sei die Mindestlohn-
debatte entstanden.
mopinio 03/201312
Projekte
Die jährlich verursachten Kosten arbeitsbedingter psychi-
scher Belastungen beziffern sich laut eines von der Hans-
Böckler-Stiftung in Auftrag gegebenen Gutachtens auf
fast 30 Milliarden Euro. Der DAK-Gesundheitsreport 2013
beispielsweise spricht bezüglich der Zunahme der Ar-
beitsunfähigkeiten aufgrund psychischer Erkrankungen
gar „von der bei weitem auffälligsten Entwicklung im
Arbeitsunfähigkeitsgeschehen seit etwa 15 Jahren“.
Im Vergleich zu anderen Arbeitsunfähigkeitsursachen,
so die zusammenfassende Bewertung der DAK, sei dies
eine „beispiellose Entwicklung“. Der Gesundheitsreport
2012 der Barmer GEK bestätigt diese Entwicklungsten-
denz. Was die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage an-
geht, rangieren laut diesem psychische Erkrankungen
nach Erkrankungen des Muskel-Skelett-System aktuell
auf Platz zwei im Arbeitsunfähigkeitsgeschehen. Auch
der Fehlzeit-Report 2012 des Wissenschaftlichen Insti-
tuts der AOK (WIdO) spiegelt diese Entwicklungstendenz
wider. Gemäß diesem ist die Zahl der psychischen Er-
krankungen seit 1994 um 120 Prozent angestiegen.
Wie lässt sich der Risikofaktor Stress eindämmen?
Schon seit Jahren weisen unterschiedlichste Studien
und Untersuchungen auf eine alarmierende Zunahme
psychischer Erkrankungen in deutschen Unternehmen
hin. 53 Millionen Krankheitstage im Jahre 2012 gehen
darauf zurück, so der „Stress-Report“ der Bundes-
regierung. Statistiken der Krankenkassen sprechen die
gleiche Sprache.
Allein die Diagnose „Burnout“, so eine Hochrechnung
des WIdO bezogen auf die mehr als 34 Millionen gesetz-
lich Krankenversicherten in Deutschland, führte 2011 für
mehr als 130.000 Personen zu einer Krankschreibung,
was wiederum ein Ausfallzeitenvolumen von insgesamt
2,7 Millionen Fehltagen nach sich zog.
Dementsprechend sehen sich auch immer mehr Perso-
nal- und Betriebsräte mit der Problematik konfrontiert.
Allerdings besteht große Unsicherheit, das Thema aktiv
anzugehen. Lassen sich klassische Risikofaktoren, wie
Lärm, Staub, Gefahrstoffe usw. eindeutig identifizieren
und kategorisieren sowie entsprechende Handlungs-
erfordernisse, basierend in der Regel auf klar ausfor-
mulierten gesetzlichen Grundlagen relativ eindeutig
ableiten, so gestaltet sich die Situation bei der Analyse
psychischer Belastungen sehr viel schwieriger. Insbe-
sondere die Unbestimmtheit der gesetzlichen Regu-
lierung dieses Problemfeldes im Rahmen des Arbeits-
schutzgesetzes erweist sich in diesem Zusammenhang
für viele Betriebs- und Personalräte häufig als zusätz-
licher Hemmschuh.
Für den Verkehrsbereich wurde eine Handlungshilfe
entwickelt, die sich, im Rahmen der Durchführung von
Gefährdungsbeurteilungen, speziell auf die Erfassung
psychischer Belastungen in Verkehrsunternehmen be-
zieht bzw. in ihrer Konzeption explizit auf die Besonder-
heiten und Erfordernisse der Verkehrsbranche ausge-
richtet ist.
In einer von mobifair initiierten Vorstudie im Rahmen
des Projektes „Psychische Belastungen am Arbeits-
platz“ wurde dieser Entwurf unter Beteiligung von
Betriebsräten, Führungskräften, Fachkräften für Ar-
beitssicherheit aus diversen Konzernteilen der DB AG
sowie der dbgs Gesundheitsservice GmbH hinsicht-
lich seiner theoretischen sowie praktischen Fundie-
rung einer ersten Vorprüfung unterzogen. Sowohl aus
theoretisch-wissenschaftlicher als auch praktischer
Sicht ergaben sich dabei zahlreiche Ansatzpunkte für
Verbesserungen, Anpassungen und Ergänzungen.
Unter Hinzuziehung des Dortmunder Forschungsbüros
für Arbeit, Prävention und Politik (DoFAPP) wurde nun
die Überarbeitung abgeschlossen und mobifair legt die
Handlungshilfe vor.
Projekt Psychische Belastung
13
projekte
mobifair hat im Rahmen eines Projektes Bestimmungen,
ihre Einhaltung und Kontrolle sowie die Möglichkeiten
weitergehender Regelungen in Deutschland, aber auch
in Österreich und der Schweiz untersucht. Ausgangs-
punkt war dabei unter anderem, dass Arbeitsschutz
nicht immer etwas mit Unfallverhütung, Sozialräumen
oder Arbeitsmitteln zu tun hat. Zum Ar-
beitsschutz gehören auch gesetzlich
geschützte Rahmenbedingungen,
wie die Arbeitszeit oder eine
notwendige Qualifizierung.
Gerade in diesem Bereich
kann durch Unterlaufen
bestehender Bestim-
mungen dem Lohn- und
Sozialdumping Vor-
schub geleistet wer-
den. Vor allem weil er
schwieriger zu kontrol-
lieren ist als andere, die
vorgeschriebene Normen
vorweisen müssen.
In der Schweiz und in Ös-
terreich wurden durch die Ge-
werkschaften auch andere Fälle
von Lohn- und Sozialdumping durch
Unterschreiten bestehender Arbeitsschutzbe-
stimmungen beobachtet, zum Beispiele Verstöße gegen
Arbeits- und Pausenzeiten und gegen die „Arbeitsstät-
tenverordnung“ (fehlende Sozialräume, Arbeits- oder
Schutzkleidung) genannt. Eine Übertragung der zum Teil
deutlich niedrigeren Sicherheitsstandards aus dem ost-
europäischen Raum wirkt hier ein und bietet den Unter-
nehmen einen Kosten- und somit Wettbewerbsvorteil,
der nach Ansicht von mobifair klar im Bereich des Lohn-
und Sozialdumpings angesiedelt werden muss. Viele
osteuropäische Mitarbeiter haben hierbei noch nicht
einmal ein Problembewusstsein, da sie die in ihrem Hei-
matland vorgeschrieben Arbeitsschutzbestimmungen
Kontrollmöglichkeiten
müssen verbessert werden
Arbeitsschutz ist in Europa nach wie vor ein Thema von großer Brisanz. Wie Beispiele aus den Nachbarländern
Schweiz und Österreich zeigen, existieren in den dortigen Systemen gewerkschaftspolitische Handlungsmöglich-
keiten, die durchaus Anreiz geben, den Blickwinkel „Arbeitsschutz“ zu erweitern.
einhalten. Diese entsprechen teilweise aber nicht den im
Einsatzland geforderten Bestimmungen.
In der Schweiz wird eine weitreichende Kontrolle zur
Einhaltung der Arbeitszeiten durch die schweizerische
Bahnaufsicht sichergestellt. Mit diesem Mittel, das
primär dem Arbeitsschutz durch Einhal-
tung der vorgeschriebenen Arbeits-
zeiten dient, lassen sich sekundär
Lohn- und Sozialdumping Be-
strebungen verhindern. In
Deutschland gibt es diese
Form der Kontrollen im
Schienengüterverkehr
nicht. Nichtsdestotrotz
hat die Liberalisierung
aber auch hier einen
harten Preis- und Kon-
kurrenzkampf ausge-
löst, der nicht selten
auf dem Rücken der Be-
schäftigten sowie zu La-
sten von Sicherheits- und
Arbeitsschutzvorschriften
ausgetragen wird. In Anbetracht
dessen erschiene es in der Tat not-
wendig, derartige Kontrollen auch im
deutschen Güterverkehrssystem zu etablieren.
In Österreich hat sich eine konzernweite Informations-
schiene etabliert, über die Unfälle und Arbeitsschutz-
verstöße zentral registriert werden. Dadurch ergeben
sich neue Ansatzpunkte zu einer Verbesserung des Ar-
beitnehmerschutzes innerhalb und außerhalb des ÖBB-
Konzerns. So konnte durch dieses „Monitoring“ eine wei-
tere Verschlechterung der Ausbildungsstandards und
Verkürzung der Ausbildungszeiten verhindert werden.
Ferner wurde eine Sensibilisierung der Arbeitgeberseite
erreicht, die zu einem besseren Schutz der Arbeitneh-
mer geführt hat.
Projekt Arbeitsschutz
mopinio 03/201314
mobifair intern
Die Abellio Rail NRW GmbH wurde von der mobifair
Zertifizierungs- und Beratungs-GmbH mit dem mobi-
fair-Sozialzertifikat ausgezeichnet. Damit bescheinigt
mobifair der Hagener Niederlassung des Unterneh-
mens die unbedingte Einhaltung fairer Arbeitsbedin-
gungen und vorbildliche Lohn- und Sozialstandards.
Karl-Heinz Zimmermann, Geschäftsführer der mobifair
GmbH übergab das Zertifikat an die Geschäftsführung
der Abellio Rail. „Abellio zeigt, dass Wettbewerb fair
über Qualität geführt und gewonnen werden kann und
nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen
werden muss“, bewertet er die Auszeichnung. Er for-
derte, dass bei öffentlichen Ausschreibungen künftig die
sozialen Aspekte als „Muss-Vorschrift“ aufgenommen
werden, besonders bei Betreiber-Wechseln sei dies ein
wichtiger Aspekt.
„Abellio hat sich zertifizieren lassen, um ein Zeichen
und ein klares Bekenntnis zu sozialen Standards zu set-
zen“, sagte Ronald R. F. Lünser, Geschäftsführer des
Unternehmens. Auch im harten Wettbewerb auf dem
Verkehrssektor müsse klar sein, dass Menschen nicht
als Kostenfaktor angesehen werden dürften. Das könne
weder im Interesse der Aufgabenträger noch der Ver-
kehrsunternehmen liegen. Gemeinsam mit Karl-Heinz
Zimmermann brachte Lünser den ersten Zertifizie-
rungs-Aufkleber an einem Abellio-Zug an. Künftig wer-
den alle Züge des Unternehmens dieses Zeichen tragen.
Faire Arbeitsbedingungen bei Abellio
Die mobifair Zertifizierungs-GmbH prüft Unternehmen
der Verkehrswirtschaft auf die Einhaltung gesetzlicher
Bestimmungen, einschlägiger Richtlinien und die An-
wendung von Lohn- und Sozialstandards. Abellio wird
mit der Verleihung bestätigt, dass vorbildliche Standards
eingehalten werden und darüber hinaus die Arbeitszeit-
und Arbeitsschutzbestimmungen angewendet und ge-
wissenhaft kontrolliert werden.
v. l. : Geschäftsführer der mobifair-GmbH: Karl-Heinz Zimmermann
und Geschäftsführer der Abellio Rail NRW GmbH: Ronald R. F. Lünser
Terminhinweis:
Mitgliederversammlung 2013
Die diesjährige Mitgliederversammlung von mobifair findet am 8. Oktober
um 11 Uhr in Fulda statt. Tagungsort ist das Esperanto-Hotel. Eingeladen
sind alle Mitglieder von mobifair e.V.
Die offizielle Einladung mit Tagesordnung wird noch
verschickt. Vorab die Bitte: Termin notieren.
i
Zertifizierung
15
ETF-Kongress
Die Finanzkrise wurde unlängst zu einer sozialen Krise.
Betroffen sind die Menschen, die die Arbeit machen. Ban-
ken werden gerettet und Politiker reden über Milliarden,
was macht jedoch der „gewöhnliche Arbeitnehmer“. Ihn
betrifft diese Sparpolitik am stärksten. Unternehmen drü-
cken ihre Lohnkosten unter dem Vorwand der schlechten
wirtschaftlichen Lage und kassieren ab im Schatten der
Krise. Arbeitsbedingungen werden immer schlechter.
Ausbeutung ist an der Tagesordnung und selbst Regie-
rungen fangen an Arbeitnehmerrechte zu beschneiden.
Die ETF repräsentiert rund 2,5 Millionen dieser Menschen
und erörterte in Berlin, wie die Auswirkungen dieser Kri-
se abgefangen werden können. Die Konsequenzen sehen
in den verschiedenen Mitgliedsländern unterschiedlich
aus, jedoch bleibt es ein gemeinsames Problem. Zusam-
men wollen sie einen Weg finden und ihre Ziele umsetzen.
Es wird ein generelles Umdenken gefordert.
Der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerk-
schaft (EVG) Alexander Kirchner wurde als ETF-Vice-
präsident im Amt bestätigt. Er forderte eine stärkere
Von der Krise zur Gerechtigkeit
Vernetzung der Verkehrsträger und eine einheitliche
Verkehrspolitik. In der Forschung und Entwicklung fehl-
ten die Gelder und die Infrastruktur sei veraltet. Die so-
zialen Standards sieht Kircher vernachlässigt. „Wenn es
um die Liberalisierung geht, gibt die Kommission harte
Muss-Regeln vor, wenn es um soziale Standards geht,
dann nur weiche Kann-Vorschriften.“
Europäische Lösungen gefragt
mobifair begegnen die sozialen Folgen täglich in der Re-
cherchearbeit. Es fahren Busfahrer mit Dumpinglöhnen
Grenzverkehre und Lokführer führen Züge quer durch
Europa. Im Rahmen ihres Arbeitsprogramms hat die ETF
eine Forderung nach verstärkten Kontrollen beschlossen,
um den sozialen Missbrauch zu stoppen. mobifair begrüßt
diesen Weg und wird diesen Beschluss unterstützen.
Der ETF-Kongress bot die Möglichkeit, über den soge-
nannten Tellerrand zu schauen. Die Probleme der anderen
europäischen Ländern sind die eigenen. Nur im gegen-
seitigen Austausch können Erfahrungen helfen und dem
sozialen Abstieg in Europa entgegengetreten werden.
ETF-Kongress 2013
Die Europäische Transportarbeiter Federation (ETF) hatte zum Kongress nach Berlin geladen. Unter dem Motto
„FROM GLOBAL CRISIS TO GLOBAL JUSTICE“ – Von der globalen Krise zur globalen Gerechtigkeit – diskutiert rund
500 Gewerkschafter aus 41 Ländern über die Sparpolitik in Europa und deren Auswirkungen auf die Beschäftigten
in der Verkehrsbranche.
mopinio 03/201316
Der DGB hat eine Initiative zur Reform der Minijobs an-
gestoßen. Gemeinsam mit Verbänden und Wissenschaft-
lern richten die Gewerkschaften einen Appell an die
Politik, reguläre Beschäftigung zu fördern und die Nied-
riglohnfalle Minijobs zu beenden. Minijobs seien kein
Sprungbrett in reguläre Beschäftigung, sondern eine
Niedriglohnfalle, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie
Buntenbach zum Start der Initiative. Es sei höchste Zeit,
„die Minijobmauer zu durchbrechen, reguläre Beschäf-
tigung zu fördern, die Gleichberechtigung zu stärken
und den Fachkräftebedarf zu sichern. Der gemeinsame
Aufruf ist ein breiter Konsens und dringender Appell an
die Politik, die Minijobs endlich zu reformieren“. Unter-
stützt wird die Aktion von 16 Verbänden sowie 23 Wis-
senschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Der IG Metall Bezirk Küste und das Unternehmen Meyer
Werft wollen einen Tarifvertrag vereinbaren, der sozi-
ale Mindeststandards festlegen und die Kontroll- und
Mitspracherechte des Betriebsrates bei Werkverträgen
stärken soll. Damit reagieren Gewerkschaft und Unter-
nehmen auf den Tod von zwei rumänischen Leiharbeit-
nehmern, die für eine Fremdfirma auf der Meyer Werft in
Papenburg gearbeitet haben. Die beiden Männer waren
bei einem Brand in ihrer Unterkunft ums Leben gekom-
men. Vereinbart wurde darüber hinaus, dass das Un-
ternehmen eine Sozialcharta vorlegt und eine stärkere
Kontrolle von Wohnraum stattfindet. Außerdem wird eine
Task Force eingerichtet, die die aktuelle Situation von
Arbeitnehmern mit Werkvertrag überprüft. Das System
Werkverträge/Fremdfirmen/Leiharbeiter weitet sich
auch im Werftbereich immer mehr aus. Bei manchen
Schiffbauern wird nach einer Erhebung der IG Metall fast
die Hälfte der Arbeitnehmer von Fremdfirmen gestellt.
Arbeitsbedingungen und Bezahlung sind in vielen Fällen
katastrophal. Auf der Meyer Werft arbeiten nach Anga-
ben des Betriebsrates rund 1500 Beschäftigte mit Werk-
vertrag. Auch für andere Unternehmen, die Maßnahmen
gegen Lohndumping ergreifen wollen, könne die Verein-
barung ein Beispiel sein, so die Gewerkschaft.	
Nur 42 Prozent der Beschäftigten in
Deutschland gehen laut einer Be-
fragung des DGB davon aus, dass
sie unter ihren derzeitigen Arbeits-
bedingungen bis zur Rente arbeiten
können. Dagegen geben 47 Prozent
an, dass sie es wahrscheinlich nicht
bis zum Rentenalter schaffen. Der
DGB-Index Gute Arbeit beruht auf
einer bundesweiten Repräsentativ-
befragung. Die Ergebnisse der ak-
tuellen Befragung belegen, dass die
derzeitigen Arbeitsbedingungen ei-
nen negativen Einfluss auf die künf-
tige Arbeitsfähigkeit der meisten
Beschäftigten haben. Die Umfrage
zeigt, dass Arbeitshetze und Lei-
stungsverdichtung zunehmen. Der
DGB fordert unter diesem Aspekt
die Bundesregierung auf, die Rente
mit 67 auszusetzen. Stattdessen
müssten die Voraussetzungen da-
für geschaffen werden, dass die Be-
schäftigten überhaupt bis 65 Jahre
arbeiten können.
Rente mit 67 aussetzen
Lohnfalle Minijob
IG Metall auf dem richtigen Weg

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mopinio 3 2013

  • 2. Hier passt alles zusammen: Qualität aus einer Hand! Die mobifair-Zertifizierungs- und Beratungsgesellschaft mbH unterstützt Unternehmen, Verbände und Institutionen mit einer Vielzahl von Dienstleistungen. Sie alle sind miteinander verbunden und bieten in den Bereichen Beratung, Zertifizierung, Bildung und Kontrolle individuelle Lösungen an. Den Guten eine Chance! B e r at ung Kon trol le Z ertifiZ ierun g Bi l d u n g Kontakt: mobifair GmbH Westendstraße 52 60325 Frankfurt Tel. : +49 (69) 271 39 96 - 6 Fax : +49 (69) 271 39 96 - 77 info@mobifair-gmbh.eu www.mobifair-gmbh.eu
  • 3. 3 Editorial Impressum Herausgeber: mobifair e. V. Westendstraße 52 60325 Frankfurt Kontakt: 069 / 271 39 96-6 info@mobifair.eu www.mobifair.eu Geschäftsführer: Helmut Diener (verantwortlich) Redaktion: Brigitte Klein/ Tobias Lipser presse@mobi- fair.eu Druck: alpha print medien AG Kleyerstraße 3 64295 Darmstadt Eingetragen im Vereinsregister Frankfurt am Main: VR 13555 Ab ins Beet. Unsere Arbeit trägt weiter Früchte. Es ist wie im Garten, was faul ist muss weg. Und da sind wir gerade heftig am Aussortieren. „Ab ins Beet“ hieß es gemeinsam mit dem ARD-Magazin »Plusminus« und da fanden wir die Bahnbus- gesellschaft RBO, die grenzüberschreitend in Tschechien einen Ableger gesät hat, aber leider nicht düngen wollte. Also den Mitarbeitern ihrer tschechischen Tochter- gesellschaft für viel zu viel Arbeit viel zu wenig Lohn bezahlt. Das war nicht gut, liebe Deutsche Bahn, wenn man unter die zehn besten Arbeitgeber rutschen will. Im Fernbusverkehr läuft das nicht besser. Hier wächst viel Unkraut, weil man dort die falsche Erde verwendet. Die wurde von der Bundesregierung gemischt und man hat doch glatt nicht gewollt, dass der Boden sozialdumpingfrei gehalten wird. Das rächt sich jetzt und so müssen die fleißigen Gärtner, in diesem Fall Busfahrer, alles geben, damit sich die Dumping- fahrpreise auch rechnen. Da ist man schon mal viel zu lange unterwegs oder man setzt wieder einmal mehr auf günstigere osteuropäische „Erntehelfer“. Wir sind mit im Bus und werden beweisen, dass der Gartenplaner hier ganz etwas Wichtiges vergessen hat: Kontrollen, um vor Frost zu schützen. Die Landesgartenschau, unsere Beiratssitzung, war ein voller Erfolg. Es ging um die vielen Blüten in der Tarif­ treuelandschaft. Nur noch drei Bundesländer setzen auf Unkraut und wollen weder einen Mindestlohn noch ein Tariftreuegesetz. Aber die Sense ist gewetzt und letztendlich werden sie nicht daran vorbeikommen, dass auch diese Gärten blühen. Bleiben wir aktiv : Auf eine gute Ernte! Aus dem Inhalt Titelthema: Abfahrt Richtung Billiglöhne Fernbus: Preiswert durch die Republik...S. 7 mobifair – Beiratssitzung........S. 9 mobifair zertifiziert Abellio Rail NRW.......................S. 14 Meldungen................................S. 16 Editorial Helmut Diener, Geschäftsführer mobifair intern: Projektabschlüsse....................S. 12 „Die Firma schreibt die Stunden auf, die sie braucht...“................... S. 4 Konservative und Liberale senken Sozialstandards für entsendete Arbeitnehmer in Europa...........S. 6
  • 4. mopinio 03/20134 Busverkehr Auszüge aus dem Gespräch mit einem betroffenen Busfahrer: „Die Firma schreibt die Stunden auf, die sie braucht…“ Das im Grenzverkehr Deutschland/Tschechien operierende Busunternehmen RDS schickt seine Fahrer zu täglichen 14-Stunden-Schichten auf deutschen Linienstrecken los, wie mobifair herausfand. Kläglicher Lohn für die Beschäftigten: Umgerechnet um die zwei Euro die Stunde. RDS fährt im Auftrag der RBO, einer Tochter der DB AG. mo- bifair hat mittlerweile die zuständige Behörde, die Staatsanwaltschaft Passau, wegen Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz eingeschaltet. mobifair: Du bist seit fünf Jah- ren bei der RDS und fährst die Buslinie Zelezna Ruda-Passau. Wie oft fährst du am Tag? Vladislav Vlach: Zweimal nach Passau und zurück. mobifair: Wann ist Dienstbeginn? Vlach: Ich komme um 4.50 Uhr zur Arbeit, Abfahrt ist um 5.25 Uhr. Um 7.26 sind wir in Passau und um 7.45 Uhr fahren wir zurück nach Zelezna Ruda. Dazwischen ungefähr 15 Minuten Pause und in Zelezna Ruda nochmal eine halbe Stunde. mobifair: Um elf Uhr fährst du wieder nach Passau, Ankunft ist um 13.09 Uhr? Vlach: Ja, genau. Ich habe drei Stun- den Pause, muss aber Papiere schrei- ben, den Bus waschen und tanken. Um 16.10 fahre ich zum Bahnhof an die Haltestelle und um 16.25 Uhr fa- hren wir wieder nach Zelezna Ruda. Danach wieder sauber machen, viel- leicht tanken und um 19 Uhr habe ich Feierabend. mobifair: Das ist eine Schichtzeit von 14 Stunden täglich. Vlach: Ja. 14 Stunden insgesamt. Neun Stunden fahren und fünf Stun- den Pause mit Bus säubern und so. mobifair: Wie oft machst du das in der Woche? Vlach: Fünf Tage die Woche nach Passau und manchmal nochmal zusätzlich diese Route und mit dem Skibus/Wanderbus zum Arber, aber am Sonntag. 6,40 Stunden und zwei Stunden Pause. mobifair: Das würde 280 Stun- den im Monat bedeuten. Deine Lohnzettel weisen im Schnitt netto um die 22.000 tschechische Kronen aus. Das sind umge- rechnet knapp über 800 Euro. Vlach: Ja. Ich komme auf einen Stundenlohn von unter drei Euro. mobifair: Der vorliegende Stundennachweis sieht nicht aus, als ob alles ordentlich aufgeschrieben wurde. Vlach: Ja. Die Stunden stimmen nicht. Die Firma schreibt die Stun­ den auf, die sie braucht, aber die Stunden der Fahrer stimmen nicht.
  • 5. 5 Busverkehr Das ARD-Magazin »plusminus« hat über die Ergebnisse der mobifair-Recherchen berichtet, die Bahn bereits im Vorfeld des TV-Beitrags vehement dementiert und alle Vorwürfe von sich gewiesen. Das Unternehmen RDS hat mittlerweile teilweise reagiert und die Arbeitsbedin- gungen der Fahrer verändert. Die Staatsanwaltschaft Passau prüft die Strafanzeige von mobifair gegen RDS wegen Verstößen gegen Arbeitszeitrecht und Lenk- zeitenverordnung. In Brüssel haben die Abgeordneten des Beschäftigten- ausschusses des EU-Parlaments den Plänen der EU- Kommission zur Aufweichung der Entsenderichtlinie eine Absage erteilt – auch ausgelöst durch die mobifair-Re- cherchen an der tschechischen Grenze. Sozialdumping in Europa müsse endlich wirksam bekämpft und ein fairer Wettbewerb im Binnenmarkt sichergestellt werden, er- klärten die Sozialdemokraten im Parlament. Die Abgeord- neten drängen darüber hinaus auf eine so genannte „Ge- neralunternehmer-Haftung“. Wenn Firmen also Sub- und sogar Sub-Sub-Unternehmer einsetzen, sollen sie künftig auch die Verantwortung dafür übernehmen, dass alle die- se Betriebe die vorgeschriebenen Standards einhalten. Immer mehr Unternehmen nutzen Werkverträge – oft al- lerdingsnur„Scheinwerkverträge“–und Ausgründungen von Gesellschaften, um im Personalbereich Kosten zu drücken. Das gilt nicht nur für die Busbranche, obwohl gerade im Bahnbusbereich ein 60- bis 70prozentiger An- teil an Subunternehmen verzeichnet werden muss. Bei Scheinwerkverträgen liegt die Bezahlung der Beschäf- tigten oft noch unter der Lohnuntergrenze für Leiharbeit. Prüfungen, etwa wegen illegaler Arbeitnehmerüber- lassung, gestalten sich extrem schwierig. Kontrollme- chanismen greifen kaum, da ebenso wie bei den Sozi- alleistungsträgern auch beim Zoll zu wenig Personal eingesetzt wird. Aber auch reale Werkverträge machen Probleme. Die Tarifbedingungen des Auftragsunterneh- mens werden unterlaufen. Die Aufgabenträger stehen auf dem Standpunkt, dass Sub-Unternehmen keine Ta- rifbindung brauchen. Der schwarze Peter bleibt somit wieder an den Beschäftigten hängen, die gleiche Arbeit für weniger Lohn leisten. Entsprechende Verordnungen, die solche Praktiken einschränken, sind Mangelware. Betriebsrat und Sub-Unternehmen
  • 6. mopinio 03/20136 Busverkehr Die grenzüberschreitende Beschäftigung von Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmern in Europa nimmt zu. Im- mer häufiger werden auch im Bereich der Beförderung Mitarbeiter von ihren Firmen in EU Länder entsandt. Häufig kommt es dabei zu Sozialdumping und selbst die bestehenden Regeln werden noch unterlaufen. Deshalb hat die Europäische Kommission eine Durchsetzungs- richtlinie zur Entsenderichtlinie vorgelegt, die im Be- schäftigungsausschuss des Europaparlamentes im Juni zur Abstimmung stand. Die konservativ-liberale Mehr- heit will die Durchsetzungsbestimmungen jedoch dazu missbrauchen, in Zukunft die sozialen Standards in Eu- ropa weiter zu senken. Gegen die Stimmen der Sozial- demokraten wurden zahlreiche Verschlechterungen für entsandte Arbeitnehmer in Europa verabschiedet. Konservative und Liberale senken Sozialstandards für entsendete Arbeitnehmer in Europa Von Jutta Steinruck und Ismail Ertug, beide MdEP, beide SPD Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parla- mentes stimmt über die Durchsetzungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie ab Gerade Kraft- und Busfahrer sind hiervon besonders stark betroffen, da ihr Arbeitsplatz – anders als in vielen anderen Sektoren – immer mobil ist. Im Falle von Missbrauch der bestehenden Regelungen zum Schutz vor Ausbeutung kann in Zweifelsfällen auch das Herkunftsland des Arbeitnehmers als rechtliche Grundlage verwendet werden. Das hat zum Beispiel zur Folge, dass entsandte Arbeitnehmer dann nach den Tari- fen des Herkunftslandes bezahlt werden könnten, sofern es keine gesetzlichen Mindestlöhne im Aufnahmestaat gibt. Diese Vorschläge höhlen Sozialbestimmungen in den einzelnen Mitgliedstaaten aus und können so nicht akzeptiert werden. Auch das künftige Verbot des Ver- bandsklagerechtes für Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer ist für uns völlig inakzeptabel. Diese Form der Klage muss möglich sein, wenn ArbeitnehmerInnen ge- gen ihren fehlenden Lohn oder andere Vergehen der Ar- beitgeber vor Gericht gehen wollen. Das öffnet weiterem Lohndumping Tür und Tor, was offenbar im Sinne der CDU/CSU und FDP ist. Auch wenn auf Druck der Sozialdemokraten Kontroll- rechte gestärkt werden konnten und verbindliche Haf- tungsregeln für den Generalunternehmer aufgenommen wurden, bleibt unter dem Strich eine Richtlinie, die ent- sandte Arbeitnehmer schwächt. Damit haben schwarz- gelbe Europaabgeordnete Europa ein Stück unsozialer und unmoralischer gemacht. Leider haben die Grünen sie dabei am Ende unterstützt. © BayernSPD Der Personaleinsatz in den Sub-Unternehmen wird auf Kosten der Arbeitnehmer „flexibel“ gehandhabt. Üblich sind „Zwangsteilzeit“ – Einsatz nur in Auftragsspitzen- zeiten, z.B. beim Schülerverkehr auf 450-Euro-Basis oder immer neue befristete Verträge. Dabei sehen sich auch Betriebsräte mit einer ganzen Reihe zusätzlicher Probleme konfrontiert. Die Mitbestimmungsrechte bei Dienstplangestaltung, Arbeitszeit, Arbeitsschutz und internen Versetzungen – auch für Leiharbeit müssen konsequent durchgesetzt werden, oft braucht der BR einen sehr langen Atem und Mut zu Auseinanderset- zungen. Mit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom Juli wurde der Betriebsrat bereits gestärkt: Bei unbefristeter Leiharbeit kann er seine Zustimmung ver- weigern. Dennoch bleibt in diesem Bereich eine Menge zu tun. Rechtsexperten sind sich in der Auffassung einig, dass das Betriebsverfassungsgesetz gerade auf die BR- Rechte in Sachen Leiharbeit dringend überarbeitet wer- den muss. Änderungsbedarf besteht allerdings auch bei den Vorgaben der Länder für die Gestaltung der ÖPNV- Verkehre oder bei EU-Verordnungen. Besonders für den Fall der Betreiberwechsel bei Auftragsvergaben müssen verbindliche Regelungen zum Schutz der Beschäftigten getroffen werden. Grundsätzlich gilt, dass Betriebsräte weiter und besser qualifiziert werden müssen, um ihre – zum Teil bereits vorhandenen – Rechte im Zusammen- hang mit Sub-Unternehmen und Fremdarbeitskräften effektiv wahrnehmen zu können.
  • 7. 7 Dass der potenziell lukrative Markt viele Anbieter an- lockt, ist offensichtlich. Bis Ende 2012 gab es ganze 86 Fernbuslinien innerhalb Deutschlands – davon die mei- sten von und nach Berlin. Seit der Marktöffnung zum Jahresanfang 2013 hat sich das Angebot nach Anga- ben des Verkehrsministeriums nahezu verdoppelt. Al- lein zwischen Januar und März sind die Unternehmen MeinFernbus.de; city2city, DeinBus.de, public express, Flixbus und Univers mit ihren Linien gestartet, Post und ADAC haben ihre eigene Großoffensive für den Herbst angekündigt. Ein Drittel des Marktes wird angepeilt, teilte der ADAC mit. Das ist ein dicker Brocken, denn nach Experteneinschätzungen beläuft sich das Gesamt- umsatzvolumen auf etwa 400 Millionen Euro. Damit ist eine weitere Verschärfung des Preiswettbe- werbs unumgänglich. Bereits jetzt unterbieten sich die Unternehmen mit günstigen Ticketpreisen. Ebenso ab- sehbar sind allerdings die Folgen für die Beschäftigten in den neuen Bussen. Wie mobifair bereits im Vorfeld der Preiswert durch die Republik – wer zahlt im Endeffekt die billigen Tickets? Mit der Freigabe des Fernbuslinienmarktes in Deutschland haben sich die Bedingungen nicht nur für Reisende verändert – betroffen von der Liberalisierung sind auch die Beschäftigten in den Busunternehmen, denn soziale Vorgaben und Arbeitsnehmerrechte wurden bei der Novellierung des Gesetzes nicht berücksichtigt. „Den Markt von seinen jahrzehntealten Fesseln befreit“ nennt das Verkehrsminister Ramsauer und freut sich: „Wir erleben eine Aufbruchstimmung: viele neue Angebote, kostengünstig quer durch Deutschland zu reisen“. Fernbusse Busverkehr
  • 8. mopinio 03/20138 Busverkehr Gesetzesnovelle warnte, sind die Fahrer akut von Lohn- und Sozialdumping bedroht. Auch die Gewerkschaft ver.di befürchtet, dass der „scheinbar unausweichliche Preiskrieg“ allein auf dem Rücken der Fahrer ausgetra- gen wird. Nach Recherchen von mobifair gibt es bereits jetzt deutsche Busunternehmen, die nur noch Fahrer aus dem europäischen Ausland einstellen – selbst- verständlich mit dem Lohnniveau ihres Heimatlandes. ver.di berichtet zudem von tschechischen oder kroa- tischen Sub-Unternehmern, die ihre Angestellten nach dortigen Arbeitsbedingungen beschäftigen, dann aber im innerdeutschen Linienverkehr einsetzen. Kontrollen nicht eindeutig geregelt Welche Auswirkungen auf Arbeit und Beschäftigung die Liberalisierung des Marktes hat, soll erstmals 2017 überprüft werden. Viel zu spät, kritisiert mobifair und fordert Regelungen, um die Standards der Beschäfti- gungsverhältnisse zu sichern. Bereits bei der Konzes- sionsvergabe sollten nur solche Anbieter den Zuschlag erhalten, die sich zur Einhaltung von sozialen Standards verpflichten. Der Gesetzgeber habe bei der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes soziale Aspekte außen vor gelassen, bemängelt der Verein und fordert umgehend Nachbesserungen. Auch die Kontrollbefug- nisse müssten dringend geklärt werden. Derzeit sind die Zuständigkeiten für Kontrollen im Fernbuslinienverkehr zwischen Bund und den Ländern nicht eindeutig gere- gelt. Fernbusse aber fahren ländergrenzen-übergrei- fend. mobifair fordert eine einheitliche Kontrollinstanz, wie zum Beispiel das Bundesamt für Güterverkehr (BAG). Eindeutige Wettbewerbsverzerrung Handlungsbedarf sieht mobifair ebenso wie die Gewerk- schaft EVG zudem bei den Kosten für die Busanbieter. Anders als Schienenunternehmen, die Kosten für Tras- sen und Infrastruktur zu tragen haben, zahlen die Fern- busse keine Maut. Eine klare Wettbewerbsverzerrung, kommentiert mobifair. Wer zahlt für die Busbahnhöfe? Kosten übernehmen sollen die Busbetreiber auch für Omnibusbahnhöfe – geht es nach dem Deutschen Städ- tetag. In vielen Städten sind derzeit provisorische Hal- tepunkte eingerichtet, die Vielzahl der neuen Anbieter drängt sich – etwa in Frankfurt – in mehr oder minder chaotischen Reihen. Die Unternehmen drängen die Städte, entsprechende Einrichtungen vorzuhalten, in etlichen Kommunen wird derzeit über entsprechende Pläne nachgedacht. Die Städte fordern die Betreiber der Fernbuslinien auf, Investitionen in den Bau von Busbahn- höfen zu tätigen. Das allerdings wäre ein Kostenfaktor, der die Kalkulation der billigen Reisepreise nachhaltig beeinflussen könnte – und damit den Befürchtungen, dass Sparmaßnahmen zu Lasten der Beschäftigten ge- hen, weiter Nahrung gibt.
  • 9. 9 beiratssitzung mobifair-Wal für Tariftreuegesetz Alexander Kirchner, Vorsitzender der Gewerkschaft EVG würdigte in seiner Rede den Preisträger als Politiker, der immer den Menschen in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt habe. Das Tariftreuegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen könne aus gewerk- schaftlicher Sicht als vorbildhaft bezeichnet werden. Al- lerdings, so Kirchner, könnten Tariftreuegesetze immer nur ein erster Schritt auf dem Weg zu fairen Löhnen und gerechten Arbeitsbedingungen sein. Der Begriff soziale Marktwirtschaft müsse mit neuem Leben erfüllt werden. „WerVollzeitarbeitet,mussvonseinemVerdienstsichund seine Familie ernähren können“, sagte Kirchner. Leider sehe die Realität zunehmend anders aus. Besonders die europäische Politik werde hauptsächlich von den Wett- bewerbskommissaren bestimmt. „Wir brauchen aber ein Europa der Menschen, nicht ein Europa der Märkte“, so der Gewerkschaftsvorsitzende bei der Verleihung des Fairnesspreises an Guntram Schneider. Gerade bei öf- fentlichenAusschreibungendürfe„billig“nichtlängerein maßgebliches Kriterium sein, sondern Qualität müsse in den Vordergrund gerückt werden. Wettbewerb über den Preis gehe immer auf Kosten der Arbeitnehmer. Für sein Engagement bei der Gestaltung von Tariftreue- gesetzen wurde auch Karl-Heinz Zimmermann, Vor- sitzender des Zentralen Betriebsgruppenausschusses Eisenbahnen in der SPD, mit dem Fairnesspreis aus- gezeichnet. mobifair-Geschäftsführer Helmut Diener sagte, durch die Unterstützung von Zimmermann seien viele Türen aufgestoßen und viel erreicht worden. Die Diskussion um die Tariftreue sei nicht neu, so der 2. Vorsitzende von mobifair, Dirk Schlömer, bereits im 19. Jahrhundert gab es nach seinen Worten in Württem- berg die Vorschrift „Mindestlohn ist einzuhalten“. Der Weg bis zu heutigen Gesetzen allerdings war durchaus steinig. Besonders nachdem die EU mit ihren Liberalisierungs- bestrebungen die Dienstleistungsfreiheit forcierte, wurde es umso wichtiger, sagte Schlömer, Rahmenbedingungen für Standards zu schaffen. „Was ist wichtiger – Dienstlei- stungsfreiheit oder die Rechte der Menschen?“, fragte er. Der Europäische Gerichtshof habe sich mit seinen Urtei- len gegen die Arbeitnehmer gestellt und damit den Tarif- treuebestrebungen einen schweren Rückschlag erteilt. Es bleibe immer noch viel zu tun. Nachdem nun die Mehr- heit der Bundesländer Tariftreuegesetze in Kraft gesetzt habe, stelle sich die Frage nach Kontrolle der Einhaltung von Bedingungen und Vorgaben. Dies könne, so Schlömer, auch eine Aufgabe von mobifair sein. Ein Prä-Qualifizie- rungsverfahren für Unternehmen, die sich um Aufträge bewerben, erleichtere die Auswahl für die Aufgabenträger und mache Vergaben kalkulierbarer. Immer kontrovers, so Fairnesspreisträger Guntram Schnei­der, sei das Thema Tariftreue gewesen. Das Gesetz in NRW habe gegen die Vorurteile „ist nicht zu kontrol- lieren, schafft Bürokratie, hemmt Wachstum“ durchge- setzt werden müssen. „Wir werden mit unserem Gesetz das Gegenteil beweisen“, versicherte Schneider. Neben einem Mindeststundenlohn von 8,62 Euro (Schneider: „dynamisch festgelegt“) wurden andere soziale Aspekte wie Ausbildung und Frauenförderung festgelegt. Kontroll- mechanismen würden derzeit entwickelt. Für seine maßgeblichen Verdienste um das Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalen hat mobifair Guntram Schnei- der, Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Bundeslandes mit dem Fairnesspreis ausgezeichnet. Über- reicht wurde die Ehrung im Rahmen der Beiratssitzung von mobifair in Fulda.
  • 10. mopinio 03/201310 beiratssitzung Rezept gegen Lohndumping oder Papiertiger? Ländertariftreuegesetze kontrovers – Podiumsdiskussion in Fulda v. l. : Udo Willms, Dr. Walter Arnold, Alexander Kirchner, Uli Röhm, Guntram Schneider, Gerhard Ameis, Dirk Schlömer, Dr. Thorsten Schulten Die Standpunkte der Befürworter und Gegner des Themas Tariftreue blieben auch während der Podiumsdiskussi- on im Rahmen der mobifair-Beiratssitzung kontrovers. Während Vertreter von SPD, Gewerkschaften oder wissen- schaftlichen Instituten dafür plädierten, Tariftreuegesetze zu verankern, um soziale Mindeststandards zu sichern, sprachen sich konservative Politiker und Vertreter von Arbeitgeberverbänden dafür aus, allein den Tarifpartnern die Regelungen zu überlassen. Die Debatte ist nicht neu, in der Mehrheit der deutschen Bundesländer haben sich jedoch mittlerweile die Befürworter durchgesetzt. Lediglich drei – Bayern, Hessen und Sachsen – haben keine entsprechenden Landesgesetze erlassen. Unter dem Motto „Tariftreue – Allheilmittel gegen Lohn- und Sozialdumping?“ fand eine Podiumsdiskussion mit Vertretern von Parteien, Unternehmen und wissenschaft- lichen Instituten statt. Die kontroversen Auffassungen, die Tariftreue- und Vergabegesetze seit langem begleiten, wurden auch hier wieder deutlich. Vertreter der SPD, wie Minister für Arbeit, Integration und Soziales in NRW Gun- tram Schneider und der NRW-Landtagsabgeordnete Dirk Schlömer stellten klar, dass nur mit der gesetzlichen Fest- schreibung von Standards die Interessen der Beschäftigten gesichert werden können und Schluss sein muss mit dem Motto „der billigste Anbieter erhält den Zuschlag“. Unter- stützung erhielten sie von Dr. Thorsten Schulten vom Wirt- schafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ebenso wie von Alexander Kirchner. Auch Gerhard Ameis, Geschäftsführer der Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft, bestätigte, dass gerade bei öffentlichen Vergaben der Preis das einzige Kriteri- um sei. Dr. Walter Arnold, CDU-Landtagsabgeordneter in Hessen vertrat dagegen ebenso wie Udo Willms, Ge- schäftsführer der Arbeitgebervereinigung öffentlicher NahverkehrsunternehmendenStandpunkt,dassdieTarif- partner soziale Fragen selber lösen sollten, Tariftreue- gesetze daher nicht nötig seien. Gewerkschaftsvorsitzender Alexander Kirchner machte deutlich, dass eine Festschreibung von Mindestlöhnen in „Bei Aufträgen müssen die Vorgaben vorher geklärt werden. Dreizehn von sechzehn Bundesländern waren mutig.“ Dirk Schlömer Schneider: „Der Wettbewerb um Aufträge kann nicht über den Faktor Kosten ausgetragen werden“. Bei öffent- lichen Aufträgen müsse die Qualität dominieren. Gute Arbeit beinhalte auch ordentliche Bezahlung. Von Arbeit müsse man ordentlich leben können, Tariftreuegesetze seien dazu ein wichtiger Schritt, der auch mit der Würde der betroffenen Arbeitnehmer zu tun habe. Allerdings, so Schneider in Fulda: „Kein Gesetz ersetzt gewerkschaft- liche Stärke. Es geht nur mit aktiven Gewerkschaften“. Er habe die Auszeichnung von mobifair gerne entgegen- genommen, obwohl er ansonsten im politischen Leben Ehrenzeichen nicht annehme, sagte der Minister, „weil es gewerkschaftspolitisch ein so wichtiges Thema ist“. Die jährliche Beiratssitzung von mobifair und die Verlei- hung des Fairnesspreises an Guntram Schneider fanden im Esperanto-Hotel in Fulda statt. Der erste Vorsitzende von mobifair, Jörg Krüger konnte eine Reihe von Ehren- gästen begrüßen, die an der Veranstaltung und der an- schließenden Podiumsdiskussion teilnahmen.
  • 11. 11 beiratssitzung „Die öffentliche Hand war bisher der unseriöseste Auftraggeber. Das einzige Kriterium ist der Preis.“ Gerhard Ameis „In Deutschland sind weniger als 60 Prozent der Unternehmen tarifgebunden, damit sind wir in Westeuropa am unteren Ende.“ Dr. Thorsten Schulten „Es wäre besser, wenn die Politik sich zurückhielte. Die Tarifpartner schaffen das selber.“ Udo Willms „Tarifpartner sind bestens geeignet, sich alleine zu einigen. Gesetze müssen nicht regeln, was der Markt selbst kann.“ Dr. Walter Arnold „Wir brauchen auch Kontrollmecha- nismen, Meldestellen und Klagerecht für die Beschäftigten. Das Tariftreue- gesetz ist nur ein erster Schritt.“ Alexander Kirchner „Wettbewerb um Aufträge kann nicht über den Faktor Kosten ausgetra- gen werden. Das ist Wettbewerb auf den Knochen der Arbeitnehmer.“ Guntram Schneider Gerhard Ameis von der Nürnberger Wach- und Schließ- gesellschaft beklagte, dass gerade die öffentliche Hand bisher als unseriöser Auftraggeber hervorgetreten sei. Einziges Kriterium sei der Preis, Qualität spiele keine Rolle. Gerade im Bereich der Sicherheitsdienstleistungen sei diese Einstellung „zynisch“. Um kein „Papiertiger“ zu bleiben, müsse ein Tariftreuegesetz erst mit Leben erfüllt werden, davon merke er in seinem Bereich noch nichts. Dass neben Mindestlöhnen auch weitere Vergabe- kriterien in Tariftreuegesetzen festgeschrieben werden müssen, war Konsens zwischen den Befürwortern der Regelungen. Um Wettbewerb auf Kosten der Arbeitneh- mer einzudämmen, müssen konkrete Vorgaben gegen Sozialdumping Bedingung sein. So lange allerdings Bil- liganbieter nach wie vor bevorzugt werden, bleiben die Probleme existent. Minister Guntram Schneider stimmte zu, immer mehr Un- ternehmen weigerten sich, Tarifbindungen einzugehen. Die Festschreibung eines Mindestlohnes sei in jedem Fall wichtig, denn manche Unternehmen zahlten – trotz Tarif- vertrag – weniger als die gesetzlich festgelegten Beträ- ge. Aus seiner Erfahrung mit dem Tariftreuegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen sagte er, schon die Auffas- sungen von Lohndumping seien unterschiedlich. Die Po- litik müsse in manchen Bereichen eingrenzen – so auch Thorsten Schulten, Vertreter des WSI, ergänzte, dass in Deutschland weniger als 60 Prozent der Unternehmen tarifgebunden seien. Ganz im Gegensatz zu den europä- ischen Nachbarstaaten. In Frankreich, Belgien oder den Niederlanden liege diese Rate bei bis zu 90 Prozent. mit einem Mindestlohn beginnend bei 8,50 Euro die Stun- de. Vergabe- und Tariftreuegesetze seien aber nicht nur Ländersache, auch der Bund sei gefordert. Tariftreuegesetzen alleine aber nur ein erster Schritt sein kann. Wichtig sei die Benennung eines repräsentativen Tarifvertrages. Seit 20 Jahren werde das Tarifrecht syste- matisch ausgehebelt, nur deswegen sei die Mindestlohn- debatte entstanden.
  • 12. mopinio 03/201312 Projekte Die jährlich verursachten Kosten arbeitsbedingter psychi- scher Belastungen beziffern sich laut eines von der Hans- Böckler-Stiftung in Auftrag gegebenen Gutachtens auf fast 30 Milliarden Euro. Der DAK-Gesundheitsreport 2013 beispielsweise spricht bezüglich der Zunahme der Ar- beitsunfähigkeiten aufgrund psychischer Erkrankungen gar „von der bei weitem auffälligsten Entwicklung im Arbeitsunfähigkeitsgeschehen seit etwa 15 Jahren“. Im Vergleich zu anderen Arbeitsunfähigkeitsursachen, so die zusammenfassende Bewertung der DAK, sei dies eine „beispiellose Entwicklung“. Der Gesundheitsreport 2012 der Barmer GEK bestätigt diese Entwicklungsten- denz. Was die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage an- geht, rangieren laut diesem psychische Erkrankungen nach Erkrankungen des Muskel-Skelett-System aktuell auf Platz zwei im Arbeitsunfähigkeitsgeschehen. Auch der Fehlzeit-Report 2012 des Wissenschaftlichen Insti- tuts der AOK (WIdO) spiegelt diese Entwicklungstendenz wider. Gemäß diesem ist die Zahl der psychischen Er- krankungen seit 1994 um 120 Prozent angestiegen. Wie lässt sich der Risikofaktor Stress eindämmen? Schon seit Jahren weisen unterschiedlichste Studien und Untersuchungen auf eine alarmierende Zunahme psychischer Erkrankungen in deutschen Unternehmen hin. 53 Millionen Krankheitstage im Jahre 2012 gehen darauf zurück, so der „Stress-Report“ der Bundes- regierung. Statistiken der Krankenkassen sprechen die gleiche Sprache. Allein die Diagnose „Burnout“, so eine Hochrechnung des WIdO bezogen auf die mehr als 34 Millionen gesetz- lich Krankenversicherten in Deutschland, führte 2011 für mehr als 130.000 Personen zu einer Krankschreibung, was wiederum ein Ausfallzeitenvolumen von insgesamt 2,7 Millionen Fehltagen nach sich zog. Dementsprechend sehen sich auch immer mehr Perso- nal- und Betriebsräte mit der Problematik konfrontiert. Allerdings besteht große Unsicherheit, das Thema aktiv anzugehen. Lassen sich klassische Risikofaktoren, wie Lärm, Staub, Gefahrstoffe usw. eindeutig identifizieren und kategorisieren sowie entsprechende Handlungs- erfordernisse, basierend in der Regel auf klar ausfor- mulierten gesetzlichen Grundlagen relativ eindeutig ableiten, so gestaltet sich die Situation bei der Analyse psychischer Belastungen sehr viel schwieriger. Insbe- sondere die Unbestimmtheit der gesetzlichen Regu- lierung dieses Problemfeldes im Rahmen des Arbeits- schutzgesetzes erweist sich in diesem Zusammenhang für viele Betriebs- und Personalräte häufig als zusätz- licher Hemmschuh. Für den Verkehrsbereich wurde eine Handlungshilfe entwickelt, die sich, im Rahmen der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen, speziell auf die Erfassung psychischer Belastungen in Verkehrsunternehmen be- zieht bzw. in ihrer Konzeption explizit auf die Besonder- heiten und Erfordernisse der Verkehrsbranche ausge- richtet ist. In einer von mobifair initiierten Vorstudie im Rahmen des Projektes „Psychische Belastungen am Arbeits- platz“ wurde dieser Entwurf unter Beteiligung von Betriebsräten, Führungskräften, Fachkräften für Ar- beitssicherheit aus diversen Konzernteilen der DB AG sowie der dbgs Gesundheitsservice GmbH hinsicht- lich seiner theoretischen sowie praktischen Fundie- rung einer ersten Vorprüfung unterzogen. Sowohl aus theoretisch-wissenschaftlicher als auch praktischer Sicht ergaben sich dabei zahlreiche Ansatzpunkte für Verbesserungen, Anpassungen und Ergänzungen. Unter Hinzuziehung des Dortmunder Forschungsbüros für Arbeit, Prävention und Politik (DoFAPP) wurde nun die Überarbeitung abgeschlossen und mobifair legt die Handlungshilfe vor. Projekt Psychische Belastung
  • 13. 13 projekte mobifair hat im Rahmen eines Projektes Bestimmungen, ihre Einhaltung und Kontrolle sowie die Möglichkeiten weitergehender Regelungen in Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz untersucht. Ausgangs- punkt war dabei unter anderem, dass Arbeitsschutz nicht immer etwas mit Unfallverhütung, Sozialräumen oder Arbeitsmitteln zu tun hat. Zum Ar- beitsschutz gehören auch gesetzlich geschützte Rahmenbedingungen, wie die Arbeitszeit oder eine notwendige Qualifizierung. Gerade in diesem Bereich kann durch Unterlaufen bestehender Bestim- mungen dem Lohn- und Sozialdumping Vor- schub geleistet wer- den. Vor allem weil er schwieriger zu kontrol- lieren ist als andere, die vorgeschriebene Normen vorweisen müssen. In der Schweiz und in Ös- terreich wurden durch die Ge- werkschaften auch andere Fälle von Lohn- und Sozialdumping durch Unterschreiten bestehender Arbeitsschutzbe- stimmungen beobachtet, zum Beispiele Verstöße gegen Arbeits- und Pausenzeiten und gegen die „Arbeitsstät- tenverordnung“ (fehlende Sozialräume, Arbeits- oder Schutzkleidung) genannt. Eine Übertragung der zum Teil deutlich niedrigeren Sicherheitsstandards aus dem ost- europäischen Raum wirkt hier ein und bietet den Unter- nehmen einen Kosten- und somit Wettbewerbsvorteil, der nach Ansicht von mobifair klar im Bereich des Lohn- und Sozialdumpings angesiedelt werden muss. Viele osteuropäische Mitarbeiter haben hierbei noch nicht einmal ein Problembewusstsein, da sie die in ihrem Hei- matland vorgeschrieben Arbeitsschutzbestimmungen Kontrollmöglichkeiten müssen verbessert werden Arbeitsschutz ist in Europa nach wie vor ein Thema von großer Brisanz. Wie Beispiele aus den Nachbarländern Schweiz und Österreich zeigen, existieren in den dortigen Systemen gewerkschaftspolitische Handlungsmöglich- keiten, die durchaus Anreiz geben, den Blickwinkel „Arbeitsschutz“ zu erweitern. einhalten. Diese entsprechen teilweise aber nicht den im Einsatzland geforderten Bestimmungen. In der Schweiz wird eine weitreichende Kontrolle zur Einhaltung der Arbeitszeiten durch die schweizerische Bahnaufsicht sichergestellt. Mit diesem Mittel, das primär dem Arbeitsschutz durch Einhal- tung der vorgeschriebenen Arbeits- zeiten dient, lassen sich sekundär Lohn- und Sozialdumping Be- strebungen verhindern. In Deutschland gibt es diese Form der Kontrollen im Schienengüterverkehr nicht. Nichtsdestotrotz hat die Liberalisierung aber auch hier einen harten Preis- und Kon- kurrenzkampf ausge- löst, der nicht selten auf dem Rücken der Be- schäftigten sowie zu La- sten von Sicherheits- und Arbeitsschutzvorschriften ausgetragen wird. In Anbetracht dessen erschiene es in der Tat not- wendig, derartige Kontrollen auch im deutschen Güterverkehrssystem zu etablieren. In Österreich hat sich eine konzernweite Informations- schiene etabliert, über die Unfälle und Arbeitsschutz- verstöße zentral registriert werden. Dadurch ergeben sich neue Ansatzpunkte zu einer Verbesserung des Ar- beitnehmerschutzes innerhalb und außerhalb des ÖBB- Konzerns. So konnte durch dieses „Monitoring“ eine wei- tere Verschlechterung der Ausbildungsstandards und Verkürzung der Ausbildungszeiten verhindert werden. Ferner wurde eine Sensibilisierung der Arbeitgeberseite erreicht, die zu einem besseren Schutz der Arbeitneh- mer geführt hat. Projekt Arbeitsschutz
  • 14. mopinio 03/201314 mobifair intern Die Abellio Rail NRW GmbH wurde von der mobifair Zertifizierungs- und Beratungs-GmbH mit dem mobi- fair-Sozialzertifikat ausgezeichnet. Damit bescheinigt mobifair der Hagener Niederlassung des Unterneh- mens die unbedingte Einhaltung fairer Arbeitsbedin- gungen und vorbildliche Lohn- und Sozialstandards. Karl-Heinz Zimmermann, Geschäftsführer der mobifair GmbH übergab das Zertifikat an die Geschäftsführung der Abellio Rail. „Abellio zeigt, dass Wettbewerb fair über Qualität geführt und gewonnen werden kann und nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden muss“, bewertet er die Auszeichnung. Er for- derte, dass bei öffentlichen Ausschreibungen künftig die sozialen Aspekte als „Muss-Vorschrift“ aufgenommen werden, besonders bei Betreiber-Wechseln sei dies ein wichtiger Aspekt. „Abellio hat sich zertifizieren lassen, um ein Zeichen und ein klares Bekenntnis zu sozialen Standards zu set- zen“, sagte Ronald R. F. Lünser, Geschäftsführer des Unternehmens. Auch im harten Wettbewerb auf dem Verkehrssektor müsse klar sein, dass Menschen nicht als Kostenfaktor angesehen werden dürften. Das könne weder im Interesse der Aufgabenträger noch der Ver- kehrsunternehmen liegen. Gemeinsam mit Karl-Heinz Zimmermann brachte Lünser den ersten Zertifizie- rungs-Aufkleber an einem Abellio-Zug an. Künftig wer- den alle Züge des Unternehmens dieses Zeichen tragen. Faire Arbeitsbedingungen bei Abellio Die mobifair Zertifizierungs-GmbH prüft Unternehmen der Verkehrswirtschaft auf die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen, einschlägiger Richtlinien und die An- wendung von Lohn- und Sozialstandards. Abellio wird mit der Verleihung bestätigt, dass vorbildliche Standards eingehalten werden und darüber hinaus die Arbeitszeit- und Arbeitsschutzbestimmungen angewendet und ge- wissenhaft kontrolliert werden. v. l. : Geschäftsführer der mobifair-GmbH: Karl-Heinz Zimmermann und Geschäftsführer der Abellio Rail NRW GmbH: Ronald R. F. Lünser Terminhinweis: Mitgliederversammlung 2013 Die diesjährige Mitgliederversammlung von mobifair findet am 8. Oktober um 11 Uhr in Fulda statt. Tagungsort ist das Esperanto-Hotel. Eingeladen sind alle Mitglieder von mobifair e.V. Die offizielle Einladung mit Tagesordnung wird noch verschickt. Vorab die Bitte: Termin notieren. i Zertifizierung
  • 15. 15 ETF-Kongress Die Finanzkrise wurde unlängst zu einer sozialen Krise. Betroffen sind die Menschen, die die Arbeit machen. Ban- ken werden gerettet und Politiker reden über Milliarden, was macht jedoch der „gewöhnliche Arbeitnehmer“. Ihn betrifft diese Sparpolitik am stärksten. Unternehmen drü- cken ihre Lohnkosten unter dem Vorwand der schlechten wirtschaftlichen Lage und kassieren ab im Schatten der Krise. Arbeitsbedingungen werden immer schlechter. Ausbeutung ist an der Tagesordnung und selbst Regie- rungen fangen an Arbeitnehmerrechte zu beschneiden. Die ETF repräsentiert rund 2,5 Millionen dieser Menschen und erörterte in Berlin, wie die Auswirkungen dieser Kri- se abgefangen werden können. Die Konsequenzen sehen in den verschiedenen Mitgliedsländern unterschiedlich aus, jedoch bleibt es ein gemeinsames Problem. Zusam- men wollen sie einen Weg finden und ihre Ziele umsetzen. Es wird ein generelles Umdenken gefordert. Der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerk- schaft (EVG) Alexander Kirchner wurde als ETF-Vice- präsident im Amt bestätigt. Er forderte eine stärkere Von der Krise zur Gerechtigkeit Vernetzung der Verkehrsträger und eine einheitliche Verkehrspolitik. In der Forschung und Entwicklung fehl- ten die Gelder und die Infrastruktur sei veraltet. Die so- zialen Standards sieht Kircher vernachlässigt. „Wenn es um die Liberalisierung geht, gibt die Kommission harte Muss-Regeln vor, wenn es um soziale Standards geht, dann nur weiche Kann-Vorschriften.“ Europäische Lösungen gefragt mobifair begegnen die sozialen Folgen täglich in der Re- cherchearbeit. Es fahren Busfahrer mit Dumpinglöhnen Grenzverkehre und Lokführer führen Züge quer durch Europa. Im Rahmen ihres Arbeitsprogramms hat die ETF eine Forderung nach verstärkten Kontrollen beschlossen, um den sozialen Missbrauch zu stoppen. mobifair begrüßt diesen Weg und wird diesen Beschluss unterstützen. Der ETF-Kongress bot die Möglichkeit, über den soge- nannten Tellerrand zu schauen. Die Probleme der anderen europäischen Ländern sind die eigenen. Nur im gegen- seitigen Austausch können Erfahrungen helfen und dem sozialen Abstieg in Europa entgegengetreten werden. ETF-Kongress 2013 Die Europäische Transportarbeiter Federation (ETF) hatte zum Kongress nach Berlin geladen. Unter dem Motto „FROM GLOBAL CRISIS TO GLOBAL JUSTICE“ – Von der globalen Krise zur globalen Gerechtigkeit – diskutiert rund 500 Gewerkschafter aus 41 Ländern über die Sparpolitik in Europa und deren Auswirkungen auf die Beschäftigten in der Verkehrsbranche.
  • 16. mopinio 03/201316 Der DGB hat eine Initiative zur Reform der Minijobs an- gestoßen. Gemeinsam mit Verbänden und Wissenschaft- lern richten die Gewerkschaften einen Appell an die Politik, reguläre Beschäftigung zu fördern und die Nied- riglohnfalle Minijobs zu beenden. Minijobs seien kein Sprungbrett in reguläre Beschäftigung, sondern eine Niedriglohnfalle, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach zum Start der Initiative. Es sei höchste Zeit, „die Minijobmauer zu durchbrechen, reguläre Beschäf- tigung zu fördern, die Gleichberechtigung zu stärken und den Fachkräftebedarf zu sichern. Der gemeinsame Aufruf ist ein breiter Konsens und dringender Appell an die Politik, die Minijobs endlich zu reformieren“. Unter- stützt wird die Aktion von 16 Verbänden sowie 23 Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Der IG Metall Bezirk Küste und das Unternehmen Meyer Werft wollen einen Tarifvertrag vereinbaren, der sozi- ale Mindeststandards festlegen und die Kontroll- und Mitspracherechte des Betriebsrates bei Werkverträgen stärken soll. Damit reagieren Gewerkschaft und Unter- nehmen auf den Tod von zwei rumänischen Leiharbeit- nehmern, die für eine Fremdfirma auf der Meyer Werft in Papenburg gearbeitet haben. Die beiden Männer waren bei einem Brand in ihrer Unterkunft ums Leben gekom- men. Vereinbart wurde darüber hinaus, dass das Un- ternehmen eine Sozialcharta vorlegt und eine stärkere Kontrolle von Wohnraum stattfindet. Außerdem wird eine Task Force eingerichtet, die die aktuelle Situation von Arbeitnehmern mit Werkvertrag überprüft. Das System Werkverträge/Fremdfirmen/Leiharbeiter weitet sich auch im Werftbereich immer mehr aus. Bei manchen Schiffbauern wird nach einer Erhebung der IG Metall fast die Hälfte der Arbeitnehmer von Fremdfirmen gestellt. Arbeitsbedingungen und Bezahlung sind in vielen Fällen katastrophal. Auf der Meyer Werft arbeiten nach Anga- ben des Betriebsrates rund 1500 Beschäftigte mit Werk- vertrag. Auch für andere Unternehmen, die Maßnahmen gegen Lohndumping ergreifen wollen, könne die Verein- barung ein Beispiel sein, so die Gewerkschaft. Nur 42 Prozent der Beschäftigten in Deutschland gehen laut einer Be- fragung des DGB davon aus, dass sie unter ihren derzeitigen Arbeits- bedingungen bis zur Rente arbeiten können. Dagegen geben 47 Prozent an, dass sie es wahrscheinlich nicht bis zum Rentenalter schaffen. Der DGB-Index Gute Arbeit beruht auf einer bundesweiten Repräsentativ- befragung. Die Ergebnisse der ak- tuellen Befragung belegen, dass die derzeitigen Arbeitsbedingungen ei- nen negativen Einfluss auf die künf- tige Arbeitsfähigkeit der meisten Beschäftigten haben. Die Umfrage zeigt, dass Arbeitshetze und Lei- stungsverdichtung zunehmen. Der DGB fordert unter diesem Aspekt die Bundesregierung auf, die Rente mit 67 auszusetzen. Stattdessen müssten die Voraussetzungen da- für geschaffen werden, dass die Be- schäftigten überhaupt bis 65 Jahre arbeiten können. Rente mit 67 aussetzen Lohnfalle Minijob IG Metall auf dem richtigen Weg