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„Photovoltaik-Contracting für
Gebäude“
Neue Geschäftsmodelle der zukünftigen
Energieversorgung
Nicolai Wenzel
Kontakt:
Nicolai Wenzel,
Stuttgart
0151-58610654
Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis..........................................................................................I
Abbildungsverzeichnis ................................................................................II
Tabellenverzeichnis.....................................................................................III
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. IV
1. Historische Entwicklung der Photovoltaiktechnologie...................6
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich ........17
2.1 Evolution unterschiedlicher Contracting-Modelle......................17
2.2 Anbieterstruktur und Marktentwicklung von Contracting...........23
2.3 Relevante Contracting-Modelle für die PV und Treiber für
deren Nutzung..........................................................................27
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings ..........................31
3.1 Kundensegmentierung und Energielieferumfang .....................31
3.2 Allgemeine Bestimmungen und Rechtsnatur von
Energiedienstleistungsverträgen ..............................................36
3.3 Liefer- und Leistungspflichten des Contractors ........................37
3.4 Abnahmepflicht von Kunden und Netzbetreibern .....................40
3.5 Eigentum und Zutritt zur Anlage ...............................................43
3.6 Umsetzungsphasen und Anlageninfrastruktur..........................46
4. Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von PV-Contracting anhand
eines Fallbeispiels............................................................................51
4.1 Darstellung des Fallbeispiels....................................................51
4.2 Investitions- und Kostenstruktur ...............................................53
4.3 Preis- und Umsatzstruktur........................................................57
4.4 Bewertung der Gesamtinvestition nach Zinsfuß- und
Kapitalwertmethode..................................................................61
4.5 Sensitivität ausgewählter Einflussfaktoren ...............................63
5. PV-Contracting als zukünftiges Geschäftsmodell einer
nachhaltigen Energieversorgung....................................................67
Anhang ........................................................................................................ VI
Literaturverzeichnis.................................................................................. VIII
Abbildungsverzeichnis
II
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zusammenhang von Preis- und Nachfragestimulation ..............9
Abbildung 2: PV-Gestehungskosten und Haushaltsstromkosten im
Vergleich......................................................................................10
Abbildung 3: Contracting Varianten nach DIN 8930 .....................................21
Abbildung 4: Übersicht zum Hintergrund von Contracting-Anbietern............24
Abbildung 5: Studienergebnisse zur Anbieterstruktur bei Contracting-
Modellen im Vergleich..................................................................25
Abbildung 6: Übersicht zu Contracting-Varianten nach ihrer relativen
Häufigkeit.....................................................................................26
Abbildung 7: Vergleich der Transaktionsbeziehungen zwischen dem
konventionellen Modell der Energiebeschaffung und dem
Contracting-Modell.......................................................................30
Abbildung 8: Kategorisierung der Contracting-Projekte nach
Referenzstrompreisen und Anzahl der Stromkunden ..................33
Abbildung 9: Relevante Rechtsverhältnisse bei PV-Contracting mit
Vollversorgung (Legler, et al., 2013)............................................36
Abbildung 10: Vergleich der EEG-Einspeisevergütung und den
Referenzstrompreisen der Kundensegmente ..............................41
Abbildung 11: Überblick zu den Umsetzungsphasen von PV-Contracting-
Modellen ......................................................................................46
Abbildung 12: Übersicht zu den Anlagenkomponenten eines PV-
Contractings.................................................................................47
Abbildung 13: Überblick zur Zählerstruktur bei der Ein-Kunden-
Versorgung (links) und Mehr-Kunden-Versorgung (rechts) .........50
Abbildung 14: Überblick Fallbeispiel.............................................................52
Abbildung 15: EEG-Vergütung 100 kWp-PV-Anlage ....................................60
Abbildung 16: Gegenüberstellung von Umsatz und Kosten pro Jahr............61
Abbildung 17: Salden von Umsatz und Kosten pro Jahr...............................61
Abbildung 18: Kapitalwertsensitivität bei Änderung der Investitionskosten...64
Abbildung 19: Kapitalwertsensitivität bei Änderung der Anzahl der Strom-
kunden.........................................................................................65
Abbildung 20: Kapitalwertsensitivität bei Änderung der jährlichen
Strompreissteigerungen für private Haushalte.............................66
Tabellenverzeichnis
III
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Überblick Anschaffungsinvestitionen............................................53
Tabelle 2: Überblick Finanzierungskosten ....................................................54
Tabelle 3: Übersicht Betriebskosten .............................................................55
Tabelle 4: Übersicht Strombezugskosten .....................................................56
Tabelle 5: Herleitung potentieller Nettoerlöse...............................................58
Tabelle 6: Übersicht Umsätze der dezentralen Kundenversorgung..............59
Tabelle 7: Übersicht Umsätze der EEG-Vergütung ......................................60
Tabelle 8: Interner Zinsfuß und Kapitalwert des Fallbeispiels.......................63
Tabelle 9: Legende zu den nummerischen Verweisen der
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ..................................................... VI
Tabelle 10: Übersicht historische Strompreisentwicklung (Eurostat, 2013) .. VI
Tabelle 11: Übersicht zu den Kostenpositionen des PV-Contractings.......... VI
Tabelle 12: Übersicht zu den Umsatzpositionen des PV-Contractings........ VII
Tabelle 13: Interner Zinsfuß und Kapitalwert der Investition........................ VII
Abkürzungsverzeichnis
IV
Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
AC Alternating Current (engl. für: Wechselstrom)
Aufl. Auflage
AVBFernwärmeV Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die
Versorgung mit Fernwärme
BBSR Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumfor-
schung
BBR Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
BHKW Blockheizkraftwerk
BGB Bundesgesetzbuch
BGBl Bundesgesetzblatt
BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivil-
sachen
BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit
BMVBS Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung
Bspw. Beispielsweise
Bzw. Beziehungsweise
CuR Contracting und Recht
DC Direct Current (engl. für: Gleichstrom)
DIN Deutsche Industrie Norm
e.V. Eingetragener Verein
EEG Erneuerbare-Energie-Gesetz
EDU Energiedienstleistungsunternehmen
EltRL Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie
EnWG Energiewirtschaftsgesetz
Abkürzungsverzeichnis
V
Engl. Englisch
EVU Energieversorgungsunternehmen
GW Gigawatt
GWp Gigawatt Peak
i.d.R. in der Regel
i.H.v. in Höhe von
IEA Internationale Energieagentur
kW Kilowatt
kWh Kilowattstunde
KWK Kraft-Wärme-Kopplung
kWp Kilowatt Peak
Mio. Millionen
Mwst. Mehrwertsteuer
NAV Niederspannungsanschlußverordnung
NJW Neue Juristische Wochenschrift
OLG Oberlandesgericht
PrKG Preisklauselgesetz
PV Photovoltaik
StromGVV Stromgrundversorugungsverordnung
Urt. Urteil
v. vom
Vgl. Vergleiche
VfW Verband für Wärmelieferung e.V.
WM Wertpapiermitteilungen
Zsh. Zusammenhang
z.T. zum Teil
1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie
6
1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-
technologie
Als Mittel zur Stromversorgung wird die Photovoltaik gegen Ende des 19.
Jahrhunderts entdeckt. Nachdem Alexandre Edmond Becquerel 1834 als
Erster den photoelektrischen Effekt beschrieb, stellt Charles Fritsch im Jahr
1894 das erste funktionsfähige Solarmodul zur Stromversorgung vor. Das
Modul besteht aus Selenzellen, zwei Metallschichten und einer vergoldeten
Oberfläche und erreicht einen Wirkungsgrad von 1% (Wesselak, et al.,
2012). Die praktische Anwendung erfolgt allerdings erst in den 50er Jahren
des letzten Jahrhunderts, als die Technologie –nun auch als Silizium-
Solarzelle– erstmals zur Stromversorgung von Satelliten eingesetzt wird
(Janzing, 2011). Gespeist allein durch Sonnenstrahlung und aufgrund ihrer
Langlebigkeit avanciert die Photovoltaiktechnologie schnell zur dominanten
Quelle der Stromversorgung im All (Wesselak, et al., 2012). Bei Kosten von
2.000 Dollar pro Watt stellt die Technologie für terrestrische Anwendungen
zu dieser Zeit allerdings keine wirtschaftliche Alternative zur konventionellen
Stromerzeugung dar (Janzing, 2011).1
Erst in den 70er Jahren rückt die Photovoltaik als Mittel zur terrestrischen
Energieerzeugung in das Blickfeld der öffentlichen Diskussion. So fordern
Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology aufgrund der
Endlichkeit fossiler Ressourcen in Ihrer Studie „Die Grenzen des Wachs-
tums“ auf Basis computergestützter Simulationen2
einen Wechsel in der
Energiepolitik hin zu erneuerbaren Energiequellen (Meadows, et al., 1972).
Als kurze Zeit später in Folge der Ölkrise bundesweite Sonntags-Fahrverbote
die Abhängigkeit der Bundesrepublik vom Energieträger Öl verdeutlichen,
stellt der damalige Bundesminister für Forschung und Technologie, Hans
Matthöfer, erstmals einen signifikanten Teil des Forschungsetats für erneu-
erbare Energien zur Verfügung (Janzing, 2011).
1
Anlagenpreise heutiger Großanlagen liegen bei circa 1,50 € (netto) je installiertem Watt
(Photon, 2013). Bei einem Wechselkurs von 1,30 Dollar/Euro kostet ein Modul je instal-
liertes Watt demnach heute weniger als 1% des damaligen Preises.
2
In dem Buch „Die Grenzen des Wachstums“ beschreibt Dennis Meadows et al. im Auf-
trag des Club of Rome, dass es in einem System mit begrenzten Ressourcen kein gren-
zenloses Wachstum geben kann und simuliert Szenarien der globalen Entwicklung für die
nächsten Dekaden. Vgl. hierzu (Meadows, et al., 1972)
1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie
7
Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts wird die Technologie erstmalig
in netzfernen Gebieten zur Versorgung von kleinen Siedlungen oder zum
Betrieb von Kommunikation- und Signalanlagen in Betrieb genommen. Suk-
zessive errichten auch Großkonzerne wie AEG und RWE erste Anlagen zum
Test der solaren Energieerzeugung (Janzing, 2011). Der Markt für netzge-
koppelte PV-Anlagen entwickelt sich erst in den 1990er-Jahren (Wesselak, et
al., 2012). Die gesetzliche Grundlage hierfür schafft das Stromeinspeisungs-
gesetz, welches am 1. Januar 1991 in Kraft tritt. Demnach sind die Elektrizi-
tätsunternehmen fortan verpflichtet „[…], den in ihrem Versorgungsgebiet
erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien abzunehmen und den einge-
speisten Strom […] zu vergüten.“ (BGBl I; S. 2633) Noch im selben Jahr star-
ten Bund und Länder zusammen mit dem noch jungen Fraunhofer Institut für
Solare Energiesysteme das 1000-Dächer-Photovoltaik-Programm, welches
2.250 privaten Eigentümern von Ein- und Zweifamilienhäusern bis zu 70%
der Investitionskosten einer PV-Anlage erstattet. In den nachfolgenden Jah-
ren werden im In- und Ausland weitere Programme mit wachsendem Förder-
umfang aufgelegt (Wesselak, et al., 2012).3
Der Durchbruch beim Ausbau der Solarstromanlagen erfolgt allerdings erst
mit dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) durch die rot-
grüne Bundesregierung am 1. April 2000. Neben der Verpflichtung der Netz-
betreiber, PV-Anlagen an das öffentliche Netz anzuschließen und den produ-
zierten Strom vorrangig abzunehmen, garantiert der Gesetzesrahmen erst-
mals eine stückzahlunbegrenzte Förderung des PV-Stroms. Diese wird ge-
treu dem Verursacherprinzip mittels einer Umlage von allen Stromverbrau-
chern finanziert.4
Aus diesen Mitteln wird den Anlagenbesitzern unabhängig
von öffentlichen Haushaltsmitteln über 20 Jahre hinweg eine fixe Vergütung
pro eingespeiste Kilowattstunde PV-Strom gezahlt (Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2000).
3
1997 wird in Japan das 70.000 Dächer-Programm;. 1999 in Deutschland das 100.000
Dächer-Programm aufgelegt. Die Förderung der Anlagen erfolgt über einen Zuschuss
oder eine zinssubventionierte Finanzierung (Wesselak, et al., 2012).
4
Das EEG wird in der Folge mehrfach novelliert. In seiner aktuellen Fassung ist das Ge-
setz lediglich beschränkt verursachergerecht, da energieintensive Unternehmen sich von
der Zahlung der Umlage befreien lassen können, sodass die Kosten der Vergütungssätze
nur noch auf einen Teil der Stromkunden umgelegt werden (Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2008).
1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie
8
Unmittelbar nach der Einführung des EEG, welches die deutsche Förderung
unverändert prägt, avanciert der deutsche PV-Markt zum größten weltweit.
Im Jahr 2011 sind hierzulande 37% der weltweiten PV-Kapazität installiert,
erst mit deutlichem Abstand folgen Länder mit mehr Sonnenscheinstunden
wie Italien mit 18%, oder die USA mit 7% (Fraunhofer ISE, 2012). Nach kürz-
lich veröffentlichten Zahlen der Bundesnetzagentur und des Bundesumwelt-
ministeriums erreicht der PV-Zubau im vergangenen Jahr mit 7,6 Gigawatt
ein neues Allzeithoch, sodass mittlerweile 32,4 Gigawatt Solarleistung bun-
desweit installiert sind. Nach 3% in 2011 wird damit im Jahr 2012 circa 5%
des gesamten deutschen Strombedarfs gedeckt (Burger, 2013). Der Aus-
bauerfolg auf Basis des EEG entfaltet dabei auch eine Signalwirkung für an-
dere Länder nach dessen Vorbild in der Folge ähnliche PV-Fördergesetze in
über 50 Staaten weltweit verabschiedet werden. Die deutsche Solarförde-
rung ist somit im letzten Jahrzehnt für den globalen Ausbau der PV internati-
onal richtungsweisend gewesen (Janzing, 2011).
Der Ausbauerfolg im Zusammenhang mit der EEG-Förderung beruht dabei
auf einem Marktmechanismus, der zu einer Kostensenkung durch eine Effi-
zienzsteigerung der solaren Wertschöpfungskette führt (Scheer, 2010).
Durch die kostendeckende Vergütung wird anfangs eine stabile Marktnach-
frage initiiert. Diese dient den Unternehmen als hinreichende Planungsgrund-
lage, um in nennenswerte Produktionskapazitäten zu investieren. Die neuen
größeren Kapazitäten ermöglichen es den Unternehmen gleichzeitig ihre
Produktion mittels industrieller Fließfertigung zu rationalisieren. Die Weiter-
entwicklung des Produktionsprozesses sowie die mit Massenfertigung ein-
hergehenden Größendegressionseffekten führen im Zeitablauf zu einer Kos-
ten- und Preisreduktion auf dem Markt (Wagemann, et al., 2010). Die gesun-
kenen Preise wirken wiederum stimulierend auf die Nachfrage. Auf Basis der
stückzahlunbegrenzten Fördergesetzgebung kommt es so zu einem sich
selbst verstärkendem Regelkreis aus steigender Nachfrage, Professionalisie-
rung der Fertigung und sinkenden Preisen.
1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie
9
Abbildung 1: Zusammenhang von Preis- und Nachfragestimulation
Besonders deutlich wurden die Preissenkungen im Jahr 2011 aufgrund eines
Missverhältnisses von Angebot und Nachfrage. Trotz eines weltweiten Nach-
fragewachstums von über 70% gegenüber dem Vorjahr auf 27,7 GWp, ste-
hen mit über 50 GWp deutliche Angebotsüberschusskapazitäten zur Verfü-
gung (Kost, et al., 2012). Zusammen mit einer sinkenden Einspeisevergütung
in Deutschland erhöht dies den Preisdruck auf die Anbieter. Als Folge fallen
im Verlauf des Jahres 2012 die Großhandelspreise für PV-Module um über
40% (pvXchange GmbH, 2013). Auf dem deutschen Strommarkt führt dies
erstmals dazu, dass die Stromgestehungskosten von PV-Anlagen unterhalb
der durchschnittlichen Stromkosten der privaten Haushalte liegen. Demnach
betragen nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesys-
teme ISE die Kosten für photovoltaisch erzeugten Strom kleinerer Auf-
Dachanlagen Anfang 2012 zwischen 13,7 und 20,3 €-Cent pro Kilowattstun-
de5
, abhängig von spezifischen Investitionskosten und regionalen Strah-
lungsverhältnissen. Bei größeren Anlagen über 10 KWp, wie sie bspw. auf
Lagerhallen oder Freiflächen üblich, sind die Kosten noch niedriger (Kost, et
al., 2012). Demgegenüber steigt der durchschnittliche Haushaltsstrompreis
2011 um 6,5% auf 25,3 Euro-Cent (Bundesministerium für Wirtschaft und
5
Es werden Einstrahlungswerte von 1100-1300 kWh/m²/Jahr (≈ Stromertrag von 900 und
1100 kWh/kWp), sowie spezifische Investitionskosten zwischen 1700 €/kWp und 2200
€/kWp angesetzt. Die Angaben zu den Stromgestehungskosten an dieser Stelle wie auch
im weiteren Verlauf der Arbeit erfolgen exklusive Mwst., vgl. hierzu: (Kost, et al., 2012).
Steigende
Nachfrage
Professionaliserung
der Wertschöpfung
Sinkende Preise
1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie
10
Technologie, sowie Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit, 2012)6
. Wie in der folgenden Abbildung ersichtlich, ist pho-
tovoltaisch erzeugter Strom gegenüber dem Haushaltsstromtarif erstmals
deutlich günstiger und zwar um 24 – 46 %.7
Abbildung 2: PV-Gestehungskosten und Haushaltsstromkosten im Vergleich
Acht von zehn Studien von Forschungsinstituten haben in der Vergangenheit
die reale Ausbaugeschwindigkeit der Photovoltaik systematisch unterschätzt
(Pieprzyk, et al., 2009). So prognostiziert beispielsweise die Internationale
Energieagentur (IEA) 2002 eine Photovoltaik-Kapazität von 4 Gigawatt für
die EU-15 im Jahr 2020, dieser Wert wird bereits im Jahr 2008 mit 9,3 Giga-
watt von der tatsächlichen Kapazität deutlich übertroffen (Scheer, 2010). Be-
reits 2013, sieben Jahre vor dem Prognosezieljahr, sind allein in Deutschland
bereits über 800% der prognostizierten Kapazität für die EU-15 installiert
(Burger, 2013).
6
Bei Verbrauch von 3.500 kWh/Jahr und inkl. Steuern und Abgaben, vgl. hierzu:
(Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, sowie Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2012)
7
Die genannten Haushaltsstromkosten beziehen sich auf die tatsächlichen Beschaffungs-
kosten inklusive Mwst. und sonstigen Abgaben. Die Stromgestehungskosten konventio-
neller Energieträger sind aufgrund von Steuern und Abgaben weitaus geringer.
1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie
11
Auch die Chronik des gesellschaftspolitischen Diskurses zeigt, dass das
Thema Photovoltaik bis heute von groben Fehleinschätzungen und Vorurtei-
len geprägt ist. So konstatiert ein frühes Thesenpapier der CDU: „Sonnen-
energie kann nur zur Wärmeversorgung eingesetzt werden.“ (CDU, 1977).
Während dies in Deutschland alsbald widerlegt wird (siehe Ausführungen
weiter oben) behauptet die Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
Dr. Angela Merkel, noch im Jahr 2005: „Den Anteil erneuerbarer Energien
am Stromverbrauch auf 20 Prozent zu steigern, ist wenig realistisch. Ich
glaube, es ist unrealistisch zu erwarten, dass erneuerbare Energien eine Lü-
cke schließen können, die zum Beispiel durch die frühzeitige Abschaltung
von Kernenergie geöffnet würde.“ (Dr. Merkel, 2005). Nur zwei Jahre später
vertritt Frau Merkel als Bundeskanzlerin und EU-Ratsvorsitzende einen Be-
schluss, der einen Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergiever-
brauch von 20% bis 2020 europaweit vorschreibt (Scheer, 2010). Weitere
vier Jahre später verantwortet Frau Merkel den Beschluss zum Atomausstieg
in Deutschland und die sofortige Abschaltung von acht Atomkraftwerken. Die
erneuerbaren Energien erzeugen im gleichen Jahr erstmals 2% mehr Strom
als alle deutschen Atomkraftwerke und etablieren sich als zweitgrößte Ener-
giequelle im deutschen Strommix (Die Bundesregierung, 2012).
Ähnlichen Fehleinschätzungen unterlagen auch Verantwortungsträger und
vermeintliche Experten der Energiebranche. So gibt sich Hans-Peter Villis,
damaliger Vorstandsvorsitzender der Energie Baden-Württemberg (EnBW),
in einem Interview der Süddeutschen Zeitung im Jahr 2008 überzeugt: „Für
eine […] Nutzung der Solarenergie scheint in Deutschland zu selten die Son-
ne. Der Solaranteil an der Energieerzeugung wird auch 2020 noch bei gera-
de mal einem Prozent liegen.“ (Villis, 2009). Sein Kollege Jürgen Großmann,
seinerzeit Vorstandsvorsitzender der RWE, äußerte sich auf der Handels-
blatt-Jahrestagung in Berlin in ähnlichem Geiste und befand die Photovoltaik
in Deutschland als so sinnvoll, „wie Ananas züchten in Alaska“ (Flauger, et
al., 2012). Im Laufe des Jahres 2012, weniger als ein Jahr nach Großmanns
Äußerungen zwingt die Entwicklung auf dem deutschen Strommarkt die etab-
lierten Energieversorger zu, einem Revidieren ihrer Positionen. Bereits acht
Jahre vor dem Prognosezieljahr übertrifft der Solarstromanteil die Einschät-
zung von Villis um das 5-fache und ist die PV-Branche mit einer Wertschöp-
1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie
12
fung von 9,4 Mrd. Euro und über 100.000 Arbeitsplätzen eine festen Größe
im deutschen Energiemarkt (Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie, sowie Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit, 2012). Entsprechend räumt der Nachfolger von Herrn
Grossmann, der jetzige RWE-Chef Peter Terium, im gleichen Jahr ein: „Dass
wir die Solar-Technik lange komplett abgelehnt haben, war aus heutiger
Sicht ein Fehler" (Klormann, 2012). Zudem stoppen die beiden großen deut-
schen Atomenergiekonzerne EON und RWE in Großbritannien aufgrund zu
hoher Kosten den Bau neuer Atomkraftwerke (Deutsche Presse Agentur &
Reuters, 2012). Ein Blick auf andere europäische Energiekonzerne offenbart
ähnliche Entscheidungen. In Frankreich, einem Land mit einer traditionell
starken gesellschaftspolitischen Unterstützung für Atomstrom, zieht sich der
Energiekonzern ENEL von dem Bau eines Atomkraftwerks zurück
(Finkenzeller, 2012). Nach aktuellen Berechnungen des Konzerns liegen die
Stromgestehungskosten 20 % über denen erneuerbarer Energiequellen
(Balmer, 2012).8
Mit der Aufgabe alter Positionen und der offenen Unterstützung erneuerbarer
Energien schließen sich Politik und Wirtschaft letztlich dem gesellschaftlichen
Meinungsbild in Deutschland an. Im Jahr 2011 befürworten gemäß einer Um-
frage von TNS-Infratest 94% (Folgeumfrage 2012 93% (TNS-Infratest, 2012))
der Deutschen einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die PV
erreicht bei den Befragten die höchste Akzeptanz und wird gegenüber Wind-
kraft und Bioenergie favorisiert (TNS-Infratest, 2011). Ein Grund für die breite
Unterstützung des Ausbaus der PV ist in den positiven Nutzeneffekten der
Erneuerbaren Energien zu sehen. So nennen über 70% der Befragten die
Zukunftsfähigkeit und den Klimaschutz als wichtigste Vorteile dieser Erzeu-
gungsart (TNS-Infratest, 2011). Nach unterschiedlichen Berechnungen diver-
ser Forschungsinstitute zur monetären Wirkung erneuerbarer Energien wird
allein im Jahr 2011 der volkswirtschaftliche Nutzen der vermiedenen Emissi-
onen von Treibhausgasen und Luftschadstoffen durch Erneuerbare Energien
8
Nach einer aktuellen Studie des Frauenhofer-Instituts für solare Energiesysteme ISE ist
die Onshore-Windenergieerzeugung die derzeit billigste Form der erneuerbaren Energie-
erzeugung mit Stromentstehungskosten von 6-8 €-Cent/kWh; danach folgt die Photovol-
taik mit Kosten von 13-16 €-Cent/kWh Andere erneuerbare Energieformen, wie bspw.
Wasserkraft und Biomasse werden in diesem Rahmen nicht berücksichtigt. Vgl. hierzu:
(Kost, et al., 2012).
1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie
13
auf über 10 Mrd. Euro taxiert. Weitere Nutzenaspekte sind bspw. die verrin-
gerten Rohstoffimporte i.H.v. 6 Mrd. Euro, Investitionen und Branchenumsät-
zen i.H.v. 47 Mrd. Euro, eine Branchenbeschäftigung von 381.600 Personen
und intangible Effekte wie z.B. Technologieführerschaft (Fraunhofer-Institut
für System- und Innovationsforschung (ISI), Deutsches Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Gesellschaft für Wirtschaftliche
Strukturforschung mbH (GWS), Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES),
2012).
Auf Basis der vergangenen Ausbauerfolge der Erneuerbaren Energien, der
breiten gesellschaftlichen Unterstützung für deren Fortführung und einer ver-
schärften klimapolitischen Diskussion hat die Politik deutliche Wachstumszie-
le für die Erneuerbaren Energien bestimmt. Demnach soll bis zum Jahr 2050
mindestens 80% der Stromversorgung durch Erneuerbare Energien bereit-
gestellt werden (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit, 2012). Begleitend wurden hierzu in den letzten Jahren
Studien veröffentlicht, die langfristig eine vollständige Umstellung der Ener-
giewirtschaft von fossil-nuklearen auf erneuerbare Quellen skizzieren
(McKinsey & Company, 2010; Umweltbundesamt, 2010; Henning, et al.,
2012). Dabei kommen alle Arbeiten zu zwei gemeinsamen Erkenntnissen:
1. Eine vollständige zukünftige Stromerzeugung auf Basis Erneuer-
barer Energien ist möglich und nicht kostenintensiver als eine
fossil-nuklear basierte Stromerzeugung. Hierzu McKinsey & Com-
pany in der Studie Roadmap 2050: “The key finding […] is, that the
challenge is basically the same in either a high-carbon, low-carbon or
zero-carbon energy scenario, in terms of overall cost to consumers
and the European economy.” (McKinsey & Company, 2010)
2. Die Umstellung auf eine erneuerbare Energieerzeugung ist nur
bei einem weiteren Ausbau der Solarstromerzeugung möglich.
Als Zielwert einer erneuerbaren Energieerzeugung wird beispielsweise
im mittleren Szenario des Fraunhofer-Instituts eine PV-Kapazität von
205 GW für Deutschland ausgewiesen, was 630% der heute installier-
ten Kapazität entspricht (Henning, et al., 2012). Zudem belegen weite-
re Berechnungen, beispielsweise des Umweltbundesamtes, das Po-
tential von PV-Flächen: Nur bei einer Nutzung bestehender Siedlungs-
1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie
14
flächen ohne Berücksichtigung von Freiflächen wäre in Deutschland
bei dem heutigen Stand der Technik eine PV-Kapazität von 275 GW9
verfügbar (Umweltbundesamt, 2010).
Gerade in Anbetracht dieses Ausbaupotentials und den beschriebenen posi-
tiven Nutzeffekten obliegt es einer ganzheitlichen Betrachtung auch die aktu-
ellen Probleme des PV-Ausbaus zu beleuchten. Insbesondere die Förderge-
setzgebung steht heute aufgrund steigender Belastungen der Stromkunden
in der Kritik. Allein im Jahr 2011 müssen die Stromkunden zur Finanzierung
der EEG-Umlage 16,72 Mrd. Euro aufwenden (Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie, sowie Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2012). In Folge des weiterhin starken
Ausbaus der PV-Anlagen stieg die EEG-Umlage von 2012 zu 2013 um 46%
auf 5,27 Euro Cent pro Kilowattstunde (Bundesverband Erneuerbare
Energien e.V., 2012) und wurde somit im 13. Jahr Ihres Bestehens zum 12.
Mal erhöht. Ihr Anteil an den Haushaltsstromkosten ist damit auf über 20%
gestiegen (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, sowie
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2012).
Das steigende Fördervolumen führt folglich zu einer stetig zunehmenden fi-
nanziellen Belastung von nicht befreiten Unternehmen und privaten Verbrau-
chern. Die Bundesregierung hat auf die massiv steigenden Kosten reagiert,
indem sie die wesentliche Herausforderung derzeit in der Sicherstellung von
„Kosteneffizienz sowie Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren
Energien“ sieht und zu dessen Erreichung das EEG seit 2009 wiederholt no-
velliert hat (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, sowie
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2012).
Neben mehrfachen außerordentlichen Senkungen der Fördersätze wurde
2012 erstmalig auch ein endgültiges Auslaufen der PV-Förderung nach Er-
reichen einer installierten Kapazität von 52 GW beschlossen. Zudem ver-
sucht der Gesetzgeber zunehmend, die PV-Stromerzeugung von der EEG-
9
Andere Forschungsprojekte stützen diese Erkenntnisse: Bereits im Jahr 2008 ermittelt
das Forschungsprojekt SUN-AREA von M. Klärle mittels hochauflösender Fernerkun-
dungsdaten (Lasermessung aus der Luft), dass in der Stadt Osnabrück eine hinrei-
chende Anzahl geeigneter Dachflächen zur PV-Stromproduktion existieren, um den ge-
samten privaten Stromverbrauch der Stadt zu decken (Ludwig, et al., 2008).
1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie
15
Förderung zu entkoppeln. Nach Einführung einer Managementprämie zur
Förderung der Selbstvermarktung Anfang 2012 wurde mit der jüngsten No-
vellierungen zum 1. April 2012 das sogenannte Marktintegrationsmodell ein-
geführt, nach dem fortan maximal 90% des erzeugten Stroms von PV-
Anlagen zwischen 10-100kW-Nennleistung über EEG-Zahlungen vergütet
werden (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,
2012). Eine solche Anlage ist fortan nur wirtschaftlich zu betreiben, wenn der
Anlagenbesitzer den restlichen Strom selbst vermarktet oder verbraucht.
Künftig wird die Notwendigkeit einer Selbstvermarktung, bzw. eines Selbst-
verbrauchs voraussichtlich weiter zunehmen. Trotz der beiden Novellierun-
gen des EEGs im letzten Jahr diskutieren politische Entscheidungsträger
weitergehende Maßnahmen zur Reform des EEGs, die aufgrund der stetig
steigenden Belastung der Stromverbraucher wahrscheinlich eine weitere
Senkung der Fördersätze und eine zunehmende Marktintegration, d.h. weni-
ger Regulierung und Förderung, der PV beinhalten wird (Altmaier, 2012;
Rösler, 2013).
Der künftige Einsatz der Photovoltaiktechnologie bewegt sich in Deutschland
politisch wie unternehmerisch somit zwischen zwei Spannungsbögen. Einer-
seits existiert die gesellschaftliche Erwartung, den Anlagenbestand zur
Stromerzeugung aus klimapolitischer Verantwortung weiter auszubauen. An-
dererseits setzt jedes Vermeiden zusätzlicher Belastungen voraus, dass die-
ser Ausbau zunehmend wirtschaftlich eigenständig, d. h. unabhängig von
gesetzlichen Förderungen gelingt. Einer vorausschauenden Betrachtung
stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie dieses Spannungsverhältnis
zukünftig überwunden werden kann.
Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage leis-
ten, indem sie untersucht inwieweit Modelle anderer Branchen auf die Ver-
marktung der PV übertragen werden können. Der thematische Fokus wird
auf sogenannte Contracting-Modelle gelegt, wie sie seit längerem z. B. im
Rahmen der Wärmeenergiebereitstellung in Gebäuden erfolgreich umgesetzt
werden. Hierbei übernimmt ein Anbieter als Fachexperte die Planung, Finan-
zierung, Installation und den Betrieb einer Anlage direkt beim Kunden und
amortisiert seinen Aufwand über einen langfristigen angelegten Verkauf der
erzeugten Energie (von Braunmühl, 2000). Während diese Modelle in der
1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie
16
Vergangenheit aufgrund der hohen Installationskosten von PV-Anlagen wirt-
schaftlich weitgehend uninteressant waren, entsteht durch die jüngste Sen-
kung der Stromgestehungskosten unter den Endkundenpreis erstmals eine
potentielle Marge, die eine nähere Betrachtung des Modells in diesem Zu-
sammenhang rechtfertigt.
Ausgangspunkt für die Betrachtung in den folgenden Kapiteln bildet die
grundlegende Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Contracting und
seinen unterschiedlichen Formen, die sich in der Praxis etabliert haben. An-
schließend wird analysiert, welche Anforderungen sich aus einem PV-
Contracting ergeben und wie wesentliche Inhalte eines solchen Geschäfts-
modells organisatorisch ausgestaltet werden könnten. Insbesondere wird die
Frage behandelt, unter welchen rechtlich-organisatorischen Limitationen ein
potentielles PV-Contracting angeboten werden kann. Im nächsten Schritt soll
untersucht werden, ob heute oder in absehbarer Zukunft eine wirtschaftliche
Grundlage existiert, die es für Anbieter und Kunden attraktiv erscheinen
lässt, eine solche Dienstleistung anzubieten. Die Erkenntnisse der Arbeit re-
sümierend versucht das abschließende Kapitel eine zusammenfassende
Bewertung der Sinnhaftigkeit von PV-Contracting als Geschäftsmodell einer
nachhaltigen Energieversorgung.
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
17
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäu-
debereich
2.1 Evolution unterschiedlicher Contracting-Modelle
Der Begriff "Contracting" ist auf das englische Substantiv "Contract" (= Ver-
trag) zurückführen, sodass die Etymologie bereits das Wesensmerkmal des
zugrundeliegenden Geschäftsmodells indiziert (Meinefeld, 2004). Der Vertrag
dient als Grundlage der langfristigen Regelung eines Geschäfts zur Energie-
dienstleistung im Gebäudebereich zwischen zwei Vertragsparteien. Der so-
genannte Contracting-Geber (im Folgenden „Contractor“) tritt dabei als An-
bieter einer Energiedienstleistung auf, die vom Kunden, dem sogenannten
Contracting-Nehmer, nachgefragt wird. Die Konditionen bzgl. Leistung und
Gegenleistung zwischen den Parteien werden in einem Energiedienstleis-
tungsvertrag vereinbart. Charakteristisch für den Vertrag ist eine langfristige
zeitraumbezogene Bindung der Vertragsparteien, innerhalb welcher der
Contractor gegenüber dem Kunden die Verantwortung für die vereinbarte
Energiedienstleistung gegen Entgelt übernimmt (Hack, 2012).
Contracting-Modelle sind keine neue Entwicklung. Bereits dem Engländer
James Watt, dem Erfinder der Dampfmaschine, wird nachgesagt, den nur
mäßigen Absatz seiner neuen Maschine mithilfe eines Contracting-Modells
stimuliert zu haben. Da Ende des 18. Jahrhunderts potentielle Käufer die
Vorteile der Maschine als gering einschätzten und folglich das Risiko der An-
schaffung scheuten, soll er ihnen folgendes Angebot unterbreitet haben:
„Wir werden Ihnen kostenlos eine Dampfmaschine überlassen. Wir werden
diese installieren und für fünf Jahre den Kundendienst übernehmen. Wir ga-
rantieren Ihnen, dass die Kohle für die Maschine weniger kostet, als Sie ge-
genwärtig an Futter (Energie) für die Pferde aufwenden müssen, die die glei-
che Arbeit tun. Und alles, was wir von Ihnen verlangen, ist, dass Sie uns ein
Drittel des Geldes geben, das Sie sparen.“ (zitiert nach von Braunmühl,
2000; S. 7)
Schon die damalige Offerte von Watt enthält bereits wesentliche Aspekte der
heute am Markt üblichen Contracting-Lösungen. Demnach übernimmt der
Contractor die Investition und die Betriebsführung der Energieerzeugungsan-
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
18
lage und finanziert sich über regelmäßige Zahlungen des Kunden, die über
einen längerfristigen Zeitraum zwischen den beiden Parteien vereinbart sind.
Im Kern handelt es sich dabei um einen Transfer von Risiko und Aufwand
vom Kunden zu Lasten des Contractor, der hierfür eine langfristig planbare
finanzielle Entlohnung erhält. Aus Sicht des Kunden bezeichnet von Braun-
mühl Contracting daher als ein „Rundum-Sorglos-Paket“ (von Braunmühl,
2000; S. 6).
Nennenswerte Geschäftsvolumina erreichen Contracting-Modelle erstmals
im Nordamerika der 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Anstatt
ihren Kunden lediglich Energieanlagen zu verkaufen, beginnen erste Unter-
nehmen zusätzlich die Finanzierung und die Betriebsführung für die Kunden
zu übernehmen (Geiß, 2006). In Zeiten der Ölkrise und stetig steigender
Energieverbräuche wird Contracting als Mittel propagiert den alten Anlagen-
bestand durch neue energieeffizientere Anlagen zu ersetzen und gleichzeitig
durch eine professionelle Betriebsführung brach liegende Einsparpotentiale
zu heben. Während sich die Unternehmen durch die Ausweitung ihres Leis-
tungskatalogs zusätzliche Umsätze versprechen, besteht der Vorteil für die
Kunden darin, dass sie neben dem vermiedenen Aufwand für Investition und
Betriebsführung häufig auch anteilig an den Einsparungen partizipieren.
Aufgrund dieser Vorteile und im Zuge der steigenden Akzeptanz externer
Dienstleistungen werden in den USA 1985 bereits 50% aller Investitionen zur
Energieerzeugung in öffentlichen Gebäuden durch externe Anbieter finan-
ziert (Meinefeld, 2004). In dieser Zeit entwickelt sich eine Vielzahl eng ver-
wandter oder gar synonymer Begriffe, wie Public-Private-Partnership, Inde-
pendent-Power-Producer-Model, Third-Party-Financing oder Performance
Contracting, die allesamt Contracting-Elemente beinhalten (Henzelmann,
1995; Göllinger, 2001).
Zwar lassen sich auch in Deutschland bereits im Laufe der 80er Jahre erste
Nachweise von Contracting finden, doch handelt es sich hierbei lediglich um
vereinzelte Pilotanlagen, bzw. öffentlich geförderte Forschungsprojekte
(Meinefeld, 2004). Erst als in den 1990er Jahren erfolgreiche Projekte aus
dem europäischen Umland in Großbritannien und Skandinavien bekannt
werden, beginnen sich hierzulande Contracting-Lösungen im Markt zu etab-
lieren (Geiß, 2006). Je nach Schwerpunkt und Perspektive werden die Cont-
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
19
racting-Modelle als Outsourcing der Energieversorgung, Drittfinanzierung,
Dienstleistung über Dritte, Energieversorgungs-Outsourcing, Betreibergesell-
schaft, Energie-Contracting, Energiedienstleistung oder gewerbliche Wärme-
lieferung bezeichnet (BMVBS, BBSR, BBR, 2009) (Geiß, 2006).
Die Bezeichnungsvielfalt einander ähnelnder Modelle ist dabei auch Aus-
druck der unterschiedlichen Strömungen, die in der Branche existieren. Ein
weit verbreitetes Verständnis von Contracting rückt die Erzielung von Effizi-
enzgewinnen als Charakteristikum in den Mittelpunkt. So schreibt bspw.
Meinefeld: „Ziel aller Contracting-Modelle soll […] die Verbesserung der Effi-
zienz sein.“ (Meinefeld, 2004; S. 74). Ebenso führt Knott im Rahmen seiner
fünf Kriterien zur Beschreibung von Contracting als erstes an: „Contracting-
Konzepte dienen der Realisierung von wirtschaftlich sinnvollen
Effizienzverbesserungen bei der Energieerzeugung, -umwandlung und –
nutzung.“ (Knott, 1997; S. 21f.). Diese Auslegung von Contrachting, lässt
sich auf die ursprüngliche Fokussierung der Branche auf die Bereitstellung
von Wärmeenergie in den 1990er Jahren zurückführen. Analog zum Einsatz
der Kontrake in den USA bildet in dieser Zeit das Versprechen der
Energieeinsparung durch Effizienzverbesserung die Grundlage des
Geschäftsmodells in Deutschland. Im Zuge der immer stärker in den
öffentlichen Fokus rückenden Umwelt- und Klimaschutzaspekte wird
Contracting als integriertes Konzept verstanden, um wirtschaftliche und
ökologische Ziele zu verbinden. In Ihrem Selbstverständnis definieren sich
die Anbieter von Contracting deshalb häufig als „Lieferanten von
ökoeffizienten Dienstleistungen“ (Geiß, 2006; S. 269). Ausdruck dieser
Ausrichtung ist nicht zuletzt die Gründung und Namensgebung des Verbands
für Wärmelieferung e.V. (im Folgenden VfW), welcher als Dachorganisation
zur Förderung von Contracting-Modellen aus einem Forschungsprojekt zur
effizienteren Wärmeenergiebereitstellung hervorgeht (Verband für
Wärmelieferung e.V., 2012).
Mit der zunehmenden Verbreitung und der Entwicklung neuer Contracting-
Mischformen hat sich die Bedeutung in den letzen Jahren allerdings von
diesem ursprünglichen, engen Verständnis erweitert. Heutige Definitionen,
wie sie auch für den Verlauf dieser Arbeit maßgeblich sein sollen, definieren
den Begriff nicht über die Erzielung von Energieeffizienz oder
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
20
Primärenergieeinsparung, sondern heben den Charakter der
organisatorischen Arbeitsteilung hervor. In diesem Sinne beschreibt bspw.
die EnergieAgentur.NRW Contracting folgendermaßen:
„Contracting bedeutet die Übertragung von Aufgaben der
Energiebereitstellung und Energielieferung auf ein darauf spezialisiertes
Unternehmen (Contractor)“ (EnergieAgentur.NRW, 2007; S. 6)10
Der Vergleich zwischen dem traditionellen Contracting-Verständnis von Knott
und Meinefeld einerseits und dem der EnergieAgentur.NRW andererseits
verdeutlicht den evolutionären Bedeutungswandel des Konzepts. Für die
thematische Einordnung dieser Arbeit ist dies von wesentlicher Bedeutung,
da das heutige Verständnis grundsätzlich auch Erneuerbare Energiequellen
wie die Photovoltaiktechnologie einschließt, auch wenn diese nicht
notwendigerweise zu einer Effizienzverbesserung, sondern lediglich zur
Substitution von Kohle, Gas, Öl, etc. durch den Primärenergieträger Sonne
führen. Dies ist insofern eine neue Entwicklung, da die bisherige Literatur
Photovoltaik-Contracting nicht explizit berücksichtigt.11
In der deutschen Gesetzgebung wird der Begriff "Contracting" bisher nicht
verwendet, sondern mit dem weitgehend synonymen Term
Energiedienstleistung beschrieben (BGBl.I 2010 S.1483). Demgegenüber hat
sich in der Fachliteratur Contracting als dominante Begriffsbezeichnung (z.T.
auch als Energie-Contracting) heute weitgehend durchgesetzt (Hack, 2012).
Dies ist auch auf eine Initiative des Deutschen Institut für Normung e.V. aus
dem Jahr 2003 zurückzuführen, welches den Begriff in der DIN 8930 Teil 5
(Contracting) erstmals aufgreift uns somit den Grundstein für eine
einheitliche Terminologie wie Verständnis legte. Wie in Abbildung 3
dargestellt, werden in der DIN 8930 vier „Contracting-Varianten in Ihren
reinen Ausprägungen festgelegt“ (DIN 8930 Teil 5; S.2). Es handelt sich
hierbei um das Energieliefer-Contracting, das Einspar-Contracting, das
10
Ähnlich lautende Definitionen finden sich auch in anderen Literaturquellen. Vgl. hierzu
bspw. (Meinefeld, 2004) oder (DIN 8930, 2003)
11
Dem Autor dieser Arbeit liegen trotz mehrmonatiger Recherche keine Literaturquellen
vor, die sich dem Thema Photovoltaik-Contracting widmen. Zwar berücksichtigen einige
Beiträge die Solarenergie, jedoch ist hiermit entweder Solarthermie gemeint, oder die Be-
trachtung verbleibt abstrakt, ohne die Besonderheiten der Photovoltaiktechnologie zu
thematisieren. Vgl. hierzu bspw. (Geiß, 2006), oder (BMVBS, BBSR, BBR, 2009)
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
21
Finanzierungs-Contracting und das Technische Anlagenmanagement.
Diese Kategorisierung wird im Folgenden kurz dargestellt, da sie im Sinne
eines eindeutigen Begriffsverständnisses dem weiteren Verlauf dieser Arbeit
als Grundlage dient.
Abbildung 3: Contracting Varianten nach DIN 8930
Beim Energieliefer-Contracting übernimmt der Contractor die Verantwor-
tung für die Versorgung des Kunden mit Energie, wie bspw. Wärme, Kälte,
Licht, oder Strom, auf der Basis von langfristigen Verträgen. Er investiert
entweder in eine Neuanlage oder übernimmt die bestehende Anlage, die er
fortan unter eigenem Risiko betreibt und instand hält. Üblicherweise handelt
es sich bei diesem Modell um eine dezentrale Energieerzeugungsanlage di-
rekt auf dem Grundstück des Nutzers oder in dessen räumlicher Nähe. Im
Gegensatz zu konventionellen Energieversorgern endet die Lieferpflicht nicht
mit der Bereitstellung von Energieträgern wie Öl oder Gas, sondern geht da-
rüber hinaus, indem der Contractor auch die dezentrale Umwandlung der
Energieträger vom Kunden übernimmt, um ihn unmittelbar mit der benötigten
Energie des täglichen Gebrauchs in Form von Wärme oder Strom zu versor-
gen. Nach der DIN 8930 besteht die Leistungsvergütung durch den Kunden
„aus dem Entgelt für die bezogene Nutzenenergie, die Vorhaltung der Ener-
gieerzeugungsanlage und die Abrechnung.“ (DIN 8930 Teil 5; S.4).
Beim Einspar-Contracting liegt der Fokus nicht auf der Energieer-
zeugung, sondern auf der Optimierung der Energienutzung und des Energie-
verbrauchs. Der Contractor identifiziert mit dem Kunden Einsparpotentiale
am Gebäude im Zusammenhang mit dem Verhalten der Nutzer und realisiert
Energieliefer-Contracting Einspar-Contracting
Finanzierungs-Contracting
Technisches
Anlagenmanagement
Contracting-
Varianten
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
22
diese in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung. In der Regel se-
hen die Verträge vor, dass sich die Kosten während der Vertragslaufzeit für
den Kunden nur unwesentlich ändern, sodass der Contractor seinen Auf-
wand aus den erzielten Einsparungen finanzieren kann. Da die erzielten Ein-
sparungen zumeist dauerhafter Natur sind, profitiert der Kunde hiervon noch
nach Ende des Contracting-Vertrags (BBSR, BBR, 2012).
Dem Finanzierungs-Contracting kann eine Energieeinsparung oder eine
Energielieferung zugrunde liegen. Charakteristisch hierfür ist, dass der Cont-
ractor die anfängliche Investition übernimmt, d.h. Planung, Finanzierung und
Errichtung, bzw. Installation, der Anlage. Für die Bereitstellung erhält er in
der Folge vom Kunden wiederum ein vereinbartes Entgelt. Im Gegensatz zu
den vorhergehenden Varianten ist die Betriebsführung weiterhin Aufgabe des
Kunden. Da die Gesamtverantwortung der Maßnahme bei dieser Variante
beim Kunden verbleibt, hat der Contractor lediglich einen Anreiz die Kosten
für seinen Teil der Leistungspflicht zu minimieren, nicht aber für die Effizienz
der gesamten Maßnahme zu sorgen. Dieses Charakteristikum ist daher ein
wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu den beiden zuvor beschriebenen Va-
rianten,
Auch beim Technischen Anlagenmanagement verbleibt das Effizienzrisiko
der gesamten Maßnahme beim Kunden. Die Verantwortung des Contractor
beschränkt sich auf die Bedienung und Instandhaltung von Anlagen oder den
technischen Gewerken. In der Literatur wird es deshalb bisweilen auch als
Betriebsführungs-Contracting bezeichnet.
Beide Formen, das Finanzierungs-Contracting sowie das Technische Anla-
genmanagement, beschränken sich in ihrem Leistungsumfang lediglich auf
eine Teilfunktion der gesamten Maßnahme. Vor diesem Hintergrund lassen
sie sich als reduzierte Unterformen des Energieliefer-Contracting, bzw. des
Einspar-Contracting betrachten (Meinefeld, 2004). Trotz dieser Normierung
sind die beschriebenen Varianten kein Bestandteil gesetzlich festgeschriebe-
ner Leistungskataloge. Für den rechtlichen Anspruch ist daher nicht die Be-
nennung, sondern lediglich die im Einzelfall vereinbarte Leistung relevant
(Hack, 2012). Darüber hinaus weist das Deutsche Institut für Normung e.V. in
der zitierten Norm explizit darauf hin, dass in der Praxis unterschiedliche
Mischformen der dargestellten Varianten existieren (DIN 8930 Teil 5).
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
23
Zusammenfassend läßt sich daher festhalten, dass sich mögliche Leistungen
des Contractors aus einem breiten Bündel variabel kombinierbarer Teilleis-
tungen zusammensetzen lassen. In der Literatur aufgeführte Beispiele rei-
chen von der Planung, Finanzierung, Installation, Betriebsführung, Instand-
haltung, Abrechnung, Inkasso, Versicherung, bis zum Berichtswesen ent-
sprechender Energiedienstleistungen (EnergieAgentur.NRW, 2007; Geiß,
2006; Göllinger, 2001).
Die Gemeinsamkeit aller Contracting-Typen liegt daher nicht in der Beschrei-
bung der Aufgabeninhalte, sondern in der veränderten Zuteilung der Aufga-
ben zwischen Energiedienstleister und Kunden. So überträgt der Kunde in
allen Varianten Aufgaben im Zusammenhang mit der Energieversorgung,
bzw. –einsparung, aus seinem eigenen Verantwortungsbereich vertraglich
auf den Contractor und zahlt hierfür eine langfristig angelegte monetäre Ge-
genleistung. Ein konstitutives Merkmal des Contracting ist somit die Ver-
schiebung der konventionellen Arbeitsteilung zwischen Energieanbietern und
–nachfragern zugunsten des Energieanbieters (Hennicke, et al., 1996;
Meinefeld, 2004).
2.2 Anbieterstruktur und Marktentwicklung von Contracting
In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts sind die klassischen Energie-
versorgungsunternehmen (EVU), die ersten Anbieter von Contracting-
Verträgen in Deutschland (Geiß, 2006). Ausgehend von dem ursprünglichen
Ziel, Effizienzpotentiale auf der Kundenseite zu heben, dient Contracting die-
sen Unternehmen hauptsächlich als Mittel der Absatzförderung bzw. –
stabilisierung. Besonders die langen Amortisationszeiten und die damit ver-
bundenen Vertragslaufzeiten führen bei den Unternehmen zu verlässlich kal-
kulierbaren Umsätzen und somit zu einer langfristigen Sicherung der Erträge
(IZES gGmbH, Bremer Energie Institut, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt,
Energie, 2011).
Diese Eigenschaften wirkten auch auf Unternehmen angrenzender Wert-
schöpfungsbereiche attraktiv, sodass im Zeitverlauf neue Anbieter in den
Markt drängen. Heute steht eine Vielzahl von Unternehmen aus unterschied-
lichen Branchen den Energieversorgungsunternehmen als Wettbewerber im
Contracting-Markt gegenüber. Wie Abbildung 4 illustriert, sind die Herkunfts-
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
24
branchen der Anbieter dabei ebenso vielfältig wie die einzelnen Funktions-
leistungen, die in Contracting-Modellen gebündelt werden. So finden sich
neben den Energieversorgungsunternehmen bspw. klassische Handwerks-
betriebe, Ingenieursdienstleister, Wohnungsbaugesellschaften, Facility-
Management-Unternehmen, Anlagenhersteller und Energieagenturen unter
den heutigen Contracting-Anbietern (Knott, 1997).12
Zusätzlich zu den Unter-
nehmen, die ihr ursprüngliches Geschäftsmodell aus einem angrenzenden
Leistungsfeld um Contracting-Angebote erweitern und sich hierdurch in Ih-
rem Produktangebot diversifizieren, finden sich neue, spezialisierte Contrac-
ting-Firmen auf dem Markt. Diese zumeist eigenständigen Unternehmen se-
hen ihre Kernkompetenz allein im Bereich Contracting
(EnergieAgentur.NRW, 2007). Sie werden als
Energiediensteistungsunternehmen (EDU) bezeichnet und verstehen sich
häufig als Förderer regenerativer Energien (Geiß, 2006).
Abbildung 4: Übersicht zum Hintergrund von Contracting-Anbietern
12
In einigen Publikationen werden auch Finanzdienstleistungsunternehmen als Anbieter
von Contracting genannt. Auf ihre Nennung wurde hier bewusst verzichtet, da es sich in
der Regel um sehr spezifische Finanzierungslösungen handelt, die weder die Planung,
noch die Installation einschließen. Vgl. hierzu bspw. (EnergieAgentur.NRW, 2007).
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
25
Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Anbieter, ihren spezifischen Leis-
tungsschwerpunkten und ihrem Know-how kennzeichnet den Contracting-
Markt seine große Heterogenität (EnergieAgentur.NRW, 2007). Unterschied-
liche Studien beziffern die Anzahl der Anbieter im deutschen Markt auf 300
bis 500 Unternehmen, je nach thematischer Abgrenzung und dem Zeitpunkt
der Erhebung (BMVBS, BBSR, BBR, 2009). Qualitative Erhebungen zeigen
ferner, dass eine Dominanz von zwei Unternehmensarten im Markt festzu-
stellen ist. Nach Daten der Firma Prognos und des Vereins für Wohnen im
Eigentumg e.V. entstammen die meisten Anbieter der Brache der Energie-
versorgungsunternehmen, gefolgt von den Energiedienstleistungsunterneh-
men (Vgl. Abbildung 5). Die übrigen Anbieter sind zahlenmäßig wenig rele-
vant, da sie auch aggregiert in ihrer Anzahl hinter den beiden erstgenannten
Kategorien zurückbleiben (BMVBS, BBSR, BBR, 2009; Warnecke, 2008).
Abbildung 5: Studienergebnisse zur Anbieterstruktur bei Contracting-
Modellen im Vergleich
Der jährliche Umsatz mit Contracting-Produkten wird im Jahr 2009 insgesamt
auf ca. 2 Mrd. € taxiert (BMVBS, BBSR, BBR, 2009). Das bei weitem erfolg-
reichste Contracting-Modell im Markt ist dabei das Energieliefer-Contracting.
Nach Angaben einer VfW-Mitgliederbefragung ist diese Variante mit 85% die
mit Abstand häufigste Organisationsform beim Abschluss eines Contracting-
Vertrags im Markt. Wie Abbildung 6 zeigt folgt an zweiter Stelle das
Engergiespar-Contracting mit 9%, während die beiden anderen Varianten,
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
26
das Technische Anlagenmanagement und das Finanzierungs-Contracting,
gerade noch einen Marktanteil von 5%, bzw. 1% aufweisen (Verband für
Wärmelieferung e.V., 2011).
Abbildung 6: Übersicht zu Contracting-Varianten nach ihrer relativen Häufig-
keit
Als Zielkunden im Contracting-Markt gelten traditionell große Energiever-
braucher, wie sie in der Industrie, dem Gewerbe, öffentlichen Einrichtungen
oder der Wohnungswirtschaft zu finden sind, da durch den vergleichsweise
großen Energieverbrauch pro Kunde ein hoher Umsatz generiert wird. In der
Literatur wie in der Praxis wird in Anlehnung an diese Überlegung häufig
auch von kritischen Größen gesprochen, um ein Contracting-Modell wirt-
schaftlich zu betreiben (Geiß, 2006). Demnach sind die Anbieter nur ab einer
gewissen Umsatzgröße fähig, den Kunden einen attraktiven Preis für die
Dienstleistung anzubieten. Nach Angaben des VfW lohnt sich Contracting
erst ab einer beheizten Fläche von 1.000m², bzw. ab 6-10 Wohneinheiten pro
Wohnanlage (Verband für Wärmelieferung e.V., 2012). Dies deckt sich im
Wesentlichen mit dem Markthabitus, nach welchem sich Contracting-
Angebote schwerpunktmäßig an Kunden mit Objekten ab einer Mindestgröße
von 13 Wohneinheiten richten (BMVBS, BBSR, BBR, 2009).
Entgegen diesen Überlegungen zeigen mehrere Beispiele aus der Praxis
allerdings, dass Contracting auch für bedeutend kleinere Einheiten erfolg-
reich angeboten werden kann. Das Bremer Energie Institut führt 2011 eine
Markterhebung zu Contracting-Lösungen für Einfamilienhäuser, dem soge-
nannten Mini-Contracting, durch, in dessen Rahmen bundesweit 54 Unter-
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
27
nehmen identifiziert werden, die Contracting aktiv anbieten. Als Branchenfüh-
rer dieser Nische hat die EWE Energie AG demnach Mitte 2010 bereits über
10.000 Kunden im Rahmen eines Mini-Contractings unter Vertrag
(Clausnitzer, et al., 2011).
Obwohl diese Beispiele die Vielfältigkeit und die bestehende Verbreitung von
Contracting in Deutschland illustrieren, bleibt die Photovoltaik als Contrac-
ting-Maßnahme in Literatur wie der Praxis bis heute nahezu unberücksichtigt.
Zwar wird wie bei der Grazer Energieagentur das solare Energieliefer-
Contracting explizit erwähnt, jedoch umfasst „solar“ hier lediglich die solar-
thermische Wärmeenergieerzeugung (Grazer Energieagentur, 2013). Glei-
ches gilt für die Studie „Contracting im Mietwohnungsbau“ aus dem Jahr
2009, die auf ein gemeinsames Forschungsprojekt mehrerer Bundeseinrich-
tungen zurückgeht. In den hierzu veröffentlichen Umfrageergebnissen sehen
die Contracting-Unternehmen die größten Marktpotentiale der Branche bei
der Solarenergie und damit noch deutlich vor den klassischen Lösungen wie
bspw. BHKW, KWK oder Biomasse. Aus dem Kontext erschließt sich jedoch,
dass hierunter wiederum allein die solarthermische Wärmeerzeugung ver-
standen wird (BMVBS, BBSR, BBR, 2009), weshalb die Erkenntnisse dieser
Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit nur bedingt von Bedeutung sind.
2.3 Relevante Contracting-Modelle für die PV und Treiber für deren
Nutzung
Auf Basis der allgemeinen Charakterisierung von Contracting und dessen
Markt stellt sich im nächsten Schritt die Frage unter welcher Contracting-
Variante ein Betreibermodell auf Basis von PV einzuordnen wäre.
Wie bereits ausgeführt, führt der Betrieb einer Photovoltaik-Anlage nicht per
se zu einer Energieeinsparung. Vielmehr wird Energie in Form von Strom
unter Verwendung eines regenerativen Energieträgers produziert. Vor die-
sem Hintergrund ist die Photovoltaik als Maßnahme im Rahmen des Energie-
liefer-Contracting zu verstehen, während eine Einordung als Einspar-
Contracting hingegen definitorisch ausgeschlossen ist.13
Darüber hinaus ist
13
Dem könnte entgegnet werden, dass die Installation von Photovoltaik den konventionel-
len Stromverbrauch aus dem Netz reduziert und damit als Maßnahme im Rahmen eines
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
28
eine Modellierung als Finanzierungs-Contracting oder als Technisches Anla-
genmanagement mit dem Fokus auf eine Photovoltaik-Anlage denkbar, da
beide Formen unabhängig von der Beurteilung sind, ob eine Energieerzeu-
gung oder –einsparung erfolgt.
Aufgrund des Ziels einer ganzheitlichen und grundlegenden Betrachtung
konzentriert sich die weitere Darstellung auf die Umsetzung einer PV-Anlage
in Form eines Energieliefer-Contracting. Dieser Vorgehensweise liegt die
Annahme zugrunde, dass der Fokus auf das übergeordnete Organisations-
konzepts des Energieliefer-Contracting auch die Vor- und Nachteile der Un-
terformen, bzw. deren Wirtschaftlichkeit erlaubt.
Bei der Entscheidung, auf eine Contracting-Dienstleistung zurückzugreifen
handelt es sich im Kern um eine häufig untersuchte Thematik, die in der be-
triebswirtschaftlichen Literatur ausführlich unter der Bezeichnung „Make-or-
Buy-Entscheidung“ behandelt wird. Hierbei erfolgt die Erörterung der Frage,
ob es vorteilhaft ist, eine Leistung in Eigenfertigung zu erstellen, oder durch
Fremdbezug von einem anderen Unternehmen einzukaufen (Hill, et al.,
2010). Die Entscheidung zum Fremdbezug, auch Outsourcing genannt, be-
wirkt, dass interne Tätigkeiten fortan in der Verantwortung der externen
Dienstleister liegen (Jentsch, 2010). Es ist daher zutreffend, wenn Geiß aus
Kundensicht das Contracting als „das Outsourcing der Energieversor-
gung“ bezeichnet (Geiß, 2006; S. 272).
Aufgrund ihrer engen inhaltlichen Verwandtschaft finden sich in der betriebs-
wie energiewirtschaftlichen Literatur ähnliche Motive zur Verpflichtung exter-
ner Partner (Barzel, 2000; Meinefeld, 2004). In einer von dem BMVBS dem
BBSR und dem BBR durchgeführten Studie zum Thema Contracting im
Mietwohnungsbau werden Vertreter der Wohnungswirtschaft zu ihren Be-
weggründen befragt, Contracting-Lösungen in Betracht zu ziehen. Demnach
nennt die Mehrheit der Teilnehmer die beiden folgenden Aspekte als wesent-
lich (BMVBS, BBSR, BBR, 2009):
Energiespar-Contracting zu verstehen ist. In der Literatur wird die solarthermische Ener-
gieerzeugung allerdings als Einspeise-Contracting betrachtet (BMVBS, BBSR, BBR,
2009). Da es für die Kategorisierung unerheblich ist, ob die Abnahme von konventionell
erzeugtem Strom oder von konventionell erzeugter Wärmenergie reduziert wird, ist davon
auszugehen, dass diese Einordnung in gleicher Weise für die Photovoltaik gilt.
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
29
 Die Finanzierung der Anfangsinvestition durch den Contractor
 Die Übernahme von Dienstleistungen durch den Contractor
Diese Motive von Vertretern der Wohnungswirtschaft stehen stellvertretend
für Contracting-Kunden aller Bereiche (Geiß, 2006; Knott, 1997; Meinefeld,
2004; Clausnitzer, et al., 2011). Die Aufgabe, eine hohe Anfangsinvestition
zu finanzieren, stellt Unternehmen regelmäßig vor Herausforderungen. Bei
begrenzten finanziellen Mitteln konkurriert jede Investition in die Energieer-
zeugung im Geschäftsalltag mit dem Kapitalbedarf anderer Bereiche (Geiß,
2006). Dies kann zur Folge haben, dass die kapitalintensive Anschaffung
neuer Energieerzeugungsanlangen mit ihren vergleichsweise langen Amorti-
sationszeiten gegenüber anderen Projekten zurückgestellt wird
(EnergieAgentur.NRW, 2007). Das Unternehmen kann diesen Zielkonflikt
durch eine Finanzierung der Anfangsinvestition mithilfe eines Contractors
umgehen und sich durch nunmehr anfallende, regelmäßige, kleine Zahlun-
gen in die Lage versetzen, die Maßnahme umzusetzen (Geiß, 2006). Analog
verhält es sich bei Kunden aus dem öffentlichen, oder privaten Sektor, die
auf Basis von Contracting-Lösungen eine Entlastung im Verwaltungshaushalt
(Knott, 1997), bzw. der eigenen Rücklagen erreichen können (Clausnitzer, et
al., 2011).
Hinter dem anderen Treiber, die Übernahme von Dienstleistungen durch den
Contractor, steht das Versprechen einer zeitlichen und fachlichen Entlastung
des Kunden. „Zur Durchführung von energietechnischen Investitionen brau-
chen sich Contracting-Nehmer kein energietechnisches Wissen und keine
Markenkenntnisse anzueignen. Außerdem reduziert sich die Suche, Auswahl
und Überprüfung der Vertragspartner auf einen Generalunternehmer – den
Contracting-Geber.“ (Geiß, 2006; S. 304). Während der Kunde im Nicht-
Contracting-Fall mit vielen unterschiedlichen Funktionsträgern wie
Installateuren, Anlagenherstellern, Banken, Versicherungen, etc. in Kontakt
treten muss, ist er beim Contracting auf lediglich einen Ansprechpartner
angewiesen (Clausnitzer, et al., 2011). Die Reduktion der Schnittstellen und
Interaktionen hat für den Kunden zur Folge, dass er seine
Transaktionskosten, d.h. den eigenen Aufwand im Kontakt mit externen
Dienstleistern, signifikant reduzieren kann (Rotering, 1993; Knott, 1997). Ab-
2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich
30
bildung 7 illustriert den Unterschied zwischen den beiden
Organisationsformen schematisch.
Abbildung 7: Vergleich der Transaktionsbeziehungen zwischen dem konven-
tionellen Modell der Energiebeschaffung und dem Contracting-Modell
Neben diesen Hauptmotiven ergeben sich im Einzelfall weitere Vorteile, die
vom jeweiligen Contractor, der zugrunde liegenden Energiemaßnahme, so-
wie der individuellen vertraglichen Gestaltung abhängen. Diese umfassen
beispielsweise: Eine verbesserte Wirtschaftlichkeit in Folge von Größende-
gressionseffekten beim Contractor (EnergieAgentur.NRW, 2007), Kostensi-
cherheit durch festgelegte Energiepreise, Kostenoptimierung durch Effizienz-
gewinne (Meinefeld, 2004), Erzielung von Steuervorteilen, ein Imagegewinn
durch umweltschonende Energieanlagen (Knott, 1997), etc.
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
31
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
Nach Abschluss der allgemeinen Einführung zum Thema Contracting wird
nun untersucht, wie ein Energieliefer-Contracting auf Basis der Photovoltaik-
technologie ausgerichtet und aufgebaut sein könnte. In Anlehnung an beste-
hende Contracting-Modelle anderer Energieerzeugungstechnologien wird am
Beispiel grundlegender Bestandteile wie Kundengruppen, Anlagenstruktur,
Einspeisevertrag wird dargelegt, wie diese im Zusammenhang mit einem PV-
Contracting definiert, bzw. ausgestaltet werden könnten.
3.1 Kundensegmentierung und Energielieferumfang
Die Betrachtung potentieller Kundengruppen setzt ein klares Verständnis
voraus, unter welchen Voraussetzungen Installation und Betrieb einer PV-
Anlage auf einem Gebäude sinnvoll erscheint. So sollten sich zur PV-
Stromerzeugung eignende Pult- und Satteldächer optimaler Weise ca. 30
Grad geneigt und nach Süden ausgerichtet sein. Unabhängig von der Art des
Daches sollte während der gesamten Betriebszeit eine Verschattung der
Modulflächen vermieden werden, um signifikante Leistungseinbußen bei der
Stromproduktion und somit der Wirtschaftlichkeit der Maßnahme zu verhin-
dern (Wosnitza, et al., 2012). Desweiteren ist eine PV-Stromproduktion nur
sinnvoll, wenn am Standort auch ein Verbraucher existiert, der den produ-
zierten Strom nutzt. Sind sowohl eine geeignete Dachfläche und ein Ver-
braucher vorhanden, kann eine Eignung des Objekts für ein PV-Contracting
unterstellt werden.
Für eine grundlegende Auswahl geeigneter Objekte sind weitere Kriterien
vorerst irrelevant. Alle Eigentümer von Objekten, welche die die ersten bei-
den Kriterien erfüllen, sind demnach potentielle Kunde einer PV-Contracting-
Lösung. Auf Basis dieser beiden Qualifikationskriterien stellt sich nun die
Frage nach einer sinnvollen Segmentierung dieser Kunden.
Ohne Berücksichtigung der Branchenzugehörigkeit und Rechtsform potenti-
eller Kunden, zeigen sich erhebliche Unterschiede im Verbrauchsverhalten
und den infrastrukturellen Anforderungen. Wie die Analyse der folgenden
Kapitel zeigen wird, beeinflussen diese Eigenheiten allerdings den Aufbau
eines PV-Contractings und die alternativen Strombeschaffungskosten der
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
32
Kunden so erheblich, dass eine nähere Charakterisierung unter diesen As-
pekten lohnend erscheint.
Als Grundlage sollen hierzu die Kundensegmente der großen deutschen
Grundversorger herangezogen werden, die allesamt eine ähnliche Untertei-
lung der Kunden für ihre Stromdienstleistungen vornehmen. So unterscheidet
EnBW seine Stromkunden in Industrie-, Gewerbe-,14
und Privatkunden
(EnBW Energie Baden-Württemberg AG, 2013). Abhängig von dem betrach-
teten Segment sind deutliche Unterschiede im Stromverbrauch erkennbar.
Die größten Stromverbraucher finden sich traditionell in der Indust-
rie. Insbesondere Unternehmen aus der Metall-, Papier-, oder Chemieindust-
rie zählen zu den energieintensivsten Branchen und erreichen Jahresstrom-
verbräuche jenseits eines Gigawatts (Küchler, et al., 2012). Aufgrund ihres
hohen Verbrauchs profitieren Industrieunternehmen von vergleichsweise
günstigen Abnahmepreisen. Da die Abnahmemengen von Industriekunden
abhängig von Branche und Größe des Unternehmens streuen, ist jede all-
gemeine Aussage zum Stromverbrauch notgedrungen unscharf. Gemäß Da-
ten von Eurostat, zahlen bspw. Industrieabnehmer mit einem Verbrauch zwi-
schen 20 und 70 GWh/Jahr durchschnittlich 14,21 €-Cent pro Kilowattstunde
Strom inkl. aller Steuern (Eurostat, 2012).15
Der Stromverbrauch im Gewerbekundenbereich ist allgemein deutlich mode-
rater. Eine Aussage über die durchschnittliche Verbrauchsmenge ist auf-
grund der Mannigfaltigkeit der Betriebe in diesem Segment jedoch ebenfalls
kaum möglich. Die Staffelmengen der EnBW-Gewerbestromtarife lassen al-
lerdings eine Schätzung der Größenordnungen der Abnahmemengen zu. So
richtet sich bspw. der Gewerbestromtarif EnBW Aktiv Profi nach Verbrauchs-
stufen von 0 bis 6.000 kWh/a (Stufe 1), von 6.001 bis 30.000 kWh/a (Stufe 2)
und ab 30.001 kWh/a (Stufe 3). Die Abnahmepreise der Kunden dieses Be-
reichs sind demzufolge höher als im Industriekundensegment. Da Gewerbe-
stromtarife von Eurostat nicht ausgewertet werden, kann die Preisstruktur der
14
Während nach der Segmentierung der EnBW zusätzlich Landwirtschaftskunden aufge-
führt werden, sind diese im Rahmen dieser Arbeit unter den Gewerbekunden subsumiert
(EnBW Energie Baden-Württemberg AG, 2013).
15
Deutsche Industrieabnehmer mit einem Verbrauch zwischen 0,5 GWh/a und 2,0 GWh/a
zahlen durchschnittlich 17,03 €-Cent pro Kilowattstunde Strom inkl. Mwst. (Eurostat,
2012).
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
33
EnBW wieder als grobe Orientierung dienen. Demnach rangieren 2013 die
Preise aller angebotenen Gewerbestromtarife zwischen 26,16 €-Cent/kWh
und 31,39 €-Cent/kWh (EnBW Energie Baden-Württemberg AG, 2013).16
Privatkunden zeigen im Vergleich zu den anderen beiden Segmenten die
geringsten Abnahmemengen an Strom pro Jahr. So verbraucht ein Haushalt
im Jahr 2008 durchschnittlich 3.100 kWh/Jahr (Frondel, et al., 2011).17
Der
Preis, den private Verbraucher für eine jährliche Abnahmemenge zwischen
2.500 und 5.000 kWh im ersten Halbjahr 2012 durchschnittlich entrichten
müssen, beträgt 25,95 €-Cent pro kWh inkl. Mwst. (Eurostat, 2013).
Die zum Jahreswechsel um 1,69 €-Cent gestiegene EEG-Umlage verursacht
eine geringfügige Erhöhung der genannten Eurostat-Daten aus 2012 (Wirth,
2012). Unter Berücksichtigung dieser Erhöhung ergeben sich für das Jahr
2013 Referenzstrompreise wie in Abbildung 8 dargestellt. Verglichen mit den
Industriekunden, die aufgrund ihrer Nachfragehöhe Ihren Strom zu deutlich
günstigeren Konditionen beziehen, zahlen private Haushalte und Gewerbe
ähnlich hohe Preise für Ihren Strom.
Abbildung 8: Kategorisierung der Contracting-Projekte nach Referenzstrom-
preisen und Anzahl der Stromkunden
16
Betrachtet werden nur Laufzeitprodukte mit festen Preisen nach Auswertung einer Stutt-
garter Postleitzahl. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Tarife an anderen Standorten
von den hier genannten Werten abweichen. Die genannten Werte beinhalten die gesetz-
liche Mwst. Vgl. hierzu (EnBW Energie Baden-Württemberg AG, 2013).
17
Abhängig von der Personenzahl in den Haushalten beträgt der Stromverbrauch durch-
schnittlich zwischen ca. 1.900 bis 6.100 kWh/Jahr. (Frondel, et al., 2011).
Referenzstrompreise
Industrie
15,90 €-Cent/kWh
Gewerbe
26,16 - 31,39 €-Cent/kWh
Private Haushalte
27,64 €-Cent/kWh
Anzahl der
Stromkunden
Ein-Kunden-Fall
Eigentümer = Stromkunde
Mehr-Kunden-Fall
1) Eigentümer = Auftraggeber, ggf.
auch Stromkunde
2) Stromkunden = Mieter 1,2,3, ...
(i.d.R. mehrere)
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
34
Die Charakterisierung der bestehenden Strompreissegmente ist für die spä-
tere Preis- und Umsatzkalkulation unter Berücksichtigung von Opportunitäts-
kosten der Contracting-Nehmer von Bedeutung. Demgegenüber hat jede
kostenseitige Bewertung der Contracting-Modelle eine Kundensegmentie-
rung nach Anzahl der versorgten Stromkunden zu berücksichtigen, da diese
Zählerinfrastruktur und Abrechnungsaufwand beeinflusst.18
Im einfachsten
Fall ist der Eigentümer der Immobilie der einzige Stromverbraucher. Der
Contractor sieht sich sowohl bei der Beauftragung wie bei der Lieferung und
Abrechnung des Stroms einer einzigen Person gegenüber, weshalb diese
Konstellation entsprechend als „Ein-Kunden-Fall“ bezeichnet werden kann.
Demgegenüber ist auch die Konstellation eines „Mehr-Kunden-Falls“ mög-
lich, d.h. im Unterschied zum Ein-Kunden-Fall versorgt der Contractor meh-
rere Stromkunden in einer Liegenschaft. Dies ist bspw. im Bereich der Woh-
nungswirtschaft vorstellbar, wenn ein Unternehmen als Eigentümer einer
Immobilie ein PV-Contracting für ihr Objekt abschließt und dem Contractor
die vertragliche Sicherheit gewährt, die Anlage über die Laufzeit hinweg auf
dem Dach des Gebäudes betreiben zu dürfen. Potentieller Stromkunde wäre
in diesem Fall nicht nur der Auftraggeber und Eigentümer der Immobilie
selbst, sondern alle privaten oder gewerblichen Mieter in dem Gebäude. Der
Contractor leistet folglich eine Energiedienstleistung gegenüber allen Partei-
en, insofern diese die Dienstleistung in Anspruch nehmen.
Wird hierbei von der Stromversorgung der Kunden durch den Contractor ge-
sprochen, ist stets zu spezifizieren, ob es sich um eine Voll- oder Teilversor-
gung handelt. Dies liegt an der Tatsache, dass die Menge an produziertem
PV-Strom von der aktuellen Sonneneinstrahlung abhäng ist und daher nicht
an das Lastprofil der Stromkunden, d.h. dem tageszeitspezifischen Strom-
verbrauch, angepasst werden kann. Für die Dauer des Betriebs einer PV-
Anlage sind somit zwei Konstellationen voneinander zu unterscheiden19
:
18
Nähere Erläuterungen zu den Unterschieden im Zähleraufbau findet sich im Kapitel 3.6.
19
Theoretisch existiert eine dritte Konstellation für den Fall, dass der Stromverbrauch exakt
mit dem durch die PV-Anlage produzierten Strom übereinstimmt. In dieser Situation wür-
de weder PV-Strom ins Netz eingespeist, noch zusätzlicher Strom aus dem Netz bezo-
gen. Da dieser Fall allerdings vorwiegend theoretischer Natur ist, bzw. nur einer Mo-
mentaufnahme entspricht wird er in diesem Zusammenhang nicht weiter berücksichtigt.
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
35
1. Produzierter PV-Strom ist größer als der Stromverbrauch der Cont-
racting Kunden
2. Produzierter PV-Strom ist kleiner als der Stromverbrauch der Cont-
racting Kunden
Im ersten Fall erzeugt die Anlage mehr Strom als im Rahmen des Contrac-
ting-Modells abgesetzt werden kann. Wenn kein dezentraler Stromspeicher
existiert, wird der überschüssige Anteil in das Stromnetz eingespeist. Die
Vergütung erfolgt gemäß § 20b Abs. 10 EEG nach den im Bundesanzeiger
veröffentlichten Sätzen zugunsten des Contractors. Produziert die PV-Anlage
hingegen im zweiten Fall weniger Strom, als vom Kunden benötigt wird,
muss die über die Teilversorgung der PV-Anlage hinausgehende Menge an
Strom aus dem Netz bezogen werden. Dies erfolgt entweder über einen se-
paraten Stromliefervertrag, den der Kunde parallel zum Contracting mit ei-
nem EVU (Energieversorgungsunternehmen) seiner Wahl schließt, oder aber
der Contractor bietet dem Kunden eine Vollversorgung an, indem er den feh-
lenden Strom, sogenannten Zusatz- und Reservestrom, aus dem Netz zu-
kauft (Legler, et al., 2013). In diesem Fall schließt der Contractor zur Erfül-
lung seiner Vollversorgungspflicht einen Stromliefervertrag mit einem ande-
ren EVU, der die Differenz zwischen Kundenverbrauch und PV-Erzeugung
liefert (Hack, 2012). Für den Kunden hat dies den Vorteil, dass er keine zwei,
sondern wie bisher lediglich einen Vertrag für seine Strombezug abschließen
muss. Abbildung 9 stellt die erläuterten Rechtsverhältnisse für ein PV-
Contracting mit Vollversorgung im Überblick dar.
Neben dem Einspeisevertrag mit dem Netzbetreiber und dem Liefervertrag
zur Bereitstellung von Zusatz- und Reservestrom mit einem anderen EVU
stellt die vertragliche Regelung zwischen dem Contractor und dem Contrac-
ting-Nehmer, bzw. den einzelnen Stromkunden, das wichtigste vertragliche
Gestaltungselement eines PV-Contractings dar.
Im Fall des Mehr-Kunden-Modells bedarf es für die Belieferung jedes Kunden
jeweils einen Stromliefervertrag und zusätzlich einem Contracting-Vertrag für
die vertraglichen Regelungen zwischen Contracting-Nehmer und Contractor.
Im Ein-Kunden-Modell kann hingegen sowohl die Stromlieferung als auch die
Bereitstellung der Dachfläche in Verbindung mit der PV-Anlage in einem ein-
zigen Dokument, dem sogenannten Energiedienstleistungsvertrag, geregelt
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
36
werden. Die organisatorische Ausgestaltung der wichtigsten Bestandteile
eines PV-Contractings mit einem Energiedienstleistungsvertrag wird in den
folgenden Unterkapiteln behandelt.
Abbildung 9: Relevante Rechtsverhältnisse bei PV-Contracting mit Vollver-
sorgung (Legler, et al., 2013)
3.2 Allgemeine Bestimmungen und Rechtsnatur von
Energiedienstleistungsverträgen
Der Betrieb dezentraler Stromerzeugungsanlagen -und somit auch ein mögli-
ches PV-Contracting- wird juristisch als Betrieb einer dezentralen Kundenan-
lage bewertet und nicht wie grundsätzlich vorstellbar als dezentrales Strom-
netz. Dies ist in der praktischen Umsetzung von erheblicher Bedeutung, da
hierdurch weitreichende Pflichten zur Regulierung, Meldung und Überwa-
chung entfallen (Legler, et al., 2013). Maßgeblich für diese Interpretation ist
ein gesetzlicher Kriterienkatalog, der die Anzahl der angeschlossenen End-
verbraucher, die geographische Ausdehnung, die Menge durch geleiteter
Energie, sowie sonstige Kriterien zur Bewertung vorgibt (§ 3 Nr. 24a EnWG).
Da einzelne dezentrale Energieerzeugungsanlagen im Sinne eines Energie-
liefer-Contractings im Vergleich zum restlichen Strommarkt hinsichtlich die-
ses Kriterienkatalogs als nicht signifikant angesehen werden, entfallen diese
Netzpflichten auch für den PV-Contractor (§ 3 Nr. 16/18 EnWG).
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
37
Darüber hinaus sind die hier verwendeten Vertragsbegrifflichkeiten rechtlich
mit keinen weiteren Ansprüchen verbunden. Alternativ zu den Begriffen, wie
Stromliefervertrag, Contracting-Vertrag, bzw. Energiedienstleistungsvertrag
sind daher auch andere Bezeichnungen möglich. Wie bei der Bezeichnung
der Contracting-Modelle führt dies dazu, dass nicht die Bezeichnung des
Vertrags, sondern allein dessen inhaltliche Ausgestaltung die Rechte und
Pflichten der Vertragsparteien festlegt (Hack, 2012).
Juristisch handelt es sich bei den Energiedienstleistungsverträgen um „Kauf-
verträge oder gemischte Verträge mit kauf-, werk- und dienstvertraglichen
Elementen“ (Hack, 2012, S. 13). Verstößt der Inhalt nicht gegen gesetzliche
Verbote, kann durch einen derartigen Vertrag ein Schuldverhältnis beliebigen
Inhalts begründet werden (§ 311 Abs. 1 BGB). Die vielen unterschiedlichen
Contracting-Modelle indizieren, dass kein einheitliches Modell für einen sol-
chen Energiedienstleistungsvertrag existiert (de Wyl, et al., 2003). Daraus
folgt unmittelbar, dass der Energiedienstleistungsvertrag zur Stromlieferung
unter Beachtung einiger weniger gesetzlicher Verordnungen und Richtlinien
ein durch die Geschäftspartner frei zu gestaltendes Vertragswerk darstellt (§
311 Abs. 1 BGB).20
Aufgrund dieses Gestaltungsspielraums sind die Leistun-
gen und Pflichten zur Schaffung von Rechtssicherheit aller Beteiligten, sorg-
fältig vertraglich zu regeln sind.
3.3 Liefer- und Leistungspflichten des Contractors
Die Hauptpflicht des Contractors besteht in der Bereitstellung des Stroms
aus der PV-Erzeugung und den notwendigen Zusatz- und
Reservestromkontingenten.21
Da die Sonnenstrahlung als
Primärenergieträger zur Erzeugung von PV-Strom täglichen, jahreszeitlichen
und sogar jährlichen Schwankungen unterliegt (Watter, 2011), ist es
unmöglich den Umfang der PV-Strommenge exakt festzuschreiben. Damit
20
Bei der Stromlieferung an Haushaltskunden sind Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie
(EltRL), sowie § 41 des Energiewirtschaftgesetzes (EnWG) zu beachten, zudem ist die
Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) und die Niederspannungsanschlussver-
ordnung (NAV) von praktischer Bedeutung (Hack, 2012).
21
Vor dem Hintergrund einer umfassenden Betrachtung des PV-Contractings wird im Fol-
genden von einer Vollversorgung inkl. der Lieferung von Zusatz- und Reservestrom aus-
gegangen.
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
38
dennoch der vornehmliche Zweck des PV-Contractings, nämlich die
Lieferung von dezentral erzeugtem PV-Strom, auch in den Leistungspflichten
des Contractors Berücksichtigung findet, kann ggf. eine langfristige
Mindestmenge an PV-Strom vereinbart werden, die die zugrundeliegende
Anlage auch in strahlungsärmeren Jahren erreichen soillte. Der Contractor
sollte dies beurteilen können, da er auf Basis seiner Fachexpertise mögliche
Objekte vor Abschluss der Verträge ohnehin evaluieren und hinsichtlich der
Wirtschaftlichkeit einer PV-Stromerzeugung einschätzen muss.
Da die Konditionen und der Umfang aller Leistungspflichten vom jeweiligen
Objekt abhängen und zudem Gegenstand einer individuellen Verhandlung
zwischen Contractor und Contracting-Nehmer sind, soll an dieser Stelle
lediglich ein Überlick zu den wesentlichen Regelungspunkten gegeben
werden. Auf Basis des § 5 AVBFernwärmeV und einer Auflistung von Hack
ist eine Regelung forlgender Sachverhalte erforderlich (Hack, 2012):
Art der zu liefernden Energie
Anschlussleistung und voraussichtliche Jahresarbeit
Weitere Details zur Stromlieferung, ggf. Spezifizierung zum
Mindestumfang an dezentral erzeugtem PV-Strom
Lieferort
Lieferzeitraum
Zulässige Unterbrechungen der Versorgung (höhere Gewalt und
andere Störungen durch Dritte; ggf. bestimmte Anlagenrisiken;
betriebsnotwendige Arbeiten an der Anlage); besondere
Anforderungen an die Versorgungssicherheit
Anlagengrenze: Abgrenzung der Anlage des Energiedienstleisters von
der Kundenanlage, insbesondere bei abweichender Liefergrenze
Übernahme sonstiger Arbeiten/Aufgaben durch den
Energiedienstleister
Wie in der obigen Auflistung bereits angedeutet, umfasst eine hinreichende
Beschreibung der Liefer- und Leistungspflichten nicht nur ihre Spezifizierung
nach Ort, Zeit und Sache, sondern auch die Ausführung, unter welchen Be-
dingungen diese gelten, bzw. nicht gelten. Andernfalls besteht das Risiko,
dass sich der Contractor gegenüber dem Kunden nach §280 Abs. 1 BGB
schadensersatzpflichtig macht, falls es während der Betriebsführung zu einer
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
39
Leistungsstörung kommt, auch wenn er die Störung nicht direkt zu vertreten
hat. Zu Gunsten gegenseitiger Transparenz ist im Interesse beider Vertrags-
parteien daher vertraglich zu vereinbaren, für welche Fälle eine Leistungs-
pflicht gilt und unter welchen Umständen diese außer Kraft gesetzt wird.
Eine mögliche Quelle für Leistungsstörungen der PV-Stromproduktion sind
Auswirkungen externer Ereignisse wie Sturm, Feuer, Überspannung, die zu
einer Beschädigung und einem Ausfall der PV-Anlage führen können. Durch
den Abschluss einer gängigen Allgefahrenversicherung können diese Fälle
allerdings versichert und über den Strompreis auf den Kunden umlegt wer-
den. Die Versicherung entschädigt in diesem Fall nicht nur die Reparatur der
defekten Teile, sondern übernimmt auch die Ertragseinbußen während der
Schaden verursachten Ausfalldauer (Seltmann, 2011).
Ist ein Anlagenausfall jedoch nicht auf äußere Einwirkungen, sondern auf das
Bauteil selbst zurückzuführen, entfällt auch der Anspruch auf eine Ausfallent-
schädigung. Der Ausfall eines PV-Moduls während des Contractings ist auf-
grund ihrer Lebenserwartung von mehr als 20 Jahren eher unwahrscheinlich.
Demgegenüber ist davon auszugehen, dass die eingebauten Wechselrichter
während der Betriebszeit ausfallen und zu ersetzen sind (Seltmann, 2011).
Um eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Contractor auszuschließen,
sind diese Fälle vollständig oder auch nur im beschränkten Maße von der
Leistungspflicht auszunehmen. Vorstellbar ist bspw. ein an der zu erwarten-
den Wiederbeschaffungszeit der einzelnen Anlagenkomponenten orientierter
Reaktionszeitraum, innerhalb dessen Verlauf der Contractor die Leistungs-
störung nicht zu vertreten hat. Ebenso sollte die Leistungspflicht des Cont-
ractors dann außer Kraft gesetzt werden, wenn Arbeiten zur Wartung und
Instandhaltung eine kurzzeitige Abschaltung der Anlage erfordern, da dies
notwendiger Bestandteil der Betriebsführung, sowie Basis einer effizienten
und störungsarmen Stromproduktion der Anlage ist.
Bei Leistungsstörungen, die in den unmittelbaren Verantwortungsbereich des
Contractors fallen (bspw. Planungs-, Installations- oder Betriebsfehler), ist
eine Ausnahme von der Schadensersatzpflicht gegenüber dem Kunden
kaum zu vertreten, jedoch gilt auch hier die Vertragsfreiheit, sodass die Ver-
tragsparteien individuelle Lösungen vereinbaren können (Hack, 2012).
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
40
Anders als bei etablierten Contracting-Modellen der Wärmeenergieversor-
gung ist eine Versorgung der Kunden auch bei einer Störung der dezentralen
Energieerzeugungsanlage über den vorhandenen Netzanschluss jederzeit
gegeben. Dies hat zur Folge, dass im Wesentlichen der Contractor aufgrund
der entgangenen Umsätze die Folgen einer Leistungsstörung der Anlage
trägt, während der Kunde in seinem Verbrauchsverhalten nicht eingeschränkt
wird. Der Contractor hat somit stets das Interesse, eine möglichst hohe Anla-
genverfügbarkeit sicherzustellen. Abhängig von den jeweiligen Preisstruktu-
ren entstünde für den Kunden überhaupt nur in dem Maße ein wirtschaftli-
cher Schaden, wie er den PV-Strom günstiger bezieht als den Zusatz- und
Reservestrom.
3.4 Abnahmepflicht von Kunden und Netzbetreibern
Die Abnahmepflicht des Kunden bildet das Pendant zu den Liefer- und Leis-
tungspflichten des Contractors. Dieser verpflichtet sich nur dann in die Ener-
gieerzeugungsanlage zu investieren, wenn der Absatz der produzierten
Energie sichergestellt ist. Der langfristig abgesicherte Verkauf der Energie
garantiert die Amortisation seiner Investition. Im Gegensatz zu konventionel-
len Contracting-Modellen aus der Wärmeenergieversorgung ist der Contrac-
tor im Rahmen des PV-Contracting bei seinem Absatz nicht ausschließlich
an den Kunden gebunden (Meinefeld, 2004).
Eine weitere Option zum Absatz des erzeugten PV-Stroms besteht in der
Einspeisung in das öffentliche Netz. Durch die seit Einführung des EEGs am
1. April 2000 geltende Einspeiseregelung, ist der Netzbetreiber verpflichtet,
Strom aus erneuerbaren Energiequellen über eine Dauer von 20 Jahren zu
einem festgelegten Satz pro kWh zu vergüten (Bundesumweltministerium,
2000). Seit der jüngsten Novellierung des EGGs wurde diese Regelung je-
doch eingeschränkt. Bei einer installierten Anlagenleistung zwischen 10 kWp
und 1000 kWp gelten die Einspeisetarife für maximal 90% der jährlich produ-
zierten Energie , während die restliche Strommenge von den Netzbetreibern
nicht vergütet wird (BGBl. 2012, Teil I, Nr. 38, S. 1754). Für den Erlös von
Verkaufspreisen ist der Contractor gezwungen, mindestens 10% seiner Pro-
duktion dezentral an einen Kunden zu verkaufen.
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
41
Die Stromabnahme des Kunden ist daher für den wirtschaftlichen Betrieb der
PV-Anlage nach wie vor erforderlich. Ein Vergleich der vom EEG garantier-
ten Vergütungssätze und den Endkundenpreisen der Verbraucher zeigt zu-
dem, dass der Contractor mit dem Verkauf an den Kunden vermeintlich hö-
here Preise erzielen kann. Abbildung 10 illustriert, dass bspw. im Jahr 2013
der zuvor errechnete Referenzstrompreis privater Haushalte 74% höher liegt
als der ab ersten April 2013 geltende EEG-Vergütungssatz für bis zu 10-
kWp-Anlagen (Bundesnetzagentur, 2013). Für den Contractor ist es daher
vorteilhaft, möglichst viel Strom dezentral an den Kunden zu verkaufen, auch
wenn von den hier abgebildeten Referenzstrompreisen noch Umlagen und
Steuern abzuführen sind.22
Abbildung 10: Vergleich der EEG-Einspeisevergütung und den Referenz-
strompreisen der Kundensegmente
Die Einspeisung in das öffentliche Stromnetz auf Basis des EEGs ist für den
Contractor vor diesem Hintergrund lediglich die zweitbeste Alternative.
Gleichzeitig bildet sie aber die Basis für die Wirtschaftlichkeit des gesamten
Modells, da überschüssiger PV-Strom keinen Umsatzausfall für den Contrac-
tor nach sich zieht, sondern im Rahmen der Einspeisetarife garantiert vergü-
22
Eine detailliertere Aufschlüsselung nach Art und Umfang der gesetzlich vorgeschriebe-
nen Steuern und Umlagen beim Verkauf von dezentral erzeugtem PV-Strom an Endkun-
den erfolgt im Kapitel zur Preiskalkulation.
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
42
tet wird. Dabei unterscheidet die Existenz von zwei unterschiedlichen Ab-
satzkanälen das PV-Contracting grundsätzlich von Energieliefer-Contracting-
Modellen der Wärmeversorgung, bei der der Absatz der produzierten Energie
in der Regel lediglich über die direkte Versorgung der Kunden erfolgt (Knott,
1997; Hennicke, et al., 1996).
Während die Umsätze im Falle der Netzeinspeisung durch die Regelungen
des EEGs langfristig garantiert sind, ist der Contractor daran interessiert
auch die Abnahme durch die Kunden langfristig sicherzustellen. Dies ist ins-
besondere von Bedeutung, wenn die Wirtschaftlichkeit des gesamten Ener-
gieliefer-Contracting von den attraktiven Kundenumsätzen abhängt.
Rechtlich betrachtet ist der Kunde nach § 4 StromGVV durch den Abschluss
eines Stromliefervertrags verpflichtet, seinen gesamten Elektrizitätsbedarf
durch den Bezug beim Lieferanten zu decken. Gleichzeitig wird allerdings die
Vertragslaufzeit im Sinne einer freien Versorgerwahl nach § 309 Nr. 9 BGB
auf maximal 2 Jahre beschränkt. Außerdem wird dem Kunden eine Kündi-
gungsfrist von 2 Wochen eingeräumt (§ 20 Abs. 1 StromGVV). Eine langfris-
tige Planungsgrundlange mit festen Kundenumsätzen, die für den Contractor
die Investition in eine PV-Anlage rechtfertigen würde, ist auf dieser Basis
nicht gegeben. Eine längere Vertragslaufzeit ist grundsätzlich möglich, muss
jedoch über eine Individualabrede im Sinne des § 305 b BGB vereinbart wer-
den.
Eine andere Rechtsfolge ergibt sich bei einer langfristigen Absicherung der
Abnahmepflicht in Form einer Dienstbarkeit. Im Unterschied zu den zuvor
diskutierten vertraglichen Regelungen wird die Abnahmepflicht in diesem Fall
nicht mit einer Person, sondern dem Grundstück verknüpft, auf dem die An-
lage errichtet wird. Dies hat den Vorteil, dass bei einem Eigentümerwechsel
die Abnahmeverpflichtung bzgl. des produzierten PV-Stroms automatisch auf
den neuen Eigentümer übertragen werden kann. Die rechtliche Definition der
sogenannten "beschränkten persönlichen Dienstbarkeit"23
lautet wie folgt:
23
Von der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit wird die Grunddienstbarkeit nach §
1018 unterschieden, die die Belastung eines Grundstücks gegenüber einem anderen re-
gelt. In diesem Fall wird hingegen davon ausgegangen, dass die PV-Anlage direkt auf
dem Dach des Gebäudes und somit direkt auf dem Grundstück des Contracting-Nehmers
installiert wird. Die Grunddienstbarkeit findet daher keine direkte Anwendung.
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
43
„Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu des-
sen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist das Grundstück in einzelnen
Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die
den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann“ (§ 1090 BGB)
In der praktischen Anwendung folgt hieraus, dass die Befugnisse des Eigen-
tümers durch die Eintragung einer Dienstbarkeit auf verschiedene Arten ein-
geschränkt werden können. Im Sinne des PV-Contractings kann dem Eigen-
tümer untersagt werden, eigene Stromerzeugungsanlagen auf dem Grund-
stück zu errichten oder Strom von anderen als dem PV-Contractor zu bezie-
hen (Hack, 2012). Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Eigentümer des
Grundstücks verpflichtet ist, seinen Strombedarf über den PV-Contractor zu
decken. Die Dienstbarkeit wird durch die Eintragung in das Grundbuch wirk-
sam und hat dauerhaften Bestand, wenn sie nicht durch Angabe eines Aus-
laufdatums befristet wird (Ahrens, 2007). Der PV-Contractor vermag somit,
seine Alleinstellung als Versorger langfristig zu sichern.
Die langfristige Abnahmepflicht über die Eintragung einer Dienstbarkeit bin-
det allerdings nur den Eigentümer und nicht die andere Stromkunden im Ge-
bäude. Für die Stromkunden im Mehr-Kunden-Fall bedeutet dies, dass sie
unverändert über die relativ kurze gesetzlichen Vertragslaufzeiten und Kün-
digungsfristen im Sinne BGB und StromGVV verfügen (Legler, et al., 2013).
Für eine Bindung dieser Kunden ist daher ein langfristig wettbewerbsfähiges
Preismodell notwendig.
3.5 Eigentum und Zutritt zur Anlage
Wesentliches Charakteristikum des hier beschriebenen Energieliefer-
Contracting ist die Übernahme von Planung, Investition und Betriebsführung
der PV-Anlage durch den Contractor, der zugleich auch Eigentümer der PV-
Anlage ist. Diese besitzrechtliche Verteilung dient dem Zweck des gesamten
Modells, den Kunden von möglichst allen Risiken und Pflichten der Energie-
bereitstellung zu befreien, insbesondere auch den mit dem Besitz und Be-
trieb der Energieerzeugungsanlage verbundenen. Darüber hinaus ist der
Contractor für die Umsetzung des Contractings auch darauf angewiesen,
über das alleinige Eigentum an der Anlage zu verfügen, um diese für die Fi-
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
44
nanzierung24
der Investition als Sicherungsmittel hinterlegen zu können
(Drukarczyk, 2003).
Aufgrund der festen Installation der PV-Anlage auf dem Grundstück des
Contracting-Nehmers ist die rechtlich eindeutige Regelung der Eigentums-
verhältnisse der Anlage nicht trivial und bedarf einer besonderen, Betrach-
tung. Nach deutscher Rechtsprechung gehen bewegliche Sachen, welche zu
einem wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes werden, automatisch in das
Eigentum ihres Besitzer über (§ 946 BGB). Das Eigentumsrecht des bisheri-
gen Eigentümers an der mit dem Gebäude verbunden Sache erlischt unwei-
gerlich und endgültig, unabhängig von der Motivation der handelnden Akteu-
re (Hack, 2012).
Diesbezüglich deutet die bisherige Rechtsprechung darauf hin, dass auch
Energieerzeugungsanlagen von Gebäuden im Sinne des § 94 Abs. 2 BGB
als wesentlicher Bestandteil des Gebäudes gesehen werden.25
Dies hätte zur
Folge, dass der Contractor sein Eigentum an der PV-Anlage unweigerlich
verliert, sobald diese auf dem Dach installiert ist (Hack, 2012).
Eine Möglichkeit für die Wahrung des Anlageneingentums zugunsten des
Contractors ergibt sich über die Regelung zum Scheinbestandteil in § 95
Abs. 1 S. 1 BGB. Demnach bleiben die Eigentumsverhältnisse unverändert,
wenn eindeutig geregelt ist, dass die PV-Anlage nur zu einem vorüberge-
henden Zweck auf dem Dach installiert und nach Beendigung der Energie-
dienstleistung wieder demontiert wird. Sie gilt dann rechtlich als sogenannter
"Scheinbestandteil" des Gebäudes. Dies setzt allerdings voraus, dass die
Lebensdauer der Anlage die Laufzeit der Energiedienstleistung übersteigt
und der Vertrag weder eine Absicht noch ein Wahlrecht zur Übernahme der
Anlage durch den Eigentümer nach Vertragsende vorsieht (Hack, 2012).
Beide Aspekte führen unabhängig voneinander zu einer Unwirksamkeit der
Scheinbestandteilsabrede.26
Ein vorübergehender Zweck im Sinne des
24
An dieser Stelle wird davon ausgegangen, dass der Contractor die Anlage teilweise oder
vollständig aus Fremdkapitalmitteln finanziert. Bei einer vollständigen Eigenkapitalfinan-
zierung sind keine Sicherheiten zu hinterlegen (Drukarczyk, 2003).
25
Vgl. hierzu OLG Rostock, Urt. v. 15.01.2004 – 7 U 91/02, Rn. 11, CuR 2004, 145-148.
26
Bzgl. der Übernahme der Anlage durch den Kunden im Zsh. mit der Interpretation als
Scheinbestandteil vgl. bspw. folgende Urteile: BGH, Urt. v. 20.05.1988 – V ZR 269/86,
NJW 1988, 2789, 2790 = BGHZ 104, 298,301; Urt. v. 04.07.1984 – VIII ZR 270/83, WM
1984, 1236, 1237; etc. Bzgl. der Lebensdauer der Anlage im Zsh. mit der Interpretation
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
45
Scheinbestandteils wird rechtlich auch vermutet, wenn der Contractor die
benötigte Dachfläche mietet oder pachtet. Hierzu führt der Bundesgerichtshof
aus: „Verbindet der Mieter, Pächter oder ein in ähnlicher Weise schuldrecht-
lich Berechtigter Sachen mit dem Grund und Boden, so spricht nach festste-
hender Rechtsprechung regelmäßig eine Vermutung dafür, dass dies nur im
seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit zu ei-
nem vorübergehenden Zweck geschieht“ (BGH, Urt. v. 31.10.1986 – VZR
168/85, NJW 1987, 774).
Die dritte Methode, das Eigentum an der PV-Anlage auch während des
Betriebs zu sichern, besteht in der bereits zuvor erwähnten beschränkten
persönlichen Dienstbarkeit. Ähnlich wie bei Miete oder Pacht geht die Anlage
rechtlich nicht in das Eigentum des Gebäudeeigentümers über, wenn die In-
stallation und der Betrieb in Ausübung einer eingetragenen Dienstbarkeit er-
folgt (§ 95 Abs. 1 S. 2). Da die Eintragung der Dienstbarkeit zur Absicherung
der Abnahmepflicht ohnehin empfehlenswert ist, folgt hieraus kein nennens-
werter Mehraufwand für die Beteiligten. Im Gegensatz zu den Bestimmungen
zum Scheinbestandteil (§ 95 Abs. 1 S.1 BGB) hat in diesem Fall das Eigen-
tumsrecht des Contractors auch dann Bestand, wenn dem Kunden eine Op-
tion zur Übernahme der Anlage nach Vertragsende eingeräumt wird.27
Dies
ist für beide Seiten vorteilhaft, da der Kunde die Anlage zur eigenen Strom-
produktion weiter nutzen kann und der Contractor die Kosten für ihre Demon-
tage und Entsorgung spart.
Zur vollumfänglichen Erfüllung seiner Leistungspflichten ist das Eigentums-
recht des Contractors über die PV-Anlage allerdings nicht ausreichend, denn
hierzu benötigt der Contractor zudem ein Zugangsrecht zu den Anlagenteilen
von dem Eigentümer des Grundstücks, bzw. Gebäudes, um regelmäßige
Tätigkeiten wie Instandhaltung und Wartung durchführen zu können. Auf-
grund der bereits diskutierten Vorteile eines Eigentümerwechsels wird dies
im gegenseitigen Einverständnis sinnvollerweise ebenfalls über die Eintra-
gung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit garantiert (§ 1090 BGB).
als Scheinbestandteil vgl. bspw. folgendes Urteil: OLG Köln, Urt. v. 13.05.1961, NJW
1961, 461, 462.
27
Vgl. hierzu bspw. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.04.2007 – 9 U 73/06, Rn. 38 CuR 2007, 66-
70.
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
46
3.6 Umsetzungsphasen und Anlageninfrastruktur
Der Ablauf eines Energieliefer-Contractings kann in unterschiedliche, stan-
dardisierte Prozessfolgeschritte unterteilt werden (Meinefeld, 2004; Hack,
2012).
Jedes Contractings beginnt mit der Phase der Projektierung. Unter Berück-
sichtigung der örtlichen Charakteristika plant der Contractor die entspre-
chende PV-Anlage und erstellt ein Gesamtkonzept. Abhängig von der Art der
Auftragsanbahnung ist eine Zweiteilung der Projektierungsphase vorstellbar,
bspw. wenn im Zuge einer allgemeinen Projektausschreibung andere Cont-
racting-Unternehmen ausgestochen werden, eine detaillierte Projektierung
aber erst nach der Auftragsvergabe erfolgen soll.
Nach Abschluss der Projektierung erfolgt die Realisierung, die sowohl die
Beschaffung der Anlage wie die Installation und die Inbetriebnahme am Ein-
satzort umfasst. Beide Phasen nehmen nur einen kleinen zeitlichen Teil des
gesamten Contracting-Projekts in Anspruch, sind aber dennoch für den Er-
folg der Gesamtmaßnahme maßgeblich, da in dieser Phase die Basis einer
erfolgreichen Betriebsführung gelegt wird.
Abbildung 11: Überblick zu den Umsetzungsphasen von PV-Contracting-
Modellen
Die Betriebsführung bildet mit Abstand die längste Phase des Contractings
und ist zugleich Kernbestandteil im Sinne der vereinbarten Leistungspflich-
ten. Durch den Betrieb der Anlage und die Ausführung begleitender Tätigkei-
ten wie Wartung und Instandhaltung erfüllt der Contractor seine vertragliche
Pflicht zur Lieferung von Strom aus der PV-Anlage. Im Gegensatz zu fossil-
konventionellen Contracting-Arten entfällt hierbei die Brennstoffbeschaffung
durch den Contractor, da Sonnenenergie als Primärenergieträger genutzt
3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings
47
wird. Ist allerdings eine Vollversorgung mit den Kunden vereinbart, verbleibt
der Contractor in der Pflicht, Zusatz- und Reservestrommengen zu stellen.
Das Ende des PV-Contractings markiert die Auslaufphase. Nach Erfül-
lung der vertraglich vereinbarten Dauer der Strombereitstellung stellt der
Contractor entweder den ordnungsgemäßen Rückbau und die Entsorgung
der Anlage sicher, oder er verkauft sie zur weiteren Nutzung an den Eigen-
tümer.
Abbildung 12: Übersicht zu den Anlagenkomponenten eines PV-Contractings
Die Bestandteile einer PV-Anlage unterscheiden sich im Contracting-Fall
nicht wesentlich von dem konventionellen, eigentümerfinanzierten Betrieb.
Die gundlegende Struktur der einzelnen Anlagenteile ist in Abbildung 12
dargestellt. Kernbestandteil der Anlage sind die auf der Dachfläche
installierten PV-Module.. Über eine Verkabelung wird der produzierte
Gleichstrom (DC) an einen Wechselrichter geleitet, der die Umwandlung in
für den Gebrauch im Haushaltsstromnetz üblichen Wechselstrom (AC)
übernimmt (Wesselak, et al., 2012). Da eine permanente Überprüfung der
Funktionsfähigkeit der Anlage unmöglich ist, besteht das Risiko, dass
Anlagenausfälle oder –störungen längere Ertragsausfälle verursachen. Zu
deren Vermeidung und zur Ermöglichung einer kurzfristige Reaktion des
Contractors, muss daher zudem eine Lösung zur Anlagenfernüberwachung
installiert werden. Wie bei Großanlagen bereits ohnehin üblich (Seltmann,
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Photovoltaik-Contracting für Gebäude

  • 1. „Photovoltaik-Contracting für Gebäude“ Neue Geschäftsmodelle der zukünftigen Energieversorgung Nicolai Wenzel
  • 3. Inhaltsverzeichnis I Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis..........................................................................................I Abbildungsverzeichnis ................................................................................II Tabellenverzeichnis.....................................................................................III Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. IV 1. Historische Entwicklung der Photovoltaiktechnologie...................6 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich ........17 2.1 Evolution unterschiedlicher Contracting-Modelle......................17 2.2 Anbieterstruktur und Marktentwicklung von Contracting...........23 2.3 Relevante Contracting-Modelle für die PV und Treiber für deren Nutzung..........................................................................27 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings ..........................31 3.1 Kundensegmentierung und Energielieferumfang .....................31 3.2 Allgemeine Bestimmungen und Rechtsnatur von Energiedienstleistungsverträgen ..............................................36 3.3 Liefer- und Leistungspflichten des Contractors ........................37 3.4 Abnahmepflicht von Kunden und Netzbetreibern .....................40 3.5 Eigentum und Zutritt zur Anlage ...............................................43 3.6 Umsetzungsphasen und Anlageninfrastruktur..........................46 4. Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von PV-Contracting anhand eines Fallbeispiels............................................................................51 4.1 Darstellung des Fallbeispiels....................................................51 4.2 Investitions- und Kostenstruktur ...............................................53 4.3 Preis- und Umsatzstruktur........................................................57 4.4 Bewertung der Gesamtinvestition nach Zinsfuß- und Kapitalwertmethode..................................................................61 4.5 Sensitivität ausgewählter Einflussfaktoren ...............................63 5. PV-Contracting als zukünftiges Geschäftsmodell einer nachhaltigen Energieversorgung....................................................67 Anhang ........................................................................................................ VI Literaturverzeichnis.................................................................................. VIII
  • 4. Abbildungsverzeichnis II Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Zusammenhang von Preis- und Nachfragestimulation ..............9 Abbildung 2: PV-Gestehungskosten und Haushaltsstromkosten im Vergleich......................................................................................10 Abbildung 3: Contracting Varianten nach DIN 8930 .....................................21 Abbildung 4: Übersicht zum Hintergrund von Contracting-Anbietern............24 Abbildung 5: Studienergebnisse zur Anbieterstruktur bei Contracting- Modellen im Vergleich..................................................................25 Abbildung 6: Übersicht zu Contracting-Varianten nach ihrer relativen Häufigkeit.....................................................................................26 Abbildung 7: Vergleich der Transaktionsbeziehungen zwischen dem konventionellen Modell der Energiebeschaffung und dem Contracting-Modell.......................................................................30 Abbildung 8: Kategorisierung der Contracting-Projekte nach Referenzstrompreisen und Anzahl der Stromkunden ..................33 Abbildung 9: Relevante Rechtsverhältnisse bei PV-Contracting mit Vollversorgung (Legler, et al., 2013)............................................36 Abbildung 10: Vergleich der EEG-Einspeisevergütung und den Referenzstrompreisen der Kundensegmente ..............................41 Abbildung 11: Überblick zu den Umsetzungsphasen von PV-Contracting- Modellen ......................................................................................46 Abbildung 12: Übersicht zu den Anlagenkomponenten eines PV- Contractings.................................................................................47 Abbildung 13: Überblick zur Zählerstruktur bei der Ein-Kunden- Versorgung (links) und Mehr-Kunden-Versorgung (rechts) .........50 Abbildung 14: Überblick Fallbeispiel.............................................................52 Abbildung 15: EEG-Vergütung 100 kWp-PV-Anlage ....................................60 Abbildung 16: Gegenüberstellung von Umsatz und Kosten pro Jahr............61 Abbildung 17: Salden von Umsatz und Kosten pro Jahr...............................61 Abbildung 18: Kapitalwertsensitivität bei Änderung der Investitionskosten...64 Abbildung 19: Kapitalwertsensitivität bei Änderung der Anzahl der Strom- kunden.........................................................................................65 Abbildung 20: Kapitalwertsensitivität bei Änderung der jährlichen Strompreissteigerungen für private Haushalte.............................66
  • 5. Tabellenverzeichnis III Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Überblick Anschaffungsinvestitionen............................................53 Tabelle 2: Überblick Finanzierungskosten ....................................................54 Tabelle 3: Übersicht Betriebskosten .............................................................55 Tabelle 4: Übersicht Strombezugskosten .....................................................56 Tabelle 5: Herleitung potentieller Nettoerlöse...............................................58 Tabelle 6: Übersicht Umsätze der dezentralen Kundenversorgung..............59 Tabelle 7: Übersicht Umsätze der EEG-Vergütung ......................................60 Tabelle 8: Interner Zinsfuß und Kapitalwert des Fallbeispiels.......................63 Tabelle 9: Legende zu den nummerischen Verweisen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ..................................................... VI Tabelle 10: Übersicht historische Strompreisentwicklung (Eurostat, 2013) .. VI Tabelle 11: Übersicht zu den Kostenpositionen des PV-Contractings.......... VI Tabelle 12: Übersicht zu den Umsatzpositionen des PV-Contractings........ VII Tabelle 13: Interner Zinsfuß und Kapitalwert der Investition........................ VII
  • 6. Abkürzungsverzeichnis IV Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz AC Alternating Current (engl. für: Wechselstrom) Aufl. Auflage AVBFernwärmeV Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme BBSR Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumfor- schung BBR Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BHKW Blockheizkraftwerk BGB Bundesgesetzbuch BGBl Bundesgesetzblatt BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivil- sachen BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit BMVBS Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung Bspw. Beispielsweise Bzw. Beziehungsweise CuR Contracting und Recht DC Direct Current (engl. für: Gleichstrom) DIN Deutsche Industrie Norm e.V. Eingetragener Verein EEG Erneuerbare-Energie-Gesetz EDU Energiedienstleistungsunternehmen EltRL Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie EnWG Energiewirtschaftsgesetz
  • 7. Abkürzungsverzeichnis V Engl. Englisch EVU Energieversorgungsunternehmen GW Gigawatt GWp Gigawatt Peak i.d.R. in der Regel i.H.v. in Höhe von IEA Internationale Energieagentur kW Kilowatt kWh Kilowattstunde KWK Kraft-Wärme-Kopplung kWp Kilowatt Peak Mio. Millionen Mwst. Mehrwertsteuer NAV Niederspannungsanschlußverordnung NJW Neue Juristische Wochenschrift OLG Oberlandesgericht PrKG Preisklauselgesetz PV Photovoltaik StromGVV Stromgrundversorugungsverordnung Urt. Urteil v. vom Vgl. Vergleiche VfW Verband für Wärmelieferung e.V. WM Wertpapiermitteilungen Zsh. Zusammenhang z.T. zum Teil
  • 8. 1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie 6 1. Historische Entwicklung der Photovoltaik- technologie Als Mittel zur Stromversorgung wird die Photovoltaik gegen Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt. Nachdem Alexandre Edmond Becquerel 1834 als Erster den photoelektrischen Effekt beschrieb, stellt Charles Fritsch im Jahr 1894 das erste funktionsfähige Solarmodul zur Stromversorgung vor. Das Modul besteht aus Selenzellen, zwei Metallschichten und einer vergoldeten Oberfläche und erreicht einen Wirkungsgrad von 1% (Wesselak, et al., 2012). Die praktische Anwendung erfolgt allerdings erst in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, als die Technologie –nun auch als Silizium- Solarzelle– erstmals zur Stromversorgung von Satelliten eingesetzt wird (Janzing, 2011). Gespeist allein durch Sonnenstrahlung und aufgrund ihrer Langlebigkeit avanciert die Photovoltaiktechnologie schnell zur dominanten Quelle der Stromversorgung im All (Wesselak, et al., 2012). Bei Kosten von 2.000 Dollar pro Watt stellt die Technologie für terrestrische Anwendungen zu dieser Zeit allerdings keine wirtschaftliche Alternative zur konventionellen Stromerzeugung dar (Janzing, 2011).1 Erst in den 70er Jahren rückt die Photovoltaik als Mittel zur terrestrischen Energieerzeugung in das Blickfeld der öffentlichen Diskussion. So fordern Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology aufgrund der Endlichkeit fossiler Ressourcen in Ihrer Studie „Die Grenzen des Wachs- tums“ auf Basis computergestützter Simulationen2 einen Wechsel in der Energiepolitik hin zu erneuerbaren Energiequellen (Meadows, et al., 1972). Als kurze Zeit später in Folge der Ölkrise bundesweite Sonntags-Fahrverbote die Abhängigkeit der Bundesrepublik vom Energieträger Öl verdeutlichen, stellt der damalige Bundesminister für Forschung und Technologie, Hans Matthöfer, erstmals einen signifikanten Teil des Forschungsetats für erneu- erbare Energien zur Verfügung (Janzing, 2011). 1 Anlagenpreise heutiger Großanlagen liegen bei circa 1,50 € (netto) je installiertem Watt (Photon, 2013). Bei einem Wechselkurs von 1,30 Dollar/Euro kostet ein Modul je instal- liertes Watt demnach heute weniger als 1% des damaligen Preises. 2 In dem Buch „Die Grenzen des Wachstums“ beschreibt Dennis Meadows et al. im Auf- trag des Club of Rome, dass es in einem System mit begrenzten Ressourcen kein gren- zenloses Wachstum geben kann und simuliert Szenarien der globalen Entwicklung für die nächsten Dekaden. Vgl. hierzu (Meadows, et al., 1972)
  • 9. 1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie 7 Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts wird die Technologie erstmalig in netzfernen Gebieten zur Versorgung von kleinen Siedlungen oder zum Betrieb von Kommunikation- und Signalanlagen in Betrieb genommen. Suk- zessive errichten auch Großkonzerne wie AEG und RWE erste Anlagen zum Test der solaren Energieerzeugung (Janzing, 2011). Der Markt für netzge- koppelte PV-Anlagen entwickelt sich erst in den 1990er-Jahren (Wesselak, et al., 2012). Die gesetzliche Grundlage hierfür schafft das Stromeinspeisungs- gesetz, welches am 1. Januar 1991 in Kraft tritt. Demnach sind die Elektrizi- tätsunternehmen fortan verpflichtet „[…], den in ihrem Versorgungsgebiet erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien abzunehmen und den einge- speisten Strom […] zu vergüten.“ (BGBl I; S. 2633) Noch im selben Jahr star- ten Bund und Länder zusammen mit dem noch jungen Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme das 1000-Dächer-Photovoltaik-Programm, welches 2.250 privaten Eigentümern von Ein- und Zweifamilienhäusern bis zu 70% der Investitionskosten einer PV-Anlage erstattet. In den nachfolgenden Jah- ren werden im In- und Ausland weitere Programme mit wachsendem Förder- umfang aufgelegt (Wesselak, et al., 2012).3 Der Durchbruch beim Ausbau der Solarstromanlagen erfolgt allerdings erst mit dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) durch die rot- grüne Bundesregierung am 1. April 2000. Neben der Verpflichtung der Netz- betreiber, PV-Anlagen an das öffentliche Netz anzuschließen und den produ- zierten Strom vorrangig abzunehmen, garantiert der Gesetzesrahmen erst- mals eine stückzahlunbegrenzte Förderung des PV-Stroms. Diese wird ge- treu dem Verursacherprinzip mittels einer Umlage von allen Stromverbrau- chern finanziert.4 Aus diesen Mitteln wird den Anlagenbesitzern unabhängig von öffentlichen Haushaltsmitteln über 20 Jahre hinweg eine fixe Vergütung pro eingespeiste Kilowattstunde PV-Strom gezahlt (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2000). 3 1997 wird in Japan das 70.000 Dächer-Programm;. 1999 in Deutschland das 100.000 Dächer-Programm aufgelegt. Die Förderung der Anlagen erfolgt über einen Zuschuss oder eine zinssubventionierte Finanzierung (Wesselak, et al., 2012). 4 Das EEG wird in der Folge mehrfach novelliert. In seiner aktuellen Fassung ist das Ge- setz lediglich beschränkt verursachergerecht, da energieintensive Unternehmen sich von der Zahlung der Umlage befreien lassen können, sodass die Kosten der Vergütungssätze nur noch auf einen Teil der Stromkunden umgelegt werden (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2008).
  • 10. 1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie 8 Unmittelbar nach der Einführung des EEG, welches die deutsche Förderung unverändert prägt, avanciert der deutsche PV-Markt zum größten weltweit. Im Jahr 2011 sind hierzulande 37% der weltweiten PV-Kapazität installiert, erst mit deutlichem Abstand folgen Länder mit mehr Sonnenscheinstunden wie Italien mit 18%, oder die USA mit 7% (Fraunhofer ISE, 2012). Nach kürz- lich veröffentlichten Zahlen der Bundesnetzagentur und des Bundesumwelt- ministeriums erreicht der PV-Zubau im vergangenen Jahr mit 7,6 Gigawatt ein neues Allzeithoch, sodass mittlerweile 32,4 Gigawatt Solarleistung bun- desweit installiert sind. Nach 3% in 2011 wird damit im Jahr 2012 circa 5% des gesamten deutschen Strombedarfs gedeckt (Burger, 2013). Der Aus- bauerfolg auf Basis des EEG entfaltet dabei auch eine Signalwirkung für an- dere Länder nach dessen Vorbild in der Folge ähnliche PV-Fördergesetze in über 50 Staaten weltweit verabschiedet werden. Die deutsche Solarförde- rung ist somit im letzten Jahrzehnt für den globalen Ausbau der PV internati- onal richtungsweisend gewesen (Janzing, 2011). Der Ausbauerfolg im Zusammenhang mit der EEG-Förderung beruht dabei auf einem Marktmechanismus, der zu einer Kostensenkung durch eine Effi- zienzsteigerung der solaren Wertschöpfungskette führt (Scheer, 2010). Durch die kostendeckende Vergütung wird anfangs eine stabile Marktnach- frage initiiert. Diese dient den Unternehmen als hinreichende Planungsgrund- lage, um in nennenswerte Produktionskapazitäten zu investieren. Die neuen größeren Kapazitäten ermöglichen es den Unternehmen gleichzeitig ihre Produktion mittels industrieller Fließfertigung zu rationalisieren. Die Weiter- entwicklung des Produktionsprozesses sowie die mit Massenfertigung ein- hergehenden Größendegressionseffekten führen im Zeitablauf zu einer Kos- ten- und Preisreduktion auf dem Markt (Wagemann, et al., 2010). Die gesun- kenen Preise wirken wiederum stimulierend auf die Nachfrage. Auf Basis der stückzahlunbegrenzten Fördergesetzgebung kommt es so zu einem sich selbst verstärkendem Regelkreis aus steigender Nachfrage, Professionalisie- rung der Fertigung und sinkenden Preisen.
  • 11. 1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie 9 Abbildung 1: Zusammenhang von Preis- und Nachfragestimulation Besonders deutlich wurden die Preissenkungen im Jahr 2011 aufgrund eines Missverhältnisses von Angebot und Nachfrage. Trotz eines weltweiten Nach- fragewachstums von über 70% gegenüber dem Vorjahr auf 27,7 GWp, ste- hen mit über 50 GWp deutliche Angebotsüberschusskapazitäten zur Verfü- gung (Kost, et al., 2012). Zusammen mit einer sinkenden Einspeisevergütung in Deutschland erhöht dies den Preisdruck auf die Anbieter. Als Folge fallen im Verlauf des Jahres 2012 die Großhandelspreise für PV-Module um über 40% (pvXchange GmbH, 2013). Auf dem deutschen Strommarkt führt dies erstmals dazu, dass die Stromgestehungskosten von PV-Anlagen unterhalb der durchschnittlichen Stromkosten der privaten Haushalte liegen. Demnach betragen nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesys- teme ISE die Kosten für photovoltaisch erzeugten Strom kleinerer Auf- Dachanlagen Anfang 2012 zwischen 13,7 und 20,3 €-Cent pro Kilowattstun- de5 , abhängig von spezifischen Investitionskosten und regionalen Strah- lungsverhältnissen. Bei größeren Anlagen über 10 KWp, wie sie bspw. auf Lagerhallen oder Freiflächen üblich, sind die Kosten noch niedriger (Kost, et al., 2012). Demgegenüber steigt der durchschnittliche Haushaltsstrompreis 2011 um 6,5% auf 25,3 Euro-Cent (Bundesministerium für Wirtschaft und 5 Es werden Einstrahlungswerte von 1100-1300 kWh/m²/Jahr (≈ Stromertrag von 900 und 1100 kWh/kWp), sowie spezifische Investitionskosten zwischen 1700 €/kWp und 2200 €/kWp angesetzt. Die Angaben zu den Stromgestehungskosten an dieser Stelle wie auch im weiteren Verlauf der Arbeit erfolgen exklusive Mwst., vgl. hierzu: (Kost, et al., 2012). Steigende Nachfrage Professionaliserung der Wertschöpfung Sinkende Preise
  • 12. 1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie 10 Technologie, sowie Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2012)6 . Wie in der folgenden Abbildung ersichtlich, ist pho- tovoltaisch erzeugter Strom gegenüber dem Haushaltsstromtarif erstmals deutlich günstiger und zwar um 24 – 46 %.7 Abbildung 2: PV-Gestehungskosten und Haushaltsstromkosten im Vergleich Acht von zehn Studien von Forschungsinstituten haben in der Vergangenheit die reale Ausbaugeschwindigkeit der Photovoltaik systematisch unterschätzt (Pieprzyk, et al., 2009). So prognostiziert beispielsweise die Internationale Energieagentur (IEA) 2002 eine Photovoltaik-Kapazität von 4 Gigawatt für die EU-15 im Jahr 2020, dieser Wert wird bereits im Jahr 2008 mit 9,3 Giga- watt von der tatsächlichen Kapazität deutlich übertroffen (Scheer, 2010). Be- reits 2013, sieben Jahre vor dem Prognosezieljahr, sind allein in Deutschland bereits über 800% der prognostizierten Kapazität für die EU-15 installiert (Burger, 2013). 6 Bei Verbrauch von 3.500 kWh/Jahr und inkl. Steuern und Abgaben, vgl. hierzu: (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, sowie Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2012) 7 Die genannten Haushaltsstromkosten beziehen sich auf die tatsächlichen Beschaffungs- kosten inklusive Mwst. und sonstigen Abgaben. Die Stromgestehungskosten konventio- neller Energieträger sind aufgrund von Steuern und Abgaben weitaus geringer.
  • 13. 1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie 11 Auch die Chronik des gesellschaftspolitischen Diskurses zeigt, dass das Thema Photovoltaik bis heute von groben Fehleinschätzungen und Vorurtei- len geprägt ist. So konstatiert ein frühes Thesenpapier der CDU: „Sonnen- energie kann nur zur Wärmeversorgung eingesetzt werden.“ (CDU, 1977). Während dies in Deutschland alsbald widerlegt wird (siehe Ausführungen weiter oben) behauptet die Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Angela Merkel, noch im Jahr 2005: „Den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch auf 20 Prozent zu steigern, ist wenig realistisch. Ich glaube, es ist unrealistisch zu erwarten, dass erneuerbare Energien eine Lü- cke schließen können, die zum Beispiel durch die frühzeitige Abschaltung von Kernenergie geöffnet würde.“ (Dr. Merkel, 2005). Nur zwei Jahre später vertritt Frau Merkel als Bundeskanzlerin und EU-Ratsvorsitzende einen Be- schluss, der einen Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergiever- brauch von 20% bis 2020 europaweit vorschreibt (Scheer, 2010). Weitere vier Jahre später verantwortet Frau Merkel den Beschluss zum Atomausstieg in Deutschland und die sofortige Abschaltung von acht Atomkraftwerken. Die erneuerbaren Energien erzeugen im gleichen Jahr erstmals 2% mehr Strom als alle deutschen Atomkraftwerke und etablieren sich als zweitgrößte Ener- giequelle im deutschen Strommix (Die Bundesregierung, 2012). Ähnlichen Fehleinschätzungen unterlagen auch Verantwortungsträger und vermeintliche Experten der Energiebranche. So gibt sich Hans-Peter Villis, damaliger Vorstandsvorsitzender der Energie Baden-Württemberg (EnBW), in einem Interview der Süddeutschen Zeitung im Jahr 2008 überzeugt: „Für eine […] Nutzung der Solarenergie scheint in Deutschland zu selten die Son- ne. Der Solaranteil an der Energieerzeugung wird auch 2020 noch bei gera- de mal einem Prozent liegen.“ (Villis, 2009). Sein Kollege Jürgen Großmann, seinerzeit Vorstandsvorsitzender der RWE, äußerte sich auf der Handels- blatt-Jahrestagung in Berlin in ähnlichem Geiste und befand die Photovoltaik in Deutschland als so sinnvoll, „wie Ananas züchten in Alaska“ (Flauger, et al., 2012). Im Laufe des Jahres 2012, weniger als ein Jahr nach Großmanns Äußerungen zwingt die Entwicklung auf dem deutschen Strommarkt die etab- lierten Energieversorger zu, einem Revidieren ihrer Positionen. Bereits acht Jahre vor dem Prognosezieljahr übertrifft der Solarstromanteil die Einschät- zung von Villis um das 5-fache und ist die PV-Branche mit einer Wertschöp-
  • 14. 1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie 12 fung von 9,4 Mrd. Euro und über 100.000 Arbeitsplätzen eine festen Größe im deutschen Energiemarkt (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, sowie Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2012). Entsprechend räumt der Nachfolger von Herrn Grossmann, der jetzige RWE-Chef Peter Terium, im gleichen Jahr ein: „Dass wir die Solar-Technik lange komplett abgelehnt haben, war aus heutiger Sicht ein Fehler" (Klormann, 2012). Zudem stoppen die beiden großen deut- schen Atomenergiekonzerne EON und RWE in Großbritannien aufgrund zu hoher Kosten den Bau neuer Atomkraftwerke (Deutsche Presse Agentur & Reuters, 2012). Ein Blick auf andere europäische Energiekonzerne offenbart ähnliche Entscheidungen. In Frankreich, einem Land mit einer traditionell starken gesellschaftspolitischen Unterstützung für Atomstrom, zieht sich der Energiekonzern ENEL von dem Bau eines Atomkraftwerks zurück (Finkenzeller, 2012). Nach aktuellen Berechnungen des Konzerns liegen die Stromgestehungskosten 20 % über denen erneuerbarer Energiequellen (Balmer, 2012).8 Mit der Aufgabe alter Positionen und der offenen Unterstützung erneuerbarer Energien schließen sich Politik und Wirtschaft letztlich dem gesellschaftlichen Meinungsbild in Deutschland an. Im Jahr 2011 befürworten gemäß einer Um- frage von TNS-Infratest 94% (Folgeumfrage 2012 93% (TNS-Infratest, 2012)) der Deutschen einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die PV erreicht bei den Befragten die höchste Akzeptanz und wird gegenüber Wind- kraft und Bioenergie favorisiert (TNS-Infratest, 2011). Ein Grund für die breite Unterstützung des Ausbaus der PV ist in den positiven Nutzeneffekten der Erneuerbaren Energien zu sehen. So nennen über 70% der Befragten die Zukunftsfähigkeit und den Klimaschutz als wichtigste Vorteile dieser Erzeu- gungsart (TNS-Infratest, 2011). Nach unterschiedlichen Berechnungen diver- ser Forschungsinstitute zur monetären Wirkung erneuerbarer Energien wird allein im Jahr 2011 der volkswirtschaftliche Nutzen der vermiedenen Emissi- onen von Treibhausgasen und Luftschadstoffen durch Erneuerbare Energien 8 Nach einer aktuellen Studie des Frauenhofer-Instituts für solare Energiesysteme ISE ist die Onshore-Windenergieerzeugung die derzeit billigste Form der erneuerbaren Energie- erzeugung mit Stromentstehungskosten von 6-8 €-Cent/kWh; danach folgt die Photovol- taik mit Kosten von 13-16 €-Cent/kWh Andere erneuerbare Energieformen, wie bspw. Wasserkraft und Biomasse werden in diesem Rahmen nicht berücksichtigt. Vgl. hierzu: (Kost, et al., 2012).
  • 15. 1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie 13 auf über 10 Mrd. Euro taxiert. Weitere Nutzenaspekte sind bspw. die verrin- gerten Rohstoffimporte i.H.v. 6 Mrd. Euro, Investitionen und Branchenumsät- zen i.H.v. 47 Mrd. Euro, eine Branchenbeschäftigung von 381.600 Personen und intangible Effekte wie z.B. Technologieführerschaft (Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH (GWS), Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES), 2012). Auf Basis der vergangenen Ausbauerfolge der Erneuerbaren Energien, der breiten gesellschaftlichen Unterstützung für deren Fortführung und einer ver- schärften klimapolitischen Diskussion hat die Politik deutliche Wachstumszie- le für die Erneuerbaren Energien bestimmt. Demnach soll bis zum Jahr 2050 mindestens 80% der Stromversorgung durch Erneuerbare Energien bereit- gestellt werden (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2012). Begleitend wurden hierzu in den letzten Jahren Studien veröffentlicht, die langfristig eine vollständige Umstellung der Ener- giewirtschaft von fossil-nuklearen auf erneuerbare Quellen skizzieren (McKinsey & Company, 2010; Umweltbundesamt, 2010; Henning, et al., 2012). Dabei kommen alle Arbeiten zu zwei gemeinsamen Erkenntnissen: 1. Eine vollständige zukünftige Stromerzeugung auf Basis Erneuer- barer Energien ist möglich und nicht kostenintensiver als eine fossil-nuklear basierte Stromerzeugung. Hierzu McKinsey & Com- pany in der Studie Roadmap 2050: “The key finding […] is, that the challenge is basically the same in either a high-carbon, low-carbon or zero-carbon energy scenario, in terms of overall cost to consumers and the European economy.” (McKinsey & Company, 2010) 2. Die Umstellung auf eine erneuerbare Energieerzeugung ist nur bei einem weiteren Ausbau der Solarstromerzeugung möglich. Als Zielwert einer erneuerbaren Energieerzeugung wird beispielsweise im mittleren Szenario des Fraunhofer-Instituts eine PV-Kapazität von 205 GW für Deutschland ausgewiesen, was 630% der heute installier- ten Kapazität entspricht (Henning, et al., 2012). Zudem belegen weite- re Berechnungen, beispielsweise des Umweltbundesamtes, das Po- tential von PV-Flächen: Nur bei einer Nutzung bestehender Siedlungs-
  • 16. 1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie 14 flächen ohne Berücksichtigung von Freiflächen wäre in Deutschland bei dem heutigen Stand der Technik eine PV-Kapazität von 275 GW9 verfügbar (Umweltbundesamt, 2010). Gerade in Anbetracht dieses Ausbaupotentials und den beschriebenen posi- tiven Nutzeffekten obliegt es einer ganzheitlichen Betrachtung auch die aktu- ellen Probleme des PV-Ausbaus zu beleuchten. Insbesondere die Förderge- setzgebung steht heute aufgrund steigender Belastungen der Stromkunden in der Kritik. Allein im Jahr 2011 müssen die Stromkunden zur Finanzierung der EEG-Umlage 16,72 Mrd. Euro aufwenden (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, sowie Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2012). In Folge des weiterhin starken Ausbaus der PV-Anlagen stieg die EEG-Umlage von 2012 zu 2013 um 46% auf 5,27 Euro Cent pro Kilowattstunde (Bundesverband Erneuerbare Energien e.V., 2012) und wurde somit im 13. Jahr Ihres Bestehens zum 12. Mal erhöht. Ihr Anteil an den Haushaltsstromkosten ist damit auf über 20% gestiegen (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, sowie Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2012). Das steigende Fördervolumen führt folglich zu einer stetig zunehmenden fi- nanziellen Belastung von nicht befreiten Unternehmen und privaten Verbrau- chern. Die Bundesregierung hat auf die massiv steigenden Kosten reagiert, indem sie die wesentliche Herausforderung derzeit in der Sicherstellung von „Kosteneffizienz sowie Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren Energien“ sieht und zu dessen Erreichung das EEG seit 2009 wiederholt no- velliert hat (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, sowie Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2012). Neben mehrfachen außerordentlichen Senkungen der Fördersätze wurde 2012 erstmalig auch ein endgültiges Auslaufen der PV-Förderung nach Er- reichen einer installierten Kapazität von 52 GW beschlossen. Zudem ver- sucht der Gesetzgeber zunehmend, die PV-Stromerzeugung von der EEG- 9 Andere Forschungsprojekte stützen diese Erkenntnisse: Bereits im Jahr 2008 ermittelt das Forschungsprojekt SUN-AREA von M. Klärle mittels hochauflösender Fernerkun- dungsdaten (Lasermessung aus der Luft), dass in der Stadt Osnabrück eine hinrei- chende Anzahl geeigneter Dachflächen zur PV-Stromproduktion existieren, um den ge- samten privaten Stromverbrauch der Stadt zu decken (Ludwig, et al., 2008).
  • 17. 1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie 15 Förderung zu entkoppeln. Nach Einführung einer Managementprämie zur Förderung der Selbstvermarktung Anfang 2012 wurde mit der jüngsten No- vellierungen zum 1. April 2012 das sogenannte Marktintegrationsmodell ein- geführt, nach dem fortan maximal 90% des erzeugten Stroms von PV- Anlagen zwischen 10-100kW-Nennleistung über EEG-Zahlungen vergütet werden (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2012). Eine solche Anlage ist fortan nur wirtschaftlich zu betreiben, wenn der Anlagenbesitzer den restlichen Strom selbst vermarktet oder verbraucht. Künftig wird die Notwendigkeit einer Selbstvermarktung, bzw. eines Selbst- verbrauchs voraussichtlich weiter zunehmen. Trotz der beiden Novellierun- gen des EEGs im letzten Jahr diskutieren politische Entscheidungsträger weitergehende Maßnahmen zur Reform des EEGs, die aufgrund der stetig steigenden Belastung der Stromverbraucher wahrscheinlich eine weitere Senkung der Fördersätze und eine zunehmende Marktintegration, d.h. weni- ger Regulierung und Förderung, der PV beinhalten wird (Altmaier, 2012; Rösler, 2013). Der künftige Einsatz der Photovoltaiktechnologie bewegt sich in Deutschland politisch wie unternehmerisch somit zwischen zwei Spannungsbögen. Einer- seits existiert die gesellschaftliche Erwartung, den Anlagenbestand zur Stromerzeugung aus klimapolitischer Verantwortung weiter auszubauen. An- dererseits setzt jedes Vermeiden zusätzlicher Belastungen voraus, dass die- ser Ausbau zunehmend wirtschaftlich eigenständig, d. h. unabhängig von gesetzlichen Förderungen gelingt. Einer vorausschauenden Betrachtung stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie dieses Spannungsverhältnis zukünftig überwunden werden kann. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage leis- ten, indem sie untersucht inwieweit Modelle anderer Branchen auf die Ver- marktung der PV übertragen werden können. Der thematische Fokus wird auf sogenannte Contracting-Modelle gelegt, wie sie seit längerem z. B. im Rahmen der Wärmeenergiebereitstellung in Gebäuden erfolgreich umgesetzt werden. Hierbei übernimmt ein Anbieter als Fachexperte die Planung, Finan- zierung, Installation und den Betrieb einer Anlage direkt beim Kunden und amortisiert seinen Aufwand über einen langfristigen angelegten Verkauf der erzeugten Energie (von Braunmühl, 2000). Während diese Modelle in der
  • 18. 1. Historische Entwicklung der Photovoltaik-technologie 16 Vergangenheit aufgrund der hohen Installationskosten von PV-Anlagen wirt- schaftlich weitgehend uninteressant waren, entsteht durch die jüngste Sen- kung der Stromgestehungskosten unter den Endkundenpreis erstmals eine potentielle Marge, die eine nähere Betrachtung des Modells in diesem Zu- sammenhang rechtfertigt. Ausgangspunkt für die Betrachtung in den folgenden Kapiteln bildet die grundlegende Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Contracting und seinen unterschiedlichen Formen, die sich in der Praxis etabliert haben. An- schließend wird analysiert, welche Anforderungen sich aus einem PV- Contracting ergeben und wie wesentliche Inhalte eines solchen Geschäfts- modells organisatorisch ausgestaltet werden könnten. Insbesondere wird die Frage behandelt, unter welchen rechtlich-organisatorischen Limitationen ein potentielles PV-Contracting angeboten werden kann. Im nächsten Schritt soll untersucht werden, ob heute oder in absehbarer Zukunft eine wirtschaftliche Grundlage existiert, die es für Anbieter und Kunden attraktiv erscheinen lässt, eine solche Dienstleistung anzubieten. Die Erkenntnisse der Arbeit re- sümierend versucht das abschließende Kapitel eine zusammenfassende Bewertung der Sinnhaftigkeit von PV-Contracting als Geschäftsmodell einer nachhaltigen Energieversorgung.
  • 19. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 17 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäu- debereich 2.1 Evolution unterschiedlicher Contracting-Modelle Der Begriff "Contracting" ist auf das englische Substantiv "Contract" (= Ver- trag) zurückführen, sodass die Etymologie bereits das Wesensmerkmal des zugrundeliegenden Geschäftsmodells indiziert (Meinefeld, 2004). Der Vertrag dient als Grundlage der langfristigen Regelung eines Geschäfts zur Energie- dienstleistung im Gebäudebereich zwischen zwei Vertragsparteien. Der so- genannte Contracting-Geber (im Folgenden „Contractor“) tritt dabei als An- bieter einer Energiedienstleistung auf, die vom Kunden, dem sogenannten Contracting-Nehmer, nachgefragt wird. Die Konditionen bzgl. Leistung und Gegenleistung zwischen den Parteien werden in einem Energiedienstleis- tungsvertrag vereinbart. Charakteristisch für den Vertrag ist eine langfristige zeitraumbezogene Bindung der Vertragsparteien, innerhalb welcher der Contractor gegenüber dem Kunden die Verantwortung für die vereinbarte Energiedienstleistung gegen Entgelt übernimmt (Hack, 2012). Contracting-Modelle sind keine neue Entwicklung. Bereits dem Engländer James Watt, dem Erfinder der Dampfmaschine, wird nachgesagt, den nur mäßigen Absatz seiner neuen Maschine mithilfe eines Contracting-Modells stimuliert zu haben. Da Ende des 18. Jahrhunderts potentielle Käufer die Vorteile der Maschine als gering einschätzten und folglich das Risiko der An- schaffung scheuten, soll er ihnen folgendes Angebot unterbreitet haben: „Wir werden Ihnen kostenlos eine Dampfmaschine überlassen. Wir werden diese installieren und für fünf Jahre den Kundendienst übernehmen. Wir ga- rantieren Ihnen, dass die Kohle für die Maschine weniger kostet, als Sie ge- genwärtig an Futter (Energie) für die Pferde aufwenden müssen, die die glei- che Arbeit tun. Und alles, was wir von Ihnen verlangen, ist, dass Sie uns ein Drittel des Geldes geben, das Sie sparen.“ (zitiert nach von Braunmühl, 2000; S. 7) Schon die damalige Offerte von Watt enthält bereits wesentliche Aspekte der heute am Markt üblichen Contracting-Lösungen. Demnach übernimmt der Contractor die Investition und die Betriebsführung der Energieerzeugungsan-
  • 20. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 18 lage und finanziert sich über regelmäßige Zahlungen des Kunden, die über einen längerfristigen Zeitraum zwischen den beiden Parteien vereinbart sind. Im Kern handelt es sich dabei um einen Transfer von Risiko und Aufwand vom Kunden zu Lasten des Contractor, der hierfür eine langfristig planbare finanzielle Entlohnung erhält. Aus Sicht des Kunden bezeichnet von Braun- mühl Contracting daher als ein „Rundum-Sorglos-Paket“ (von Braunmühl, 2000; S. 6). Nennenswerte Geschäftsvolumina erreichen Contracting-Modelle erstmals im Nordamerika der 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Anstatt ihren Kunden lediglich Energieanlagen zu verkaufen, beginnen erste Unter- nehmen zusätzlich die Finanzierung und die Betriebsführung für die Kunden zu übernehmen (Geiß, 2006). In Zeiten der Ölkrise und stetig steigender Energieverbräuche wird Contracting als Mittel propagiert den alten Anlagen- bestand durch neue energieeffizientere Anlagen zu ersetzen und gleichzeitig durch eine professionelle Betriebsführung brach liegende Einsparpotentiale zu heben. Während sich die Unternehmen durch die Ausweitung ihres Leis- tungskatalogs zusätzliche Umsätze versprechen, besteht der Vorteil für die Kunden darin, dass sie neben dem vermiedenen Aufwand für Investition und Betriebsführung häufig auch anteilig an den Einsparungen partizipieren. Aufgrund dieser Vorteile und im Zuge der steigenden Akzeptanz externer Dienstleistungen werden in den USA 1985 bereits 50% aller Investitionen zur Energieerzeugung in öffentlichen Gebäuden durch externe Anbieter finan- ziert (Meinefeld, 2004). In dieser Zeit entwickelt sich eine Vielzahl eng ver- wandter oder gar synonymer Begriffe, wie Public-Private-Partnership, Inde- pendent-Power-Producer-Model, Third-Party-Financing oder Performance Contracting, die allesamt Contracting-Elemente beinhalten (Henzelmann, 1995; Göllinger, 2001). Zwar lassen sich auch in Deutschland bereits im Laufe der 80er Jahre erste Nachweise von Contracting finden, doch handelt es sich hierbei lediglich um vereinzelte Pilotanlagen, bzw. öffentlich geförderte Forschungsprojekte (Meinefeld, 2004). Erst als in den 1990er Jahren erfolgreiche Projekte aus dem europäischen Umland in Großbritannien und Skandinavien bekannt werden, beginnen sich hierzulande Contracting-Lösungen im Markt zu etab- lieren (Geiß, 2006). Je nach Schwerpunkt und Perspektive werden die Cont-
  • 21. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 19 racting-Modelle als Outsourcing der Energieversorgung, Drittfinanzierung, Dienstleistung über Dritte, Energieversorgungs-Outsourcing, Betreibergesell- schaft, Energie-Contracting, Energiedienstleistung oder gewerbliche Wärme- lieferung bezeichnet (BMVBS, BBSR, BBR, 2009) (Geiß, 2006). Die Bezeichnungsvielfalt einander ähnelnder Modelle ist dabei auch Aus- druck der unterschiedlichen Strömungen, die in der Branche existieren. Ein weit verbreitetes Verständnis von Contracting rückt die Erzielung von Effizi- enzgewinnen als Charakteristikum in den Mittelpunkt. So schreibt bspw. Meinefeld: „Ziel aller Contracting-Modelle soll […] die Verbesserung der Effi- zienz sein.“ (Meinefeld, 2004; S. 74). Ebenso führt Knott im Rahmen seiner fünf Kriterien zur Beschreibung von Contracting als erstes an: „Contracting- Konzepte dienen der Realisierung von wirtschaftlich sinnvollen Effizienzverbesserungen bei der Energieerzeugung, -umwandlung und – nutzung.“ (Knott, 1997; S. 21f.). Diese Auslegung von Contrachting, lässt sich auf die ursprüngliche Fokussierung der Branche auf die Bereitstellung von Wärmeenergie in den 1990er Jahren zurückführen. Analog zum Einsatz der Kontrake in den USA bildet in dieser Zeit das Versprechen der Energieeinsparung durch Effizienzverbesserung die Grundlage des Geschäftsmodells in Deutschland. Im Zuge der immer stärker in den öffentlichen Fokus rückenden Umwelt- und Klimaschutzaspekte wird Contracting als integriertes Konzept verstanden, um wirtschaftliche und ökologische Ziele zu verbinden. In Ihrem Selbstverständnis definieren sich die Anbieter von Contracting deshalb häufig als „Lieferanten von ökoeffizienten Dienstleistungen“ (Geiß, 2006; S. 269). Ausdruck dieser Ausrichtung ist nicht zuletzt die Gründung und Namensgebung des Verbands für Wärmelieferung e.V. (im Folgenden VfW), welcher als Dachorganisation zur Förderung von Contracting-Modellen aus einem Forschungsprojekt zur effizienteren Wärmeenergiebereitstellung hervorgeht (Verband für Wärmelieferung e.V., 2012). Mit der zunehmenden Verbreitung und der Entwicklung neuer Contracting- Mischformen hat sich die Bedeutung in den letzen Jahren allerdings von diesem ursprünglichen, engen Verständnis erweitert. Heutige Definitionen, wie sie auch für den Verlauf dieser Arbeit maßgeblich sein sollen, definieren den Begriff nicht über die Erzielung von Energieeffizienz oder
  • 22. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 20 Primärenergieeinsparung, sondern heben den Charakter der organisatorischen Arbeitsteilung hervor. In diesem Sinne beschreibt bspw. die EnergieAgentur.NRW Contracting folgendermaßen: „Contracting bedeutet die Übertragung von Aufgaben der Energiebereitstellung und Energielieferung auf ein darauf spezialisiertes Unternehmen (Contractor)“ (EnergieAgentur.NRW, 2007; S. 6)10 Der Vergleich zwischen dem traditionellen Contracting-Verständnis von Knott und Meinefeld einerseits und dem der EnergieAgentur.NRW andererseits verdeutlicht den evolutionären Bedeutungswandel des Konzepts. Für die thematische Einordnung dieser Arbeit ist dies von wesentlicher Bedeutung, da das heutige Verständnis grundsätzlich auch Erneuerbare Energiequellen wie die Photovoltaiktechnologie einschließt, auch wenn diese nicht notwendigerweise zu einer Effizienzverbesserung, sondern lediglich zur Substitution von Kohle, Gas, Öl, etc. durch den Primärenergieträger Sonne führen. Dies ist insofern eine neue Entwicklung, da die bisherige Literatur Photovoltaik-Contracting nicht explizit berücksichtigt.11 In der deutschen Gesetzgebung wird der Begriff "Contracting" bisher nicht verwendet, sondern mit dem weitgehend synonymen Term Energiedienstleistung beschrieben (BGBl.I 2010 S.1483). Demgegenüber hat sich in der Fachliteratur Contracting als dominante Begriffsbezeichnung (z.T. auch als Energie-Contracting) heute weitgehend durchgesetzt (Hack, 2012). Dies ist auch auf eine Initiative des Deutschen Institut für Normung e.V. aus dem Jahr 2003 zurückzuführen, welches den Begriff in der DIN 8930 Teil 5 (Contracting) erstmals aufgreift uns somit den Grundstein für eine einheitliche Terminologie wie Verständnis legte. Wie in Abbildung 3 dargestellt, werden in der DIN 8930 vier „Contracting-Varianten in Ihren reinen Ausprägungen festgelegt“ (DIN 8930 Teil 5; S.2). Es handelt sich hierbei um das Energieliefer-Contracting, das Einspar-Contracting, das 10 Ähnlich lautende Definitionen finden sich auch in anderen Literaturquellen. Vgl. hierzu bspw. (Meinefeld, 2004) oder (DIN 8930, 2003) 11 Dem Autor dieser Arbeit liegen trotz mehrmonatiger Recherche keine Literaturquellen vor, die sich dem Thema Photovoltaik-Contracting widmen. Zwar berücksichtigen einige Beiträge die Solarenergie, jedoch ist hiermit entweder Solarthermie gemeint, oder die Be- trachtung verbleibt abstrakt, ohne die Besonderheiten der Photovoltaiktechnologie zu thematisieren. Vgl. hierzu bspw. (Geiß, 2006), oder (BMVBS, BBSR, BBR, 2009)
  • 23. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 21 Finanzierungs-Contracting und das Technische Anlagenmanagement. Diese Kategorisierung wird im Folgenden kurz dargestellt, da sie im Sinne eines eindeutigen Begriffsverständnisses dem weiteren Verlauf dieser Arbeit als Grundlage dient. Abbildung 3: Contracting Varianten nach DIN 8930 Beim Energieliefer-Contracting übernimmt der Contractor die Verantwor- tung für die Versorgung des Kunden mit Energie, wie bspw. Wärme, Kälte, Licht, oder Strom, auf der Basis von langfristigen Verträgen. Er investiert entweder in eine Neuanlage oder übernimmt die bestehende Anlage, die er fortan unter eigenem Risiko betreibt und instand hält. Üblicherweise handelt es sich bei diesem Modell um eine dezentrale Energieerzeugungsanlage di- rekt auf dem Grundstück des Nutzers oder in dessen räumlicher Nähe. Im Gegensatz zu konventionellen Energieversorgern endet die Lieferpflicht nicht mit der Bereitstellung von Energieträgern wie Öl oder Gas, sondern geht da- rüber hinaus, indem der Contractor auch die dezentrale Umwandlung der Energieträger vom Kunden übernimmt, um ihn unmittelbar mit der benötigten Energie des täglichen Gebrauchs in Form von Wärme oder Strom zu versor- gen. Nach der DIN 8930 besteht die Leistungsvergütung durch den Kunden „aus dem Entgelt für die bezogene Nutzenenergie, die Vorhaltung der Ener- gieerzeugungsanlage und die Abrechnung.“ (DIN 8930 Teil 5; S.4). Beim Einspar-Contracting liegt der Fokus nicht auf der Energieer- zeugung, sondern auf der Optimierung der Energienutzung und des Energie- verbrauchs. Der Contractor identifiziert mit dem Kunden Einsparpotentiale am Gebäude im Zusammenhang mit dem Verhalten der Nutzer und realisiert Energieliefer-Contracting Einspar-Contracting Finanzierungs-Contracting Technisches Anlagenmanagement Contracting- Varianten
  • 24. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 22 diese in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung. In der Regel se- hen die Verträge vor, dass sich die Kosten während der Vertragslaufzeit für den Kunden nur unwesentlich ändern, sodass der Contractor seinen Auf- wand aus den erzielten Einsparungen finanzieren kann. Da die erzielten Ein- sparungen zumeist dauerhafter Natur sind, profitiert der Kunde hiervon noch nach Ende des Contracting-Vertrags (BBSR, BBR, 2012). Dem Finanzierungs-Contracting kann eine Energieeinsparung oder eine Energielieferung zugrunde liegen. Charakteristisch hierfür ist, dass der Cont- ractor die anfängliche Investition übernimmt, d.h. Planung, Finanzierung und Errichtung, bzw. Installation, der Anlage. Für die Bereitstellung erhält er in der Folge vom Kunden wiederum ein vereinbartes Entgelt. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Varianten ist die Betriebsführung weiterhin Aufgabe des Kunden. Da die Gesamtverantwortung der Maßnahme bei dieser Variante beim Kunden verbleibt, hat der Contractor lediglich einen Anreiz die Kosten für seinen Teil der Leistungspflicht zu minimieren, nicht aber für die Effizienz der gesamten Maßnahme zu sorgen. Dieses Charakteristikum ist daher ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu den beiden zuvor beschriebenen Va- rianten, Auch beim Technischen Anlagenmanagement verbleibt das Effizienzrisiko der gesamten Maßnahme beim Kunden. Die Verantwortung des Contractor beschränkt sich auf die Bedienung und Instandhaltung von Anlagen oder den technischen Gewerken. In der Literatur wird es deshalb bisweilen auch als Betriebsführungs-Contracting bezeichnet. Beide Formen, das Finanzierungs-Contracting sowie das Technische Anla- genmanagement, beschränken sich in ihrem Leistungsumfang lediglich auf eine Teilfunktion der gesamten Maßnahme. Vor diesem Hintergrund lassen sie sich als reduzierte Unterformen des Energieliefer-Contracting, bzw. des Einspar-Contracting betrachten (Meinefeld, 2004). Trotz dieser Normierung sind die beschriebenen Varianten kein Bestandteil gesetzlich festgeschriebe- ner Leistungskataloge. Für den rechtlichen Anspruch ist daher nicht die Be- nennung, sondern lediglich die im Einzelfall vereinbarte Leistung relevant (Hack, 2012). Darüber hinaus weist das Deutsche Institut für Normung e.V. in der zitierten Norm explizit darauf hin, dass in der Praxis unterschiedliche Mischformen der dargestellten Varianten existieren (DIN 8930 Teil 5).
  • 25. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 23 Zusammenfassend läßt sich daher festhalten, dass sich mögliche Leistungen des Contractors aus einem breiten Bündel variabel kombinierbarer Teilleis- tungen zusammensetzen lassen. In der Literatur aufgeführte Beispiele rei- chen von der Planung, Finanzierung, Installation, Betriebsführung, Instand- haltung, Abrechnung, Inkasso, Versicherung, bis zum Berichtswesen ent- sprechender Energiedienstleistungen (EnergieAgentur.NRW, 2007; Geiß, 2006; Göllinger, 2001). Die Gemeinsamkeit aller Contracting-Typen liegt daher nicht in der Beschrei- bung der Aufgabeninhalte, sondern in der veränderten Zuteilung der Aufga- ben zwischen Energiedienstleister und Kunden. So überträgt der Kunde in allen Varianten Aufgaben im Zusammenhang mit der Energieversorgung, bzw. –einsparung, aus seinem eigenen Verantwortungsbereich vertraglich auf den Contractor und zahlt hierfür eine langfristig angelegte monetäre Ge- genleistung. Ein konstitutives Merkmal des Contracting ist somit die Ver- schiebung der konventionellen Arbeitsteilung zwischen Energieanbietern und –nachfragern zugunsten des Energieanbieters (Hennicke, et al., 1996; Meinefeld, 2004). 2.2 Anbieterstruktur und Marktentwicklung von Contracting In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts sind die klassischen Energie- versorgungsunternehmen (EVU), die ersten Anbieter von Contracting- Verträgen in Deutschland (Geiß, 2006). Ausgehend von dem ursprünglichen Ziel, Effizienzpotentiale auf der Kundenseite zu heben, dient Contracting die- sen Unternehmen hauptsächlich als Mittel der Absatzförderung bzw. – stabilisierung. Besonders die langen Amortisationszeiten und die damit ver- bundenen Vertragslaufzeiten führen bei den Unternehmen zu verlässlich kal- kulierbaren Umsätzen und somit zu einer langfristigen Sicherung der Erträge (IZES gGmbH, Bremer Energie Institut, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, 2011). Diese Eigenschaften wirkten auch auf Unternehmen angrenzender Wert- schöpfungsbereiche attraktiv, sodass im Zeitverlauf neue Anbieter in den Markt drängen. Heute steht eine Vielzahl von Unternehmen aus unterschied- lichen Branchen den Energieversorgungsunternehmen als Wettbewerber im Contracting-Markt gegenüber. Wie Abbildung 4 illustriert, sind die Herkunfts-
  • 26. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 24 branchen der Anbieter dabei ebenso vielfältig wie die einzelnen Funktions- leistungen, die in Contracting-Modellen gebündelt werden. So finden sich neben den Energieversorgungsunternehmen bspw. klassische Handwerks- betriebe, Ingenieursdienstleister, Wohnungsbaugesellschaften, Facility- Management-Unternehmen, Anlagenhersteller und Energieagenturen unter den heutigen Contracting-Anbietern (Knott, 1997).12 Zusätzlich zu den Unter- nehmen, die ihr ursprüngliches Geschäftsmodell aus einem angrenzenden Leistungsfeld um Contracting-Angebote erweitern und sich hierdurch in Ih- rem Produktangebot diversifizieren, finden sich neue, spezialisierte Contrac- ting-Firmen auf dem Markt. Diese zumeist eigenständigen Unternehmen se- hen ihre Kernkompetenz allein im Bereich Contracting (EnergieAgentur.NRW, 2007). Sie werden als Energiediensteistungsunternehmen (EDU) bezeichnet und verstehen sich häufig als Förderer regenerativer Energien (Geiß, 2006). Abbildung 4: Übersicht zum Hintergrund von Contracting-Anbietern 12 In einigen Publikationen werden auch Finanzdienstleistungsunternehmen als Anbieter von Contracting genannt. Auf ihre Nennung wurde hier bewusst verzichtet, da es sich in der Regel um sehr spezifische Finanzierungslösungen handelt, die weder die Planung, noch die Installation einschließen. Vgl. hierzu bspw. (EnergieAgentur.NRW, 2007).
  • 27. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 25 Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Anbieter, ihren spezifischen Leis- tungsschwerpunkten und ihrem Know-how kennzeichnet den Contracting- Markt seine große Heterogenität (EnergieAgentur.NRW, 2007). Unterschied- liche Studien beziffern die Anzahl der Anbieter im deutschen Markt auf 300 bis 500 Unternehmen, je nach thematischer Abgrenzung und dem Zeitpunkt der Erhebung (BMVBS, BBSR, BBR, 2009). Qualitative Erhebungen zeigen ferner, dass eine Dominanz von zwei Unternehmensarten im Markt festzu- stellen ist. Nach Daten der Firma Prognos und des Vereins für Wohnen im Eigentumg e.V. entstammen die meisten Anbieter der Brache der Energie- versorgungsunternehmen, gefolgt von den Energiedienstleistungsunterneh- men (Vgl. Abbildung 5). Die übrigen Anbieter sind zahlenmäßig wenig rele- vant, da sie auch aggregiert in ihrer Anzahl hinter den beiden erstgenannten Kategorien zurückbleiben (BMVBS, BBSR, BBR, 2009; Warnecke, 2008). Abbildung 5: Studienergebnisse zur Anbieterstruktur bei Contracting- Modellen im Vergleich Der jährliche Umsatz mit Contracting-Produkten wird im Jahr 2009 insgesamt auf ca. 2 Mrd. € taxiert (BMVBS, BBSR, BBR, 2009). Das bei weitem erfolg- reichste Contracting-Modell im Markt ist dabei das Energieliefer-Contracting. Nach Angaben einer VfW-Mitgliederbefragung ist diese Variante mit 85% die mit Abstand häufigste Organisationsform beim Abschluss eines Contracting- Vertrags im Markt. Wie Abbildung 6 zeigt folgt an zweiter Stelle das Engergiespar-Contracting mit 9%, während die beiden anderen Varianten,
  • 28. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 26 das Technische Anlagenmanagement und das Finanzierungs-Contracting, gerade noch einen Marktanteil von 5%, bzw. 1% aufweisen (Verband für Wärmelieferung e.V., 2011). Abbildung 6: Übersicht zu Contracting-Varianten nach ihrer relativen Häufig- keit Als Zielkunden im Contracting-Markt gelten traditionell große Energiever- braucher, wie sie in der Industrie, dem Gewerbe, öffentlichen Einrichtungen oder der Wohnungswirtschaft zu finden sind, da durch den vergleichsweise großen Energieverbrauch pro Kunde ein hoher Umsatz generiert wird. In der Literatur wie in der Praxis wird in Anlehnung an diese Überlegung häufig auch von kritischen Größen gesprochen, um ein Contracting-Modell wirt- schaftlich zu betreiben (Geiß, 2006). Demnach sind die Anbieter nur ab einer gewissen Umsatzgröße fähig, den Kunden einen attraktiven Preis für die Dienstleistung anzubieten. Nach Angaben des VfW lohnt sich Contracting erst ab einer beheizten Fläche von 1.000m², bzw. ab 6-10 Wohneinheiten pro Wohnanlage (Verband für Wärmelieferung e.V., 2012). Dies deckt sich im Wesentlichen mit dem Markthabitus, nach welchem sich Contracting- Angebote schwerpunktmäßig an Kunden mit Objekten ab einer Mindestgröße von 13 Wohneinheiten richten (BMVBS, BBSR, BBR, 2009). Entgegen diesen Überlegungen zeigen mehrere Beispiele aus der Praxis allerdings, dass Contracting auch für bedeutend kleinere Einheiten erfolg- reich angeboten werden kann. Das Bremer Energie Institut führt 2011 eine Markterhebung zu Contracting-Lösungen für Einfamilienhäuser, dem soge- nannten Mini-Contracting, durch, in dessen Rahmen bundesweit 54 Unter-
  • 29. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 27 nehmen identifiziert werden, die Contracting aktiv anbieten. Als Branchenfüh- rer dieser Nische hat die EWE Energie AG demnach Mitte 2010 bereits über 10.000 Kunden im Rahmen eines Mini-Contractings unter Vertrag (Clausnitzer, et al., 2011). Obwohl diese Beispiele die Vielfältigkeit und die bestehende Verbreitung von Contracting in Deutschland illustrieren, bleibt die Photovoltaik als Contrac- ting-Maßnahme in Literatur wie der Praxis bis heute nahezu unberücksichtigt. Zwar wird wie bei der Grazer Energieagentur das solare Energieliefer- Contracting explizit erwähnt, jedoch umfasst „solar“ hier lediglich die solar- thermische Wärmeenergieerzeugung (Grazer Energieagentur, 2013). Glei- ches gilt für die Studie „Contracting im Mietwohnungsbau“ aus dem Jahr 2009, die auf ein gemeinsames Forschungsprojekt mehrerer Bundeseinrich- tungen zurückgeht. In den hierzu veröffentlichen Umfrageergebnissen sehen die Contracting-Unternehmen die größten Marktpotentiale der Branche bei der Solarenergie und damit noch deutlich vor den klassischen Lösungen wie bspw. BHKW, KWK oder Biomasse. Aus dem Kontext erschließt sich jedoch, dass hierunter wiederum allein die solarthermische Wärmeerzeugung ver- standen wird (BMVBS, BBSR, BBR, 2009), weshalb die Erkenntnisse dieser Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit nur bedingt von Bedeutung sind. 2.3 Relevante Contracting-Modelle für die PV und Treiber für deren Nutzung Auf Basis der allgemeinen Charakterisierung von Contracting und dessen Markt stellt sich im nächsten Schritt die Frage unter welcher Contracting- Variante ein Betreibermodell auf Basis von PV einzuordnen wäre. Wie bereits ausgeführt, führt der Betrieb einer Photovoltaik-Anlage nicht per se zu einer Energieeinsparung. Vielmehr wird Energie in Form von Strom unter Verwendung eines regenerativen Energieträgers produziert. Vor die- sem Hintergrund ist die Photovoltaik als Maßnahme im Rahmen des Energie- liefer-Contracting zu verstehen, während eine Einordung als Einspar- Contracting hingegen definitorisch ausgeschlossen ist.13 Darüber hinaus ist 13 Dem könnte entgegnet werden, dass die Installation von Photovoltaik den konventionel- len Stromverbrauch aus dem Netz reduziert und damit als Maßnahme im Rahmen eines
  • 30. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 28 eine Modellierung als Finanzierungs-Contracting oder als Technisches Anla- genmanagement mit dem Fokus auf eine Photovoltaik-Anlage denkbar, da beide Formen unabhängig von der Beurteilung sind, ob eine Energieerzeu- gung oder –einsparung erfolgt. Aufgrund des Ziels einer ganzheitlichen und grundlegenden Betrachtung konzentriert sich die weitere Darstellung auf die Umsetzung einer PV-Anlage in Form eines Energieliefer-Contracting. Dieser Vorgehensweise liegt die Annahme zugrunde, dass der Fokus auf das übergeordnete Organisations- konzepts des Energieliefer-Contracting auch die Vor- und Nachteile der Un- terformen, bzw. deren Wirtschaftlichkeit erlaubt. Bei der Entscheidung, auf eine Contracting-Dienstleistung zurückzugreifen handelt es sich im Kern um eine häufig untersuchte Thematik, die in der be- triebswirtschaftlichen Literatur ausführlich unter der Bezeichnung „Make-or- Buy-Entscheidung“ behandelt wird. Hierbei erfolgt die Erörterung der Frage, ob es vorteilhaft ist, eine Leistung in Eigenfertigung zu erstellen, oder durch Fremdbezug von einem anderen Unternehmen einzukaufen (Hill, et al., 2010). Die Entscheidung zum Fremdbezug, auch Outsourcing genannt, be- wirkt, dass interne Tätigkeiten fortan in der Verantwortung der externen Dienstleister liegen (Jentsch, 2010). Es ist daher zutreffend, wenn Geiß aus Kundensicht das Contracting als „das Outsourcing der Energieversor- gung“ bezeichnet (Geiß, 2006; S. 272). Aufgrund ihrer engen inhaltlichen Verwandtschaft finden sich in der betriebs- wie energiewirtschaftlichen Literatur ähnliche Motive zur Verpflichtung exter- ner Partner (Barzel, 2000; Meinefeld, 2004). In einer von dem BMVBS dem BBSR und dem BBR durchgeführten Studie zum Thema Contracting im Mietwohnungsbau werden Vertreter der Wohnungswirtschaft zu ihren Be- weggründen befragt, Contracting-Lösungen in Betracht zu ziehen. Demnach nennt die Mehrheit der Teilnehmer die beiden folgenden Aspekte als wesent- lich (BMVBS, BBSR, BBR, 2009): Energiespar-Contracting zu verstehen ist. In der Literatur wird die solarthermische Ener- gieerzeugung allerdings als Einspeise-Contracting betrachtet (BMVBS, BBSR, BBR, 2009). Da es für die Kategorisierung unerheblich ist, ob die Abnahme von konventionell erzeugtem Strom oder von konventionell erzeugter Wärmenergie reduziert wird, ist davon auszugehen, dass diese Einordnung in gleicher Weise für die Photovoltaik gilt.
  • 31. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 29  Die Finanzierung der Anfangsinvestition durch den Contractor  Die Übernahme von Dienstleistungen durch den Contractor Diese Motive von Vertretern der Wohnungswirtschaft stehen stellvertretend für Contracting-Kunden aller Bereiche (Geiß, 2006; Knott, 1997; Meinefeld, 2004; Clausnitzer, et al., 2011). Die Aufgabe, eine hohe Anfangsinvestition zu finanzieren, stellt Unternehmen regelmäßig vor Herausforderungen. Bei begrenzten finanziellen Mitteln konkurriert jede Investition in die Energieer- zeugung im Geschäftsalltag mit dem Kapitalbedarf anderer Bereiche (Geiß, 2006). Dies kann zur Folge haben, dass die kapitalintensive Anschaffung neuer Energieerzeugungsanlangen mit ihren vergleichsweise langen Amorti- sationszeiten gegenüber anderen Projekten zurückgestellt wird (EnergieAgentur.NRW, 2007). Das Unternehmen kann diesen Zielkonflikt durch eine Finanzierung der Anfangsinvestition mithilfe eines Contractors umgehen und sich durch nunmehr anfallende, regelmäßige, kleine Zahlun- gen in die Lage versetzen, die Maßnahme umzusetzen (Geiß, 2006). Analog verhält es sich bei Kunden aus dem öffentlichen, oder privaten Sektor, die auf Basis von Contracting-Lösungen eine Entlastung im Verwaltungshaushalt (Knott, 1997), bzw. der eigenen Rücklagen erreichen können (Clausnitzer, et al., 2011). Hinter dem anderen Treiber, die Übernahme von Dienstleistungen durch den Contractor, steht das Versprechen einer zeitlichen und fachlichen Entlastung des Kunden. „Zur Durchführung von energietechnischen Investitionen brau- chen sich Contracting-Nehmer kein energietechnisches Wissen und keine Markenkenntnisse anzueignen. Außerdem reduziert sich die Suche, Auswahl und Überprüfung der Vertragspartner auf einen Generalunternehmer – den Contracting-Geber.“ (Geiß, 2006; S. 304). Während der Kunde im Nicht- Contracting-Fall mit vielen unterschiedlichen Funktionsträgern wie Installateuren, Anlagenherstellern, Banken, Versicherungen, etc. in Kontakt treten muss, ist er beim Contracting auf lediglich einen Ansprechpartner angewiesen (Clausnitzer, et al., 2011). Die Reduktion der Schnittstellen und Interaktionen hat für den Kunden zur Folge, dass er seine Transaktionskosten, d.h. den eigenen Aufwand im Kontakt mit externen Dienstleistern, signifikant reduzieren kann (Rotering, 1993; Knott, 1997). Ab-
  • 32. 2. Contracting als Dienstleistungsmodell im Gebäudebereich 30 bildung 7 illustriert den Unterschied zwischen den beiden Organisationsformen schematisch. Abbildung 7: Vergleich der Transaktionsbeziehungen zwischen dem konven- tionellen Modell der Energiebeschaffung und dem Contracting-Modell Neben diesen Hauptmotiven ergeben sich im Einzelfall weitere Vorteile, die vom jeweiligen Contractor, der zugrunde liegenden Energiemaßnahme, so- wie der individuellen vertraglichen Gestaltung abhängen. Diese umfassen beispielsweise: Eine verbesserte Wirtschaftlichkeit in Folge von Größende- gressionseffekten beim Contractor (EnergieAgentur.NRW, 2007), Kostensi- cherheit durch festgelegte Energiepreise, Kostenoptimierung durch Effizienz- gewinne (Meinefeld, 2004), Erzielung von Steuervorteilen, ein Imagegewinn durch umweltschonende Energieanlagen (Knott, 1997), etc.
  • 33. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 31 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings Nach Abschluss der allgemeinen Einführung zum Thema Contracting wird nun untersucht, wie ein Energieliefer-Contracting auf Basis der Photovoltaik- technologie ausgerichtet und aufgebaut sein könnte. In Anlehnung an beste- hende Contracting-Modelle anderer Energieerzeugungstechnologien wird am Beispiel grundlegender Bestandteile wie Kundengruppen, Anlagenstruktur, Einspeisevertrag wird dargelegt, wie diese im Zusammenhang mit einem PV- Contracting definiert, bzw. ausgestaltet werden könnten. 3.1 Kundensegmentierung und Energielieferumfang Die Betrachtung potentieller Kundengruppen setzt ein klares Verständnis voraus, unter welchen Voraussetzungen Installation und Betrieb einer PV- Anlage auf einem Gebäude sinnvoll erscheint. So sollten sich zur PV- Stromerzeugung eignende Pult- und Satteldächer optimaler Weise ca. 30 Grad geneigt und nach Süden ausgerichtet sein. Unabhängig von der Art des Daches sollte während der gesamten Betriebszeit eine Verschattung der Modulflächen vermieden werden, um signifikante Leistungseinbußen bei der Stromproduktion und somit der Wirtschaftlichkeit der Maßnahme zu verhin- dern (Wosnitza, et al., 2012). Desweiteren ist eine PV-Stromproduktion nur sinnvoll, wenn am Standort auch ein Verbraucher existiert, der den produ- zierten Strom nutzt. Sind sowohl eine geeignete Dachfläche und ein Ver- braucher vorhanden, kann eine Eignung des Objekts für ein PV-Contracting unterstellt werden. Für eine grundlegende Auswahl geeigneter Objekte sind weitere Kriterien vorerst irrelevant. Alle Eigentümer von Objekten, welche die die ersten bei- den Kriterien erfüllen, sind demnach potentielle Kunde einer PV-Contracting- Lösung. Auf Basis dieser beiden Qualifikationskriterien stellt sich nun die Frage nach einer sinnvollen Segmentierung dieser Kunden. Ohne Berücksichtigung der Branchenzugehörigkeit und Rechtsform potenti- eller Kunden, zeigen sich erhebliche Unterschiede im Verbrauchsverhalten und den infrastrukturellen Anforderungen. Wie die Analyse der folgenden Kapitel zeigen wird, beeinflussen diese Eigenheiten allerdings den Aufbau eines PV-Contractings und die alternativen Strombeschaffungskosten der
  • 34. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 32 Kunden so erheblich, dass eine nähere Charakterisierung unter diesen As- pekten lohnend erscheint. Als Grundlage sollen hierzu die Kundensegmente der großen deutschen Grundversorger herangezogen werden, die allesamt eine ähnliche Untertei- lung der Kunden für ihre Stromdienstleistungen vornehmen. So unterscheidet EnBW seine Stromkunden in Industrie-, Gewerbe-,14 und Privatkunden (EnBW Energie Baden-Württemberg AG, 2013). Abhängig von dem betrach- teten Segment sind deutliche Unterschiede im Stromverbrauch erkennbar. Die größten Stromverbraucher finden sich traditionell in der Indust- rie. Insbesondere Unternehmen aus der Metall-, Papier-, oder Chemieindust- rie zählen zu den energieintensivsten Branchen und erreichen Jahresstrom- verbräuche jenseits eines Gigawatts (Küchler, et al., 2012). Aufgrund ihres hohen Verbrauchs profitieren Industrieunternehmen von vergleichsweise günstigen Abnahmepreisen. Da die Abnahmemengen von Industriekunden abhängig von Branche und Größe des Unternehmens streuen, ist jede all- gemeine Aussage zum Stromverbrauch notgedrungen unscharf. Gemäß Da- ten von Eurostat, zahlen bspw. Industrieabnehmer mit einem Verbrauch zwi- schen 20 und 70 GWh/Jahr durchschnittlich 14,21 €-Cent pro Kilowattstunde Strom inkl. aller Steuern (Eurostat, 2012).15 Der Stromverbrauch im Gewerbekundenbereich ist allgemein deutlich mode- rater. Eine Aussage über die durchschnittliche Verbrauchsmenge ist auf- grund der Mannigfaltigkeit der Betriebe in diesem Segment jedoch ebenfalls kaum möglich. Die Staffelmengen der EnBW-Gewerbestromtarife lassen al- lerdings eine Schätzung der Größenordnungen der Abnahmemengen zu. So richtet sich bspw. der Gewerbestromtarif EnBW Aktiv Profi nach Verbrauchs- stufen von 0 bis 6.000 kWh/a (Stufe 1), von 6.001 bis 30.000 kWh/a (Stufe 2) und ab 30.001 kWh/a (Stufe 3). Die Abnahmepreise der Kunden dieses Be- reichs sind demzufolge höher als im Industriekundensegment. Da Gewerbe- stromtarife von Eurostat nicht ausgewertet werden, kann die Preisstruktur der 14 Während nach der Segmentierung der EnBW zusätzlich Landwirtschaftskunden aufge- führt werden, sind diese im Rahmen dieser Arbeit unter den Gewerbekunden subsumiert (EnBW Energie Baden-Württemberg AG, 2013). 15 Deutsche Industrieabnehmer mit einem Verbrauch zwischen 0,5 GWh/a und 2,0 GWh/a zahlen durchschnittlich 17,03 €-Cent pro Kilowattstunde Strom inkl. Mwst. (Eurostat, 2012).
  • 35. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 33 EnBW wieder als grobe Orientierung dienen. Demnach rangieren 2013 die Preise aller angebotenen Gewerbestromtarife zwischen 26,16 €-Cent/kWh und 31,39 €-Cent/kWh (EnBW Energie Baden-Württemberg AG, 2013).16 Privatkunden zeigen im Vergleich zu den anderen beiden Segmenten die geringsten Abnahmemengen an Strom pro Jahr. So verbraucht ein Haushalt im Jahr 2008 durchschnittlich 3.100 kWh/Jahr (Frondel, et al., 2011).17 Der Preis, den private Verbraucher für eine jährliche Abnahmemenge zwischen 2.500 und 5.000 kWh im ersten Halbjahr 2012 durchschnittlich entrichten müssen, beträgt 25,95 €-Cent pro kWh inkl. Mwst. (Eurostat, 2013). Die zum Jahreswechsel um 1,69 €-Cent gestiegene EEG-Umlage verursacht eine geringfügige Erhöhung der genannten Eurostat-Daten aus 2012 (Wirth, 2012). Unter Berücksichtigung dieser Erhöhung ergeben sich für das Jahr 2013 Referenzstrompreise wie in Abbildung 8 dargestellt. Verglichen mit den Industriekunden, die aufgrund ihrer Nachfragehöhe Ihren Strom zu deutlich günstigeren Konditionen beziehen, zahlen private Haushalte und Gewerbe ähnlich hohe Preise für Ihren Strom. Abbildung 8: Kategorisierung der Contracting-Projekte nach Referenzstrom- preisen und Anzahl der Stromkunden 16 Betrachtet werden nur Laufzeitprodukte mit festen Preisen nach Auswertung einer Stutt- garter Postleitzahl. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Tarife an anderen Standorten von den hier genannten Werten abweichen. Die genannten Werte beinhalten die gesetz- liche Mwst. Vgl. hierzu (EnBW Energie Baden-Württemberg AG, 2013). 17 Abhängig von der Personenzahl in den Haushalten beträgt der Stromverbrauch durch- schnittlich zwischen ca. 1.900 bis 6.100 kWh/Jahr. (Frondel, et al., 2011). Referenzstrompreise Industrie 15,90 €-Cent/kWh Gewerbe 26,16 - 31,39 €-Cent/kWh Private Haushalte 27,64 €-Cent/kWh Anzahl der Stromkunden Ein-Kunden-Fall Eigentümer = Stromkunde Mehr-Kunden-Fall 1) Eigentümer = Auftraggeber, ggf. auch Stromkunde 2) Stromkunden = Mieter 1,2,3, ... (i.d.R. mehrere)
  • 36. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 34 Die Charakterisierung der bestehenden Strompreissegmente ist für die spä- tere Preis- und Umsatzkalkulation unter Berücksichtigung von Opportunitäts- kosten der Contracting-Nehmer von Bedeutung. Demgegenüber hat jede kostenseitige Bewertung der Contracting-Modelle eine Kundensegmentie- rung nach Anzahl der versorgten Stromkunden zu berücksichtigen, da diese Zählerinfrastruktur und Abrechnungsaufwand beeinflusst.18 Im einfachsten Fall ist der Eigentümer der Immobilie der einzige Stromverbraucher. Der Contractor sieht sich sowohl bei der Beauftragung wie bei der Lieferung und Abrechnung des Stroms einer einzigen Person gegenüber, weshalb diese Konstellation entsprechend als „Ein-Kunden-Fall“ bezeichnet werden kann. Demgegenüber ist auch die Konstellation eines „Mehr-Kunden-Falls“ mög- lich, d.h. im Unterschied zum Ein-Kunden-Fall versorgt der Contractor meh- rere Stromkunden in einer Liegenschaft. Dies ist bspw. im Bereich der Woh- nungswirtschaft vorstellbar, wenn ein Unternehmen als Eigentümer einer Immobilie ein PV-Contracting für ihr Objekt abschließt und dem Contractor die vertragliche Sicherheit gewährt, die Anlage über die Laufzeit hinweg auf dem Dach des Gebäudes betreiben zu dürfen. Potentieller Stromkunde wäre in diesem Fall nicht nur der Auftraggeber und Eigentümer der Immobilie selbst, sondern alle privaten oder gewerblichen Mieter in dem Gebäude. Der Contractor leistet folglich eine Energiedienstleistung gegenüber allen Partei- en, insofern diese die Dienstleistung in Anspruch nehmen. Wird hierbei von der Stromversorgung der Kunden durch den Contractor ge- sprochen, ist stets zu spezifizieren, ob es sich um eine Voll- oder Teilversor- gung handelt. Dies liegt an der Tatsache, dass die Menge an produziertem PV-Strom von der aktuellen Sonneneinstrahlung abhäng ist und daher nicht an das Lastprofil der Stromkunden, d.h. dem tageszeitspezifischen Strom- verbrauch, angepasst werden kann. Für die Dauer des Betriebs einer PV- Anlage sind somit zwei Konstellationen voneinander zu unterscheiden19 : 18 Nähere Erläuterungen zu den Unterschieden im Zähleraufbau findet sich im Kapitel 3.6. 19 Theoretisch existiert eine dritte Konstellation für den Fall, dass der Stromverbrauch exakt mit dem durch die PV-Anlage produzierten Strom übereinstimmt. In dieser Situation wür- de weder PV-Strom ins Netz eingespeist, noch zusätzlicher Strom aus dem Netz bezo- gen. Da dieser Fall allerdings vorwiegend theoretischer Natur ist, bzw. nur einer Mo- mentaufnahme entspricht wird er in diesem Zusammenhang nicht weiter berücksichtigt.
  • 37. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 35 1. Produzierter PV-Strom ist größer als der Stromverbrauch der Cont- racting Kunden 2. Produzierter PV-Strom ist kleiner als der Stromverbrauch der Cont- racting Kunden Im ersten Fall erzeugt die Anlage mehr Strom als im Rahmen des Contrac- ting-Modells abgesetzt werden kann. Wenn kein dezentraler Stromspeicher existiert, wird der überschüssige Anteil in das Stromnetz eingespeist. Die Vergütung erfolgt gemäß § 20b Abs. 10 EEG nach den im Bundesanzeiger veröffentlichten Sätzen zugunsten des Contractors. Produziert die PV-Anlage hingegen im zweiten Fall weniger Strom, als vom Kunden benötigt wird, muss die über die Teilversorgung der PV-Anlage hinausgehende Menge an Strom aus dem Netz bezogen werden. Dies erfolgt entweder über einen se- paraten Stromliefervertrag, den der Kunde parallel zum Contracting mit ei- nem EVU (Energieversorgungsunternehmen) seiner Wahl schließt, oder aber der Contractor bietet dem Kunden eine Vollversorgung an, indem er den feh- lenden Strom, sogenannten Zusatz- und Reservestrom, aus dem Netz zu- kauft (Legler, et al., 2013). In diesem Fall schließt der Contractor zur Erfül- lung seiner Vollversorgungspflicht einen Stromliefervertrag mit einem ande- ren EVU, der die Differenz zwischen Kundenverbrauch und PV-Erzeugung liefert (Hack, 2012). Für den Kunden hat dies den Vorteil, dass er keine zwei, sondern wie bisher lediglich einen Vertrag für seine Strombezug abschließen muss. Abbildung 9 stellt die erläuterten Rechtsverhältnisse für ein PV- Contracting mit Vollversorgung im Überblick dar. Neben dem Einspeisevertrag mit dem Netzbetreiber und dem Liefervertrag zur Bereitstellung von Zusatz- und Reservestrom mit einem anderen EVU stellt die vertragliche Regelung zwischen dem Contractor und dem Contrac- ting-Nehmer, bzw. den einzelnen Stromkunden, das wichtigste vertragliche Gestaltungselement eines PV-Contractings dar. Im Fall des Mehr-Kunden-Modells bedarf es für die Belieferung jedes Kunden jeweils einen Stromliefervertrag und zusätzlich einem Contracting-Vertrag für die vertraglichen Regelungen zwischen Contracting-Nehmer und Contractor. Im Ein-Kunden-Modell kann hingegen sowohl die Stromlieferung als auch die Bereitstellung der Dachfläche in Verbindung mit der PV-Anlage in einem ein- zigen Dokument, dem sogenannten Energiedienstleistungsvertrag, geregelt
  • 38. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 36 werden. Die organisatorische Ausgestaltung der wichtigsten Bestandteile eines PV-Contractings mit einem Energiedienstleistungsvertrag wird in den folgenden Unterkapiteln behandelt. Abbildung 9: Relevante Rechtsverhältnisse bei PV-Contracting mit Vollver- sorgung (Legler, et al., 2013) 3.2 Allgemeine Bestimmungen und Rechtsnatur von Energiedienstleistungsverträgen Der Betrieb dezentraler Stromerzeugungsanlagen -und somit auch ein mögli- ches PV-Contracting- wird juristisch als Betrieb einer dezentralen Kundenan- lage bewertet und nicht wie grundsätzlich vorstellbar als dezentrales Strom- netz. Dies ist in der praktischen Umsetzung von erheblicher Bedeutung, da hierdurch weitreichende Pflichten zur Regulierung, Meldung und Überwa- chung entfallen (Legler, et al., 2013). Maßgeblich für diese Interpretation ist ein gesetzlicher Kriterienkatalog, der die Anzahl der angeschlossenen End- verbraucher, die geographische Ausdehnung, die Menge durch geleiteter Energie, sowie sonstige Kriterien zur Bewertung vorgibt (§ 3 Nr. 24a EnWG). Da einzelne dezentrale Energieerzeugungsanlagen im Sinne eines Energie- liefer-Contractings im Vergleich zum restlichen Strommarkt hinsichtlich die- ses Kriterienkatalogs als nicht signifikant angesehen werden, entfallen diese Netzpflichten auch für den PV-Contractor (§ 3 Nr. 16/18 EnWG).
  • 39. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 37 Darüber hinaus sind die hier verwendeten Vertragsbegrifflichkeiten rechtlich mit keinen weiteren Ansprüchen verbunden. Alternativ zu den Begriffen, wie Stromliefervertrag, Contracting-Vertrag, bzw. Energiedienstleistungsvertrag sind daher auch andere Bezeichnungen möglich. Wie bei der Bezeichnung der Contracting-Modelle führt dies dazu, dass nicht die Bezeichnung des Vertrags, sondern allein dessen inhaltliche Ausgestaltung die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festlegt (Hack, 2012). Juristisch handelt es sich bei den Energiedienstleistungsverträgen um „Kauf- verträge oder gemischte Verträge mit kauf-, werk- und dienstvertraglichen Elementen“ (Hack, 2012, S. 13). Verstößt der Inhalt nicht gegen gesetzliche Verbote, kann durch einen derartigen Vertrag ein Schuldverhältnis beliebigen Inhalts begründet werden (§ 311 Abs. 1 BGB). Die vielen unterschiedlichen Contracting-Modelle indizieren, dass kein einheitliches Modell für einen sol- chen Energiedienstleistungsvertrag existiert (de Wyl, et al., 2003). Daraus folgt unmittelbar, dass der Energiedienstleistungsvertrag zur Stromlieferung unter Beachtung einiger weniger gesetzlicher Verordnungen und Richtlinien ein durch die Geschäftspartner frei zu gestaltendes Vertragswerk darstellt (§ 311 Abs. 1 BGB).20 Aufgrund dieses Gestaltungsspielraums sind die Leistun- gen und Pflichten zur Schaffung von Rechtssicherheit aller Beteiligten, sorg- fältig vertraglich zu regeln sind. 3.3 Liefer- und Leistungspflichten des Contractors Die Hauptpflicht des Contractors besteht in der Bereitstellung des Stroms aus der PV-Erzeugung und den notwendigen Zusatz- und Reservestromkontingenten.21 Da die Sonnenstrahlung als Primärenergieträger zur Erzeugung von PV-Strom täglichen, jahreszeitlichen und sogar jährlichen Schwankungen unterliegt (Watter, 2011), ist es unmöglich den Umfang der PV-Strommenge exakt festzuschreiben. Damit 20 Bei der Stromlieferung an Haushaltskunden sind Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (EltRL), sowie § 41 des Energiewirtschaftgesetzes (EnWG) zu beachten, zudem ist die Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) und die Niederspannungsanschlussver- ordnung (NAV) von praktischer Bedeutung (Hack, 2012). 21 Vor dem Hintergrund einer umfassenden Betrachtung des PV-Contractings wird im Fol- genden von einer Vollversorgung inkl. der Lieferung von Zusatz- und Reservestrom aus- gegangen.
  • 40. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 38 dennoch der vornehmliche Zweck des PV-Contractings, nämlich die Lieferung von dezentral erzeugtem PV-Strom, auch in den Leistungspflichten des Contractors Berücksichtigung findet, kann ggf. eine langfristige Mindestmenge an PV-Strom vereinbart werden, die die zugrundeliegende Anlage auch in strahlungsärmeren Jahren erreichen soillte. Der Contractor sollte dies beurteilen können, da er auf Basis seiner Fachexpertise mögliche Objekte vor Abschluss der Verträge ohnehin evaluieren und hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit einer PV-Stromerzeugung einschätzen muss. Da die Konditionen und der Umfang aller Leistungspflichten vom jeweiligen Objekt abhängen und zudem Gegenstand einer individuellen Verhandlung zwischen Contractor und Contracting-Nehmer sind, soll an dieser Stelle lediglich ein Überlick zu den wesentlichen Regelungspunkten gegeben werden. Auf Basis des § 5 AVBFernwärmeV und einer Auflistung von Hack ist eine Regelung forlgender Sachverhalte erforderlich (Hack, 2012): Art der zu liefernden Energie Anschlussleistung und voraussichtliche Jahresarbeit Weitere Details zur Stromlieferung, ggf. Spezifizierung zum Mindestumfang an dezentral erzeugtem PV-Strom Lieferort Lieferzeitraum Zulässige Unterbrechungen der Versorgung (höhere Gewalt und andere Störungen durch Dritte; ggf. bestimmte Anlagenrisiken; betriebsnotwendige Arbeiten an der Anlage); besondere Anforderungen an die Versorgungssicherheit Anlagengrenze: Abgrenzung der Anlage des Energiedienstleisters von der Kundenanlage, insbesondere bei abweichender Liefergrenze Übernahme sonstiger Arbeiten/Aufgaben durch den Energiedienstleister Wie in der obigen Auflistung bereits angedeutet, umfasst eine hinreichende Beschreibung der Liefer- und Leistungspflichten nicht nur ihre Spezifizierung nach Ort, Zeit und Sache, sondern auch die Ausführung, unter welchen Be- dingungen diese gelten, bzw. nicht gelten. Andernfalls besteht das Risiko, dass sich der Contractor gegenüber dem Kunden nach §280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig macht, falls es während der Betriebsführung zu einer
  • 41. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 39 Leistungsstörung kommt, auch wenn er die Störung nicht direkt zu vertreten hat. Zu Gunsten gegenseitiger Transparenz ist im Interesse beider Vertrags- parteien daher vertraglich zu vereinbaren, für welche Fälle eine Leistungs- pflicht gilt und unter welchen Umständen diese außer Kraft gesetzt wird. Eine mögliche Quelle für Leistungsstörungen der PV-Stromproduktion sind Auswirkungen externer Ereignisse wie Sturm, Feuer, Überspannung, die zu einer Beschädigung und einem Ausfall der PV-Anlage führen können. Durch den Abschluss einer gängigen Allgefahrenversicherung können diese Fälle allerdings versichert und über den Strompreis auf den Kunden umlegt wer- den. Die Versicherung entschädigt in diesem Fall nicht nur die Reparatur der defekten Teile, sondern übernimmt auch die Ertragseinbußen während der Schaden verursachten Ausfalldauer (Seltmann, 2011). Ist ein Anlagenausfall jedoch nicht auf äußere Einwirkungen, sondern auf das Bauteil selbst zurückzuführen, entfällt auch der Anspruch auf eine Ausfallent- schädigung. Der Ausfall eines PV-Moduls während des Contractings ist auf- grund ihrer Lebenserwartung von mehr als 20 Jahren eher unwahrscheinlich. Demgegenüber ist davon auszugehen, dass die eingebauten Wechselrichter während der Betriebszeit ausfallen und zu ersetzen sind (Seltmann, 2011). Um eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Contractor auszuschließen, sind diese Fälle vollständig oder auch nur im beschränkten Maße von der Leistungspflicht auszunehmen. Vorstellbar ist bspw. ein an der zu erwarten- den Wiederbeschaffungszeit der einzelnen Anlagenkomponenten orientierter Reaktionszeitraum, innerhalb dessen Verlauf der Contractor die Leistungs- störung nicht zu vertreten hat. Ebenso sollte die Leistungspflicht des Cont- ractors dann außer Kraft gesetzt werden, wenn Arbeiten zur Wartung und Instandhaltung eine kurzzeitige Abschaltung der Anlage erfordern, da dies notwendiger Bestandteil der Betriebsführung, sowie Basis einer effizienten und störungsarmen Stromproduktion der Anlage ist. Bei Leistungsstörungen, die in den unmittelbaren Verantwortungsbereich des Contractors fallen (bspw. Planungs-, Installations- oder Betriebsfehler), ist eine Ausnahme von der Schadensersatzpflicht gegenüber dem Kunden kaum zu vertreten, jedoch gilt auch hier die Vertragsfreiheit, sodass die Ver- tragsparteien individuelle Lösungen vereinbaren können (Hack, 2012).
  • 42. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 40 Anders als bei etablierten Contracting-Modellen der Wärmeenergieversor- gung ist eine Versorgung der Kunden auch bei einer Störung der dezentralen Energieerzeugungsanlage über den vorhandenen Netzanschluss jederzeit gegeben. Dies hat zur Folge, dass im Wesentlichen der Contractor aufgrund der entgangenen Umsätze die Folgen einer Leistungsstörung der Anlage trägt, während der Kunde in seinem Verbrauchsverhalten nicht eingeschränkt wird. Der Contractor hat somit stets das Interesse, eine möglichst hohe Anla- genverfügbarkeit sicherzustellen. Abhängig von den jeweiligen Preisstruktu- ren entstünde für den Kunden überhaupt nur in dem Maße ein wirtschaftli- cher Schaden, wie er den PV-Strom günstiger bezieht als den Zusatz- und Reservestrom. 3.4 Abnahmepflicht von Kunden und Netzbetreibern Die Abnahmepflicht des Kunden bildet das Pendant zu den Liefer- und Leis- tungspflichten des Contractors. Dieser verpflichtet sich nur dann in die Ener- gieerzeugungsanlage zu investieren, wenn der Absatz der produzierten Energie sichergestellt ist. Der langfristig abgesicherte Verkauf der Energie garantiert die Amortisation seiner Investition. Im Gegensatz zu konventionel- len Contracting-Modellen aus der Wärmeenergieversorgung ist der Contrac- tor im Rahmen des PV-Contracting bei seinem Absatz nicht ausschließlich an den Kunden gebunden (Meinefeld, 2004). Eine weitere Option zum Absatz des erzeugten PV-Stroms besteht in der Einspeisung in das öffentliche Netz. Durch die seit Einführung des EEGs am 1. April 2000 geltende Einspeiseregelung, ist der Netzbetreiber verpflichtet, Strom aus erneuerbaren Energiequellen über eine Dauer von 20 Jahren zu einem festgelegten Satz pro kWh zu vergüten (Bundesumweltministerium, 2000). Seit der jüngsten Novellierung des EGGs wurde diese Regelung je- doch eingeschränkt. Bei einer installierten Anlagenleistung zwischen 10 kWp und 1000 kWp gelten die Einspeisetarife für maximal 90% der jährlich produ- zierten Energie , während die restliche Strommenge von den Netzbetreibern nicht vergütet wird (BGBl. 2012, Teil I, Nr. 38, S. 1754). Für den Erlös von Verkaufspreisen ist der Contractor gezwungen, mindestens 10% seiner Pro- duktion dezentral an einen Kunden zu verkaufen.
  • 43. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 41 Die Stromabnahme des Kunden ist daher für den wirtschaftlichen Betrieb der PV-Anlage nach wie vor erforderlich. Ein Vergleich der vom EEG garantier- ten Vergütungssätze und den Endkundenpreisen der Verbraucher zeigt zu- dem, dass der Contractor mit dem Verkauf an den Kunden vermeintlich hö- here Preise erzielen kann. Abbildung 10 illustriert, dass bspw. im Jahr 2013 der zuvor errechnete Referenzstrompreis privater Haushalte 74% höher liegt als der ab ersten April 2013 geltende EEG-Vergütungssatz für bis zu 10- kWp-Anlagen (Bundesnetzagentur, 2013). Für den Contractor ist es daher vorteilhaft, möglichst viel Strom dezentral an den Kunden zu verkaufen, auch wenn von den hier abgebildeten Referenzstrompreisen noch Umlagen und Steuern abzuführen sind.22 Abbildung 10: Vergleich der EEG-Einspeisevergütung und den Referenz- strompreisen der Kundensegmente Die Einspeisung in das öffentliche Stromnetz auf Basis des EEGs ist für den Contractor vor diesem Hintergrund lediglich die zweitbeste Alternative. Gleichzeitig bildet sie aber die Basis für die Wirtschaftlichkeit des gesamten Modells, da überschüssiger PV-Strom keinen Umsatzausfall für den Contrac- tor nach sich zieht, sondern im Rahmen der Einspeisetarife garantiert vergü- 22 Eine detailliertere Aufschlüsselung nach Art und Umfang der gesetzlich vorgeschriebe- nen Steuern und Umlagen beim Verkauf von dezentral erzeugtem PV-Strom an Endkun- den erfolgt im Kapitel zur Preiskalkulation.
  • 44. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 42 tet wird. Dabei unterscheidet die Existenz von zwei unterschiedlichen Ab- satzkanälen das PV-Contracting grundsätzlich von Energieliefer-Contracting- Modellen der Wärmeversorgung, bei der der Absatz der produzierten Energie in der Regel lediglich über die direkte Versorgung der Kunden erfolgt (Knott, 1997; Hennicke, et al., 1996). Während die Umsätze im Falle der Netzeinspeisung durch die Regelungen des EEGs langfristig garantiert sind, ist der Contractor daran interessiert auch die Abnahme durch die Kunden langfristig sicherzustellen. Dies ist ins- besondere von Bedeutung, wenn die Wirtschaftlichkeit des gesamten Ener- gieliefer-Contracting von den attraktiven Kundenumsätzen abhängt. Rechtlich betrachtet ist der Kunde nach § 4 StromGVV durch den Abschluss eines Stromliefervertrags verpflichtet, seinen gesamten Elektrizitätsbedarf durch den Bezug beim Lieferanten zu decken. Gleichzeitig wird allerdings die Vertragslaufzeit im Sinne einer freien Versorgerwahl nach § 309 Nr. 9 BGB auf maximal 2 Jahre beschränkt. Außerdem wird dem Kunden eine Kündi- gungsfrist von 2 Wochen eingeräumt (§ 20 Abs. 1 StromGVV). Eine langfris- tige Planungsgrundlange mit festen Kundenumsätzen, die für den Contractor die Investition in eine PV-Anlage rechtfertigen würde, ist auf dieser Basis nicht gegeben. Eine längere Vertragslaufzeit ist grundsätzlich möglich, muss jedoch über eine Individualabrede im Sinne des § 305 b BGB vereinbart wer- den. Eine andere Rechtsfolge ergibt sich bei einer langfristigen Absicherung der Abnahmepflicht in Form einer Dienstbarkeit. Im Unterschied zu den zuvor diskutierten vertraglichen Regelungen wird die Abnahmepflicht in diesem Fall nicht mit einer Person, sondern dem Grundstück verknüpft, auf dem die An- lage errichtet wird. Dies hat den Vorteil, dass bei einem Eigentümerwechsel die Abnahmeverpflichtung bzgl. des produzierten PV-Stroms automatisch auf den neuen Eigentümer übertragen werden kann. Die rechtliche Definition der sogenannten "beschränkten persönlichen Dienstbarkeit"23 lautet wie folgt: 23 Von der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit wird die Grunddienstbarkeit nach § 1018 unterschieden, die die Belastung eines Grundstücks gegenüber einem anderen re- gelt. In diesem Fall wird hingegen davon ausgegangen, dass die PV-Anlage direkt auf dem Dach des Gebäudes und somit direkt auf dem Grundstück des Contracting-Nehmers installiert wird. Die Grunddienstbarkeit findet daher keine direkte Anwendung.
  • 45. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 43 „Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu des- sen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann“ (§ 1090 BGB) In der praktischen Anwendung folgt hieraus, dass die Befugnisse des Eigen- tümers durch die Eintragung einer Dienstbarkeit auf verschiedene Arten ein- geschränkt werden können. Im Sinne des PV-Contractings kann dem Eigen- tümer untersagt werden, eigene Stromerzeugungsanlagen auf dem Grund- stück zu errichten oder Strom von anderen als dem PV-Contractor zu bezie- hen (Hack, 2012). Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Eigentümer des Grundstücks verpflichtet ist, seinen Strombedarf über den PV-Contractor zu decken. Die Dienstbarkeit wird durch die Eintragung in das Grundbuch wirk- sam und hat dauerhaften Bestand, wenn sie nicht durch Angabe eines Aus- laufdatums befristet wird (Ahrens, 2007). Der PV-Contractor vermag somit, seine Alleinstellung als Versorger langfristig zu sichern. Die langfristige Abnahmepflicht über die Eintragung einer Dienstbarkeit bin- det allerdings nur den Eigentümer und nicht die andere Stromkunden im Ge- bäude. Für die Stromkunden im Mehr-Kunden-Fall bedeutet dies, dass sie unverändert über die relativ kurze gesetzlichen Vertragslaufzeiten und Kün- digungsfristen im Sinne BGB und StromGVV verfügen (Legler, et al., 2013). Für eine Bindung dieser Kunden ist daher ein langfristig wettbewerbsfähiges Preismodell notwendig. 3.5 Eigentum und Zutritt zur Anlage Wesentliches Charakteristikum des hier beschriebenen Energieliefer- Contracting ist die Übernahme von Planung, Investition und Betriebsführung der PV-Anlage durch den Contractor, der zugleich auch Eigentümer der PV- Anlage ist. Diese besitzrechtliche Verteilung dient dem Zweck des gesamten Modells, den Kunden von möglichst allen Risiken und Pflichten der Energie- bereitstellung zu befreien, insbesondere auch den mit dem Besitz und Be- trieb der Energieerzeugungsanlage verbundenen. Darüber hinaus ist der Contractor für die Umsetzung des Contractings auch darauf angewiesen, über das alleinige Eigentum an der Anlage zu verfügen, um diese für die Fi-
  • 46. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 44 nanzierung24 der Investition als Sicherungsmittel hinterlegen zu können (Drukarczyk, 2003). Aufgrund der festen Installation der PV-Anlage auf dem Grundstück des Contracting-Nehmers ist die rechtlich eindeutige Regelung der Eigentums- verhältnisse der Anlage nicht trivial und bedarf einer besonderen, Betrach- tung. Nach deutscher Rechtsprechung gehen bewegliche Sachen, welche zu einem wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes werden, automatisch in das Eigentum ihres Besitzer über (§ 946 BGB). Das Eigentumsrecht des bisheri- gen Eigentümers an der mit dem Gebäude verbunden Sache erlischt unwei- gerlich und endgültig, unabhängig von der Motivation der handelnden Akteu- re (Hack, 2012). Diesbezüglich deutet die bisherige Rechtsprechung darauf hin, dass auch Energieerzeugungsanlagen von Gebäuden im Sinne des § 94 Abs. 2 BGB als wesentlicher Bestandteil des Gebäudes gesehen werden.25 Dies hätte zur Folge, dass der Contractor sein Eigentum an der PV-Anlage unweigerlich verliert, sobald diese auf dem Dach installiert ist (Hack, 2012). Eine Möglichkeit für die Wahrung des Anlageneingentums zugunsten des Contractors ergibt sich über die Regelung zum Scheinbestandteil in § 95 Abs. 1 S. 1 BGB. Demnach bleiben die Eigentumsverhältnisse unverändert, wenn eindeutig geregelt ist, dass die PV-Anlage nur zu einem vorüberge- henden Zweck auf dem Dach installiert und nach Beendigung der Energie- dienstleistung wieder demontiert wird. Sie gilt dann rechtlich als sogenannter "Scheinbestandteil" des Gebäudes. Dies setzt allerdings voraus, dass die Lebensdauer der Anlage die Laufzeit der Energiedienstleistung übersteigt und der Vertrag weder eine Absicht noch ein Wahlrecht zur Übernahme der Anlage durch den Eigentümer nach Vertragsende vorsieht (Hack, 2012). Beide Aspekte führen unabhängig voneinander zu einer Unwirksamkeit der Scheinbestandteilsabrede.26 Ein vorübergehender Zweck im Sinne des 24 An dieser Stelle wird davon ausgegangen, dass der Contractor die Anlage teilweise oder vollständig aus Fremdkapitalmitteln finanziert. Bei einer vollständigen Eigenkapitalfinan- zierung sind keine Sicherheiten zu hinterlegen (Drukarczyk, 2003). 25 Vgl. hierzu OLG Rostock, Urt. v. 15.01.2004 – 7 U 91/02, Rn. 11, CuR 2004, 145-148. 26 Bzgl. der Übernahme der Anlage durch den Kunden im Zsh. mit der Interpretation als Scheinbestandteil vgl. bspw. folgende Urteile: BGH, Urt. v. 20.05.1988 – V ZR 269/86, NJW 1988, 2789, 2790 = BGHZ 104, 298,301; Urt. v. 04.07.1984 – VIII ZR 270/83, WM 1984, 1236, 1237; etc. Bzgl. der Lebensdauer der Anlage im Zsh. mit der Interpretation
  • 47. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 45 Scheinbestandteils wird rechtlich auch vermutet, wenn der Contractor die benötigte Dachfläche mietet oder pachtet. Hierzu führt der Bundesgerichtshof aus: „Verbindet der Mieter, Pächter oder ein in ähnlicher Weise schuldrecht- lich Berechtigter Sachen mit dem Grund und Boden, so spricht nach festste- hender Rechtsprechung regelmäßig eine Vermutung dafür, dass dies nur im seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit zu ei- nem vorübergehenden Zweck geschieht“ (BGH, Urt. v. 31.10.1986 – VZR 168/85, NJW 1987, 774). Die dritte Methode, das Eigentum an der PV-Anlage auch während des Betriebs zu sichern, besteht in der bereits zuvor erwähnten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Ähnlich wie bei Miete oder Pacht geht die Anlage rechtlich nicht in das Eigentum des Gebäudeeigentümers über, wenn die In- stallation und der Betrieb in Ausübung einer eingetragenen Dienstbarkeit er- folgt (§ 95 Abs. 1 S. 2). Da die Eintragung der Dienstbarkeit zur Absicherung der Abnahmepflicht ohnehin empfehlenswert ist, folgt hieraus kein nennens- werter Mehraufwand für die Beteiligten. Im Gegensatz zu den Bestimmungen zum Scheinbestandteil (§ 95 Abs. 1 S.1 BGB) hat in diesem Fall das Eigen- tumsrecht des Contractors auch dann Bestand, wenn dem Kunden eine Op- tion zur Übernahme der Anlage nach Vertragsende eingeräumt wird.27 Dies ist für beide Seiten vorteilhaft, da der Kunde die Anlage zur eigenen Strom- produktion weiter nutzen kann und der Contractor die Kosten für ihre Demon- tage und Entsorgung spart. Zur vollumfänglichen Erfüllung seiner Leistungspflichten ist das Eigentums- recht des Contractors über die PV-Anlage allerdings nicht ausreichend, denn hierzu benötigt der Contractor zudem ein Zugangsrecht zu den Anlagenteilen von dem Eigentümer des Grundstücks, bzw. Gebäudes, um regelmäßige Tätigkeiten wie Instandhaltung und Wartung durchführen zu können. Auf- grund der bereits diskutierten Vorteile eines Eigentümerwechsels wird dies im gegenseitigen Einverständnis sinnvollerweise ebenfalls über die Eintra- gung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit garantiert (§ 1090 BGB). als Scheinbestandteil vgl. bspw. folgendes Urteil: OLG Köln, Urt. v. 13.05.1961, NJW 1961, 461, 462. 27 Vgl. hierzu bspw. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.04.2007 – 9 U 73/06, Rn. 38 CuR 2007, 66- 70.
  • 48. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 46 3.6 Umsetzungsphasen und Anlageninfrastruktur Der Ablauf eines Energieliefer-Contractings kann in unterschiedliche, stan- dardisierte Prozessfolgeschritte unterteilt werden (Meinefeld, 2004; Hack, 2012). Jedes Contractings beginnt mit der Phase der Projektierung. Unter Berück- sichtigung der örtlichen Charakteristika plant der Contractor die entspre- chende PV-Anlage und erstellt ein Gesamtkonzept. Abhängig von der Art der Auftragsanbahnung ist eine Zweiteilung der Projektierungsphase vorstellbar, bspw. wenn im Zuge einer allgemeinen Projektausschreibung andere Cont- racting-Unternehmen ausgestochen werden, eine detaillierte Projektierung aber erst nach der Auftragsvergabe erfolgen soll. Nach Abschluss der Projektierung erfolgt die Realisierung, die sowohl die Beschaffung der Anlage wie die Installation und die Inbetriebnahme am Ein- satzort umfasst. Beide Phasen nehmen nur einen kleinen zeitlichen Teil des gesamten Contracting-Projekts in Anspruch, sind aber dennoch für den Er- folg der Gesamtmaßnahme maßgeblich, da in dieser Phase die Basis einer erfolgreichen Betriebsführung gelegt wird. Abbildung 11: Überblick zu den Umsetzungsphasen von PV-Contracting- Modellen Die Betriebsführung bildet mit Abstand die längste Phase des Contractings und ist zugleich Kernbestandteil im Sinne der vereinbarten Leistungspflich- ten. Durch den Betrieb der Anlage und die Ausführung begleitender Tätigkei- ten wie Wartung und Instandhaltung erfüllt der Contractor seine vertragliche Pflicht zur Lieferung von Strom aus der PV-Anlage. Im Gegensatz zu fossil- konventionellen Contracting-Arten entfällt hierbei die Brennstoffbeschaffung durch den Contractor, da Sonnenenergie als Primärenergieträger genutzt
  • 49. 3. Ausrichtung und Aufbau eines PV-Contractings 47 wird. Ist allerdings eine Vollversorgung mit den Kunden vereinbart, verbleibt der Contractor in der Pflicht, Zusatz- und Reservestrommengen zu stellen. Das Ende des PV-Contractings markiert die Auslaufphase. Nach Erfül- lung der vertraglich vereinbarten Dauer der Strombereitstellung stellt der Contractor entweder den ordnungsgemäßen Rückbau und die Entsorgung der Anlage sicher, oder er verkauft sie zur weiteren Nutzung an den Eigen- tümer. Abbildung 12: Übersicht zu den Anlagenkomponenten eines PV-Contractings Die Bestandteile einer PV-Anlage unterscheiden sich im Contracting-Fall nicht wesentlich von dem konventionellen, eigentümerfinanzierten Betrieb. Die gundlegende Struktur der einzelnen Anlagenteile ist in Abbildung 12 dargestellt. Kernbestandteil der Anlage sind die auf der Dachfläche installierten PV-Module.. Über eine Verkabelung wird der produzierte Gleichstrom (DC) an einen Wechselrichter geleitet, der die Umwandlung in für den Gebrauch im Haushaltsstromnetz üblichen Wechselstrom (AC) übernimmt (Wesselak, et al., 2012). Da eine permanente Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Anlage unmöglich ist, besteht das Risiko, dass Anlagenausfälle oder –störungen längere Ertragsausfälle verursachen. Zu deren Vermeidung und zur Ermöglichung einer kurzfristige Reaktion des Contractors, muss daher zudem eine Lösung zur Anlagenfernüberwachung installiert werden. Wie bei Großanlagen bereits ohnehin üblich (Seltmann,