2. Hochschul-
didaktisches
Zentrum
Sachsen
Inhalt
Editorial 3 Lehre in Sachsen
Das ViP-Projekt: Videovorlesungen an der
Perspektiven Universität Leipzig
Dr. Michael Gerth 59
Zwischen den Stühlen ist Bewegung.
Elena Buck, Anne Dölemeyer, Benjamin Engbrocks,
Kathrin Franke und Beatrice Müller 6 Literaturhinweis: Educasting
Isabel Zorn, Andreas Auwärter, Marc Krüger und
Heike Seehagen-Marx 64
Kollegiale Beratung am Berliner Zentrum für
Hochschullehre.
Dipl.-Psych. Anja Pawelleck 19 Evaluation der HDS-Pilotphase im
WS 2010/11 66
Das Lehrportfolio.
Jan Fendler und Prof. Dr. Michaela Gläser-Zikuda 29
Service
Erfahrungsbericht zum Verfassen eines Rezensionen
Lehrportfolios.
Constanze Janda 43 Professionell lehren und lernen. Ein Praxisbuch.
Beatrice Müller 71
Hochschuldidaktische Weiterbildung als fachüber- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
greifender Dialog an der Universität Lettlands Benjamin Engbrocks 73
Sanita Baranova 48
HDS.Jahrestagung 2011
Inter::Disziplinäre Perspektiven guter Lehre
Tagungsprogramm 77
Veranstaltungshinweise / Ausschreibungen 78
Impressum 81
HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 2
3. Hochschul-
didaktisches
Zentrum
Sachsen
Editorial
Liebe Leser_innen,
wir freuen uns, Ihnen die dritte Ausgabe des HDS.Journals zu
Perspektiven guter Lehre in Sachsen und andernorts präsentie-
ren zu können.
Seit dem Erscheinen des letzten Heftes hat sich im HDS viel
getan:
Im April 2011 beschlossen die Leitungen von dreizehn sächsi-
schen Hochschulen, das HDS als gemeinsame zentrale Ein-
richtung zu betreiben und finanziell zu unterstützen. Das hat
entsprechend positive Folgen für die Weiterbildungs- und Unter-
stützungsangebote, die wir Lehrenden im Freistaat Sachsen ma-
chen können. Die Angebote der sächsischen Hochschulen und
HDS-Geschäftsstelle haben sich gegenüber dem vergangenen
Jahr deutlich erweitert: Es finden mehr Weiterbildungsseminare
an mehr Hochschulstandorten statt, die ein breiteres inhaltliches
Spektrum abdecken. Darüber hinaus können Interessierte ab WS
2011/12 am strukturierten Programm zum Erwerb des sächsi-
schen Hochschuldidaktik-Zertifikats teilnehmen, das sich an inter-
Editorial HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 3
4. nationalen und deutschlandweiten Standards orientiert. Neu in diesem Jahr ist der HDS.Dialog , ein Format
Ausführliche Informationen zum hochschuldidaktischen aus Ringvorlesung und Diskussion, das mit wechseln-
Zertifikatsprogramm finden Sie auf unserem Portal. den Themenschwerpunkten jedes Jahr wiederholt wer-
den soll. Dieses Jahr haben wir, vorbereitend auf die
Und dies sind einige weitere Angebote, die wir in diesem Jahrestagung, mit insgesamt drei Abendveranstaltungen
Jahr für Sie vorbereitet haben: zu fachbezogenen Themen begonnen.
Das HDS hilft beim Aufbau von Praxisteams, in denen Gern stehen wir Ihnen für Ihre Anregungen und Fragen
sich Hochschullehrende nach dem Prinzip der Kollegia- zu den Angeboten des HDS zur Verfügung.
len Beratung austauschen und gegenseitig unterstützen.
Erste Gruppen haben sich bereits gebildet. Bei Interes- Zum Inhalt des aktuellen HDS.Journals:
se bieten wir auf Anfrage Einführungsworkshops für
sächsische Hochschullehrende an. Im vorliegenden Heft halten wir in eigener Sache Rück-
schau auf unsere Pilotphase, im Rahmen derer wir das
Am 4. November 2011 findet in Kooperation mit erste sachsenweite hochschuldidaktische Kurspro-
dem Zentrum für Weiterbildung der TU Dresden die gramm organisiert und das Format der Kollegialen Bera-
zweite HDS.Jahrestagung in Dresden statt. Die tung erprobt haben (S. 66).
diesjährige Jahrestagung steht unter dem Motto
Inter::Disziplinäre Perspektiven guter Lehre. Die Ta- Anja Pawelleck schildert die Erfahrungen mit Kollegialer
gung ist vor allem eine Plattform des Austauschs über Beratung, die am Berliner Zentrum für Hochschullehre
Beispiele guter Lehre an sächsischen Hochschulen und (BZHL) in den letzten Jahren gemacht wurden (S. 19).
zur Diskussion neuer Entwicklungen in der Lehre mit ex-
ternen Expert_innen. In diesem Jahr steht sie ganz im Jan Fendler (FSU Jena) führt in die Erstellung eines
Zeichen von fachspezifischen und interdisziplinären As- Lehrportfolios ein, das der konstanten Selbstreflexion
pekten der Hochschullehre. der eigenen Lehrpraxis dient und individuelle Entwick-
Editorial HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 4
5. lungsschritte über einen längeren Zeitraum dokumentiert lerntheoretischer Sicht fundiert und anhand von didakti-
(S. 29). Ergänzt wird die Einführung durch einen Erfah- schen Praxisbeispielen veranschaulicht wird (S. 64).
rungsbericht von Constanze Janda (FSU Jena), die das
Format Lehrportfolio erfolgreich nutzt (S. 43). Im Rahmen eines internationalen Symposiums – organi-
siert von ProLehre, der hochschuldidaktischen Einrich-
Im März 2011 war eine Delegation der Lettischen Uni- tung der TU München – fand in der ersten Märzwoche
versität Riga in Leipzig zu Gast und nahm an einem dieses Jahres die 40. Jahrestagung der Deutschen Ge-
Workshop im HDS teil, in dem es um einen Erfahrungs- sellschaft für Hochschuldidaktik (DGHD) statt. Das HDS
austausch zum Aufbau hochschuldidaktischer Weiter- hat hierzu einen Tagungsbericht verfasst, der die aus
bildungsangebote ging. Sanita Baranova geht in ihrem unserer Sicht wichtigsten Inhalte zusammenfasst (S. 6).
Artikel ausführlich auf die Konzeption und Umsetzung
hochschuldidaktischer Programme an der Lettischen Abgerundet wird das aktuelle HDS.Journal wie gewohnt
Universität ein und fasst darüber hinaus die Ergebnisse durch zwei Rezensionen (S. 71) und einem Serviceteil
der diesbezüglichen Begleitforschung zur Qualitätssi- zu aktuellen Tagungen und Ausschreibungen (S. 78).
cherung und weitergehenden Bedarfserhebung zusam-
men (S. 48). Wir wünschen eine interessante und informative Lektüre!
Michael Gerth (E-Learning Service Universität Leipzig) Ihr HDS-Team
gibt einen Einblick in die Möglichkeiten des Einsatzes
von E-Vorlesungen (S. 59). Sein Beitrag wird ergänzt
durch den Verweis auf einen Artikel von Isabel Zorn,
Andreas Auwärter, Marc Krüger und Heike Seehagen-
Marx aus dem Online-Lehrbuch für Lernen und Lehren
mit Technologien (Hg. von M. Ebner und S. Schön), in
dem der Einsatz von Podcasts in Bildungskontexten aus
Editorial HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 5
6. Hochschul-
didaktisches
Zentrum
Sachsen
Zwischen den Stühlen ist Bewegung.
Eindrücke vom Internationalen Symposium und der
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hoch-
schuldidaktik (DGHD) im März 2011 in München.
Elena Buck, Im Rahmen eines internationalen Symposiums - organisiert von
Anne Dölemeyer, ProLehre1 (der hochschuldidaktischen Einrichtung der TU Mün-
Benjamin Engbrocks, chen) - fand in der ersten Märzwoche dieses Jahres die 40.
Kathrin Franke und Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidak-
Beatrice Müller tik (DGHD)2 statt. Runde Jubiläen laden bekanntlich dazu ein,
Rückschau zu halten - die Entstehung der Hochschuldidaktik im
Kontext der Hochschulreformbestrebungen der 1960er und 70er
Jahre bietet hier eine Fülle von Ansatzpunkten, Projektionen und
Anekdoten. An dieser Stelle sei nur angemerkt, dass die Hoch-
schuldidaktik in ihrer noch kurzen Geschichte vor allem im Span-
nungsfeld Hochschulpolitik, Verwaltung und Wissenschaft geprägt
wurde und wird.3 Während die wechselnden Konjunkturen der
Hochschulpolitik als externer Faktor den fallenden oder (seit der
Bologna-Reform) wieder steigenden Bedarf an hochschuldidakti-
schen Weiterbildungsangeboten (mit-)bestimmen, sind es vor al-
lem Verwaltung und Wissenschaft, welche die (Selbst-)Verortung
von Hochschuldidaktiker_innen prägen. Im Folgenden werfen wir
1 http://www.cvl-a.de/prolehre/
2 http://www.dghd.de/
3 für einen kurzen Überblick: vgl. HDS.Journal No. 1, 2010, https://www.hds.uni-
leipzig.de/fileadmin/media/HDSJournal1-2010.pdf
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 6
7. einige Schlaglichter auf zentrale Themenbereiche, die Formen des ,dritten Raums‘ ergeben werden“ (vgl. ebd.).
im Rahmen des internationalen Symposiums und der Professionelles Handeln im Arbeitsbereich Hochschul-
DGHD-Jahrestagung verhandelt wurden. didaktik spielt sich in einem Raum ab, der durch den
Balanceakt zwischen Tätigkeiten geprägt ist, die auf
Hochschuldidaktik als „dritter Raum“ im akademi- die „organisatorischen und/oder sozialen Bedingungs-
schen Betrieb rahmen“ Lehrender ausgerichtet sind und solchen, die
sich am „Individuum und individuellen Fällen und/oder
Mit einem Blick über den Tellerrand stellte Angelika Bedürfnissen“ orientieren.7 Zugleich wird das Zusam-
Thielsch in ihrem Workshop4 die Hochschuldidaktik als menspiel von hochschulpolitischen Entwicklungen mit
„dritten Raum“ vor. Das kulturwissenschaftliche Kon- dem Verantwortungsbereich hochschuldidaktischer Ein-
zept des „Third Space“5 - in dem (post-koloniale) Iden- richtungen, Initiativen und Maßnahmen durch ein Span-
titätsstiftung im Zusammenspiel zwischen bzw. in der nungsfeld aus Innovation, Entwicklung, Eigeninitiative
Schnittmenge verschiedener kultureller Sphären veror- und konkreten Serviceleistungen als unterstützende
tet wird - führte die britische Hochschulforscherin Ce- Dienstleistungsstruktur für Hochschullehrende aufrecht-
lia Whitchurch in die Hochschulforschung ein. Es diene
der Beschreibung neu entstehender Aufgabenfelder im 4 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/2e_thielsch_drit-
akademischen Betrieb, die sie als ein „emergentes Ter- ter_raum.pdf
5 Bhabha, Homi K. (2007): The Location of Culture. London / NY, Rout-
ritorium zwischen dem wissenschaftlichen und dem pro- ledge Classics
fessionellen Bereich“6 charakterisiert. Whitechurch geht 6 Whitchurch, Celia (2008): Shifting Identities and Blurring Boundaries:
davon aus, dass „Tätigkeiten in diesem ,dritten Raum‘ The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Education.
Higher Education Quarterly, Jg. 62, H. 4, S. 377-396, S. 384. Zitiert
indikativ für künftige Trends bei der Herausbildung pro- nach Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg
fessioneller Identitäten sind und sich diese Tätigkeiten (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift
zunehmend mit Aufgaben von Wissenschaftler_innen für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 29.
7 Urban, Diana und Meister, Dorothee M. (2010): Strategien der Pro-
vermischen, die projekt- und managementbezogene fessionalisierung in der Hochschuldiaktik. Zeitschrift für Hochschulent-
Rollen übernehmen, so dass sich wahrscheinlich neue wicklung Jg. 5, Nr. 4, S. 104-123, S. 108.
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 7
8. erhalten (vgl. ebd.). Arbeitssituation und Selbstverständ- Raum‘, in dem man sich „eher auf symbolisches Kapi-
nis der in diesem Bereich arbeitenden Personen sind tal und persönliche Netzwerke verlassen“11 muss, wird
ebenso diffus wie der Raum selbst. Befragt man die im selber zur Ressource, mit der gearbeitet werden kann.
„dritten Raum“ Tätigen, so kennzeichnen sie sich selbst Während „die neuen Hochschulprofessionellen in be-
eher „als DienstleisterInnen und weniger als Verursacher merkenswertem Maße gestaltend wirken, eignet sich die
neuer Pflichten und Kontrollen [...], als Hochschulprofes- Betonung der zuarbeitenden Rolle dazu, Auseinander-
sionelle und Experten, teilweise als Generalisten, aber setzungen über potentielle Rollenüberschneidungen und
kaum noch als Wissenschaftler“ und beschreiben, „dass -konflikte in Grenzen zu halten und Kooperationsbereit-
sie an Schnittstellen arbeiten, multifunktional tätig sind,
8 Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg
neue Tätigkeitsfelder gestalten, Troubleshooter sind und (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift
oft dort einspringen, wo unmittelbarer Bedarf entsteht“.8 für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 34.
Diese Tätigkeiten sind irgendwo „zwischen Strategie 9 Kallenberg, A.J. (2005): Strategy and Innovation. The Roles of Aca-
demic Middle Managers in Higher Education. Vortrag auf der 27. Jah-
und Innovation“9 verortet: Hochschulprofessionelle „er- restagung der European Association of Institutional Research (EAIR),
kennen (funktionale und/oder organisationale) Grenzen, 28.-31.8.2005 in Riga (unplubliziertes Manuskript). Zitiert nach: Bar-
nutzen diese aber aktiv, um strategische Vorteile zu er- bara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg (2010):
Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift für
zielen und institutionelle Kapazitäten aufzubauen, indem Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 35.
sie aus ihrem Wissen um beide Seiten der Grenzen, mit 10 Whitchurch, Celia (2008): Schifting Identities and Blurring Boundari-
es: The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Educa-
denen sie zu tun haben, Kapital schlagen“. Sie zeigen
tion. Higher Education Quarterly, Jg. 62, H. 4, S. 377-396, S. 382-384.
dabei „eine Missachtung von Grenzen, oder von Regeln Zitiert nach Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schnei-
und Ressourcen, (...) und bearbeiten die breit gefassten jderberg (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen.
Zeitschrift für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 29.
Projekte, mit denen sie befasst sind, mit einem explora- 11 Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg
tiven und ergebnisoffenen Ansatz“.10 Im Zusammenwir- (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift
ken von entgrenztem Tätigkeitsfeld und unklarer Rollen- für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 25.
12 Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg
zuschreibung wird beides nicht als defizitär verstanden, (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift
sondern als Quelle neuer Möglichkeiten. Der ,dritte für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 24f.
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 8
9. schaft auf Seiten von Hochschullehrenden zu fördern.“12 über die bestehenden Strukturen und Perspektiven un-
Plastisch anschaulich wird dieses Spannungsfeld, wenn terstützender Serviceangebote als auch einen Einblick in
man das Selbstverständnis hochschuldidaktischer Ein- die Entwicklungslinien und Aussichten hochschuldidakti-
richtungen betrachtet, welche sich als Forschungs- und/ scher Forschung, um so die Grundlagen für eine gemein-
oder als Serviceeinrichtung betrachten (und positionie- same Wissensbasis zu schaffen. In einem eigenen Track
ren). Diese Selbstzuschreibung ist nicht ausschließlich, für Newcomer in der Hochschuldidaktik sowie durch das
d.h. kein Entweder-Oder sondern ein Sowohl-als-auch, Promovierenden-Netzwerk der DGHD (welches sich das
sie ist beides bzw. liegt dazwischen im ,dritten Raum‘. nächste Mal im Rahmen der HDS.Jahrestagung an der
Dabei betreibt die Hochschuldidaktik als eigenes Wis- TU Dresden trifft), wurde und wird zudem Hilfestellung
senschaftsgebiet anwendungsorientierte und interdis- für Nachwuchswissenschaftler_innen und Praktiker_in-
ziplinäre Forschung, wobei der Blick auf die eigene nen im Tätigkeitsfeld Hochschuldidaktik gegeben.
Profession bisher kaum expliziter Bestandteil dieser
Forschung ist.13 Zugleich können jedoch innerhalb des Hochschuldidaktik als Element hochschulinterner
Kreises der Hochschuldidaktiker_innen als einer „Com- Organisationsentwicklung
munity of Practice“ Tendenzen der Entwicklung hin zu
einer dezidierten Profession Hochschuldidaktik ausge- Eine Reihe weiterer Workshops der Tagung nahm Bezug
macht werden, die sich im Sinne einer Professionali- auf Aspekte der Einbindung hochschuldidaktischer Arbeit
sierungsstrategie in dem Bestreben nach einheitlichen in die allgemeinen Hochschulstrukturen. Dahinter steht
Standards und einer gemeinsamen Wissensbasis als ein Selbstverständnis, nach dem sich Hochschuldidak-
Zeichen von Professionalität niederschlägt. Zugleich tik nicht in der Förderung der didaktischen Kompeten-
wird kritisch betont, dass diese Entwicklung sowohl einer zen individueller Lehrender erschöpft, sondern darüber
gezielten Veränderung als auch trennscharfer Strukturen hinaus die Studienganggestaltung, Strategien der Per-
bedarf (vgl. ebd.). In eben diesem Sinne bot die DGHD-
13 vgl. Urban, Diana und Meister, Dorothee M. (2010): Strategien der
Jahrestagung sowohl die Möglichkeit der Reflexion des Professionalisierung in der Hochschuldiaktik. Zeitschrift für Hochschul-
eigenen professionellen Handelns und einen Überblick entwicklung Jg. 5, Nr. 4, S. 104-123, S. 110.
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 9
10. sonalentwicklung in der Lehre und die Gestaltung von Hochschuldidaktikerin, ein Mitarbeiter des Rechenzen-
Lernumgebungen (von der Bibliothek bis zu virtuellen trums, die Hochschulpräsidentin, ein Studierender etc.
Lernplattformen) umfasst. Die übergreifende Frage der Für jede Rolle lag ein „Skript“ vor. Im Verlauf der (fikti-
in diesem Themenfeld verorteten Veranstaltungen laute- ven) Sitzung zeigten sich sehr gut die Dynamiken und
te: Wie kommen die erforderlichen strukturellen Verän- Herausforderungen, die vor dem Hintergrund vieler, rela-
derungen zustande, die Voraussetzung für eine bessere tiv eigenständiger Akteure mit ihren jeweiligen Agenden
Lehre sind? Oder anders gefragt: Wie implementiert und entstehen. Diskutiert wurde im Anschluss, ob und wie
steuert man Wandel in Hochschulen, zu deren Merkma- sich der Anspruch der Einbeziehung Betroffener (zur Er-
len eine gewisse Resistenz gegenüber zentralen Steue- höhung der Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Um-
rungsversuchen zählt? setzung) und das Erfordernis, bereits im Vorfeld Ziele
und alternative Strategien klar zu formulieren, miteinan-
Diesen Fragestellungen wurde beispielsweise in dem der ausbalancieren lassen.
von Susanne Glaeser (FH Köln) konzipierten Planspiel
Und alle machen mit: Hochschulweites Projektmanage- Der von Tobias Jenert und Taiga Brahm (beide Univer-
ment zur Umsetzung eines Leitbilds exzellenter Lehre14 sität St. Gallen) moderierte Workshop Institutionsweite
nachgegangen. Die Referentin nahm hierbei die Rea- Hochschulentwicklung zur nachhaltigen Gestaltung von
lisierung eines (von den entsprechenden Hochschul- Lehr-/Lernkulturen15 beschäftigte sich mit den Wegen ei-
gremien bereits verabschiedeten) Leitbildes exzellen- ner institutionellen Verankerung hochschuldidaktischer
ter Lehre zum Ausgangspunkt. Die Teilnehmer_innen Entwicklungsinitiativen und damit mit einer Hochschuldi-
simulierten die Sitzung eines Lenkungsausschusses, daktik, die über die direkte Stärkung von Kompetenzen
der über die Umsetzung des Projekts „Schaffung einer Lehrender hinaus geht und auch strukturell denkt. Dazu
Lehr-Lern-Community“ (in Form einer Internet-Plattform)
beraten sollte. An der Sitzung nahmen verschiedene 14 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/4a_glaeser_leit-
bild_exzellente_lehre.pdf
Gruppenvertreter_innen teil: Dekan_innen unterschied- 15 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/4e_brahm_insti-
licher Fachrichtungen mit jeweils eigenen Agenden, eine tutionsweite_hochschulentwicklung_lehrkultur.pdf
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 10
11. wurde das Dreieck „Individuelle Kompetenzentwicklung Problem-based Learning an der FH Wien vor. Das Pro-
& didaktische Designs“ - „Curriculumsgestaltung auf Pro- jekt Kompetenzorientierte Studiengangsentwicklung der
grammebene“ - „Strategieentwicklung auf institutioneller Leibniz Universität Hannover wurde, mit Blick auf eine
Ebene“ beleuchtet. Die Referent_innen stellten kurz die wissenschafts- und bildungstheoretische Kontextualisie-
damit verbundenen Herausforderungen im Rahmen ihrer rung, von Rüdiger Rhein18 vorgestellt. Margret Bülow-
eigenen Erfahrungen an der Universität St. Gallen vor Schramm und Hilke Rebenstorf präsentierten erste Er-
und gaben dazu auch einen Einblick in die Arbeitsstruk- gebnisse des Forschungsprojekts USuS (Untersuchung
turen und Aktivitäten eines recht erfolgreich wirkenden zu Studienverläufen und Studienerfolg), das drei große,
Projekts. Im anschließenden World Café wurden zwei interagierende Felder betrachtet: die Studienstruktur,
Fragen diskutiert: Was sind Hinderungs- und Erfolgsfak- die Studienstrategien der Studierenden sowie das hoch-
toren für Hochschuldidaktik und welche Kompetenzen schuldidaktische Design bzw. die zugrunde liegenden
brauchen Hochschuldidaktiker_innen? Lehrkonzepte.19 Der besondere Reiz des Projekts liegt in
der direkten Einspeisung von Befragungsergebnissen in
Im Hinblick auf den Bereich Organisationsentwicklung die Lehre (in Form von hochschuldidaktischen Interventi-
sind außerdem Forschungsprojekte erwähnenswert, die onen) und in dem Versuch der Messung des Impacts die-
sich mit der Frage Wie kommen neue curriculare Struk- ser Interventionen durch Befragungen in der Folgerun-
turen in die Hochschule? beschäftigen und die auf der de. Forschung ist hier angewandt im direktesten Sinn.
Tagung vorgestellt wurden. So geht es im Projekt von Direkt im Anschluss präsentierte Nina Friese ein Beispiel
Nicole Romana Heigl16 um Möglichkeiten der curricular
verankerten Förderung von „fächerübergreifenden Pro- 16 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/6_heigl_tho-
mas_adaptive_lehre.pdf
blemlösungskompetenzen“ oder um die Bedeutung von
17 http:// www.zhw.uni-hamburg.de/uploads/trautwein_llus-als-refe-
Lehr-Lern-Überzeugungen und deren Bedeutung da- renzpunkt.pdf
für, dass (und wie) „Neues in die Lehre“ kommt (Caro- 18 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/2c_rhein_wis-
senschaftstheorie.pdf
line Trautwein, ProfiLe).17 Dirk Unterschemmann stellte 19 vgl. auch http://www.zhw.uni-hamburg.de/usus/
sein Konzept zur Implementierung eines Projektes zum Praesentationen.164.0.html
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 11
12. für eine solche hochschuldidaktische Intervention im Be- pekt Coaching und Beratung entlang einer Hochschul-
reich der Ingenieurwissenschaften. biographie. Neben Fragen zum Rollenverständnis als
Lehrende_r, die beim Einstieg in den Hochschulalltag
Coaching an der Hochschule anders gelagert sind als im Falle mehrjähriger Berufser-
fahrung, geht es im Coaching von Hochschullehrenden
Coaching ist als Instrument der Personalentwicklung in immer auch um Fragen der Orientierung und Positio-
der Wirtschaft seit vielen Jahren etabliert und findet nun nierung im Wissenschafts- und Hochschulsystem. Sind
auch schrittweise den Weg an die Hochschulen: Es ist Neuberufene am Anfang ihrer Professur oft damit über-
zwar noch ein weiter Weg, bis Coaching-Programme fordert, zu entscheiden, in welchen universitären Gremi-
für spezielle Zielgruppen - z.B. Doktorand_innen, Neu- en sie sich engagieren wollen und von welchen Aufga-
berufene oder Nachwuchswissenschaftler_innen - flä- ben sie sich eher abgrenzen möchten, stehen etablierte
chendeckend etabliert sind. Erste, erfolgreiche Schritte, Professor_innen vor der Frage, inwiefern sie z.B. im
wie z.B. das Coaching-Angebot des Berliner Zentrums Rahmen universitärer Selbstverwaltung nicht nur miten-
für Hochschullehre (BZHL) oder die Segel-Leadership- tscheiden, sondern auch Strukturen nachhaltig prägen
Wochenenden für Neuberufene an der Universität Kiel, und verändern wollen. Individuelle Coaching-Angebote
sind jedoch bereits gemacht. Gerade Nachwuchswis- für Hochschullehrende müssen somit nicht nur berück-
senschaftler_innen und Neuberufene sind mit vielfälti- sichtigen, auf welcher Stufe der Karriereleiter sich der/
gen Herausforderungen konfrontiert. Sie müssen sich die Coachee befindet, sondern sollten immer auch die
nicht nur auf ihre (neue) Rolle als Lehrende einstellen, unterschiedlichen Erwartungen im Blick behalten, wel-
sondern sich auch als Forscher_innen in der scientific che diese Zielgruppe zu erfüllen hat. Die Anwesenden
community etablieren und in die Strukturen der univer- wurden anschließend dazu eingeladen, sich über ihre Er-
sitären Selbstverwaltung einbringen. Der Workshop von fahrungen bezüglich der Beratung oder eines Coachings
Eva-Maria Schumacher (freiberufliche Trainerin und zu den einzelnen Phasen auszutauschen. Die Fragen,
Coach) nahm die spezifischen Anliegen von Hochschul- wann es sich um ein Coaching bzw. eine hochschuldi-
lehrenden in den Blick und betrachtete sie unter dem As- daktische Beratung handelt und ob sich beide Forma-
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 12
13. te von einer Person durchführen lassen, wurden dabei wicklung zu unterstützen, dann darf - so das Credo der
intensiv diskutiert, da Lehrende - wie Erfahrungen der Referent_innen - die Kategorie Gender nicht ausgeklam-
Anwesenden zeigten - in einem Coaching oftmals auch mert werden, da diese unsere Verhaltensweisen wesent-
Beratung suchen. lich prägt und zu Ungleichbehandlungen führt.
Gender und Diversity an der Hochschule Im Workshop Gender.Macht.Sinn von Susanne Frölich-
Steffen21 erhielten die Teilnehmenden einen Einblick
Interaktionen im beruflichen Umfeld sind durch viele in Theorie und Praxis der Genderdidaktik. Nach einem
Faktoren bedingt, nicht zuletzt durch den Umgang mit Brainstorming und einem Expertinnenvortrag zur Rol-
und Einsatz von genderbezogenen Zuschreibungen. le von Genderdidaktik in der Lehre wurden Methoden
Vielen Menschen ist die Tatsache, dass sie neben vie- ausprobiert und ausgewählte Praxisbeispiele diskutiert.
len anderen Rollen auch eine Geschlechterrolle aus- Aufbauend auf einem konstruktivistischen Differenz-
füllen und diesbezüglich adressiert werden, meist nicht konzept22 wurden die Bedeutung der Sozialisation in
bewusst. Ziel des Workshops von Ulla Weber und Anja Bildungseinrichtungen für Geschlechtsunterschiede im
Quindeau20 (Genderzentrum TU München) zum Thema Verhalten, ihre Wechselwirkung mit der Arbeitsteilung
Gendersensibles Coaching war es deshalb, Coaches zwischen den Geschlechtern und die Einflüsse auf das
und Hochschullehrende für Gender-Aspekte im berufli- Lernverhalten der Lernenden vorgestellt. Mit dem Bild
chen Kontext zu sensibilisieren. Gender kann im Coa- der undichten Leitung („Leaky Pipeline“) wurde der ab-
ching auf drei Ebenen sichtbar werden: 1. indem der/die nehmende Frauenanteil in aufeinander aufbauenden
Coach sein/ihr Gegenüber aus der Gender-Perspektive Stadien der akademischen Laufbahn veranschaulicht
wahrnimmt, ohne sich dessen bewusst zu sein, 2. indem 20 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/3b_weber_gen-
Gender-Themen situativ aufkommen oder 3. indem der/ dersensibles_coaching.pdf
die Coachee die Kategorie Gender explizit zum Gegen- 21 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/2a_froelich-
steffen_gender.macht.sinn.pdf
stand des Coachings macht. Wenn es im Coaching da- 22 Eagly, Alice H. (1987): Sex differences in social behavior. A social-
rum geht, Klient_innen bei der persönlichen Weiterent- role interpretation, Hillsdale et al.: Erlbaum.
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 13
14. und diskutiert. Der Auftrag, gleichberechtigte Perspekti- sumiert. Nicole Auferkorte-Michaelis und Annett Ladwig
ven zu eröffnen, sollte nicht als Frage des guten Willens berichteten im Workshop Vielfalt im Gespräch? Zur Im-
missverstanden werden, sondern ist (mit dem Gender- plementierung von Diversity-Aspekten in Studium und
mainstreamingkonzept der EU, dem Grundgesetz und Lehre24 von der Entwicklung und Implementierung einer
dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz) explizite hochschulweiten Diversity-Strategie an der Universität
normative Verpflichtung der Lehrenden an Hochschu- Duisburg-Essen (UDE). Die UDE hat Diversity als Zu-
len als Angestellte im Öffentlichen Dienst. Die Rolle der kunfts- und Profilthema der Hochschule erkannt und ein
Hochschule als Sozialisationsinstanz für künftige Leh- eigenes Prorektorat für Diversity Management einge-
rer_innen und Funktionsträger_innen ist in diesen Fra- richtet. 2009 wurde an der UDE der erste Versuch eines
gen nicht zu unterschätzen. Genderdidaktik kann leis- Diversity-Monitorings unternommen, demzufolge 70%
ten, die Wahrnehmung der Lehrenden bezüglich „Doing der Studierenden erwerbstätig sind (über 20 Stunden
Gender“ zu schärfen, gendersensible Methoden zu ent- pro Woche), 25% Migrationserfahrung haben und 50%
wickeln und Genderkompetenz in der Lehre zu fördern. ohne akademischen Bildungshintergrund aufgewachsen
Dabei werden die Lernenden als Individuen wahrgenom- sind. Bezogen auf Studium und Lehre sind die relevan-
men. Genderkompetenz ist als Synthese aus Können, ten Diversity-Aspekte an der UDE Bildungshintergrund,
Wollen und Grundwissen zu verstehen und schlägt sich Kultur (womit auch Fach-, Gender- und nationale Kul-
nieder in der Sprache, der persönlichen Reflexion, den turen umfasst sind), Gender, Migration, physische und
Inhalten von Lehrveranstaltungen, ihren Rahmenbedin- psychische Belastbarkeit. Bezogen auf die Lehre wur-
gungen sowie den verwendeten Bildern und Methoden.23 den vier Implementationsbereiche identifiziert: Diversity-
Aspekte als fächerübergreifende Inhalte, Diversity als
Gender ist jedoch nicht die einzige Kategorie, die im
oben beschriebenen Sinn Wirkungsmacht erlangt und 23 Budde, Jürgen/Venth, Angela (2009): Genderkompetenz für le-
dennoch oft ein blinder Fleck an der Hochschule bleibt. benslanges Lernen: Bildungsprozesse geschlechterorientiert getalten.
Bielefeld: Bertelsmann.
Unter dem Begriff „Diversity“ werden mehrere Aspekte 24 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/4c_auferkorte-
der Verschiedenheit Studierender und Lehrender sub- michaelis_diversity_lehre.pdf
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 14
15. Gestaltungsprinzip von Strukturen und Organisation des re aufzuwerten. Hierfür bedarf es geeigneter Veröffent-
Studiums, Diversity-Aspekte als fachimmanente/fach- lichungsorgane. Ein Schwerpunkt des Tracks lag in der
integrierte Inhalte sowie die Entwicklung von Diversity- Frage, wie man „Lehrkompetenz“ und „Lehrqualität“ ope-
Kompetenzen der Akteur_innen (in der Hochschuldidak- rationalisieren und erhöhen kann. Caroline Trautwein und
tik, aber auch darüber hinaus). In allen Bereichen gibt es Marianne Merkt (ZHW Uni Hamburg) stellten aufbauend
Angebote für Studierende und Lehrende, an einem hori- auf einem Forschungsprojekt zur Wirkung des Master
zontal und vertikal integrierten Konzept wird gearbeitet. of Higher Education auf die Lehrkompetenz von Hoch-
Interessierten seien das Diversity-Portal (http://www.uni- schullehrenden Leitfragen zur Qualitätseinschätzung
due.de/diversity/index.shtml ) und das Gender-Portal von akademischen Lehrportfolios vor. Elisabeth Wegner
(http://www.uni-due.de/genderportal/index.shtml ) der und Matthias Nückles (Universität Freiburg) präsentier-
UDE anempfohlen. ten den Umgang mit widersprüchlichen Anforderungen
und Dilemmata in der Hochschullehre als Merkmal von
Qualitätssicherung/Qualitätsmanagement Lehrkompetenz. Demnach führt hochschuldidaktische
hochschuldidaktischer Weiterbildungsangebote Weiterbildung zu einem differenzierten Blick auf gute
Lehre und ihre Bedingungen, so dass die Lehrenden zu
Ein weiteres Schwerpunktthema der Tagung war die Qua- reflektierten didaktischen Entscheidungen befähigt wer-
litätssicherung hochschuldidaktischer Weiterbildungsan- den. Hierzu bedarf es der Fähigkeit, Widersprüche zu
gebote. Hier gab es im Track Impulse für die Qualitäts- erkennen, didaktische Paradigmen anzuwenden, Metho-
entwicklung in der hochschuldidaktischen Weiterbildung den zu kennen und deren Auswahl zu begründen sowie
eine Fülle von Anregungen und Beispielen guter Praxis. verschiedene Perspektiven einzunehmen. Hochschuldi-
Zunächst wurde im Sinne der „Scholarship of Teaching daktische Weiterbildung ist also weit mehr als ein „Me-
and Learning“ ein forschender Umgang mit der eigenen thodenbaukasten“. Im Beitrag von Edith Kröber25 (Uni
Lehre vorgeschlagen (Ludwig Huber). Neben den direk- Stuttgart) wurden die Tücken der Messung der Weiter-
ten Potenzialen für die Verbesserung der Lehre könnten entwicklung von Lehrkonzeptionen deutlich. Ein Metho-
auch wissenschaftliche Aufbereitungen von Fragen und 25 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/3e_kroeber_et_
Erfahrungen aus der eigenen Lehrpraxis helfen, die Leh- al._evaluation_von_lehrcoaching.pdf
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 15
16. denvergleich zwischen Fragebögen und Grid-Interviews wickelt werden. Diana Urban und Daniel Al-Kabbani (Uni
legte nahe, dass die soziale Erwünschtheit bestimmter Paderborn) stellten das Lernportfolio in der hochschul-
Aussagen zur Lehre die Ergebnisse verfälschen könnte. didaktischen Weiterbildung als Instrument zur Lehrkom-
Hier sei weitere Forschung nötig. petenzentwicklung und Qualitätssicherung vor. Hierbei
werden Lehrende zu reflexivem Lernen angeregt und bei
Für die Praxis der hochschuldidaktischen Weiterbildung der retrospektiven Betrachtung ihrer eigenen Lehrkom-
lässt sich festhalten, dass unterschiedliche Präferen- petenzentwicklung unterstützt. Matthias Heiner (HDZ TU
zen der Teilnehmenden berücksichtigt werden sollten Dortmund) schließlich betonte in seinem Vortrag zu Qua-
und eine Passung zwischen Dozent_innen und Teilneh- litätssteuerung als Tuningprozess die Wichtigkeit infor-
mendenbedürfnissen in der Weiterbildung anzustreben meller Weiterbildungsmöglichkeiten. Demzufolge könnte
ist, um nicht eine „Einheitsdidaktik“ zu forcieren. Sabine die Schaffung von Austauschmöglichkeiten als „weiche“
Marx und Björn Kiehne (Kompetenzzentrum Hochschul- Qualitätssteuerungsmaßnahme begriffen werden. Infor-
didaktik für Niedersachsen, TU Braunschweig) schlu- melle Lernerfahrungen gelte es angemessen zu würdi-
gen die Anwendung weiterbildnerischer Methoden vor, gen und mit denen aus der formalisierten Weiterbildung
um biographisches Wissen der Teilnehmer_innen an zu verbinden.
hochschuldidaktischer Weiterbildung zu aktivieren und
sie dabei zu unterstützen, ihre eigenen Lernwege zu Auch beim bundesweiten Netzwerktreffen hochschuldi-
Lehr-Lernkonzepten zu formen. Christiane Ernst (HDZ daktischer Einrichtungen wurde über Qualitätssicherung
TU Dortmund) und Ute Zaepernick-Rothe (TU Braun- diskutiert. Eine Deklaration zu Bedingungen der Aner-
schweig) stellten das so genannte „LeWi-Coaching“ als kennung von Leistungen in der hochschuldidaktischen
prozessorientierte und semesterbegleitende Lehrbera- Weiterbildung wurde verabschiedet, die auch das HDS
tung vor. Mit Hilfe von Lehrhospitationen (teilnehmender unterstützt.26 Möglichkeiten und Grenzen der Messung
Beobachtung mit Feedbackgesprächen), Einstellungs- von Kompetenzentwicklung durch Evaluationsbögen
messungen der Lehrenden und Studierenden sowie der
gemeinsamen Entwicklung, Durchführung und Reflexion 26 Siehe https://www.hds.uni-leipzig.de/index.php?id=zertifikat ,
direkter Link zur Deklaration als PDF: https://www.hds.uni-leipzig.de/
von „Mini-Interventionen“ im Sinne neuer Methoden zu fileadmin/media/Anerkennung_von_Leistungen_-_Konsens_Muen-
verschiedenen Zeitpunkten sollen Lehrkompetenzen ent- chen_03-03-2011.pdf
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 16
17. wurden anhand von Beispielen aus der TU Dortmund Accelerated Learning27 vermittelt von Eva-Maria Schu-
und der Uni Erlangen-Nürnberg diskutiert. Die Quali- macher, welches Prinzipien für ein erfahrungsreiches
tätssicherung und -steuerung wird weiter ein Thema des und „sinnreiches“ Lernen formuliert. Versinnbildlicht wur-
bundesweiten Austausches hochschuldidaktischer Ein- den die Prinzipen des Accelerated Learning durch das
richtungen bleiben. Erlernen des Jonglierens durch die Teilnehmer_innen
selbst. Station 2 beschäftigte sich mit Neurodidaktik und
Seminarmarkt und alternative Lehr-/Lernmethoden wurde von Ralf Besser durchgeführt. Als Teilnehmer_in
konnte man anhand eines Modells in die Funktion eines
Im Rahmen des Symposiums gab es für die Teilnehmer_ Teils des Gehirns schlüpfen und sich auf diese Weise
innen zudem Gelegenheit, hochschuldidaktische Trai- mit der Verarbeitung von Informationen auseinander-
ner_innen bei einem „Seminarmarkt“ kennenzulernen. setzen sowie daraus Ableitungen für das Lehren und
An Ständen konnte man sich mit den Anbieter_innen Lernen formulieren. Im Mittelpunkt der Station 3 stan-
über ihre Angebote austauschen. Für die Trainer_innen den Munterrichtsmethoden, die von Harald Groß28 hu-
selbst bestand anschließend die Möglichkeit, sich mit morvoll präsentiert wurden. Neben der Vorstellung von
Kolleg_innen in einem „Forum des Ideenaustauschs und Prinzipien für die Wahl von Methoden wurden die Teil-
der Netzwerkbildung“ zusammen zu finden - eine Ge- nehmer_innen eingeladen, die verschiedenen Methoden
legenheit, die viele Trainer_innen in ihrem Alltag sicher selbst auszuprobieren, um sie für die eigene Lehrpraxis
nicht oft haben. fruchtbar zu machen. Die drei Workshops waren dabei
sowohl für Hochschuldidaktiker_innen von Interesse, die
Ein kleiner Einblick in die inhaltlichen Schwerpunkte und Workshops für Lehrende durchführen, als auch für Leh-
Arbeitsweisen drei dieser Anbieter_innen konnte bei ei- 27 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/1de_schuma-
nem dreieinhalbstündigen Workshop gewonnen werden. cher_accelerated%20learning.pdf
Motto des aus drei Stationen bestehenden Workshops 28 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/1de_gross_mun-
terrichtsmethoden_skript.pdf und
war das Erleben und Reflektieren von „Alternativen Lehr- http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/1de_gross_munter-
und Lernmethoden- und strategien“. Station 1 war das richtsmethoden_uebersicht.pdf
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 17
18. rende, die diese Methoden und Strategien für ihre Lehre Eagly, Alice H. (1987): Sex differences in social behavior. A social-role
interpretation, Hillsdale et al.: Erlbaum.
nutzen möchten.
Kallenberg, A.J. (2005): Strategy and Innovation. The Roles of Acade-
mic Middle Managers in Higher Education. Vortrag auf der 27. Jahres-
Insgesamt zeichnete sich das Münchner Symposium tagung der European Association of Institutional Research (EAIR),
und die DGHD-Tagung durch eine große Vielfalt an Ver- 28.-31.8.2005 in Riga (unplubliziertes Manuskript). Zitiert nach: Bar-
bara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg (2010):
anstaltungsformaten, Methoden und Themen aus. Gro- Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift für
ßer Wert wurde dabei auf die Möglichkeiten gelegt, eige- Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39.
ne Erfahrungen und Sichtweisen einzubringen und zur Kehm, Barbara M., Merkator, Nadine und Schneijderberg, Christian
Diskussion zu stellen. Darüber hinaus bot das Jahres- (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeit-
schrift für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4.
treffen der hochschuldidaktischen Szene einmal mehr
ein Forum zur Vernetzung und zum informellen Aus- Urban, Diana und Meister, Dorothee M. (2010): Strategien der Profes-
sionalisierung in der Hochschuldiaktik. Zeitschrift für Hochschulent-
tausch für interessierte Lehrende ebenso wie für die in wicklung Jg. 5, Nr. 4.
der hochschuldidaktischen Weiterbildung direkt Tätigen.
Whitchurch, Celia (2008): Shifting Identities and Blurring Boundaries:
So entstanden viele neue Anregungen für die Arbeit an The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Educa-
der Verbesserung der Hochschullehre im jeweils eige- tion. Higher Education Quarterly, Jg. 62, H. 4, S. 377-396, S. 384.
Zitiert nach Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schnei-
nen Umfeld - Anregungen zum direkten Praxistransfer jderberg (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen.
inbegriffen. 2012 wird die Tagung in Mainz stattfinden; Zeitschrift für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4.
ein guter Grund, dieser Stadt dann einen Besuch abzu- HDS.Journal No. 1, 2010, https://www.hds.uni-leipzig.de/fileadmin/
statten. media/HDSJournal1-2010.pdf
Literatur http://www.cvl-a.de/prolehre/
Bhabha, Homi K. (2007): The Location of Culture. London / NY, Rout- http://www.dghd.de/
ledge Classics
https://www.hds.uni-leipzig.de/index.php?id=zertifikat
Budde, Jürgen/Venth, Angela (2009): Genderkompetenz für lebens-
langes Lernen: Bildungsprozesse geschlechterorientiert gestalten. http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku
Bielefeld: Bertelsmann.
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 18
19. Hochschul-
didaktisches
Zentrum
Sachsen
Kollegiale Beratung am Berliner Zentrum für
Hochschullehre.
Ein Erfahrungsbericht
Dipl.-Psych. Anja Pawelleck ist als wissen- Der Bologna-Prozess stellt Lehrende nicht nur in fachlicher und
schaftliche Mitarbeiterin Projektleiterin im studienorganisatorischer Hinsicht vor große Herausforderungen.
Zertifikatsprogramm am Berliner Zentrum für Durch den geforderten Shift from Teaching to Learning stehen sie
Hochschullehre (BZHL). Als langjährige Bera- auch unter einem hohen Veränderungsdruck in Bezug auf das ei-
terin, Trainerin und Coach ist sie zuständig für gene Rollenverständnis.
die Entwicklung des Zertifikatsprogramms, die
Durchführung von Workshops, Kollegialen Be- Kollegiale Beratung unterstützt Lehrende bei den oben genannten
ratungen und Didaktischen Beratungen. Veränderungsprozessen und etabliert sich zunehmend als fes-
ter Bestandteil in strukturierten hochschuldidaktischen Weiterbil-
dungsangeboten. Der folgende Bericht soll einen Einblick in die
Erfahrungen geben, die am Berliner Zentrum für Hochschullehre
in den letzten zwei Jahren mit dieser Methode gesammelt wurden.
Das Berliner Zentrum für Hochschullehre (BZHL) wurde 2008 aus
Mitteln des Masterplans des Berliner Senats gegründet. Es ist
für die hochschuldidaktische Qualifizierung von Lehrenden aller
13 öffentlichen Berliner Hochschulen zuständig. Darunter fallen
alle Statusgruppen wie Professor_innen, Wissenschaftliche Mitar-
beiter_innen und Lehrbeauftragte. In Anbindung an die Idee, die
Lehre vom Lernen her zu denken, verfolgt das BZHL das Ziel,
die Qualität der Lehre durch Professionalisierung der Lehrtätig-
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 19
20. keit von angehenden und praktizierenden Hochschulleh- Methode der Kollegialen Beratung
renden nachhaltig zu verbessern. Nach dem Start mit
einer offenen Workshopreihe zu hochschuldidaktischen „Kollegiale Beratung beschreibt ein Format personeno-
Themen wurde das Programm schnell um weitere Quali- rientierter Beratung, bei dem im Gruppenmodus wech-
fizierungsmaßnahmen wie strukturbildende Maßnahmen selseitig berufsbezogene Fälle der Teilnehmenden sys-
an einzelnen Hochschulen und Coachingangebote für tematisch und ergebnisorientiert reflektiert werden.“
Professor_innen erweitert. (Tietze 2010, S.24) In der Praxis existieren verschiede-
ne Modelle der Kollegialen Beratung. Ihnen allen ist ge-
Kollegiale Beratung wurde zunächst in einem zweise- meinsam, dass es sich um eine strukturierte Form der
mestrigen Pilotprojekt an der HTW Berlin, einer Lehr- Peerberatung handelt, in der berufsbezogene Fragestel-
qualifizierung für neuberufene Professor_innen und als lungen (Fälle) lösungsorientiert reflektiert werden. Das
Bestandteil einzelner Seminare, so z.B. innerhalb von Format der Kollegialen Beratung ist durch sechs Merk-
Workshops zum Konfliktmanagement angeboten. Seit male charakterisiert:
dem Start des Zertifikatsprogramms im März 2010 wur-
de sie fester Bestandteil einer systematischen Qualifizie- • Personenorientierte Beratung
rungsreihe. • Gruppenmodus
• Berufsbezogene Fälle
Mit der Integration der Kollegialen Beratung in das Zer- • Systematik
tifikatsprogramm folgt das BZHL den Leitlinien zur Mo- • Wechselseitigkeit
dularisierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer • Ergebnisorientierte Reflexion
Weiterbildung (AHD 2005) der Deutschen Gesellschaft
für Hochschuldidaktik (dghd). Die Kollegiale Beratung am BZHL ist an das von Tiet-
ze (2003) entwickelte Modell angelehnt, findet in Grup-
pen von 5-10 Personen statt und folgt einem Zyklus von
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 20
21. sechs Phasen: rens und Lernens gelegt. Dies umfasst eine Einführung
in sozialpsychologische Theorien und Lerntheorien. Da-
• Rollenverteilung (Rollen: Moderator_in, Fallerzäh- rüber hinaus werden den Teilnehmer_innen Instrumen-
ler_in, Berater_innen und ggf. Protokollant_in so- te an die Hand gegeben, wie sie die Stofffülle für ihre
wie Beobachter_in) Lehrveranstaltungen durch das Setzen von Lernzielen
• Spontanerzählung mit anschließenden Verständ- reduzieren und damit ihre Lehrveranstaltungen besser
nisfragen planen können. Hierzu lernen sie Methoden der Stoffre-
• Klären der Schlüsselfrage duzierung und aktivierende Lehrmethoden kennen.
• Methodenwahl Beginnend nach dem ersten Workshop von Modul I fin-
• Beratung den drei Termine zur Kollegialen Beratung statt. Darü-
• Abschluss ber hinaus werden die Teilnehmenden von didaktischen
Expert_innen einmal in einer Lehrveranstaltung besucht
Die Rollen rotieren und werden für jeden Beratungszyk- (Lehrhospitation) und es findet zum Abschluss eine
lus neu verteilt. Alle Teilnehmenden beteiligen sich aktiv strukturierte Selbstreflexion statt.1
am Geschehen und sind gleichberechtigte Ideengeber_
innen. Ziel der Kollegialen Beratung ist die Entwicklung Das erste Modul wurde bewusst so konzipiert, dass die
von Lösungsvorschlägen und Entscheidungshilfen zu Teilnehmenden sich dort als Teil einer festen Lerngruppe
den vorgetragenen Fällen. Die Teilnahme und Mitarbeit erleben und sie diese Erfahrungen auch auf ihre Arbeit
ist freiwillig und verbindlich. mit den Studierenden übertragen können. Zur Reflexion
werden die Teilnehmenden mit Methoden wie Feedback
Rahmen und Durchführung der Kollegialen Beratung (Fengler 2004) vertraut gemacht und in die Themen-
zentrierte Interaktion (TZI) eingeführt. „Ausführungen
Die Kollegiale Beratung ist in das erste Modul des Zer- zu TZI – verstanden als hochschuldidaktisches Prinzip
tifikatsprogramms integriert. Im ersten Modul werden an 1 Nähere Informationen zum Zertifikatsprogramm finden sie unter
2 x 2 Workshoptagen zunächst die Grundlagen des Leh- http://www.bzhl.tu-berlin.de/index.php?id=84
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 21
22. – vermitteln Aufschluss darüber, wie selbstverantwortli- menden die gleiche Verantwortung für den Prozess der
ches Lernen zustande kommen kann. Ein erster Schritt Beratung haben, wird im BZHL die erste Sitzung durch
liegt in der Anbahnung eines persönlichen Bezugs zum eine_n Experten_in geleitet.2 Gerade Teilnehmende, die
Thema, das neben kognitiven (auch) emotionale Anteile bisher keine Erfahrungen mit Formen der Peerberatung
einschließt. Schon hier wird die persönliche Aktivität des gemacht haben, wünschen sich eine intensive Einfüh-
Einzelnen gefordert. Diese Herausforderung kann er je- rung der Methode und auch eine expertengestützte
doch nur in einem Klima des Vertrauens annehmen, das Durchführung. Nachdem beim ersten Termin die Runde
ihn mit seinen individuellen Einsichten und Bedürfnissen extern moderiert wurde, übernehmen die Teilnehmenden
stützt.“ (Mann/Thomas 2004, 259) Da die Teilnehmenden die Moderation ab dem zweiten Termin selbst. Der/die
als Studierende häufig selbst Hochschullehrende erlebt externe Experte_in zieht sich immer mehr aus dem Pro-
haben, die ausschließlich an der Wissensvermittlung ori- zess der Beratung zurück und greift nur noch ein, wenn
entiert waren, verfügen sie teilweise über keine anderen die Akteure im Prozess in Schwierigkeiten geraten. So
Vorbilder für die eigene Lehre und haben ein traditionel- ist es z.B. immer wieder zu beobachten, dass es den
les Rollenverständnis. Der soziale Lernprozess und die Moderierenden schwer fällt, in ihrer Rolle zu bleiben und
aktive Teilnahme an den Workshops sollen sie für ande- nicht auch Beratende zu werden, oder dass Unsicher-
re Ebenen des Lehrens und Lernens sensibilisieren. Die heiten bei der Leitung des Gesamtprozesses entstehen.
Auseinandersetzung mit dem eigenen Lernprozess mit- Hier bekommen sie in Form von „Regieanweisungen“
tels TZI und der damit entstehenden Verbindlichkeit und Unterstützung durch die/den Experten_in. Es ist festzu-
Vertraulichkeit innerhalb der Lerngruppe legt somit die stellen, dass die Teilnehmenden immer stärkere Verant-
Grundlage für die Kollegiale Beratung, für die Vertrauen
2 Tietze (2010) merkt hierzu an, dass die Kollegiale Beratung erst seit
eine wichtige Voraussetzung ist. Mitte der 90er Jahre außerhalb psycho-sozialer Kontexte Verbreitung
in der Personal- und Führungskräfteentwicklung fand, so auch bei
Kollegiale Beratung findet am BZHL im Modul I an drei Hochschullehrenden. Akteure im psycho-sozialen Kontext würden die
Beratungen meist selbst initiieren, wohingegen in anderen Bereichen
Abendterminen à drei Zeitstunden statt. Während in der der Anstoß von außen komme. Dies gehe mit der Notwendigkeit ein-
klassischen Form der Kollegialen Beratung alle Teilneh- her, die Methode genau einzuführen.
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 22
23. wortung für den Prozess übernehmen, sobald sie einmal schiedlichen Sichtweisen und Erfahrungswelten werden
die Sinnhaftigkeit des strukturierten Vorgehens erlebt durch die Teilnehmenden als sehr inspirierend und hilf-
haben. Gerade beim ersten Termin dauern die Kolle- reich wahrgenommen, besonders in den Beratungsse-
gialen Beratungen meist länger als die in der Methode quenzen.
vorgesehenen 30-45 Minuten, da nicht nur die Fälle be-
handelt werden, sondern auch noch Fragen zur Methode Die Teilnehmer_innen der Kollegialen Beratungsgruppen
geklärt werden. kennen sich bereits aus mindestens zwei vorangegange-
nen Workshoptagen und sind durch Micro-Teaching-Pro-
Konkrete Phasen der Kollegialen Beratung und Er- zesse während der Workshops intensiv mit Feedback-
fahrungen am BZHL und Reflexionsprozessen vertraut.
Seit 2009 wurden am BZHL über 20 Kollegiale Bera- Phase 0
tungsgruppen initiiert. Das Besondere der Gruppen ist Zu Beginn jeder Kollegialen Beratung gibt es ein Ein-
die äußerst heterogene Zusammensetzung der Teilneh- stiegsblitzlicht, in dem die Teilnehmenden Gelegenheit
menden, da sie nicht nur aus verschiedenen Fachberei- haben, aktuelle Themen anzusprechen oder den ande-
chen, sondern auch aus unterschiedlichen Hochschulen ren mitzuteilen, wie sich ein Fall aus der letzten Kollegi-
kommen und sich aus allen Statusgruppen zusammen- alen Beratung ggf. weiterentwickelt hat.
setzen. Hierbei ist auffällig, dass die Teilnehmenden
nach den ersten Workshoptagen durchaus äußern, dass Im Anschluss werden in Murmelgruppen aktuelle Anlie-
sie zu Beginn der Qualifizierung über die Zusammenset- gen gesammelt und dann durch Gewichtung entschie-
zung der Lerngruppe verunsichert waren. Im Prozess- den, welche Fälle in der Sitzung behandelt werden sol-
verlauf spielen die hierarchischen Unterschiede durch len.
die soziale Interaktion hingegen gar keine Rolle mehr.
Die durch die Diversität zustande kommenden unter- Wiederkehrende Themen in der Kollegialen Beratung
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 23
24. am BZHL sind z.B.: Beratende und bei Bedarf Protokollant_in) besetzt wer-
den. Handelt es sich um eine größere Gruppe, werden
• das eigene Rollenverständnis in der Lehre, manchmal noch Beobachtende benannt, die im Sinne
• Schwierigkeiten bei der Durchführung von Lehrver- des systemischen Ansatzes die sogenannte „reflektie-
anstaltungen, rende Position“ einnehmen und die Aufgabe haben, den
• der Umgang mit fordernden Studierenden, Prozess der Beratung von außen zu beobachten (Ander-
• Studierende, die Beratungsangebote nicht anneh- sen 1990).
men
• das Bewerten von Klausuren, Präsentationen und Phase 2 – Die Spontanerzählung
Hausarbeiten und Ist entschieden, wer seinen Fall vorstellt, beginnt der/
• der Widerstand von Studierenden gegenüber Me- die Fallgeber_in mit der sogenannten Spontanerzählung
thoden der aktivierenden Lehre. des Falles. Wichtig ist hierbei, dass der Moderierende
darauf achtet, dass der/die Fallerzähler_in seinen/ihren
In den Beratungsgruppen für neuberufene Professor_in- Fall ohne Unterbrechung vorstellen kann. Verständnis-
nen stehen zudem Themen wie Schwierigkeiten mit Kol- fragen sollen erst hinterher gestellt werden.
leg_innen in den eigenen Fachbereichen, akademische
Selbstverwaltung und Zeitmanagement im Vordergrund. Phase 3 – Die Schlüsselfrage
Von der ersten Sitzung zur zweiten und dritten ist häufig Sind alle Verständnisfragen nach der Fallerzählung ge-
nach einer anfänglichen Vorsicht bei der Wahl der Fälle klärt, geht der Moderierende zur Phase der Schlüsselfra-
eine schnelle Vertiefung der Themen und auch der Inhal- ge über. Diese soll erschließen, welches Ziel der/die Fal-
te der Beratung festzustellen. lerzähler_in mit der Beratung verbindet. Das Finden der
richtigen Schlüsselfrage ist entscheidend für die Qualität
Phase 1 – Die Rollenbesetzung der Beratung. Gerade in der ersten und zweiten Sitzung
Durch die Wahl eines Falles steht der/die Fallerzähler_ werden die Teilnehmenden sensibilisiert, präzise Frage-
in fest und es können die anderen Rollen (Moderation, stellungen zu finden.
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 24
25. Phase 4 – Die Methodenwahl ming, Kopfstandbrainstorming und Reflecting Team. Je
Die Methode, mit der die Beratung durchgeführt wer- nach Gruppe und Leitung können auch speziellere Me-
den soll, kann von den Moderierenden, dem/der Faller- thoden wie z.B. das innere Team oder eine Aufstellung
zähler_in oder den Beratenden vorgeschlagen werden. im Raum verwendet werden.
Hierzu bieten sich eine Reihe von Methoden der Ide-
en- und Entscheidungsfindung an (Schlee 2008; Tietze Phase 5 – Der Beratungsprozess
2003). Beim ersten Treffen wird immer vorab geklärt, Beim Beratungsprozess setzt Tietze (2003) eine Bera-
welche Expertise in Bezug auf die Kollegiale Beratung tungszeit von zehn Minuten an.
und die entsprechenden Methoden bei den Teilnehmen- Im BZHL planen wir für die Gruppen etwa die doppelte
den schon vorhanden ist und genutzt werden kann. Der Beratungszeit ein, da die Orientierung in dem Format der
Einsatz der Methoden hängt auch von der Vertrautheit Kollegialen Beratung anfänglich mehr Zeit in Anspruch
der Gruppe mit unterschiedlichen Methoden ab. Man- nimmt.
che Gruppen konzentrieren sich ausschließlich auf die Im Beratungsprozess sind die Moderierenden besonders
inhaltliche Beratung, in anderen, meist geübteren Grup- gefragt, da die Teilnehmenden, vor allem wenn sie noch
pen, besteht ein großes Interesse, durch die „richtige“ nicht so vertraut mit der Methode sind, ihren Diskussi-
(zu einem Fall passende) Methode die Qualität der Be- onsprozess ungern abbrechen.
ratung zu steigern.
Unserer Erfahrung nach ist es entscheidend, nur Metho- Phase 6 – Der Abschluss
den zu verwenden, mit denen sich zumindest die jeweils Zum Abschluss wird der/die Fallerzähler_in noch einmal
Moderierenden sicher fühlen. Es wird darauf geachtet, gebeten mitzuteilen, welche Ideen für ihn/sie interessant
dass die Teilnehmenden mindestens drei verschiedene und hilfreich waren. Je nach Thema wird die Kollegia-
Methoden erfahren und anwenden. Auf der Metaebene le Beratung auch mit einer sogenannten Sharing-Runde
wird die Erfahrung mit den Methoden zum Schluss jeder abgeschlossen, in der alle Teilnehmer_innen noch ein-
Sitzung noch einmal ausgewertet. Typische Methoden, mal ihre Erfahrungen zu dem Beratungsthema teilen.
die in der Beratung eingesetzt werden, sind Brainstor-
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 25
26. Was das Format an Hochschulen leisten kann: Teil- der Beratung ist, dass gut Lehre ganz unterschiedlich
nehmer_innen-Stimmen aussehen kann und vor allem authentisch sein sollte.
Die Teilnehmenden am Zertifikatsprogramm reflektieren Für viele Lehrende war es auch sehr entlastend zu hö-
ihren Lernprozess im ersten Modul nach einem struktu- ren, dass viele ihrer Kolleg_innen mit den gleichen He-
rierten Leitfaden, in dem auch nach den Erfahrungen in rausforderungen zu kämpfen haben. Hier wurde gerade
der Kollegialen Beratung gefragt wird. Uns hat am BZHL die große Heterogenität der Gruppen gewürdigt:
interessiert, ob die Methode die Lehrenden unterstützt
und was für die Lehrenden bei dieser Methode im Vor- Hier war für mich besonders hilfreich, dass viele Situatio-
dergrund stand. Im Folgenden werden einige Rückmel- nen, die ich bei meinen Vorlesungen erlebt habe, fächer-
dungen aus den anonymisierten Selbstreflexionen der oder sogar hochschulübergreifend ähnlich gelagert sind
Teilnehmenden zitiert (BZHL 2011). und man nicht „alleine“ mit der Situation ist.
Zuerst einmal war es die Möglichkeit, überhaupt in einen Auf der anderen Seite hat man gleichzeitig verstanden,
fachlichen und überfachlichen Austausch mit anderen dass auch fachfremde Kollegen unterschiedlichen Alters
Lehrenden treten zu können und dadurch unterschied- mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten. Der Erfah-
liche Sichtweisen auf eine Fragestellung zu bekommen: rungsaustausch war eine zusätzliche Ideen- und Inspira-
tionsquelle.
In meinem Arbeitsalltag ergibt sich ansonsten nur sehr
selten die Gelegenheit zum fundierten Austausch mit an- In Bezug auf die Möglichkeit, die Kollegiale Beratung in
deren Lehrenden, die Diskussion eigener und fremder den eigenen Fachbereichen einzuführen, gibt es unter-
Lehrsituationen gibt mir weitere Sicherheit und Souverä- schiedliche Stimmen:
nität in meiner Lehre und in meinem Rollenverständnis
als Dozentin, durchaus auch durch die deutlich werden- In Bezug auf meinen Alltag ist diese Form der Kollegia-
den Differenzen mit Kolleg_innen: Meine erste Lehre aus len Zusammenarbeit jedoch fraglich. Fachliche Proble-
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 26
27. me löse ich auf kürzerem Wege, alle anderen Probleme Fazit
sind häufig Probleme mit den anderen Kollegen oder den
Vorgesetzten. Der Nutzen für den Hochschulkontext scheint also beson-
ders der fachliche und überfachliche Austausch zu sein,
Ich habe bereits angeregt eine Kollegiale Beratung zu- der zwischen Lehrenden häufig zu kurz kommt. Indem
mindest auf Assistenten-Ebene an unserem Fachbereich sichtbar wird, dass Andere mit den gleichen Schwierig-
einzuführen. keiten zu kämpfen haben wie man selbst, erleben Leh-
rende die Kollegiale Beratung als Entlastung. Außerdem
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass viele Teilneh- ist festzustellen, dass sie zu einer größerer Vernetzung
mende überrascht waren, wie viele Ideen zu einem be- der Lehrenden untereinander führt und damit zum Auf-
stimmten Problem in so kurzer Zeit gesammelt werden bau einer Unterstützungskultur über die Fachbereiche
können. Die Fallgeber_innen haben mehrheitlich berich- und Hochschulen hinweg.
tet, dass die Sichtweisen der Anderen zur Klärung der
eigenen Position sehr wertvoll waren. Häufig fiel es den Da das Format durch die Teilnehmenden so positiv auf-
Fallgeber_innen schwer, nichts zu der Diskussion bei- genommen wird, ist geplant, engagierte Lehrende aus
tragen zu dürfen. Andersherum haben alle Teilnehmen- dem Zertifikatsprogramm als Multiplikator_innen zu ge-
den auch mehrheitlich berichtet, wie viel sie selbst aus winnen: zum einen, um hochschulübergreifende und
den Fällen der anderen gelernt haben (vgl. Lippmann fachbezogene Kollegiale Beratungsgruppen zum vertief-
2009, 18). Hier scheint die Kollegiale Beratung fragmen- ten Einstieg in fachdidaktische Fragen zu initiieren und
tarisches und exemplarisches Lernen in starkem Maße zum anderen, um erworbene Kompetenzen wieder an
zu ermöglichen (Schmid/Veith/Weidner 2010). Da viele die Fachbereiche zurückzubringen und ggf. dort eigene
Teilnehmende, die nicht aus den Sozialwissenschaften Kollegiale Beratungsgruppen zu initiieren.
kommen, mit diesen Methoden völlig unvertraut sind,
wurde die Anwesenheit einer externen Leitung auch im-
mer sehr wertgeschätzt.
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 27
28. Literatur Tietze, K.-O. (2010): Wirkprozesse und personenbezogene Wirkun-
gen von Kollegialer Beratung: Theoretische Entwürfe und empirische
Andersen, T. (1990): Das reflektierende Team. Dialoge und Dialoge Forschung. Wiesbaden: Vs-Verlag.
über Dialoge. Dortmund: Modernes Leben.
Arbeitsgemeinschaft Hochschuldidaktik (2005): Leitlinien zur Modula-
risierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer Weiterbildung. (Be-
schluss der Mitgliederversammlung der AHD vom 8.3.2005. Verfügbar
unter: http://www.dghd.de/akko_download [05.05.2011].
BZHL (2011): Selbstreflexionen zu Modul I des Zertifikatsprogramms.
(Unveröffentlichte Dokumente). Berlin
Fengler, J. (2004): Feedback geben. Strategien und Übungen. Wein-
heim: Beltz.
Langmaack, B., Braune-Krickau, M. (1995): Wie die Gruppe laufen
lernt. Weinheim: Beltz.
Lippmann, E. (2009) Intervision. Kollegiales Coaching professionell
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Mann, R., Thomas, K. (2004): TZI an der Hochschule. Gegen die aka-
demische Trockenheit. In: Langmaack, B.: Einführung in die Themen-
zentrierte Interaktion (S. 258-263). Weinheim: Beltz.
Schlee, J. (2008): Kollegiale Beratung und Supervision für pädagogi-
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Schmid, B., Veith, T., Weidner, I. (2010): Einführung in die Kollegiale
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Schulz von Thun, F., Tietze, K.-O. (2003): Kollegiale Beratung: Pro-
blemlösungen gemeinsam entwickeln. Miteinander reden. Reinbek:
Rororo.
Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 28
29. Hochschul-
didaktisches
Zentrum
Sachsen
Das Lehrportfolio
Ein Instrument zur Qualitätssicherung und
-entwicklung in der Hochschullehre
Jan Fendler, M.A. ist Projektkoordinator des Abstract
hochschuldidaktischen Universitätsprojekts
LehreLernen an der Friedrich-Schiller-Univer- Das Qualitätsmanagement in der Lehre wird an europäischen
sität Jena. Hier ist er für die hochschuldidakti-
Hochschulen immer wichtiger. Hierzu werden Verfahren und Inst-
sche Aus- und Weiterbildung von erfahrenden
Lehrenden mit Lehrportfolios und Videoauf- rumente eingesetzt, mit denen sich Lehrleistungen beurteilen und
zeichnungen verantwortlich. Sein Forschungs- vergleichen lassen. Individuelle pädagogische Leistungen können
schwerpunkt ist das Lehrportfolio als Weiter- mit ihnen jedoch nur begrenzt erfasst werden. Zugleich bieten sie
bildungsinstrument und dessen Potential im nur wenige Möglichkeiten zur Qualitätsentwicklung. Eine Alterna-
Hochschulkontext tive stellt das Lehrportfolio dar. Es wird zunehmend in Berufungs-
Prof. Dr. Michaela Gläser-Zikuda ist Pro- verfahren und hochschuldidaktischen Weiterbildungen eingesetzt.
jektleiterin des hochschuldidaktischen Uni- Lehrende stellen mit seiner Hilfe ihre Lehrkompetenz unter Be-
versitätsprojekts LehreLernen, seit 2008
weis, und können gleichzeitig systematisch an dieser arbeiten.
Lehrstuhlinhaberin für Schulpädagogik und
Didaktik sowie derzeit Direktorin des Instituts Dennoch ist vielen Lehrenden das Lehrportfolio unbekannt. Der
für Erziehungswissenschaft an der Friedrich- vorliegende Artikel kann als Hilfestellung zur Reflexion der eige-
Schiller-Universität Jena. Ihre Arbeits- und nen Lehrkompetenz verstanden werden, wobei Leitfragen bei der
Forschungsschwerpunkte sind Schul- und Erstellung eines eigenen Lehrportfolios als Unterstützung dienen.
Unterrichtsforschung, Lehrerbildung, Qualita- Zugleich können diese Leitfragen auch zur Beurteilung von Lehr-
tive Forschungsmethoden sowie Hochschul- portfolios herangezogen werden, um die Qualitätssicherung in
forschung. Sie beschäftigt sich insbesondere
Berufungen zu fördern. Ziel des Artikels ist es, einen praxisnahen
mit Portfolios und Lerntagebüchern im schu-
lischen Bereich, in letzter Zeit auch im Hoch- Beitrag zur Evaluation und Förderung der individuellen pädago-
schulkontext. gischen Qualität durch Lehrportfolios beizusteuern, die sich an
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30. den Bedürfnissen von Autor_innen und Leser_innen von haltet Aussagen zur Qualität sowie Quantität der Lehre
Lehrportfolios orientieren. und spiegelt den Lehrprozess des Autors wider. Darüber
hinaus wird durch die Einbindung von Selbstreflexionen
Was ist ein Lehrportfolio? eigener Lehrhandlungen der Lernprozess veranschau-
licht und in einem Zusammenhang zur Lehr-Lernkultur
Das Portfolio stammt ursprünglich aus dem Bereich der gestellt, ähnlich den schulischen Lernportfolios (Gläser-
„schönen Künste“. Dort dient es mit seinem repräsenta- Zikuda & Hascher 2007).
tiven Charakter Künstler_innen und Architekt_innen zur
Präsentation ausgewählter Leistungen. Mit Beginn der Wozu kann es dienen?
1980er Jahre wurde das Portfolio zur Präsentation von
Leistungen und Fähigkeiten auch im amerikanischen Seit den hochschulpolitischen Reformen gewinnt die
Bildungswesen eingeführt. Hierbei erweiterte sich seine Lehrqualifikation in Berufungen und Beförderungen an
Funktion um das Lernen in gemeinschaftlicher Verant- Gewicht und führt zur Etablierung verschiedener Qualifi-
wortung von Lernenden und Lehrenden (Häcker 2005). zierungsangebote und Qualitätssicherungsinstrumente.
Ausgewählte Leistungen wurden um Elemente der Am bekanntesten sind hierbei Studierendenrückmeldun-
Selbstreflexion ergänzt (Gläser-Zikuda & Hascher 2007). gen und Lehrbeobachtungen als Fremdevaluationen.
Erst zu Beginn der 1990er Jahre fand das Portfolio auch Eine Alternative zu klassischen Fremdevaluationen stellt
Einzug in die deutsche Hochschullehre. In Form eines das Lehrportfolio dar. Es gilt sowohl als Lern- wie auch
Lehrportfolios wurde es zugleich als Beurteilungs- (Sel- Beurteilungsinstrument. Seine Schwierigkeit liegt aber
din 1997) und Lerninstrument (Auferkorte-Michaelis & in der Konfundierung dieser diametralen Funktionen.
Szczyrba 2004) genutzt. Das Lehrportfolio ist hierbei ein Der zentrale Gedanke ist, dass Lehren und Lernen auch
strukturierter Nachweis des eigenen Lehrens und Ler- durch Probleme und deren Lösungen gekennzeichnet
nens, das durch eine reflektierte Auswahl an Dokumen- sind (Thorndike 1930). Zugleich soll das Lehrportfolio
ten von verschiedenen am Lehr-Lernprozess beteiligten aber als gradliniges, fehlerloses und bestmögliches Er-
Personen gekennzeichnet ist (von Queis 1994). Es bein- gebnisprodukt zur Beurteilung bereitstehen. 1) In seiner
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31. üblichen Funktion gilt daher das Lehrportfolio als sum- Kooperationen zur Lehre angesprochen (Behrens 1997;
matives Beurteilungsinstrument, das eine Sammlung Jungen 2001). Das Lehrportfolio dient hier zur gemein-
selbsteruierter Lehrinformationen und studentischen samen Erarbeitung von Inhalten. Es führt zu einem ho-
Evaluationen als selbstinitiierte Analyse beinhaltet (von hen Öffentlichkeitsgrad und einer Vernetzung von Wis-
Queis 1994). Lehrende machen in dieser Sammlung ihre sen aus verschiedenen Fachkulturen (vgl. Abbildung 1).
Vorstellungen von Lehre, verwendeten Lehrmethoden
und angestrebten Lehrzielen (hidden curriculum) trans-
Abbildung 1: Ziele von Lehrportfolios
parent und ergänzen eigenverantwortlich die klassische
Fremdevaluation. Diese selbstverortete Evaluation stellt
die Basis für ein zweites Ziel dar. 2) Die Arbeit am Lehr-
portfolio zum selbstgesteuerten reflektierten Lernen.
Das Lehrportfolio gilt in diesem Zusammenhang als pro-
zesssteuerndes Lernwerkzeug für die Lehre (Szczyrba
2008a). Es führt zur intensiven Auseinandersetzung mit Lehren
Lehrkompetenz
den inhaltlichen Konzepten des täglichen Handlungs-
feldes und übergibt die Verantwortung zur Elaboration
4el5stevalua)on Reflexiv
und Reflexion des Lernprozesses dem Autor (Murphy &
Beurteilen
Smith 1992). 3) Aber auch die Lehre mit dem Lehrportfo- Lernen
lio kann als Ziel verstanden werden. Lehrende unterrich-
ten auf der Grundlage ihrer zusammengestellten und se- Außendarstellung !oopera)v
lektierten Materialien (Häcker 2005). Abschließend kann
!ommunika)on und !oopera)on
aus diesen drei genannten Zielen (Beurteilen, Lernen
und Lehren) auch ein viertes Ziel eruiert werden – die
Kommunikation. 4) Sie wird vor allem in der schweize-
rischen Lehrerbildungsforschung bei der Förderung von
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