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Hochschul-
                         didaktisches
                         Zentrum
                         Sachsen




HDS Journal              1 | 2011




      Perspektiven Guter Lehre
Hochschul-
                                                                                                                      didaktisches
                                                                                                                      Zentrum
                                                                                                                      Sachsen




Inhalt

Editorial	       				                                3    Lehre in Sachsen
                                                          Das ViP-Projekt: Videovorlesungen an der
Perspektiven				                                          Universität Leipzig 	
                                                          Dr. Michael Gerth				                              59
Zwischen den Stühlen ist Bewegung.            	
Elena Buck, Anne Dölemeyer, Benjamin Engbrocks,
Kathrin Franke und Beatrice Müller		                 6	   Literaturhinweis: Educasting      	
	                                                         Isabel Zorn, Andreas Auwärter, Marc Krüger und
                                                          Heike Seehagen-Marx     				                       64
Kollegiale Beratung am Berliner Zentrum für
Hochschullehre. 	
Dipl.-Psych. Anja Pawelleck	      		                19    Evaluation der HDS-Pilotphase im
                                                          WS 2010/11 					                                   66

Das Lehrportfolio.    	
Jan Fendler und Prof. Dr. Michaela Gläser-Zikuda	   29
                                                          Service
Erfahrungsbericht zum Verfassen eines                     Rezensionen	 				
Lehrportfolios. 	
Constanze Janda			                        	         43    Professionell lehren und lernen. Ein Praxisbuch.
                                                          Beatrice Müller					                               71

Hochschuldidaktische Weiterbildung als fachüber-          Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
greifender Dialog an der Universität Lettlands	           Benjamin Engbrocks				                             73
Sanita Baranova					                                48
                                                          HDS.Jahrestagung 2011
                                                          Inter::Disziplinäre Perspektiven guter Lehre
                                                          Tagungsprogramm        				                        77

                                                          Veranstaltungshinweise / Ausschreibungen       	   78

                                                          Impressum     					                                81




HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                     2
Hochschul-
                                                                                                                                 didaktisches
                                                                                                                                 Zentrum
                                                                                                                                 Sachsen




                                                            Editorial



                                                            Liebe Leser_innen,

                                                            wir freuen uns, Ihnen die dritte Ausgabe des HDS.Journals zu
                                                            Perspektiven guter Lehre in Sachsen und andernorts präsentie-
                                                            ren zu können.

                                                            Seit dem Erscheinen des letzten Heftes hat sich im HDS viel
                                                            getan:

                                                            Im April 2011 beschlossen die Leitungen von dreizehn sächsi-
                                                            schen Hochschulen, das HDS als gemeinsame zentrale Ein-
                                                            richtung zu betreiben und finanziell zu unterstützen. Das hat
                                                            entsprechend positive Folgen für die Weiterbildungs- und Unter-
                                                            stützungsangebote, die wir Lehrenden im Freistaat Sachsen ma-
                                                            chen können. Die Angebote der sächsischen Hochschulen und
                                                            HDS-Geschäftsstelle haben sich gegenüber dem vergangenen
                                                            Jahr deutlich erweitert: Es finden mehr Weiterbildungsseminare
                                                            an mehr Hochschulstandorten statt, die ein breiteres inhaltliches
                                                            Spektrum abdecken. Darüber hinaus können Interessierte ab WS
                                                            2011/12 am strukturierten Programm zum Erwerb des sächsi-
                                                            schen Hochschuldidaktik-Zertifikats teilnehmen, das sich an inter-




Editorial   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                    3
nationalen und deutschlandweiten Standards orientiert.     Neu in diesem Jahr ist der HDS.Dialog    , ein Format
            Ausführliche Informationen zum hochschuldidaktischen       aus Ringvorlesung und Diskussion, das mit wechseln-
            Zertifikatsprogramm finden Sie auf unserem Portal.         den Themenschwerpunkten jedes Jahr wiederholt wer-
                                                                       den soll. Dieses Jahr haben wir, vorbereitend auf die
            Und dies sind einige weitere Angebote, die wir in diesem   Jahrestagung, mit insgesamt drei Abendveranstaltungen
            Jahr für Sie vorbereitet haben:                            zu fachbezogenen Themen begonnen.

            Das HDS hilft beim Aufbau von Praxisteams, in denen        Gern stehen wir Ihnen für Ihre Anregungen und Fragen
            sich Hochschullehrende nach dem Prinzip der Kollegia-      zu den Angeboten des HDS zur Verfügung.
            len Beratung austauschen und gegenseitig unterstützen.
            Erste Gruppen haben sich bereits gebildet. Bei Interes-    Zum Inhalt des aktuellen HDS.Journals:
            se bieten wir auf Anfrage Einführungsworkshops      für
            sächsische Hochschullehrende an.                           Im vorliegenden Heft halten wir in eigener Sache Rück-
                                                                       schau auf unsere Pilotphase, im Rahmen derer wir das
            Am 4. November 2011 findet in Kooperation mit              erste sachsenweite hochschuldidaktische Kurspro-
            dem Zentrum für Weiterbildung der TU Dresden die           gramm organisiert und das Format der Kollegialen Bera-
            zweite HDS.Jahrestagung          in Dresden statt. Die     tung erprobt haben (S. 66).
            diesjährige Jahrestagung steht unter dem Motto
            Inter::Disziplinäre Perspektiven guter Lehre. Die Ta-      Anja Pawelleck schildert die Erfahrungen mit Kollegialer
            gung ist vor allem eine Plattform des Austauschs über      Beratung, die am Berliner Zentrum für Hochschullehre
            Beispiele guter Lehre an sächsischen Hochschulen und       (BZHL) in den letzten Jahren gemacht wurden (S. 19).
            zur Diskussion neuer Entwicklungen in der Lehre mit ex-
            ternen Expert_innen. In diesem Jahr steht sie ganz im      Jan Fendler (FSU Jena) führt in die Erstellung eines
            Zeichen von fachspezifischen und interdisziplinären As-    Lehrportfolios ein, das der konstanten Selbstreflexion
            pekten der Hochschullehre.                                 der eigenen Lehrpraxis dient und individuelle Entwick-




Editorial   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                     4
lungsschritte über einen längeren Zeitraum dokumentiert   lerntheoretischer Sicht fundiert und anhand von didakti-
            (S. 29). Ergänzt wird die Einführung durch einen Erfah-   schen Praxisbeispielen veranschaulicht wird (S. 64).
            rungsbericht von Constanze Janda (FSU Jena), die das
            Format Lehrportfolio erfolgreich nutzt (S. 43).           Im Rahmen eines internationalen Symposiums – organi-
                                                                      siert von ProLehre, der hochschuldidaktischen Einrich-
            Im März 2011 war eine Delegation der Lettischen Uni-      tung der TU München – fand in der ersten Märzwoche
            versität Riga in Leipzig zu Gast und nahm an einem        dieses Jahres die 40. Jahrestagung der Deutschen Ge-
            Workshop im HDS teil, in dem es um einen Erfahrungs-      sellschaft für Hochschuldidaktik (DGHD) statt. Das HDS
            austausch zum Aufbau hochschuldidaktischer Weiter-        hat hierzu einen Tagungsbericht verfasst, der die aus
            bildungsangebote ging. Sanita Baranova geht in ihrem      unserer Sicht wichtigsten Inhalte zusammenfasst (S. 6).
            Artikel ausführlich auf die Konzeption und Umsetzung
            hochschuldidaktischer Programme an der Lettischen         Abgerundet wird das aktuelle HDS.Journal wie gewohnt
            Universität ein und fasst darüber hinaus die Ergebnisse   durch zwei Rezensionen (S. 71) und einem Serviceteil
            der diesbezüglichen Begleitforschung zur Qualitätssi-     zu aktuellen Tagungen und Ausschreibungen (S. 78).
            cherung und weitergehenden Bedarfserhebung zusam-
            men (S. 48).                                              Wir wünschen eine interessante und informative Lektüre!

            Michael Gerth (E-Learning Service Universität Leipzig)    Ihr HDS-Team
            gibt einen Einblick in die Möglichkeiten des Einsatzes
            von E-Vorlesungen (S. 59). Sein Beitrag wird ergänzt
            durch den Verweis auf einen Artikel von Isabel Zorn,
            Andreas Auwärter, Marc Krüger und Heike Seehagen-
            Marx aus dem Online-Lehrbuch für Lernen und Lehren
            mit Technologien (Hg. von M. Ebner und S. Schön), in
            dem der Einsatz von Podcasts in Bildungskontexten aus




Editorial   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                    5
Hochschul-
                                                                                                                                                  didaktisches
                                                                                                                                                  Zentrum
                                                                                                                                                  Sachsen



                                                               Zwischen den Stühlen ist Bewegung.

                                                               Eindrücke vom Internationalen Symposium und der
                                                               Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hoch-
                                                               schuldidaktik (DGHD) im März 2011 in München.

                Elena Buck,                                    Im Rahmen eines internationalen Symposiums - organisiert von
                Anne Dölemeyer,                                ProLehre1 (der hochschuldidaktischen Einrichtung der TU Mün-
                Benjamin Engbrocks,                            chen) - fand in der ersten Märzwoche dieses Jahres die 40.
                Kathrin Franke und                             Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidak-
                Beatrice Müller                                tik (DGHD)2 statt. Runde Jubiläen laden bekanntlich dazu ein,
                                                               Rückschau zu halten - die Entstehung der Hochschuldidaktik im
                                                               Kontext der Hochschulreformbestrebungen der 1960er und 70er
                                                               Jahre bietet hier eine Fülle von Ansatzpunkten, Projektionen und
                                                               Anekdoten. An dieser Stelle sei nur angemerkt, dass die Hoch-
                                                               schuldidaktik in ihrer noch kurzen Geschichte vor allem im Span-
                                                               nungsfeld Hochschulpolitik, Verwaltung und Wissenschaft geprägt
                                                               wurde und wird.3 Während die wechselnden Konjunkturen der
                                                               Hochschulpolitik als externer Faktor den fallenden oder (seit der
                                                               Bologna-Reform) wieder steigenden Bedarf an hochschuldidakti-
                                                               schen Weiterbildungsangeboten (mit-)bestimmen, sind es vor al-
                                                               lem Verwaltung und Wissenschaft, welche die (Selbst-)Verortung
                                                               von Hochschuldidaktiker_innen prägen. Im Folgenden werfen wir

                                                               1 http://www.cvl-a.de/prolehre/
                                                               2 http://www.dghd.de/
                                                               3 für einen kurzen Überblick: vgl. HDS.Journal No. 1, 2010, https://www.hds.uni-
                                                               leipzig.de/fileadmin/media/HDSJournal1-2010.pdf




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                 6
einige Schlaglichter auf zentrale Themenbereiche, die      Formen des ,dritten Raums‘ ergeben werden“ (vgl. ebd.).
               im Rahmen des internationalen Symposiums und der           Professionelles Handeln im Arbeitsbereich Hochschul-
               DGHD-Jahrestagung verhandelt wurden.                       didaktik spielt sich in einem Raum ab, der durch den
                                                                          Balanceakt zwischen Tätigkeiten geprägt ist, die auf
               Hochschuldidaktik als „dritter Raum“ im akademi-           die „organisatorischen und/oder sozialen Bedingungs-
               schen Betrieb                                              rahmen“ Lehrender ausgerichtet sind und solchen, die
                                                                          sich am „Individuum und individuellen Fällen und/oder
               Mit einem Blick über den Tellerrand stellte Angelika       Bedürfnissen“ orientieren.7 Zugleich wird das Zusam-
               Thielsch in ihrem Workshop4 die Hochschuldidaktik als      menspiel von hochschulpolitischen Entwicklungen mit
               „dritten Raum“ vor. Das kulturwissenschaftliche Kon-       dem Verantwortungsbereich hochschuldidaktischer Ein-
               zept des „Third Space“5 - in dem (post-koloniale) Iden-    richtungen, Initiativen und Maßnahmen durch ein Span-
               titätsstiftung im Zusammenspiel zwischen bzw. in der       nungsfeld aus Innovation, Entwicklung, Eigeninitiative
               Schnittmenge verschiedener kultureller Sphären veror-      und konkreten Serviceleistungen als unterstützende
               tet wird - führte die britische Hochschulforscherin Ce-    Dienstleistungsstruktur für Hochschullehrende aufrecht-
               lia Whitchurch in die Hochschulforschung ein. Es diene
               der Beschreibung neu entstehender Aufgabenfelder im        4 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/2e_thielsch_drit-
               akademischen Betrieb, die sie als ein „emergentes Ter-     ter_raum.pdf
                                                                          5 Bhabha, Homi K. (2007): The Location of Culture. London / NY, Rout-
               ritorium zwischen dem wissenschaftlichen und dem pro-      ledge Classics
               fessionellen Bereich“6 charakterisiert. Whitechurch geht   6 Whitchurch, Celia (2008): Shifting Identities and Blurring Boundaries:
               davon aus, dass „Tätigkeiten in diesem ,dritten Raum‘      The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Education.
                                                                          Higher Education Quarterly, Jg. 62, H. 4, S. 377-396, S. 384. Zitiert
               indikativ für künftige Trends bei der Herausbildung pro-   nach Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg
               fessioneller Identitäten sind und sich diese Tätigkeiten   (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift
               zunehmend mit Aufgaben von Wissenschaftler_innen           für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 29.
                                                                          7 Urban, Diana und Meister, Dorothee M. (2010): Strategien der Pro-
               vermischen, die projekt- und managementbezogene            fessionalisierung in der Hochschuldiaktik. Zeitschrift für Hochschulent-
               Rollen übernehmen, so dass sich wahrscheinlich neue        wicklung Jg. 5, Nr. 4, S. 104-123, S. 108.




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                    7
erhalten (vgl. ebd.). Arbeitssituation und Selbstverständ-    Raum‘, in dem man sich „eher auf symbolisches Kapi-
               nis der in diesem Bereich arbeitenden Personen sind           tal und persönliche Netzwerke verlassen“11 muss, wird
               ebenso diffus wie der Raum selbst. Befragt man die im         selber zur Ressource, mit der gearbeitet werden kann.
               „dritten Raum“ Tätigen, so kennzeichnen sie sich selbst       Während „die neuen Hochschulprofessionellen in be-
               eher „als DienstleisterInnen und weniger als Verursacher      merkenswertem Maße gestaltend wirken, eignet sich die
               neuer Pflichten und Kontrollen [...], als Hochschulprofes-    Betonung der zuarbeitenden Rolle dazu, Auseinander-
               sionelle und Experten, teilweise als Generalisten, aber       setzungen über potentielle Rollenüberschneidungen und
               kaum noch als Wissenschaftler“ und beschreiben, „dass         -konflikte in Grenzen zu halten und Kooperationsbereit-
               sie an Schnittstellen arbeiten, multifunktional tätig sind,
                                                                             8 Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg
               neue Tätigkeitsfelder gestalten, Troubleshooter sind und      (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift
               oft dort einspringen, wo unmittelbarer Bedarf entsteht“.8     für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 34.
               Diese Tätigkeiten sind irgendwo „zwischen Strategie           9 Kallenberg, A.J. (2005): Strategy and Innovation. The Roles of Aca-
                                                                             demic Middle Managers in Higher Education. Vortrag auf der 27. Jah-
               und Innovation“9 verortet: Hochschulprofessionelle „er-       restagung der European Association of Institutional Research (EAIR),
               kennen (funktionale und/oder organisationale) Grenzen,        28.-31.8.2005 in Riga (unplubliziertes Manuskript). Zitiert nach: Bar-
               nutzen diese aber aktiv, um strategische Vorteile zu er-      bara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg (2010):
                                                                             Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift für
               zielen und institutionelle Kapazitäten aufzubauen, indem      Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 35.
               sie aus ihrem Wissen um beide Seiten der Grenzen, mit         10 Whitchurch, Celia (2008): Schifting Identities and Blurring Boundari-
                                                                             es: The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Educa-
               denen sie zu tun haben, Kapital schlagen“. Sie zeigen
                                                                             tion. Higher Education Quarterly, Jg. 62, H. 4, S. 377-396, S. 382-384.
               dabei „eine Missachtung von Grenzen, oder von Regeln          Zitiert nach Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schnei-
               und Ressourcen, (...) und bearbeiten die breit gefassten      jderberg (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen.
                                                                             Zeitschrift für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 29.
               Projekte, mit denen sie befasst sind, mit einem explora-      11 Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg
               tiven und ergebnisoffenen Ansatz“.10 Im Zusammenwir-          (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift
               ken von entgrenztem Tätigkeitsfeld und unklarer Rollen-       für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 25.
                                                                             12 Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg
               zuschreibung wird beides nicht als defizitär verstanden,      (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift
               sondern als Quelle neuer Möglichkeiten. Der ,dritte           für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 24f.




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                       8
schaft auf Seiten von Hochschullehrenden zu fördern.“12     über die bestehenden Strukturen und Perspektiven un-
               Plastisch anschaulich wird dieses Spannungsfeld, wenn       terstützender Serviceangebote als auch einen Einblick in
               man das Selbstverständnis hochschuldidaktischer Ein-        die Entwicklungslinien und Aussichten hochschuldidakti-
               richtungen betrachtet, welche sich als Forschungs- und/     scher Forschung, um so die Grundlagen für eine gemein-
               oder als Serviceeinrichtung betrachten (und positionie-     same Wissensbasis zu schaffen. In einem eigenen Track
               ren). Diese Selbstzuschreibung ist nicht ausschließlich,    für Newcomer in der Hochschuldidaktik sowie durch das
               d.h. kein Entweder-Oder sondern ein Sowohl-als-auch,        Promovierenden-Netzwerk der DGHD (welches sich das
               sie ist beides bzw. liegt dazwischen im ,dritten Raum‘.     nächste Mal im Rahmen der HDS.Jahrestagung an der
               Dabei betreibt die Hochschuldidaktik als eigenes Wis-       TU Dresden trifft), wurde und wird zudem Hilfestellung
               senschaftsgebiet anwendungsorientierte und interdis-        für Nachwuchswissenschaftler_innen und Praktiker_in-
               ziplinäre Forschung, wobei der Blick auf die eigene         nen im Tätigkeitsfeld Hochschuldidaktik gegeben.
               Profession bisher kaum expliziter Bestandteil dieser
               Forschung ist.13 Zugleich können jedoch innerhalb des       Hochschuldidaktik als Element hochschulinterner
               Kreises der Hochschuldidaktiker_innen als einer „Com-       Organisationsentwicklung
               munity of Practice“ Tendenzen der Entwicklung hin zu
               einer dezidierten Profession Hochschuldidaktik ausge-       Eine Reihe weiterer Workshops der Tagung nahm Bezug
               macht werden, die sich im Sinne einer Professionali-        auf Aspekte der Einbindung hochschuldidaktischer Arbeit
               sierungsstrategie in dem Bestreben nach einheitlichen       in die allgemeinen Hochschulstrukturen. Dahinter steht
               Standards und einer gemeinsamen Wissensbasis als            ein Selbstverständnis, nach dem sich Hochschuldidak-
               Zeichen von Professionalität niederschlägt. Zugleich        tik nicht in der Förderung der didaktischen Kompeten-
               wird kritisch betont, dass diese Entwicklung sowohl einer   zen individueller Lehrender erschöpft, sondern darüber
               gezielten Veränderung als auch trennscharfer Strukturen     hinaus die Studienganggestaltung, Strategien der Per-
               bedarf (vgl. ebd.). In eben diesem Sinne bot die DGHD-
                                                                           13 vgl. Urban, Diana und Meister, Dorothee M. (2010): Strategien der
               Jahrestagung sowohl die Möglichkeit der Reflexion des       Professionalisierung in der Hochschuldiaktik. Zeitschrift für Hochschul-
               eigenen professionellen Handelns und einen Überblick        entwicklung Jg. 5, Nr. 4, S. 104-123, S. 110.




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                     9
sonalentwicklung in der Lehre und die Gestaltung von      Hochschuldidaktikerin, ein Mitarbeiter des Rechenzen-
               Lernumgebungen (von der Bibliothek bis zu virtuellen      trums, die Hochschulpräsidentin, ein Studierender etc.
               Lernplattformen) umfasst. Die übergreifende Frage der     Für jede Rolle lag ein „Skript“ vor. Im Verlauf der (fikti-
               in diesem Themenfeld verorteten Veranstaltungen laute-    ven) Sitzung zeigten sich sehr gut die Dynamiken und
               te: Wie kommen die erforderlichen strukturellen Verän-    Herausforderungen, die vor dem Hintergrund vieler, rela-
               derungen zustande, die Voraussetzung für eine bessere     tiv eigenständiger Akteure mit ihren jeweiligen Agenden
               Lehre sind? Oder anders gefragt: Wie implementiert und    entstehen. Diskutiert wurde im Anschluss, ob und wie
               steuert man Wandel in Hochschulen, zu deren Merkma-       sich der Anspruch der Einbeziehung Betroffener (zur Er-
               len eine gewisse Resistenz gegenüber zentralen Steue-     höhung der Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Um-
               rungsversuchen zählt?                                     setzung) und das Erfordernis, bereits im Vorfeld Ziele
                                                                         und alternative Strategien klar zu formulieren, miteinan-
               Diesen Fragestellungen wurde beispielsweise in dem        der ausbalancieren lassen.
               von Susanne Glaeser (FH Köln) konzipierten Planspiel
               Und alle machen mit: Hochschulweites Projektmanage-       Der von Tobias Jenert und Taiga Brahm (beide Univer-
               ment zur Umsetzung eines Leitbilds exzellenter Lehre14    sität St. Gallen) moderierte Workshop Institutionsweite
               nachgegangen. Die Referentin nahm hierbei die Rea-        Hochschulentwicklung zur nachhaltigen Gestaltung von
               lisierung eines (von den entsprechenden Hochschul-        Lehr-/Lernkulturen15 beschäftigte sich mit den Wegen ei-
               gremien bereits verabschiedeten) Leitbildes exzellen-     ner institutionellen Verankerung hochschuldidaktischer
               ter Lehre zum Ausgangspunkt. Die Teilnehmer_innen         Entwicklungsinitiativen und damit mit einer Hochschuldi-
               simulierten die Sitzung eines Lenkungsausschusses,        daktik, die über die direkte Stärkung von Kompetenzen
               der über die Umsetzung des Projekts „Schaffung einer      Lehrender hinaus geht und auch strukturell denkt. Dazu
               Lehr-Lern-Community“ (in Form einer Internet-Plattform)
               beraten sollte. An der Sitzung nahmen verschiedene        14 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/4a_glaeser_leit-
                                                                         bild_exzellente_lehre.pdf
               Gruppenvertreter_innen teil: Dekan_innen unterschied-     15 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/4e_brahm_insti-
               licher Fachrichtungen mit jeweils eigenen Agenden, eine   tutionsweite_hochschulentwicklung_lehrkultur.pdf




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                            10
wurde das Dreieck „Individuelle Kompetenzentwicklung       Problem-based Learning an der FH Wien vor. Das Pro-
               & didaktische Designs“ - „Curriculumsgestaltung auf Pro-   jekt Kompetenzorientierte Studiengangsentwicklung der
               grammebene“ - „Strategieentwicklung auf institutioneller   Leibniz Universität Hannover wurde, mit Blick auf eine
               Ebene“ beleuchtet. Die Referent_innen stellten kurz die    wissenschafts- und bildungstheoretische Kontextualisie-
               damit verbundenen Herausforderungen im Rahmen ihrer        rung, von Rüdiger Rhein18 vorgestellt. Margret Bülow-
               eigenen Erfahrungen an der Universität St. Gallen vor      Schramm und Hilke Rebenstorf präsentierten erste Er-
               und gaben dazu auch einen Einblick in die Arbeitsstruk-    gebnisse des Forschungsprojekts USuS (Untersuchung
               turen und Aktivitäten eines recht erfolgreich wirkenden    zu Studienverläufen und Studienerfolg), das drei große,
               Projekts. Im anschließenden World Café wurden zwei         interagierende Felder betrachtet: die Studienstruktur,
               Fragen diskutiert: Was sind Hinderungs- und Erfolgsfak-    die Studienstrategien der Studierenden sowie das hoch-
               toren für Hochschuldidaktik und welche Kompetenzen         schuldidaktische Design bzw. die zugrunde liegenden
               brauchen Hochschuldidaktiker_innen?                        Lehrkonzepte.19 Der besondere Reiz des Projekts liegt in
                                                                          der direkten Einspeisung von Befragungsergebnissen in
               Im Hinblick auf den Bereich Organisationsentwicklung       die Lehre (in Form von hochschuldidaktischen Interventi-
               sind außerdem Forschungsprojekte erwähnenswert, die        onen) und in dem Versuch der Messung des Impacts die-
               sich mit der Frage Wie kommen neue curriculare Struk-      ser Interventionen durch Befragungen in der Folgerun-
               turen in die Hochschule? beschäftigen und die auf der      de. Forschung ist hier angewandt im direktesten Sinn.
               Tagung vorgestellt wurden. So geht es im Projekt von       Direkt im Anschluss präsentierte Nina Friese ein Beispiel
               Nicole Romana Heigl16 um Möglichkeiten der curricular
               verankerten Förderung von „fächerübergreifenden Pro-       16 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/6_heigl_tho-
                                                                          mas_adaptive_lehre.pdf
               blemlösungskompetenzen“ oder um die Bedeutung von
                                                                          17 http:// www.zhw.uni-hamburg.de/uploads/trautwein_llus-als-refe-
               Lehr-Lern-Überzeugungen und deren Bedeutung da-            renzpunkt.pdf
               für, dass (und wie) „Neues in die Lehre“ kommt (Caro-      18 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/2c_rhein_wis-
                                                                          senschaftstheorie.pdf
               line Trautwein, ProfiLe).17 Dirk Unterschemmann stellte    19 vgl. auch http://www.zhw.uni-hamburg.de/usus/
               sein Konzept zur Implementierung eines Projektes zum       Praesentationen.164.0.html




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                   11
für eine solche hochschuldidaktische Intervention im Be-     pekt Coaching und Beratung entlang einer Hochschul-
               reich der Ingenieurwissenschaften.                           biographie. Neben Fragen zum Rollenverständnis als
                                                                            Lehrende_r, die beim Einstieg in den Hochschulalltag
               Coaching an der Hochschule                                   anders gelagert sind als im Falle mehrjähriger Berufser-
                                                                            fahrung, geht es im Coaching von Hochschullehrenden
               Coaching ist als Instrument der Personalentwicklung in       immer auch um Fragen der Orientierung und Positio-
               der Wirtschaft seit vielen Jahren etabliert und findet nun   nierung im Wissenschafts- und Hochschulsystem. Sind
               auch schrittweise den Weg an die Hochschulen: Es ist         Neuberufene am Anfang ihrer Professur oft damit über-
               zwar noch ein weiter Weg, bis Coaching-Programme             fordert, zu entscheiden, in welchen universitären Gremi-
               für spezielle Zielgruppen - z.B. Doktorand_innen, Neu-       en sie sich engagieren wollen und von welchen Aufga-
               berufene oder Nachwuchswissenschaftler_innen - flä-          ben sie sich eher abgrenzen möchten, stehen etablierte
               chendeckend etabliert sind. Erste, erfolgreiche Schritte,    Professor_innen vor der Frage, inwiefern sie z.B. im
               wie z.B. das Coaching-Angebot des Berliner Zentrums          Rahmen universitärer Selbstverwaltung nicht nur miten-
               für Hochschullehre (BZHL) oder die Segel-Leadership-         tscheiden, sondern auch Strukturen nachhaltig prägen
               Wochenenden für Neuberufene an der Universität Kiel,         und verändern wollen. Individuelle Coaching-Angebote
               sind jedoch bereits gemacht. Gerade Nachwuchswis-            für Hochschullehrende müssen somit nicht nur berück-
               senschaftler_innen und Neuberufene sind mit vielfälti-       sichtigen, auf welcher Stufe der Karriereleiter sich der/
               gen Herausforderungen konfrontiert. Sie müssen sich          die Coachee befindet, sondern sollten immer auch die
               nicht nur auf ihre (neue) Rolle als Lehrende einstellen,     unterschiedlichen Erwartungen im Blick behalten, wel-
               sondern sich auch als Forscher_innen in der scientific       che diese Zielgruppe zu erfüllen hat. Die Anwesenden
               community etablieren und in die Strukturen der univer-       wurden anschließend dazu eingeladen, sich über ihre Er-
               sitären Selbstverwaltung einbringen. Der Workshop von        fahrungen bezüglich der Beratung oder eines Coachings
               Eva-Maria Schumacher (freiberufliche Trainerin und           zu den einzelnen Phasen auszutauschen. Die Fragen,
               Coach) nahm die spezifischen Anliegen von Hochschul-         wann es sich um ein Coaching bzw. eine hochschuldi-
               lehrenden in den Blick und betrachtete sie unter dem As-     daktische Beratung handelt und ob sich beide Forma-




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                       12
te von einer Person durchführen lassen, wurden dabei      wicklung zu unterstützen, dann darf - so das Credo der
               intensiv diskutiert, da Lehrende - wie Erfahrungen der    Referent_innen - die Kategorie Gender nicht ausgeklam-
               Anwesenden zeigten - in einem Coaching oftmals auch       mert werden, da diese unsere Verhaltensweisen wesent-
               Beratung suchen.                                          lich prägt und zu Ungleichbehandlungen führt.

               Gender und Diversity an der Hochschule                    Im Workshop Gender.Macht.Sinn von Susanne Frölich-
                                                                         Steffen21 erhielten die Teilnehmenden einen Einblick
               Interaktionen im beruflichen Umfeld sind durch viele      in Theorie und Praxis der Genderdidaktik. Nach einem
               Faktoren bedingt, nicht zuletzt durch den Umgang mit      Brainstorming und einem Expertinnenvortrag zur Rol-
               und Einsatz von genderbezogenen Zuschreibungen.           le von Genderdidaktik in der Lehre wurden Methoden
               Vielen Menschen ist die Tatsache, dass sie neben vie-     ausprobiert und ausgewählte Praxisbeispiele diskutiert.
               len anderen Rollen auch eine Geschlechterrolle aus-       Aufbauend auf einem konstruktivistischen Differenz-
               füllen und diesbezüglich adressiert werden, meist nicht   konzept22 wurden die Bedeutung der Sozialisation in
               bewusst. Ziel des Workshops von Ulla Weber und Anja       Bildungseinrichtungen für Geschlechtsunterschiede im
               Quindeau20 (Genderzentrum TU München) zum Thema           Verhalten, ihre Wechselwirkung mit der Arbeitsteilung
               Gendersensibles Coaching war es deshalb, Coaches          zwischen den Geschlechtern und die Einflüsse auf das
               und Hochschullehrende für Gender-Aspekte im berufli-      Lernverhalten der Lernenden vorgestellt. Mit dem Bild
               chen Kontext zu sensibilisieren. Gender kann im Coa-      der undichten Leitung („Leaky Pipeline“) wurde der ab-
               ching auf drei Ebenen sichtbar werden: 1. indem der/die   nehmende Frauenanteil in aufeinander aufbauenden
               Coach sein/ihr Gegenüber aus der Gender-Perspektive       Stadien der akademischen Laufbahn veranschaulicht
               wahrnimmt, ohne sich dessen bewusst zu sein, 2. indem     20 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/3b_weber_gen-
               Gender-Themen situativ aufkommen oder 3. indem der/       dersensibles_coaching.pdf
               die Coachee die Kategorie Gender explizit zum Gegen-      21 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/2a_froelich-
                                                                         steffen_gender.macht.sinn.pdf
               stand des Coachings macht. Wenn es im Coaching da-        22 Eagly, Alice H. (1987): Sex differences in social behavior. A social-
               rum geht, Klient_innen bei der persönlichen Weiterent-    role interpretation, Hillsdale et al.: Erlbaum.




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                   13
und diskutiert. Der Auftrag, gleichberechtigte Perspekti-   sumiert. Nicole Auferkorte-Michaelis und Annett Ladwig
               ven zu eröffnen, sollte nicht als Frage des guten Willens   berichteten im Workshop Vielfalt im Gespräch? Zur Im-
               missverstanden werden, sondern ist (mit dem Gender-         plementierung von Diversity-Aspekten in Studium und
               mainstreamingkonzept der EU, dem Grundgesetz und            Lehre24 von der Entwicklung und Implementierung einer
               dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz) explizite          hochschulweiten Diversity-Strategie an der Universität
               normative Verpflichtung der Lehrenden an Hochschu-          Duisburg-Essen (UDE). Die UDE hat Diversity als Zu-
               len als Angestellte im Öffentlichen Dienst. Die Rolle der   kunfts- und Profilthema der Hochschule erkannt und ein
               Hochschule als Sozialisationsinstanz für künftige Leh-      eigenes Prorektorat für Diversity Management einge-
               rer_innen und Funktionsträger_innen ist in diesen Fra-      richtet. 2009 wurde an der UDE der erste Versuch eines
               gen nicht zu unterschätzen. Genderdidaktik kann leis-       Diversity-Monitorings unternommen, demzufolge 70%
               ten, die Wahrnehmung der Lehrenden bezüglich „Doing         der Studierenden erwerbstätig sind (über 20 Stunden
               Gender“ zu schärfen, gendersensible Methoden zu ent-        pro Woche), 25% Migrationserfahrung haben und 50%
               wickeln und Genderkompetenz in der Lehre zu fördern.        ohne akademischen Bildungshintergrund aufgewachsen
               Dabei werden die Lernenden als Individuen wahrgenom-        sind. Bezogen auf Studium und Lehre sind die relevan-
               men. Genderkompetenz ist als Synthese aus Können,           ten Diversity-Aspekte an der UDE Bildungshintergrund,
               Wollen und Grundwissen zu verstehen und schlägt sich        Kultur (womit auch Fach-, Gender- und nationale Kul-
               nieder in der Sprache, der persönlichen Reflexion, den      turen umfasst sind), Gender, Migration, physische und
               Inhalten von Lehrveranstaltungen, ihren Rahmenbedin-        psychische Belastbarkeit. Bezogen auf die Lehre wur-
               gungen sowie den verwendeten Bildern und Methoden.23        den vier Implementationsbereiche identifiziert: Diversity-
                                                                           Aspekte als fächerübergreifende Inhalte, Diversity als
               Gender ist jedoch nicht die einzige Kategorie, die im
               oben beschriebenen Sinn Wirkungsmacht erlangt und           23 Budde, Jürgen/Venth, Angela (2009): Genderkompetenz für le-
               dennoch oft ein blinder Fleck an der Hochschule bleibt.     benslanges Lernen: Bildungsprozesse geschlechterorientiert getalten.
                                                                           Bielefeld: Bertelsmann.
               Unter dem Begriff „Diversity“ werden mehrere Aspekte        24 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/4c_auferkorte-
               der Verschiedenheit Studierender und Lehrender sub-         michaelis_diversity_lehre.pdf




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                14
Gestaltungsprinzip von Strukturen und Organisation des       re aufzuwerten. Hierfür bedarf es geeigneter Veröffent-
               Studiums, Diversity-Aspekte als fachimmanente/fach-          lichungsorgane. Ein Schwerpunkt des Tracks lag in der
               integrierte Inhalte sowie die Entwicklung von Diversity-     Frage, wie man „Lehrkompetenz“ und „Lehrqualität“ ope-
               Kompetenzen der Akteur_innen (in der Hochschuldidak-         rationalisieren und erhöhen kann. Caroline Trautwein und
               tik, aber auch darüber hinaus). In allen Bereichen gibt es   Marianne Merkt (ZHW Uni Hamburg) stellten aufbauend
               Angebote für Studierende und Lehrende, an einem hori-        auf einem Forschungsprojekt zur Wirkung des Master
               zontal und vertikal integrierten Konzept wird gearbeitet.    of Higher Education auf die Lehrkompetenz von Hoch-
               Interessierten seien das Diversity-Portal (http://www.uni-   schullehrenden Leitfragen zur Qualitätseinschätzung
               due.de/diversity/index.shtml     ) und das Gender-Portal     von akademischen Lehrportfolios vor. Elisabeth Wegner
               (http://www.uni-due.de/genderportal/index.shtml      ) der   und Matthias Nückles (Universität Freiburg) präsentier-
               UDE anempfohlen.                                             ten den Umgang mit widersprüchlichen Anforderungen
                                                                            und Dilemmata in der Hochschullehre als Merkmal von
               Qualitätssicherung/Qualitätsmanagement                       Lehrkompetenz. Demnach führt hochschuldidaktische
               hochschuldidaktischer Weiterbildungsangebote                 Weiterbildung zu einem differenzierten Blick auf gute
                                                                            Lehre und ihre Bedingungen, so dass die Lehrenden zu
               Ein weiteres Schwerpunktthema der Tagung war die Qua-        reflektierten didaktischen Entscheidungen befähigt wer-
               litätssicherung hochschuldidaktischer Weiterbildungsan-      den. Hierzu bedarf es der Fähigkeit, Widersprüche zu
               gebote. Hier gab es im Track Impulse für die Qualitäts-      erkennen, didaktische Paradigmen anzuwenden, Metho-
               entwicklung in der hochschuldidaktischen Weiterbildung       den zu kennen und deren Auswahl zu begründen sowie
               eine Fülle von Anregungen und Beispielen guter Praxis.       verschiedene Perspektiven einzunehmen. Hochschuldi-
               Zunächst wurde im Sinne der „Scholarship of Teaching         daktische Weiterbildung ist also weit mehr als ein „Me-
               and Learning“ ein forschender Umgang mit der eigenen         thodenbaukasten“. Im Beitrag von Edith Kröber25 (Uni
               Lehre vorgeschlagen (Ludwig Huber). Neben den direk-         Stuttgart) wurden die Tücken der Messung der Weiter-
               ten Potenzialen für die Verbesserung der Lehre könnten       entwicklung von Lehrkonzeptionen deutlich. Ein Metho-
               auch wissenschaftliche Aufbereitungen von Fragen und         25 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/3e_kroeber_et_
               Erfahrungen aus der eigenen Lehrpraxis helfen, die Leh-      al._evaluation_von_lehrcoaching.pdf




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                             15
denvergleich zwischen Fragebögen und Grid-Interviews         wickelt werden. Diana Urban und Daniel Al-Kabbani (Uni
               legte nahe, dass die soziale Erwünschtheit bestimmter        Paderborn) stellten das Lernportfolio in der hochschul-
               Aussagen zur Lehre die Ergebnisse verfälschen könnte.        didaktischen Weiterbildung als Instrument zur Lehrkom-
               Hier sei weitere Forschung nötig.                            petenzentwicklung und Qualitätssicherung vor. Hierbei
                                                                            werden Lehrende zu reflexivem Lernen angeregt und bei
               Für die Praxis der hochschuldidaktischen Weiterbildung       der retrospektiven Betrachtung ihrer eigenen Lehrkom-
               lässt sich festhalten, dass unterschiedliche Präferen-       petenzentwicklung unterstützt. Matthias Heiner (HDZ TU
               zen der Teilnehmenden berücksichtigt werden sollten          Dortmund) schließlich betonte in seinem Vortrag zu Qua-
               und eine Passung zwischen Dozent_innen und Teilneh-          litätssteuerung als Tuningprozess die Wichtigkeit infor-
               mendenbedürfnissen in der Weiterbildung anzustreben          meller Weiterbildungsmöglichkeiten. Demzufolge könnte
               ist, um nicht eine „Einheitsdidaktik“ zu forcieren. Sabine   die Schaffung von Austauschmöglichkeiten als „weiche“
               Marx und Björn Kiehne (Kompetenzzentrum Hochschul-           Qualitätssteuerungsmaßnahme begriffen werden. Infor-
               didaktik für Niedersachsen, TU Braunschweig) schlu-          melle Lernerfahrungen gelte es angemessen zu würdi-
               gen die Anwendung weiterbildnerischer Methoden vor,          gen und mit denen aus der formalisierten Weiterbildung
               um biographisches Wissen der Teilnehmer_innen an             zu verbinden.
               hochschuldidaktischer Weiterbildung zu aktivieren und
               sie dabei zu unterstützen, ihre eigenen Lernwege zu          Auch beim bundesweiten Netzwerktreffen hochschuldi-
               Lehr-Lernkonzepten zu formen. Christiane Ernst (HDZ          daktischer Einrichtungen wurde über Qualitätssicherung
               TU Dortmund) und Ute Zaepernick-Rothe (TU Braun-             diskutiert. Eine Deklaration zu Bedingungen der Aner-
               schweig) stellten das so genannte „LeWi-Coaching“ als        kennung von Leistungen in der hochschuldidaktischen
               prozessorientierte und semesterbegleitende Lehrbera-         Weiterbildung wurde verabschiedet, die auch das HDS
               tung vor. Mit Hilfe von Lehrhospitationen (teilnehmender     unterstützt.26 Möglichkeiten und Grenzen der Messung
               Beobachtung mit Feedbackgesprächen), Einstellungs-           von Kompetenzentwicklung durch Evaluationsbögen
               messungen der Lehrenden und Studierenden sowie der
               gemeinsamen Entwicklung, Durchführung und Reflexion          26 Siehe https://www.hds.uni-leipzig.de/index.php?id=zertifikat ,
                                                                            direkter Link zur Deklaration als PDF: https://www.hds.uni-leipzig.de/
               von „Mini-Interventionen“ im Sinne neuer Methoden zu         fileadmin/media/Anerkennung_von_Leistungen_-_Konsens_Muen-
               verschiedenen Zeitpunkten sollen Lehrkompetenzen ent-        chen_03-03-2011.pdf




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                    16
wurden anhand von Beispielen aus der TU Dortmund            Accelerated Learning27 vermittelt von Eva-Maria Schu-
               und der Uni Erlangen-Nürnberg diskutiert. Die Quali-        macher, welches Prinzipien für ein erfahrungsreiches
               tätssicherung und -steuerung wird weiter ein Thema des      und „sinnreiches“ Lernen formuliert. Versinnbildlicht wur-
               bundesweiten Austausches hochschuldidaktischer Ein-         den die Prinzipen des Accelerated Learning durch das
               richtungen bleiben.                                         Erlernen des Jonglierens durch die Teilnehmer_innen
                                                                           selbst. Station 2 beschäftigte sich mit Neurodidaktik und
               Seminarmarkt und alternative Lehr-/Lernmethoden             wurde von Ralf Besser durchgeführt. Als Teilnehmer_in
                                                                           konnte man anhand eines Modells in die Funktion eines
               Im Rahmen des Symposiums gab es für die Teilnehmer_         Teils des Gehirns schlüpfen und sich auf diese Weise
               innen zudem Gelegenheit, hochschuldidaktische Trai-         mit der Verarbeitung von Informationen auseinander-
               ner_innen bei einem „Seminarmarkt“ kennenzulernen.          setzen sowie daraus Ableitungen für das Lehren und
               An Ständen konnte man sich mit den Anbieter_innen           Lernen formulieren. Im Mittelpunkt der Station 3 stan-
               über ihre Angebote austauschen. Für die Trainer_innen       den Munterrichtsmethoden, die von Harald Groß28 hu-
               selbst bestand anschließend die Möglichkeit, sich mit       morvoll präsentiert wurden. Neben der Vorstellung von
               Kolleg_innen in einem „Forum des Ideenaustauschs und        Prinzipien für die Wahl von Methoden wurden die Teil-
               der Netzwerkbildung“ zusammen zu finden - eine Ge-          nehmer_innen eingeladen, die verschiedenen Methoden
               legenheit, die viele Trainer_innen in ihrem Alltag sicher   selbst auszuprobieren, um sie für die eigene Lehrpraxis
               nicht oft haben.                                            fruchtbar zu machen. Die drei Workshops waren dabei
                                                                           sowohl für Hochschuldidaktiker_innen von Interesse, die
               Ein kleiner Einblick in die inhaltlichen Schwerpunkte und   Workshops für Lehrende durchführen, als auch für Leh-
               Arbeitsweisen drei dieser Anbieter_innen konnte bei ei-     27 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/1de_schuma-
               nem dreieinhalbstündigen Workshop gewonnen werden.          cher_accelerated%20learning.pdf
               Motto des aus drei Stationen bestehenden Workshops          28 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/1de_gross_mun-
                                                                           terrichtsmethoden_skript.pdf   und
               war das Erleben und Reflektieren von „Alternativen Lehr-    http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/1de_gross_munter-
               und Lernmethoden- und strategien“. Station 1 war das        richtsmethoden_uebersicht.pdf




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                           17
rende, die diese Methoden und Strategien für ihre Lehre               Eagly, Alice H. (1987): Sex differences in social behavior. A social-role
                                                                                     interpretation, Hillsdale et al.: Erlbaum.
               nutzen möchten.
                                                                                     Kallenberg, A.J. (2005): Strategy and Innovation. The Roles of Acade-
                                                                                     mic Middle Managers in Higher Education. Vortrag auf der 27. Jahres-
               Insgesamt zeichnete sich das Münchner Symposium                       tagung der European Association of Institutional Research (EAIR),
               und die DGHD-Tagung durch eine große Vielfalt an Ver-                 28.-31.8.2005 in Riga (unplubliziertes Manuskript). Zitiert nach: Bar-
                                                                                     bara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg (2010):
               anstaltungsformaten, Methoden und Themen aus. Gro-                    Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift für
               ßer Wert wurde dabei auf die Möglichkeiten gelegt, eige-              Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39.
               ne Erfahrungen und Sichtweisen einzubringen und zur                   Kehm, Barbara M., Merkator, Nadine und Schneijderberg, Christian
               Diskussion zu stellen. Darüber hinaus bot das Jahres-                 (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeit-
                                                                                     schrift für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4.
               treffen der hochschuldidaktischen Szene einmal mehr
               ein Forum zur Vernetzung und zum informellen Aus-                     Urban, Diana und Meister, Dorothee M. (2010): Strategien der Profes-
                                                                                     sionalisierung in der Hochschuldiaktik. Zeitschrift für Hochschulent-
               tausch für interessierte Lehrende ebenso wie für die in               wicklung Jg. 5, Nr. 4.
               der hochschuldidaktischen Weiterbildung direkt Tätigen.
                                                                                     Whitchurch, Celia (2008): Shifting Identities and Blurring Boundaries:
               So entstanden viele neue Anregungen für die Arbeit an                 The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Educa-
               der Verbesserung der Hochschullehre im jeweils eige-                  tion. Higher Education Quarterly, Jg. 62, H. 4, S. 377-396, S. 384.
                                                                                     Zitiert nach Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schnei-
               nen Umfeld - Anregungen zum direkten Praxistransfer                   jderberg (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen.
               inbegriffen. 2012 wird die Tagung in Mainz stattfinden;               Zeitschrift für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4.
               ein guter Grund, dieser Stadt dann einen Besuch abzu-                 HDS.Journal No. 1, 2010, https://www.hds.uni-leipzig.de/fileadmin/
               statten.                                                              media/HDSJournal1-2010.pdf

               Literatur                                                             http://www.cvl-a.de/prolehre/

               Bhabha, Homi K. (2007): The Location of Culture. London / NY, Rout-   http://www.dghd.de/
               ledge Classics
                                                                                     https://www.hds.uni-leipzig.de/index.php?id=zertifikat
               Budde, Jürgen/Venth, Angela (2009): Genderkompetenz für lebens-
               langes Lernen: Bildungsprozesse geschlechterorientiert gestalten.     http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku
               Bielefeld: Bertelsmann.




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                               18
Hochschul-
                                                                                                                                        didaktisches
                                                                                                                                        Zentrum
                                                                                                                                        Sachsen


                                                                   Kollegiale Beratung am Berliner Zentrum für
                                                                   Hochschullehre.
                                                                   Ein Erfahrungsbericht



                Dipl.-Psych. Anja Pawelleck ist als wissen-        Der Bologna-Prozess stellt Lehrende nicht nur in fachlicher und
                schaftliche Mitarbeiterin Projektleiterin im       studienorganisatorischer Hinsicht vor große Herausforderungen.
                Zertifikatsprogramm am Berliner Zentrum für        Durch den geforderten Shift from Teaching to Learning stehen sie
                Hochschullehre (BZHL). Als langjährige Bera-       auch unter einem hohen Veränderungsdruck in Bezug auf das ei-
                terin, Trainerin und Coach ist sie zuständig für   gene Rollenverständnis.
                die Entwicklung des Zertifikatsprogramms, die
                Durchführung von Workshops, Kollegialen Be-        Kollegiale Beratung unterstützt Lehrende bei den oben genannten
                ratungen und Didaktischen Beratungen.              Veränderungsprozessen und etabliert sich zunehmend als fes-
                                                                   ter Bestandteil in strukturierten hochschuldidaktischen Weiterbil-
                                                                   dungsangeboten. Der folgende Bericht soll einen Einblick in die
                                                                   Erfahrungen geben, die am Berliner Zentrum für Hochschullehre
                                                                   in den letzten zwei Jahren mit dieser Methode gesammelt wurden.

                                                                   Das Berliner Zentrum für Hochschullehre (BZHL) wurde 2008 aus
                                                                   Mitteln des Masterplans des Berliner Senats gegründet. Es ist
                                                                   für die hochschuldidaktische Qualifizierung von Lehrenden aller
                                                                   13 öffentlichen Berliner Hochschulen zuständig. Darunter fallen
                                                                   alle Statusgruppen wie Professor_innen, Wissenschaftliche Mitar-
                                                                   beiter_innen und Lehrbeauftragte. In Anbindung an die Idee, die
                                                                   Lehre vom Lernen her zu denken, verfolgt das BZHL das Ziel,
                                                                   die Qualität der Lehre durch Professionalisierung der Lehrtätig-




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                       19
keit von angehenden und praktizierenden Hochschulleh-        Methode der Kollegialen Beratung
               renden nachhaltig zu verbessern. Nach dem Start mit
               einer offenen Workshopreihe zu hochschuldidaktischen         „Kollegiale Beratung beschreibt ein Format personeno-
               Themen wurde das Programm schnell um weitere Quali-          rientierter Beratung, bei dem im Gruppenmodus wech-
               fizierungsmaßnahmen wie strukturbildende Maßnahmen           selseitig berufsbezogene Fälle der Teilnehmenden sys-
               an einzelnen Hochschulen und Coachingangebote für            tematisch und ergebnisorientiert reflektiert werden.“
               Professor_innen erweitert.                                   (Tietze 2010, S.24) In der Praxis existieren verschiede-
                                                                            ne Modelle der Kollegialen Beratung. Ihnen allen ist ge-
               Kollegiale Beratung wurde zunächst in einem zweise-          meinsam, dass es sich um eine strukturierte Form der
               mestrigen Pilotprojekt an der HTW Berlin, einer Lehr-        Peerberatung handelt, in der berufsbezogene Fragestel-
               qualifizierung für neuberufene Professor_innen und als       lungen (Fälle) lösungsorientiert reflektiert werden. Das
               Bestandteil einzelner Seminare, so z.B. innerhalb von        Format der Kollegialen Beratung ist durch sechs Merk-
               Workshops zum Konfliktmanagement angeboten. Seit             male charakterisiert:
               dem Start des Zertifikatsprogramms im März 2010 wur-
               de sie fester Bestandteil einer systematischen Qualifizie-     •	   Personenorientierte Beratung
               rungsreihe.                                                    •	   Gruppenmodus
                                                                              •	   Berufsbezogene Fälle
               Mit der Integration der Kollegialen Beratung in das Zer-       •	   Systematik
               tifikatsprogramm folgt das BZHL den Leitlinien zur Mo-         •	   Wechselseitigkeit
               dularisierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer         •	   Ergebnisorientierte Reflexion
               Weiterbildung (AHD 2005) der Deutschen Gesellschaft
               für Hochschuldidaktik (dghd).                                Die Kollegiale Beratung am BZHL ist an das von Tiet-
                                                                            ze (2003) entwickelte Modell angelehnt, findet in Grup-
                                                                            pen von 5-10 Personen statt und folgt einem Zyklus von




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                      20
sechs Phasen:                                                rens und Lernens gelegt. Dies umfasst eine Einführung
                                                                            in sozialpsychologische Theorien und Lerntheorien. Da-
                 •	 Rollenverteilung (Rollen: Moderator_in, Fallerzäh-      rüber hinaus werden den Teilnehmer_innen Instrumen-
                    ler_in, Berater_innen und ggf. Protokollant_in so-      te an die Hand gegeben, wie sie die Stofffülle für ihre
                    wie Beobachter_in)                                      Lehrveranstaltungen durch das Setzen von Lernzielen
                 •	 Spontanerzählung mit anschließenden Verständ-           reduzieren und damit ihre Lehrveranstaltungen besser
                    nisfragen                                               planen können. Hierzu lernen sie Methoden der Stoffre-
                 •	 Klären der Schlüsselfrage                               duzierung und aktivierende Lehrmethoden kennen.
                 •	 Methodenwahl                                            Beginnend nach dem ersten Workshop von Modul I fin-
                 •	 Beratung                                                den drei Termine zur Kollegialen Beratung statt. Darü-
                 •	 Abschluss                                               ber hinaus werden die Teilnehmenden von didaktischen
                                                                            Expert_innen einmal in einer Lehrveranstaltung besucht
               Die Rollen rotieren und werden für jeden Beratungszyk-       (Lehrhospitation) und es findet zum Abschluss eine
               lus neu verteilt. Alle Teilnehmenden beteiligen sich aktiv   strukturierte Selbstreflexion statt.1
               am Geschehen und sind gleichberechtigte Ideengeber_
               innen. Ziel der Kollegialen Beratung ist die Entwicklung     Das erste Modul wurde bewusst so konzipiert, dass die
               von Lösungsvorschlägen und Entscheidungshilfen zu            Teilnehmenden sich dort als Teil einer festen Lerngruppe
               den vorgetragenen Fällen. Die Teilnahme und Mitarbeit        erleben und sie diese Erfahrungen auch auf ihre Arbeit
               ist freiwillig und verbindlich.                              mit den Studierenden übertragen können. Zur Reflexion
                                                                            werden die Teilnehmenden mit Methoden wie Feedback
               Rahmen und Durchführung der Kollegialen Beratung             (Fengler 2004) vertraut gemacht und in die Themen-
                                                                            zentrierte Interaktion (TZI) eingeführt. „Ausführungen
               Die Kollegiale Beratung ist in das erste Modul des Zer-      zu TZI – verstanden als hochschuldidaktisches Prinzip
               tifikatsprogramms integriert. Im ersten Modul werden an      1 Nähere Informationen zum Zertifikatsprogramm finden sie unter
               2 x 2 Workshoptagen zunächst die Grundlagen des Leh-         http://www.bzhl.tu-berlin.de/index.php?id=84




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                  21
– vermitteln Aufschluss darüber, wie selbstverantwortli-     menden die gleiche Verantwortung für den Prozess der
               ches Lernen zustande kommen kann. Ein erster Schritt         Beratung haben, wird im BZHL die erste Sitzung durch
               liegt in der Anbahnung eines persönlichen Bezugs zum         eine_n Experten_in geleitet.2 Gerade Teilnehmende, die
               Thema, das neben kognitiven (auch) emotionale Anteile        bisher keine Erfahrungen mit Formen der Peerberatung
               einschließt. Schon hier wird die persönliche Aktivität des   gemacht haben, wünschen sich eine intensive Einfüh-
               Einzelnen gefordert. Diese Herausforderung kann er je-       rung der Methode und auch eine expertengestützte
               doch nur in einem Klima des Vertrauens annehmen, das         Durchführung. Nachdem beim ersten Termin die Runde
               ihn mit seinen individuellen Einsichten und Bedürfnissen     extern moderiert wurde, übernehmen die Teilnehmenden
               stützt.“ (Mann/Thomas 2004, 259) Da die Teilnehmenden        die Moderation ab dem zweiten Termin selbst. Der/die
               als Studierende häufig selbst Hochschullehrende erlebt       externe Experte_in zieht sich immer mehr aus dem Pro-
               haben, die ausschließlich an der Wissensvermittlung ori-     zess der Beratung zurück und greift nur noch ein, wenn
               entiert waren, verfügen sie teilweise über keine anderen     die Akteure im Prozess in Schwierigkeiten geraten. So
               Vorbilder für die eigene Lehre und haben ein traditionel-    ist es z.B. immer wieder zu beobachten, dass es den
               les Rollenverständnis. Der soziale Lernprozess und die       Moderierenden schwer fällt, in ihrer Rolle zu bleiben und
               aktive Teilnahme an den Workshops sollen sie für ande-       nicht auch Beratende zu werden, oder dass Unsicher-
               re Ebenen des Lehrens und Lernens sensibilisieren. Die       heiten bei der Leitung des Gesamtprozesses entstehen.
               Auseinandersetzung mit dem eigenen Lernprozess mit-          Hier bekommen sie in Form von „Regieanweisungen“
               tels TZI und der damit entstehenden Verbindlichkeit und      Unterstützung durch die/den Experten_in. Es ist festzu-
               Vertraulichkeit innerhalb der Lerngruppe legt somit die      stellen, dass die Teilnehmenden immer stärkere Verant-
               Grundlage für die Kollegiale Beratung, für die Vertrauen
                                                                            2 Tietze (2010) merkt hierzu an, dass die Kollegiale Beratung erst seit
               eine wichtige Voraussetzung ist.                             Mitte der 90er Jahre außerhalb psycho-sozialer Kontexte Verbreitung
                                                                            in der Personal- und Führungskräfteentwicklung fand, so auch bei
               Kollegiale Beratung findet am BZHL im Modul I an drei        Hochschullehrenden. Akteure im psycho-sozialen Kontext würden die
                                                                            Beratungen meist selbst initiieren, wohingegen in anderen Bereichen
               Abendterminen à drei Zeitstunden statt. Während in der       der Anstoß von außen komme. Dies gehe mit der Notwendigkeit ein-
               klassischen Form der Kollegialen Beratung alle Teilneh-      her, die Methode genau einzuführen.




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                    22
wortung für den Prozess übernehmen, sobald sie einmal    schiedlichen Sichtweisen und Erfahrungswelten werden
               die Sinnhaftigkeit des strukturierten Vorgehens erlebt   durch die Teilnehmenden als sehr inspirierend und hilf-
               haben. Gerade beim ersten Termin dauern die Kolle-       reich wahrgenommen, besonders in den Beratungsse-
               gialen Beratungen meist länger als die in der Methode    quenzen.
               vorgesehenen 30-45 Minuten, da nicht nur die Fälle be-
               handelt werden, sondern auch noch Fragen zur Methode     Die Teilnehmer_innen der Kollegialen Beratungsgruppen
               geklärt werden.                                          kennen sich bereits aus mindestens zwei vorangegange-
                                                                        nen Workshoptagen und sind durch Micro-Teaching-Pro-
               Konkrete Phasen der Kollegialen Beratung und Er-         zesse während der Workshops intensiv mit Feedback-
               fahrungen am BZHL                                        und Reflexionsprozessen vertraut.

               Seit 2009 wurden am BZHL über 20 Kollegiale Bera-        Phase 0
               tungsgruppen initiiert. Das Besondere der Gruppen ist    Zu Beginn jeder Kollegialen Beratung gibt es ein Ein-
               die äußerst heterogene Zusammensetzung der Teilneh-      stiegsblitzlicht, in dem die Teilnehmenden Gelegenheit
               menden, da sie nicht nur aus verschiedenen Fachberei-    haben, aktuelle Themen anzusprechen oder den ande-
               chen, sondern auch aus unterschiedlichen Hochschulen     ren mitzuteilen, wie sich ein Fall aus der letzten Kollegi-
               kommen und sich aus allen Statusgruppen zusammen-        alen Beratung ggf. weiterentwickelt hat.
               setzen. Hierbei ist auffällig, dass die Teilnehmenden
               nach den ersten Workshoptagen durchaus äußern, dass      Im Anschluss werden in Murmelgruppen aktuelle Anlie-
               sie zu Beginn der Qualifizierung über die Zusammenset-   gen gesammelt und dann durch Gewichtung entschie-
               zung der Lerngruppe verunsichert waren. Im Prozess-      den, welche Fälle in der Sitzung behandelt werden sol-
               verlauf spielen die hierarchischen Unterschiede durch    len.
               die soziale Interaktion hingegen gar keine Rolle mehr.
               Die durch die Diversität zustande kommenden unter-       Wiederkehrende Themen in der Kollegialen Beratung




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                    23
am BZHL sind z.B.:                                          Beratende und bei Bedarf Protokollant_in) besetzt wer-
                                                                           den. Handelt es sich um eine größere Gruppe, werden
                 •	 das eigene Rollenverständnis in der Lehre,             manchmal noch Beobachtende benannt, die im Sinne
                 •	 Schwierigkeiten bei der Durchführung von Lehrver-      des systemischen Ansatzes die sogenannte „reflektie-
                    anstaltungen,                                          rende Position“ einnehmen und die Aufgabe haben, den
                 •	 der Umgang mit fordernden Studierenden,                Prozess der Beratung von außen zu beobachten (Ander-
                 •	 Studierende, die Beratungsangebote nicht anneh-        sen 1990).
                    men
                 •	 das Bewerten von Klausuren, Präsentationen und         Phase 2 – Die Spontanerzählung
                    Hausarbeiten und                                       Ist entschieden, wer seinen Fall vorstellt, beginnt der/
                 •	 der Widerstand von Studierenden gegenüber Me-          die Fallgeber_in mit der sogenannten Spontanerzählung
                    thoden der aktivierenden Lehre.                        des Falles. Wichtig ist hierbei, dass der Moderierende
                                                                           darauf achtet, dass der/die Fallerzähler_in seinen/ihren
               In den Beratungsgruppen für neuberufene Professor_in-       Fall ohne Unterbrechung vorstellen kann. Verständnis-
               nen stehen zudem Themen wie Schwierigkeiten mit Kol-        fragen sollen erst hinterher gestellt werden.
               leg_innen in den eigenen Fachbereichen, akademische
               Selbstverwaltung und Zeitmanagement im Vordergrund.         Phase 3 – Die Schlüsselfrage
               Von der ersten Sitzung zur zweiten und dritten ist häufig   Sind alle Verständnisfragen nach der Fallerzählung ge-
               nach einer anfänglichen Vorsicht bei der Wahl der Fälle     klärt, geht der Moderierende zur Phase der Schlüsselfra-
               eine schnelle Vertiefung der Themen und auch der Inhal-     ge über. Diese soll erschließen, welches Ziel der/die Fal-
               te der Beratung festzustellen.                              lerzähler_in mit der Beratung verbindet. Das Finden der
                                                                           richtigen Schlüsselfrage ist entscheidend für die Qualität
               Phase 1 – Die Rollenbesetzung                               der Beratung. Gerade in der ersten und zweiten Sitzung
               Durch die Wahl eines Falles steht der/die Fallerzähler_     werden die Teilnehmenden sensibilisiert, präzise Frage-
               in fest und es können die anderen Rollen (Moderation,       stellungen zu finden.




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                      24
Phase 4 – Die Methodenwahl                                ming, Kopfstandbrainstorming und Reflecting Team. Je
               Die Methode, mit der die Beratung durchgeführt wer-       nach Gruppe und Leitung können auch speziellere Me-
               den soll, kann von den Moderierenden, dem/der Faller-     thoden wie z.B. das innere Team oder eine Aufstellung
               zähler_in oder den Beratenden vorgeschlagen werden.       im Raum verwendet werden.
               Hierzu bieten sich eine Reihe von Methoden der Ide-
               en- und Entscheidungsfindung an (Schlee 2008; Tietze      Phase 5 – Der Beratungsprozess
               2003). Beim ersten Treffen wird immer vorab geklärt,      Beim Beratungsprozess setzt Tietze (2003) eine Bera-
               welche Expertise in Bezug auf die Kollegiale Beratung     tungszeit von zehn Minuten an.
               und die entsprechenden Methoden bei den Teilnehmen-       Im BZHL planen wir für die Gruppen etwa die doppelte
               den schon vorhanden ist und genutzt werden kann. Der      Beratungszeit ein, da die Orientierung in dem Format der
               Einsatz der Methoden hängt auch von der Vertrautheit      Kollegialen Beratung anfänglich mehr Zeit in Anspruch
               der Gruppe mit unterschiedlichen Methoden ab. Man-        nimmt.
               che Gruppen konzentrieren sich ausschließlich auf die     Im Beratungsprozess sind die Moderierenden besonders
               inhaltliche Beratung, in anderen, meist geübteren Grup-   gefragt, da die Teilnehmenden, vor allem wenn sie noch
               pen, besteht ein großes Interesse, durch die „richtige“   nicht so vertraut mit der Methode sind, ihren Diskussi-
               (zu einem Fall passende) Methode die Qualität der Be-     onsprozess ungern abbrechen.
               ratung zu steigern.
               Unserer Erfahrung nach ist es entscheidend, nur Metho-    Phase 6 – Der Abschluss
               den zu verwenden, mit denen sich zumindest die jeweils    Zum Abschluss wird der/die Fallerzähler_in noch einmal
               Moderierenden sicher fühlen. Es wird darauf geachtet,     gebeten mitzuteilen, welche Ideen für ihn/sie interessant
               dass die Teilnehmenden mindestens drei verschiedene       und hilfreich waren. Je nach Thema wird die Kollegia-
               Methoden erfahren und anwenden. Auf der Metaebene         le Beratung auch mit einer sogenannten Sharing-Runde
               wird die Erfahrung mit den Methoden zum Schluss jeder     abgeschlossen, in der alle Teilnehmer_innen noch ein-
               Sitzung noch einmal ausgewertet. Typische Methoden,       mal ihre Erfahrungen zu dem Beratungsthema teilen.
               die in der Beratung eingesetzt werden, sind Brainstor-




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Was das Format an Hochschulen leisten kann: Teil-          der Beratung ist, dass gut Lehre ganz unterschiedlich
               nehmer_innen-Stimmen                                       aussehen kann und vor allem authentisch sein sollte.

               Die Teilnehmenden am Zertifikatsprogramm reflektieren      Für viele Lehrende war es auch sehr entlastend zu hö-
               ihren Lernprozess im ersten Modul nach einem struktu-      ren, dass viele ihrer Kolleg_innen mit den gleichen He-
               rierten Leitfaden, in dem auch nach den Erfahrungen in     rausforderungen zu kämpfen haben. Hier wurde gerade
               der Kollegialen Beratung gefragt wird. Uns hat am BZHL     die große Heterogenität der Gruppen gewürdigt:
               interessiert, ob die Methode die Lehrenden unterstützt
               und was für die Lehrenden bei dieser Methode im Vor-       Hier war für mich besonders hilfreich, dass viele Situatio-
               dergrund stand. Im Folgenden werden einige Rückmel-        nen, die ich bei meinen Vorlesungen erlebt habe, fächer-
               dungen aus den anonymisierten Selbstreflexionen der        oder sogar hochschulübergreifend ähnlich gelagert sind
               Teilnehmenden zitiert (BZHL 2011).                         und man nicht „alleine“ mit der Situation ist.

               Zuerst einmal war es die Möglichkeit, überhaupt in einen   Auf der anderen Seite hat man gleichzeitig verstanden,
               fachlichen und überfachlichen Austausch mit anderen        dass auch fachfremde Kollegen unterschiedlichen Alters
               Lehrenden treten zu können und dadurch unterschied-        mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten. Der Erfah-
               liche Sichtweisen auf eine Fragestellung zu bekommen:      rungsaustausch war eine zusätzliche Ideen- und Inspira-
                                                                          tionsquelle.
               In meinem Arbeitsalltag ergibt sich ansonsten nur sehr
               selten die Gelegenheit zum fundierten Austausch mit an-    In Bezug auf die Möglichkeit, die Kollegiale Beratung in
               deren Lehrenden, die Diskussion eigener und fremder        den eigenen Fachbereichen einzuführen, gibt es unter-
               Lehrsituationen gibt mir weitere Sicherheit und Souverä-   schiedliche Stimmen:
               nität in meiner Lehre und in meinem Rollenverständnis
               als Dozentin, durchaus auch durch die deutlich werden-     In Bezug auf meinen Alltag ist diese Form der Kollegia-
               den Differenzen mit Kolleg_innen: Meine erste Lehre aus    len Zusammenarbeit jedoch fraglich. Fachliche Proble-




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                      26
me löse ich auf kürzerem Wege, alle anderen Probleme       Fazit
               sind häufig Probleme mit den anderen Kollegen oder den
               Vorgesetzten.                                              Der Nutzen für den Hochschulkontext scheint also beson-
                                                                          ders der fachliche und überfachliche Austausch zu sein,
               Ich habe bereits angeregt eine Kollegiale Beratung zu-     der zwischen Lehrenden häufig zu kurz kommt. Indem
               mindest auf Assistenten-Ebene an unserem Fachbereich       sichtbar wird, dass Andere mit den gleichen Schwierig-
               einzuführen.                                               keiten zu kämpfen haben wie man selbst, erleben Leh-
                                                                          rende die Kollegiale Beratung als Entlastung. Außerdem
               Zusammenfassend lässt sich sagen, dass viele Teilneh-      ist festzustellen, dass sie zu einer größerer Vernetzung
               mende überrascht waren, wie viele Ideen zu einem be-       der Lehrenden untereinander führt und damit zum Auf-
               stimmten Problem in so kurzer Zeit gesammelt werden        bau einer Unterstützungskultur über die Fachbereiche
               können. Die Fallgeber_innen haben mehrheitlich berich-     und Hochschulen hinweg.
               tet, dass die Sichtweisen der Anderen zur Klärung der
               eigenen Position sehr wertvoll waren. Häufig fiel es den   Da das Format durch die Teilnehmenden so positiv auf-
               Fallgeber_innen schwer, nichts zu der Diskussion bei-      genommen wird, ist geplant, engagierte Lehrende aus
               tragen zu dürfen. Andersherum haben alle Teilnehmen-       dem Zertifikatsprogramm als Multiplikator_innen zu ge-
               den auch mehrheitlich berichtet, wie viel sie selbst aus   winnen: zum einen, um hochschulübergreifende und
               den Fällen der anderen gelernt haben (vgl. Lippmann        fachbezogene Kollegiale Beratungsgruppen zum vertief-
               2009, 18). Hier scheint die Kollegiale Beratung fragmen-   ten Einstieg in fachdidaktische Fragen zu initiieren und
               tarisches und exemplarisches Lernen in starkem Maße        zum anderen, um erworbene Kompetenzen wieder an
               zu ermöglichen (Schmid/Veith/Weidner 2010). Da viele       die Fachbereiche zurückzubringen und ggf. dort eigene
               Teilnehmende, die nicht aus den Sozialwissenschaften       Kollegiale Beratungsgruppen zu initiieren.
               kommen, mit diesen Methoden völlig unvertraut sind,
               wurde die Anwesenheit einer externen Leitung auch im-
               mer sehr wertgeschätzt.




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                    27
Literatur                                                                 Tietze, K.-O. (2010): Wirkprozesse und personenbezogene Wirkun-
                                                                                         gen von Kollegialer Beratung: Theoretische Entwürfe und empirische
               Andersen, T. (1990): Das reflektierende Team. Dialoge und Dialoge         Forschung. Wiesbaden: Vs-Verlag.
               über Dialoge. Dortmund: Modernes Leben.

               Arbeitsgemeinschaft Hochschuldidaktik (2005): Leitlinien zur Modula-
               risierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer Weiterbildung. (Be-
               schluss der Mitgliederversammlung der AHD vom 8.3.2005. Verfügbar
               unter: http://www.dghd.de/akko_download [05.05.2011].

               BZHL (2011): Selbstreflexionen zu Modul I des Zertifikatsprogramms.
               (Unveröffentlichte Dokumente). Berlin

               Fengler, J. (2004): Feedback geben. Strategien und Übungen. Wein-
               heim: Beltz.

               Langmaack, B., Braune-Krickau, M. (1995): Wie die Gruppe laufen
               lernt. Weinheim: Beltz.

               Lippmann, E. (2009) Intervision. Kollegiales Coaching professionell
               gestalten. Berlin: Springer.

               Mann, R., Thomas, K. (2004): TZI an der Hochschule. Gegen die aka-
               demische Trockenheit. In: Langmaack, B.: Einführung in die Themen-
               zentrierte Interaktion (S. 258-263). Weinheim: Beltz.

               Schlee, J. (2008): Kollegiale Beratung und Supervision für pädagogi-
               sche Berufe. Stuttgart: Kohlhammer.

               Schmid, B., Veith, T., Weidner, I. (2010): Einführung in die Kollegiale
               Beratung. Heidelberg: Carl-Auer.

               Schulz von Thun, F., Tietze, K.-O. (2003): Kollegiale Beratung: Pro-
               blemlösungen gemeinsam entwickeln. Miteinander reden. Reinbek:
               Rororo.




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                             28
Hochschul-
                                                                                                                                         didaktisches
                                                                                                                                         Zentrum
                                                                                                                                         Sachsen




                                                                    Das Lehrportfolio
                                                                    Ein Instrument zur Qualitätssicherung und
                                                                    -entwicklung in der Hochschullehre

                Jan Fendler, M.A. ist Projektkoordinator des        Abstract
                hochschuldidaktischen        Universitätsprojekts
                LehreLernen an der Friedrich-Schiller-Univer-       Das Qualitätsmanagement in der Lehre wird an europäischen
                sität Jena. Hier ist er für die hochschuldidakti-
                                                                    Hochschulen immer wichtiger. Hierzu werden Verfahren und Inst-
                sche Aus- und Weiterbildung von erfahrenden
                Lehrenden mit Lehrportfolios und Videoauf-          rumente eingesetzt, mit denen sich Lehrleistungen beurteilen und
                zeichnungen verantwortlich. Sein Forschungs-        vergleichen lassen. Individuelle pädagogische Leistungen können
                schwerpunkt ist das Lehrportfolio als Weiter-       mit ihnen jedoch nur begrenzt erfasst werden. Zugleich bieten sie
                bildungsinstrument und dessen Potential im          nur wenige Möglichkeiten zur Qualitätsentwicklung. Eine Alterna-
                Hochschulkontext                                    tive stellt das Lehrportfolio dar. Es wird zunehmend in Berufungs-
                Prof. Dr. Michaela Gläser-Zikuda ist Pro-           verfahren und hochschuldidaktischen Weiterbildungen eingesetzt.
                jektleiterin des hochschuldidaktischen Uni-         Lehrende stellen mit seiner Hilfe ihre Lehrkompetenz unter Be-
                versitätsprojekts LehreLernen, seit 2008
                                                                    weis, und können gleichzeitig systematisch an dieser arbeiten.
                Lehrstuhlinhaberin für Schulpädagogik und
                Didaktik sowie derzeit Direktorin des Instituts     Dennoch ist vielen Lehrenden das Lehrportfolio unbekannt. Der
                für Erziehungswissenschaft an der Friedrich-        vorliegende Artikel kann als Hilfestellung zur Reflexion der eige-
                Schiller-Universität Jena. Ihre Arbeits- und        nen Lehrkompetenz verstanden werden, wobei Leitfragen bei der
                Forschungsschwerpunkte sind Schul- und              Erstellung eines eigenen Lehrportfolios als Unterstützung dienen.
                Unterrichtsforschung, Lehrerbildung, Qualita-       Zugleich können diese Leitfragen auch zur Beurteilung von Lehr-
                tive Forschungsmethoden sowie Hochschul-            portfolios herangezogen werden, um die Qualitätssicherung in
                forschung. Sie beschäftigt sich insbesondere
                                                                    Berufungen zu fördern. Ziel des Artikels ist es, einen praxisnahen
                mit Portfolios und Lerntagebüchern im schu-
                lischen Bereich, in letzter Zeit auch im Hoch-      Beitrag zur Evaluation und Förderung der individuellen pädago-
                schulkontext.                                       gischen Qualität durch Lehrportfolios beizusteuern, die sich an




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                       29
den Bedürfnissen von Autor_innen und Leser_innen von        haltet Aussagen zur Qualität sowie Quantität der Lehre
               Lehrportfolios orientieren.                                 und spiegelt den Lehrprozess des Autors wider. Darüber
                                                                           hinaus wird durch die Einbindung von Selbstreflexionen
               Was ist ein Lehrportfolio?                                  eigener Lehrhandlungen der Lernprozess veranschau-
                                                                           licht und in einem Zusammenhang zur Lehr-Lernkultur
               Das Portfolio stammt ursprünglich aus dem Bereich der       gestellt, ähnlich den schulischen Lernportfolios (Gläser-
               „schönen Künste“. Dort dient es mit seinem repräsenta-      Zikuda & Hascher 2007).
               tiven Charakter Künstler_innen und Architekt_innen zur
               Präsentation ausgewählter Leistungen. Mit Beginn der        Wozu kann es dienen?
               1980er Jahre wurde das Portfolio zur Präsentation von
               Leistungen und Fähigkeiten auch im amerikanischen           Seit den hochschulpolitischen Reformen gewinnt die
               Bildungswesen eingeführt. Hierbei erweiterte sich seine     Lehrqualifikation in Berufungen und Beförderungen an
               Funktion um das Lernen in gemeinschaftlicher Verant-        Gewicht und führt zur Etablierung verschiedener Qualifi-
               wortung von Lernenden und Lehrenden (Häcker 2005).          zierungsangebote und Qualitätssicherungsinstrumente.
               Ausgewählte Leistungen wurden um Elemente der               Am bekanntesten sind hierbei Studierendenrückmeldun-
               Selbstreflexion ergänzt (Gläser-Zikuda & Hascher 2007).     gen und Lehrbeobachtungen als Fremdevaluationen.
               Erst zu Beginn der 1990er Jahre fand das Portfolio auch     Eine Alternative zu klassischen Fremdevaluationen stellt
               Einzug in die deutsche Hochschullehre. In Form eines        das Lehrportfolio dar. Es gilt sowohl als Lern- wie auch
               Lehrportfolios wurde es zugleich als Beurteilungs- (Sel-    Beurteilungsinstrument. Seine Schwierigkeit liegt aber
               din 1997) und Lerninstrument (Auferkorte-Michaelis &        in der Konfundierung dieser diametralen Funktionen.
               Szczyrba 2004) genutzt. Das Lehrportfolio ist hierbei ein   Der zentrale Gedanke ist, dass Lehren und Lernen auch
               strukturierter Nachweis des eigenen Lehrens und Ler-        durch Probleme und deren Lösungen gekennzeichnet
               nens, das durch eine reflektierte Auswahl an Dokumen-       sind (Thorndike 1930). Zugleich soll das Lehrportfolio
               ten von verschiedenen am Lehr-Lernprozess beteiligten       aber als gradliniges, fehlerloses und bestmögliches Er-
               Personen gekennzeichnet ist (von Queis 1994). Es bein-      gebnisprodukt zur Beurteilung bereitstehen. 1) In seiner




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                     30
üblichen Funktion gilt daher das Lehrportfolio als sum-      Kooperationen zur Lehre angesprochen (Behrens 1997;
               matives Beurteilungsinstrument, das eine Sammlung            Jungen 2001). Das Lehrportfolio dient hier zur gemein-
               selbsteruierter Lehrinformationen und studentischen          samen Erarbeitung von Inhalten. Es führt zu einem ho-
               Evaluationen als selbstinitiierte Analyse beinhaltet (von    hen Öffentlichkeitsgrad und einer Vernetzung von Wis-
               Queis 1994). Lehrende machen in dieser Sammlung ihre         sen aus verschiedenen Fachkulturen (vgl. Abbildung 1).
               Vorstellungen von Lehre, verwendeten Lehrmethoden
               und angestrebten Lehrzielen (hidden curriculum) trans-
                                                                            Abbildung 1: Ziele von Lehrportfolios
               parent und ergänzen eigenverantwortlich die klassische
               Fremdevaluation. Diese selbstverortete Evaluation stellt
               die Basis für ein zweites Ziel dar. 2) Die Arbeit am Lehr-
               portfolio zum selbstgesteuerten reflektierten Lernen.
               Das Lehrportfolio gilt in diesem Zusammenhang als pro-
               zesssteuerndes Lernwerkzeug für die Lehre (Szczyrba
               2008a). Es führt zur intensiven Auseinandersetzung mit                                                            Lehren 




                                                                                Lehrkompetenz  
               den inhaltlichen Konzepten des täglichen Handlungs-
               feldes und übergibt die Verantwortung zur Elaboration
                                                                                                                      4el5stevalua)on                           Reflexiv 

               und Reflexion des Lernprozesses dem Autor (Murphy &
                                                                                                           Beurteilen  
               Smith 1992). 3) Aber auch die Lehre mit dem Lehrportfo-                                                                                Lernen 
               lio kann als Ziel verstanden werden. Lehrende unterrich-
               ten auf der Grundlage ihrer zusammengestellten und se-                             Außendarstellung                       !oopera)v 

               lektierten Materialien (Häcker 2005). Abschließend kann
                                                                                                              !ommunika)on und !oopera)on 
               aus diesen drei genannten Zielen (Beurteilen, Lernen
               und Lehren) auch ein viertes Ziel eruiert werden – die
               Kommunikation. 4) Sie wird vor allem in der schweize-
               rischen Lehrerbildungsforschung bei der Förderung von




Perspektiven   HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre                                                                                                          31
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Hd sjournal 20111

  • 1. Hochschul- didaktisches Zentrum Sachsen HDS Journal 1 | 2011 Perspektiven Guter Lehre
  • 2. Hochschul- didaktisches Zentrum Sachsen Inhalt Editorial 3 Lehre in Sachsen Das ViP-Projekt: Videovorlesungen an der Perspektiven Universität Leipzig Dr. Michael Gerth 59 Zwischen den Stühlen ist Bewegung. Elena Buck, Anne Dölemeyer, Benjamin Engbrocks, Kathrin Franke und Beatrice Müller 6 Literaturhinweis: Educasting Isabel Zorn, Andreas Auwärter, Marc Krüger und Heike Seehagen-Marx 64 Kollegiale Beratung am Berliner Zentrum für Hochschullehre. Dipl.-Psych. Anja Pawelleck 19 Evaluation der HDS-Pilotphase im WS 2010/11 66 Das Lehrportfolio. Jan Fendler und Prof. Dr. Michaela Gläser-Zikuda 29 Service Erfahrungsbericht zum Verfassen eines Rezensionen Lehrportfolios. Constanze Janda 43 Professionell lehren und lernen. Ein Praxisbuch. Beatrice Müller 71 Hochschuldidaktische Weiterbildung als fachüber- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien greifender Dialog an der Universität Lettlands Benjamin Engbrocks 73 Sanita Baranova 48 HDS.Jahrestagung 2011 Inter::Disziplinäre Perspektiven guter Lehre Tagungsprogramm 77 Veranstaltungshinweise / Ausschreibungen 78 Impressum 81 HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 2
  • 3. Hochschul- didaktisches Zentrum Sachsen Editorial Liebe Leser_innen, wir freuen uns, Ihnen die dritte Ausgabe des HDS.Journals zu Perspektiven guter Lehre in Sachsen und andernorts präsentie- ren zu können. Seit dem Erscheinen des letzten Heftes hat sich im HDS viel getan: Im April 2011 beschlossen die Leitungen von dreizehn sächsi- schen Hochschulen, das HDS als gemeinsame zentrale Ein- richtung zu betreiben und finanziell zu unterstützen. Das hat entsprechend positive Folgen für die Weiterbildungs- und Unter- stützungsangebote, die wir Lehrenden im Freistaat Sachsen ma- chen können. Die Angebote der sächsischen Hochschulen und HDS-Geschäftsstelle haben sich gegenüber dem vergangenen Jahr deutlich erweitert: Es finden mehr Weiterbildungsseminare an mehr Hochschulstandorten statt, die ein breiteres inhaltliches Spektrum abdecken. Darüber hinaus können Interessierte ab WS 2011/12 am strukturierten Programm zum Erwerb des sächsi- schen Hochschuldidaktik-Zertifikats teilnehmen, das sich an inter- Editorial HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 3
  • 4. nationalen und deutschlandweiten Standards orientiert. Neu in diesem Jahr ist der HDS.Dialog , ein Format Ausführliche Informationen zum hochschuldidaktischen aus Ringvorlesung und Diskussion, das mit wechseln- Zertifikatsprogramm finden Sie auf unserem Portal. den Themenschwerpunkten jedes Jahr wiederholt wer- den soll. Dieses Jahr haben wir, vorbereitend auf die Und dies sind einige weitere Angebote, die wir in diesem Jahrestagung, mit insgesamt drei Abendveranstaltungen Jahr für Sie vorbereitet haben: zu fachbezogenen Themen begonnen. Das HDS hilft beim Aufbau von Praxisteams, in denen Gern stehen wir Ihnen für Ihre Anregungen und Fragen sich Hochschullehrende nach dem Prinzip der Kollegia- zu den Angeboten des HDS zur Verfügung. len Beratung austauschen und gegenseitig unterstützen. Erste Gruppen haben sich bereits gebildet. Bei Interes- Zum Inhalt des aktuellen HDS.Journals: se bieten wir auf Anfrage Einführungsworkshops für sächsische Hochschullehrende an. Im vorliegenden Heft halten wir in eigener Sache Rück- schau auf unsere Pilotphase, im Rahmen derer wir das Am 4. November 2011 findet in Kooperation mit erste sachsenweite hochschuldidaktische Kurspro- dem Zentrum für Weiterbildung der TU Dresden die gramm organisiert und das Format der Kollegialen Bera- zweite HDS.Jahrestagung in Dresden statt. Die tung erprobt haben (S. 66). diesjährige Jahrestagung steht unter dem Motto Inter::Disziplinäre Perspektiven guter Lehre. Die Ta- Anja Pawelleck schildert die Erfahrungen mit Kollegialer gung ist vor allem eine Plattform des Austauschs über Beratung, die am Berliner Zentrum für Hochschullehre Beispiele guter Lehre an sächsischen Hochschulen und (BZHL) in den letzten Jahren gemacht wurden (S. 19). zur Diskussion neuer Entwicklungen in der Lehre mit ex- ternen Expert_innen. In diesem Jahr steht sie ganz im Jan Fendler (FSU Jena) führt in die Erstellung eines Zeichen von fachspezifischen und interdisziplinären As- Lehrportfolios ein, das der konstanten Selbstreflexion pekten der Hochschullehre. der eigenen Lehrpraxis dient und individuelle Entwick- Editorial HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 4
  • 5. lungsschritte über einen längeren Zeitraum dokumentiert lerntheoretischer Sicht fundiert und anhand von didakti- (S. 29). Ergänzt wird die Einführung durch einen Erfah- schen Praxisbeispielen veranschaulicht wird (S. 64). rungsbericht von Constanze Janda (FSU Jena), die das Format Lehrportfolio erfolgreich nutzt (S. 43). Im Rahmen eines internationalen Symposiums – organi- siert von ProLehre, der hochschuldidaktischen Einrich- Im März 2011 war eine Delegation der Lettischen Uni- tung der TU München – fand in der ersten Märzwoche versität Riga in Leipzig zu Gast und nahm an einem dieses Jahres die 40. Jahrestagung der Deutschen Ge- Workshop im HDS teil, in dem es um einen Erfahrungs- sellschaft für Hochschuldidaktik (DGHD) statt. Das HDS austausch zum Aufbau hochschuldidaktischer Weiter- hat hierzu einen Tagungsbericht verfasst, der die aus bildungsangebote ging. Sanita Baranova geht in ihrem unserer Sicht wichtigsten Inhalte zusammenfasst (S. 6). Artikel ausführlich auf die Konzeption und Umsetzung hochschuldidaktischer Programme an der Lettischen Abgerundet wird das aktuelle HDS.Journal wie gewohnt Universität ein und fasst darüber hinaus die Ergebnisse durch zwei Rezensionen (S. 71) und einem Serviceteil der diesbezüglichen Begleitforschung zur Qualitätssi- zu aktuellen Tagungen und Ausschreibungen (S. 78). cherung und weitergehenden Bedarfserhebung zusam- men (S. 48). Wir wünschen eine interessante und informative Lektüre! Michael Gerth (E-Learning Service Universität Leipzig) Ihr HDS-Team gibt einen Einblick in die Möglichkeiten des Einsatzes von E-Vorlesungen (S. 59). Sein Beitrag wird ergänzt durch den Verweis auf einen Artikel von Isabel Zorn, Andreas Auwärter, Marc Krüger und Heike Seehagen- Marx aus dem Online-Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien (Hg. von M. Ebner und S. Schön), in dem der Einsatz von Podcasts in Bildungskontexten aus Editorial HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 5
  • 6. Hochschul- didaktisches Zentrum Sachsen Zwischen den Stühlen ist Bewegung. Eindrücke vom Internationalen Symposium und der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hoch- schuldidaktik (DGHD) im März 2011 in München. Elena Buck, Im Rahmen eines internationalen Symposiums - organisiert von Anne Dölemeyer, ProLehre1 (der hochschuldidaktischen Einrichtung der TU Mün- Benjamin Engbrocks, chen) - fand in der ersten Märzwoche dieses Jahres die 40. Kathrin Franke und Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidak- Beatrice Müller tik (DGHD)2 statt. Runde Jubiläen laden bekanntlich dazu ein, Rückschau zu halten - die Entstehung der Hochschuldidaktik im Kontext der Hochschulreformbestrebungen der 1960er und 70er Jahre bietet hier eine Fülle von Ansatzpunkten, Projektionen und Anekdoten. An dieser Stelle sei nur angemerkt, dass die Hoch- schuldidaktik in ihrer noch kurzen Geschichte vor allem im Span- nungsfeld Hochschulpolitik, Verwaltung und Wissenschaft geprägt wurde und wird.3 Während die wechselnden Konjunkturen der Hochschulpolitik als externer Faktor den fallenden oder (seit der Bologna-Reform) wieder steigenden Bedarf an hochschuldidakti- schen Weiterbildungsangeboten (mit-)bestimmen, sind es vor al- lem Verwaltung und Wissenschaft, welche die (Selbst-)Verortung von Hochschuldidaktiker_innen prägen. Im Folgenden werfen wir 1 http://www.cvl-a.de/prolehre/ 2 http://www.dghd.de/ 3 für einen kurzen Überblick: vgl. HDS.Journal No. 1, 2010, https://www.hds.uni- leipzig.de/fileadmin/media/HDSJournal1-2010.pdf Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 6
  • 7. einige Schlaglichter auf zentrale Themenbereiche, die Formen des ,dritten Raums‘ ergeben werden“ (vgl. ebd.). im Rahmen des internationalen Symposiums und der Professionelles Handeln im Arbeitsbereich Hochschul- DGHD-Jahrestagung verhandelt wurden. didaktik spielt sich in einem Raum ab, der durch den Balanceakt zwischen Tätigkeiten geprägt ist, die auf Hochschuldidaktik als „dritter Raum“ im akademi- die „organisatorischen und/oder sozialen Bedingungs- schen Betrieb rahmen“ Lehrender ausgerichtet sind und solchen, die sich am „Individuum und individuellen Fällen und/oder Mit einem Blick über den Tellerrand stellte Angelika Bedürfnissen“ orientieren.7 Zugleich wird das Zusam- Thielsch in ihrem Workshop4 die Hochschuldidaktik als menspiel von hochschulpolitischen Entwicklungen mit „dritten Raum“ vor. Das kulturwissenschaftliche Kon- dem Verantwortungsbereich hochschuldidaktischer Ein- zept des „Third Space“5 - in dem (post-koloniale) Iden- richtungen, Initiativen und Maßnahmen durch ein Span- titätsstiftung im Zusammenspiel zwischen bzw. in der nungsfeld aus Innovation, Entwicklung, Eigeninitiative Schnittmenge verschiedener kultureller Sphären veror- und konkreten Serviceleistungen als unterstützende tet wird - führte die britische Hochschulforscherin Ce- Dienstleistungsstruktur für Hochschullehrende aufrecht- lia Whitchurch in die Hochschulforschung ein. Es diene der Beschreibung neu entstehender Aufgabenfelder im 4 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/2e_thielsch_drit- akademischen Betrieb, die sie als ein „emergentes Ter- ter_raum.pdf 5 Bhabha, Homi K. (2007): The Location of Culture. London / NY, Rout- ritorium zwischen dem wissenschaftlichen und dem pro- ledge Classics fessionellen Bereich“6 charakterisiert. Whitechurch geht 6 Whitchurch, Celia (2008): Shifting Identities and Blurring Boundaries: davon aus, dass „Tätigkeiten in diesem ,dritten Raum‘ The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Education. Higher Education Quarterly, Jg. 62, H. 4, S. 377-396, S. 384. Zitiert indikativ für künftige Trends bei der Herausbildung pro- nach Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg fessioneller Identitäten sind und sich diese Tätigkeiten (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift zunehmend mit Aufgaben von Wissenschaftler_innen für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 29. 7 Urban, Diana und Meister, Dorothee M. (2010): Strategien der Pro- vermischen, die projekt- und managementbezogene fessionalisierung in der Hochschuldiaktik. Zeitschrift für Hochschulent- Rollen übernehmen, so dass sich wahrscheinlich neue wicklung Jg. 5, Nr. 4, S. 104-123, S. 108. Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 7
  • 8. erhalten (vgl. ebd.). Arbeitssituation und Selbstverständ- Raum‘, in dem man sich „eher auf symbolisches Kapi- nis der in diesem Bereich arbeitenden Personen sind tal und persönliche Netzwerke verlassen“11 muss, wird ebenso diffus wie der Raum selbst. Befragt man die im selber zur Ressource, mit der gearbeitet werden kann. „dritten Raum“ Tätigen, so kennzeichnen sie sich selbst Während „die neuen Hochschulprofessionellen in be- eher „als DienstleisterInnen und weniger als Verursacher merkenswertem Maße gestaltend wirken, eignet sich die neuer Pflichten und Kontrollen [...], als Hochschulprofes- Betonung der zuarbeitenden Rolle dazu, Auseinander- sionelle und Experten, teilweise als Generalisten, aber setzungen über potentielle Rollenüberschneidungen und kaum noch als Wissenschaftler“ und beschreiben, „dass -konflikte in Grenzen zu halten und Kooperationsbereit- sie an Schnittstellen arbeiten, multifunktional tätig sind, 8 Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg neue Tätigkeitsfelder gestalten, Troubleshooter sind und (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift oft dort einspringen, wo unmittelbarer Bedarf entsteht“.8 für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 34. Diese Tätigkeiten sind irgendwo „zwischen Strategie 9 Kallenberg, A.J. (2005): Strategy and Innovation. The Roles of Aca- demic Middle Managers in Higher Education. Vortrag auf der 27. Jah- und Innovation“9 verortet: Hochschulprofessionelle „er- restagung der European Association of Institutional Research (EAIR), kennen (funktionale und/oder organisationale) Grenzen, 28.-31.8.2005 in Riga (unplubliziertes Manuskript). Zitiert nach: Bar- nutzen diese aber aktiv, um strategische Vorteile zu er- bara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift für zielen und institutionelle Kapazitäten aufzubauen, indem Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 35. sie aus ihrem Wissen um beide Seiten der Grenzen, mit 10 Whitchurch, Celia (2008): Schifting Identities and Blurring Boundari- es: The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Educa- denen sie zu tun haben, Kapital schlagen“. Sie zeigen tion. Higher Education Quarterly, Jg. 62, H. 4, S. 377-396, S. 382-384. dabei „eine Missachtung von Grenzen, oder von Regeln Zitiert nach Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schnei- und Ressourcen, (...) und bearbeiten die breit gefassten jderberg (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 29. Projekte, mit denen sie befasst sind, mit einem explora- 11 Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg tiven und ergebnisoffenen Ansatz“.10 Im Zusammenwir- (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift ken von entgrenztem Tätigkeitsfeld und unklarer Rollen- für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 25. 12 Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg zuschreibung wird beides nicht als defizitär verstanden, (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift sondern als Quelle neuer Möglichkeiten. Der ,dritte für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 24f. Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 8
  • 9. schaft auf Seiten von Hochschullehrenden zu fördern.“12 über die bestehenden Strukturen und Perspektiven un- Plastisch anschaulich wird dieses Spannungsfeld, wenn terstützender Serviceangebote als auch einen Einblick in man das Selbstverständnis hochschuldidaktischer Ein- die Entwicklungslinien und Aussichten hochschuldidakti- richtungen betrachtet, welche sich als Forschungs- und/ scher Forschung, um so die Grundlagen für eine gemein- oder als Serviceeinrichtung betrachten (und positionie- same Wissensbasis zu schaffen. In einem eigenen Track ren). Diese Selbstzuschreibung ist nicht ausschließlich, für Newcomer in der Hochschuldidaktik sowie durch das d.h. kein Entweder-Oder sondern ein Sowohl-als-auch, Promovierenden-Netzwerk der DGHD (welches sich das sie ist beides bzw. liegt dazwischen im ,dritten Raum‘. nächste Mal im Rahmen der HDS.Jahrestagung an der Dabei betreibt die Hochschuldidaktik als eigenes Wis- TU Dresden trifft), wurde und wird zudem Hilfestellung senschaftsgebiet anwendungsorientierte und interdis- für Nachwuchswissenschaftler_innen und Praktiker_in- ziplinäre Forschung, wobei der Blick auf die eigene nen im Tätigkeitsfeld Hochschuldidaktik gegeben. Profession bisher kaum expliziter Bestandteil dieser Forschung ist.13 Zugleich können jedoch innerhalb des Hochschuldidaktik als Element hochschulinterner Kreises der Hochschuldidaktiker_innen als einer „Com- Organisationsentwicklung munity of Practice“ Tendenzen der Entwicklung hin zu einer dezidierten Profession Hochschuldidaktik ausge- Eine Reihe weiterer Workshops der Tagung nahm Bezug macht werden, die sich im Sinne einer Professionali- auf Aspekte der Einbindung hochschuldidaktischer Arbeit sierungsstrategie in dem Bestreben nach einheitlichen in die allgemeinen Hochschulstrukturen. Dahinter steht Standards und einer gemeinsamen Wissensbasis als ein Selbstverständnis, nach dem sich Hochschuldidak- Zeichen von Professionalität niederschlägt. Zugleich tik nicht in der Förderung der didaktischen Kompeten- wird kritisch betont, dass diese Entwicklung sowohl einer zen individueller Lehrender erschöpft, sondern darüber gezielten Veränderung als auch trennscharfer Strukturen hinaus die Studienganggestaltung, Strategien der Per- bedarf (vgl. ebd.). In eben diesem Sinne bot die DGHD- 13 vgl. Urban, Diana und Meister, Dorothee M. (2010): Strategien der Jahrestagung sowohl die Möglichkeit der Reflexion des Professionalisierung in der Hochschuldiaktik. Zeitschrift für Hochschul- eigenen professionellen Handelns und einen Überblick entwicklung Jg. 5, Nr. 4, S. 104-123, S. 110. Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 9
  • 10. sonalentwicklung in der Lehre und die Gestaltung von Hochschuldidaktikerin, ein Mitarbeiter des Rechenzen- Lernumgebungen (von der Bibliothek bis zu virtuellen trums, die Hochschulpräsidentin, ein Studierender etc. Lernplattformen) umfasst. Die übergreifende Frage der Für jede Rolle lag ein „Skript“ vor. Im Verlauf der (fikti- in diesem Themenfeld verorteten Veranstaltungen laute- ven) Sitzung zeigten sich sehr gut die Dynamiken und te: Wie kommen die erforderlichen strukturellen Verän- Herausforderungen, die vor dem Hintergrund vieler, rela- derungen zustande, die Voraussetzung für eine bessere tiv eigenständiger Akteure mit ihren jeweiligen Agenden Lehre sind? Oder anders gefragt: Wie implementiert und entstehen. Diskutiert wurde im Anschluss, ob und wie steuert man Wandel in Hochschulen, zu deren Merkma- sich der Anspruch der Einbeziehung Betroffener (zur Er- len eine gewisse Resistenz gegenüber zentralen Steue- höhung der Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Um- rungsversuchen zählt? setzung) und das Erfordernis, bereits im Vorfeld Ziele und alternative Strategien klar zu formulieren, miteinan- Diesen Fragestellungen wurde beispielsweise in dem der ausbalancieren lassen. von Susanne Glaeser (FH Köln) konzipierten Planspiel Und alle machen mit: Hochschulweites Projektmanage- Der von Tobias Jenert und Taiga Brahm (beide Univer- ment zur Umsetzung eines Leitbilds exzellenter Lehre14 sität St. Gallen) moderierte Workshop Institutionsweite nachgegangen. Die Referentin nahm hierbei die Rea- Hochschulentwicklung zur nachhaltigen Gestaltung von lisierung eines (von den entsprechenden Hochschul- Lehr-/Lernkulturen15 beschäftigte sich mit den Wegen ei- gremien bereits verabschiedeten) Leitbildes exzellen- ner institutionellen Verankerung hochschuldidaktischer ter Lehre zum Ausgangspunkt. Die Teilnehmer_innen Entwicklungsinitiativen und damit mit einer Hochschuldi- simulierten die Sitzung eines Lenkungsausschusses, daktik, die über die direkte Stärkung von Kompetenzen der über die Umsetzung des Projekts „Schaffung einer Lehrender hinaus geht und auch strukturell denkt. Dazu Lehr-Lern-Community“ (in Form einer Internet-Plattform) beraten sollte. An der Sitzung nahmen verschiedene 14 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/4a_glaeser_leit- bild_exzellente_lehre.pdf Gruppenvertreter_innen teil: Dekan_innen unterschied- 15 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/4e_brahm_insti- licher Fachrichtungen mit jeweils eigenen Agenden, eine tutionsweite_hochschulentwicklung_lehrkultur.pdf Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 10
  • 11. wurde das Dreieck „Individuelle Kompetenzentwicklung Problem-based Learning an der FH Wien vor. Das Pro- & didaktische Designs“ - „Curriculumsgestaltung auf Pro- jekt Kompetenzorientierte Studiengangsentwicklung der grammebene“ - „Strategieentwicklung auf institutioneller Leibniz Universität Hannover wurde, mit Blick auf eine Ebene“ beleuchtet. Die Referent_innen stellten kurz die wissenschafts- und bildungstheoretische Kontextualisie- damit verbundenen Herausforderungen im Rahmen ihrer rung, von Rüdiger Rhein18 vorgestellt. Margret Bülow- eigenen Erfahrungen an der Universität St. Gallen vor Schramm und Hilke Rebenstorf präsentierten erste Er- und gaben dazu auch einen Einblick in die Arbeitsstruk- gebnisse des Forschungsprojekts USuS (Untersuchung turen und Aktivitäten eines recht erfolgreich wirkenden zu Studienverläufen und Studienerfolg), das drei große, Projekts. Im anschließenden World Café wurden zwei interagierende Felder betrachtet: die Studienstruktur, Fragen diskutiert: Was sind Hinderungs- und Erfolgsfak- die Studienstrategien der Studierenden sowie das hoch- toren für Hochschuldidaktik und welche Kompetenzen schuldidaktische Design bzw. die zugrunde liegenden brauchen Hochschuldidaktiker_innen? Lehrkonzepte.19 Der besondere Reiz des Projekts liegt in der direkten Einspeisung von Befragungsergebnissen in Im Hinblick auf den Bereich Organisationsentwicklung die Lehre (in Form von hochschuldidaktischen Interventi- sind außerdem Forschungsprojekte erwähnenswert, die onen) und in dem Versuch der Messung des Impacts die- sich mit der Frage Wie kommen neue curriculare Struk- ser Interventionen durch Befragungen in der Folgerun- turen in die Hochschule? beschäftigen und die auf der de. Forschung ist hier angewandt im direktesten Sinn. Tagung vorgestellt wurden. So geht es im Projekt von Direkt im Anschluss präsentierte Nina Friese ein Beispiel Nicole Romana Heigl16 um Möglichkeiten der curricular verankerten Förderung von „fächerübergreifenden Pro- 16 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/6_heigl_tho- mas_adaptive_lehre.pdf blemlösungskompetenzen“ oder um die Bedeutung von 17 http:// www.zhw.uni-hamburg.de/uploads/trautwein_llus-als-refe- Lehr-Lern-Überzeugungen und deren Bedeutung da- renzpunkt.pdf für, dass (und wie) „Neues in die Lehre“ kommt (Caro- 18 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/2c_rhein_wis- senschaftstheorie.pdf line Trautwein, ProfiLe).17 Dirk Unterschemmann stellte 19 vgl. auch http://www.zhw.uni-hamburg.de/usus/ sein Konzept zur Implementierung eines Projektes zum Praesentationen.164.0.html Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 11
  • 12. für eine solche hochschuldidaktische Intervention im Be- pekt Coaching und Beratung entlang einer Hochschul- reich der Ingenieurwissenschaften. biographie. Neben Fragen zum Rollenverständnis als Lehrende_r, die beim Einstieg in den Hochschulalltag Coaching an der Hochschule anders gelagert sind als im Falle mehrjähriger Berufser- fahrung, geht es im Coaching von Hochschullehrenden Coaching ist als Instrument der Personalentwicklung in immer auch um Fragen der Orientierung und Positio- der Wirtschaft seit vielen Jahren etabliert und findet nun nierung im Wissenschafts- und Hochschulsystem. Sind auch schrittweise den Weg an die Hochschulen: Es ist Neuberufene am Anfang ihrer Professur oft damit über- zwar noch ein weiter Weg, bis Coaching-Programme fordert, zu entscheiden, in welchen universitären Gremi- für spezielle Zielgruppen - z.B. Doktorand_innen, Neu- en sie sich engagieren wollen und von welchen Aufga- berufene oder Nachwuchswissenschaftler_innen - flä- ben sie sich eher abgrenzen möchten, stehen etablierte chendeckend etabliert sind. Erste, erfolgreiche Schritte, Professor_innen vor der Frage, inwiefern sie z.B. im wie z.B. das Coaching-Angebot des Berliner Zentrums Rahmen universitärer Selbstverwaltung nicht nur miten- für Hochschullehre (BZHL) oder die Segel-Leadership- tscheiden, sondern auch Strukturen nachhaltig prägen Wochenenden für Neuberufene an der Universität Kiel, und verändern wollen. Individuelle Coaching-Angebote sind jedoch bereits gemacht. Gerade Nachwuchswis- für Hochschullehrende müssen somit nicht nur berück- senschaftler_innen und Neuberufene sind mit vielfälti- sichtigen, auf welcher Stufe der Karriereleiter sich der/ gen Herausforderungen konfrontiert. Sie müssen sich die Coachee befindet, sondern sollten immer auch die nicht nur auf ihre (neue) Rolle als Lehrende einstellen, unterschiedlichen Erwartungen im Blick behalten, wel- sondern sich auch als Forscher_innen in der scientific che diese Zielgruppe zu erfüllen hat. Die Anwesenden community etablieren und in die Strukturen der univer- wurden anschließend dazu eingeladen, sich über ihre Er- sitären Selbstverwaltung einbringen. Der Workshop von fahrungen bezüglich der Beratung oder eines Coachings Eva-Maria Schumacher (freiberufliche Trainerin und zu den einzelnen Phasen auszutauschen. Die Fragen, Coach) nahm die spezifischen Anliegen von Hochschul- wann es sich um ein Coaching bzw. eine hochschuldi- lehrenden in den Blick und betrachtete sie unter dem As- daktische Beratung handelt und ob sich beide Forma- Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 12
  • 13. te von einer Person durchführen lassen, wurden dabei wicklung zu unterstützen, dann darf - so das Credo der intensiv diskutiert, da Lehrende - wie Erfahrungen der Referent_innen - die Kategorie Gender nicht ausgeklam- Anwesenden zeigten - in einem Coaching oftmals auch mert werden, da diese unsere Verhaltensweisen wesent- Beratung suchen. lich prägt und zu Ungleichbehandlungen führt. Gender und Diversity an der Hochschule Im Workshop Gender.Macht.Sinn von Susanne Frölich- Steffen21 erhielten die Teilnehmenden einen Einblick Interaktionen im beruflichen Umfeld sind durch viele in Theorie und Praxis der Genderdidaktik. Nach einem Faktoren bedingt, nicht zuletzt durch den Umgang mit Brainstorming und einem Expertinnenvortrag zur Rol- und Einsatz von genderbezogenen Zuschreibungen. le von Genderdidaktik in der Lehre wurden Methoden Vielen Menschen ist die Tatsache, dass sie neben vie- ausprobiert und ausgewählte Praxisbeispiele diskutiert. len anderen Rollen auch eine Geschlechterrolle aus- Aufbauend auf einem konstruktivistischen Differenz- füllen und diesbezüglich adressiert werden, meist nicht konzept22 wurden die Bedeutung der Sozialisation in bewusst. Ziel des Workshops von Ulla Weber und Anja Bildungseinrichtungen für Geschlechtsunterschiede im Quindeau20 (Genderzentrum TU München) zum Thema Verhalten, ihre Wechselwirkung mit der Arbeitsteilung Gendersensibles Coaching war es deshalb, Coaches zwischen den Geschlechtern und die Einflüsse auf das und Hochschullehrende für Gender-Aspekte im berufli- Lernverhalten der Lernenden vorgestellt. Mit dem Bild chen Kontext zu sensibilisieren. Gender kann im Coa- der undichten Leitung („Leaky Pipeline“) wurde der ab- ching auf drei Ebenen sichtbar werden: 1. indem der/die nehmende Frauenanteil in aufeinander aufbauenden Coach sein/ihr Gegenüber aus der Gender-Perspektive Stadien der akademischen Laufbahn veranschaulicht wahrnimmt, ohne sich dessen bewusst zu sein, 2. indem 20 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/3b_weber_gen- Gender-Themen situativ aufkommen oder 3. indem der/ dersensibles_coaching.pdf die Coachee die Kategorie Gender explizit zum Gegen- 21 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/2a_froelich- steffen_gender.macht.sinn.pdf stand des Coachings macht. Wenn es im Coaching da- 22 Eagly, Alice H. (1987): Sex differences in social behavior. A social- rum geht, Klient_innen bei der persönlichen Weiterent- role interpretation, Hillsdale et al.: Erlbaum. Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 13
  • 14. und diskutiert. Der Auftrag, gleichberechtigte Perspekti- sumiert. Nicole Auferkorte-Michaelis und Annett Ladwig ven zu eröffnen, sollte nicht als Frage des guten Willens berichteten im Workshop Vielfalt im Gespräch? Zur Im- missverstanden werden, sondern ist (mit dem Gender- plementierung von Diversity-Aspekten in Studium und mainstreamingkonzept der EU, dem Grundgesetz und Lehre24 von der Entwicklung und Implementierung einer dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz) explizite hochschulweiten Diversity-Strategie an der Universität normative Verpflichtung der Lehrenden an Hochschu- Duisburg-Essen (UDE). Die UDE hat Diversity als Zu- len als Angestellte im Öffentlichen Dienst. Die Rolle der kunfts- und Profilthema der Hochschule erkannt und ein Hochschule als Sozialisationsinstanz für künftige Leh- eigenes Prorektorat für Diversity Management einge- rer_innen und Funktionsträger_innen ist in diesen Fra- richtet. 2009 wurde an der UDE der erste Versuch eines gen nicht zu unterschätzen. Genderdidaktik kann leis- Diversity-Monitorings unternommen, demzufolge 70% ten, die Wahrnehmung der Lehrenden bezüglich „Doing der Studierenden erwerbstätig sind (über 20 Stunden Gender“ zu schärfen, gendersensible Methoden zu ent- pro Woche), 25% Migrationserfahrung haben und 50% wickeln und Genderkompetenz in der Lehre zu fördern. ohne akademischen Bildungshintergrund aufgewachsen Dabei werden die Lernenden als Individuen wahrgenom- sind. Bezogen auf Studium und Lehre sind die relevan- men. Genderkompetenz ist als Synthese aus Können, ten Diversity-Aspekte an der UDE Bildungshintergrund, Wollen und Grundwissen zu verstehen und schlägt sich Kultur (womit auch Fach-, Gender- und nationale Kul- nieder in der Sprache, der persönlichen Reflexion, den turen umfasst sind), Gender, Migration, physische und Inhalten von Lehrveranstaltungen, ihren Rahmenbedin- psychische Belastbarkeit. Bezogen auf die Lehre wur- gungen sowie den verwendeten Bildern und Methoden.23 den vier Implementationsbereiche identifiziert: Diversity- Aspekte als fächerübergreifende Inhalte, Diversity als Gender ist jedoch nicht die einzige Kategorie, die im oben beschriebenen Sinn Wirkungsmacht erlangt und 23 Budde, Jürgen/Venth, Angela (2009): Genderkompetenz für le- dennoch oft ein blinder Fleck an der Hochschule bleibt. benslanges Lernen: Bildungsprozesse geschlechterorientiert getalten. Bielefeld: Bertelsmann. Unter dem Begriff „Diversity“ werden mehrere Aspekte 24 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/4c_auferkorte- der Verschiedenheit Studierender und Lehrender sub- michaelis_diversity_lehre.pdf Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 14
  • 15. Gestaltungsprinzip von Strukturen und Organisation des re aufzuwerten. Hierfür bedarf es geeigneter Veröffent- Studiums, Diversity-Aspekte als fachimmanente/fach- lichungsorgane. Ein Schwerpunkt des Tracks lag in der integrierte Inhalte sowie die Entwicklung von Diversity- Frage, wie man „Lehrkompetenz“ und „Lehrqualität“ ope- Kompetenzen der Akteur_innen (in der Hochschuldidak- rationalisieren und erhöhen kann. Caroline Trautwein und tik, aber auch darüber hinaus). In allen Bereichen gibt es Marianne Merkt (ZHW Uni Hamburg) stellten aufbauend Angebote für Studierende und Lehrende, an einem hori- auf einem Forschungsprojekt zur Wirkung des Master zontal und vertikal integrierten Konzept wird gearbeitet. of Higher Education auf die Lehrkompetenz von Hoch- Interessierten seien das Diversity-Portal (http://www.uni- schullehrenden Leitfragen zur Qualitätseinschätzung due.de/diversity/index.shtml ) und das Gender-Portal von akademischen Lehrportfolios vor. Elisabeth Wegner (http://www.uni-due.de/genderportal/index.shtml ) der und Matthias Nückles (Universität Freiburg) präsentier- UDE anempfohlen. ten den Umgang mit widersprüchlichen Anforderungen und Dilemmata in der Hochschullehre als Merkmal von Qualitätssicherung/Qualitätsmanagement Lehrkompetenz. Demnach führt hochschuldidaktische hochschuldidaktischer Weiterbildungsangebote Weiterbildung zu einem differenzierten Blick auf gute Lehre und ihre Bedingungen, so dass die Lehrenden zu Ein weiteres Schwerpunktthema der Tagung war die Qua- reflektierten didaktischen Entscheidungen befähigt wer- litätssicherung hochschuldidaktischer Weiterbildungsan- den. Hierzu bedarf es der Fähigkeit, Widersprüche zu gebote. Hier gab es im Track Impulse für die Qualitäts- erkennen, didaktische Paradigmen anzuwenden, Metho- entwicklung in der hochschuldidaktischen Weiterbildung den zu kennen und deren Auswahl zu begründen sowie eine Fülle von Anregungen und Beispielen guter Praxis. verschiedene Perspektiven einzunehmen. Hochschuldi- Zunächst wurde im Sinne der „Scholarship of Teaching daktische Weiterbildung ist also weit mehr als ein „Me- and Learning“ ein forschender Umgang mit der eigenen thodenbaukasten“. Im Beitrag von Edith Kröber25 (Uni Lehre vorgeschlagen (Ludwig Huber). Neben den direk- Stuttgart) wurden die Tücken der Messung der Weiter- ten Potenzialen für die Verbesserung der Lehre könnten entwicklung von Lehrkonzeptionen deutlich. Ein Metho- auch wissenschaftliche Aufbereitungen von Fragen und 25 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/3e_kroeber_et_ Erfahrungen aus der eigenen Lehrpraxis helfen, die Leh- al._evaluation_von_lehrcoaching.pdf Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 15
  • 16. denvergleich zwischen Fragebögen und Grid-Interviews wickelt werden. Diana Urban und Daniel Al-Kabbani (Uni legte nahe, dass die soziale Erwünschtheit bestimmter Paderborn) stellten das Lernportfolio in der hochschul- Aussagen zur Lehre die Ergebnisse verfälschen könnte. didaktischen Weiterbildung als Instrument zur Lehrkom- Hier sei weitere Forschung nötig. petenzentwicklung und Qualitätssicherung vor. Hierbei werden Lehrende zu reflexivem Lernen angeregt und bei Für die Praxis der hochschuldidaktischen Weiterbildung der retrospektiven Betrachtung ihrer eigenen Lehrkom- lässt sich festhalten, dass unterschiedliche Präferen- petenzentwicklung unterstützt. Matthias Heiner (HDZ TU zen der Teilnehmenden berücksichtigt werden sollten Dortmund) schließlich betonte in seinem Vortrag zu Qua- und eine Passung zwischen Dozent_innen und Teilneh- litätssteuerung als Tuningprozess die Wichtigkeit infor- mendenbedürfnissen in der Weiterbildung anzustreben meller Weiterbildungsmöglichkeiten. Demzufolge könnte ist, um nicht eine „Einheitsdidaktik“ zu forcieren. Sabine die Schaffung von Austauschmöglichkeiten als „weiche“ Marx und Björn Kiehne (Kompetenzzentrum Hochschul- Qualitätssteuerungsmaßnahme begriffen werden. Infor- didaktik für Niedersachsen, TU Braunschweig) schlu- melle Lernerfahrungen gelte es angemessen zu würdi- gen die Anwendung weiterbildnerischer Methoden vor, gen und mit denen aus der formalisierten Weiterbildung um biographisches Wissen der Teilnehmer_innen an zu verbinden. hochschuldidaktischer Weiterbildung zu aktivieren und sie dabei zu unterstützen, ihre eigenen Lernwege zu Auch beim bundesweiten Netzwerktreffen hochschuldi- Lehr-Lernkonzepten zu formen. Christiane Ernst (HDZ daktischer Einrichtungen wurde über Qualitätssicherung TU Dortmund) und Ute Zaepernick-Rothe (TU Braun- diskutiert. Eine Deklaration zu Bedingungen der Aner- schweig) stellten das so genannte „LeWi-Coaching“ als kennung von Leistungen in der hochschuldidaktischen prozessorientierte und semesterbegleitende Lehrbera- Weiterbildung wurde verabschiedet, die auch das HDS tung vor. Mit Hilfe von Lehrhospitationen (teilnehmender unterstützt.26 Möglichkeiten und Grenzen der Messung Beobachtung mit Feedbackgesprächen), Einstellungs- von Kompetenzentwicklung durch Evaluationsbögen messungen der Lehrenden und Studierenden sowie der gemeinsamen Entwicklung, Durchführung und Reflexion 26 Siehe https://www.hds.uni-leipzig.de/index.php?id=zertifikat , direkter Link zur Deklaration als PDF: https://www.hds.uni-leipzig.de/ von „Mini-Interventionen“ im Sinne neuer Methoden zu fileadmin/media/Anerkennung_von_Leistungen_-_Konsens_Muen- verschiedenen Zeitpunkten sollen Lehrkompetenzen ent- chen_03-03-2011.pdf Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 16
  • 17. wurden anhand von Beispielen aus der TU Dortmund Accelerated Learning27 vermittelt von Eva-Maria Schu- und der Uni Erlangen-Nürnberg diskutiert. Die Quali- macher, welches Prinzipien für ein erfahrungsreiches tätssicherung und -steuerung wird weiter ein Thema des und „sinnreiches“ Lernen formuliert. Versinnbildlicht wur- bundesweiten Austausches hochschuldidaktischer Ein- den die Prinzipen des Accelerated Learning durch das richtungen bleiben. Erlernen des Jonglierens durch die Teilnehmer_innen selbst. Station 2 beschäftigte sich mit Neurodidaktik und Seminarmarkt und alternative Lehr-/Lernmethoden wurde von Ralf Besser durchgeführt. Als Teilnehmer_in konnte man anhand eines Modells in die Funktion eines Im Rahmen des Symposiums gab es für die Teilnehmer_ Teils des Gehirns schlüpfen und sich auf diese Weise innen zudem Gelegenheit, hochschuldidaktische Trai- mit der Verarbeitung von Informationen auseinander- ner_innen bei einem „Seminarmarkt“ kennenzulernen. setzen sowie daraus Ableitungen für das Lehren und An Ständen konnte man sich mit den Anbieter_innen Lernen formulieren. Im Mittelpunkt der Station 3 stan- über ihre Angebote austauschen. Für die Trainer_innen den Munterrichtsmethoden, die von Harald Groß28 hu- selbst bestand anschließend die Möglichkeit, sich mit morvoll präsentiert wurden. Neben der Vorstellung von Kolleg_innen in einem „Forum des Ideenaustauschs und Prinzipien für die Wahl von Methoden wurden die Teil- der Netzwerkbildung“ zusammen zu finden - eine Ge- nehmer_innen eingeladen, die verschiedenen Methoden legenheit, die viele Trainer_innen in ihrem Alltag sicher selbst auszuprobieren, um sie für die eigene Lehrpraxis nicht oft haben. fruchtbar zu machen. Die drei Workshops waren dabei sowohl für Hochschuldidaktiker_innen von Interesse, die Ein kleiner Einblick in die inhaltlichen Schwerpunkte und Workshops für Lehrende durchführen, als auch für Leh- Arbeitsweisen drei dieser Anbieter_innen konnte bei ei- 27 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/1de_schuma- nem dreieinhalbstündigen Workshop gewonnen werden. cher_accelerated%20learning.pdf Motto des aus drei Stationen bestehenden Workshops 28 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/1de_gross_mun- terrichtsmethoden_skript.pdf und war das Erleben und Reflektieren von „Alternativen Lehr- http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/1de_gross_munter- und Lernmethoden- und strategien“. Station 1 war das richtsmethoden_uebersicht.pdf Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 17
  • 18. rende, die diese Methoden und Strategien für ihre Lehre Eagly, Alice H. (1987): Sex differences in social behavior. A social-role interpretation, Hillsdale et al.: Erlbaum. nutzen möchten. Kallenberg, A.J. (2005): Strategy and Innovation. The Roles of Acade- mic Middle Managers in Higher Education. Vortrag auf der 27. Jahres- Insgesamt zeichnete sich das Münchner Symposium tagung der European Association of Institutional Research (EAIR), und die DGHD-Tagung durch eine große Vielfalt an Ver- 28.-31.8.2005 in Riga (unplubliziertes Manuskript). Zitiert nach: Bar- bara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg (2010): anstaltungsformaten, Methoden und Themen aus. Gro- Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift für ßer Wert wurde dabei auf die Möglichkeiten gelegt, eige- Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39. ne Erfahrungen und Sichtweisen einzubringen und zur Kehm, Barbara M., Merkator, Nadine und Schneijderberg, Christian Diskussion zu stellen. Darüber hinaus bot das Jahres- (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeit- schrift für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4. treffen der hochschuldidaktischen Szene einmal mehr ein Forum zur Vernetzung und zum informellen Aus- Urban, Diana und Meister, Dorothee M. (2010): Strategien der Profes- sionalisierung in der Hochschuldiaktik. Zeitschrift für Hochschulent- tausch für interessierte Lehrende ebenso wie für die in wicklung Jg. 5, Nr. 4. der hochschuldidaktischen Weiterbildung direkt Tätigen. Whitchurch, Celia (2008): Shifting Identities and Blurring Boundaries: So entstanden viele neue Anregungen für die Arbeit an The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Educa- der Verbesserung der Hochschullehre im jeweils eige- tion. Higher Education Quarterly, Jg. 62, H. 4, S. 377-396, S. 384. Zitiert nach Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schnei- nen Umfeld - Anregungen zum direkten Praxistransfer jderberg (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. inbegriffen. 2012 wird die Tagung in Mainz stattfinden; Zeitschrift für Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4. ein guter Grund, dieser Stadt dann einen Besuch abzu- HDS.Journal No. 1, 2010, https://www.hds.uni-leipzig.de/fileadmin/ statten. media/HDSJournal1-2010.pdf Literatur http://www.cvl-a.de/prolehre/ Bhabha, Homi K. (2007): The Location of Culture. London / NY, Rout- http://www.dghd.de/ ledge Classics https://www.hds.uni-leipzig.de/index.php?id=zertifikat Budde, Jürgen/Venth, Angela (2009): Genderkompetenz für lebens- langes Lernen: Bildungsprozesse geschlechterorientiert gestalten. http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku Bielefeld: Bertelsmann. Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 18
  • 19. Hochschul- didaktisches Zentrum Sachsen Kollegiale Beratung am Berliner Zentrum für Hochschullehre. Ein Erfahrungsbericht Dipl.-Psych. Anja Pawelleck ist als wissen- Der Bologna-Prozess stellt Lehrende nicht nur in fachlicher und schaftliche Mitarbeiterin Projektleiterin im studienorganisatorischer Hinsicht vor große Herausforderungen. Zertifikatsprogramm am Berliner Zentrum für Durch den geforderten Shift from Teaching to Learning stehen sie Hochschullehre (BZHL). Als langjährige Bera- auch unter einem hohen Veränderungsdruck in Bezug auf das ei- terin, Trainerin und Coach ist sie zuständig für gene Rollenverständnis. die Entwicklung des Zertifikatsprogramms, die Durchführung von Workshops, Kollegialen Be- Kollegiale Beratung unterstützt Lehrende bei den oben genannten ratungen und Didaktischen Beratungen. Veränderungsprozessen und etabliert sich zunehmend als fes- ter Bestandteil in strukturierten hochschuldidaktischen Weiterbil- dungsangeboten. Der folgende Bericht soll einen Einblick in die Erfahrungen geben, die am Berliner Zentrum für Hochschullehre in den letzten zwei Jahren mit dieser Methode gesammelt wurden. Das Berliner Zentrum für Hochschullehre (BZHL) wurde 2008 aus Mitteln des Masterplans des Berliner Senats gegründet. Es ist für die hochschuldidaktische Qualifizierung von Lehrenden aller 13 öffentlichen Berliner Hochschulen zuständig. Darunter fallen alle Statusgruppen wie Professor_innen, Wissenschaftliche Mitar- beiter_innen und Lehrbeauftragte. In Anbindung an die Idee, die Lehre vom Lernen her zu denken, verfolgt das BZHL das Ziel, die Qualität der Lehre durch Professionalisierung der Lehrtätig- Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 19
  • 20. keit von angehenden und praktizierenden Hochschulleh- Methode der Kollegialen Beratung renden nachhaltig zu verbessern. Nach dem Start mit einer offenen Workshopreihe zu hochschuldidaktischen „Kollegiale Beratung beschreibt ein Format personeno- Themen wurde das Programm schnell um weitere Quali- rientierter Beratung, bei dem im Gruppenmodus wech- fizierungsmaßnahmen wie strukturbildende Maßnahmen selseitig berufsbezogene Fälle der Teilnehmenden sys- an einzelnen Hochschulen und Coachingangebote für tematisch und ergebnisorientiert reflektiert werden.“ Professor_innen erweitert. (Tietze 2010, S.24) In der Praxis existieren verschiede- ne Modelle der Kollegialen Beratung. Ihnen allen ist ge- Kollegiale Beratung wurde zunächst in einem zweise- meinsam, dass es sich um eine strukturierte Form der mestrigen Pilotprojekt an der HTW Berlin, einer Lehr- Peerberatung handelt, in der berufsbezogene Fragestel- qualifizierung für neuberufene Professor_innen und als lungen (Fälle) lösungsorientiert reflektiert werden. Das Bestandteil einzelner Seminare, so z.B. innerhalb von Format der Kollegialen Beratung ist durch sechs Merk- Workshops zum Konfliktmanagement angeboten. Seit male charakterisiert: dem Start des Zertifikatsprogramms im März 2010 wur- de sie fester Bestandteil einer systematischen Qualifizie- • Personenorientierte Beratung rungsreihe. • Gruppenmodus • Berufsbezogene Fälle Mit der Integration der Kollegialen Beratung in das Zer- • Systematik tifikatsprogramm folgt das BZHL den Leitlinien zur Mo- • Wechselseitigkeit dularisierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer • Ergebnisorientierte Reflexion Weiterbildung (AHD 2005) der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd). Die Kollegiale Beratung am BZHL ist an das von Tiet- ze (2003) entwickelte Modell angelehnt, findet in Grup- pen von 5-10 Personen statt und folgt einem Zyklus von Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 20
  • 21. sechs Phasen: rens und Lernens gelegt. Dies umfasst eine Einführung in sozialpsychologische Theorien und Lerntheorien. Da- • Rollenverteilung (Rollen: Moderator_in, Fallerzäh- rüber hinaus werden den Teilnehmer_innen Instrumen- ler_in, Berater_innen und ggf. Protokollant_in so- te an die Hand gegeben, wie sie die Stofffülle für ihre wie Beobachter_in) Lehrveranstaltungen durch das Setzen von Lernzielen • Spontanerzählung mit anschließenden Verständ- reduzieren und damit ihre Lehrveranstaltungen besser nisfragen planen können. Hierzu lernen sie Methoden der Stoffre- • Klären der Schlüsselfrage duzierung und aktivierende Lehrmethoden kennen. • Methodenwahl Beginnend nach dem ersten Workshop von Modul I fin- • Beratung den drei Termine zur Kollegialen Beratung statt. Darü- • Abschluss ber hinaus werden die Teilnehmenden von didaktischen Expert_innen einmal in einer Lehrveranstaltung besucht Die Rollen rotieren und werden für jeden Beratungszyk- (Lehrhospitation) und es findet zum Abschluss eine lus neu verteilt. Alle Teilnehmenden beteiligen sich aktiv strukturierte Selbstreflexion statt.1 am Geschehen und sind gleichberechtigte Ideengeber_ innen. Ziel der Kollegialen Beratung ist die Entwicklung Das erste Modul wurde bewusst so konzipiert, dass die von Lösungsvorschlägen und Entscheidungshilfen zu Teilnehmenden sich dort als Teil einer festen Lerngruppe den vorgetragenen Fällen. Die Teilnahme und Mitarbeit erleben und sie diese Erfahrungen auch auf ihre Arbeit ist freiwillig und verbindlich. mit den Studierenden übertragen können. Zur Reflexion werden die Teilnehmenden mit Methoden wie Feedback Rahmen und Durchführung der Kollegialen Beratung (Fengler 2004) vertraut gemacht und in die Themen- zentrierte Interaktion (TZI) eingeführt. „Ausführungen Die Kollegiale Beratung ist in das erste Modul des Zer- zu TZI – verstanden als hochschuldidaktisches Prinzip tifikatsprogramms integriert. Im ersten Modul werden an 1 Nähere Informationen zum Zertifikatsprogramm finden sie unter 2 x 2 Workshoptagen zunächst die Grundlagen des Leh- http://www.bzhl.tu-berlin.de/index.php?id=84 Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 21
  • 22. – vermitteln Aufschluss darüber, wie selbstverantwortli- menden die gleiche Verantwortung für den Prozess der ches Lernen zustande kommen kann. Ein erster Schritt Beratung haben, wird im BZHL die erste Sitzung durch liegt in der Anbahnung eines persönlichen Bezugs zum eine_n Experten_in geleitet.2 Gerade Teilnehmende, die Thema, das neben kognitiven (auch) emotionale Anteile bisher keine Erfahrungen mit Formen der Peerberatung einschließt. Schon hier wird die persönliche Aktivität des gemacht haben, wünschen sich eine intensive Einfüh- Einzelnen gefordert. Diese Herausforderung kann er je- rung der Methode und auch eine expertengestützte doch nur in einem Klima des Vertrauens annehmen, das Durchführung. Nachdem beim ersten Termin die Runde ihn mit seinen individuellen Einsichten und Bedürfnissen extern moderiert wurde, übernehmen die Teilnehmenden stützt.“ (Mann/Thomas 2004, 259) Da die Teilnehmenden die Moderation ab dem zweiten Termin selbst. Der/die als Studierende häufig selbst Hochschullehrende erlebt externe Experte_in zieht sich immer mehr aus dem Pro- haben, die ausschließlich an der Wissensvermittlung ori- zess der Beratung zurück und greift nur noch ein, wenn entiert waren, verfügen sie teilweise über keine anderen die Akteure im Prozess in Schwierigkeiten geraten. So Vorbilder für die eigene Lehre und haben ein traditionel- ist es z.B. immer wieder zu beobachten, dass es den les Rollenverständnis. Der soziale Lernprozess und die Moderierenden schwer fällt, in ihrer Rolle zu bleiben und aktive Teilnahme an den Workshops sollen sie für ande- nicht auch Beratende zu werden, oder dass Unsicher- re Ebenen des Lehrens und Lernens sensibilisieren. Die heiten bei der Leitung des Gesamtprozesses entstehen. Auseinandersetzung mit dem eigenen Lernprozess mit- Hier bekommen sie in Form von „Regieanweisungen“ tels TZI und der damit entstehenden Verbindlichkeit und Unterstützung durch die/den Experten_in. Es ist festzu- Vertraulichkeit innerhalb der Lerngruppe legt somit die stellen, dass die Teilnehmenden immer stärkere Verant- Grundlage für die Kollegiale Beratung, für die Vertrauen 2 Tietze (2010) merkt hierzu an, dass die Kollegiale Beratung erst seit eine wichtige Voraussetzung ist. Mitte der 90er Jahre außerhalb psycho-sozialer Kontexte Verbreitung in der Personal- und Führungskräfteentwicklung fand, so auch bei Kollegiale Beratung findet am BZHL im Modul I an drei Hochschullehrenden. Akteure im psycho-sozialen Kontext würden die Beratungen meist selbst initiieren, wohingegen in anderen Bereichen Abendterminen à drei Zeitstunden statt. Während in der der Anstoß von außen komme. Dies gehe mit der Notwendigkeit ein- klassischen Form der Kollegialen Beratung alle Teilneh- her, die Methode genau einzuführen. Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 22
  • 23. wortung für den Prozess übernehmen, sobald sie einmal schiedlichen Sichtweisen und Erfahrungswelten werden die Sinnhaftigkeit des strukturierten Vorgehens erlebt durch die Teilnehmenden als sehr inspirierend und hilf- haben. Gerade beim ersten Termin dauern die Kolle- reich wahrgenommen, besonders in den Beratungsse- gialen Beratungen meist länger als die in der Methode quenzen. vorgesehenen 30-45 Minuten, da nicht nur die Fälle be- handelt werden, sondern auch noch Fragen zur Methode Die Teilnehmer_innen der Kollegialen Beratungsgruppen geklärt werden. kennen sich bereits aus mindestens zwei vorangegange- nen Workshoptagen und sind durch Micro-Teaching-Pro- Konkrete Phasen der Kollegialen Beratung und Er- zesse während der Workshops intensiv mit Feedback- fahrungen am BZHL und Reflexionsprozessen vertraut. Seit 2009 wurden am BZHL über 20 Kollegiale Bera- Phase 0 tungsgruppen initiiert. Das Besondere der Gruppen ist Zu Beginn jeder Kollegialen Beratung gibt es ein Ein- die äußerst heterogene Zusammensetzung der Teilneh- stiegsblitzlicht, in dem die Teilnehmenden Gelegenheit menden, da sie nicht nur aus verschiedenen Fachberei- haben, aktuelle Themen anzusprechen oder den ande- chen, sondern auch aus unterschiedlichen Hochschulen ren mitzuteilen, wie sich ein Fall aus der letzten Kollegi- kommen und sich aus allen Statusgruppen zusammen- alen Beratung ggf. weiterentwickelt hat. setzen. Hierbei ist auffällig, dass die Teilnehmenden nach den ersten Workshoptagen durchaus äußern, dass Im Anschluss werden in Murmelgruppen aktuelle Anlie- sie zu Beginn der Qualifizierung über die Zusammenset- gen gesammelt und dann durch Gewichtung entschie- zung der Lerngruppe verunsichert waren. Im Prozess- den, welche Fälle in der Sitzung behandelt werden sol- verlauf spielen die hierarchischen Unterschiede durch len. die soziale Interaktion hingegen gar keine Rolle mehr. Die durch die Diversität zustande kommenden unter- Wiederkehrende Themen in der Kollegialen Beratung Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 23
  • 24. am BZHL sind z.B.: Beratende und bei Bedarf Protokollant_in) besetzt wer- den. Handelt es sich um eine größere Gruppe, werden • das eigene Rollenverständnis in der Lehre, manchmal noch Beobachtende benannt, die im Sinne • Schwierigkeiten bei der Durchführung von Lehrver- des systemischen Ansatzes die sogenannte „reflektie- anstaltungen, rende Position“ einnehmen und die Aufgabe haben, den • der Umgang mit fordernden Studierenden, Prozess der Beratung von außen zu beobachten (Ander- • Studierende, die Beratungsangebote nicht anneh- sen 1990). men • das Bewerten von Klausuren, Präsentationen und Phase 2 – Die Spontanerzählung Hausarbeiten und Ist entschieden, wer seinen Fall vorstellt, beginnt der/ • der Widerstand von Studierenden gegenüber Me- die Fallgeber_in mit der sogenannten Spontanerzählung thoden der aktivierenden Lehre. des Falles. Wichtig ist hierbei, dass der Moderierende darauf achtet, dass der/die Fallerzähler_in seinen/ihren In den Beratungsgruppen für neuberufene Professor_in- Fall ohne Unterbrechung vorstellen kann. Verständnis- nen stehen zudem Themen wie Schwierigkeiten mit Kol- fragen sollen erst hinterher gestellt werden. leg_innen in den eigenen Fachbereichen, akademische Selbstverwaltung und Zeitmanagement im Vordergrund. Phase 3 – Die Schlüsselfrage Von der ersten Sitzung zur zweiten und dritten ist häufig Sind alle Verständnisfragen nach der Fallerzählung ge- nach einer anfänglichen Vorsicht bei der Wahl der Fälle klärt, geht der Moderierende zur Phase der Schlüsselfra- eine schnelle Vertiefung der Themen und auch der Inhal- ge über. Diese soll erschließen, welches Ziel der/die Fal- te der Beratung festzustellen. lerzähler_in mit der Beratung verbindet. Das Finden der richtigen Schlüsselfrage ist entscheidend für die Qualität Phase 1 – Die Rollenbesetzung der Beratung. Gerade in der ersten und zweiten Sitzung Durch die Wahl eines Falles steht der/die Fallerzähler_ werden die Teilnehmenden sensibilisiert, präzise Frage- in fest und es können die anderen Rollen (Moderation, stellungen zu finden. Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 24
  • 25. Phase 4 – Die Methodenwahl ming, Kopfstandbrainstorming und Reflecting Team. Je Die Methode, mit der die Beratung durchgeführt wer- nach Gruppe und Leitung können auch speziellere Me- den soll, kann von den Moderierenden, dem/der Faller- thoden wie z.B. das innere Team oder eine Aufstellung zähler_in oder den Beratenden vorgeschlagen werden. im Raum verwendet werden. Hierzu bieten sich eine Reihe von Methoden der Ide- en- und Entscheidungsfindung an (Schlee 2008; Tietze Phase 5 – Der Beratungsprozess 2003). Beim ersten Treffen wird immer vorab geklärt, Beim Beratungsprozess setzt Tietze (2003) eine Bera- welche Expertise in Bezug auf die Kollegiale Beratung tungszeit von zehn Minuten an. und die entsprechenden Methoden bei den Teilnehmen- Im BZHL planen wir für die Gruppen etwa die doppelte den schon vorhanden ist und genutzt werden kann. Der Beratungszeit ein, da die Orientierung in dem Format der Einsatz der Methoden hängt auch von der Vertrautheit Kollegialen Beratung anfänglich mehr Zeit in Anspruch der Gruppe mit unterschiedlichen Methoden ab. Man- nimmt. che Gruppen konzentrieren sich ausschließlich auf die Im Beratungsprozess sind die Moderierenden besonders inhaltliche Beratung, in anderen, meist geübteren Grup- gefragt, da die Teilnehmenden, vor allem wenn sie noch pen, besteht ein großes Interesse, durch die „richtige“ nicht so vertraut mit der Methode sind, ihren Diskussi- (zu einem Fall passende) Methode die Qualität der Be- onsprozess ungern abbrechen. ratung zu steigern. Unserer Erfahrung nach ist es entscheidend, nur Metho- Phase 6 – Der Abschluss den zu verwenden, mit denen sich zumindest die jeweils Zum Abschluss wird der/die Fallerzähler_in noch einmal Moderierenden sicher fühlen. Es wird darauf geachtet, gebeten mitzuteilen, welche Ideen für ihn/sie interessant dass die Teilnehmenden mindestens drei verschiedene und hilfreich waren. Je nach Thema wird die Kollegia- Methoden erfahren und anwenden. Auf der Metaebene le Beratung auch mit einer sogenannten Sharing-Runde wird die Erfahrung mit den Methoden zum Schluss jeder abgeschlossen, in der alle Teilnehmer_innen noch ein- Sitzung noch einmal ausgewertet. Typische Methoden, mal ihre Erfahrungen zu dem Beratungsthema teilen. die in der Beratung eingesetzt werden, sind Brainstor- Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 25
  • 26. Was das Format an Hochschulen leisten kann: Teil- der Beratung ist, dass gut Lehre ganz unterschiedlich nehmer_innen-Stimmen aussehen kann und vor allem authentisch sein sollte. Die Teilnehmenden am Zertifikatsprogramm reflektieren Für viele Lehrende war es auch sehr entlastend zu hö- ihren Lernprozess im ersten Modul nach einem struktu- ren, dass viele ihrer Kolleg_innen mit den gleichen He- rierten Leitfaden, in dem auch nach den Erfahrungen in rausforderungen zu kämpfen haben. Hier wurde gerade der Kollegialen Beratung gefragt wird. Uns hat am BZHL die große Heterogenität der Gruppen gewürdigt: interessiert, ob die Methode die Lehrenden unterstützt und was für die Lehrenden bei dieser Methode im Vor- Hier war für mich besonders hilfreich, dass viele Situatio- dergrund stand. Im Folgenden werden einige Rückmel- nen, die ich bei meinen Vorlesungen erlebt habe, fächer- dungen aus den anonymisierten Selbstreflexionen der oder sogar hochschulübergreifend ähnlich gelagert sind Teilnehmenden zitiert (BZHL 2011). und man nicht „alleine“ mit der Situation ist. Zuerst einmal war es die Möglichkeit, überhaupt in einen Auf der anderen Seite hat man gleichzeitig verstanden, fachlichen und überfachlichen Austausch mit anderen dass auch fachfremde Kollegen unterschiedlichen Alters Lehrenden treten zu können und dadurch unterschied- mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten. Der Erfah- liche Sichtweisen auf eine Fragestellung zu bekommen: rungsaustausch war eine zusätzliche Ideen- und Inspira- tionsquelle. In meinem Arbeitsalltag ergibt sich ansonsten nur sehr selten die Gelegenheit zum fundierten Austausch mit an- In Bezug auf die Möglichkeit, die Kollegiale Beratung in deren Lehrenden, die Diskussion eigener und fremder den eigenen Fachbereichen einzuführen, gibt es unter- Lehrsituationen gibt mir weitere Sicherheit und Souverä- schiedliche Stimmen: nität in meiner Lehre und in meinem Rollenverständnis als Dozentin, durchaus auch durch die deutlich werden- In Bezug auf meinen Alltag ist diese Form der Kollegia- den Differenzen mit Kolleg_innen: Meine erste Lehre aus len Zusammenarbeit jedoch fraglich. Fachliche Proble- Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 26
  • 27. me löse ich auf kürzerem Wege, alle anderen Probleme Fazit sind häufig Probleme mit den anderen Kollegen oder den Vorgesetzten. Der Nutzen für den Hochschulkontext scheint also beson- ders der fachliche und überfachliche Austausch zu sein, Ich habe bereits angeregt eine Kollegiale Beratung zu- der zwischen Lehrenden häufig zu kurz kommt. Indem mindest auf Assistenten-Ebene an unserem Fachbereich sichtbar wird, dass Andere mit den gleichen Schwierig- einzuführen. keiten zu kämpfen haben wie man selbst, erleben Leh- rende die Kollegiale Beratung als Entlastung. Außerdem Zusammenfassend lässt sich sagen, dass viele Teilneh- ist festzustellen, dass sie zu einer größerer Vernetzung mende überrascht waren, wie viele Ideen zu einem be- der Lehrenden untereinander führt und damit zum Auf- stimmten Problem in so kurzer Zeit gesammelt werden bau einer Unterstützungskultur über die Fachbereiche können. Die Fallgeber_innen haben mehrheitlich berich- und Hochschulen hinweg. tet, dass die Sichtweisen der Anderen zur Klärung der eigenen Position sehr wertvoll waren. Häufig fiel es den Da das Format durch die Teilnehmenden so positiv auf- Fallgeber_innen schwer, nichts zu der Diskussion bei- genommen wird, ist geplant, engagierte Lehrende aus tragen zu dürfen. Andersherum haben alle Teilnehmen- dem Zertifikatsprogramm als Multiplikator_innen zu ge- den auch mehrheitlich berichtet, wie viel sie selbst aus winnen: zum einen, um hochschulübergreifende und den Fällen der anderen gelernt haben (vgl. Lippmann fachbezogene Kollegiale Beratungsgruppen zum vertief- 2009, 18). Hier scheint die Kollegiale Beratung fragmen- ten Einstieg in fachdidaktische Fragen zu initiieren und tarisches und exemplarisches Lernen in starkem Maße zum anderen, um erworbene Kompetenzen wieder an zu ermöglichen (Schmid/Veith/Weidner 2010). Da viele die Fachbereiche zurückzubringen und ggf. dort eigene Teilnehmende, die nicht aus den Sozialwissenschaften Kollegiale Beratungsgruppen zu initiieren. kommen, mit diesen Methoden völlig unvertraut sind, wurde die Anwesenheit einer externen Leitung auch im- mer sehr wertgeschätzt. Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 27
  • 28. Literatur Tietze, K.-O. (2010): Wirkprozesse und personenbezogene Wirkun- gen von Kollegialer Beratung: Theoretische Entwürfe und empirische Andersen, T. (1990): Das reflektierende Team. Dialoge und Dialoge Forschung. Wiesbaden: Vs-Verlag. über Dialoge. Dortmund: Modernes Leben. Arbeitsgemeinschaft Hochschuldidaktik (2005): Leitlinien zur Modula- risierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer Weiterbildung. (Be- schluss der Mitgliederversammlung der AHD vom 8.3.2005. Verfügbar unter: http://www.dghd.de/akko_download [05.05.2011]. BZHL (2011): Selbstreflexionen zu Modul I des Zertifikatsprogramms. (Unveröffentlichte Dokumente). Berlin Fengler, J. (2004): Feedback geben. Strategien und Übungen. Wein- heim: Beltz. Langmaack, B., Braune-Krickau, M. (1995): Wie die Gruppe laufen lernt. Weinheim: Beltz. Lippmann, E. (2009) Intervision. Kollegiales Coaching professionell gestalten. Berlin: Springer. Mann, R., Thomas, K. (2004): TZI an der Hochschule. Gegen die aka- demische Trockenheit. In: Langmaack, B.: Einführung in die Themen- zentrierte Interaktion (S. 258-263). Weinheim: Beltz. Schlee, J. (2008): Kollegiale Beratung und Supervision für pädagogi- sche Berufe. Stuttgart: Kohlhammer. Schmid, B., Veith, T., Weidner, I. (2010): Einführung in die Kollegiale Beratung. Heidelberg: Carl-Auer. Schulz von Thun, F., Tietze, K.-O. (2003): Kollegiale Beratung: Pro- blemlösungen gemeinsam entwickeln. Miteinander reden. Reinbek: Rororo. Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 28
  • 29. Hochschul- didaktisches Zentrum Sachsen Das Lehrportfolio Ein Instrument zur Qualitätssicherung und -entwicklung in der Hochschullehre Jan Fendler, M.A. ist Projektkoordinator des Abstract hochschuldidaktischen Universitätsprojekts LehreLernen an der Friedrich-Schiller-Univer- Das Qualitätsmanagement in der Lehre wird an europäischen sität Jena. Hier ist er für die hochschuldidakti- Hochschulen immer wichtiger. Hierzu werden Verfahren und Inst- sche Aus- und Weiterbildung von erfahrenden Lehrenden mit Lehrportfolios und Videoauf- rumente eingesetzt, mit denen sich Lehrleistungen beurteilen und zeichnungen verantwortlich. Sein Forschungs- vergleichen lassen. Individuelle pädagogische Leistungen können schwerpunkt ist das Lehrportfolio als Weiter- mit ihnen jedoch nur begrenzt erfasst werden. Zugleich bieten sie bildungsinstrument und dessen Potential im nur wenige Möglichkeiten zur Qualitätsentwicklung. Eine Alterna- Hochschulkontext tive stellt das Lehrportfolio dar. Es wird zunehmend in Berufungs- Prof. Dr. Michaela Gläser-Zikuda ist Pro- verfahren und hochschuldidaktischen Weiterbildungen eingesetzt. jektleiterin des hochschuldidaktischen Uni- Lehrende stellen mit seiner Hilfe ihre Lehrkompetenz unter Be- versitätsprojekts LehreLernen, seit 2008 weis, und können gleichzeitig systematisch an dieser arbeiten. Lehrstuhlinhaberin für Schulpädagogik und Didaktik sowie derzeit Direktorin des Instituts Dennoch ist vielen Lehrenden das Lehrportfolio unbekannt. Der für Erziehungswissenschaft an der Friedrich- vorliegende Artikel kann als Hilfestellung zur Reflexion der eige- Schiller-Universität Jena. Ihre Arbeits- und nen Lehrkompetenz verstanden werden, wobei Leitfragen bei der Forschungsschwerpunkte sind Schul- und Erstellung eines eigenen Lehrportfolios als Unterstützung dienen. Unterrichtsforschung, Lehrerbildung, Qualita- Zugleich können diese Leitfragen auch zur Beurteilung von Lehr- tive Forschungsmethoden sowie Hochschul- portfolios herangezogen werden, um die Qualitätssicherung in forschung. Sie beschäftigt sich insbesondere Berufungen zu fördern. Ziel des Artikels ist es, einen praxisnahen mit Portfolios und Lerntagebüchern im schu- lischen Bereich, in letzter Zeit auch im Hoch- Beitrag zur Evaluation und Förderung der individuellen pädago- schulkontext. gischen Qualität durch Lehrportfolios beizusteuern, die sich an Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 29
  • 30. den Bedürfnissen von Autor_innen und Leser_innen von haltet Aussagen zur Qualität sowie Quantität der Lehre Lehrportfolios orientieren. und spiegelt den Lehrprozess des Autors wider. Darüber hinaus wird durch die Einbindung von Selbstreflexionen Was ist ein Lehrportfolio? eigener Lehrhandlungen der Lernprozess veranschau- licht und in einem Zusammenhang zur Lehr-Lernkultur Das Portfolio stammt ursprünglich aus dem Bereich der gestellt, ähnlich den schulischen Lernportfolios (Gläser- „schönen Künste“. Dort dient es mit seinem repräsenta- Zikuda & Hascher 2007). tiven Charakter Künstler_innen und Architekt_innen zur Präsentation ausgewählter Leistungen. Mit Beginn der Wozu kann es dienen? 1980er Jahre wurde das Portfolio zur Präsentation von Leistungen und Fähigkeiten auch im amerikanischen Seit den hochschulpolitischen Reformen gewinnt die Bildungswesen eingeführt. Hierbei erweiterte sich seine Lehrqualifikation in Berufungen und Beförderungen an Funktion um das Lernen in gemeinschaftlicher Verant- Gewicht und führt zur Etablierung verschiedener Qualifi- wortung von Lernenden und Lehrenden (Häcker 2005). zierungsangebote und Qualitätssicherungsinstrumente. Ausgewählte Leistungen wurden um Elemente der Am bekanntesten sind hierbei Studierendenrückmeldun- Selbstreflexion ergänzt (Gläser-Zikuda & Hascher 2007). gen und Lehrbeobachtungen als Fremdevaluationen. Erst zu Beginn der 1990er Jahre fand das Portfolio auch Eine Alternative zu klassischen Fremdevaluationen stellt Einzug in die deutsche Hochschullehre. In Form eines das Lehrportfolio dar. Es gilt sowohl als Lern- wie auch Lehrportfolios wurde es zugleich als Beurteilungs- (Sel- Beurteilungsinstrument. Seine Schwierigkeit liegt aber din 1997) und Lerninstrument (Auferkorte-Michaelis & in der Konfundierung dieser diametralen Funktionen. Szczyrba 2004) genutzt. Das Lehrportfolio ist hierbei ein Der zentrale Gedanke ist, dass Lehren und Lernen auch strukturierter Nachweis des eigenen Lehrens und Ler- durch Probleme und deren Lösungen gekennzeichnet nens, das durch eine reflektierte Auswahl an Dokumen- sind (Thorndike 1930). Zugleich soll das Lehrportfolio ten von verschiedenen am Lehr-Lernprozess beteiligten aber als gradliniges, fehlerloses und bestmögliches Er- Personen gekennzeichnet ist (von Queis 1994). Es bein- gebnisprodukt zur Beurteilung bereitstehen. 1) In seiner Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 30
  • 31. üblichen Funktion gilt daher das Lehrportfolio als sum- Kooperationen zur Lehre angesprochen (Behrens 1997; matives Beurteilungsinstrument, das eine Sammlung Jungen 2001). Das Lehrportfolio dient hier zur gemein- selbsteruierter Lehrinformationen und studentischen samen Erarbeitung von Inhalten. Es führt zu einem ho- Evaluationen als selbstinitiierte Analyse beinhaltet (von hen Öffentlichkeitsgrad und einer Vernetzung von Wis- Queis 1994). Lehrende machen in dieser Sammlung ihre sen aus verschiedenen Fachkulturen (vgl. Abbildung 1). Vorstellungen von Lehre, verwendeten Lehrmethoden und angestrebten Lehrzielen (hidden curriculum) trans- Abbildung 1: Ziele von Lehrportfolios parent und ergänzen eigenverantwortlich die klassische Fremdevaluation. Diese selbstverortete Evaluation stellt die Basis für ein zweites Ziel dar. 2) Die Arbeit am Lehr- portfolio zum selbstgesteuerten reflektierten Lernen. Das Lehrportfolio gilt in diesem Zusammenhang als pro- zesssteuerndes Lernwerkzeug für die Lehre (Szczyrba 2008a). Es führt zur intensiven Auseinandersetzung mit Lehren   Lehrkompetenz   den inhaltlichen Konzepten des täglichen Handlungs- feldes und übergibt die Verantwortung zur Elaboration 4el5stevalua)on  Reflexiv  und Reflexion des Lernprozesses dem Autor (Murphy & Beurteilen   Smith 1992). 3) Aber auch die Lehre mit dem Lehrportfo- Lernen  lio kann als Ziel verstanden werden. Lehrende unterrich- ten auf der Grundlage ihrer zusammengestellten und se- Außendarstellung  !oopera)v  lektierten Materialien (Häcker 2005). Abschließend kann !ommunika)on und !oopera)on  aus diesen drei genannten Zielen (Beurteilen, Lernen und Lehren) auch ein viertes Ziel eruiert werden – die Kommunikation. 4) Sie wird vor allem in der schweize- rischen Lehrerbildungsforschung bei der Förderung von Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 31