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Das Bild auf der Vorderseite zeigt das 1938 vom Kunstmaler Fritz Pümpin aus Gelterkinden ge-
malte Wohnhaus mit dem 1935 dahinter erstellten Neubau einer kleinen Fabrik am heutigen
Standort.
0.2 / DH / 6.04 / ©JRG Gunzenhauser AG & Max A. Tschudin
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Es war einmal... 1. Start
So beginnen viele Märchen. Was ich hier zu Papier bringe, könnte manchmal fast
wie ein solches tönen, ist es aber garantiert nicht. Wie komme ich dazu, mit Erzählen
zu beginnen? Am JRG Jubilarenabend am 26. Oktober 2001 im Engel in Liestal
erwähnte Hansruedi Gunzenhauser bei seiner Begrüssung, dass nebst den in der
Einladung abgebildeten neuen Jubilaren noch ein Jubilar hier sei, Max Tschudin,
Mister Sanipex und Jrgumat, der vor sechzig Jahren, am 1. Oktober 1941 in die Firma
gekommen sei.
Alle klatschten im Saal, ich stand auf und winkte, sagte Danke und sass etwas
benommen ab. Sechzig Jahre. Eine lange Zeit. Wie kam alles? In den folgenden
Tagen gingen mir die sechzig Jahre nicht mehr aus dem Sinn. Sie waren fast greifbar
geworden und ich verspürte einen Drang, die Erinnerungen niederzuschreiben. Bilder
stiegen auf, von Personen, Geschehen, Reisen, Ideenfindungen und ich beschloss,
mit Schreiben anzufangen. Aber wo? Je länger ich den Faden suchte desto mehr
wurde mir bewusst, dass die Wurzel manchen Geschehens oder einer Entwicklung
weit zurück liegen kann. Obwohl es müssig ist sich zu fragen welchen Weg man
gegangen und welche Entwicklung man genommen hätte, wenn man zu einem
gewissen Zeitpunkt eine andere Entscheidung getroffen hätte, will ich versuchen,
den Anfang des roten Fadens zu definieren.
Es ist Herbst 1934. Schulferien. Mit meiner Mutter und einer Bekannten und deren
noch jüngerem Sohn als ich es bin, reisen wir für zwei Wochen in den Auerhahn,
einen kleinen Gasthof in Schlechtbach im Schwarzwald. Bei einer Wanderung nach
Gersbach sehe ich oben auf einem Hügel zum erstenmal zwei Zögling
Schulflugzeuge wie ich sie schon in einer Illustrierten Zeitung gesehen hatte. Ein
Gitterrumpf, zwei gerade Flügel, hinten Steuerflächen und vorne ein offener Sitz. Ich
wartete gespannt darauf wie damit geflogen würde. Endlich setzte sich ein junger
Bursche auf den Sitz, schnallte sich fest, hielt mit der rechten Hand den
Steuerknüppel und hob die Füsse vorne auf einen waagrechten Steuerbalken. Ich
wollte unbedingt sehen was nun weiter geschehen würde und blieb stehen.
Vorne am Flugzeug wurde ein Gummiseil eingehängt und dieses wie ein V nach
vorne ausgelegt. Hinten wurde das Flugzeug von einigen Leuten an einem Seil
gehalten. Je vier Burschen zogen vorne das Gummiseil aus bis sie fast nicht mehr
weitergehen konnten. Dann hörte ich jemanden los rufen, hinten wurde das Seil
losgelassen und vorne rannten die Burschen hügelab und das Flugzeug schnellte
nach vorne und flog über die Köpfe der immer noch Rennenden hinweg von denen
einige zu Boden purzelten. Einige hundert Meter weiter unten setzte das Flugzeug
auf, rutschte noch eine kurze Strecke weit, ein Flügel legte sich auf die Seite und der
Pilot stieg vom Sitz. In den verbleibenden Ferientagen hatte ich noch mehrmals
Gelegenheit den Fliegern zuzuschauen. Ende Ferien war ich entschlossen, später
auch so fliegen zu lernen. Dieser Entschluss sollte nicht nur mein Leben wesentlich
beeinflussen.
Doch zuerst musste nun die zweijährige Handelsschule abgeschlossen werden. Der
Flugbazillus in mir wuchs und ich erfuhr von einem Flugmodell-Baukurs der im Winter
1935/36 im De Wette Schulhaus stattfand. Begeistert baute ich dort mein erstes
Modellflugi und erfuhr von einem älteren Besucher von einer Segelflugzeug
Ausstellung in einer Turnhalle Nähe Münsterplatz. Am nächsten freien Nachmittag
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war ich dort und hautnah bei richtigen grossen Segelflugzeugen. Die Ausstellung
wurde von einem arbeitslosen jungen Ingenieur betreut den ich mir getraute einiges
zu fragen. Von ihm bekam ich ein Anmeldeformular für den Beitritt zur
Segelfluggruppe Basel. Das wars! Ich meldete mich an und wurde als Jungmitglied
aufgenommen. Jedes Wochenende war ich nun auf dem Flugplatz Sternenfeld und
half die Segelflugzeuge aus dem Hangar zu holen und an den Startplatz zu schieben.
Es war ein begeisterndes Erlebnis dabei zu sein, zu helfen, dem Start der Flugzeuge im
Flugzeugschlepp zuzusehen und den Tag im Kreis Gleichgesinnter zu verbringen.
Jeden Dienstag- und Freitagabend von acht bis zehn Uhr war Baubetrieb in einer
Baracke am St. Johann Rheinweg wo die Flugzeuge revidiert und oft auch repariert
wurden. Am 1. April 1936 hatte ich meine dreijährige kaufmännische Lehre bei der
Franz Haniel AG, Kohlenimport und Rheinschiffahrt begonnen.
Mit siebzehn Jahren durfte man mit der Segelflug-Schulung beginnen. Am 31. Juli war
das für mich so weit. Während den Herbstferien war von der Segelfluggruppe ein
Schulungslager in Pleigne ob Soyère im Jura angesagt. Mit Einwilligung der Eltern
durfte ich mich zu diesem anmelden. Meine zwei Ferienwochen des ersten Lehrjahres
hatte ich dafür reserviert. Am 4. Oktober abends sechs Uhr sass ich zum ersten Mal
klopfenden Herzens auf einem Zögling Schulflugzeug am Start, bereit für den ersten
Rutscher. Was für ein Gefühl. Bei einem Rutscher wird das Flugzeug vom Seil der
Autowinde am anderen Ende des Flugplatzes über das Feld gezogen damit man
üben kann mit der Verwindung die Flügel waagrecht zu halten. Nach einigen
erfolgreichen Rutschern wird etwas schneller gezogen und man hebt auf etwa einen
Meter Höhe ab. Der erste wirkliche Flug. Weil wir noch etwa fünf Anfänger waren
gab es für jeden nur etwa 4 bis 5 Starts pro Tag. Gemeinsam musste nach jedem
Start das Flugzeug wieder an den Startplatz geschoben und auch das Drahtseil etwa
600 m weit dahin ausgezogen werden. Abends wusste und spürte man was man
getan hatte. Nach dem Lager ging die Schulung während des Winters 36/37 am
Wochenende auf dem grossen Feld zwischen Rheinfelden und Möhlin, dort wo heute
die Autobahn durchgeht, weiter. Am 26. Dezember 1936 erfüllte ich mit einem Flug
von 55 Sekunden Dauer aus etwa 80 m Höhe und einer sauberen Landung die
Bedingungen zum Brevet A und durfte nun das schöne Abzeichen mit der weissen
Möwe tragen. Irgendwann in diesem Winter kamen Mitglieder der Segelfluggruppe
Sissach mit Autowinde und Grunau Baby zu uns ins sogenannte Wasserloch. Das war
meine erste Tuchfühlung mit Sissach und Rudolf und Ernst Gunzenhauser. Im
Rückblick eine schicksalhafte Begegnung.
Als im Frühjahr auf dem Basler Flugplatz Sternenfeld wieder Flugzeugschlepps
gemacht werden konnten, brachten Rudolf und Ernst Gunzenhauser das für sie von
Karl Haberstich gebaute Segelflugzeug S18, eine schöne, elegante Spalinger
Konstruktion, auf den Platz. Wegen des gemeinsam betriebenen Schul- und
Flugbetriebes der beiden Segelfluggruppen, Basel und Sissach, fusionierte Sissach mit
Basel und Rudolf und Ernst amteten als Fluglehrer auf dem Sternenfeld und flogen
hier ihr S18. Inzwischen hatte auch ich das Segelflieger-Brevet und den
Flugzeugschlepp-Ausweis erworben und so kreiste man manchmal gemeinsam im
gleichen Aufwind. Im Februar 1939 rückte ich in die Flieger-Rekrutenschule nach
Payerne ein. Ende März ging meine Lehre zu Ende und ab 1. Mai arbeitete ich bei
Haniel als kaufmännischer Angestellter weiter. Dann kam die Mobilmachung und am
2. September einrücken in Sursee, Dislokation auf den Feldflugplatz Bleienbach und
bald nach Grandcour, wo ich Rudolf als Motorfahrer Gunzenhauser wieder traf.
Nach der Unteroffiziersschule vom 13.11. bis 9.12. gings zurück nach Grandcour und
dann im März 1940 Dislokation nach Vernier, welcher Ort für Rudolf eine ganz
besondere Bedeutung erlangte weil er dort seine zukünftige Frau, Jacqueline Henry,
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kennen lernte. Es folgten gemeinsame Ablösungsdienste in Domdidier, Lerchenfeld
bei Thun und Kestenholz. Wann es genau war, weiss ich nicht mehr, aber es muss
vermutlich im Frühjahr 1941 gewesen sein als mich Rudolf fragte, ob ich nicht Lust
hätte, zu ihm in die Firma zu kommen. Man brauche jetzt einen kaufmännisch
ausgebildeten Mann auf dem Büro da der bisher nur stundenweise von einem
Treuhandbüro kommende Mann nicht mehr genüge. Es müsse jemand den ganzen
Tag anwesend sein der auch die Telefonanrufe beantworten könne.
Ich erinnere mich noch gut an den sonnigen, warmen Tag an dem ich mit den Velo
nach Sissach fuhr, um mir meinen eventuellen zukünftigen Arbeitsplatz anzusehen.
Nach dem Bahnübergang in Lausen setzte ich mich ins Gras um etwas zu verschnau-
fen bevor ich mich bei der Firma die ich noch nie gesehen hatte, vorstellen sollte.
Bald kam ich zu einem weiteren Bahnübergang und da war ja die Fabrik schon,
gleich am Dorfanfang. Rudolf stellte mich seinem Bruder Hans im grauen
Arbeitsmantel vor und machte mit mir einen Rundgang durch die mir gänzlich unbe-
kannte Arbeitswelt. Die an Transmissionen laufenden Maschinen, die Giesserei,
einfach alles beeindruckte mich sehr und da waren ja noch zwei Bekannte aus der
Fliegerkompanie. Werner Handschin der auch mit mir in der Rekrutenschule war und
Hans Erny, der auch hier das Magazin betreute wie in der Kompanie. Im einzigen,
etwa viermal vier Meter grossen Büro standen zwei Pulte, Rücken an Rücken, ein
Kassenschrank, ein Bigla Block mit Auszugschubladen, ein Bücherkasten voller
Bundesordner und ein Zeichnungsbrett. Durch ein breites Glasfenster konnte man die
ganze Dreherei überblicken. Als ich am späteren Nachmittag wieder nach Basel
radelte war ich bereits entschlossen, die Stelle anzutreten. Bei Haniel war man nicht
erfreut als ich kündigte, doch mich zog es stark aus dem gleichförmigen Handelsbe-
trieb und der Buchhaltung weg, hin zum sicher abwechslungsreicheren und interes-
santen Fabrikationsbetrieb.
Voller Erwartungen und unter dem Arm eine Mappe mit belegten Broten für das
Mittagessen stieg ich am 1. Oktober 1941 in den Bummelzug nach Sissach um meine
neue Stelle anzutreten. Einen kleinen Katalog der hergestellten Armaturen hatte ich
in den letzten Wochen eingehend studiert und mich mit deren Verwendung versucht
vertraut zu machen. So viel es mir eigentlich gar nicht schwer bald telefonische
Bestellungen abzunehmen. Die auf der Schreibmaschine geführte Buchhaltung gab
auch keine Probleme. Bald fühlte ich mich sattelfest in allen anfallenden Arbeiten.
Die gute Ausbildung an meiner früheren Lehrstelle war eine gute Grundlage für
meine hier verlangte Selbständigkeit. Rudolf war meistens im BMW mit
Karbidvergaser unterwegs auf Kundenbesuchen in allen Teilen der Schweiz. Wenn er
heimkam gab er die Bestellungen Hans Erny ins Magazin zur Auslieferung der Artikel
und schrieb dann selbst die Rechnungen. Während der einstündigen Mittagspause
tummelte ich mich überall im Betrieb herum um mich mit allem gründlich vertraut zu
machen. Hinter dem grossen Fenster zum Betrieb stand tagelang Vater
Gunzenhauser an einer kleinen Fräsmaschine und fräste Vierkante an
Ventiloberteilen. Er, der Gründer der Firma war immer noch aktiv und kam hin und
wieder zu einem kurzen Schwatz zu mir ins Büro. Bereits damals hatte man einen
Vertreter im Tessin der bei seinen gelegentlichen Besuchen in Sissach immer
mindestens einen Panetone mitbrachte. Es war ja Kriegszeit und vieles rationiert und
hier nicht erhältlich. Von Zeit zu Zeit kamen auch Säcke voll Kupferblech und
Altmetall aus dem Tessin an. Ein willkommener, wenn auch kleiner Zustupf zu den
Metallvorräten. Die Wochen und Monate vergingen wie im Flug und ich war froh,
den Stellenwechsel gemacht zu haben, auch wenn jeden Tag total etwa eineinhalb
Stunden zur und von der Arbeit anfielen und ich das Mittagessen nur am Pult
einnehmen konnte. Für Essen im Restaurant hätte ich Mahlzeitencoupons benötigt
und Geld gekostet hätte es auch noch. Es kam der sechste Juli 1942. Ein heisser
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Sommertag, als mir Vater Gunzenhauser im Laufe des Vormittags einen grossen Teller
prächtiger Kirschen brachte. Herrlich knackige. Im Büro konnte es recht heiss werden,
auch wenn der grosse Rollstoren gezogen war. Kirschen ass ich als Voressen vor dem
mitgebrachten Kartoffelsalat und wieder zum Dessert. Mit einer Flasche Vivicola
löschte ich im Verlaufe des Tages den Durst. Das hätte ich schlauerweise besser
bleiben lassen. Nach schweren nächtlichen Bauchkrämpfen kam ich am 7. Juli, dem
Geburtstag meines Vaters, ins Spital wo man mir am Abend 1,5 Meter des geplatzten
Dünndarmes herausoperierte. Nach Bauchfell- und Lungenentzündung und drei
Lungenembolien konnte ich Ende August meine Arbeit wieder aufnehmen. Kirschen
meide ich bis heute weitgehend, aber es war ja meine Schuld. Jugendliche
Unvernunft, auf Steinobst so viel zu trinken, das muss ja zu gären beginnen.
Während ich im Spital lag, nahm Ernst Gunzenhauser am Segelfluglager auf Les
Pléiades teil. Bei einem Gummiseilstart erlitt er einen schweren Unfall mit dem Segel-
flugzeug S18 und lag viele Wochen im Spital. Nach der Genesung kehrte er nicht
mehr zur Hispano in Genf zurück sondern kam in die Firma JRG. Er konstruierte für die
bisher mit einem Wald von Riemen angetriebenen Maschinen Einzelantriebe, indem
jeder Drehbank von einem eigenen Elektromotor auf einer Wippe, separat angetrie-
ben wurde. Das bedeutete eine wesentliche Modernisierung der Dreherei. Die ganze
Belegschaft, für welche ich vierzehntäglich die Stempelkarten abzuschliessen und
den Zahltag auszurechnen hatte, bestand aus ca. 22 Mann, inklusive zwei Stifte.
Manchmal kamen Hedi oder Susi Gunzenhauser, die Töchter von Hans zu mir ins Büro
um bei mir Hilfe bei Problemen mit den Schulaufgaben zu holen oder um mit ihnen
Steno zu üben. Hin und wieder lud mich Frau Gunzenhauser zum Mittagessen am
grossen Familentisch ein.
Beim verbuchen der Rechnungen fiel mir auf, dass praktisch keine Kunden aus Basel
vorhanden waren. Ich fragte Ruedi nach dem Grund und er erklärte mir, weil die
Armaturenfabrik Nussbaum in Basel eine Filiale habe bei der die Installateure
Reparaturen machen lassen können, kauften sie dort halt auch was sie an
Armaturen benötigten. Da ich nun mit den von Gunzenhauser hergestellten
Armaturen recht vertraut geworden war, selbst in Basel wohnte, fand ich, hier muss
man doch auch Gunzenhauser Armaturen verwenden. Ich schlug deshalb Rudolf
vor, anstatt am Samstagvormittag nach Sissach zur Arbeit zu kommen,
Samstagsarbeit war zu dieser Zeit noch üblich, in Basel mit dem Velo auf die Reise zu
gehen. Ja gut, mach das, war seine Antwort. Der 13. Februar 1943 war mein erster
Reisetag wie ich aus meinem noch vorhandenen Rapportheft entnehmen kann. Weil
ich auf meinem täglichen Weg von daheim zum Bahnhof stets bei der Firma
Gschwindemann und Sohn, sanitäre Anlagen am Spalenring vorbei kam, machte ich
auch dort meinen ersten Besuch als Reisender der Armaturenfabrik Gunzenhauser in
Sissach. Im Rapportbuch steht: seriöses Geschäft, klagt aber über Auftragsmangel.
Zu insgesamt fünfzehn Installateuren radle ich an diesem Samstagvormittag. Es war
eine interessante Erfahrung und ich durfte feststellen, dass ich überall freundlich
empfangen wurde und man sich wunderte, jemanden von Gunzenhauser zu sehen.
An einen Wechsel denke man nicht, denn mit Nussbaum am Ort sei man gut
bedient. Allen hatte ich den kleinen Katalog und einige Bestellkarten abgegeben
und ihnen meine weiteren Besuche angekündigt. Was Ruedi mir gesagt hatte hörte
ich fast von allen. Der Vormittag hatte mir richtig Spass gemacht und ich freute mich
schon auf den nächsten Samstag. In meiner Stadt muss man doch auch JRG
Armaturen verwenden fand ich. Dazu wollte ich beitragen, auch wenn alle
Besuchten über kriegsbedingten Auftragsmangel klagten. Im Laufe der Zeit dehnte
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ich meine Besuche per Velo bis nach Riehen, Pratteln, Aesch etc. aus. Hin und
wieder bestellte man mir einige Schrägsitzventile, Schnellschlussventile, Gelenke oder
Eck-Sicherheitsventile. Ich lernte viele Leute kennen, hörte viel und lernte auch viel.
Aber steter Tropfen höhlt den Stein und ich fühlte, dass ich bei manchen richtig
willkommen war. Besonders erfreut war ich, wenn ein Basler nach Sissach telefonierte
um etwas Dringendes zu bestellen das ich ihm hin und wieder abends noch
mitbrachte wenn es nicht zu schwer war.
Nach den drei Jahre lang besuchten Abendkursen am Kaufmännischen Verein in
Basel bestand ich im April 1945 die Prüfung zur Erlangung des Fähigkeitsausweises
"Eidgenössisch diplomierter Buchhalter". Die schriftliche Diplomarbeit "Statistik einer
Metallgiesserei und Armaturenfabrik" war in vielen Teilen Vorbild für den späteren
Aufbau des Rechnungswesens und der Betriebsabrechnung bei JRG.
Der Krieg ging vorbei und der Wohnungsbau begann zu wachsen. Die Samstagsar-
beit war auch abgeschafft und so verlegte ich meine Reisetätigkeit auf jeden
ganzen Donnerstag. Nicht mehr mit dem Velo sondern mit einem alten DKW. Ich
begann aus dem Kantonsblatt die Baupublikationen auszuschneiden und in einem
Ringbuch nach Architekten geordnet einzukleben. Zwischendurch ging ich zu den
Architekten um mich zu erkundigen wer die sanitären Arbeiten der publizierten
Bauvorhaben erhalten werde. Oft sagte man mir auch wer alles zur Offertstellung
eingeladen sei, später dann auch wer den Auftrag erhalten habe. Beim Besuch des
Glücklichen konnte ich dann gezielter die JRG Armaturen ins Gespräch bringen. Da
zu jener Zeit noch sehr viele Elektroboiler der Firma Sauter in den Wohnungen
installiert wurden, lieferte Sauter auch gleich die aus Pressmessing hergestellten
COBA Boilergruppen mit. Trotzdem die COBA Ventile sehr preisgünstig waren gelang
es mir mit der Zeit Sauter mit den JRG Gruppen auszustechen. Besonders nachdem
Ruedi selbst die sehr kompakte JUNIOR Gruppe konstruiert hatte. Ich weiss noch
genau wie sie auf der hinter meinem Pult stehenden Zeichenmaschine entstanden
ist. Die Konjunktur zog an, Emil Husi wurde als Konstrukteur angestellt und hatte sein
Büro auf der Laube des Wohnhauses. Alois Koller in Emmenbrücke wurde Vertreter für
die Zentralschweiz während Ruedi noch grosse Teile der Schweiz selbst bereiste. Ein
Neubau drängte sich auf. Ein Verwaltungsgebäude und drei Shed Hallen wurden
1946 erstellt um der steigenden Nachfrage und den Anforderungen in allen Teilen
entsprechen zu können. Während lange in dem von Otto Hürbin betreuten
Detaillager im Keller einfach nachgesehen wurde was fehlte um es rechtzeitig zu
beschaffen oder herzustellen wurde es nun Zeit, die Bewirtschaftung zu organisieren.
Mit der Firma National in Zürich entwarf ich das Konzept und der Kauf der
entsprechenden Buchungsmaschine und der weiteren Hilfsmittel wurde beschlossen.
Der Donnerstag blieb weiter mein Basler Reisetag den ich nun auch auf die Industrie
ausdehnte. Mein Vater arbeitete noch bei der CIBA und erzählte mir eines Tages er
spaziere manchmal nach dem Mittagessen mit Herrn Grütter, dem Einkaufschef und
habe ihm erzählt der Sohn Max arbeite bei der Armaturenfabrik Gunzenhauser. Ich
solle mich doch einmal bei ihm melden, sie bräuchten auch Armaturen, war seine
Antwort. Gesagt getan.
Bei meinem Anruf wurde ich gebeten, mich Montag 9 Uhr zu melden. Der Empfang
war freundlich und Herr Grütter sagte ich solle mich automatisch jeden Montag um
diese Zeit melden, er werde dann sehen was vorliege. Bald zeigte es sich, dass wir
nur sehr wenig der benötigten Armaturen herstellten. Es wurde mir dann gestattet,
mich in den Konstruktionsbüros selbst umzusehen und in Erfahrung zu bringen, was in
den geplanten Anlagen an Armaturen gebraucht und von JRG eingeplant werden
könnte. Damit tat sich für mich ein interessantes Gebiet auf und ich ging in der CIBA
bald ein und aus. In den Anlagen Konstruktionsbüros, dem Normenbüro bei Herrn
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Devecci, der Armaturen Eingangskontrolle wo ich sogar zwei Kollegen aus der Segel-
fluggruppe traf, bei Herrn Wetzel, Werkstattchef Klybeck und Kleinhüningen. Wenn
ich mich am Montag um 9 jeweils ordnungsgemäss beim Portier Herrn Girard
anmeldete hiess es nach der Begrüssung nur "Sie kennen ja den Weg." Das sind jetzt
leider tempi passati. Die gute Alte Zeit! Ein erfolgreicher Artikel entstand aus den ge-
schilderten Kontakten. Reiberhahnen mit Aussengewinde und federbelastetem
Reiber die wir in den Grössen ½" bis 2" herstellen konnten. Ein ganz besonderer Gross-
auftrag kam herein. Filterpresshahnen aus Ebonit. Ein flaches Gebilde, nur etwa 50 mm
breit und mit den Flanschen 250 mm hoch. Jeder einzelne Filterpress Rahmen hatte
auf der Stirnseite einen solchen Umlenk- und Auslaufhahnen. Dort wo das Hochkamin
steht kam auch ein Neubau hin in welchem die Filterpressen auf mehreren Etagen
standen. Der Erstauftrag umfasste sicher etwa 2000 Stück. Wenn das Material
bearbeitet wurde, roch man es in allen Sheds. Aber nebst CIBA hat es ja auch
Sandoz, Geigy und Hoffmann La Roche sagte ich mir. Bald war ich auch bei Herrn
Brüderlin dem Einkaufschef bei Geigy willkommen, es folgte Herr Rigendinger bei
Sandoz und gelegentlich auch Herr Rupp oder Herr Poupon bei Roche. Bei den
Letzteren hatte ich keine so freie Hand wie in der CIBA. Unsere Reiberhahnen mit
Aussengewinde und nach Basler Chemienorm fanden aber bei allen Absatz.
Fliegen muss auch wieder einmal erwähnt werden. Wenn es möglich war, war ich
am Wochenende auf dem Flugplatz, im Segelflugzeug oder als Schlepppilot im
Motorflugzeug. 1951 hatte die Segelfluggruppe eine revidierte Tigermoth aus der
englischen Airforce als Schleppflugzeug gekauft die ich am 22. August 1950 von
Croydon nach Basel überflog. Das gäbe eine Geschichte für sich. Nach dem Krieg
wurde im Sinne der Völkerverständigung von Amerika der Civil Air Patrol Exchange
ins Leben gerufen. Ein Jungfliegeraustausch zwischen Amerika und vorerst westlichen
Nationen. Je sieben Jungpiloten mit Begleiter waren nach USA eingeladen und
sieben Amerikaner gingen ins entsprechende Land. 1953 wurde ich als Begleiter von
sieben jungen Schweizer Segelfliegern auserkoren die als Gäste der US Air Force
reisen konnten. Auch das gäbe einen interessanten Erlebnisbericht der drei Wochen
USA. Als Beispiel der erlebten Grosszügigkeit nur folgendes. Zu jener Zeit lebte noch
meine Grossmutter mütterlicherseits in Philadelphia mit ihren Familienangehörigen.
Diese wollte ich natürlich wenn möglich kennen lernen. Als wir von Urbana
Champain im Mittelwesten in einer DC 3 auf die Mitchel Air Force Base bei New York
geflogen worden waren, an einem Samstag, erkundigte ich mich beim Kommando
ob ich bis Sonntag Urlaub bekäme da ich gerne meine Verwandten in Philadelphia
besuchen möchte und wie ich dorthin käme. Ich sei ja das erstemal in Amerika. Ich
konnte einen Brief meines Cousins, Major der USAF zeigen der mich bat, wenn immer
möglich, doch vorbeizukommen. Man fragte mich wo ich das Gepäck habe. Dort
draussen. Go stick to your luggage war die Antwort. Das tat ich und es ging nicht
lange, kamen der Pilot und Co-Pilot die uns hierher geflogen hatten und fragten
mich are you the guy who wants to go to Philadelphia? Yes that's me antwortete ich.
O.K. come along war die Antwort. In einem Sonderflug brachte mich die US Air Force
als einzigen Passagier nach Philadelphia damit ich meine Leute sehen und kennen
lernen konnte. Sie trugen mir noch den Koffer zur Ankunftshalle, sagten have a nice
weekend, salutierten und gingen zur DC 3 zurück. Die nächsten Stunden werden mir
unvergesslich bleiben. Am Sonntag gings dann per Bahn zum weiteren offiziellen Teil
nach New York zurück. Dieser erste Aufenthalt hatte auch seinen Einfluss auf einiges
das noch folgen wird. Der Umsatz bei JRG wuchs und man war erfolgreich auf dem
Schweizer Markt. Ich pflegte weiterhin die Chemischen, die Installateure und
Architekten in Basel und Umgebung. Von meinem USA Aufenthalt hatte ich unter
anderem ein Exemplar "Plumbing and Heating Journal" mitgebracht das ich noch
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abonnierte um mehr über das Plumbing zu erfahren weil ich gesehen hatte, dass
vieles anders war als bei uns. Herr Brüderlin von Geigy fragte mich bei einem Besuch
ob wir nicht auch Kugelhähne herstellten, denn für diese sei eine grosse Nachfrage
im Betrieb. Leider Nein musste ich antworten. Im Plumbing and Heating Journal stiess
ich auf solche und machte mir meine Gedanken. Ferien im April 1959 führten mich
nach New York wo ich mich bald heimisch fühlte und mir auch aus beruflichem
Interesse entstehende Hochhäuser und deren Installationen ansah. An einer
Industrie-Ausstellung im Coliseum kam ich mit einem Herrn Jamesbury ins Gespräch.
Wir tauschten Visitenkarten und auf seiner stand Jamesbury Valves, Worcester/Mass.
Ich hakte nach, auch ich komme aus einer Valves Fabrik. Wir verstanden uns sehr gut
und er lud mich zu einer Fabrikbesichtigung ein. Das wars natürlich was mir
willkommen war. So flog ich in der nächsten Woche nach Boston und fuhr von dort
mit einem Mietwagen nach Worcester. Die Fabrikanlagen waren etwa doppelt so
gross wie die von JRG. Das Hauptprodukt das hergestellt wurde waren zu meiner
Überraschung Kugelhahnen aller Art und Grösse in Buntmetall und rostfreiem Stahl.
Als ich mich erkundigte ob es möglich wäre die Kugeln und Dichtungen zu beziehen
um sie in von uns herzustellenden Gehäusen in Schweizer-Baulängen einzubauen,
war er interessiert und bat mich, ihm nach meiner Rückkehr in die Schweiz
Bedarfszahlen mitzuteilen damit uns eine Offerte gemacht werden könne. Weitere
Gespräche wären dann aber noch nötig.
An einem Informationsstand im Coliseum hatte ich die neuste Ausgabe des Plumbing
and Heating Journals gekauft. Unter den Inserenten war auch Jamesbury Valves und
eine Firma Watts Regulator Company in Lawrence/Massachusetts welche Druckre-
duzier- und Sicherheitsventile inserierte. Da Lawrence nur etwa 40 Meilen von
Worcester entfernt und der Rückflug erst am späten Nachmittag war, entschloss ich
mich kurzerhand dorthin zu fahren. Gegen zwei Uhr war ich dort und fand die Firma
Watts bald. Sie war in älteren Gebäuden aus dunklen, russigen Backsteinen. Eine
Giesserei musste am Rauch und Geruch auch vorhanden sein. Am Empfang
meldete ich mich bei einer älteren Dame. Ich sei auf der Durchreise, käme aus der
Schweiz und sei auch im Plumbingbusiness beschäftigt und würde sehr gerne sehen
was hier hergestellt werde. Sie wolle sehen sagte sie und rief jemanden an. Bald kam
ein jüngerer Herr und stellte sich als Marketingleiter vor. Nachdem ich ihm einiges
über meine Tätigkeit, die Firma JRG und die Vertriebswege in der Schweiz gesagt
hatte, führte er mich in einen nicht besonders eindrucksvollen Ausstellungsraum. An
den Wänden und auf Tischen waren Druckreduzier- und Sicherheitsventile
verschiedener Grössen und für unterschiedlichen Einsatz ausgestellt und auf Tafeln
beschrieben. Optisch in keiner Weise mit JRG Fabrikaten zu vergleichen. Besonders
begannen mich sogenannte Tempering Valves zu interessieren und ich bat um eine
Dokumentation. Ich sagte meinem Begleiter diese Ventile wären vielleicht etwas das
wir in der Schweiz auf den Markt bringen könnten weil es in unser Verkaufsprogramm
passe. Ob ich Muster und Unterlagen haben könne? Nach einigem Zögern entfernte
er sich und kam bald mit einem ½" Ventil und einem Prospekt zurück. Ich bedankte
mich und versprach, mich bald aus der Schweiz wieder zu melden. Durch eine Türe
liess er mich einen Blick in die Dreherei werfen. Dann verabschiedete ich mich und
suchte den Weg zum Boston Logan Airport wo ich rechtzeitig genug zum Rückflug
nach New York ankam. Ich hoffte, im Besitz von vielversprechenden Unterlagen zu
sein.
An einer Programmsitzung orientierte ich das Gremium über das was ich gesehen
und vernommen hatte. Die Kugelhahen standen mir damals eigentlich im Vorder-
grund weil in der Chemie ein echter Bedarf vorhanden war und man gerne solche in
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den Baulängen der Basler Chemienorm hätte. Unsere Katalogarmaturen waren aber
im Moment Mangelware weil die Fabrikation die grosse Nachfrage nicht befriedigen
konnte. Man war mit Bestellungen überschwemmt und war fast froh, wenn es Annul-
lationen gab. Wie es sich später zeigte war es eine aufgeblähte Nachfrage denn die
Installateure und Eisenhändler gaben ihre Bestellungen bei mehr als einem Lieferan-
ten auf. In der Hoffnung, einer würde schon einmal etwas liefern. Weil das Ende der
jetzigen Situation nicht abzusehen war beschloss man, sich vorläufig nicht mit
Kugelhahnen zu befassen.
Da für Tempering Valves die Anwendungsmöglichkeiten erst noch umfassend son-
diert werden mussten nahm ich mir vor, mir dies fast zum Hobby zu machen. Die
ersten verchromten einstellbaren Mischer wie Kuglostat und Simix waren auf dem
Markt, aber so kleine gussrohe Mischer wie ich sie gesehen hatte, gab es noch nicht.
Darin könnte doch etwas zukunftsträchtiges liegen dachte ich. Ich wollte deshalb
erst einmal sehen, wo was und wie solche neuartigen Ventile verwendet werden
könnten.
Der Watts Prospekt gab einige Hinweise. Aber wie kämen diese in der Schweiz an?
Mit dem einzigen Musterventil, das zudem noch 1/2" Lötmuffen hat, war nicht viel
anzufangen. Ich bestellte deshalb bei Watts noch einige Ventile mit 1/2"
Gewindemuffen und einem Temperaturbereich von 120 – 160°F (49 – 71°C). Dabei
ging es mir hauptsächlich um den in das Gehäuse eingeschraubten Teil mit dem
Thermostaten. Wir müssten eigentlich nur ein Gehäuse konstruieren in das der Einsatz
passen würde und welches allseits Gewinde- oder Lötverschraubungen hätte. Kleine
Rückschlagventile am Kalt- und Warmwassereingang müssten sicher auch
vorhanden sein. Sobald die weiteren Ventile angekommen sind, wollte ich an einer
Programmsitzung einen entsprechenden Antrag stellen.
Ich hatte ja noch eine Menge angestammter Aufgaben und Arbeiten zu erledigen,
sodass ich mich erst nach längerer Zeit erkundigte ob die bestellten Ventile eingetrof-
fen seien. Leider war die Bestellung noch offen. Nach einer schriftlichen Rückfrage
bei Watts trafen die Ventile nach einigen Wochen mit gewöhnlicher Parcel Post ein.
Da das technische Büro sicher nicht auf Arbeit gewartet hatte, muss eine längere Zeit
vergangen sein bis die Zeichnung eines JRG Gehäuses mit Verschraubungen vorlag.
Von der Konstruktion stellte man mir verschiedene Fragen, manche konnte ich
anhand der englischen Unterlagen beantworten, manche aber nicht. Es muss dann
wieder längere Zeit gegangen sein bis ich einige der neu konstruierten Ventile mit
dem eingeschraubten Reguliereinsatz der Originalventile erhalten hatte. Ich erfuhr
auch, dass man beabsichtige mit diesen im Prüfraum Funktionsversuche vorzuneh-
men.
Wenn aus dem Projekt etwas werden sollte, lag der Ball nun hauptsächlich bei mir.
Ich musste und wollte herausfinden wo solche Ventile mit einer fest eingestellten
Temperatur zu verwenden waren. Schliesslich darf man ja nur etwas herstellen für das
ein Bedarf vorhanden ist oder sicher geschaffen werden kann.
Es ist Mustermesse und JRG stellt auf einem Stand von etwa 10 x 5 m Grösse aus. Auf
weissen Tafeln sind alle wichtigen Armaturen montiert. Die JUNIOR Gruppe, roh, ver-
chromt, mit und ohne Unterputzanschlüssen, Sicherheitsventile, Schrägsitzventile,
Waschküchenarmaturen, Schnellschlussventile, was damals eben alles hergestellt
wurde. Es war meine erste Teilnahme an einer Ausstellung. Mich freute es besonders
wenn ich "meine" Kunden und die mir bekannten Planer und Architekten begrüssen
konnte. Ich wollte natürlich auch sehen wer von den anderen Armaturenfabriken
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noch was ausgestellt hatte. Auf einem Rundgang in den Shedhallen, die dort
standen wo sich heute der Bau mit dem Rundhof befindet, betrat ich den Stand der
Firma Schulthess, Waschmaschinenfabrik aus Wolfhausen wo gerade Interessenten
eine Geschirrwaschmaschine erklärt wurde. Ich hörte den Erklärungen zu diesem
neuen Produkt zu. Es fiel mir auf, dass oberhalb der Maschine ein Kuglostat montiert
war, das gleiche Modell wie ich es daheim in der Dusche hatte. Als sich die Leute
verzogen hatten erkundigte ich mich nach dem Zweck des Kuglostaten bei der Ma-
schine. Es wurde mir dann erklärt, dass das Sprühwasser nicht wärmer als 65°C sein
dürfe weil sonst das Eiweiss in den Speiseresten auf dem Geschirr festgebrannt
würde. Ich gab mich als Interessent für eine Geschirrwaschmaschine aus und erkun-
digte mich nach den Preisen. Der Mischer allein machte fast 15% des Preises der
Maschine aus. Im Laufe des Gespräches erfuhr ich, dass man den Mischer hin und
wieder auf eine tiefere Temperatur einstellen müsse weil er sonst wegen Verkalkung
blockieren könnte wenn er stets auf die gleiche Temperatur eingestellt bleibe.
Was ich gehört hatte beschäftigte mich sehr. Und plötzlich hatte es geklickt. Da wäre
doch so ein kleines Mischventil wie ich kürzlich einige Muster erhalten hatte eine
Lösung. Plötzlich muss mich so etwas wie ein Jagdfieber gepackt haben. Ich nahm
mir vor, anhand gezielt gestellter Fragen, Meinungen und Ideen von Installateuren
und Planern anlässlich meiner Kundenbesuche in Basel und Umgebung zu sammeln.
Nach zahlreichen interessanten Gesprächen fasste ich die Informationen, wie nach-
stehend aus dem bei mir immer noch vorhandenen Originalbericht wiederholt, wie
folgt zusammen:
"Bericht über Marktuntersuchung für neu zu lancierende Armatur"
Die Umfrage bei ausgewählten Installateuren und Sanitärplanern hat folgendes
ergeben:
1. Es besteht ein lebhaftes Interesse
2. Ab sofort besteht schon ein ansehnlicher Markt für das Ventil beim Einbau von
Geschirrwaschmaschinen. Für diese wird eine konstante Temperatur von 65°C
verlangt. Bis jetzt musste für jede Geschirrwaschmaschine ein teurer Kuglostat
oder Simix angeschafft werden. Da der Detailverkaufspreis für eines der neuen
½" Ventile etwa Fr. 40.– betragen dürfte, bietet es allein schon von der
Preisseite her einen gewaltigen Vorteil.
3. In der normalen Wohnungsinstallation bieten sich ebenfalls verschiedene An-
wendungsmöglichkeiten. Anstelle eines regulierbaren Mischventils könnte z.B.
in einer Duschenanlage ein auf 40° fest eingestelltes Ventil montiert werden,
sodass die Temperatur durch Beimischung geringer Mengen Kaltwasser regu-
liert werden kann. Infolge der kleinen Temperaturdifferenz zwischen Mischwas-
ser und Kaltwasser sollten sich eventuelle Druckunterschiede kaum mehr be-
merkbar machen.
4. Bei Duschenanlagen in der Industrie wären Installateure sogar bereit, zu jeder
einzelnen Dusche ein derartiges Ventil zu montieren, da zentrale Kuglostaten
oder Leonhardmischer sehr störungsanfällig sind und dann jeweils die ganze
Duschenanlage in Mitleidenschaft gezogen wird.
5. Das Ventil sollte mit Aussengewinden und Verschraubungen angeschlossen
werden können.
6. Eine Unterputzausführung ist ebenfalls erwünscht.
7. Es ist zu prüfen, ob eventuell auf der Warmwasserseite ein Filter und auf der
Kaltwasserseite ein Rückschlagventil kombiniert werden könnte.
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8. Gemäss einer Herrn Husi seitens Herrn Bader, Präsident der TK des SSIV zuge-
gangenen Information dürfte die Entwicklung in der Warmwasser-Versorgung
bis in einigen Jahren soweit sein, dass diese aus Wirtschaftlichkeitsgründen
durch Mischwasser erfolgt.
9. Das technische Büro wird der Prüfstelle in Zürich je ein amerikanisches ½" und
¾" Ventil zur Prüfung einsenden.
10. Damit wir uns selbst ein Urteil über die Arbeitsweise machen können, wäre em-
pfehlenswert, in einer Versuchsanlage bei uns ein Ventil einzubauen.
Die Firma Rosenmund Basel wird dieser Tage bereits ein ½" Originalventil bei einer
Geschirrwaschmaschine versuchsweise einbauen.
Es scheint mir, dass nach Abklärung aller Fragen mit einem derartigen Ventil
bestimmt eine neue, interessante Armatur geschaffen werden könnte.
Eine soeben noch mit Herrn Walter Bogenschütz, Sanitärtechnisches Büro, geführte
Unterredung hat ergeben, dass er einer solchen Armatur vom installationstechni-
schen Standpunkt aus eine sehr grosse Zukunft gibt. Er wäre sofort bereit, in allen
seinen Projekten pro Wohnung eine derartige Armatur vorzusehen. Er hat mir vertrau-
lich mitgeteilt, dass er nächstens ein Projekt für 600 Wohnungen ausarbeiten werde.
Er wünscht baldmöglichst alle technischen Unterlagen und Angabe wann Lieferun-
gen erfolgen könnten.
Herr Kurt Jost, Chef der Installationskontrolle des Gas- und Wasserwerkes Basel be-
trachtet die Armatur als interessante und wichtige Bereicherung zur sich laufend ent-
wickelnden Installationstechnik. Auch er ist der Ansicht, dass die Führung von Misch-
wasserleitungen in absehbarer Zeit zur Selbstverständlichkeit werde. Er wundert sich,
warum eigentlich bis heute noch nie jemand auf die Idee der ihm vorgelegten
Armatur gekommen sei.
(Datum des Originalberichtes 19.9.1960)
Irgendwann hatte ich mich bei der Firma Schulthess Wolfhausen zu einem Besuch
angemeldet um ein Muster unseres Mischventiles zu zeigen. Ein langes und ausführli-
ches Gespräch mit Herrn Gasser war für uns beide sehr informativ.
Auch dieser mir noch vorliegende Original Gesprächsbericht lautete wörtlich wie
folgt:
Schulthess Wolfhausen (Herr Gasser)
Für die neue Geschirrwaschmaschine sucht die Firma Schulthess ein einwandfreies
Mischventil. Es hat sich bereits gezeigt, dass der Kuglostat, der schon ausprobiert
worden ist, ungeeignet ist, da er bei ständig gleichbleibender, fest eingestellter Tem-
peratur nach einiger Zeit nicht mehr arbeitet. Die Geschirrwaschmaschine arbeitet
mit drei Temperaturen, mit 50°, 60° und 70°. Sie besitzt einen kleinen Durchlaufboiler
von einigen Litern Inhalt, der nach Ansteuerung durch die Lochkarte das Wasser auf
50, 60 oder 70° aufheizt. Das Mischventil soll diesem Schnellheizboiler Wasser mit 50°
zuführen, das dann entweder direkt in die Geschirrwaschmaschine geht oder noch
um 10 respektive 20° aufgeheizt wird. Die Firma ist an unserem Mischer ausserordent-
lich interessiert, da er sich auch seiner Kleinheit wegen sehr gut für den Einbau
eignet. Die Firma will auf jeden Fall einen Mischer fest in die Maschine einbauen
damit sie ein erprobtes Fabrikat liefern kann und sich der Private nicht noch mit der
Anschaffung eines Mischventils befassen muss.
Für eine spätere Entwicklung habe ich einen 3-Element-Mischer vorgeschlagen.
Wenn die Geschirrwaschmaschinen an Orte kommen wo jederzeit reichlich heisses
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Wasser zur Verfügung ist, so kann dann der Schnellheizboiler mit all seinen Zutaten
weggelassen werden. Dieser ganz neue Mischer müsste drei Elemente haben, je
eines für 50, 60 und 70°. Durch ein von der Lochkarte aus gesteuertes Dreiwegventil
würde dann jeweils das Boilerwasser welches aus der Hausleitung kommt, wahlweise
einem der drei Elemente zugeleitet werden, welches dann das Wasser auf die nötige
Temperatur heruntermischt. Für den Moment ist das aber noch Zukunftsmusik, doch
ist die Firma an meinem Vorschlag sehr interessiert, da er für diese Fälle eine wesentli-
che Verbilligung der Maschine erbringen könnte. Ich schlage deshalb vor, dass wir
uns bereits in nächster Zeit studienhalber mit einer solchen Konstruktion befassen.
Möglichst auch mit dem dazugehörenden Dreiwegventil. Schulthess stellt bis in ca. 14
Tagen eine Geschirrwaschmaschine in ihrer Kantine auf und möchte die einfache
Ausführung unseres Ventils in der Maschine zu Versuchszwecken montieren. Es ist zu
prüfen, ob wir in das Ventil die OCEAN-Einsätze einfügen können, andernfalls
müssten wir ein neues Gehäuse anfertigen. Da in nächster Zeit einige weitere Ventile
von Watts aus USA kommen, verfügen wir wieder über Einsätze, die in das kleine
Mischventil passen. Wir müssen diese Angelegenheit mit Schulthess initiativ behan-
deln, da ein sehr interessantes Geschäft daraus entstehen könnte, wenn wir uns rich-
tig an den Laden legen.
Im Mustermessekatalog hatte ich entdeckt, dass die Verzinkerei Zug auch eine
Geschirrwaschmaschine ausstellte. Leider sah ich das erst längere Zeit nach der
Messe. Ich meldete deshalb auch Zug meinen Besuch an und gebe hier ebenfalls
meinen Original-Gesprächsbericht wieder:
Verzinkerei Zug (Herr Brönnimann)
Die Verzinkerei Zug hat eine Geschirrwaschmaschine in Konstruktion, die sie an der
Mustermesse erstmals gezeigt hat. Lieferungen können aber erst ab Ende Jahr erfol-
gen. Es werden aber heute auf dem Prüfstand die verschiedenen Mischventile wie
Kuglostat, Simix, Eurotherm und ein Danfoss-Ventil ausprobiert. Da Zug entweder ein
solches Ventil fest einbauen will oder den Installateuren das Fabrikat vorschreiben
wird. Herr Brönnimann ist an unserem Ventil sehr interessiert und er möchte baldmög-
lichst 1-2 Muster erhalten um das Ventil auf dem Prüfstand einem Dauerversuch zu
unterziehen. Sobald die Muster vorhanden sind wird auch geprüft, auf welche Art
das Ventil am einfachsten eingebaut werden kann. Eventuell müsste das Gehäuse
geändert werden, da aus Platzgründen der Kalt- und Warmwassereingang eventuell
von vorne, d.h. rechtwinklig zu den jetzigen Eingängen sein müsste. Da jedoch
bedeutende Stückzahlen in Frage kommen werden, spielt das für uns fabrikatorisch
keine sehr grosse Rolle. Eventuell könnten auch Lötanschlüsse oder Bördelanschlüsse
für Kupferrohre in Frage kommen. In den nächsten zwei Wochen sind deshalb Herrn
Brönnimann ein bis zwei Ventile für die Versuche zuzustellen. Die Sendung ist an ihn
persönlich zu adressieren. Da Lieferungen von Geschirrwaschmaschinen noch nicht
erfolgen, steht uns somit noch genügend Zeit zur Verfügung, um ins Geschäft zu
kommen, respektive das Ventil den Wünschen von Zug anzupassen, sobald alle
vorgängigen Fragen abgeklärt sind.
Dieser Besuch führte später zu einer Kettenreaktion von Geschäftsverbindungen und
lukrativen Geschäften von JRG. Weshalb das der Fall war erwähne ich kurz nachste-
hend.
Im Empfangsraum der Verzinkerei Zug musste ich sehr lange warten bis ich zu Herrn
Brönnimann gehen konnte. Auf einem Tisch lag der "Zuger Rötel", die Hauszeitung der
Firma. In einem Artikel über ihre Aktivitäten las ich, dass sie ihre Vertretung der
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Ingenieurfirma TA Tour Agenturer AB in Stockholm übertragen habe. Da JRG auch
beabsichtigte zu exportieren dachte ich mir, wenn Tour Agenturer für die Verzinkerei
gut ist, könnte sie das auch für JRG sein. Also notierte ich mir die Firma um ihr
nächstens zu schreiben. Darauf werde ich etwas später zurückkommen.
Die Möglichkeiten die sich für das Mischventil bei Schulthess und Zug abzeichneten
sahen vielversprechend aus. Da beide Firmen einen sehr grossen Absatz ihrer Maschi-
nen planten passte es mir nicht, dass wir die Reguliereinsätze aus den USA importie-
ren müssten und deshalb sehr von Watts abhängig wären. Dazu kam die Preisfrage.
Bis jetzt hatten wir die kompletten Tempering Valves in kleinen Stückzahlen gekauft,
nur um die Reguliereinsätze verwenden zu können. Eine Offerte für diese allein
musste umgehend verlangt werden. Als nach einigen Wochen eine solche eintraf,
passte mir diese gar nicht. Zum damaligen Dollarkurs kam ein Stück auf rund Fr. 12.–
zu stehen. Das Kernstück war der kleine Thermostat und zu ihm kamen lediglich
einige Decolletageteile. Den Hersteller des Thermostaten müsste man kennen. Watts
war natürlich nicht gewillt, diesen bekannt zu geben. Im Plumbing and Heating
Journal waren natürlich viele Hersteller aufgeführt, aber keiner für Thermostaten. Um
nicht plötzlich ohne Einsätze zu sein, liess ich 50 solche für "Versuchszwecke" bestellen.
Auf der Reise in Basel fragte man mich hin und wieder wann die Kleinmischer
erhältlich seien, man habe eine Geschirrwaschmaschine anzuschliessen. Bei einem
Besuch bei Herrn Defila in dem mir bekannten Konstruktionsbüro in der Ciba wurde
ich gefragt, ob wir Dampf/Wassermischer herstellen würden. Man verwende solche
von der Firma Powers Regulator Company in Skokie, Illinois, hätte aber wegen des
Service lieber einen näher gelegenen Lieferanten. Ich musste Herrn Defilla einen ab-
schlägigen Bescheid geben, notierte mir aber den von ihm genannten Lieferanten.
Wegen den sich abzeichnenden Möglichkeiten fühlte ich mich wie unter einem Zug-
zwang. Das Kernstück der Mischventile war ja der kleine Thermostat, dessen Herkunft
aber noch völlig im Dunkeln lag. Das Plumbing and Heating Journal ging ich immer
wieder gründlich durch um eventuell Hinweise zu finden. Einige mögliche Firmen
hatte ich mir schon notiert. Dole in Morton Grove, Flexonics in Oak Park, Beardsley
and Piper und nun kam noch Powers auf die Liste. Alle diese Firmen lagen in der
näheren oder weiteren Umgebung von Chicago.
Bisher hatte ich nur mit einigen Sanitärplanern in Basel gesprochen, wollte mich nun
aber noch mit einer sehr kompetenten Firma unterhalten. Ich wusste, dass die Firma
Herrmann Meier in Zürich eine solche war. Ich rief deshalb einmal an und verlangte
kühn den Chef, Herrn Meier, persönlich. Ich orientierte ihn kurz über unser kleines
Mischventil und erkundigte mich über seine Ansicht bezüglich Mischwasser in der
Hausinstallation. Wenn ihr da etwas Zuverlässiges bringen könnt, gratuliere ich jetzt
schon dazu war sein Kommentar. Nach diesem Telefon war mein Entschluss gefasst.
An dieser Stelle muss es einmal gesagt sein. Die Berichte über meine Aktivitäten und
die bei Kundenbesuchen erhaltenen Informationen und gemachten Erfahrungen
und meine Schlussfolgerungen gingen jeweils an alle Mitglieder der Pro-
grammkommission. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass man sich je über das
weitere Geschehen erkundigt hat. Man hat mir nie gesagt, was oder wie ich etwas
machen solle. Es war ja schön, dass ich das tun und lassen konnte, was ich für richtig
und angemessen hielt und damit auch meine Ideen zu verwirklichen in der Lage war.
Nachträglich ein Dankeschön dafür.
Am nächsten Tag buchte ich kurzerhand einen Flug via New York nach Chicago.
Auf meine privaten Kosten. Ich hatte etwas im Kopf und nicht in den Füssen! Entwe-
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der war ich mit meinem Vorhaben erfolgreich oder nicht. Es war Dezember, also
nicht gerade eine schöne Reisezeit aber das störte mich nicht. Das Risiko nahm ich
auf mich. Einzig Paul Armbruster sagte ich, dass ich etwas suche und eine Woche auf
meine Kosten nach Amerika gehe. Weiter nichts.
Chicago empfing mich in tiefstem Winter. Ich hatte mir ein Zimmer im Hotel Conrad
Hilton an der Michigan Avenue reservieren lassen und war nun gespannt, was die
nächsten Tage bringen würden. Als erstes erstand ich am Kiosk in der Hotel Lobby
einen Stadtplan der auch die weitere Umgebung zeigte, denn die Stadt war mir ja
fremd. Anhand meiner Unterlagen stellte ich die Reihenfolge der zu besuchenden
Firmen zusammen, indem ich deren Standort auf dem Plan suchte und dann über-
legte, wie ich dorthin kommen konnte. Es schien, dass ich mit dem Netz der Hoch-
bahn, der "Elevated", gut bedient war. Taxis waren ja schliesslich auch noch vorhan-
den.
Zuoberst auf der Liste stand die Powers Regulator Company in Skokie, wohin auch
die Elevated fuhr. Meinen Besuch hatte ich nicht angemeldet denn ich dachte
wahrscheinlich, dass man an einem Montag Mitte Dezember einfach im Geschäft
sein wird. Die genaue Adresse hatte ich aus dem Telefonbuch im Hotel. Mitte Vormit-
tag, Montag den 12. Dezember, meldete ich mich am Empfang von Powers, sagte
ich käme aus der Schweiz und möchte mich über die Produkte informieren lassen.
Wegen des Gesprächs über Dampf/Wassermischer in der Ciba hatte ich ja einen
Gesprächsstoff bereit. Die Dame am Empfang heftete mir einen Besucherausweis an,
worauf mich eine weitere Dame bat, ihr zu folgen. Durch einen mit weichem hell-
blauem Spannteppich ausgelegten breiten Gang wurde ich in ein geräumiges Büro
zu Mrs. Roberts geführt. Sie kam hinter einem grossen Schreibtisch hervor und
begrüsste mich freundlich. Sie sagte sie kenne die Schweiz etwas und fragte mich
nach meinem Anliegen. Ich orientierte sie über JRG, das Fabrikationsprogramm und
die Verbindungen mit der Chemischen Industrie, deren Anfrage nach Dampf/Wasser
Mischern und dem Wunsch nach einer näher gelegenen Bezugsquelle und Service-
Stelle für diese. Frau Roberts hörte mir aufmerksam zu und führte mich in einen gedie-
gen ausgestatteten Ausstellungsraum wo ich die hergestellten Produkte ansehen
konnte. Es waren fast ausnahmslos pneumatisch und hydraulisch betätigte Ventile
von Grösse ½" bis etwa 3". Alle mit Antrieb über ein Membrangehäuse. Ich fragte
nach thermostatisch gesteuerten Ventilen worauf sie mir Ventile mit einer Kupferrohr-
spule zeigte. Frau Roberts bat einen Herrn der sich zu uns gesellt hatte, mich kurz
durch die Fabrikationsräume zu führen. Nach einem schnellen Rundgang blieben wir
vor einer grossen Prüfanlage für die Ventile mit den Kupferrohrspulen stehen. Die
Spule sei mit Gas gefüllt das sich je nach Temperatur ausdehne und eine sehr feine
Temperaturregulierung erlaube, was ich an Kontrollthermometern verfolgen konnte.
Zurück im Büro von Frau Roberts kam ich auf die Dampf/Wasser Mischer zurück und
erfuhr, dass diese nur ein begrenztes Einsatzgebiet hätten und ihres Wissens nicht
nach Europa exportiert würden. Da in der Ciba sicher auch kein grosser Absatz zu
erwarten war, wusste ich bereits, was ich Herrn Defila sagen wollte.
Im weiteren Gespräch erkundigte ich mich, ob nicht auch Mischventile mit kleinen
Elementen hergestellt würden und zeigte ein solches Element das ich mitgenommen
hatte. Nein, solche würden von Powers nicht hergestellt sagte Frau Roberts. Das sei
ein sogenanntes Vernatherm Element das in der Automobil Industrie und in kleinen
Wasserarmaturen verwendet werde. Ich horchte auf. Ob sie wisse, wo solche
Elemente hergestellt würden fragte ich. Das müsste eine Firma der American
Standard sein, Detroit Controls oder so ähnlich heisse diese. Ich notierte alles. Toll,
dachte ich, das muss es sein. Ich bedankte mich für den freundlichen Empfang und
die erhaltenen Informationen, trotz des unangemeldeten Besuches. That's fine, you
are welcome, have a successful trip sagte Mrs. Roberts. Das wars. Auf der Rückfahrt
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in der "Elevated" staunte ich darüber, wie eigentlich bisher alles fast wie am
Schnürchen gelaufen war. Die Nennung der Firma Powers Regulator in der Ciba war
fast wie ein Sesam öffne dich gewesen. Bisher. Ich wusste nun einiges mehr, war aber
noch nicht an meinem gesetzten Ziel.
Detroit Controls, das muss eine Firma in Detroit sein. Dann also auf nach Detroit. Am
Airlineschalter im Hilton buchte ich für Dienstagvormittag einen Flug dorthin und
sicherheitshalber für Mittwochnachmittag zurück nach Chicago. Nachdem ich mich
bei einem kurzen Lunch aufgewärmt hatte, ging ich trotz der Kälte, es waren sicher
minus 12° Celsius, etwas auf Entdeckungsreise in der näheren Umgebung. Der
Himmel ist blau, die Sonne scheint, aber ein eiskalter Wind bläst über den eis-
bedeckten Lake Michigan sodass ich bald wieder ins warme Hotel zurückkehre. Am
Dienstag lande ich am späteren Vormittag auf dem Willow Run Airport in Detroit. Ich
fühle heute noch fast hautnah wie ich dort in einer Telefonkabine sitze und im
Telefonbuch blättere bis ich Detroit Controls gefunden habe. Genau hiess es Detroit
Controls Division, 5900 Trumbull Ave. Detroit 8, Mich. Tel. TR2-0300. Klopfenden
Herzens rufe ich an und sage einer sympathischen Stimme wo ich herkomme, und
was ich suche. Please hold on höre ich, dann meldet sich ein Mr. Walker. Ich sage
nochmals ich käme aus der Schweiz und interessiere mich für Vernatherm elements.
Ob ich am Nachmittag vorbeikommen könne fragte er mich, was ich erfreut
bejahte. Per Taxi fuhr ich nach downtown zum Hotel Sheraton. Bereits um ein Uhr
melde ich mich bei Detroit Controls und werde zum Büro von Harold L. Walker,
Manager Industrial Sales geführt. Ich erzähle ihm ausführlich über JRG und die
hergestellten Armaturen und für was ich mich sehr interessiere.
Ich erfahre, dass Detroit Controls zu American Standard gehöre, hier etwa 800 Leute
beschäftigt seien, was hergestellt werde gehe vorwiegend in die Automobilindustrie.
Das von mir vorgezeigte Muster gehe in verschiedenen Varianten an Zulieferfirmen
und an kleinere Firmen für andere Anwendungen. Auf einem ausgedehnten
Rundgang konnte ich in allen Details sehen wie diese Elemente hergestellt wurden,
erfuhr, dass das Wichtigste daran die spezielle Kupferpulver/Wachs Mischung sei, die
je nach verlangtem Temperaturbereich im Labor durch langwierige Versuche
bestimmt und in der Produktion laufend getestet werden müsse. Ich sah noch
kleinere, aber auch viel grössere Elemente. Mr. Walker erklärte mir ausführlich den
Aufbau und die Arbeitsweise, die Einsatzgrenzen etc.
Ich begriff, dass bei JRG ein ganz neues Betätigungsfeld möglich werden könnte.
Nach etwa zwei Stunden stellte er mich Jack Gould, Product Manager Vernatherm
vor. Jack sei der Mann, der sich in Zukunft meiner Fragen und Anliegen annehmen
werde. Ich bedankte mich bei Mr. Walker der an eine Sitzung gehen musste.
Jack Gould wiederholte ich in etwa was ich zu Anfang Mr. Walker gesagt hatte.
Nach einiger Zeit meinte er, well, just call me Jack, that's much easier. O.K. I'm Max,
that's fine Jack. Ich hatte den Eindruck, dass von Anfang an die Chemie zwischen
uns beiden stimmte. Dass dies so war zeigte sich später immer wieder wenn er dafür
sorgte, dass von mir bei späteren Besuchen vorgebrachte Anliegen umgesetzt
wurden. Besonders wenn wir Temperaturbereiche wünschten die es noch nicht gab.
Er fragte mich nach meinen weiteren Plänen und schlug vor, dass ich morgen noch-
mals zu ihm kommen solle. Als ich bat, mir ein Taxi kommen zu lassen um zum Hotel zu
fahren meinte er, I am your driver. Kaum eingestiegen sagte er ich wohne in der
Nähe, wir gehen dort vorbei und nehmen einen drink. Gut dachte ich bei mir. Seine
Frau Ann begrüsste mich sehr freundlich und bald war ein angeregtes Gespräch im
Gange. Weil alles so unkompliziert war sagte ich irgendwann let's have supper
together. I would like to invite you. The choice of the place is yours. I'm here the first
time. O.K. sagte Jack, wir gehen in das Top of the Flame. Das Restaurant war down-
town, in der Nähe des Detroit Rivers, zuoberst im etwa dreissigstöckigen Gebäude
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der Gasindustrie, von wo man einen wunderbaren Rundblick auf die Lichter des
nächtlichen Detroit und dessen Umgebung hatte. Nach dem Essen bat mich Jack,
am Mittwoch auf 10 Uhr nochmals zu ihm ins Werk zu kommen. Er habe mir noch wei-
tere Muster und Unterlagen. Er werde mich dann auch zum Flugplatz Willow Run
fahren.
Viel war heute geschehen, meine Hoffnungen und Erwartungen waren mehr als er-
füllt worden. Alles hätte nicht besser gehen können. Als ich mich am anderen Tag
wie vereinbart bei ihm meldete, lagen bereits verschiedene kleine Elemente, Daten-
blätter und ein ½" Mischventil für mich bereit. Da noch genügend Zeit war bis zu
meinem Abflug um 1 Uhr, machten wir noch einen Rundgang durch Entwicklungs-
und Prüfräume wo die Mischungen aus dem speziellen, aus Erdöl gewonnenen
Wachs und Kupferpulver bestimmt wurden, um die Anforderungen an die Elemente
bezüglich Ansprechtemperatur, Schnelligkeit, Hub, für unterschiedliche Temperatur-
bereiche zu erfüllen. Ich war überzeugt, dass sich mit all den sich nun bietenden
Möglichkeiten daheim ein weites Entwicklungsfeld auftun werde. Am Flugplatz ver-
abschiedeten wir uns wie alte Freunde. Am späten Nachmittag zurück im Zimmer des
Hotels, konnte ich endlich meine Notizen ordnen und durch das Gehörte und
Gelernte ergänzen. Was würde wohl in Sissach daraus gemacht werden können
oder wollen?
In der Nacht erwachte ich schweissgebadet und mit starken Kopfschmerzen. Das
Zimmer war überhitzt und das Schiebefenster liess sich nicht bewegen, da es festge-
froren war. Ich fühlte mich recht lausig. Aspirin oder sonst ein Medikament hatte ich
nicht bei mir und um diese nächtliche Zeit war auch im kleinen Drugstore in der
Hotelhalle nichts mehr zu kaufen. Im Laufe der Nacht bekam ich noch Schüttelfrost.
Auf meiner Besuchsliste hatte ich noch zwei Firmen die ich vorgesehen hatte zu be-
suchen. Aber wozu eigentlich, ich hatte ja eigentlich gefunden was ich wollte und
mehr könnte man mir sicher auch nicht bieten als es Detroit Controls tun wird.
Nach einem Frühstück im Coffee-Shop und den gekauften Aspirin ging ich wieder ins
Zimmer. So wie ich mich fühlte, hatte ich sicher etwa 38 bis 39° Fieber. Da ich morgen
am Freitag nach New York fliegen, dort umsteigen und gleichentags mit der Swissair
weiter nach Zürich zu fliegen gebucht hatte, sollte ich das nun bei den Airlines noch
rückbestätigen. Zuerst wollte ich aber noch einem bekannten Paar aus Basel, das
zurzeit in Cleveland wohnte, anrufen. Als sie vernahmen wie mein gesundheitlicher
Zustand war, rieten sie mir dringend ab den Flug anzutreten, denn ich könnte ja eine
Lungenentzündung haben, die nicht vernachlässigt werden dürfe. Ich solle die Heim-
reise verschieben und anstatt nach New York zu ihnen nach Cleveland kommen, wo
sie sich meinem Zustand mit den richtigen Mitteln annehmen könnten. Das tönte mir
nicht schlecht und war sicher vernünftiger als noch die Reisestrapazen in meinem
Zustand auf mich zu nehmen. Auf die paar Tage kam es sicher auch nicht mehr an.
Ich sagte zu und buchte nach dem Gespräch den Flug am Freitag von Chicago
nach New York um auf Chicago nach Cleveland. Den Rest konnte ich noch offen
lassen. Irgendwie verging die Zeit und ich erreichte am Freitag Cleveland recht an-
geschlagen. Meinen Bekannten hatte ich die Ankunft noch telefoniert, sodass sie
mich am Flughafen in Empfang nehmen konnten. Es war ein besseres Gefühl, bei
ihnen im Gästezimmer mit 39,6 ° Fieber im Bett zu liegen, als im Flugzeug zu sitzen.
Von meinem Bett aus sah ich durch die offene Türe auf einen Fernseher im anderen
Zimmer. Irgendwann wurde eine Sondernachricht angezeigt. Über New York waren
zwei Passagierflugzeuge zusammengestossen. Eine DC 8 der United Airlines aus
Chicago mit einer Super-Constellation der TWA. Die DC 8 stürzte auf Brooklyn, die
Constellation auf Staten Island. Es waren schaurige Bilder zu sehen, von Häusertrüm-
mern, Rauch, Flugzeugteilen und Leuten die im Chaos beschäftigt waren. Einzig ein
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Knabe habe in der DC 8 schwer verletzt überlebt. Der grosse Schock kam bei mir, als
ich die Flugnummer der DC 8 hörte. Das wäre ja mein Flug gewesen, wenn ich nicht
umgebucht hätte. Ich wäre darin gesessen, wenn ich nicht krank geworden wäre,
wenn man mir nicht geraten hätte nach Cleveland zu kommen, wenn, wenn,
wenn.... Man versuche sich vorzustellen was alles anders geworden wäre, was nicht
geschehen wäre, welche anderen Wege manche Entwicklung genommen oder gar
nie stattgefunden hätte. Wie vieles und wie viele davon betroffen gewesen wären.
Schicksal, dem ich heute noch dankbar bin. Es ist aber nach vielen Jahren immer
noch ein ganz besonderes Gefühl, sich an diesen 16. Dezember 1960 zu erinnern.
Mit Medikamenten, Tee und Bettruhe besserte sich mein Zustand nach einigen
Tagen. Ich muss wahrscheinlich knapp an einer Lungenentzündung vorbeigekom-
men sein. Nochmals Glück gehabt. Das Schicksal hat es mit mir wirklich gut gemeint.
Da es knapp vor Weihnachten war, beschloss ich, über die Festtage noch zu bleiben,
um einmal diese Tage hier erleben zu können. Als es mir besser ging rief ich Sissach
an um zu melden, dass ich noch am Leben sei und zum Jahresanfang wieder dort
sein werde.
An einer extra einberufenen Sitzung anfangs Januar 1961 informierte ich über mein
so weit erfolgreich beendetes Vorhaben und legte Skizzen, Pläne und alle erhaltenen
Muster vor. Ich hatte einen schematischen Leitungsplan eines Mehrfamilienhauses
gezeichnet und darin die noch zu entwickelnden Mischventile so eingetragen, wie
ich es mir nach den erworbenen Kenntnissen vorstellte. Als Namen für diese
wünschte ich die Bezeichnung JRGUMAT. JRGU für J.R. Gunzenhauser und MAT für
die Initialen meines Namens Max August Tschudin. Dem wurde zugestimmt. Im Tech-
nischen Büro wurde Kurt Marti bestimmt, sich mit der Konstruktion der Mischventile zu
befassen. Meine Ideen und Informationen solle ich ihm direkt und persönlich geben
wurde vereinbart. Ruedi Gunzenhauser meinte noch, ich hätte doch sagen können,
dass ich etwas in Amerika suchen gehen wolle. Ich erwiderte, dass ich von meiner
Idee und den sich abzeichnenden Möglichkeiten so erfüllt und getrieben gewesen
sei, dass ich auch das finanzielle Risiko eines Misserfolges oder Erfolges einfach selbst
habe auf mich nehmen wollen. Ich war nicht so verwegen gewesen, meine Absicht
vorzulegen und zu riskieren, dass man mir abgeraten hätte. Im Dezember etwas in
Amerika suchen gehen, das ist doch verrückt. Meine Auslagen wurden mir anstands-
los vergütet.
Jetzt, wo die Quelle der thermostatischen Elemente bekannt war und bereits eine
gute persönliche Beziehung dorthin ebenfalls bestand, konnte zielstrebig gehandelt
werden. Anstelle der provisorischen Gehäusekonstruktion für die von WATTS fertig ge-
kauften Reguliereinsätze, musste eine total neue Konstruktion gemacht werden. Ab-
nehmer standen ja schon in der Warteschlange. Vorab Schulthess Wolfhausen. Es
gab noch manche Details konstruktiver Art zu klären, doch es ging jetzt vorwärts.
Als die ersten JRGUMAT 3/8" für Geschirrspülmaschinen auf dem Tisch lagen, war ich
bald zu Schulthess unterwegs, um unser neustes Produkt zu zeigen. Zwei Exemplare
überliess ich ihnen damit der Einbau in die Maschinen abgeklärt werden konnte.
Einen Wunsch nach einer anderen Gehäuseform oder anderen Anschlüssen gab es
nicht. Das war natürlich erfreulich. Schulthess hatte vermutlich wegen des kleinen
Ventils das nun direkt eingebaut werden konnte, einiges an den Innereien geändert.
Die erste Bestellung war bereits namhaft. Für die von uns benötigten Elemente gab
es noch einige Details mit Detroit abzuklären. Den Hub für den verlangten Tempera-
turbereich und die Federkraft mussten noch bestimmt werden. Dank Jack kamen
diese Angaben in nützlicher Frist und nach zwei Monaten traf auch die erste
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Lieferung der Elemente in Sissach ein. Es konnte nun auch mit der Werbung für die
JRGUMAT 1500 begonnen werden.
Die Verzinkerei Zug sah davon ab, einen Mischer in die Maschine einzubauen und
überliess es den Installateuren, einen solchen zu montieren. Da der Mischer rasch be-
kannt wurde, darf ohne Übertreibung behauptet werden, dass wir mit ihm in kurzer
Zeit den Markt für Geschirrspülmaschinen kontrollierten.
Inzwischen hatte ich die Adresse der vor einiger Zeit bei der Verzinkerei Zug notierten
Firma Tour Agenturer in Stockholm ausfindig gemacht. In einem ersten Brief an diese
stellte ich die Firma JRG und die hauptsächlichsten Fabrikate vor, inbegriffen den
Mischer. Leider kam eine abschlägige Antwort; man sei an diesen Artikeln nicht inte-
ressiert. Dafür erhielten wir um diese Zeit von der Firma Emaljeverket in Oslo eine
Anfrage für 15'000 Boiler-Sicherheitsgruppen. Das war natürlich Musik. Eine Offerte
wurde ausgearbeitet und ich flog mit dieser und einem schweren Koffer voll Mustern
im Februar, wieder im tiefen Winter, nach Oslo. Für die Muster musste mit einer
Menge Papiere eine Freipassabfertigung beantragt werden. Zur grossen Überra-
schung war es in Norwegen frühlingshaft warm. Herrn Lindblom, dem Einkaufschef
bei der Firma, führte ich alle mitgebrachten Ventile vor. Im Vergleich mit den mir nun
gezeigten kleinen Pressmessing Boilerventilen konnten unsere nicht konkurrieren. Die
Offerte konnte deshalb nicht berücksichtigt werden. Dafür konnte ich aber Muster
der bisherigen Ventile bekommen, anhand derer wir eine neue Offerte ausarbeiten
sollten. Ich hatte noch die Adresse eines sich vor einiger Zeit als Agent gemeldeten
Interessenten bei mir, den ich mir nun ansehen wollte. Leider ist mir der Name
entfallen, es war aber ein sympathischer jüngerer Herr, der einiges von Armaturen
verstand. Etwa zwei oder drei Jahre versuchte er JRG in den Markt zu bringen,
jedoch ohne grossen Erfolg. Ich kam dann in Verbindung mit der Agenturfirma Arne
Skajehm Eriksen, in der Herr Per Waldo Jensen an einer JRG Vertretung sehr
interessiert war. Er war sehr rührig, grosse Geschäfte konnten wir mit ihm aber nicht
machen. Dafür konnte dann wieder etwas später mit Herrn Knudsen ein Mann
gefunden werden, der für JRG sehr erfolgreich wurde und die Firma in Norwegen
bekannt machte.
Aus Helsinki hatte sich auch eine interessierte Agentur gemeldet. Lampö Tukku Oy.
Wenn ich schon den schweren Musterkoffer bei mit hatte, dann also auf nach
Helsinki. Ich hatte natürlich gewisse Vorabklärungen bereits in Sissach gemacht und
die Leute avisiert. Ich rief deshalb von Oslo auch die Firma Tour Agenturer in
Stockholm an und sagte einem Herrn Garvé, ich werde mich Freitagvormittag bei
ihm melden. Das kam bei ihm nicht gut an. Vom Freitagmittag an arbeite man nicht
mehr, da gehe man ins Wochenendhaus. Ich solle mich bei nächster Gelegenheit zu
einem besseren Zeitpunkt melden. Die Firma in Helsinki wollte versuchen unsere
Armaturen auf den Markt zu bringen. Wir hatten ihr für ihre Ausstellung am
Firmendomizil später ein Ausstellbrett geschickt. Es tat sich aber nichts. Auf dieser
Reise war es sehr mühsam, bei den jeweiligen Zollämtern den Musterkoffer visitieren
und die Freipass-Abfertigungspapiere kontrollieren und abstempeln zu lassen.
In Sissach ging das Technische Büro daran, eine konkurrenzfähige Konstruktion zu den
von den Emaljeverket mitgebrachten HANSA Ventilen zu machen. In Anbetracht der
bedeutenden Stückzahlen die in Frage kommen konnten, wurden sogar Muster an-
gefertigt. Als diese vorlagen und alles knapp gerechnet war, hiess es für mich wieder,
auf nach Oslo. Mit der Tour Agenturer vereinbarte ich einen ihnen besser passenden
Besuchstermin. Bei Herrn Lindblom fand unsere Offerte Gnade und in den folgenden
Jahren konnten wir ansehnliche Stückzahlen der speziellen Boiler-Sicherheits-
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Gruppen liefern. Jeden Sommer fuhr Herr Lindblom mit seinem Wohnwagen nach Ita-
lien in die Ferien und liess es sich nicht nehmen, stets einen kurzen Zwischenhalt bei
JRG in Sissach einzuschalten.
Ausser dem JRGUMAT 3/8" hatte ich für Stockholm keine Armaturenmuster bei mir.
Ich wollte erst einmal sehen, was die TA für eine Firma war. Als ich am vereinbarten
Tag mit dem Taxi am Swärdlangsvägen ankam, war ich von dem sich mir zeigenden
Domizil sehr beeindruckt. Nachdem ich mich am Empfang gemeldet hatte, holte
mich Herr Ragnar Garvé, der Direktor, dort persönlich ab. In seinem Büro brachte die
Sekretärin Kaffee, etwas Süssigkeiten und stellte eine kleine Flasche Aquavit und zwei
kleine Gläser auf den Tisch. Herr Garvé kam auf meinen seinerzeitigen Besuchsver-
such an einem Freitag zurück und erklärte die schwedische Gepflogenheit, sich am
Freitagnachmittag bereits in die Schären abzusetzen. Ich erzählte ihm von JRG, dem
Fabrikationsprogramm und wie ich auf die Firma TA aufmerksam geworden war. Als
er mich in einem Ausstellungsraum über die TA Produkte orientierte, unter anderem
über die Heizungssteuerungen mit Aussenfühler, kam mir in den Sinn, dass am Wohn-
haus in Basel auch so ein rundes Ding mit den Buchstaben TA darauf, an der nördli-
chen Aussenwand des Hauses angebracht war und sich in der Heizung ein Schalt-
kasten befand wie ich sie hier sehen konnte. Als wir den JRG Katalog durchgingen,
war Herr Garvé zu meiner Enttäuschung an nichts interessiert. Schweden habe eine
eigene gute Armaturenindustrie sagte er mir. Den kleinen JRGUMAT betrachtete er
aufmerksam und meinte, wenn wir solche Mischer noch in anderen Grössen bis etwa
zwei Zoll hätten, dann sähe er für diese Möglichkeiten. In Schweden seien sehr viele
Häuser an Fernwärmeleitungen angeschlossen und da könnten diese für Mischwas-
serinstallationen interessant werden. Das war natürlich Musik in meinen Ohren.
Es war inzwischen Mittag geworden und wir begaben uns in einen Speiseraum, wo
für uns bereits ein grösserer Tisch gedeckt war. Zwei weitere Herren gesellten sich zu
uns an den Tisch. Herr Garvé machte uns gegenseitig bekannt und fügte bei, dass
man hier gewohnt sei, sich mit Vornamen anzureden. Mit einem Gläschen Aquavit
prostete man sich zu und es entstand ein angeregtes Gespräch. Mit Ragnar Garvé
meinerseits in Deutsch, mit den anderen Herren vorwiegend in einer Mischung von
Deutsch und Englisch. Eine reiche Auswahl an Brötchen, Fischhäppchen, Butter und
Käse wurden auf den Tisch gestellt, dazu Kaffee und Aquavit.
Nach dem Lunch führte mich Ragnar durch das weiträumige Geschäftshaus, beglei-
tet von Hans, einem Techniker. Es gab Konstruktionsbüros, Labors mit vielen Messge-
räten und Versuchsanordnungen mit Heizungssteuerungen, grosse Lagerräume und
natürlich auch einige administrative Büros. Zurück in Ragnars Büro erkundigte ich
mich nach den möglichen Stückzahlen der noch zu konstruierenden grossen Misch-
ventile. Wenn wir etwas in jeder Hinsicht Gutes anbieten könnten wäre es möglich,
mit einer solchen Neuheit, Mischventile mit fest eingestellter Temperatur, bedeuten-
de Umsätze zu erzielen, war seine Antwort. Die TA sei eine Ingenieursfirma mit sehr
gutem Ruf, vielen Beziehungen und in ganz Schweden bestens bekannt. Ihrerseits
seien die Voraussetzungen gut, es liege nun an Gunzenhauser, ein Top Produkt zu
schaffen. Er hoffe, bald etwas Konkretes von uns zu vernehmen. Natürlich werde
man die Ventile in eigenen Anlagen gründlich testen bevor man bestelle.
Damit war der erste Kontakt mit der uns bisher unbekannten Firma geschaffen. Wie
mir schien, erfolgreicher und vielversprechender als ich es mir vorgestellt hatte. Einen
Taxi zu bestellen lehnte Ragnar ab, er selbst werde mich zum Hotel und anschlies-
send zum Flughafen Arlanda fahren. Dort verabschiedeten wir uns erwartungsvoll. Mir
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schien, dass wir zwei uns bereits sehr gut verstanden. Die Situation war ähnlich, wie
sie vor längerer Zeit mit Jack in Detroit gewesen war.
Zurück in Sissach galt es nun zu überlegen, wie und was abzuklären war für die ganz
neu zu konstruierenden JRGUMATEN der Grössen ¾" bis 2". Dass in ihnen nicht die
kleinen Elemente wie sie im 3/8" Mischer für Geschirrspülmaschinen verwendet
wurden in Frage kamen, war klar. Ich wünschte vom Technischen Büro eine Liste der
sich für die Konstruktion stellenden Fragen. Auf einen ersten Brief an Jack Gould kam
seinerseits ein Brief mit Fragen. Damit war natürlich nicht speditiv weiter zu kommen.
Die Situation war vergleichbar mit der Entstehung des kleinen Mischers. Der Markt in
Schweden wartete auf unser Produkt und eine potente Firma für die Markeinführung
und den Verkauf war auch vorhanden.
Mit einer erweiterten Fragenliste der Konstruktion und meinen eigenen Ideen melde-
te ich Jack meinen baldigen Besuch an. In Detroit traf ich ein angenehmeres Wetter
als bei meinem ersten Besuch an. Am Empfang bei Detroit Controls Division wurde
ich mit einem freundlichen "hi Max from Switzerland" begrüsst. Gutgelaunt empfing
mich Jack in seinem Büro und sagte wir müssten dann noch zum Managing Director
gehen. Er möchte mich kennen lernen und sei interessiert, auch etwas über den
neuen Kunden Gunzenhauser zu erfahren. Der Name des Direktors ist mir entfallen.
Ich erzählte ihm dann von JRG, den Fabrikaten, den Vertriebswegen und den Mög-
lichkeiten die wir nun in der Anwendung der Thermostaten in neuen Produkten
sehen. Er sagte dann dass er hoffe, Detroit Controls könne unseren Wünschen ent-
sprechen. Jack sei ja als Product Manager der Vernatherm Elemente der richtige
Mann für mich. Das wars. Zurück in Jack's Büro begannen wir die Fragenliste durchzu-
gehen. Es zeigte sich bald, dass es verschiedene Element Typen gab die in Frage
kommen könnten. Da noch keine Konstruktionszeichnung von uns vorhanden war
hatte auch noch kein Hub definiert werden können. Die vorhandenen Elemente
gingen ausnahmslos in die Automobilindustrie. Vorwiegend zur Kühlwasser Tempera-
turregulierung. Also in hohe Temperaturbereiche. Für Mischwassertemperaturen zwi-
schen etwa 35 bis 65°C oder 95 bis 149° F gab es noch keine Wachsmischung für
grosse Elemente und keine Daten über Ansprechzeit und Hub. Wir gingen zusammen
in ein Labor um dort die Fragen mit einem Spezialisten zu besprechen. Es wäre na-
türlich nötig die entsprechenden Mischungen zu bestimmen, was aber einige Zeit
dauern werde, war seine Erklärung. Ich wollte dann wissen, wie die Elemente
aussehen die für die Kühlwasserregulierung verwendet werden. Grosse Elemente
würden vorwiegend in Dieselmotoren für Lastwagen, grossen und grössten Trucks,
Bulldozern, stationären Motoren, Notstromanlagen etc. verwendet. Man liefere die
Elemente in einer fertig zusammengebauten Reguliereinheit. Diese möchte ich mir
aber ansehen sagte ich. Irgendwann hatten wir aus einem Automaten eingepackte
Brötchen und Coca Cola Büchsen herausgelassen und an einem Essplatz als Lunch
verdrückt. Inzwischen war es später Nachmittag geworden und Jack schlug vor, für
heute Schluss zu machen, um mir noch etwas von Detroit zeigen zu können. Auf der
Fahrt sah ich die riesigen Gebäude und Hallen der Automobilfabriken aller
bekannten Marken. Morgen wollen wir einen Rundgang bei Ford in River Rouge
machen, jetzt aber machen wir noch eine Motorbootfahrt auf dem Detroit River
sagte Jack. Dort lag sein grosses Kabinen Motorboot mit welchem wir eine
ausgedehnte Rundfahrt bis zur und entlang der kanadischen Küste machten.
Nachtessen gab es dann bei ihm daheim mit Ann. Nach einem nett verbrachten
Abend verabredeten wir uns für den nächsten Tag um uns mit den Reguliereinheiten
und weiteren Fragen zu befassen. Anschliessend fuhr er mich zum Hotel zurück.
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Am nächsten Vormittag meldete ich mich bereits um 9 Uhr bei Jack im Büro. Dort
standen bereits einige der kompletten Reguliereinheiten auf dem Pult. Bei ihnen war
der Thermostat durch einen Steg in der Mitte eines Sitzringes gehalten, auf dem eine
zylindrische Hülse sass. Sitz und Hülse waren aus Messing. Das waren also die Regulier-
einheiten wie sie in den grossen Dieselmotoren, zum Beispiel in den Cumming Diesel,
verwendet wurden. Jede Einheit für eine fixe Temperatur von 185°F oder 85°C. In
einem Kontrollraum demonstrierte man mir deren Funktion. In Sissach müsste man
also nur noch Gehäuse konstruieren in welche eine Reguliereinheit für die
gewünschte Temperatur eingesetzt werden kann dachte ich. Es ging nun darum,
dass wir Reguliereinheiten für die benötigten Temperaturen von etwa 40, 55 und 65°
Celsius bekommen konnten. Jack versprach mir sich dafür einzusetzen, dass die
nötigen Versuche mit entsprechenden Wachsmischungen vorgenommen werden
und man uns in einigen Wochen Muster schicken könne. Ich wusste von meinem
seinerzeitigen Gespräch mit dem Boss von Detroit Controls schon, dass man nicht be-
sonders interessiert sei, neue Arbeits-Temperaturbereiche zu entwickeln, es sei denn,
es können dann auch rechte Stückzahlen geliefert werden. Das war verständlich,
denn auch bei JRG war es ja ebenso. Die Muster in Jack's Büro durfte ich einpacken.
Dabei war auch ein ½" Mischventil aus Rotguss, hergestellt in einer zur American
Standard Gruppe gehörenden Armaturenfabrik wie mir Jack sagte. Später diente es
als Vorlage für die Konstruktion des Mischventils 1530 ½".
Er hatte auch die entsprechenden blueprints, Pläne, alles in Inch Massen, für mich
bereit. Nach einem Lunch aus den Automaten fuhren wir zu den Fordwerken hinaus.
Wir kamen rechtzeitig am River Rouge Werk an um uns einer Besuchergruppe anzu-
schliessen. Das Werk hat ein riesiges Ausmass. Die Führung begann im Walzwerk.
Mächtige rotglühende Stahlblöcke wurden zwischen mächtige Walzen geschoben
die sie erfassten, nach vorne auf Rollen schoben die kurz darauf die Drehrichtung
änderten damit der Block wieder zwischen die Walzen gelangte die den Durchlass
rasch verkleinert hatten, sodass der Block hinter ihnen niedriger, dafür länger
herauskam. Dieser Vorgang wiederholte sich in rascher Folge. Bald war aus dem
Block eine breite dünne Platte und nach einigen weiteren Richtungswechseln ein
langes Blechband geworden, das mit Getöse auf den Rollen von und zu den Walzen
transportiert wurde. Nach einem letzten Durchgang wurde das sicher etwa sechzig
Meter lange Blechband aufgerollt. In der nächsten riesigen Halle standen reihenwei-
se mehrere Meter hohe Stanzmaschinen die aus Blechplatten Carrosserieteile für
Türen, Dächer, Motorhauben, Kotflügel, Böden etc. herausstanzten oder in Folge-
stanz- und Druckvorgängen weiter verformten. Wieder weiter bewegten sich Teile
auf Rollschemeln von Schweissautomat zu Schweissautomat wo sie von sich hin und
her bewegenden Armen unter Funkenfontänen zusammen geschweisst wurden.
Leider musste die Besuchergruppe für meinen Begriff viel zu schnell gehen. In der
nächsten Halle war die Motorenmontage. Auch hier wäre ich gerne länger
geblieben, denn es gab so viel Interessantes zu sehen. In der folgenden Halle hingen
fertige Carrosserien an einer Transportvorrichtung und wurden in Bäder eingetaucht
wo sie eine Rostschutzgrundierung erhielten.
Nun ging es zur Assemly Line, dem Fliessband in einer unendlich langen Halle. Auf der
sich langsam fortbewegenden Transportvorrichtung wurde zuerst ein Chassis gesetzt,
dann schwebte von oben eine rote, fertige Carrosserie herunter, etwas weiter kamen
die Sitze, das Armaturenbrett mit vielen herunterhängenden elektrischen Anschlüssen
und dann kamen die roten Türen und dann schwebte ein Motor herunter und wurde
im Motorraum befestigt und an die vorhandenen Leitungen angeschlossen. Beidseits
des Montagebandes bewegten sich die Arbeiter langsam mit dem Band vorwärts
und machten ihren Montageteil und gingen zurück zum nächsten langsam
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kommenden Auto. Wieder etwas weiter wurden die Räder auf die Naben gesetzt
und mit einer elektrisch angetriebenen Vorrichtung gleichzeitig alle Radmuttern
zusammen aufgesetzt und angezogen. Am Ende des Bandes kam ein Fahrer, stieg
ein, startete den Motor und fuhr weg. Dies alles geschah an drei in grossem Abstand
nebeneinander laufenden Bändern. Auch hier wäre es natürlich spannend gewesen,
sich länger aufhalten zu können. Die Besichtigung vermittelte aber einen ein-
drücklichen Einblick in die Welt des Automobilbaues.
Jack nahm mich zu sich heim. Da ich den Rückflug offen gelassen hatte, konnte ich
nun für den nächsten Tag noch eine Reservation nach New York und von dort mit
der Swissair nach Zürich buchen. Den Abend verbrachte ich mit Jack und Ann, zum
Teil mit Tischtennis im Partyraum im Keller. Jack fuhr mich zum Hotel wo ich mich für
alles herzlich bedankte und er mir versicherte zu sehen, dass die nötigen Versuche für
die neuen Temperaturbereiche bald erfolgen werden. Im Hotelzimmer vervollstän-
digte ich meine Notizen um dann in Sissach die Konstruktion umfassend orientieren zu
können.
Als ich das nach meiner Rückkehr ausführlich getan hatte, musste nun anhand der
mitgebrachten zwei Grössen der kompletten Reguliereinheiten die optimale Gehäu-
seform in die sie eingesetzt werden mussten, konstruiert werden. Bis die ersten Muster
der neuen JRGUMAT der Katalognummer 3350 in den Grössen ¾" bis 2" vorhanden
waren, vergingen Monate. Die kleine Reguliereinheit bekam die Katalognummer
1460 und war für die Mischventilgrössen ¾" bis 1¼", die grosse Einheit die Nummer
1470 für 1 ½" und 2".
Da man diese neuen Armaturen natürlich auch in der Schweiz verkaufen wollte,
waren Gespräche und Abklärungen mit der Prüfstelle des SVGW in Zürich und mit
Sanitärfachleuten nötig. Die noch zu erstellenden Prospekte und Katalogunterlagen
mussten ja auch gute Informationen und Leitungsschemas enthalten, denn wir
wollten für dieses neue Produkt klare und aussagefähige technische Unterlagen
schaffen.
Anlässlich meiner Besuche bei den Installateuren in Basel brachte ich das Gespräch
auch auf die bald lieferbaren grossen Mischventile. Man war sehr interessiert, beson-
ders bei den Technikern und den Sanitärplanern. Die Chemiefirmen hingegen sahen
keine direkte Verwendungsmöglichkeit im Betrieb, da Dampf als Wärmeträger eine
sehr grosse Rolle spiele.
Inzwischen waren im betriebseigenen Versuchsraum Vorrichtungen aufgebaut wor-
den mit denen Funktionskontrollen möglichst wirklichkeitsgetreu ausgeführt werden
konnten. Als diese die erwarteten Ergebnisse erbrachten, gab es grünes Licht für den
Verkauf. Damit war es nun Zeit, dem Hauptinteressenten, der TA Stockholm, die
Mischventile vorzustellen. Nach einem Telefongespräch mit Ragnar Garvé flog ich
mit je einem Ventil der Grössen ¾", 1", 1 ¼" und 1 ½" und den ersten technischen
Unterlagen und einer Offerte im Gepäck nach Stockholm. Zur Vorstellung der Ventile
und der Unterlagen hatte Ragnar auch zwei Leute aus dem Verkauf und der Technik
zugezogen. Alle waren sehr interessiert, nahmen die nur lose verschraubten Ventile
auseinander und diskutierten zusammen auf Schwedisch, wovon ich leider nichts
verstand. Ragnar informierte mich dann, dass man bisher nicht untätig gewesen sei
und man sich mit manchem potenziellen Abnehmer unterhalten habe. Erfreulich sei,
dass alle Interesse bekundet hätten. Er werde mit mir am nächsten Vormittag zum
Verantwortlichen für die Energieversorgung in einem Spital gehen, wo die Energie-
zentrale in nächster Zeit modernisiert werde und die TA das Projekt für die Wasser-
und Wärmeversorgung bearbeite.
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Die mitgebrachten Ventile und die technischen Unterlagen überliess ich den beiden
Herren von der Technik. Man sicherte mir zu, baldmöglichst Bescheid über die Prüfun-
gen zu geben. Der Besuch am nächsten Morgen in der Energiezentrale des Spitals
zeigte, dass da einiges zu erneuern war und JRGUMATEN mehrfach in Frage kommen
konnten. Bei meiner Abreise stellte Ragnar Garvé eine baldige erste Bestellung in
Aussicht. Erfreulicherweise waren die offerierten Preise kein Gesprächsthema. Sie wur-
den als angemessen angesehen.
Die Aussicht, dass sich in Schweden ein interessanter Markt für die Jrgumaten ent-
wickeln könnte, war gut. Im Nachhinein darf ich froh sein, dass ich seinerzeit bei der
Verzinkerei Zug lange habe warten müssen und damit Zeit hatte, den Zugerrötel, die
Hauszeitung zu lesen. Denn wie wäre ich sonst auf die darin erwähnte Firma Tour
Agenturer gestossen? Sicher nie! Es war Glück und Schicksal, gepaart mit Aufmerk-
samkeit. Ich kann jetzt schon erwähnen, dass sich der Umsatz mit der TA so erfreulich
entwickelte wie ich es mir nie vorgestellt hatte. Doch davon später.
Eines Tages rief mich Rudolf Gunzenhauser an und bat mich zu ihm ins Büro zu kom-
men, ein Herr Gautschi aus Kapstadt sei da. Ich ging gespannt zu ihm. Herr Gautschi
erzählte in ganz gutem Schweizerdeutsch, er habe jetzt auf der Durchreise nur kurz
bei JRG vorbeikommen wollen um zu fragen, ob wir Interesse hätten, mit Südafrika ins
Geschäft zu kommen. Er hätte vereinzelt Boilergruppen bezogen, sei jetzt auf der
Reise nach Brüssel wo er eine Blechfalzmaschine ansehen und eventuell kaufen
wolle. Er habe den Auftrag, am im Bau befindlichen neuen grossen Bahnhof in
Kapstadt das Kupferdach zu montieren. Dafür brauche er aber eine neue grosse
Falzmaschine. Wenn wir interessiert seien, werde er auf dem Rückweg nochmals vor-
beikommen. Natürlich waren wir interessiert, denn den Export wollten wir ausbauen.
Man vereinbarte deshalb, sich in einer Woche wieder hier zu treffen. Darum gute
Reise Herr Gautschi und auf Wiedersehen.
Herr Gautschi kam in etwa einer Woche gutgelaunt zurück, sagte er habe die Ma-
schine gekauft und könne dann die grosse Arbeit am Bahnhofdach fachgerecht
ausführen. Wir erfuhren nun, dass er aus einer kinderreichen Aargauer Familie
komme, vor Jahren als Heizungsmonteur bei Rosenmund in Liestal gearbeitet habe,
dann die Welt habe sehen wollen und nach Abessinien ausgewandert sei.
Zusammen mit einem Deutschen habe er dort im neuen Palast des Negus die
Installationen ausgeführt. Zum Dank hätte jeder noch einen Esel als Geschenk
bekommen. Ein grosses Geschenk, denn ein Esel sei dort ein wichtiges
Transportmittel. Sie hätten sich dann getrennt, der Deutsche wollte wieder heim
nach Deutschland. Er sei dann weiter nach Südafrika gezogen. Die Esel hätten sie
gut verkauft. Heute besitze er in Kapstadt ein Installationsgeschäft und ein Hotel,
seine Söhne führen eine Schlachterei. Wir sollten unbedingt einmal nach Südafrika
kommen. Er würde uns in Johannesburg abholen und uns auf dem Weg nach
Kapstadt mit verschiedenen Grosshändlern bekannt machen. Es war jetzt Spätherbst
1964 und wir vereinbarten mit Herrn Gauschi, dass Rudolf Gunzenhauser und ich
Mitte Februar 1965 nach Johannesburg kommen würden, um von dort mit ihm die
Informationsreise anzutreten. Auf dem Weg nach Kapstadt werden wir in Durban,
East London und Port Elizabeth Besuche machen. Ab Februar wird dann die grosse
Hitze vorbei sein.
Es muss so gegen Ende Januar 1965 gewesen sein als mir Rudolf Gunzenhauser sagte
er gehe lieber in die Skiferien nach Arosa als nach Südafrika. Ich solle doch alleine zu
Herrn Gautschi reisen. Das war mir nun gar nicht willkommen, diese Reise alleine mit
Herrn Gautschi zu machen. Ich fragte deshalb Herrn Ernst Gunzenhauser ob er nicht
Interesse habe mitzukommen. Zu meiner Erleichterung war er einverstanden als ich
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ihm die ganze Geschichte wie es zu dieser Reise gekommen sei erzählt hatte. Es kam
ihm dann noch in den Sinn, dass Hans Buser aus Sissach, ein Bekannter von ihm, in
Accra in Ghana lebe, den wir auf der Rückreise noch besuchen sollten. Die Abreise
buchten wir auf Sonntag, den 14. Februar, die Rückreise ab Accra auf Samstag, den
27. Februar 1965. Diese Angaben gemäss dem bei mir noch vorhandenen Original
Reise-Programm des Reisebüros.
Erwartungsvoll traten wir die Reise in den schwarzen Kontinent an. Um neun Uhr
abends verliessen wir Kloten mit einer DC 8 der SAS. Nach Zwischenlandungen in
Athen, Karthum und Nairobi erreichten wir am Montagmittag Johannesburg. Daheim
war es Winter gewesen, hier jetzt warmes Sommerwetter. Herr Gautschi erwartete uns
im Ankunftsgebäude des Flughafens und auf der Fahrt zum Hotel erzählte er, was er
in den nächsten Tagen für uns vorgesehen habe. Es gehe auch darum uns zu zeigen,
was und wie hier gebaut und installiert werde. Wir würden auch zu Grosshändlern
gehen von denen er Ware beziehe. Nach dem Zimmerbezug im Hotel im Zentrum
der Stadt machte Herr Gautschi eine Besichtigungsfahrt durch Johannesburg. Grosse
Geschäftshäuser säumten viele Strassen in denen ein Gemisch von Menschen
dunkler und heller Hautfarbe unterwegs war. Wenn auf Plätzen Sitzbänke vorhanden
waren, trugen einige manchmal die Anschrift "for whites only". Am Abend gab es
früh Lichterlöschen damit wir uns für das morgige Programm ausruhen konnten, denn
wir hatten ja einiges hinter uns. An den Temperaturunterschied aus der winterlichen
Schweiz zur sommerlichen Wärme musste man sich auch erst noch gewöhnen.
Als erstes besuchten wir am Morgen Salvalve Pty, Lieferant für alles was es in der
Haustechnik braucht. Das Meiste wird importiert. Aus England, USA und zum Teil
Deutschland. Was wir bei Salvalve und den verschiedenen Besichtigungen anderswo
an Armaturen gesehen hatten, war eine ganz andere Qualität und Ausführung als
bei uns üblich. Anstatt Ventile, viele Schieber britischer oder undefinierbarer Herkunft.
Druckreduzier- und Sicherheitsventile könnten eine Verkaufs-Chance haben. Auf der
Weiterreise nach Kapstadt sahen wir uns bei Zwischenlandungen noch in Durban
und East London bei einem Grosshändler um, doch es war das gleiche Bild wie in
Johannesburg. In Kapstadt konnten wir Baustellen von Herrn Gautschi sehen. Es war
eine andere Installationsart als in der Schweiz. Alle Leitungen meist in Kupfer und die
vorwiegend schwarzen Arbeiter boten auch ein anderes Bild als daheim. Herr
Gautschi zeigte uns auch sein ausserhalb Kapstadt gelegenes Hotel und die von
seinen Söhnen betriebene grössere Metzgerei mit Schlachthaus. Mit besonderem
Stolz zeigte er uns die grosse hölzerne Reithalle die er hatte bauen lassen und die
nach der bevorstehenden Einführung des Fernsehens für ihn sicher einen guten
Ertrag abwerfen dürfte wie er uns sagte. Da alle Gautschis passionierte Reiter waren,
konnten Ernst Gunzenhauser und ich, auf dem Spielfeld des Polo Clubs einem Spiel
der reinen Gautschi Mannschaft gegen eine andere Mannschaft zusehen. Ein beson-
ders malerisches Bild boten die auf der Terrasse des Clubhauses sitzenden und zuse-
henden Ladies in ihren rosafarbigen, gelben und grünen duftigen Röcken und den
grossen gleichfarbigen Hüten.
Wir waren nun mit der südafrikanischen Bau- und Installationsweise und Lebensart
etwas vertraut geworden. Aber um mit JRG Armaturen auf den Markt zu kommen,
gab es sicher noch einige Probleme zu lösen. Nachdem wir uns von den Familienan-
gehörigen und besonders von Herrn Viktor Gautschi, der uns zu dieser Informations-
reise motiviert hatte mit bestem Dank verabschiedet hatten, erreichten wir nach
einem längeren Flug via Kimberly und Lagos, Accra in Ghana. Bei der Zollkontrolle
erwartete uns Hans Buser aus Sissach und winkte uns zu sich. Den Zöllnern in
schwarzen Uniformen mit aus schwarzen Gesichtern blitzenden weissen Zähnen
drückte er kurz die Hand, sprach einige Worte und unsere Koffer waren durch.
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Bakschisch öffnet hier vermutlich manche Türe. Hier im Kakaoland war wirklich
Schwarzafrika. Trotzdem es bereits Abend war, war es heiss und schwül und der
grosse, geräuschvoll an der Decke des Hotelzimmers laufende Ventilator brachte
keine Kühle.
Am nächsten Tag führte uns Hans Buser in das Warenhaus der UTC, der Union
Handelsgesellschaft, die aus der Basler Mission hervorgegangen war und bei der er
vor Jahren angefangen hatte. Im Warenhaus dominierten fast leere Gestelle, vor
denen junge schwarze Frauen auf Kunden warteten, die aber, wenn sie überhaupt
kamen, kaum etwas kaufbares fanden, denn ohne den Segen der Regierung konnte
nichts importiert werden. Hans Buser schilderte wie man fast kniefällig bei Nkrumah
dem Staats Präsidenten um Importlizenzen betteln musste. Hans Buser vertrat
Mercedes hier und erzählte wie er manchmal Einkaufsreisen für Minister nach Stutt-
gart zu Mercedes organisierte wo sie Lastwagen für den Transport der Kakaobohnen
Ernte einkaufen wollten. Nach Ankunft in Stuttgart überwog das Interesse an
deutschen Mädels. Nach einigen Tagen waren die Kaufverträge unterschrieben und
die Heimreise konnte angetreten werden und der Saldo eines Nummernkontos in der
Schweiz war bald beträchtlich höher geworden. Nachdem uns Hans Buser noch
grosse Kakaobohnenfelder in der Umgebung gezeigt hatte, war es nun auch für uns
Zeit für die Heimreise geworden.
Nach den vielfältigen Eindrücken, besonders von den Lebens- und Arbeitsbedingun-
gen die wir angetroffen haben, muss ich zwischenhinein das Thema wechseln und
ziemlich weit zurückgehen.
Schon bald nach meinem Eintritt in die Firma, als ich die Stunden auf den Stempel-
karten der Arbeiter für den Zahltag zusammenzählte und in das Zahltagsjournal ein-
trug, war unter den Abzügen auch ein kleiner Betrag für Lebensversicherung. Für
einen Grossteil der etwa zweiundzwanzigköpfigen Belegschaft bestanden bei der
Rentenanstalt Lebensversicherungs-Policen über Fr. 10'000.--. An die Prämie leistete
die Firma einen grösseren Anteil. 1941/42 war das sicher eine noch wenig verbreitete
Fürsorge. Schon während des 2. Weltkrieges machten die Boiler-Sicherheitsventile-
und Gruppen einen wesentlichen Anteil am Umsatz aus. Als nach Kriegsende die
Bautätigkeit rapide zunahm und Elektroboiler Allgemeingut wurden, profitierten die
JRG Ventile massgeblich. Sie waren als sicher und zuverlässig anerkannt. In einem
vom damals bekannten Zeichner Lindi entworfenen Inserat bekräftigten wir das noch
mit dem darin angebrachten Spruch "Sicherheit alle Zeit, drum seit je.... JRG". Weil die
Geschäfte gut gingen wurden jährlich einer Fürsorgekasse Zuwendungen gemacht.
Einmal plante man am Dorfrand Richtung Zunzgen den Bau einiger Einfamilienhäuser
für Betriebsangehörige. Die Baukosten wären auf ca. Fr. 40'000.– gekommen und die
erste Hypothek hätte die Fürsorgekasse ein halbes Prozent günstiger als die Kantonal
Bank gewährt. Trotzdem gab es keine Interessenten. Als Grund wurde angegeben
man wohne immer noch billiger und habe trotz des längeren Arbeitsweges keinen
Grund zu wechseln. Auf den Bau der Häuser wurde deshalb verzichtet. Als das
Kapital in der Fürsorgekasse weiter angewachsen war regte ich die Gründung einer
Pensionskasse an. Der Vorschlag fand Anklang. Ich brachte in Erfahrung dass ein Herr
Dr. Schöb, Versicherungsmathematiker, der Berater der Pensionskasse des Kantons
Baselland war. Ich nahm mit ihm Kontakt auf, er kam nach Sissach und das war der
Anfang der Pensionskasse JRG, die heute von seinem Sohn versicherungstechnisch
überwacht wird. Weil bei Lohnerhöhungen Nachzahlungen geleistet werden mussten
führten diese zu Missmut bei vielen Arbeitern, weil bis zur Tilgung der Nachzahlung der
Lohn kleiner war als vor der Lohnerhöhung. Man hörte Kommentare wie, man wolle
das Geld jetzt brauchen, oder, wenn man nicht mehr da sei solle die Frau arbeiten
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gehen. Der geäusserte Missmut hörte jedoch auf, als der erste Todesfall eintrat und
die betroffene Familie dank der Witwenrente gesichert dastand.
Mir scheint, dass die in diesem Rückblick geschilderten erfreulichen und sozialen, zu-
kunftsgerichteten Massnahmen und Beschlüsse nicht unerwähnt bleiben dürfen.
Eines Tages meldete sich am Telefon ein Herr Mesmer. Er sei Chief Engineer bei
Sandoz Bradford in England und für einige Tage an einer Konferenz in Basel. In einer
grösseren neuen Anlage im Werk möchte er Freiflussventile Grösse vier Zoll verwen-
den. Solche seien aber in England nicht erhältlich. Herr Rigendinger, der Einkaufschef
bei Sandoz habe ihm geraten Herrn Tschudin bei der Armaturenfabrik Gunzenhauser
in Sissach wegen solchen Ventilen zu fragen. Er spreche regelmässig bei ihm vor, er
habe ihm aber noch selten eine grössere Bestellung machen können. Ja, solche
Ventile stellen wir her sagte ich Herrn Mesmer. Also gut meinte er. Morgenvormittag
komme ich vorbei um sie anzusehen und um die Baumasse zu bekommen bevor ich
nach Bradford abreise. Herr Mesmer war Baselbieter und seit vielen Jahren schon in
England. Nach einiger Zeit kam die versprochene Bestellung für eine grössere Anzahl
Schrägsitzventile 4". Längere Zeit später erwähnte Rudolf Gunzenhauser an einer
Programmsitzung er habe von einer technischen Ausstellung in London vernommen
die man sich ansehen sollte. Man beschloss, dass Rudolf Gunzenhauser, Emil Husi und
ich dorthin gehen sollen. Da nach den erhaltenen Auskünften die Ausstellung bald zu
Ende ging, flog das Trio schon in einigen Tagen nach London und verbrachte einen
Tag an der Ausstellung. Die Ausstellung hatte viel Ähnlichkeit mit der Mustermesse,
mit Schwergewicht auf Innenausbau und Installationen. Anregungen für neue Kon-
struktionen bekamen wir aber keine. Was wir an Sanitär- und übrigen Armaturen vor-
fanden, lag nach unserem Geschmack einige Stufen tiefer als das was man in der
Schweiz gewöhnt war. Mischbatterien an Lavabos waren unbekannt. Je ein Stand-
ventil für Kalt- und eines für Warmwasser war in jeder Ecke des Lavabos oder des
Spülbeckens. Das war etwa zur Zeit als wir die formschöne Einlochbatterie für Küchen
Kombinationen und die Einloch-Wandbatterie herstellten. Herr Mesmer hatte bei
seinem Besuch in Sissach gesagt, wenn wir einmal nach England kämen möchte er
uns gerne die neue Anlage zeigen. Vor der Reise zur Ausstellung hatte ich mich bei
ihm erkundigt ob die Anlage fertig sei und unseren Besuch angemeldet. Per Bahn
reisten wir deshalb nach Bradford in Mittelengland und meldeten uns im Sandoz
Werk. Die Wasser-Verteilanlage mit den grossen vierzölligen Schrägsitzventilen mach-
te wirklich einen imposanten Eindruck und man sah Herrn Mesmer an, dass ihm die
Anlage gefiel. Uns natürlich auch. Er lud uns noch zum Tee zu sich nach Hause ein
und fuhr uns anschliessend zum Zug nach London.
Die Umsätze mit TA Stockholm begannen erfreulich zu steigen und auch die Aufträge
von Emaljeverket in Oslo kamen regelmässig. Da es wichtig war, mit diesen bedeu-
tenden Kunden auch persönlich im Kontakt zu bleiben, besuchte ich sie etwa einmal
jährlich. In Oslo zugleich auch den damaligen Vertreter und mit ihm jeweils auch Pla-
nungsbüros.
Auch die Basler Installateure besuchte ich weiterhin und Ciba, Geigy, Sandoz und
Hoffmann La Roche wurden nicht vernachlässigt. Diese bauten ihre Anlagen stark
aus, was auch deren Wasserbedarf vergrösserte. Weil, wie früher schon erwähnt,
Mischventile bei ihnen direkt kein Thema waren, kam das Gespräch einmal auf
Ventile, die im Sinne des Wassersparens, die Temperatur des Kühlwassers optimieren
könnten. Im Technischen Büro entstanden deshalb die Kühlwasser-Regulierventile
Katalog Nr. 1600 für Druckwasseranlagen und 1650 für Drucklose Anlagen. Natürlich
mit den Thermostaten wie sie in den Mischventilen verwendet wurden. Von Sandoz
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erfuhr ich, dass man sich auch bei Sandoz Hanover in New Jersey für solche Ventile
interessieren könnte.
Ein Dr. Albert Businger, Mitglied der Geschäftsleitung von Hoffmann La Roche, war
wie ich, Mitglied der Motorfluggruppe Basel. Wenn man zusammen sass, wurde nicht
nur über die Fliegerei geredet. So erfuhr ich von ihm zufällig, dass sich Roche in
Nutley New Jersey nach einem etwas speziellen Werbegeschenk für Ärzte umsehe.
Mir kam dann der kleine Mörser in den Sinn den JRG damals schon herstellte. Was er
von einem kleinen metallenen Mörser halte fragte ich Herrn Businger. Ein Mörser sei ja
auch ein medizinisches Symbol. Ja warum nicht, war seine Antwort. Als ich ihm bald
darauf einen Mörser zeigte, gefiel er ihm sehr gut und er fand ihn ein ansprechendes
Werbegeschenk. Zu entscheiden habe aber Nutley. So weit so gut.
Eines Tages kam von der TA Stockholm die Mitteilung man habe bei Jrgumaten
manchmal Störungen indem das Mischwasser viel kälter oder viel wärmer als die an-
gegebene Solltemperatur sei. Zuerst nahm man an, es handle sich um Einzelfälle in
einer nicht systemgerechten Installation. Das war aber leider nicht der Fall, denn die
Beanstandungen häuften sich. An den uns retournierten Mischern stellten wir starke
Korrosionserscheinungen an den Reguliereinheiten aus Messing fest, welche ein-
deutig auf das Wasser zurückzuführen waren. Bald sprach man bei JRG vom bösen
Schwedenwasser. Ich musste nach Stockholm um die Leute zu beruhigen und ihnen
zuzusichern, dass wir uns des Problems dringend annehmen werden. Es war verständ-
lich dass TA und auch wir besorgt waren, denn wir hatten sicher schon mehr als 2000
Ventile geliefert. Es war deshalb auch nötig, das Problem mit Detroit Controls zu be-
sprechen. Also musste ich mich auch dorthin auf die Reise machen um die Firma zu
veranlassen, für die Reguliereinheiten für uns eine korrosionsfestere Legierung zu ver-
wenden.
Da zu dieser Zeit das Gespräch mit Sandoz Basel wegen der Kühlwasser-Regulierven-
tile noch nicht sehr weit zurücklag, fragte ich Herrn Rigendinger nach dem Stand der
Abklärungen im Werk Hanover. Ich sei demnächst in New York und könnte im Werk
Hanover vorbeigehen. Ich solle ihm sagen wann das der Fall sein werde damit er
meinen Besuch anmelden könne. Er werde mir dann auch die zuständige Stelle
angeben an die ich mich zu wenden habe antwortete er.
Herrn Dr. Businger von Hoffmann La Roche teilte ich auch mit ich sei demnächst in
New York und würde gerne bei Roche in Nutley der für die Werbegeschenke mass-
gebenden Person den ihm gezeigten Mörser präsentieren. Er versprach mich dort an-
melden zu lassen sobald ich ihm das voraussichtliche Datum angegeben habe.
Als ich alle Unterlagen und Muster zusammen hatte und die Reise gebucht war, gab
ich den beiden Herren das voraussichtliche Besuchsdatum an und erhielt von ihnen
wie versprochen die Kontaktstellen und Personen genannt. Am Tag nach meiner An-
kunft in New York mietete ich am Vormittag einen AVIS Wagen und fuhr zuerst via
den Lincoln Tunnel zum etwa 15 Meilen entfernten Nutley in New Jersey. Hoffmann
La Roche war bald gefunden. Die Anmeldung beim zuständigen Herrn hatte
geklappt, ich wurde freundlich empfangen und konnte ihm den Mörser übergeben.
Er gefiel ihm wie mir schien denn er stellte ihn auf seinem Pult an verschiedene Stellen
und nickte beifällig. Auf der Wappenscheibe müsste noch ein Signet sein und wieviel
der Preis betrage inklusive einer ansprechenden Verpackung. Der Preis hänge von
der eventuell in Frage kommenden Stückzahl ab. Im Moment gehe es darum, ihm
und der Firma so einen Mörser als ansprechendes Ärztegeschenk vorzustellen. Man
Es war einmal
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Es war einmal

  • 1.
  • 2. Das Bild auf der Vorderseite zeigt das 1938 vom Kunstmaler Fritz Pümpin aus Gelterkinden ge- malte Wohnhaus mit dem 1935 dahinter erstellten Neubau einer kleinen Fabrik am heutigen Standort. 0.2 / DH / 6.04 / ©JRG Gunzenhauser AG & Max A. Tschudin
  • 3. 3 Es war einmal... 1. Start So beginnen viele Märchen. Was ich hier zu Papier bringe, könnte manchmal fast wie ein solches tönen, ist es aber garantiert nicht. Wie komme ich dazu, mit Erzählen zu beginnen? Am JRG Jubilarenabend am 26. Oktober 2001 im Engel in Liestal erwähnte Hansruedi Gunzenhauser bei seiner Begrüssung, dass nebst den in der Einladung abgebildeten neuen Jubilaren noch ein Jubilar hier sei, Max Tschudin, Mister Sanipex und Jrgumat, der vor sechzig Jahren, am 1. Oktober 1941 in die Firma gekommen sei. Alle klatschten im Saal, ich stand auf und winkte, sagte Danke und sass etwas benommen ab. Sechzig Jahre. Eine lange Zeit. Wie kam alles? In den folgenden Tagen gingen mir die sechzig Jahre nicht mehr aus dem Sinn. Sie waren fast greifbar geworden und ich verspürte einen Drang, die Erinnerungen niederzuschreiben. Bilder stiegen auf, von Personen, Geschehen, Reisen, Ideenfindungen und ich beschloss, mit Schreiben anzufangen. Aber wo? Je länger ich den Faden suchte desto mehr wurde mir bewusst, dass die Wurzel manchen Geschehens oder einer Entwicklung weit zurück liegen kann. Obwohl es müssig ist sich zu fragen welchen Weg man gegangen und welche Entwicklung man genommen hätte, wenn man zu einem gewissen Zeitpunkt eine andere Entscheidung getroffen hätte, will ich versuchen, den Anfang des roten Fadens zu definieren. Es ist Herbst 1934. Schulferien. Mit meiner Mutter und einer Bekannten und deren noch jüngerem Sohn als ich es bin, reisen wir für zwei Wochen in den Auerhahn, einen kleinen Gasthof in Schlechtbach im Schwarzwald. Bei einer Wanderung nach Gersbach sehe ich oben auf einem Hügel zum erstenmal zwei Zögling Schulflugzeuge wie ich sie schon in einer Illustrierten Zeitung gesehen hatte. Ein Gitterrumpf, zwei gerade Flügel, hinten Steuerflächen und vorne ein offener Sitz. Ich wartete gespannt darauf wie damit geflogen würde. Endlich setzte sich ein junger Bursche auf den Sitz, schnallte sich fest, hielt mit der rechten Hand den Steuerknüppel und hob die Füsse vorne auf einen waagrechten Steuerbalken. Ich wollte unbedingt sehen was nun weiter geschehen würde und blieb stehen. Vorne am Flugzeug wurde ein Gummiseil eingehängt und dieses wie ein V nach vorne ausgelegt. Hinten wurde das Flugzeug von einigen Leuten an einem Seil gehalten. Je vier Burschen zogen vorne das Gummiseil aus bis sie fast nicht mehr weitergehen konnten. Dann hörte ich jemanden los rufen, hinten wurde das Seil losgelassen und vorne rannten die Burschen hügelab und das Flugzeug schnellte nach vorne und flog über die Köpfe der immer noch Rennenden hinweg von denen einige zu Boden purzelten. Einige hundert Meter weiter unten setzte das Flugzeug auf, rutschte noch eine kurze Strecke weit, ein Flügel legte sich auf die Seite und der Pilot stieg vom Sitz. In den verbleibenden Ferientagen hatte ich noch mehrmals Gelegenheit den Fliegern zuzuschauen. Ende Ferien war ich entschlossen, später auch so fliegen zu lernen. Dieser Entschluss sollte nicht nur mein Leben wesentlich beeinflussen. Doch zuerst musste nun die zweijährige Handelsschule abgeschlossen werden. Der Flugbazillus in mir wuchs und ich erfuhr von einem Flugmodell-Baukurs der im Winter 1935/36 im De Wette Schulhaus stattfand. Begeistert baute ich dort mein erstes Modellflugi und erfuhr von einem älteren Besucher von einer Segelflugzeug Ausstellung in einer Turnhalle Nähe Münsterplatz. Am nächsten freien Nachmittag
  • 4. 4 war ich dort und hautnah bei richtigen grossen Segelflugzeugen. Die Ausstellung wurde von einem arbeitslosen jungen Ingenieur betreut den ich mir getraute einiges zu fragen. Von ihm bekam ich ein Anmeldeformular für den Beitritt zur Segelfluggruppe Basel. Das wars! Ich meldete mich an und wurde als Jungmitglied aufgenommen. Jedes Wochenende war ich nun auf dem Flugplatz Sternenfeld und half die Segelflugzeuge aus dem Hangar zu holen und an den Startplatz zu schieben. Es war ein begeisterndes Erlebnis dabei zu sein, zu helfen, dem Start der Flugzeuge im Flugzeugschlepp zuzusehen und den Tag im Kreis Gleichgesinnter zu verbringen. Jeden Dienstag- und Freitagabend von acht bis zehn Uhr war Baubetrieb in einer Baracke am St. Johann Rheinweg wo die Flugzeuge revidiert und oft auch repariert wurden. Am 1. April 1936 hatte ich meine dreijährige kaufmännische Lehre bei der Franz Haniel AG, Kohlenimport und Rheinschiffahrt begonnen. Mit siebzehn Jahren durfte man mit der Segelflug-Schulung beginnen. Am 31. Juli war das für mich so weit. Während den Herbstferien war von der Segelfluggruppe ein Schulungslager in Pleigne ob Soyère im Jura angesagt. Mit Einwilligung der Eltern durfte ich mich zu diesem anmelden. Meine zwei Ferienwochen des ersten Lehrjahres hatte ich dafür reserviert. Am 4. Oktober abends sechs Uhr sass ich zum ersten Mal klopfenden Herzens auf einem Zögling Schulflugzeug am Start, bereit für den ersten Rutscher. Was für ein Gefühl. Bei einem Rutscher wird das Flugzeug vom Seil der Autowinde am anderen Ende des Flugplatzes über das Feld gezogen damit man üben kann mit der Verwindung die Flügel waagrecht zu halten. Nach einigen erfolgreichen Rutschern wird etwas schneller gezogen und man hebt auf etwa einen Meter Höhe ab. Der erste wirkliche Flug. Weil wir noch etwa fünf Anfänger waren gab es für jeden nur etwa 4 bis 5 Starts pro Tag. Gemeinsam musste nach jedem Start das Flugzeug wieder an den Startplatz geschoben und auch das Drahtseil etwa 600 m weit dahin ausgezogen werden. Abends wusste und spürte man was man getan hatte. Nach dem Lager ging die Schulung während des Winters 36/37 am Wochenende auf dem grossen Feld zwischen Rheinfelden und Möhlin, dort wo heute die Autobahn durchgeht, weiter. Am 26. Dezember 1936 erfüllte ich mit einem Flug von 55 Sekunden Dauer aus etwa 80 m Höhe und einer sauberen Landung die Bedingungen zum Brevet A und durfte nun das schöne Abzeichen mit der weissen Möwe tragen. Irgendwann in diesem Winter kamen Mitglieder der Segelfluggruppe Sissach mit Autowinde und Grunau Baby zu uns ins sogenannte Wasserloch. Das war meine erste Tuchfühlung mit Sissach und Rudolf und Ernst Gunzenhauser. Im Rückblick eine schicksalhafte Begegnung. Als im Frühjahr auf dem Basler Flugplatz Sternenfeld wieder Flugzeugschlepps gemacht werden konnten, brachten Rudolf und Ernst Gunzenhauser das für sie von Karl Haberstich gebaute Segelflugzeug S18, eine schöne, elegante Spalinger Konstruktion, auf den Platz. Wegen des gemeinsam betriebenen Schul- und Flugbetriebes der beiden Segelfluggruppen, Basel und Sissach, fusionierte Sissach mit Basel und Rudolf und Ernst amteten als Fluglehrer auf dem Sternenfeld und flogen hier ihr S18. Inzwischen hatte auch ich das Segelflieger-Brevet und den Flugzeugschlepp-Ausweis erworben und so kreiste man manchmal gemeinsam im gleichen Aufwind. Im Februar 1939 rückte ich in die Flieger-Rekrutenschule nach Payerne ein. Ende März ging meine Lehre zu Ende und ab 1. Mai arbeitete ich bei Haniel als kaufmännischer Angestellter weiter. Dann kam die Mobilmachung und am 2. September einrücken in Sursee, Dislokation auf den Feldflugplatz Bleienbach und bald nach Grandcour, wo ich Rudolf als Motorfahrer Gunzenhauser wieder traf. Nach der Unteroffiziersschule vom 13.11. bis 9.12. gings zurück nach Grandcour und dann im März 1940 Dislokation nach Vernier, welcher Ort für Rudolf eine ganz besondere Bedeutung erlangte weil er dort seine zukünftige Frau, Jacqueline Henry,
  • 5. 5 kennen lernte. Es folgten gemeinsame Ablösungsdienste in Domdidier, Lerchenfeld bei Thun und Kestenholz. Wann es genau war, weiss ich nicht mehr, aber es muss vermutlich im Frühjahr 1941 gewesen sein als mich Rudolf fragte, ob ich nicht Lust hätte, zu ihm in die Firma zu kommen. Man brauche jetzt einen kaufmännisch ausgebildeten Mann auf dem Büro da der bisher nur stundenweise von einem Treuhandbüro kommende Mann nicht mehr genüge. Es müsse jemand den ganzen Tag anwesend sein der auch die Telefonanrufe beantworten könne. Ich erinnere mich noch gut an den sonnigen, warmen Tag an dem ich mit den Velo nach Sissach fuhr, um mir meinen eventuellen zukünftigen Arbeitsplatz anzusehen. Nach dem Bahnübergang in Lausen setzte ich mich ins Gras um etwas zu verschnau- fen bevor ich mich bei der Firma die ich noch nie gesehen hatte, vorstellen sollte. Bald kam ich zu einem weiteren Bahnübergang und da war ja die Fabrik schon, gleich am Dorfanfang. Rudolf stellte mich seinem Bruder Hans im grauen Arbeitsmantel vor und machte mit mir einen Rundgang durch die mir gänzlich unbe- kannte Arbeitswelt. Die an Transmissionen laufenden Maschinen, die Giesserei, einfach alles beeindruckte mich sehr und da waren ja noch zwei Bekannte aus der Fliegerkompanie. Werner Handschin der auch mit mir in der Rekrutenschule war und Hans Erny, der auch hier das Magazin betreute wie in der Kompanie. Im einzigen, etwa viermal vier Meter grossen Büro standen zwei Pulte, Rücken an Rücken, ein Kassenschrank, ein Bigla Block mit Auszugschubladen, ein Bücherkasten voller Bundesordner und ein Zeichnungsbrett. Durch ein breites Glasfenster konnte man die ganze Dreherei überblicken. Als ich am späteren Nachmittag wieder nach Basel radelte war ich bereits entschlossen, die Stelle anzutreten. Bei Haniel war man nicht erfreut als ich kündigte, doch mich zog es stark aus dem gleichförmigen Handelsbe- trieb und der Buchhaltung weg, hin zum sicher abwechslungsreicheren und interes- santen Fabrikationsbetrieb. Voller Erwartungen und unter dem Arm eine Mappe mit belegten Broten für das Mittagessen stieg ich am 1. Oktober 1941 in den Bummelzug nach Sissach um meine neue Stelle anzutreten. Einen kleinen Katalog der hergestellten Armaturen hatte ich in den letzten Wochen eingehend studiert und mich mit deren Verwendung versucht vertraut zu machen. So viel es mir eigentlich gar nicht schwer bald telefonische Bestellungen abzunehmen. Die auf der Schreibmaschine geführte Buchhaltung gab auch keine Probleme. Bald fühlte ich mich sattelfest in allen anfallenden Arbeiten. Die gute Ausbildung an meiner früheren Lehrstelle war eine gute Grundlage für meine hier verlangte Selbständigkeit. Rudolf war meistens im BMW mit Karbidvergaser unterwegs auf Kundenbesuchen in allen Teilen der Schweiz. Wenn er heimkam gab er die Bestellungen Hans Erny ins Magazin zur Auslieferung der Artikel und schrieb dann selbst die Rechnungen. Während der einstündigen Mittagspause tummelte ich mich überall im Betrieb herum um mich mit allem gründlich vertraut zu machen. Hinter dem grossen Fenster zum Betrieb stand tagelang Vater Gunzenhauser an einer kleinen Fräsmaschine und fräste Vierkante an Ventiloberteilen. Er, der Gründer der Firma war immer noch aktiv und kam hin und wieder zu einem kurzen Schwatz zu mir ins Büro. Bereits damals hatte man einen Vertreter im Tessin der bei seinen gelegentlichen Besuchen in Sissach immer mindestens einen Panetone mitbrachte. Es war ja Kriegszeit und vieles rationiert und hier nicht erhältlich. Von Zeit zu Zeit kamen auch Säcke voll Kupferblech und Altmetall aus dem Tessin an. Ein willkommener, wenn auch kleiner Zustupf zu den Metallvorräten. Die Wochen und Monate vergingen wie im Flug und ich war froh, den Stellenwechsel gemacht zu haben, auch wenn jeden Tag total etwa eineinhalb Stunden zur und von der Arbeit anfielen und ich das Mittagessen nur am Pult einnehmen konnte. Für Essen im Restaurant hätte ich Mahlzeitencoupons benötigt und Geld gekostet hätte es auch noch. Es kam der sechste Juli 1942. Ein heisser
  • 6. 6 Sommertag, als mir Vater Gunzenhauser im Laufe des Vormittags einen grossen Teller prächtiger Kirschen brachte. Herrlich knackige. Im Büro konnte es recht heiss werden, auch wenn der grosse Rollstoren gezogen war. Kirschen ass ich als Voressen vor dem mitgebrachten Kartoffelsalat und wieder zum Dessert. Mit einer Flasche Vivicola löschte ich im Verlaufe des Tages den Durst. Das hätte ich schlauerweise besser bleiben lassen. Nach schweren nächtlichen Bauchkrämpfen kam ich am 7. Juli, dem Geburtstag meines Vaters, ins Spital wo man mir am Abend 1,5 Meter des geplatzten Dünndarmes herausoperierte. Nach Bauchfell- und Lungenentzündung und drei Lungenembolien konnte ich Ende August meine Arbeit wieder aufnehmen. Kirschen meide ich bis heute weitgehend, aber es war ja meine Schuld. Jugendliche Unvernunft, auf Steinobst so viel zu trinken, das muss ja zu gären beginnen. Während ich im Spital lag, nahm Ernst Gunzenhauser am Segelfluglager auf Les Pléiades teil. Bei einem Gummiseilstart erlitt er einen schweren Unfall mit dem Segel- flugzeug S18 und lag viele Wochen im Spital. Nach der Genesung kehrte er nicht mehr zur Hispano in Genf zurück sondern kam in die Firma JRG. Er konstruierte für die bisher mit einem Wald von Riemen angetriebenen Maschinen Einzelantriebe, indem jeder Drehbank von einem eigenen Elektromotor auf einer Wippe, separat angetrie- ben wurde. Das bedeutete eine wesentliche Modernisierung der Dreherei. Die ganze Belegschaft, für welche ich vierzehntäglich die Stempelkarten abzuschliessen und den Zahltag auszurechnen hatte, bestand aus ca. 22 Mann, inklusive zwei Stifte. Manchmal kamen Hedi oder Susi Gunzenhauser, die Töchter von Hans zu mir ins Büro um bei mir Hilfe bei Problemen mit den Schulaufgaben zu holen oder um mit ihnen Steno zu üben. Hin und wieder lud mich Frau Gunzenhauser zum Mittagessen am grossen Familentisch ein. Beim verbuchen der Rechnungen fiel mir auf, dass praktisch keine Kunden aus Basel vorhanden waren. Ich fragte Ruedi nach dem Grund und er erklärte mir, weil die Armaturenfabrik Nussbaum in Basel eine Filiale habe bei der die Installateure Reparaturen machen lassen können, kauften sie dort halt auch was sie an Armaturen benötigten. Da ich nun mit den von Gunzenhauser hergestellten Armaturen recht vertraut geworden war, selbst in Basel wohnte, fand ich, hier muss man doch auch Gunzenhauser Armaturen verwenden. Ich schlug deshalb Rudolf vor, anstatt am Samstagvormittag nach Sissach zur Arbeit zu kommen, Samstagsarbeit war zu dieser Zeit noch üblich, in Basel mit dem Velo auf die Reise zu gehen. Ja gut, mach das, war seine Antwort. Der 13. Februar 1943 war mein erster Reisetag wie ich aus meinem noch vorhandenen Rapportheft entnehmen kann. Weil ich auf meinem täglichen Weg von daheim zum Bahnhof stets bei der Firma Gschwindemann und Sohn, sanitäre Anlagen am Spalenring vorbei kam, machte ich auch dort meinen ersten Besuch als Reisender der Armaturenfabrik Gunzenhauser in Sissach. Im Rapportbuch steht: seriöses Geschäft, klagt aber über Auftragsmangel. Zu insgesamt fünfzehn Installateuren radle ich an diesem Samstagvormittag. Es war eine interessante Erfahrung und ich durfte feststellen, dass ich überall freundlich empfangen wurde und man sich wunderte, jemanden von Gunzenhauser zu sehen. An einen Wechsel denke man nicht, denn mit Nussbaum am Ort sei man gut bedient. Allen hatte ich den kleinen Katalog und einige Bestellkarten abgegeben und ihnen meine weiteren Besuche angekündigt. Was Ruedi mir gesagt hatte hörte ich fast von allen. Der Vormittag hatte mir richtig Spass gemacht und ich freute mich schon auf den nächsten Samstag. In meiner Stadt muss man doch auch JRG Armaturen verwenden fand ich. Dazu wollte ich beitragen, auch wenn alle Besuchten über kriegsbedingten Auftragsmangel klagten. Im Laufe der Zeit dehnte
  • 7. 7 ich meine Besuche per Velo bis nach Riehen, Pratteln, Aesch etc. aus. Hin und wieder bestellte man mir einige Schrägsitzventile, Schnellschlussventile, Gelenke oder Eck-Sicherheitsventile. Ich lernte viele Leute kennen, hörte viel und lernte auch viel. Aber steter Tropfen höhlt den Stein und ich fühlte, dass ich bei manchen richtig willkommen war. Besonders erfreut war ich, wenn ein Basler nach Sissach telefonierte um etwas Dringendes zu bestellen das ich ihm hin und wieder abends noch mitbrachte wenn es nicht zu schwer war. Nach den drei Jahre lang besuchten Abendkursen am Kaufmännischen Verein in Basel bestand ich im April 1945 die Prüfung zur Erlangung des Fähigkeitsausweises "Eidgenössisch diplomierter Buchhalter". Die schriftliche Diplomarbeit "Statistik einer Metallgiesserei und Armaturenfabrik" war in vielen Teilen Vorbild für den späteren Aufbau des Rechnungswesens und der Betriebsabrechnung bei JRG. Der Krieg ging vorbei und der Wohnungsbau begann zu wachsen. Die Samstagsar- beit war auch abgeschafft und so verlegte ich meine Reisetätigkeit auf jeden ganzen Donnerstag. Nicht mehr mit dem Velo sondern mit einem alten DKW. Ich begann aus dem Kantonsblatt die Baupublikationen auszuschneiden und in einem Ringbuch nach Architekten geordnet einzukleben. Zwischendurch ging ich zu den Architekten um mich zu erkundigen wer die sanitären Arbeiten der publizierten Bauvorhaben erhalten werde. Oft sagte man mir auch wer alles zur Offertstellung eingeladen sei, später dann auch wer den Auftrag erhalten habe. Beim Besuch des Glücklichen konnte ich dann gezielter die JRG Armaturen ins Gespräch bringen. Da zu jener Zeit noch sehr viele Elektroboiler der Firma Sauter in den Wohnungen installiert wurden, lieferte Sauter auch gleich die aus Pressmessing hergestellten COBA Boilergruppen mit. Trotzdem die COBA Ventile sehr preisgünstig waren gelang es mir mit der Zeit Sauter mit den JRG Gruppen auszustechen. Besonders nachdem Ruedi selbst die sehr kompakte JUNIOR Gruppe konstruiert hatte. Ich weiss noch genau wie sie auf der hinter meinem Pult stehenden Zeichenmaschine entstanden ist. Die Konjunktur zog an, Emil Husi wurde als Konstrukteur angestellt und hatte sein Büro auf der Laube des Wohnhauses. Alois Koller in Emmenbrücke wurde Vertreter für die Zentralschweiz während Ruedi noch grosse Teile der Schweiz selbst bereiste. Ein Neubau drängte sich auf. Ein Verwaltungsgebäude und drei Shed Hallen wurden 1946 erstellt um der steigenden Nachfrage und den Anforderungen in allen Teilen entsprechen zu können. Während lange in dem von Otto Hürbin betreuten Detaillager im Keller einfach nachgesehen wurde was fehlte um es rechtzeitig zu beschaffen oder herzustellen wurde es nun Zeit, die Bewirtschaftung zu organisieren. Mit der Firma National in Zürich entwarf ich das Konzept und der Kauf der entsprechenden Buchungsmaschine und der weiteren Hilfsmittel wurde beschlossen. Der Donnerstag blieb weiter mein Basler Reisetag den ich nun auch auf die Industrie ausdehnte. Mein Vater arbeitete noch bei der CIBA und erzählte mir eines Tages er spaziere manchmal nach dem Mittagessen mit Herrn Grütter, dem Einkaufschef und habe ihm erzählt der Sohn Max arbeite bei der Armaturenfabrik Gunzenhauser. Ich solle mich doch einmal bei ihm melden, sie bräuchten auch Armaturen, war seine Antwort. Gesagt getan. Bei meinem Anruf wurde ich gebeten, mich Montag 9 Uhr zu melden. Der Empfang war freundlich und Herr Grütter sagte ich solle mich automatisch jeden Montag um diese Zeit melden, er werde dann sehen was vorliege. Bald zeigte es sich, dass wir nur sehr wenig der benötigten Armaturen herstellten. Es wurde mir dann gestattet, mich in den Konstruktionsbüros selbst umzusehen und in Erfahrung zu bringen, was in den geplanten Anlagen an Armaturen gebraucht und von JRG eingeplant werden könnte. Damit tat sich für mich ein interessantes Gebiet auf und ich ging in der CIBA bald ein und aus. In den Anlagen Konstruktionsbüros, dem Normenbüro bei Herrn
  • 8. 8 Devecci, der Armaturen Eingangskontrolle wo ich sogar zwei Kollegen aus der Segel- fluggruppe traf, bei Herrn Wetzel, Werkstattchef Klybeck und Kleinhüningen. Wenn ich mich am Montag um 9 jeweils ordnungsgemäss beim Portier Herrn Girard anmeldete hiess es nach der Begrüssung nur "Sie kennen ja den Weg." Das sind jetzt leider tempi passati. Die gute Alte Zeit! Ein erfolgreicher Artikel entstand aus den ge- schilderten Kontakten. Reiberhahnen mit Aussengewinde und federbelastetem Reiber die wir in den Grössen ½" bis 2" herstellen konnten. Ein ganz besonderer Gross- auftrag kam herein. Filterpresshahnen aus Ebonit. Ein flaches Gebilde, nur etwa 50 mm breit und mit den Flanschen 250 mm hoch. Jeder einzelne Filterpress Rahmen hatte auf der Stirnseite einen solchen Umlenk- und Auslaufhahnen. Dort wo das Hochkamin steht kam auch ein Neubau hin in welchem die Filterpressen auf mehreren Etagen standen. Der Erstauftrag umfasste sicher etwa 2000 Stück. Wenn das Material bearbeitet wurde, roch man es in allen Sheds. Aber nebst CIBA hat es ja auch Sandoz, Geigy und Hoffmann La Roche sagte ich mir. Bald war ich auch bei Herrn Brüderlin dem Einkaufschef bei Geigy willkommen, es folgte Herr Rigendinger bei Sandoz und gelegentlich auch Herr Rupp oder Herr Poupon bei Roche. Bei den Letzteren hatte ich keine so freie Hand wie in der CIBA. Unsere Reiberhahnen mit Aussengewinde und nach Basler Chemienorm fanden aber bei allen Absatz. Fliegen muss auch wieder einmal erwähnt werden. Wenn es möglich war, war ich am Wochenende auf dem Flugplatz, im Segelflugzeug oder als Schlepppilot im Motorflugzeug. 1951 hatte die Segelfluggruppe eine revidierte Tigermoth aus der englischen Airforce als Schleppflugzeug gekauft die ich am 22. August 1950 von Croydon nach Basel überflog. Das gäbe eine Geschichte für sich. Nach dem Krieg wurde im Sinne der Völkerverständigung von Amerika der Civil Air Patrol Exchange ins Leben gerufen. Ein Jungfliegeraustausch zwischen Amerika und vorerst westlichen Nationen. Je sieben Jungpiloten mit Begleiter waren nach USA eingeladen und sieben Amerikaner gingen ins entsprechende Land. 1953 wurde ich als Begleiter von sieben jungen Schweizer Segelfliegern auserkoren die als Gäste der US Air Force reisen konnten. Auch das gäbe einen interessanten Erlebnisbericht der drei Wochen USA. Als Beispiel der erlebten Grosszügigkeit nur folgendes. Zu jener Zeit lebte noch meine Grossmutter mütterlicherseits in Philadelphia mit ihren Familienangehörigen. Diese wollte ich natürlich wenn möglich kennen lernen. Als wir von Urbana Champain im Mittelwesten in einer DC 3 auf die Mitchel Air Force Base bei New York geflogen worden waren, an einem Samstag, erkundigte ich mich beim Kommando ob ich bis Sonntag Urlaub bekäme da ich gerne meine Verwandten in Philadelphia besuchen möchte und wie ich dorthin käme. Ich sei ja das erstemal in Amerika. Ich konnte einen Brief meines Cousins, Major der USAF zeigen der mich bat, wenn immer möglich, doch vorbeizukommen. Man fragte mich wo ich das Gepäck habe. Dort draussen. Go stick to your luggage war die Antwort. Das tat ich und es ging nicht lange, kamen der Pilot und Co-Pilot die uns hierher geflogen hatten und fragten mich are you the guy who wants to go to Philadelphia? Yes that's me antwortete ich. O.K. come along war die Antwort. In einem Sonderflug brachte mich die US Air Force als einzigen Passagier nach Philadelphia damit ich meine Leute sehen und kennen lernen konnte. Sie trugen mir noch den Koffer zur Ankunftshalle, sagten have a nice weekend, salutierten und gingen zur DC 3 zurück. Die nächsten Stunden werden mir unvergesslich bleiben. Am Sonntag gings dann per Bahn zum weiteren offiziellen Teil nach New York zurück. Dieser erste Aufenthalt hatte auch seinen Einfluss auf einiges das noch folgen wird. Der Umsatz bei JRG wuchs und man war erfolgreich auf dem Schweizer Markt. Ich pflegte weiterhin die Chemischen, die Installateure und Architekten in Basel und Umgebung. Von meinem USA Aufenthalt hatte ich unter anderem ein Exemplar "Plumbing and Heating Journal" mitgebracht das ich noch
  • 9. 9 abonnierte um mehr über das Plumbing zu erfahren weil ich gesehen hatte, dass vieles anders war als bei uns. Herr Brüderlin von Geigy fragte mich bei einem Besuch ob wir nicht auch Kugelhähne herstellten, denn für diese sei eine grosse Nachfrage im Betrieb. Leider Nein musste ich antworten. Im Plumbing and Heating Journal stiess ich auf solche und machte mir meine Gedanken. Ferien im April 1959 führten mich nach New York wo ich mich bald heimisch fühlte und mir auch aus beruflichem Interesse entstehende Hochhäuser und deren Installationen ansah. An einer Industrie-Ausstellung im Coliseum kam ich mit einem Herrn Jamesbury ins Gespräch. Wir tauschten Visitenkarten und auf seiner stand Jamesbury Valves, Worcester/Mass. Ich hakte nach, auch ich komme aus einer Valves Fabrik. Wir verstanden uns sehr gut und er lud mich zu einer Fabrikbesichtigung ein. Das wars natürlich was mir willkommen war. So flog ich in der nächsten Woche nach Boston und fuhr von dort mit einem Mietwagen nach Worcester. Die Fabrikanlagen waren etwa doppelt so gross wie die von JRG. Das Hauptprodukt das hergestellt wurde waren zu meiner Überraschung Kugelhahnen aller Art und Grösse in Buntmetall und rostfreiem Stahl. Als ich mich erkundigte ob es möglich wäre die Kugeln und Dichtungen zu beziehen um sie in von uns herzustellenden Gehäusen in Schweizer-Baulängen einzubauen, war er interessiert und bat mich, ihm nach meiner Rückkehr in die Schweiz Bedarfszahlen mitzuteilen damit uns eine Offerte gemacht werden könne. Weitere Gespräche wären dann aber noch nötig. An einem Informationsstand im Coliseum hatte ich die neuste Ausgabe des Plumbing and Heating Journals gekauft. Unter den Inserenten war auch Jamesbury Valves und eine Firma Watts Regulator Company in Lawrence/Massachusetts welche Druckre- duzier- und Sicherheitsventile inserierte. Da Lawrence nur etwa 40 Meilen von Worcester entfernt und der Rückflug erst am späten Nachmittag war, entschloss ich mich kurzerhand dorthin zu fahren. Gegen zwei Uhr war ich dort und fand die Firma Watts bald. Sie war in älteren Gebäuden aus dunklen, russigen Backsteinen. Eine Giesserei musste am Rauch und Geruch auch vorhanden sein. Am Empfang meldete ich mich bei einer älteren Dame. Ich sei auf der Durchreise, käme aus der Schweiz und sei auch im Plumbingbusiness beschäftigt und würde sehr gerne sehen was hier hergestellt werde. Sie wolle sehen sagte sie und rief jemanden an. Bald kam ein jüngerer Herr und stellte sich als Marketingleiter vor. Nachdem ich ihm einiges über meine Tätigkeit, die Firma JRG und die Vertriebswege in der Schweiz gesagt hatte, führte er mich in einen nicht besonders eindrucksvollen Ausstellungsraum. An den Wänden und auf Tischen waren Druckreduzier- und Sicherheitsventile verschiedener Grössen und für unterschiedlichen Einsatz ausgestellt und auf Tafeln beschrieben. Optisch in keiner Weise mit JRG Fabrikaten zu vergleichen. Besonders begannen mich sogenannte Tempering Valves zu interessieren und ich bat um eine Dokumentation. Ich sagte meinem Begleiter diese Ventile wären vielleicht etwas das wir in der Schweiz auf den Markt bringen könnten weil es in unser Verkaufsprogramm passe. Ob ich Muster und Unterlagen haben könne? Nach einigem Zögern entfernte er sich und kam bald mit einem ½" Ventil und einem Prospekt zurück. Ich bedankte mich und versprach, mich bald aus der Schweiz wieder zu melden. Durch eine Türe liess er mich einen Blick in die Dreherei werfen. Dann verabschiedete ich mich und suchte den Weg zum Boston Logan Airport wo ich rechtzeitig genug zum Rückflug nach New York ankam. Ich hoffte, im Besitz von vielversprechenden Unterlagen zu sein. An einer Programmsitzung orientierte ich das Gremium über das was ich gesehen und vernommen hatte. Die Kugelhahen standen mir damals eigentlich im Vorder- grund weil in der Chemie ein echter Bedarf vorhanden war und man gerne solche in
  • 10. 10 den Baulängen der Basler Chemienorm hätte. Unsere Katalogarmaturen waren aber im Moment Mangelware weil die Fabrikation die grosse Nachfrage nicht befriedigen konnte. Man war mit Bestellungen überschwemmt und war fast froh, wenn es Annul- lationen gab. Wie es sich später zeigte war es eine aufgeblähte Nachfrage denn die Installateure und Eisenhändler gaben ihre Bestellungen bei mehr als einem Lieferan- ten auf. In der Hoffnung, einer würde schon einmal etwas liefern. Weil das Ende der jetzigen Situation nicht abzusehen war beschloss man, sich vorläufig nicht mit Kugelhahnen zu befassen. Da für Tempering Valves die Anwendungsmöglichkeiten erst noch umfassend son- diert werden mussten nahm ich mir vor, mir dies fast zum Hobby zu machen. Die ersten verchromten einstellbaren Mischer wie Kuglostat und Simix waren auf dem Markt, aber so kleine gussrohe Mischer wie ich sie gesehen hatte, gab es noch nicht. Darin könnte doch etwas zukunftsträchtiges liegen dachte ich. Ich wollte deshalb erst einmal sehen, wo was und wie solche neuartigen Ventile verwendet werden könnten. Der Watts Prospekt gab einige Hinweise. Aber wie kämen diese in der Schweiz an? Mit dem einzigen Musterventil, das zudem noch 1/2" Lötmuffen hat, war nicht viel anzufangen. Ich bestellte deshalb bei Watts noch einige Ventile mit 1/2" Gewindemuffen und einem Temperaturbereich von 120 – 160°F (49 – 71°C). Dabei ging es mir hauptsächlich um den in das Gehäuse eingeschraubten Teil mit dem Thermostaten. Wir müssten eigentlich nur ein Gehäuse konstruieren in das der Einsatz passen würde und welches allseits Gewinde- oder Lötverschraubungen hätte. Kleine Rückschlagventile am Kalt- und Warmwassereingang müssten sicher auch vorhanden sein. Sobald die weiteren Ventile angekommen sind, wollte ich an einer Programmsitzung einen entsprechenden Antrag stellen. Ich hatte ja noch eine Menge angestammter Aufgaben und Arbeiten zu erledigen, sodass ich mich erst nach längerer Zeit erkundigte ob die bestellten Ventile eingetrof- fen seien. Leider war die Bestellung noch offen. Nach einer schriftlichen Rückfrage bei Watts trafen die Ventile nach einigen Wochen mit gewöhnlicher Parcel Post ein. Da das technische Büro sicher nicht auf Arbeit gewartet hatte, muss eine längere Zeit vergangen sein bis die Zeichnung eines JRG Gehäuses mit Verschraubungen vorlag. Von der Konstruktion stellte man mir verschiedene Fragen, manche konnte ich anhand der englischen Unterlagen beantworten, manche aber nicht. Es muss dann wieder längere Zeit gegangen sein bis ich einige der neu konstruierten Ventile mit dem eingeschraubten Reguliereinsatz der Originalventile erhalten hatte. Ich erfuhr auch, dass man beabsichtige mit diesen im Prüfraum Funktionsversuche vorzuneh- men. Wenn aus dem Projekt etwas werden sollte, lag der Ball nun hauptsächlich bei mir. Ich musste und wollte herausfinden wo solche Ventile mit einer fest eingestellten Temperatur zu verwenden waren. Schliesslich darf man ja nur etwas herstellen für das ein Bedarf vorhanden ist oder sicher geschaffen werden kann. Es ist Mustermesse und JRG stellt auf einem Stand von etwa 10 x 5 m Grösse aus. Auf weissen Tafeln sind alle wichtigen Armaturen montiert. Die JUNIOR Gruppe, roh, ver- chromt, mit und ohne Unterputzanschlüssen, Sicherheitsventile, Schrägsitzventile, Waschküchenarmaturen, Schnellschlussventile, was damals eben alles hergestellt wurde. Es war meine erste Teilnahme an einer Ausstellung. Mich freute es besonders wenn ich "meine" Kunden und die mir bekannten Planer und Architekten begrüssen konnte. Ich wollte natürlich auch sehen wer von den anderen Armaturenfabriken
  • 11. 11 noch was ausgestellt hatte. Auf einem Rundgang in den Shedhallen, die dort standen wo sich heute der Bau mit dem Rundhof befindet, betrat ich den Stand der Firma Schulthess, Waschmaschinenfabrik aus Wolfhausen wo gerade Interessenten eine Geschirrwaschmaschine erklärt wurde. Ich hörte den Erklärungen zu diesem neuen Produkt zu. Es fiel mir auf, dass oberhalb der Maschine ein Kuglostat montiert war, das gleiche Modell wie ich es daheim in der Dusche hatte. Als sich die Leute verzogen hatten erkundigte ich mich nach dem Zweck des Kuglostaten bei der Ma- schine. Es wurde mir dann erklärt, dass das Sprühwasser nicht wärmer als 65°C sein dürfe weil sonst das Eiweiss in den Speiseresten auf dem Geschirr festgebrannt würde. Ich gab mich als Interessent für eine Geschirrwaschmaschine aus und erkun- digte mich nach den Preisen. Der Mischer allein machte fast 15% des Preises der Maschine aus. Im Laufe des Gespräches erfuhr ich, dass man den Mischer hin und wieder auf eine tiefere Temperatur einstellen müsse weil er sonst wegen Verkalkung blockieren könnte wenn er stets auf die gleiche Temperatur eingestellt bleibe. Was ich gehört hatte beschäftigte mich sehr. Und plötzlich hatte es geklickt. Da wäre doch so ein kleines Mischventil wie ich kürzlich einige Muster erhalten hatte eine Lösung. Plötzlich muss mich so etwas wie ein Jagdfieber gepackt haben. Ich nahm mir vor, anhand gezielt gestellter Fragen, Meinungen und Ideen von Installateuren und Planern anlässlich meiner Kundenbesuche in Basel und Umgebung zu sammeln. Nach zahlreichen interessanten Gesprächen fasste ich die Informationen, wie nach- stehend aus dem bei mir immer noch vorhandenen Originalbericht wiederholt, wie folgt zusammen: "Bericht über Marktuntersuchung für neu zu lancierende Armatur" Die Umfrage bei ausgewählten Installateuren und Sanitärplanern hat folgendes ergeben: 1. Es besteht ein lebhaftes Interesse 2. Ab sofort besteht schon ein ansehnlicher Markt für das Ventil beim Einbau von Geschirrwaschmaschinen. Für diese wird eine konstante Temperatur von 65°C verlangt. Bis jetzt musste für jede Geschirrwaschmaschine ein teurer Kuglostat oder Simix angeschafft werden. Da der Detailverkaufspreis für eines der neuen ½" Ventile etwa Fr. 40.– betragen dürfte, bietet es allein schon von der Preisseite her einen gewaltigen Vorteil. 3. In der normalen Wohnungsinstallation bieten sich ebenfalls verschiedene An- wendungsmöglichkeiten. Anstelle eines regulierbaren Mischventils könnte z.B. in einer Duschenanlage ein auf 40° fest eingestelltes Ventil montiert werden, sodass die Temperatur durch Beimischung geringer Mengen Kaltwasser regu- liert werden kann. Infolge der kleinen Temperaturdifferenz zwischen Mischwas- ser und Kaltwasser sollten sich eventuelle Druckunterschiede kaum mehr be- merkbar machen. 4. Bei Duschenanlagen in der Industrie wären Installateure sogar bereit, zu jeder einzelnen Dusche ein derartiges Ventil zu montieren, da zentrale Kuglostaten oder Leonhardmischer sehr störungsanfällig sind und dann jeweils die ganze Duschenanlage in Mitleidenschaft gezogen wird. 5. Das Ventil sollte mit Aussengewinden und Verschraubungen angeschlossen werden können. 6. Eine Unterputzausführung ist ebenfalls erwünscht. 7. Es ist zu prüfen, ob eventuell auf der Warmwasserseite ein Filter und auf der Kaltwasserseite ein Rückschlagventil kombiniert werden könnte.
  • 12. 12 8. Gemäss einer Herrn Husi seitens Herrn Bader, Präsident der TK des SSIV zuge- gangenen Information dürfte die Entwicklung in der Warmwasser-Versorgung bis in einigen Jahren soweit sein, dass diese aus Wirtschaftlichkeitsgründen durch Mischwasser erfolgt. 9. Das technische Büro wird der Prüfstelle in Zürich je ein amerikanisches ½" und ¾" Ventil zur Prüfung einsenden. 10. Damit wir uns selbst ein Urteil über die Arbeitsweise machen können, wäre em- pfehlenswert, in einer Versuchsanlage bei uns ein Ventil einzubauen. Die Firma Rosenmund Basel wird dieser Tage bereits ein ½" Originalventil bei einer Geschirrwaschmaschine versuchsweise einbauen. Es scheint mir, dass nach Abklärung aller Fragen mit einem derartigen Ventil bestimmt eine neue, interessante Armatur geschaffen werden könnte. Eine soeben noch mit Herrn Walter Bogenschütz, Sanitärtechnisches Büro, geführte Unterredung hat ergeben, dass er einer solchen Armatur vom installationstechni- schen Standpunkt aus eine sehr grosse Zukunft gibt. Er wäre sofort bereit, in allen seinen Projekten pro Wohnung eine derartige Armatur vorzusehen. Er hat mir vertrau- lich mitgeteilt, dass er nächstens ein Projekt für 600 Wohnungen ausarbeiten werde. Er wünscht baldmöglichst alle technischen Unterlagen und Angabe wann Lieferun- gen erfolgen könnten. Herr Kurt Jost, Chef der Installationskontrolle des Gas- und Wasserwerkes Basel be- trachtet die Armatur als interessante und wichtige Bereicherung zur sich laufend ent- wickelnden Installationstechnik. Auch er ist der Ansicht, dass die Führung von Misch- wasserleitungen in absehbarer Zeit zur Selbstverständlichkeit werde. Er wundert sich, warum eigentlich bis heute noch nie jemand auf die Idee der ihm vorgelegten Armatur gekommen sei. (Datum des Originalberichtes 19.9.1960) Irgendwann hatte ich mich bei der Firma Schulthess Wolfhausen zu einem Besuch angemeldet um ein Muster unseres Mischventiles zu zeigen. Ein langes und ausführli- ches Gespräch mit Herrn Gasser war für uns beide sehr informativ. Auch dieser mir noch vorliegende Original Gesprächsbericht lautete wörtlich wie folgt: Schulthess Wolfhausen (Herr Gasser) Für die neue Geschirrwaschmaschine sucht die Firma Schulthess ein einwandfreies Mischventil. Es hat sich bereits gezeigt, dass der Kuglostat, der schon ausprobiert worden ist, ungeeignet ist, da er bei ständig gleichbleibender, fest eingestellter Tem- peratur nach einiger Zeit nicht mehr arbeitet. Die Geschirrwaschmaschine arbeitet mit drei Temperaturen, mit 50°, 60° und 70°. Sie besitzt einen kleinen Durchlaufboiler von einigen Litern Inhalt, der nach Ansteuerung durch die Lochkarte das Wasser auf 50, 60 oder 70° aufheizt. Das Mischventil soll diesem Schnellheizboiler Wasser mit 50° zuführen, das dann entweder direkt in die Geschirrwaschmaschine geht oder noch um 10 respektive 20° aufgeheizt wird. Die Firma ist an unserem Mischer ausserordent- lich interessiert, da er sich auch seiner Kleinheit wegen sehr gut für den Einbau eignet. Die Firma will auf jeden Fall einen Mischer fest in die Maschine einbauen damit sie ein erprobtes Fabrikat liefern kann und sich der Private nicht noch mit der Anschaffung eines Mischventils befassen muss. Für eine spätere Entwicklung habe ich einen 3-Element-Mischer vorgeschlagen. Wenn die Geschirrwaschmaschinen an Orte kommen wo jederzeit reichlich heisses
  • 13. 13 Wasser zur Verfügung ist, so kann dann der Schnellheizboiler mit all seinen Zutaten weggelassen werden. Dieser ganz neue Mischer müsste drei Elemente haben, je eines für 50, 60 und 70°. Durch ein von der Lochkarte aus gesteuertes Dreiwegventil würde dann jeweils das Boilerwasser welches aus der Hausleitung kommt, wahlweise einem der drei Elemente zugeleitet werden, welches dann das Wasser auf die nötige Temperatur heruntermischt. Für den Moment ist das aber noch Zukunftsmusik, doch ist die Firma an meinem Vorschlag sehr interessiert, da er für diese Fälle eine wesentli- che Verbilligung der Maschine erbringen könnte. Ich schlage deshalb vor, dass wir uns bereits in nächster Zeit studienhalber mit einer solchen Konstruktion befassen. Möglichst auch mit dem dazugehörenden Dreiwegventil. Schulthess stellt bis in ca. 14 Tagen eine Geschirrwaschmaschine in ihrer Kantine auf und möchte die einfache Ausführung unseres Ventils in der Maschine zu Versuchszwecken montieren. Es ist zu prüfen, ob wir in das Ventil die OCEAN-Einsätze einfügen können, andernfalls müssten wir ein neues Gehäuse anfertigen. Da in nächster Zeit einige weitere Ventile von Watts aus USA kommen, verfügen wir wieder über Einsätze, die in das kleine Mischventil passen. Wir müssen diese Angelegenheit mit Schulthess initiativ behan- deln, da ein sehr interessantes Geschäft daraus entstehen könnte, wenn wir uns rich- tig an den Laden legen. Im Mustermessekatalog hatte ich entdeckt, dass die Verzinkerei Zug auch eine Geschirrwaschmaschine ausstellte. Leider sah ich das erst längere Zeit nach der Messe. Ich meldete deshalb auch Zug meinen Besuch an und gebe hier ebenfalls meinen Original-Gesprächsbericht wieder: Verzinkerei Zug (Herr Brönnimann) Die Verzinkerei Zug hat eine Geschirrwaschmaschine in Konstruktion, die sie an der Mustermesse erstmals gezeigt hat. Lieferungen können aber erst ab Ende Jahr erfol- gen. Es werden aber heute auf dem Prüfstand die verschiedenen Mischventile wie Kuglostat, Simix, Eurotherm und ein Danfoss-Ventil ausprobiert. Da Zug entweder ein solches Ventil fest einbauen will oder den Installateuren das Fabrikat vorschreiben wird. Herr Brönnimann ist an unserem Ventil sehr interessiert und er möchte baldmög- lichst 1-2 Muster erhalten um das Ventil auf dem Prüfstand einem Dauerversuch zu unterziehen. Sobald die Muster vorhanden sind wird auch geprüft, auf welche Art das Ventil am einfachsten eingebaut werden kann. Eventuell müsste das Gehäuse geändert werden, da aus Platzgründen der Kalt- und Warmwassereingang eventuell von vorne, d.h. rechtwinklig zu den jetzigen Eingängen sein müsste. Da jedoch bedeutende Stückzahlen in Frage kommen werden, spielt das für uns fabrikatorisch keine sehr grosse Rolle. Eventuell könnten auch Lötanschlüsse oder Bördelanschlüsse für Kupferrohre in Frage kommen. In den nächsten zwei Wochen sind deshalb Herrn Brönnimann ein bis zwei Ventile für die Versuche zuzustellen. Die Sendung ist an ihn persönlich zu adressieren. Da Lieferungen von Geschirrwaschmaschinen noch nicht erfolgen, steht uns somit noch genügend Zeit zur Verfügung, um ins Geschäft zu kommen, respektive das Ventil den Wünschen von Zug anzupassen, sobald alle vorgängigen Fragen abgeklärt sind. Dieser Besuch führte später zu einer Kettenreaktion von Geschäftsverbindungen und lukrativen Geschäften von JRG. Weshalb das der Fall war erwähne ich kurz nachste- hend. Im Empfangsraum der Verzinkerei Zug musste ich sehr lange warten bis ich zu Herrn Brönnimann gehen konnte. Auf einem Tisch lag der "Zuger Rötel", die Hauszeitung der Firma. In einem Artikel über ihre Aktivitäten las ich, dass sie ihre Vertretung der
  • 14. 14 Ingenieurfirma TA Tour Agenturer AB in Stockholm übertragen habe. Da JRG auch beabsichtigte zu exportieren dachte ich mir, wenn Tour Agenturer für die Verzinkerei gut ist, könnte sie das auch für JRG sein. Also notierte ich mir die Firma um ihr nächstens zu schreiben. Darauf werde ich etwas später zurückkommen. Die Möglichkeiten die sich für das Mischventil bei Schulthess und Zug abzeichneten sahen vielversprechend aus. Da beide Firmen einen sehr grossen Absatz ihrer Maschi- nen planten passte es mir nicht, dass wir die Reguliereinsätze aus den USA importie- ren müssten und deshalb sehr von Watts abhängig wären. Dazu kam die Preisfrage. Bis jetzt hatten wir die kompletten Tempering Valves in kleinen Stückzahlen gekauft, nur um die Reguliereinsätze verwenden zu können. Eine Offerte für diese allein musste umgehend verlangt werden. Als nach einigen Wochen eine solche eintraf, passte mir diese gar nicht. Zum damaligen Dollarkurs kam ein Stück auf rund Fr. 12.– zu stehen. Das Kernstück war der kleine Thermostat und zu ihm kamen lediglich einige Decolletageteile. Den Hersteller des Thermostaten müsste man kennen. Watts war natürlich nicht gewillt, diesen bekannt zu geben. Im Plumbing and Heating Journal waren natürlich viele Hersteller aufgeführt, aber keiner für Thermostaten. Um nicht plötzlich ohne Einsätze zu sein, liess ich 50 solche für "Versuchszwecke" bestellen. Auf der Reise in Basel fragte man mich hin und wieder wann die Kleinmischer erhältlich seien, man habe eine Geschirrwaschmaschine anzuschliessen. Bei einem Besuch bei Herrn Defila in dem mir bekannten Konstruktionsbüro in der Ciba wurde ich gefragt, ob wir Dampf/Wassermischer herstellen würden. Man verwende solche von der Firma Powers Regulator Company in Skokie, Illinois, hätte aber wegen des Service lieber einen näher gelegenen Lieferanten. Ich musste Herrn Defilla einen ab- schlägigen Bescheid geben, notierte mir aber den von ihm genannten Lieferanten. Wegen den sich abzeichnenden Möglichkeiten fühlte ich mich wie unter einem Zug- zwang. Das Kernstück der Mischventile war ja der kleine Thermostat, dessen Herkunft aber noch völlig im Dunkeln lag. Das Plumbing and Heating Journal ging ich immer wieder gründlich durch um eventuell Hinweise zu finden. Einige mögliche Firmen hatte ich mir schon notiert. Dole in Morton Grove, Flexonics in Oak Park, Beardsley and Piper und nun kam noch Powers auf die Liste. Alle diese Firmen lagen in der näheren oder weiteren Umgebung von Chicago. Bisher hatte ich nur mit einigen Sanitärplanern in Basel gesprochen, wollte mich nun aber noch mit einer sehr kompetenten Firma unterhalten. Ich wusste, dass die Firma Herrmann Meier in Zürich eine solche war. Ich rief deshalb einmal an und verlangte kühn den Chef, Herrn Meier, persönlich. Ich orientierte ihn kurz über unser kleines Mischventil und erkundigte mich über seine Ansicht bezüglich Mischwasser in der Hausinstallation. Wenn ihr da etwas Zuverlässiges bringen könnt, gratuliere ich jetzt schon dazu war sein Kommentar. Nach diesem Telefon war mein Entschluss gefasst. An dieser Stelle muss es einmal gesagt sein. Die Berichte über meine Aktivitäten und die bei Kundenbesuchen erhaltenen Informationen und gemachten Erfahrungen und meine Schlussfolgerungen gingen jeweils an alle Mitglieder der Pro- grammkommission. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass man sich je über das weitere Geschehen erkundigt hat. Man hat mir nie gesagt, was oder wie ich etwas machen solle. Es war ja schön, dass ich das tun und lassen konnte, was ich für richtig und angemessen hielt und damit auch meine Ideen zu verwirklichen in der Lage war. Nachträglich ein Dankeschön dafür. Am nächsten Tag buchte ich kurzerhand einen Flug via New York nach Chicago. Auf meine privaten Kosten. Ich hatte etwas im Kopf und nicht in den Füssen! Entwe-
  • 15. 15 der war ich mit meinem Vorhaben erfolgreich oder nicht. Es war Dezember, also nicht gerade eine schöne Reisezeit aber das störte mich nicht. Das Risiko nahm ich auf mich. Einzig Paul Armbruster sagte ich, dass ich etwas suche und eine Woche auf meine Kosten nach Amerika gehe. Weiter nichts. Chicago empfing mich in tiefstem Winter. Ich hatte mir ein Zimmer im Hotel Conrad Hilton an der Michigan Avenue reservieren lassen und war nun gespannt, was die nächsten Tage bringen würden. Als erstes erstand ich am Kiosk in der Hotel Lobby einen Stadtplan der auch die weitere Umgebung zeigte, denn die Stadt war mir ja fremd. Anhand meiner Unterlagen stellte ich die Reihenfolge der zu besuchenden Firmen zusammen, indem ich deren Standort auf dem Plan suchte und dann über- legte, wie ich dorthin kommen konnte. Es schien, dass ich mit dem Netz der Hoch- bahn, der "Elevated", gut bedient war. Taxis waren ja schliesslich auch noch vorhan- den. Zuoberst auf der Liste stand die Powers Regulator Company in Skokie, wohin auch die Elevated fuhr. Meinen Besuch hatte ich nicht angemeldet denn ich dachte wahrscheinlich, dass man an einem Montag Mitte Dezember einfach im Geschäft sein wird. Die genaue Adresse hatte ich aus dem Telefonbuch im Hotel. Mitte Vormit- tag, Montag den 12. Dezember, meldete ich mich am Empfang von Powers, sagte ich käme aus der Schweiz und möchte mich über die Produkte informieren lassen. Wegen des Gesprächs über Dampf/Wassermischer in der Ciba hatte ich ja einen Gesprächsstoff bereit. Die Dame am Empfang heftete mir einen Besucherausweis an, worauf mich eine weitere Dame bat, ihr zu folgen. Durch einen mit weichem hell- blauem Spannteppich ausgelegten breiten Gang wurde ich in ein geräumiges Büro zu Mrs. Roberts geführt. Sie kam hinter einem grossen Schreibtisch hervor und begrüsste mich freundlich. Sie sagte sie kenne die Schweiz etwas und fragte mich nach meinem Anliegen. Ich orientierte sie über JRG, das Fabrikationsprogramm und die Verbindungen mit der Chemischen Industrie, deren Anfrage nach Dampf/Wasser Mischern und dem Wunsch nach einer näher gelegenen Bezugsquelle und Service- Stelle für diese. Frau Roberts hörte mir aufmerksam zu und führte mich in einen gedie- gen ausgestatteten Ausstellungsraum wo ich die hergestellten Produkte ansehen konnte. Es waren fast ausnahmslos pneumatisch und hydraulisch betätigte Ventile von Grösse ½" bis etwa 3". Alle mit Antrieb über ein Membrangehäuse. Ich fragte nach thermostatisch gesteuerten Ventilen worauf sie mir Ventile mit einer Kupferrohr- spule zeigte. Frau Roberts bat einen Herrn der sich zu uns gesellt hatte, mich kurz durch die Fabrikationsräume zu führen. Nach einem schnellen Rundgang blieben wir vor einer grossen Prüfanlage für die Ventile mit den Kupferrohrspulen stehen. Die Spule sei mit Gas gefüllt das sich je nach Temperatur ausdehne und eine sehr feine Temperaturregulierung erlaube, was ich an Kontrollthermometern verfolgen konnte. Zurück im Büro von Frau Roberts kam ich auf die Dampf/Wasser Mischer zurück und erfuhr, dass diese nur ein begrenztes Einsatzgebiet hätten und ihres Wissens nicht nach Europa exportiert würden. Da in der Ciba sicher auch kein grosser Absatz zu erwarten war, wusste ich bereits, was ich Herrn Defila sagen wollte. Im weiteren Gespräch erkundigte ich mich, ob nicht auch Mischventile mit kleinen Elementen hergestellt würden und zeigte ein solches Element das ich mitgenommen hatte. Nein, solche würden von Powers nicht hergestellt sagte Frau Roberts. Das sei ein sogenanntes Vernatherm Element das in der Automobil Industrie und in kleinen Wasserarmaturen verwendet werde. Ich horchte auf. Ob sie wisse, wo solche Elemente hergestellt würden fragte ich. Das müsste eine Firma der American Standard sein, Detroit Controls oder so ähnlich heisse diese. Ich notierte alles. Toll, dachte ich, das muss es sein. Ich bedankte mich für den freundlichen Empfang und die erhaltenen Informationen, trotz des unangemeldeten Besuches. That's fine, you are welcome, have a successful trip sagte Mrs. Roberts. Das wars. Auf der Rückfahrt
  • 16. 16 in der "Elevated" staunte ich darüber, wie eigentlich bisher alles fast wie am Schnürchen gelaufen war. Die Nennung der Firma Powers Regulator in der Ciba war fast wie ein Sesam öffne dich gewesen. Bisher. Ich wusste nun einiges mehr, war aber noch nicht an meinem gesetzten Ziel. Detroit Controls, das muss eine Firma in Detroit sein. Dann also auf nach Detroit. Am Airlineschalter im Hilton buchte ich für Dienstagvormittag einen Flug dorthin und sicherheitshalber für Mittwochnachmittag zurück nach Chicago. Nachdem ich mich bei einem kurzen Lunch aufgewärmt hatte, ging ich trotz der Kälte, es waren sicher minus 12° Celsius, etwas auf Entdeckungsreise in der näheren Umgebung. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint, aber ein eiskalter Wind bläst über den eis- bedeckten Lake Michigan sodass ich bald wieder ins warme Hotel zurückkehre. Am Dienstag lande ich am späteren Vormittag auf dem Willow Run Airport in Detroit. Ich fühle heute noch fast hautnah wie ich dort in einer Telefonkabine sitze und im Telefonbuch blättere bis ich Detroit Controls gefunden habe. Genau hiess es Detroit Controls Division, 5900 Trumbull Ave. Detroit 8, Mich. Tel. TR2-0300. Klopfenden Herzens rufe ich an und sage einer sympathischen Stimme wo ich herkomme, und was ich suche. Please hold on höre ich, dann meldet sich ein Mr. Walker. Ich sage nochmals ich käme aus der Schweiz und interessiere mich für Vernatherm elements. Ob ich am Nachmittag vorbeikommen könne fragte er mich, was ich erfreut bejahte. Per Taxi fuhr ich nach downtown zum Hotel Sheraton. Bereits um ein Uhr melde ich mich bei Detroit Controls und werde zum Büro von Harold L. Walker, Manager Industrial Sales geführt. Ich erzähle ihm ausführlich über JRG und die hergestellten Armaturen und für was ich mich sehr interessiere. Ich erfahre, dass Detroit Controls zu American Standard gehöre, hier etwa 800 Leute beschäftigt seien, was hergestellt werde gehe vorwiegend in die Automobilindustrie. Das von mir vorgezeigte Muster gehe in verschiedenen Varianten an Zulieferfirmen und an kleinere Firmen für andere Anwendungen. Auf einem ausgedehnten Rundgang konnte ich in allen Details sehen wie diese Elemente hergestellt wurden, erfuhr, dass das Wichtigste daran die spezielle Kupferpulver/Wachs Mischung sei, die je nach verlangtem Temperaturbereich im Labor durch langwierige Versuche bestimmt und in der Produktion laufend getestet werden müsse. Ich sah noch kleinere, aber auch viel grössere Elemente. Mr. Walker erklärte mir ausführlich den Aufbau und die Arbeitsweise, die Einsatzgrenzen etc. Ich begriff, dass bei JRG ein ganz neues Betätigungsfeld möglich werden könnte. Nach etwa zwei Stunden stellte er mich Jack Gould, Product Manager Vernatherm vor. Jack sei der Mann, der sich in Zukunft meiner Fragen und Anliegen annehmen werde. Ich bedankte mich bei Mr. Walker der an eine Sitzung gehen musste. Jack Gould wiederholte ich in etwa was ich zu Anfang Mr. Walker gesagt hatte. Nach einiger Zeit meinte er, well, just call me Jack, that's much easier. O.K. I'm Max, that's fine Jack. Ich hatte den Eindruck, dass von Anfang an die Chemie zwischen uns beiden stimmte. Dass dies so war zeigte sich später immer wieder wenn er dafür sorgte, dass von mir bei späteren Besuchen vorgebrachte Anliegen umgesetzt wurden. Besonders wenn wir Temperaturbereiche wünschten die es noch nicht gab. Er fragte mich nach meinen weiteren Plänen und schlug vor, dass ich morgen noch- mals zu ihm kommen solle. Als ich bat, mir ein Taxi kommen zu lassen um zum Hotel zu fahren meinte er, I am your driver. Kaum eingestiegen sagte er ich wohne in der Nähe, wir gehen dort vorbei und nehmen einen drink. Gut dachte ich bei mir. Seine Frau Ann begrüsste mich sehr freundlich und bald war ein angeregtes Gespräch im Gange. Weil alles so unkompliziert war sagte ich irgendwann let's have supper together. I would like to invite you. The choice of the place is yours. I'm here the first time. O.K. sagte Jack, wir gehen in das Top of the Flame. Das Restaurant war down- town, in der Nähe des Detroit Rivers, zuoberst im etwa dreissigstöckigen Gebäude
  • 17. 17 der Gasindustrie, von wo man einen wunderbaren Rundblick auf die Lichter des nächtlichen Detroit und dessen Umgebung hatte. Nach dem Essen bat mich Jack, am Mittwoch auf 10 Uhr nochmals zu ihm ins Werk zu kommen. Er habe mir noch wei- tere Muster und Unterlagen. Er werde mich dann auch zum Flugplatz Willow Run fahren. Viel war heute geschehen, meine Hoffnungen und Erwartungen waren mehr als er- füllt worden. Alles hätte nicht besser gehen können. Als ich mich am anderen Tag wie vereinbart bei ihm meldete, lagen bereits verschiedene kleine Elemente, Daten- blätter und ein ½" Mischventil für mich bereit. Da noch genügend Zeit war bis zu meinem Abflug um 1 Uhr, machten wir noch einen Rundgang durch Entwicklungs- und Prüfräume wo die Mischungen aus dem speziellen, aus Erdöl gewonnenen Wachs und Kupferpulver bestimmt wurden, um die Anforderungen an die Elemente bezüglich Ansprechtemperatur, Schnelligkeit, Hub, für unterschiedliche Temperatur- bereiche zu erfüllen. Ich war überzeugt, dass sich mit all den sich nun bietenden Möglichkeiten daheim ein weites Entwicklungsfeld auftun werde. Am Flugplatz ver- abschiedeten wir uns wie alte Freunde. Am späten Nachmittag zurück im Zimmer des Hotels, konnte ich endlich meine Notizen ordnen und durch das Gehörte und Gelernte ergänzen. Was würde wohl in Sissach daraus gemacht werden können oder wollen? In der Nacht erwachte ich schweissgebadet und mit starken Kopfschmerzen. Das Zimmer war überhitzt und das Schiebefenster liess sich nicht bewegen, da es festge- froren war. Ich fühlte mich recht lausig. Aspirin oder sonst ein Medikament hatte ich nicht bei mir und um diese nächtliche Zeit war auch im kleinen Drugstore in der Hotelhalle nichts mehr zu kaufen. Im Laufe der Nacht bekam ich noch Schüttelfrost. Auf meiner Besuchsliste hatte ich noch zwei Firmen die ich vorgesehen hatte zu be- suchen. Aber wozu eigentlich, ich hatte ja eigentlich gefunden was ich wollte und mehr könnte man mir sicher auch nicht bieten als es Detroit Controls tun wird. Nach einem Frühstück im Coffee-Shop und den gekauften Aspirin ging ich wieder ins Zimmer. So wie ich mich fühlte, hatte ich sicher etwa 38 bis 39° Fieber. Da ich morgen am Freitag nach New York fliegen, dort umsteigen und gleichentags mit der Swissair weiter nach Zürich zu fliegen gebucht hatte, sollte ich das nun bei den Airlines noch rückbestätigen. Zuerst wollte ich aber noch einem bekannten Paar aus Basel, das zurzeit in Cleveland wohnte, anrufen. Als sie vernahmen wie mein gesundheitlicher Zustand war, rieten sie mir dringend ab den Flug anzutreten, denn ich könnte ja eine Lungenentzündung haben, die nicht vernachlässigt werden dürfe. Ich solle die Heim- reise verschieben und anstatt nach New York zu ihnen nach Cleveland kommen, wo sie sich meinem Zustand mit den richtigen Mitteln annehmen könnten. Das tönte mir nicht schlecht und war sicher vernünftiger als noch die Reisestrapazen in meinem Zustand auf mich zu nehmen. Auf die paar Tage kam es sicher auch nicht mehr an. Ich sagte zu und buchte nach dem Gespräch den Flug am Freitag von Chicago nach New York um auf Chicago nach Cleveland. Den Rest konnte ich noch offen lassen. Irgendwie verging die Zeit und ich erreichte am Freitag Cleveland recht an- geschlagen. Meinen Bekannten hatte ich die Ankunft noch telefoniert, sodass sie mich am Flughafen in Empfang nehmen konnten. Es war ein besseres Gefühl, bei ihnen im Gästezimmer mit 39,6 ° Fieber im Bett zu liegen, als im Flugzeug zu sitzen. Von meinem Bett aus sah ich durch die offene Türe auf einen Fernseher im anderen Zimmer. Irgendwann wurde eine Sondernachricht angezeigt. Über New York waren zwei Passagierflugzeuge zusammengestossen. Eine DC 8 der United Airlines aus Chicago mit einer Super-Constellation der TWA. Die DC 8 stürzte auf Brooklyn, die Constellation auf Staten Island. Es waren schaurige Bilder zu sehen, von Häusertrüm- mern, Rauch, Flugzeugteilen und Leuten die im Chaos beschäftigt waren. Einzig ein
  • 18. 18 Knabe habe in der DC 8 schwer verletzt überlebt. Der grosse Schock kam bei mir, als ich die Flugnummer der DC 8 hörte. Das wäre ja mein Flug gewesen, wenn ich nicht umgebucht hätte. Ich wäre darin gesessen, wenn ich nicht krank geworden wäre, wenn man mir nicht geraten hätte nach Cleveland zu kommen, wenn, wenn, wenn.... Man versuche sich vorzustellen was alles anders geworden wäre, was nicht geschehen wäre, welche anderen Wege manche Entwicklung genommen oder gar nie stattgefunden hätte. Wie vieles und wie viele davon betroffen gewesen wären. Schicksal, dem ich heute noch dankbar bin. Es ist aber nach vielen Jahren immer noch ein ganz besonderes Gefühl, sich an diesen 16. Dezember 1960 zu erinnern. Mit Medikamenten, Tee und Bettruhe besserte sich mein Zustand nach einigen Tagen. Ich muss wahrscheinlich knapp an einer Lungenentzündung vorbeigekom- men sein. Nochmals Glück gehabt. Das Schicksal hat es mit mir wirklich gut gemeint. Da es knapp vor Weihnachten war, beschloss ich, über die Festtage noch zu bleiben, um einmal diese Tage hier erleben zu können. Als es mir besser ging rief ich Sissach an um zu melden, dass ich noch am Leben sei und zum Jahresanfang wieder dort sein werde. An einer extra einberufenen Sitzung anfangs Januar 1961 informierte ich über mein so weit erfolgreich beendetes Vorhaben und legte Skizzen, Pläne und alle erhaltenen Muster vor. Ich hatte einen schematischen Leitungsplan eines Mehrfamilienhauses gezeichnet und darin die noch zu entwickelnden Mischventile so eingetragen, wie ich es mir nach den erworbenen Kenntnissen vorstellte. Als Namen für diese wünschte ich die Bezeichnung JRGUMAT. JRGU für J.R. Gunzenhauser und MAT für die Initialen meines Namens Max August Tschudin. Dem wurde zugestimmt. Im Tech- nischen Büro wurde Kurt Marti bestimmt, sich mit der Konstruktion der Mischventile zu befassen. Meine Ideen und Informationen solle ich ihm direkt und persönlich geben wurde vereinbart. Ruedi Gunzenhauser meinte noch, ich hätte doch sagen können, dass ich etwas in Amerika suchen gehen wolle. Ich erwiderte, dass ich von meiner Idee und den sich abzeichnenden Möglichkeiten so erfüllt und getrieben gewesen sei, dass ich auch das finanzielle Risiko eines Misserfolges oder Erfolges einfach selbst habe auf mich nehmen wollen. Ich war nicht so verwegen gewesen, meine Absicht vorzulegen und zu riskieren, dass man mir abgeraten hätte. Im Dezember etwas in Amerika suchen gehen, das ist doch verrückt. Meine Auslagen wurden mir anstands- los vergütet. Jetzt, wo die Quelle der thermostatischen Elemente bekannt war und bereits eine gute persönliche Beziehung dorthin ebenfalls bestand, konnte zielstrebig gehandelt werden. Anstelle der provisorischen Gehäusekonstruktion für die von WATTS fertig ge- kauften Reguliereinsätze, musste eine total neue Konstruktion gemacht werden. Ab- nehmer standen ja schon in der Warteschlange. Vorab Schulthess Wolfhausen. Es gab noch manche Details konstruktiver Art zu klären, doch es ging jetzt vorwärts. Als die ersten JRGUMAT 3/8" für Geschirrspülmaschinen auf dem Tisch lagen, war ich bald zu Schulthess unterwegs, um unser neustes Produkt zu zeigen. Zwei Exemplare überliess ich ihnen damit der Einbau in die Maschinen abgeklärt werden konnte. Einen Wunsch nach einer anderen Gehäuseform oder anderen Anschlüssen gab es nicht. Das war natürlich erfreulich. Schulthess hatte vermutlich wegen des kleinen Ventils das nun direkt eingebaut werden konnte, einiges an den Innereien geändert. Die erste Bestellung war bereits namhaft. Für die von uns benötigten Elemente gab es noch einige Details mit Detroit abzuklären. Den Hub für den verlangten Tempera- turbereich und die Federkraft mussten noch bestimmt werden. Dank Jack kamen diese Angaben in nützlicher Frist und nach zwei Monaten traf auch die erste
  • 19. 19
  • 20. 20 Lieferung der Elemente in Sissach ein. Es konnte nun auch mit der Werbung für die JRGUMAT 1500 begonnen werden. Die Verzinkerei Zug sah davon ab, einen Mischer in die Maschine einzubauen und überliess es den Installateuren, einen solchen zu montieren. Da der Mischer rasch be- kannt wurde, darf ohne Übertreibung behauptet werden, dass wir mit ihm in kurzer Zeit den Markt für Geschirrspülmaschinen kontrollierten. Inzwischen hatte ich die Adresse der vor einiger Zeit bei der Verzinkerei Zug notierten Firma Tour Agenturer in Stockholm ausfindig gemacht. In einem ersten Brief an diese stellte ich die Firma JRG und die hauptsächlichsten Fabrikate vor, inbegriffen den Mischer. Leider kam eine abschlägige Antwort; man sei an diesen Artikeln nicht inte- ressiert. Dafür erhielten wir um diese Zeit von der Firma Emaljeverket in Oslo eine Anfrage für 15'000 Boiler-Sicherheitsgruppen. Das war natürlich Musik. Eine Offerte wurde ausgearbeitet und ich flog mit dieser und einem schweren Koffer voll Mustern im Februar, wieder im tiefen Winter, nach Oslo. Für die Muster musste mit einer Menge Papiere eine Freipassabfertigung beantragt werden. Zur grossen Überra- schung war es in Norwegen frühlingshaft warm. Herrn Lindblom, dem Einkaufschef bei der Firma, führte ich alle mitgebrachten Ventile vor. Im Vergleich mit den mir nun gezeigten kleinen Pressmessing Boilerventilen konnten unsere nicht konkurrieren. Die Offerte konnte deshalb nicht berücksichtigt werden. Dafür konnte ich aber Muster der bisherigen Ventile bekommen, anhand derer wir eine neue Offerte ausarbeiten sollten. Ich hatte noch die Adresse eines sich vor einiger Zeit als Agent gemeldeten Interessenten bei mir, den ich mir nun ansehen wollte. Leider ist mir der Name entfallen, es war aber ein sympathischer jüngerer Herr, der einiges von Armaturen verstand. Etwa zwei oder drei Jahre versuchte er JRG in den Markt zu bringen, jedoch ohne grossen Erfolg. Ich kam dann in Verbindung mit der Agenturfirma Arne Skajehm Eriksen, in der Herr Per Waldo Jensen an einer JRG Vertretung sehr interessiert war. Er war sehr rührig, grosse Geschäfte konnten wir mit ihm aber nicht machen. Dafür konnte dann wieder etwas später mit Herrn Knudsen ein Mann gefunden werden, der für JRG sehr erfolgreich wurde und die Firma in Norwegen bekannt machte. Aus Helsinki hatte sich auch eine interessierte Agentur gemeldet. Lampö Tukku Oy. Wenn ich schon den schweren Musterkoffer bei mit hatte, dann also auf nach Helsinki. Ich hatte natürlich gewisse Vorabklärungen bereits in Sissach gemacht und die Leute avisiert. Ich rief deshalb von Oslo auch die Firma Tour Agenturer in Stockholm an und sagte einem Herrn Garvé, ich werde mich Freitagvormittag bei ihm melden. Das kam bei ihm nicht gut an. Vom Freitagmittag an arbeite man nicht mehr, da gehe man ins Wochenendhaus. Ich solle mich bei nächster Gelegenheit zu einem besseren Zeitpunkt melden. Die Firma in Helsinki wollte versuchen unsere Armaturen auf den Markt zu bringen. Wir hatten ihr für ihre Ausstellung am Firmendomizil später ein Ausstellbrett geschickt. Es tat sich aber nichts. Auf dieser Reise war es sehr mühsam, bei den jeweiligen Zollämtern den Musterkoffer visitieren und die Freipass-Abfertigungspapiere kontrollieren und abstempeln zu lassen. In Sissach ging das Technische Büro daran, eine konkurrenzfähige Konstruktion zu den von den Emaljeverket mitgebrachten HANSA Ventilen zu machen. In Anbetracht der bedeutenden Stückzahlen die in Frage kommen konnten, wurden sogar Muster an- gefertigt. Als diese vorlagen und alles knapp gerechnet war, hiess es für mich wieder, auf nach Oslo. Mit der Tour Agenturer vereinbarte ich einen ihnen besser passenden Besuchstermin. Bei Herrn Lindblom fand unsere Offerte Gnade und in den folgenden Jahren konnten wir ansehnliche Stückzahlen der speziellen Boiler-Sicherheits-
  • 21. 21 Gruppen liefern. Jeden Sommer fuhr Herr Lindblom mit seinem Wohnwagen nach Ita- lien in die Ferien und liess es sich nicht nehmen, stets einen kurzen Zwischenhalt bei JRG in Sissach einzuschalten. Ausser dem JRGUMAT 3/8" hatte ich für Stockholm keine Armaturenmuster bei mir. Ich wollte erst einmal sehen, was die TA für eine Firma war. Als ich am vereinbarten Tag mit dem Taxi am Swärdlangsvägen ankam, war ich von dem sich mir zeigenden Domizil sehr beeindruckt. Nachdem ich mich am Empfang gemeldet hatte, holte mich Herr Ragnar Garvé, der Direktor, dort persönlich ab. In seinem Büro brachte die Sekretärin Kaffee, etwas Süssigkeiten und stellte eine kleine Flasche Aquavit und zwei kleine Gläser auf den Tisch. Herr Garvé kam auf meinen seinerzeitigen Besuchsver- such an einem Freitag zurück und erklärte die schwedische Gepflogenheit, sich am Freitagnachmittag bereits in die Schären abzusetzen. Ich erzählte ihm von JRG, dem Fabrikationsprogramm und wie ich auf die Firma TA aufmerksam geworden war. Als er mich in einem Ausstellungsraum über die TA Produkte orientierte, unter anderem über die Heizungssteuerungen mit Aussenfühler, kam mir in den Sinn, dass am Wohn- haus in Basel auch so ein rundes Ding mit den Buchstaben TA darauf, an der nördli- chen Aussenwand des Hauses angebracht war und sich in der Heizung ein Schalt- kasten befand wie ich sie hier sehen konnte. Als wir den JRG Katalog durchgingen, war Herr Garvé zu meiner Enttäuschung an nichts interessiert. Schweden habe eine eigene gute Armaturenindustrie sagte er mir. Den kleinen JRGUMAT betrachtete er aufmerksam und meinte, wenn wir solche Mischer noch in anderen Grössen bis etwa zwei Zoll hätten, dann sähe er für diese Möglichkeiten. In Schweden seien sehr viele Häuser an Fernwärmeleitungen angeschlossen und da könnten diese für Mischwas- serinstallationen interessant werden. Das war natürlich Musik in meinen Ohren. Es war inzwischen Mittag geworden und wir begaben uns in einen Speiseraum, wo für uns bereits ein grösserer Tisch gedeckt war. Zwei weitere Herren gesellten sich zu uns an den Tisch. Herr Garvé machte uns gegenseitig bekannt und fügte bei, dass man hier gewohnt sei, sich mit Vornamen anzureden. Mit einem Gläschen Aquavit prostete man sich zu und es entstand ein angeregtes Gespräch. Mit Ragnar Garvé meinerseits in Deutsch, mit den anderen Herren vorwiegend in einer Mischung von Deutsch und Englisch. Eine reiche Auswahl an Brötchen, Fischhäppchen, Butter und Käse wurden auf den Tisch gestellt, dazu Kaffee und Aquavit. Nach dem Lunch führte mich Ragnar durch das weiträumige Geschäftshaus, beglei- tet von Hans, einem Techniker. Es gab Konstruktionsbüros, Labors mit vielen Messge- räten und Versuchsanordnungen mit Heizungssteuerungen, grosse Lagerräume und natürlich auch einige administrative Büros. Zurück in Ragnars Büro erkundigte ich mich nach den möglichen Stückzahlen der noch zu konstruierenden grossen Misch- ventile. Wenn wir etwas in jeder Hinsicht Gutes anbieten könnten wäre es möglich, mit einer solchen Neuheit, Mischventile mit fest eingestellter Temperatur, bedeuten- de Umsätze zu erzielen, war seine Antwort. Die TA sei eine Ingenieursfirma mit sehr gutem Ruf, vielen Beziehungen und in ganz Schweden bestens bekannt. Ihrerseits seien die Voraussetzungen gut, es liege nun an Gunzenhauser, ein Top Produkt zu schaffen. Er hoffe, bald etwas Konkretes von uns zu vernehmen. Natürlich werde man die Ventile in eigenen Anlagen gründlich testen bevor man bestelle. Damit war der erste Kontakt mit der uns bisher unbekannten Firma geschaffen. Wie mir schien, erfolgreicher und vielversprechender als ich es mir vorgestellt hatte. Einen Taxi zu bestellen lehnte Ragnar ab, er selbst werde mich zum Hotel und anschlies- send zum Flughafen Arlanda fahren. Dort verabschiedeten wir uns erwartungsvoll. Mir
  • 22. 22 schien, dass wir zwei uns bereits sehr gut verstanden. Die Situation war ähnlich, wie sie vor längerer Zeit mit Jack in Detroit gewesen war. Zurück in Sissach galt es nun zu überlegen, wie und was abzuklären war für die ganz neu zu konstruierenden JRGUMATEN der Grössen ¾" bis 2". Dass in ihnen nicht die kleinen Elemente wie sie im 3/8" Mischer für Geschirrspülmaschinen verwendet wurden in Frage kamen, war klar. Ich wünschte vom Technischen Büro eine Liste der sich für die Konstruktion stellenden Fragen. Auf einen ersten Brief an Jack Gould kam seinerseits ein Brief mit Fragen. Damit war natürlich nicht speditiv weiter zu kommen. Die Situation war vergleichbar mit der Entstehung des kleinen Mischers. Der Markt in Schweden wartete auf unser Produkt und eine potente Firma für die Markeinführung und den Verkauf war auch vorhanden. Mit einer erweiterten Fragenliste der Konstruktion und meinen eigenen Ideen melde- te ich Jack meinen baldigen Besuch an. In Detroit traf ich ein angenehmeres Wetter als bei meinem ersten Besuch an. Am Empfang bei Detroit Controls Division wurde ich mit einem freundlichen "hi Max from Switzerland" begrüsst. Gutgelaunt empfing mich Jack in seinem Büro und sagte wir müssten dann noch zum Managing Director gehen. Er möchte mich kennen lernen und sei interessiert, auch etwas über den neuen Kunden Gunzenhauser zu erfahren. Der Name des Direktors ist mir entfallen. Ich erzählte ihm dann von JRG, den Fabrikaten, den Vertriebswegen und den Mög- lichkeiten die wir nun in der Anwendung der Thermostaten in neuen Produkten sehen. Er sagte dann dass er hoffe, Detroit Controls könne unseren Wünschen ent- sprechen. Jack sei ja als Product Manager der Vernatherm Elemente der richtige Mann für mich. Das wars. Zurück in Jack's Büro begannen wir die Fragenliste durchzu- gehen. Es zeigte sich bald, dass es verschiedene Element Typen gab die in Frage kommen könnten. Da noch keine Konstruktionszeichnung von uns vorhanden war hatte auch noch kein Hub definiert werden können. Die vorhandenen Elemente gingen ausnahmslos in die Automobilindustrie. Vorwiegend zur Kühlwasser Tempera- turregulierung. Also in hohe Temperaturbereiche. Für Mischwassertemperaturen zwi- schen etwa 35 bis 65°C oder 95 bis 149° F gab es noch keine Wachsmischung für grosse Elemente und keine Daten über Ansprechzeit und Hub. Wir gingen zusammen in ein Labor um dort die Fragen mit einem Spezialisten zu besprechen. Es wäre na- türlich nötig die entsprechenden Mischungen zu bestimmen, was aber einige Zeit dauern werde, war seine Erklärung. Ich wollte dann wissen, wie die Elemente aussehen die für die Kühlwasserregulierung verwendet werden. Grosse Elemente würden vorwiegend in Dieselmotoren für Lastwagen, grossen und grössten Trucks, Bulldozern, stationären Motoren, Notstromanlagen etc. verwendet. Man liefere die Elemente in einer fertig zusammengebauten Reguliereinheit. Diese möchte ich mir aber ansehen sagte ich. Irgendwann hatten wir aus einem Automaten eingepackte Brötchen und Coca Cola Büchsen herausgelassen und an einem Essplatz als Lunch verdrückt. Inzwischen war es später Nachmittag geworden und Jack schlug vor, für heute Schluss zu machen, um mir noch etwas von Detroit zeigen zu können. Auf der Fahrt sah ich die riesigen Gebäude und Hallen der Automobilfabriken aller bekannten Marken. Morgen wollen wir einen Rundgang bei Ford in River Rouge machen, jetzt aber machen wir noch eine Motorbootfahrt auf dem Detroit River sagte Jack. Dort lag sein grosses Kabinen Motorboot mit welchem wir eine ausgedehnte Rundfahrt bis zur und entlang der kanadischen Küste machten. Nachtessen gab es dann bei ihm daheim mit Ann. Nach einem nett verbrachten Abend verabredeten wir uns für den nächsten Tag um uns mit den Reguliereinheiten und weiteren Fragen zu befassen. Anschliessend fuhr er mich zum Hotel zurück.
  • 23. 23 Am nächsten Vormittag meldete ich mich bereits um 9 Uhr bei Jack im Büro. Dort standen bereits einige der kompletten Reguliereinheiten auf dem Pult. Bei ihnen war der Thermostat durch einen Steg in der Mitte eines Sitzringes gehalten, auf dem eine zylindrische Hülse sass. Sitz und Hülse waren aus Messing. Das waren also die Regulier- einheiten wie sie in den grossen Dieselmotoren, zum Beispiel in den Cumming Diesel, verwendet wurden. Jede Einheit für eine fixe Temperatur von 185°F oder 85°C. In einem Kontrollraum demonstrierte man mir deren Funktion. In Sissach müsste man also nur noch Gehäuse konstruieren in welche eine Reguliereinheit für die gewünschte Temperatur eingesetzt werden kann dachte ich. Es ging nun darum, dass wir Reguliereinheiten für die benötigten Temperaturen von etwa 40, 55 und 65° Celsius bekommen konnten. Jack versprach mir sich dafür einzusetzen, dass die nötigen Versuche mit entsprechenden Wachsmischungen vorgenommen werden und man uns in einigen Wochen Muster schicken könne. Ich wusste von meinem seinerzeitigen Gespräch mit dem Boss von Detroit Controls schon, dass man nicht be- sonders interessiert sei, neue Arbeits-Temperaturbereiche zu entwickeln, es sei denn, es können dann auch rechte Stückzahlen geliefert werden. Das war verständlich, denn auch bei JRG war es ja ebenso. Die Muster in Jack's Büro durfte ich einpacken. Dabei war auch ein ½" Mischventil aus Rotguss, hergestellt in einer zur American Standard Gruppe gehörenden Armaturenfabrik wie mir Jack sagte. Später diente es als Vorlage für die Konstruktion des Mischventils 1530 ½". Er hatte auch die entsprechenden blueprints, Pläne, alles in Inch Massen, für mich bereit. Nach einem Lunch aus den Automaten fuhren wir zu den Fordwerken hinaus. Wir kamen rechtzeitig am River Rouge Werk an um uns einer Besuchergruppe anzu- schliessen. Das Werk hat ein riesiges Ausmass. Die Führung begann im Walzwerk. Mächtige rotglühende Stahlblöcke wurden zwischen mächtige Walzen geschoben die sie erfassten, nach vorne auf Rollen schoben die kurz darauf die Drehrichtung änderten damit der Block wieder zwischen die Walzen gelangte die den Durchlass rasch verkleinert hatten, sodass der Block hinter ihnen niedriger, dafür länger herauskam. Dieser Vorgang wiederholte sich in rascher Folge. Bald war aus dem Block eine breite dünne Platte und nach einigen weiteren Richtungswechseln ein langes Blechband geworden, das mit Getöse auf den Rollen von und zu den Walzen transportiert wurde. Nach einem letzten Durchgang wurde das sicher etwa sechzig Meter lange Blechband aufgerollt. In der nächsten riesigen Halle standen reihenwei- se mehrere Meter hohe Stanzmaschinen die aus Blechplatten Carrosserieteile für Türen, Dächer, Motorhauben, Kotflügel, Böden etc. herausstanzten oder in Folge- stanz- und Druckvorgängen weiter verformten. Wieder weiter bewegten sich Teile auf Rollschemeln von Schweissautomat zu Schweissautomat wo sie von sich hin und her bewegenden Armen unter Funkenfontänen zusammen geschweisst wurden. Leider musste die Besuchergruppe für meinen Begriff viel zu schnell gehen. In der nächsten Halle war die Motorenmontage. Auch hier wäre ich gerne länger geblieben, denn es gab so viel Interessantes zu sehen. In der folgenden Halle hingen fertige Carrosserien an einer Transportvorrichtung und wurden in Bäder eingetaucht wo sie eine Rostschutzgrundierung erhielten. Nun ging es zur Assemly Line, dem Fliessband in einer unendlich langen Halle. Auf der sich langsam fortbewegenden Transportvorrichtung wurde zuerst ein Chassis gesetzt, dann schwebte von oben eine rote, fertige Carrosserie herunter, etwas weiter kamen die Sitze, das Armaturenbrett mit vielen herunterhängenden elektrischen Anschlüssen und dann kamen die roten Türen und dann schwebte ein Motor herunter und wurde im Motorraum befestigt und an die vorhandenen Leitungen angeschlossen. Beidseits des Montagebandes bewegten sich die Arbeiter langsam mit dem Band vorwärts und machten ihren Montageteil und gingen zurück zum nächsten langsam
  • 24. 24 kommenden Auto. Wieder etwas weiter wurden die Räder auf die Naben gesetzt und mit einer elektrisch angetriebenen Vorrichtung gleichzeitig alle Radmuttern zusammen aufgesetzt und angezogen. Am Ende des Bandes kam ein Fahrer, stieg ein, startete den Motor und fuhr weg. Dies alles geschah an drei in grossem Abstand nebeneinander laufenden Bändern. Auch hier wäre es natürlich spannend gewesen, sich länger aufhalten zu können. Die Besichtigung vermittelte aber einen ein- drücklichen Einblick in die Welt des Automobilbaues. Jack nahm mich zu sich heim. Da ich den Rückflug offen gelassen hatte, konnte ich nun für den nächsten Tag noch eine Reservation nach New York und von dort mit der Swissair nach Zürich buchen. Den Abend verbrachte ich mit Jack und Ann, zum Teil mit Tischtennis im Partyraum im Keller. Jack fuhr mich zum Hotel wo ich mich für alles herzlich bedankte und er mir versicherte zu sehen, dass die nötigen Versuche für die neuen Temperaturbereiche bald erfolgen werden. Im Hotelzimmer vervollstän- digte ich meine Notizen um dann in Sissach die Konstruktion umfassend orientieren zu können. Als ich das nach meiner Rückkehr ausführlich getan hatte, musste nun anhand der mitgebrachten zwei Grössen der kompletten Reguliereinheiten die optimale Gehäu- seform in die sie eingesetzt werden mussten, konstruiert werden. Bis die ersten Muster der neuen JRGUMAT der Katalognummer 3350 in den Grössen ¾" bis 2" vorhanden waren, vergingen Monate. Die kleine Reguliereinheit bekam die Katalognummer 1460 und war für die Mischventilgrössen ¾" bis 1¼", die grosse Einheit die Nummer 1470 für 1 ½" und 2". Da man diese neuen Armaturen natürlich auch in der Schweiz verkaufen wollte, waren Gespräche und Abklärungen mit der Prüfstelle des SVGW in Zürich und mit Sanitärfachleuten nötig. Die noch zu erstellenden Prospekte und Katalogunterlagen mussten ja auch gute Informationen und Leitungsschemas enthalten, denn wir wollten für dieses neue Produkt klare und aussagefähige technische Unterlagen schaffen. Anlässlich meiner Besuche bei den Installateuren in Basel brachte ich das Gespräch auch auf die bald lieferbaren grossen Mischventile. Man war sehr interessiert, beson- ders bei den Technikern und den Sanitärplanern. Die Chemiefirmen hingegen sahen keine direkte Verwendungsmöglichkeit im Betrieb, da Dampf als Wärmeträger eine sehr grosse Rolle spiele. Inzwischen waren im betriebseigenen Versuchsraum Vorrichtungen aufgebaut wor- den mit denen Funktionskontrollen möglichst wirklichkeitsgetreu ausgeführt werden konnten. Als diese die erwarteten Ergebnisse erbrachten, gab es grünes Licht für den Verkauf. Damit war es nun Zeit, dem Hauptinteressenten, der TA Stockholm, die Mischventile vorzustellen. Nach einem Telefongespräch mit Ragnar Garvé flog ich mit je einem Ventil der Grössen ¾", 1", 1 ¼" und 1 ½" und den ersten technischen Unterlagen und einer Offerte im Gepäck nach Stockholm. Zur Vorstellung der Ventile und der Unterlagen hatte Ragnar auch zwei Leute aus dem Verkauf und der Technik zugezogen. Alle waren sehr interessiert, nahmen die nur lose verschraubten Ventile auseinander und diskutierten zusammen auf Schwedisch, wovon ich leider nichts verstand. Ragnar informierte mich dann, dass man bisher nicht untätig gewesen sei und man sich mit manchem potenziellen Abnehmer unterhalten habe. Erfreulich sei, dass alle Interesse bekundet hätten. Er werde mit mir am nächsten Vormittag zum Verantwortlichen für die Energieversorgung in einem Spital gehen, wo die Energie- zentrale in nächster Zeit modernisiert werde und die TA das Projekt für die Wasser- und Wärmeversorgung bearbeite.
  • 25. 25 Die mitgebrachten Ventile und die technischen Unterlagen überliess ich den beiden Herren von der Technik. Man sicherte mir zu, baldmöglichst Bescheid über die Prüfun- gen zu geben. Der Besuch am nächsten Morgen in der Energiezentrale des Spitals zeigte, dass da einiges zu erneuern war und JRGUMATEN mehrfach in Frage kommen konnten. Bei meiner Abreise stellte Ragnar Garvé eine baldige erste Bestellung in Aussicht. Erfreulicherweise waren die offerierten Preise kein Gesprächsthema. Sie wur- den als angemessen angesehen. Die Aussicht, dass sich in Schweden ein interessanter Markt für die Jrgumaten ent- wickeln könnte, war gut. Im Nachhinein darf ich froh sein, dass ich seinerzeit bei der Verzinkerei Zug lange habe warten müssen und damit Zeit hatte, den Zugerrötel, die Hauszeitung zu lesen. Denn wie wäre ich sonst auf die darin erwähnte Firma Tour Agenturer gestossen? Sicher nie! Es war Glück und Schicksal, gepaart mit Aufmerk- samkeit. Ich kann jetzt schon erwähnen, dass sich der Umsatz mit der TA so erfreulich entwickelte wie ich es mir nie vorgestellt hatte. Doch davon später. Eines Tages rief mich Rudolf Gunzenhauser an und bat mich zu ihm ins Büro zu kom- men, ein Herr Gautschi aus Kapstadt sei da. Ich ging gespannt zu ihm. Herr Gautschi erzählte in ganz gutem Schweizerdeutsch, er habe jetzt auf der Durchreise nur kurz bei JRG vorbeikommen wollen um zu fragen, ob wir Interesse hätten, mit Südafrika ins Geschäft zu kommen. Er hätte vereinzelt Boilergruppen bezogen, sei jetzt auf der Reise nach Brüssel wo er eine Blechfalzmaschine ansehen und eventuell kaufen wolle. Er habe den Auftrag, am im Bau befindlichen neuen grossen Bahnhof in Kapstadt das Kupferdach zu montieren. Dafür brauche er aber eine neue grosse Falzmaschine. Wenn wir interessiert seien, werde er auf dem Rückweg nochmals vor- beikommen. Natürlich waren wir interessiert, denn den Export wollten wir ausbauen. Man vereinbarte deshalb, sich in einer Woche wieder hier zu treffen. Darum gute Reise Herr Gautschi und auf Wiedersehen. Herr Gautschi kam in etwa einer Woche gutgelaunt zurück, sagte er habe die Ma- schine gekauft und könne dann die grosse Arbeit am Bahnhofdach fachgerecht ausführen. Wir erfuhren nun, dass er aus einer kinderreichen Aargauer Familie komme, vor Jahren als Heizungsmonteur bei Rosenmund in Liestal gearbeitet habe, dann die Welt habe sehen wollen und nach Abessinien ausgewandert sei. Zusammen mit einem Deutschen habe er dort im neuen Palast des Negus die Installationen ausgeführt. Zum Dank hätte jeder noch einen Esel als Geschenk bekommen. Ein grosses Geschenk, denn ein Esel sei dort ein wichtiges Transportmittel. Sie hätten sich dann getrennt, der Deutsche wollte wieder heim nach Deutschland. Er sei dann weiter nach Südafrika gezogen. Die Esel hätten sie gut verkauft. Heute besitze er in Kapstadt ein Installationsgeschäft und ein Hotel, seine Söhne führen eine Schlachterei. Wir sollten unbedingt einmal nach Südafrika kommen. Er würde uns in Johannesburg abholen und uns auf dem Weg nach Kapstadt mit verschiedenen Grosshändlern bekannt machen. Es war jetzt Spätherbst 1964 und wir vereinbarten mit Herrn Gauschi, dass Rudolf Gunzenhauser und ich Mitte Februar 1965 nach Johannesburg kommen würden, um von dort mit ihm die Informationsreise anzutreten. Auf dem Weg nach Kapstadt werden wir in Durban, East London und Port Elizabeth Besuche machen. Ab Februar wird dann die grosse Hitze vorbei sein. Es muss so gegen Ende Januar 1965 gewesen sein als mir Rudolf Gunzenhauser sagte er gehe lieber in die Skiferien nach Arosa als nach Südafrika. Ich solle doch alleine zu Herrn Gautschi reisen. Das war mir nun gar nicht willkommen, diese Reise alleine mit Herrn Gautschi zu machen. Ich fragte deshalb Herrn Ernst Gunzenhauser ob er nicht Interesse habe mitzukommen. Zu meiner Erleichterung war er einverstanden als ich
  • 26. 26 ihm die ganze Geschichte wie es zu dieser Reise gekommen sei erzählt hatte. Es kam ihm dann noch in den Sinn, dass Hans Buser aus Sissach, ein Bekannter von ihm, in Accra in Ghana lebe, den wir auf der Rückreise noch besuchen sollten. Die Abreise buchten wir auf Sonntag, den 14. Februar, die Rückreise ab Accra auf Samstag, den 27. Februar 1965. Diese Angaben gemäss dem bei mir noch vorhandenen Original Reise-Programm des Reisebüros. Erwartungsvoll traten wir die Reise in den schwarzen Kontinent an. Um neun Uhr abends verliessen wir Kloten mit einer DC 8 der SAS. Nach Zwischenlandungen in Athen, Karthum und Nairobi erreichten wir am Montagmittag Johannesburg. Daheim war es Winter gewesen, hier jetzt warmes Sommerwetter. Herr Gautschi erwartete uns im Ankunftsgebäude des Flughafens und auf der Fahrt zum Hotel erzählte er, was er in den nächsten Tagen für uns vorgesehen habe. Es gehe auch darum uns zu zeigen, was und wie hier gebaut und installiert werde. Wir würden auch zu Grosshändlern gehen von denen er Ware beziehe. Nach dem Zimmerbezug im Hotel im Zentrum der Stadt machte Herr Gautschi eine Besichtigungsfahrt durch Johannesburg. Grosse Geschäftshäuser säumten viele Strassen in denen ein Gemisch von Menschen dunkler und heller Hautfarbe unterwegs war. Wenn auf Plätzen Sitzbänke vorhanden waren, trugen einige manchmal die Anschrift "for whites only". Am Abend gab es früh Lichterlöschen damit wir uns für das morgige Programm ausruhen konnten, denn wir hatten ja einiges hinter uns. An den Temperaturunterschied aus der winterlichen Schweiz zur sommerlichen Wärme musste man sich auch erst noch gewöhnen. Als erstes besuchten wir am Morgen Salvalve Pty, Lieferant für alles was es in der Haustechnik braucht. Das Meiste wird importiert. Aus England, USA und zum Teil Deutschland. Was wir bei Salvalve und den verschiedenen Besichtigungen anderswo an Armaturen gesehen hatten, war eine ganz andere Qualität und Ausführung als bei uns üblich. Anstatt Ventile, viele Schieber britischer oder undefinierbarer Herkunft. Druckreduzier- und Sicherheitsventile könnten eine Verkaufs-Chance haben. Auf der Weiterreise nach Kapstadt sahen wir uns bei Zwischenlandungen noch in Durban und East London bei einem Grosshändler um, doch es war das gleiche Bild wie in Johannesburg. In Kapstadt konnten wir Baustellen von Herrn Gautschi sehen. Es war eine andere Installationsart als in der Schweiz. Alle Leitungen meist in Kupfer und die vorwiegend schwarzen Arbeiter boten auch ein anderes Bild als daheim. Herr Gautschi zeigte uns auch sein ausserhalb Kapstadt gelegenes Hotel und die von seinen Söhnen betriebene grössere Metzgerei mit Schlachthaus. Mit besonderem Stolz zeigte er uns die grosse hölzerne Reithalle die er hatte bauen lassen und die nach der bevorstehenden Einführung des Fernsehens für ihn sicher einen guten Ertrag abwerfen dürfte wie er uns sagte. Da alle Gautschis passionierte Reiter waren, konnten Ernst Gunzenhauser und ich, auf dem Spielfeld des Polo Clubs einem Spiel der reinen Gautschi Mannschaft gegen eine andere Mannschaft zusehen. Ein beson- ders malerisches Bild boten die auf der Terrasse des Clubhauses sitzenden und zuse- henden Ladies in ihren rosafarbigen, gelben und grünen duftigen Röcken und den grossen gleichfarbigen Hüten. Wir waren nun mit der südafrikanischen Bau- und Installationsweise und Lebensart etwas vertraut geworden. Aber um mit JRG Armaturen auf den Markt zu kommen, gab es sicher noch einige Probleme zu lösen. Nachdem wir uns von den Familienan- gehörigen und besonders von Herrn Viktor Gautschi, der uns zu dieser Informations- reise motiviert hatte mit bestem Dank verabschiedet hatten, erreichten wir nach einem längeren Flug via Kimberly und Lagos, Accra in Ghana. Bei der Zollkontrolle erwartete uns Hans Buser aus Sissach und winkte uns zu sich. Den Zöllnern in schwarzen Uniformen mit aus schwarzen Gesichtern blitzenden weissen Zähnen drückte er kurz die Hand, sprach einige Worte und unsere Koffer waren durch.
  • 27. 27 Bakschisch öffnet hier vermutlich manche Türe. Hier im Kakaoland war wirklich Schwarzafrika. Trotzdem es bereits Abend war, war es heiss und schwül und der grosse, geräuschvoll an der Decke des Hotelzimmers laufende Ventilator brachte keine Kühle. Am nächsten Tag führte uns Hans Buser in das Warenhaus der UTC, der Union Handelsgesellschaft, die aus der Basler Mission hervorgegangen war und bei der er vor Jahren angefangen hatte. Im Warenhaus dominierten fast leere Gestelle, vor denen junge schwarze Frauen auf Kunden warteten, die aber, wenn sie überhaupt kamen, kaum etwas kaufbares fanden, denn ohne den Segen der Regierung konnte nichts importiert werden. Hans Buser schilderte wie man fast kniefällig bei Nkrumah dem Staats Präsidenten um Importlizenzen betteln musste. Hans Buser vertrat Mercedes hier und erzählte wie er manchmal Einkaufsreisen für Minister nach Stutt- gart zu Mercedes organisierte wo sie Lastwagen für den Transport der Kakaobohnen Ernte einkaufen wollten. Nach Ankunft in Stuttgart überwog das Interesse an deutschen Mädels. Nach einigen Tagen waren die Kaufverträge unterschrieben und die Heimreise konnte angetreten werden und der Saldo eines Nummernkontos in der Schweiz war bald beträchtlich höher geworden. Nachdem uns Hans Buser noch grosse Kakaobohnenfelder in der Umgebung gezeigt hatte, war es nun auch für uns Zeit für die Heimreise geworden. Nach den vielfältigen Eindrücken, besonders von den Lebens- und Arbeitsbedingun- gen die wir angetroffen haben, muss ich zwischenhinein das Thema wechseln und ziemlich weit zurückgehen. Schon bald nach meinem Eintritt in die Firma, als ich die Stunden auf den Stempel- karten der Arbeiter für den Zahltag zusammenzählte und in das Zahltagsjournal ein- trug, war unter den Abzügen auch ein kleiner Betrag für Lebensversicherung. Für einen Grossteil der etwa zweiundzwanzigköpfigen Belegschaft bestanden bei der Rentenanstalt Lebensversicherungs-Policen über Fr. 10'000.--. An die Prämie leistete die Firma einen grösseren Anteil. 1941/42 war das sicher eine noch wenig verbreitete Fürsorge. Schon während des 2. Weltkrieges machten die Boiler-Sicherheitsventile- und Gruppen einen wesentlichen Anteil am Umsatz aus. Als nach Kriegsende die Bautätigkeit rapide zunahm und Elektroboiler Allgemeingut wurden, profitierten die JRG Ventile massgeblich. Sie waren als sicher und zuverlässig anerkannt. In einem vom damals bekannten Zeichner Lindi entworfenen Inserat bekräftigten wir das noch mit dem darin angebrachten Spruch "Sicherheit alle Zeit, drum seit je.... JRG". Weil die Geschäfte gut gingen wurden jährlich einer Fürsorgekasse Zuwendungen gemacht. Einmal plante man am Dorfrand Richtung Zunzgen den Bau einiger Einfamilienhäuser für Betriebsangehörige. Die Baukosten wären auf ca. Fr. 40'000.– gekommen und die erste Hypothek hätte die Fürsorgekasse ein halbes Prozent günstiger als die Kantonal Bank gewährt. Trotzdem gab es keine Interessenten. Als Grund wurde angegeben man wohne immer noch billiger und habe trotz des längeren Arbeitsweges keinen Grund zu wechseln. Auf den Bau der Häuser wurde deshalb verzichtet. Als das Kapital in der Fürsorgekasse weiter angewachsen war regte ich die Gründung einer Pensionskasse an. Der Vorschlag fand Anklang. Ich brachte in Erfahrung dass ein Herr Dr. Schöb, Versicherungsmathematiker, der Berater der Pensionskasse des Kantons Baselland war. Ich nahm mit ihm Kontakt auf, er kam nach Sissach und das war der Anfang der Pensionskasse JRG, die heute von seinem Sohn versicherungstechnisch überwacht wird. Weil bei Lohnerhöhungen Nachzahlungen geleistet werden mussten führten diese zu Missmut bei vielen Arbeitern, weil bis zur Tilgung der Nachzahlung der Lohn kleiner war als vor der Lohnerhöhung. Man hörte Kommentare wie, man wolle das Geld jetzt brauchen, oder, wenn man nicht mehr da sei solle die Frau arbeiten
  • 28. 28 gehen. Der geäusserte Missmut hörte jedoch auf, als der erste Todesfall eintrat und die betroffene Familie dank der Witwenrente gesichert dastand. Mir scheint, dass die in diesem Rückblick geschilderten erfreulichen und sozialen, zu- kunftsgerichteten Massnahmen und Beschlüsse nicht unerwähnt bleiben dürfen. Eines Tages meldete sich am Telefon ein Herr Mesmer. Er sei Chief Engineer bei Sandoz Bradford in England und für einige Tage an einer Konferenz in Basel. In einer grösseren neuen Anlage im Werk möchte er Freiflussventile Grösse vier Zoll verwen- den. Solche seien aber in England nicht erhältlich. Herr Rigendinger, der Einkaufschef bei Sandoz habe ihm geraten Herrn Tschudin bei der Armaturenfabrik Gunzenhauser in Sissach wegen solchen Ventilen zu fragen. Er spreche regelmässig bei ihm vor, er habe ihm aber noch selten eine grössere Bestellung machen können. Ja, solche Ventile stellen wir her sagte ich Herrn Mesmer. Also gut meinte er. Morgenvormittag komme ich vorbei um sie anzusehen und um die Baumasse zu bekommen bevor ich nach Bradford abreise. Herr Mesmer war Baselbieter und seit vielen Jahren schon in England. Nach einiger Zeit kam die versprochene Bestellung für eine grössere Anzahl Schrägsitzventile 4". Längere Zeit später erwähnte Rudolf Gunzenhauser an einer Programmsitzung er habe von einer technischen Ausstellung in London vernommen die man sich ansehen sollte. Man beschloss, dass Rudolf Gunzenhauser, Emil Husi und ich dorthin gehen sollen. Da nach den erhaltenen Auskünften die Ausstellung bald zu Ende ging, flog das Trio schon in einigen Tagen nach London und verbrachte einen Tag an der Ausstellung. Die Ausstellung hatte viel Ähnlichkeit mit der Mustermesse, mit Schwergewicht auf Innenausbau und Installationen. Anregungen für neue Kon- struktionen bekamen wir aber keine. Was wir an Sanitär- und übrigen Armaturen vor- fanden, lag nach unserem Geschmack einige Stufen tiefer als das was man in der Schweiz gewöhnt war. Mischbatterien an Lavabos waren unbekannt. Je ein Stand- ventil für Kalt- und eines für Warmwasser war in jeder Ecke des Lavabos oder des Spülbeckens. Das war etwa zur Zeit als wir die formschöne Einlochbatterie für Küchen Kombinationen und die Einloch-Wandbatterie herstellten. Herr Mesmer hatte bei seinem Besuch in Sissach gesagt, wenn wir einmal nach England kämen möchte er uns gerne die neue Anlage zeigen. Vor der Reise zur Ausstellung hatte ich mich bei ihm erkundigt ob die Anlage fertig sei und unseren Besuch angemeldet. Per Bahn reisten wir deshalb nach Bradford in Mittelengland und meldeten uns im Sandoz Werk. Die Wasser-Verteilanlage mit den grossen vierzölligen Schrägsitzventilen mach- te wirklich einen imposanten Eindruck und man sah Herrn Mesmer an, dass ihm die Anlage gefiel. Uns natürlich auch. Er lud uns noch zum Tee zu sich nach Hause ein und fuhr uns anschliessend zum Zug nach London. Die Umsätze mit TA Stockholm begannen erfreulich zu steigen und auch die Aufträge von Emaljeverket in Oslo kamen regelmässig. Da es wichtig war, mit diesen bedeu- tenden Kunden auch persönlich im Kontakt zu bleiben, besuchte ich sie etwa einmal jährlich. In Oslo zugleich auch den damaligen Vertreter und mit ihm jeweils auch Pla- nungsbüros. Auch die Basler Installateure besuchte ich weiterhin und Ciba, Geigy, Sandoz und Hoffmann La Roche wurden nicht vernachlässigt. Diese bauten ihre Anlagen stark aus, was auch deren Wasserbedarf vergrösserte. Weil, wie früher schon erwähnt, Mischventile bei ihnen direkt kein Thema waren, kam das Gespräch einmal auf Ventile, die im Sinne des Wassersparens, die Temperatur des Kühlwassers optimieren könnten. Im Technischen Büro entstanden deshalb die Kühlwasser-Regulierventile Katalog Nr. 1600 für Druckwasseranlagen und 1650 für Drucklose Anlagen. Natürlich mit den Thermostaten wie sie in den Mischventilen verwendet wurden. Von Sandoz
  • 29. 29 erfuhr ich, dass man sich auch bei Sandoz Hanover in New Jersey für solche Ventile interessieren könnte. Ein Dr. Albert Businger, Mitglied der Geschäftsleitung von Hoffmann La Roche, war wie ich, Mitglied der Motorfluggruppe Basel. Wenn man zusammen sass, wurde nicht nur über die Fliegerei geredet. So erfuhr ich von ihm zufällig, dass sich Roche in Nutley New Jersey nach einem etwas speziellen Werbegeschenk für Ärzte umsehe. Mir kam dann der kleine Mörser in den Sinn den JRG damals schon herstellte. Was er von einem kleinen metallenen Mörser halte fragte ich Herrn Businger. Ein Mörser sei ja auch ein medizinisches Symbol. Ja warum nicht, war seine Antwort. Als ich ihm bald darauf einen Mörser zeigte, gefiel er ihm sehr gut und er fand ihn ein ansprechendes Werbegeschenk. Zu entscheiden habe aber Nutley. So weit so gut. Eines Tages kam von der TA Stockholm die Mitteilung man habe bei Jrgumaten manchmal Störungen indem das Mischwasser viel kälter oder viel wärmer als die an- gegebene Solltemperatur sei. Zuerst nahm man an, es handle sich um Einzelfälle in einer nicht systemgerechten Installation. Das war aber leider nicht der Fall, denn die Beanstandungen häuften sich. An den uns retournierten Mischern stellten wir starke Korrosionserscheinungen an den Reguliereinheiten aus Messing fest, welche ein- deutig auf das Wasser zurückzuführen waren. Bald sprach man bei JRG vom bösen Schwedenwasser. Ich musste nach Stockholm um die Leute zu beruhigen und ihnen zuzusichern, dass wir uns des Problems dringend annehmen werden. Es war verständ- lich dass TA und auch wir besorgt waren, denn wir hatten sicher schon mehr als 2000 Ventile geliefert. Es war deshalb auch nötig, das Problem mit Detroit Controls zu be- sprechen. Also musste ich mich auch dorthin auf die Reise machen um die Firma zu veranlassen, für die Reguliereinheiten für uns eine korrosionsfestere Legierung zu ver- wenden. Da zu dieser Zeit das Gespräch mit Sandoz Basel wegen der Kühlwasser-Regulierven- tile noch nicht sehr weit zurücklag, fragte ich Herrn Rigendinger nach dem Stand der Abklärungen im Werk Hanover. Ich sei demnächst in New York und könnte im Werk Hanover vorbeigehen. Ich solle ihm sagen wann das der Fall sein werde damit er meinen Besuch anmelden könne. Er werde mir dann auch die zuständige Stelle angeben an die ich mich zu wenden habe antwortete er. Herrn Dr. Businger von Hoffmann La Roche teilte ich auch mit ich sei demnächst in New York und würde gerne bei Roche in Nutley der für die Werbegeschenke mass- gebenden Person den ihm gezeigten Mörser präsentieren. Er versprach mich dort an- melden zu lassen sobald ich ihm das voraussichtliche Datum angegeben habe. Als ich alle Unterlagen und Muster zusammen hatte und die Reise gebucht war, gab ich den beiden Herren das voraussichtliche Besuchsdatum an und erhielt von ihnen wie versprochen die Kontaktstellen und Personen genannt. Am Tag nach meiner An- kunft in New York mietete ich am Vormittag einen AVIS Wagen und fuhr zuerst via den Lincoln Tunnel zum etwa 15 Meilen entfernten Nutley in New Jersey. Hoffmann La Roche war bald gefunden. Die Anmeldung beim zuständigen Herrn hatte geklappt, ich wurde freundlich empfangen und konnte ihm den Mörser übergeben. Er gefiel ihm wie mir schien denn er stellte ihn auf seinem Pult an verschiedene Stellen und nickte beifällig. Auf der Wappenscheibe müsste noch ein Signet sein und wieviel der Preis betrage inklusive einer ansprechenden Verpackung. Der Preis hänge von der eventuell in Frage kommenden Stückzahl ab. Im Moment gehe es darum, ihm und der Firma so einen Mörser als ansprechendes Ärztegeschenk vorzustellen. Man