Karsten Schuldt und Rudolf Mumenthaler: Volksschulbibliotheken im Kanton St. Gallen
1. FHO Fachhochschule Ostschweiz Seite 1
Volksschulbibliotheken im
Kanton St. Gallen (CH)
Karsten Schuldt, Rudolf Mumenthaler (Schweizerisches
Institut für Informationswissenschaft, HTW Chur)
Bibcast vom 11. März 2016
http://bibcast.openbiblio.eu/volksschulbibliotheken-im-kanton-st-gallen-eine-studie-zum-status-quo/
https://pad.riseup.net/p/schuldt-mumenthaler
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Agenda
1. Zielsetzung
2. St. Gallen / Volksschulbibliotheken
3. Bibliothekarischer Diskurs zu Schulbibliotheken
4. Vorgehen und Ergebnisse
5. „Eine Volksschulbibliothek in St. Gallen“
6. Historische Erklärung
7. Fazit: Die aktuellen Formen der Schulbibliotheken ernstnehmen
3. Zielsetzung
§ Auftrag der Bibliothekskommission St. Gallen
§ Wie ist der Status Quo der Volksschulbibliotheken in St. Gallen?
§ Wie soll die Bibliothekskommission diese unterstützen?
§ Bibliothekskommission soll das Bibliothekswesen in St. Gallen fördern
§ Eingerichtet 2015 (Bibliotheksgesetz 2014)
§ Versteht Schulbibliotheken als Teil des Bibliothekswesens
http://www.sg.ch/home/kultur/kantonsbibliothek/bibliotheksfoerderung.html
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4. Kanton St. Gallen
§ deutschsprachig,rund 80% CH
§ rund 500.000 Einwohner/innen
§ Stadt St. Gallen (75.000), sonst
sehr ländlich, Süden von den (Vor-)
Alpen geprägt
§ Starke Gemeindeautonomie
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Von Tschubby -EigenesWerk,CC BY-SA3.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=45736294
5. Volksschulen St. Gallen
§ Volksschulen
§ Zwei Jahre Kindergarten (Halbtagskindergarten, obligatorisch)
§ Klasse eins bis neun
§ Organisiert durch die Gemeinden in «Schulgemeinden»
(Primarschulgemeinden, Oberstufengemeinden)à wie, steht den
Kommunen frei
§ Schulgemeinden unterschiedlich strukturiert
§ Eher kleine Schulgebäude (100-200 Schülerinnen / Schüler)
§ Lokal verankert
§ Jetzt alle mit Schulleitung, die teilweise mehrere Häuser betreut
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6. Bibliothekarischer Diskurs zu Schulbibliotheken
§ Schulbibliotheken werden in der Schweiz seit den 1970ern immer wieder
ähnlich beschrieben (wie in Deutschland)
§ «Zentrum der Schule»
§ Alle Medienformen vorhanden,immer offen
§ Geführt von bibliothekarischem Personal, nach bibliothekarischen
Standards (z.B. Katalog)
§ Aufgabe: Die Schülerinnen und Schüler unterstützen, z.B. beim Selber-
Lernen, Hausaufgaben etc., Unterricht unterstützen
§ Seit 1990: «Richtlinien für Schulbibliotheken» (Schweizerische
Arbeitsgemeinschaft für allgemeine öffentliche Bibliotheken, aktuell 4.
Auflage)
§ http://www.sabclp.ch/rsbonline.htm
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7. Vorgehen
§ Ziel: Die Schulbibliotheken «selber reden lassen»
§ mehrstufig
§ Umfrage unter allen bekannten Schulen, Juni bis Oktober 2015
§ orientiert an ähnlichen Studien, ergänzt durch viele offene Frage
§ drei Anschreiben, zwei per Mail, eine postalisch
§ 268 angeschriebene Schulen / Rücklauf: 242 Antworten zu den Schulen (90.3%)
§ Interviews in Schulbibliotheken, mit Bibliothekspersonal
§ Fragen potentialorientiert (Erfolge der Bibliotheken, Selbstsicht)
§ «gesteuert zufällig» ausgewählt (so und soviel Primarschulen…)
§ 11 Interviews, September bis Oktober 2015
§ Case Studies, mit Personal in Schulen und Bibliotheken, Schüler/innen
§ Fragen potentialorientiert, Einbindung der Bibliothek in die Schulen
§ 3 Case Studies, September bis Oktober 2015
§ Zusammenführung,November bis Dezember 2015
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8. Hauptergebnisse
§ fast alle Volksschulen im Kanton haben eine eigene Bibliothek oder eine
Kooperation mit einer Öffentlichen Bibliothek
§ es überwiegen «Zentrale Schulbibliotheken» (im Schulhaus) (120), gefolgt
von Kombinierten Schul- und Gemeindebibliotheken (43) und Kooperationen
mit Gemeindebibliotheken (33)
§ Hauptaufgabe der Schulbibliotheken (Selbstbeschreibung)ist unangefochten
die «Leseförderung»
§ d.h. Bücher, die den Kindern und SchülerInnen zur Verfügung gestellt werden
§ Pädagogische Konzepte sind kaum bekannt
§ Die Schulbibliotheken werden von Lehrpersonen geführt
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9. Eine «Volksschulbibliothek in St. Gallen»
§ Lesebibliothek
§ Aufgabe ist die «Leseförderung»,
d.h. vorrangig Bücher
§ Besucht im Klassenverband, mit
der Lehrperson (nicht allein)
§ Belegungsplan (je 1-2 Wochen)
§ Ausleihe von Büchern (Organisiert
über Lehrperson)
§ eher klein, aber in der Schule gut
verankert
§ Geführt von Lehrpersonen
(«Ämtli»)
§ (Gut) Finanziert aus dem Schuletat
§ Eingebunden in die Schule
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10. Eine «Volksschulbibliothek in St. Gallen»
§ gut ausgestattet, im Rahmen
ihrer Aufgaben
§ Oft neue Räume, fast immer neu
ausgestattet
§ Medien recht neu
§ Bestand: Schwerpunkt
Belletristik
§ Fokus: Was wollen die Kinder
und Jugendlichen lesen? (Nicht:
«Was ist gute Literatur für sie?»)
§ Oft z.B. mit Comics / Graphic
Novels
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• 28% haben spezifisch ausserhalb des Unterrichts geöffnet, sonst nur im
Unterricht (72%) oder immer (d.h. zumeist nicht geschlossen,aber ohne
Betreuung) (16%)
11. Eine «Volksschulbibliothek in St. Gallen»
§ folgt keinen bibliothekarischen
Standards, sondern oft eigenen
«eingespielten» Regeln
§ Meist kein Katalog; wenn, dann
«nur» zur Ausleihe genutzt
§ Aufstellung oft selber gestaltet
(«Farben» pro Klassenstufen
etc.)
§ «Richtlinien», gesetzliche
Grundlagen oder andere Formen
von Schulbibliotheken sind nicht
bekannt
§ sieht sich als Teil der Schule, nicht
des Bibliothekssystems
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12. Eine «Volksschulbibliothek in St. Gallen»
§ Das Prinzip «Lesebibliothek»
ist allgegenwärtig
§ Gemeindebibliotheken werden
auch als Lesebibliotheken im
Klassenverband besucht
§ Nur Ausleihe von Büchern
§ à Schulen und
Schulbibliotheken sind sehr
zufrieden mit dieser Situation
§ Auch SchülerInnen sind
zufrieden
§ Wunsch: „mehr Sofas“
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13. Historische Erklärung
§ Volksschulbibliotheken in St. Gallen verstehen sich anders, als im
bibliothekarischen Diskurs gedacht. Und es funktioniert.
§ Archivrecherche (Staatsarchiv St. Gallen)
§ 1906: Gründung einer «Jugendschriftenkommission» («gegen Schmutz und Schund»), publiziert
jährlich eine Liste «guter Literatur»
§ Seitdem: Förderung (finanziell) von Schulbibliotheken in Schulen, betreut von Lehrpersonen, für
«gute Literatur», eher klein
§ 1934: Erste Verordnung über Schulbibliotheken
§ 1962: «Reglement»
§ 1960er: Kommission wird zur «Kantonalen Kommission für Schulbibliotheken»
§ 1982/1983: Volksschulgesetz und neue Kantonsbibliothek à keine Förderung für
Schulbibliotheken mehr, Kommission kommt zur Kantonsbibliothek
§ 2012: Kommission veröffentlicht letzte Liste «empfohlener Literatur»
§ à Kanton tritt 1906 fest an, zieht sich nach 1982/1983 zurück; offenbar hat sich die Struktur (als
sinnvoll) in den Schulen erhalten
§ à Geschichte vor unserer Studie nicht bekannt
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14. Fazit
§ Volksschulbibliotheken in St. Gallen sind gut ausgestattete Lesebibliotheken
§ quasi alle Schülerinnen und Schüler haben einen Zugang zu Bibliotheken
§ Die Schulbibliotheken in St. Gallen verstehen sich nicht als Teil des
Bibliothekswesens (ausser kombinierte Schul- und Gemeindebibliotheken)
§ Notwendig scheint, den bibliothekarischen Diskurs zu überprüfen.
§ Was ist Annahme, was Wunsch, was gutes Argument?
§ Gibt es unterschiedliche Schulbibliotheken? Soll man das gut finden?
§ Warum haben sich die Schulbibliotheken in St. Gallen so wenig geändert, wenn doch die
Schulen sich geändert haben und die bibliothekarischen Vorstellungen intensiv verbreitet
wurden?
§ Forschung zu Schulbibliotheken sollte an «realen» Schulbibliotheken
stattfinden, nicht (nur) an «Best Practice» und nicht aus «Idealvorstellungen»
heraus
§ Statistiken sagen nur im Kontext etwas aus (nicht im Vergleich zu «Idealvorstellungen»)
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