Das führende europäische Fachmagazin für Spinnentiere »ARACHNE« ist das zweimonatlich erscheinende Publikationsorgan der Deutschen Arachnologischen Gesellschaft e.V. (http://www.dearge.de).
Sie umfasst ca. 50 Seiten und befasst sich mit Themen rund um Spinnentiere - mit Ausnahme der Ordnung Acari (Milben) - wobei der Schwerpunkt bei den Theraphosidae (Vogelspinnen) liegt.
1. Mitteilungen
8. Jahrgang
Heft 6
November 2003
Deutsche Arachnologische Gesellschaft e.V.
in dieser Ausgabe:
• Anmerkungen zu den Spinnen der Gattung
Phoneutria (PERTY, 1833)
• Übergriffe von Ameisen (Formicidae) auf
Vogelspinnen (Theraphosidae)
• Die Jagdspinnen der Gattung Cupiennius
SIMON, 1891
ISSN 1437-5214
2. DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003 DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003
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3. DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003 DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003
Anmerkungen zu den Spinnen der Gattung Phoneu- einer ganz anderen Familie (Pisauridae
SIMON, 1890) anghört.
tria (PERTY, 1833)
von John Osmani GIFTIGKEIT
Die Gefährlichkeit der Tiere der Gattung
Die Spinnen der Gattung Phoneutria gehören nokulturplantagen (Bananen) relativ häufig Phoneutria beruht in erster Linie auf ihrem
aufgrund ihrer Aggressivität und Giftigkeit zu finden. potentiell gefährlichen Gift (wobei die Gif-
mit Sicherheit zu den gefährlichsten Spinnen Früher wurden wohl mit Bananen auch tigkeit der einzelnen Arten sehr unterschied-
überhaupt. Auch wenn ihre Haltung oft ver- häufiger Tiere nach Europa eingeschleppt, lich ist). Das Gift wirkt nach S CHMIDT
harmlost wird und sich immer öfter Exem- dies scheint aber aufgrund veränderter Be- (2000) neurotoxisch und verursacht nach
plare in heimischen Terrarien finden, ist ihr handlungs-, Lagerungs- und Transportbe- einem Biss aufgrund seines hohen Gehaltes
Ruf sicher immer noch sehr berüchtigt und dingungen der Bananenlieferungen (Bega- Bei Unkenntnis kann Cupiennius salei leicht mit Phoneutria an Serotonin und Histamin erhebliche
spp. verwechselt werden.
respektvoll geblieben. sung, Kühlung) nur noch selten der Fall zu Foto: Ingo Wendt Schmerzen. Es folgen eine Vielzahl von wei-
sein. Ausnahmen bestätigen aber auch hier teren Symptomen wie Schweißausbrüche,
ZOOLOGISCHE EINORDNUNG die Regel und so wurde erst vor kurzem eine (SIMON, 1891) gezählt werden. Krämpfe, Lähmungen, Sehstörungen,
Phoneutria nigriventer zwischen einigen Bana- In diesem Zusammenhang ist es wichtig Schwindelgefühl, Erbrechen, Schüttelfrost,
Die systematische Zuordnung der Gattung nen in einem Münchener Supermarkt ent- darauf hinzuweisen, das es nicht selten zu Fieber und noch einige andere unangeneh-
Phoneutria in die Familie Ctenidae (KEYSER- deckt (dpa-Bericht München, 31.07.2003, s. Verwechslungen von Phoneutria und Cupienni- me Symptome mehr. Der Tod kann noch
LING 1877) gilt als umstritten. Es gibt nach »Presse und Medien«). Das Tier war allerdings us Arten kommt, da sich die Arten beider nach 12-17 Stunden durch Atemlähmung
wie vor Meinungsverschiedenheiten bezüg- aufgrund der vorherigen Lagerung der Ba- Gattungen auf den ersten Blick, für einen eintreten. Nach FOELIX (1992) injiziert Pho-
lich der Artverteilung innerhalb der Gat- nanen in einem Kühlraum sehr apathisch, Unkundigen, sehr ähnlich sehen. Sie unter- neutra fera bei einem Biss etwa 8 mg Gift
tung. Nach P LATNICK (2003) gliedert sich also quasi »außer Gefecht« und konnte so scheiden sich aber in der strukturellen An- (Trockengewicht). Dies reicht aus um etwa
die Gattung derzeit in die fünf folgenden keinen großen Schaden mehr anrichten. ordnung ihrer Augen. Es kann natürlich 1330 Mäuse zu töten (LD50 = 0,003 mg/g
Arten: Phoneutria Arten sind in ihrer Erschei- fatal sein ein Tier der Gattung Phoneutria zu Körpergewicht). Wobei nicht unerwähnt
nung meist gelbbraun oder graubraun ge- erwerben, obwohl man der Meinung ist es bleiben darf, das der Mensch eine sehr viel
• P. bahiensis SIMO & BRESCOVIT, 2001 färbt und von kurzer Behaarung. Mit 3-5 cm handelt sich um ein völlig harmloses Exem- höhere Empfindlichkeit gegenüber dem Pho-
• P. boliviensis (F.O.P.-CAMBRIDGE,1897) Köperlänge bei den Weibchen zählen sie mit plar von Cupiennius salei. Gerade für den Lai- neutria Gift besitzt als die Maus. Es gibt
• P. fera PERTY, 1833 zu den größten Labidognathen Spinnen Mit- en ist es oft nicht leicht zu erkennen, zu wel- Antivenine die zur Verfügung stehen und
• P. nigriventer (KEYSERLING, 1891) tel- und Südamerikas. Aufgrund ihrer Le- cher Gattung das angebotene Tier wirklich deren Gabe recht schnell erfolgen muss, die
• P. reidyi (F.O.P.-CAMBRIDGE, 1897) bensweise werden die Spinnen der Gattung gehört – ein Tatbestand, der bei der Haltung aber kaum ein Halter dieser Tiere zu Hause
Phoneutria auch als »Bananenspinnen« oder von Ctenidae zu berücksichtigen ist. Auch hat.
Die Arten verteilen sich über Mittel- und »Wanderspinnen« bezeichnet. Sie leben frei Verwechslungen in umgekehrter Sicht sind
Südamerika wobei der Verbreitungsschwer- umherlaufend ohne festen Unterschlupf, möglich. So werden oft Tiere der vermeintli- VERHALTENSWEISEN
punkt Brasilien ist. Sie sind anscheinend sind vor allem in der Dämmerung und chen Gattung »Phoneutria« angeboten, ob-
trotz fortschreitender Umwelt- und Lebens- nachts aktiv und verstecken sich gerne nach wohl sie nicht zu dieser Gattung gehören. Es ist aber nicht nur die Giftigkeit, die Pho-
raumzerstörung relativ häufig anzutreffen, einem nächtlichen Streifzug in Kleidung So ist mir selbst bekannt, dass Tiere der neutria Arten gefährlich macht, sondern vor
was für eine sehr gute Anpassungsfähigkeit oder Schuhen. Häufig werden sie auch als Gattung Ancylometes (BERTKAU, 1880) – übri- allem auch ihre leichte Reizbarkeit, unbere-
spricht. So sind sie zum Teil ausgesprochene »Kammspinnen« bezeichnet. Diese Bezeich- gens sehr interessante, ähnlich unserer ein- chenbare Aggressivität und nicht zuletzt ihre
Kulturfolger und selbst in der Nähe von nungen dienten allesamt ursprünglich für die heimischen Dolomedes fimbriatus, aquatisch Schnelligkeit. Wird sie gereizt nimmt sie eine
Großstädten (z. B. Sao Paulo) oder auch ganze Familie Ctenidae, zu der neben Pho- lebende tropische Spinnen – im Zoohandel charakteristische Verteidigungsstellung ein,
innerhalb menschlicher Behausungen in neutria auch die sehr bekannten Gattungen und auf Terraristikbörsen als Phoneutria indem sie sich auf die Hinterbeine gestützt
ländlichen Gegenden und vor allem in Mo- Ctenus (WALCKENEAR, 1805) und Cupiennius angeboten wurden, obwohl Ancylometes sogar aufrichtet und dabei ihre Vorderbeine so
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4. DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003 DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003
weit wie möglich empor streckt und ge- WOLFGANG BÜCHERL (1962) zitieren: LITERATUR
spreizt nach oben hält (Farbtafel Abb. 4). »Es ist bekannt das die Phoneutria fera, die
Dieser Anblick dürfte vielen Vogelspinnen- ich als giftigste Spinne der Welt bezeichnen möchte, BARTH , F RIEDRICH G. (2001): Sinne und
haltern nicht unbekannt sein, denn so man- uns Menschen gegenüber gar keine Furchthemmun- Verhalten aus dem Leben einer Spinne.
che Vogelspinne nimmt eine ganz ähnliche gen zeigt, sondern sich trotzig und drohend zum Springer Verlag, Berlin, Heidelberg
Abwehrhaltung ein wenn sie beunruhigt Angriff stellt, gar nicht an ein Fortlaufen und Flie- BÜCHERL, W. (1996): Südamerikanische Vo-
wird. Phoneutria allerdings unterstreicht diese hen denkend, und uns anspringt. In einer Nacht gelspinnen. Neue Brehm Bücherei Band
Reaktion noch indem sie wiegend ihren und in demselben Bett, hat eine vor einigen Monaten 302, Westarp Wissenschaften, Magdeburg
Körper hin und her bewegt und dabei auf in der Nähe von Santos zwei Kleinkinder, zwei FOELIX, R. F. (1992): Biologie der Spinnen.
jede Bewegung ihres Gegenübers achtet. Es Brüderchen, getötet. Die große Vogelspinne ander- Georg Thieme-Verlag, Stuttgart
gibt Berichte wonach sie sich auch auf der seits benimmt sich gegen uns gemächlich, fast unbe- HABERMEHL, G. (1994): Gifttiere und ihre
Stelle im Kreise dreht und dabei in so starke holfen, läßt sich anfassen und macht sich gar nicht Waffen. Springer Verlag, Berlin,Heidelberg
Erregung gerät, das aus ihren weit gespreitz- einmal die Mühe, sich schnell zurückzuziehen. Die- JUNGHANS, TH. & M. BODIO (1996): Not-
ten Chelizeren Gift heraustritt. Im Gegen- ses Gemächliche verwandelt sich jedoch plötzlich, fall Handbuch Gifttiere. Georg Thieme
satz zu den meisten Vogelspinnen ist Phoneu- und jene ‘Frechheit’ wird zur schmählichen ‘Feig- Ancylometes cf. bogotensis
Foto: Ingo Wendt
Verlag, Stuttgart
tria auch bereit im Sprung einen Störenfried heit’, wenn sich beide gegenüberstehen. Wie ein KUNZE, M. (1996): Gefährliche Spinnen –
direkt anzugreifen und sofort blitzschnell Raubtier springt die Vogelspinne los, wie ein kleiner nehmen, ohne auch nur an Verteidigung zu den- Eine aktuelle Zusammenfassung. Arach-
zuzubeißen. Wicht versucht die Phoneutria schnell Reißaus zu ken.« nologisches Magazin 4(9): 1-13.
Obwohl es scheinbar auch Tiere gibt, die Wie man sieht, scheint Phoneutria dem MEIER, J. & J. WHITE (1995): Handbook
sich im Terrarium weit friedlicher verhalten Menschen gegenüber weit weniger Respekt of the clinical Toxicology of Animal
als in freier Wildbahn ist also Vorsicht gebo- zu haben als zu so manch anderer Spinne. Venoms and Poisons. CRC Press, Florida
ten, wenn man mit dem Gedanken spielt Ob es ihr wohl bewußt ist das sie für Homo PLATNICK, N. I. (2003): The World Spider
sich eine Phoneutria als Haustier zu halten. sapiens eine Gefahr darstellen kann? Wohl Catalog. V3.5. Amer. Mus. Nat. Hist.,
Sie sind aufgrund ihrer Schnelligkeit wohl nicht, aber die Frage ob eine Haltung dieser New York
immer in der Lage auch den erfahrensten Tiere zu rechtfertigen und zu verantworten SCHMIDT, G. (1970): Die Spinnenfauna der
Pfleger zu überraschen. Man sollte auch ist bleibt offen. importierten Bananen. Deutsches Ärzte-
bedenken dass im Falle eines Entkommens Vielleicht kann dieser Bericht ein An- blatt 6: 3106
aus dem Behälter dritte Personen erheblich sporn sein diese Fragestellung in ein Diskus- S CHMIDT, G. (1971): Mit Bananen einge-
gefährdet sein können (vor allem Kinder) sionsthema zu verwandeln. Ich denke es schleppte Spinnen. Zool. Beiträge 17: 387
und dass im Falle eines Unfalls die rechtli- lohnt sich darüber nachzudenken. SCHMIDT, G. (1984): Spinnen. Albrecht Phil-
chen Folgen immens sein können. Auch ler Verlag, Minden
besteht in einigen Bundesländern ein abso- SUMMARY: S CHMIDT, G. (1987): Wie gefährlich sind
lutes Haltungsverbot für diese Giftspinnen, Spinnenbißvergiftungen wirklich ? Natur
so dass es ratsam ist sich vorher darüber zu JOHN OSMANI gives a short overview on the und Museum 117 (7)
erkundigen ob eine Haltung überhaupt valid species of Phoneutria and their natural SCHMIDT, G. (2000): Giftige und gefährli-
erlaubt ist. habitat habitat. Additionally, he gives some che Spinnentiere. Neue Brehm Bücherei
hints concerning the confusion of Pho- Band 608, Westarp Wissenschaften, Magde-
FEINDE neutria, Ctenus, Cupiennius and Ancylometes. burg
Finally, the poison of Phoneutria is discussed
Gerade Vogelspinnen zählen in der Natur and connected with the agressive behaviour Adresse des Autors:
zu den größten Feinden der gefährlichen Ancylometes sp., eine von vielen Spinnenarten die bei Un- of Phoneutria, which to the interesting questi- John Osmani
»Kammspinnen«. Ich möchte deshalb in die- kenntins leicht mit Phoneutria spp. verwechselt werden kön-
nen.
on concerning the sense or nonsense of Dürerstr. 1
sem Zusammenhang aus dem Werk von Foto: John Osmani keeping Phoneutria at home. 50226 Frechen
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5. DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003 DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003
Übergriffe von Ameisen (Formicidae) auf Vogelspin- genden Woche kamen zahlreiche Amei- derroom and he lost a Poecilotheria fasciata
senköniginnen aus ihren Nestern hervor, die which he found covered by ants. The stran-
nen (Theraphosidae) überall auf dem Grundstück verteilt waren, ge thing about this has been that the ants,
von Mario Wilfert und flogen in alle Himmelsrichtungen da- which have been everywhere in the spider-
von. Damit war die Invasion auch beendet. room, obviously only entered the tank of
the described Poeciliotheria.
Die Ameisen (Formicidae) sind staatenbil- trachtung stellte ich fest, dass das erste in SUMMARY:
dende Insekten und zählen zu den Hautflüg- Türnähe stehende Terrarium einer adulten Adresse des Autors:
lern. Sie bauen ihre Nester häufig in der Poecilotheria fasciata schon von den Ameisen MARIO WILFERT informs us about an invasi- Mario Wilfert
Erde und errichten hohe Haufen darüber, befallen war. Nicht nur die Einrichtungsge- on of ants which took place in summer of Burgweg 19
wie z. B. die rote Waldameise. Holzameisen genstände, sondern auch die Spinne, die 2001 at his home. The ants entered his spi- 35619 Braunfels
bauen Nester aus zerkauter Holzsubstanz, dort regungslos auf dem Rücken lag, waren
Weberameisen stellen Nester aus Blättern von Ameisen übersät. Ich nahm das Tier aus
her und Wander- oder Treiberameisen bauen seinem Becken und befreite es mit einem
keine Nester. Pinsel von den Plagegeistern. Erst jetzt
Ohne Haufen sind die Nester der konnte ich auch genau erkennen, dass ihr Die Jagdspinnen der Gattung Cupiennius SIMON, 1891
schwarzen Wegameise. Einige Ameisen be- Abdomen von den Ameisen derart verletzt
von Witold Lapinski
sitzen mit ihren spitzen Kopfzangen gefähr- wurde, dass sie ausgeblutet war. Es wurde
liche Waffen und können aus einer Spritz- merkwürdigerweise auch nur dieses eine
drüse am Hinterleib giftige und ätzende Becken von den Ameisen befallen, denn EINLEITUNG • C. cubae STRAND, 1910
Ameisensäure absondern; einige Arten be- beim vorsorglichen Ausräumen und Reini- Kuba, Costa Rica bis Venezuela
sitzen auch einen Giftstachel. gen aller Terrarien fand ich nur in diesem Ziel des vorliegenden Artikels ist einerseits • C. foliatus F.O. P ICKARD -C AMBRIDGE ,
Im Juli 2001 hat sich folgendes bei mir Behälter Ameisenpuppen im Bodengrund. eine knappe Darstellung der Biologie von 1901
ereignet: Am Anfang des Sommers konnte Sie sind praktisch über Nacht in das Becken Cupiennius-Arten, basierend auf Literaturre- Costa Rica, Panama
man schon ungewöhnlich viele Wegameisen eingezogen, denn am Vortag waren noch cherche sowie meinen eigenen Erfahrungen, • C. getazi SIMON, 1891
bei uns beobachten, die sich allmählich zu keine vorhanden. Was die Ameisen dazu die ich bei ihrer Pflege im Terrarium als Costa Rica, Panama
einer regelrechten Plage entwickelten. Sie brachte sich in einem Terrarium einzunisten, auch bei der Beobachtung im natürlichen • C. granadensis (KEYSERLING; 1877)
krochen aus den Fugen der Terrassensteine ist mir bis heute rät- Habitat machen konnte. Costa Rica bis Kolumbien
und Wegeplatten hervor und verbreiteten selhaft. In der fol- Andererseits sollen die hier publizierten • C. remedius BARTH & CORDES, 1998
sich von dort aus über das gesamte Grund- Fotos bei der Identifikation von einigen auf Guatemala
stück. Es war eigentlich nur noch eine Fra- dem Spinnenmarkt befindlichen Arten hel- • C. salei ( KEYSERLING, 1877)
ge der Zeit, bis man sie auch im Haus fen (auf einer großen Terrarienbörse in Mexiko, Mittelamerika, Hispaniola
antreffen würde – dies geschah dann auch. Hamm hatte ich eine Lycosa sp. fälschlich als • C. valentinei (PETRUNKEVITCH, 1925)
Eines Abends kamen mir schon die Cupiennius salei bezeichnet gesehen ). Panama
ersten Exemplare im Heizungsraum
entgegen und machten sich gleich über LISTE DER ZUR ZEIT BEKANNTEN ARTEN Es gibt eventuell zwei weitere Cupiennius-
den dort stehenden Futternapf unseres (NACH PLATNICK 2001) Arten. Mehr dazu im Abschnitt »Vorstellung
Katers her. Am nächsten Morgen betrat ich einiger Arten«.
meine Terrarienräume, die nur wenige Me- • C. celerrimus SIMON, 1891
ter vom Wohnhaus entfernt liegen. Beim Venezuela, Brasilien ALLGEMEINES
Öffnen der Tür traute ich meinen Augen • C. coccineus F.O. P ICKARD -C AMBRIDGE ,
kaum. Der Fußboden und die Wände waren 1901 Bei den Cupiennius-Arten handelt es sich um
mit Ameisen überzogen. Bei näherer Be- Poecilotheria fasciata Costa Rica, Panama mittelgroße bis große Spinnen mit Bein-
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6. DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003 DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003
spannweiten von über 4 cm (z. B. C. foliatus) Familie gehörenden Vertreter der Gattung ca für P. boliviensis). Überlappungen finden ungefährliche Cupiennius zu treffen, damit
bis über 10 cm (z. B. C. salei) (BARTH 2001), Phoneutria. sich in Costa Rica, Panama und dem nördli- dieser lernt, dass solche Tiere gefährlich sind
die hauptsächlich auf Büschen und Bäumen Ich selbst wurde bis jetzt kein einziges chen Südamerika (P LATNICK 2001). Die und man sie besser meiden sollte.
leben. Mal gebissen. BARTH beschreibt einen Biss Ähnlichkeit ließe sich mit der BATESschen Beides dürfte meines Wissens kaum
MEINHARDT (2000) beschreibt C. salei als von C. coccineus, den seine Frau auf einer Mimikry nur dann erklären, wenn sich die zutreffen.
einen tagaktiven Lauerjäger aufgrund der Expedition »erleiden« musste: »Der Biss war Verbreitungsgebiete beider Gattungen zu- In Costa Rica fand ich in einem Gebiet
großen Vorderaugen. Tatsächlich sind Cupi- kräftig, ... und schmerzte etwa wie ein Bienenstich.« mindest zum größten Teil überlappen wür- mit relativ vielen Cupiennius nur ein einziges
ennius unter natürlichen Bedingungen däm- Dann folgte ein taubes Gefühl um die Biss- den und Vertreter beider Gattungen im sel- Phoneutria-Männchen. Zusätzlich konnte ich
merungs- und nachtaktive Lauerjäger, die stelle, nach ca. 30 Minuten waren der ben Habitat nebeneinander vorkämen. Aus noch ziemlich häufig Ancylometes bogotensis im
sich nicht immer auf das Lauern beschrän- Schmerz und das Taubheitsgefühl komplett dem Verbreitungsgebiet von C. salei, auf die selben Biotop finden. Diese gelten ebenfalls
ken (siehe Abschnitt »Jagd- und Beutefang- weg (BARTH 2001). sich MEINHARDT in seinem Artikel bezieht als wenig aggressive und ungefährliche Jagd-
verhalten«). Trotz der Harmlosigkeit sollten Perso- (im Süden bis nach Honduras) ist keine Pho- spinnen.
Ich habe sämtliche Cupiennius-Arten, die nen, die allergisch auf Arthropodengifte rea- neutria-Spezies bekannt. Damit verringert sich der Anteil gefähr-
ich in Costa Rica fand, tagsüber immer in gieren, vorsichtig sein. Normalerweise flie- Zusätzlich müssten die gefährlichen Pho- lich giftiger Spinnen (Phoneutria) an der
ihren Verstecken angetroffen. Nur nachts hen die Spinnen aber viel lieber, wobei sie neutria den Cupiennius zahlenmässig deutlich Gesamtheit großer Jagdspinnen im einem
konnte ich sie freilaufend beobachten. blitzschnell sein können. überlegen sein, damit letztere vom Lernef- Habitat nochmals.
BARTH (2001) bescheinigt Cupiennius eine fekt ihrer natürlichen Feinde profitieren Somit dürfte die BATESsche Mimikry
gute Nachtsehfähigkeit. Bei den Giftdrüsen handelt es sich um den könnten. D. h. die Wahrscheinlichkeit, auf als Erklärung für die Ähnlichkeit zwischen
Im Terrarium können diese Spinnen endocephalen Typ, d. h. sie ragen ins Proso- eine gefährliche Spinne zu treffen, sollte für Cupiennius und Phoneutria nicht in Frage
durchaus so etwas wie eine Ganztagsakti- ma – den Vorderkörper – hinein. Weibchen einen natürlichen Feind wesentlich größer kommen.
vität an den Tag legen, da dort normalerwei- haben größere Giftdrüsen als die Männchen sein, als die Wahrscheinlichkeit, auf eine Es sei hier vermerkt, dass dies nur au-
se kein Wind weht und die Temperatur- und zudem ein toxischeres Gift. Die Gift- genscheinliche Beobachtungen sind, die
sowie Luftfeuchtigkeitsverhältnisse optimal wirkung auf ein Beutetier ist dosisabhängig einer quantitativen Untersuchung der in
sind. In der Natur wären die Spinnen am und reicht von Lähmung bis zur Tötung. einem Habitat vorkommenden Jagdspinnen-
Tage aber Bedingungen ausgesetzt, die sie Von Bedeutung ist hier, dass das Gift gemeinschaften zur Klärung des Sachverhal-
schnell töten könnten. besonders schnell und irreversibel lähmt. tes bedürfen.
Aktivitätsdiagramme für C. salei, C. cocci- Solche Gifte sind vor allem für Baum- und Des weiteren wäre die Giftwirkung von
neus und C. getazi zeigen, dass die Weibchen Buschbewohner von Wichtigkeit, denn eine den vermeintlich gefährlichen Phoneutria-
ihre Hauptaktivität in den frühen Nacht- nicht ausreichend immobilisierte Beute kann Arten auf potentielle natürliche Feinde zu
stunden haben, während die Männchen fast schnell herunterfallen und somit leicht im untersuchen, denn ein für den Menschen
die ganze Nacht unterwegs sind. Dabei un- Pflanzengewirr verloren gehen (BARTH gefährliches Gift muss nicht zwangsläufig
terscheiden sich die Hauptaktivitätszeiten 2001). auch für andere Tiere ähnlich gefährlich
der beiden sympatrischen Arten C. getazi sein.
und C. coccineus voneinander. Diese zeitliche M EINHARDT (2000) begründet die äussere
Isolation wird als ein Mechanismus zur Ähnlichkeit zwischen Cupiennius- und Phoneu- BEOBACHTUNGEN IN DER NATUR
Konkurrenzvermeidung dieser beiden Arten tria-Arten mit der BATES’schen Mimikry.
angesehen (BARTH 2001). Dem kann ich nicht zustimmen, denn beide Ich hatte bis jetzt zweimal die Gelegenheit,
Gattungen haben, sofern es bisher bekannt Spinnen, darunter auch Cupiennius, in ihrem
Obwohl die Gattung in die Familie Ctenidae ist, ziemlich unterschiedliche Verbreitungs- natürlichen Umfeld in Costa Rica zu beob-
gestellt wird, sind Cupiennius-Arten kaum gebiete. Während Cupiennius eine vorwie- achten.
beißlustig und für den Menschen nicht gend mittelamerikanische Gattung ist, hat Dabei fand sich, dass z. B. C. coccineus
gefährlich giftig, wie z. B. die zur selben Phoneutria ihr Hauptverbreitungsgebiet in und C. getazi sowohl im Tiefland als auch in
Cupiennius getazi
Südamerika (nördliche Grenze ist Costa Ri- Foto: Ingo Wendt höheren Lagen (über 600 m ü.N.N.) vor-
10 11
7. DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003 DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003
kommen (LAPINSKI 2000). In einigen Gebie- HALTUNG IM TERRARIUM Berglagen stammen.
ten, wie z. B. auf der Biologiestation Spinnen aus dem Tiefland mögen es
LaSelva nördlich des Braulio Cupiennius-Arten kann man sehr gut in allen wärmer (obere Grenzen). Die Entwick-
Carrillo Nationalparks, leben möglichen Behältern pflegen, die ein feucht- lungsgeschwindigkeit der Eier und der Spin-
sie in dem selben Lebensraum warmes Klima erlauben. Ich konnte diese nen steigt mit steigender Temperatur.
nebeneinander (sympatrisch). Spinnen (auch die großen Arten) erfolgreich Die Luftfeuchtigkeit kann zwischen 60
In noch höheren Berglagen sowohl in relativ kleinen Kunststoffboxen und 100% relativer Luftfeuchte schwanken.
um ca. 1000 m ü.N.N. konnte ich nur von ca. 18 x 11 x 13 cm (L x B x H) als auch Dabei ist es hilfreich zu wissen, dass diese
kleinere C. foliatus und Cupiennius in größeren Terrarien von 30 x 30 x 40 cm Spinnen es einem melden, wenn es ihnen zu
sp. finden. (L x B x H) nachzüchten. trocken ist: Herrschen optimale Feuchtig-
Cupiennius benutzen un- Die Terrarien sollten ziemlich dicht keitsverhältnisse im Terrarium, so befinden
terschiedliche Verstecke, um schließen, da die sehr kleinen Jungspinnen sich die Cupiennius meistens im oberen Teil
den Tag darin zu verbringen. durch kleinste Ritzen entweichen können. ihres Verstecks bzw. des Behälters. Je trocke-
Das wichtigste scheint dabei der Selbst die handelsüblichen Fliegengitter sind ner es wird, desto näher am Boden halten
Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung und hier zu grobmaschig. sie sich auf. Spätestens wenn sich eine Cupi-
Austrocknung zu sein. Ich bevorzuge die größeren Terrarien, ennius am Tage an den Boden drückt, sollte
Am häufigsten fand ich diese Jagdspin- weil die Spinnen in ihnen viel mehr von man das Terrarium gut wässern. Normaler-
nen in Bromelientrichtern, wo sie auch ihrem Verhaltensrepertoire zeigen. Es ist weise steigen die Spinnen kurze Zeit später,
reichlich Beute finden dürften, denn diese schon vorgekommen, dass eine Cupiennius eventuell nachdem sie etwas getrunken ha-
meist epiphytischen Pflanzen dienen vielen salei sich von der Decke auf den Boden des ben, wieder in die gewohnten Höhen.
verschiedenen kleineren Tierarten als Ver- Terrariums fallen ließ, um einen dort krab- Man sollte also immer auf ausreichende
steck (Farbtafel Abb. 2). belnden Käfer zu erbeuten. Luftfeuchtigkeit achten. Auf eine Wasser-
Eine in einem Trichter einer großen Die Einrichtung der Behälter kann aus schale kann verzichtet werden, denn die Tie-
Bromelie sitzende C. coccineus tauchte feuchter Erde oder feuchtem Moos und ei- re decken ihren Wasserbedarf über konden-
sogar blitzschnell in das dort angesammelte nem Unterschlupf (z. B. hochkant gestellte siertes Wasser oder Sprühwasser.
Regenwasser, als ich versuchte sie zu fangen. Zeichnung 1: Versteckplätze von Cupiennius unter leicht ab-
stehenden Blattansätzen einer Bananenpalme.
Korkrinde) bestehen. Größere Terrarien Empfehlenswert ist ein Tag-Nacht-Rhy-
Leider hatte ich die Tauchzeit nicht gemes- können bepflanzt werden. Die Pflanzen ver- thmus von 12 Stunden Helligkeit und 12
sen. bessern das Terrarienklima, dienen als zu- Stunden Dunkelheit. Dies erleichtert den
Kleinere Arten und auch juvenile Tiere Leuchtet man zu dieser Zeit mit einer sätzliche Verstecke und ein bepflanztes Ter- Spinnen (und nicht nur den Cupiennius) das
der größeren Arten verstecken sich auch oft Taschenlampe die Vegetation ab, kann man rarium sieht ungleich schöner aus. Stellen der »inneren Uhr«, die u. a. ihre Akti-
in noch nicht vollständig entrollten Blättern jede Menge leuchtende waagerechte Dop- Ich verwende häufig Philodendron scandens, vitätszeiten steuert. Die Lampen dienen
oder in Ritzen in der Baumrinde (Farbtafel pelpunkte sehen. Die Augen der Cupiennius denn diese Pflanze ist leicht erhältlich und außerdem als Heizung und als Lichtquelle
Abb. 9). reflektieren das Licht, so dass man sie leicht ziemlich unempfindlich gegenüber Boden- für die Pflanzen.
Auch die leicht abstehenden Blattansätze lokalisieren kann (LAPINSKI 2001). nässe und längerer Trockenheit, die bei die- Als Beutetiere kommen alle Tiere in
von Bananenpalmen bieten gute Schlupf- Mit etwas Glück entdeckt man im Pflan- sen Spinnen aber vermieden werden sollte. geeigneter Größe in Frage. Einige Falter, wie
winkel nicht nur für Cupiennius (Zeichnung zendickicht eine an einem Sicherheitsfaden Sie lässt sich auch sehr leicht vegetativ ver- z. B. die Bärenspinner (Arctiidae, pers. Be-
1) (BARTH & S EYFARTH 1979, L APINSKI hängende, sich häutende Cupiennius (Farbta- mehren, indem man ein kurzes Stück ab- obachtung) oder Pfeilgiftfrösche ( z. B. Den-
2000). fel Abb. 6). Diese sollte nicht sofort gefan- schneidet (ideal ist ein Stück mit Wurze- drobates pumilio) (SZELISTOWSKI 1985) werden
Nach Einbruch der Dunkelheit verlassen die gen werden, denn sie muss bis zur Aushär- lansätzen) und ins Wasser stellt. verschmäht, da sie selbst giftig oder unge-
Jagdspinnen ihre Verstecke, um auf Beute- tung hängen bleiben, sonst kommt es zu Die Temperaturen sollten nachts zwi- nießbar sind.
fang oder Brautschau zu gehen. Dabei sind Verformungen des Exoskeletts. schen 17 und 24°C sowie tagsüber zwischen Das Gewicht des Beutetieres kann
die Männchen viel lauffreudiger als die 23 und 31°C liegen. Dabei beziehen sich die durchaus das der Spinne übersteigen. Im
Weibchen. unteren Grenzen auf Tiere, die aus höheren Durchschnitt werden im Terrarium gehalte-
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8. DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003 DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003
ne C. coccineus etwas mehr als 2 g schwer und C. coccineus-Männchen beginnen die Balz, Nach dem ersten Körperkontakt kommt NESTBAU UND EIABLAGE
erbeuten Windenschwärmer (Agrius cingula- indem sie mit den Tastern rhythmisch auf es sogar zu »Streicheleinheiten«: das Männ-
tus, Sphingidae) von durchschnittlich 1,9 g. die Unterlage trommeln und mit dem Opist- chen streicht mit den Vorderbeinen sanft Nach einer erfolgreichen Paarung beginnt
Sogar die wesentlich größeren Neococytius hosoma oder auch mit dem ganzen Körper über die Beine des Weibchens. Oft kommt das Weibchen, nachdem es zwischenzeitlich
cluentius (Sphingidae) wurden auch schon (oft abwechselnd) zucken. es bei dieser Art, trotz aller Vorsicht und gut gefüttert wurde, in einer Terrarienecke
erbeutet (WASSERTHAL 2001 und pers. Mit- Die Weibchen verhalten sich völlig pas- Zärtlichkeit des Männchens, vor, dass die oder in seinem Versteck ein Nest zu bauen.
teilung). siv. Daraufhin nähert sich das balzende Umworbene den Bewerber im letzten Au- Hin und wieder kommt es allerdings auch
Hungrige mittelgroße Cupiennius erbeu- Männchen, wobei es seine ersten beiden genblick doch noch angreift. vor das kein Nest gebaut wird.
ten sogar Drosophila, was freilich nicht mehr Beinpaare antennenartig nach vorn und Kommt es zur Paarung, so läuft diese, Bei C. coccineus und bei C. getazi geschieht
als ein »Happen für den hohlen Zahn« ist, leicht zur Seite hält und dabei leicht auf den wie bei allen Cupiennius, ebenfalls nach Lyco- das oft schon 9 bis 10 Tage nach der Kopu-
aber scheinbar besser als gar nichts. Untergrund schlägt. Zwischendurch macht sidenart ab. Dabei inseriert das Männchen la, manchmal sogar noch eher.
Auch unbehaarte Raupen, z. B. von A. es mehrere 3- bis 5-minütige Pausen. wieder erst mit dem einen Taster, dann mit Das Nest ähnelt einem Wohngespinnst
cingulatus (Sphingidae) werden manchmal Ist es in die Nähe des Weibchens ange- dem anderen. Eine Insertion kann bei dieser einer Avicularia (Theraphosidae), nur ist es
erbeutet ( WASSERTHAL, pers. Mitteilung und langt, so kann es plötzlich und blitzschnell Spezies über 40 Minuten dauern. Auch hier meist nicht röhrenförmig, sondern ent-
eigene Beobachtung). auf das immer noch passive Weibchen stür- bleiben die Partner längere Zeit in der Paa- spricht eher einem Kugelausschnitt, je nach-
zen. Es klettert auf das Weibchen nach rungsstellung. Wenn es einem zu lange dau- dem, wo es angebracht wurde. Ein Bromeli-
SPERMANETZBAU UND PAARUNG Lycosidenart (FOELIX 1992) und begattet es ert, so kann man die Spinnen in diesem Sta- entrichter wird nach aviculariaart bearbeitet.
abwechselnd mit den Bulben beider Taster dium mit einem Wasserzerstäuber leicht Die Nester sind bis zum Schlupf der Klei-
Einige Tage nach der Reifehäutung weben (Farbtafel Abb. 3). Dabei kann eine Inserti- trennen. nen verschlossen.
die Männchen ihr erstes Spermanetz. Nach on schon mal über eine Stunde dauern. An- Um die Chancen für eine erfolgreiche Das Weibchen frisst in dieser Zeit nicht
M ELCHERS (1963) stellt C. salei ihr erstes schließend wird der Bulbus des anderen Paarung zu erhöhen, sollte man die zu ver- mehr. Nach weiteren 2 bis 3 Tagen wird der
Spermanetz 8 - 10 Tage nach der Reifehäu- Tasters eingeführt. Nach der Kopulation paarenden Spinnen vorher gut anfüttern und Kokon hergestellt.
tung her und später 1 - 2 Tage nach jeder verharren beide Partner in der Kopulations- dem Weibchen die Möglichkeit geben, einige M ELCHERS (1963) gibt eine detaillierte
Kopulation. stellung oft mehrere Stunden. Nächte im Terrarium umherzuwandern, da- Beschreibung des Kokonbaus bei C. salei,
Das Spermanetz wird in der Vegetation Ich konnte bei C. coccineus sogar eine Art mit es einige Fäden, die die Cupiennius-Arten welche hier zusammengefasst wiedergege-
oder in einer Terrarienecke befestigt. Seine von Vergewaltigung beobachten: Nachdem immer hinter sich herziehen, verlegen kann. ben werden soll.
Form und Größe variiert je nach Spezies das Männchen das Weibchen bestiegen hat- Erst dann setzt man das Männchen vorsich- Im Nest wird eine ca. 12 x 12 cm große,
und individueller Körpergröße. te, konnte es seinen Embolus nicht einfüh- tig und möglichst weit weg vom Weibchen dichte Unterlage immer auf einer vertikalen
Das Sperma wird oben auf das Netz ren, denn die Auserwählte drückte sich flach ins Terrarium desselben. Fläche gesponnen, auf welcher der Kokon
getupft, danach positioniert sich das Männ- an das Blatt. Die Abb. 3 der Farbtafel zeigt Hält man die Tiere in relativ einfachen dann aufgebaut wird. (Eines meiner Cupien-
chen so, dass sein Sternum sich über dem diese Situation. Behältern und will die Kopula aber auf einer nius sp. aus Costa Rica baute seinen Kokon
Spermatropfen befindet. Anschließend Das schien dem liebestollen Mann gar schönen großen Pflanze filmen oder foto- ohne ein Nest, kopfüberhängend unter dem
greift es mit seinen Tastern unter das Netz nicht zu gefallen und er biss das Weibchen grafieren, so kann man etwas von dem Ge- Terrariendeckel.)
und füllt sie abwechselnd mit Sperma (indi- mehrere Male für mich hörbar auf den webe des Weibchens aus seinem Becken In der Mitte dieser Unterlage spinnt das
rekte Spermaaufnahme) (MELCHERS 1963). Carapax. Das Weibchen wurde nicht ver- nehmen und auf der Pflanze nach Wunsch Weibchen eine ca. 2 mm dicke Basalplatte
Jetzt kann das Männchen auf Weibchen- letzt, aber es hob seinen Körper und die verlegen. Anschließend sollte man das Weib- von etwa 2,3 bis 3,4 cm Durchmesser. Jetzt
suche gehen, dabei zeigen ihm die Phero- Begattung fand statt. chen irgendwo auf die Pflanze setzen. Da- wird der Kokonrand gesponnen und es ent-
mone, die sich auf den Fäden der Weibchen Bei C. getazi antworten paarungswillige nach lässt man das Männchen möglichst steht ein halbkugelförmiges Gebilde mit ei-
befinden, den richtigen Weg. Diese Boten- Weibchen auf männliche Balzsignale mit nahe des verlegten Gespinstes auf die Pflan- ner Öffnung oberhalb des Zentrums, durch
stoffe lösen bei einem Männchen ein artspe- heftigem kurzem Körperzucken, so dass ze krabbeln und mit etwas Glück wird es welche die werdende Mutterspinne ihre
zifisches Balzverhalten aus, d. h. je nach Art sich ein Balzspiel entwickelt. Manche Weib- dann mit der Balz beginnen. Auf diese Wei- 1500 bis 2500 Eier innerhalb von etwa 9
läuft dieses Verhalten etwas unterschiedlich chen gehen sogar auf die Männchen zu. se entstand z. B. die Abb. 3 der Farbtafel. Minuten presst. Anschließend wird die Öff-
ab. nung zugesponnen und danach werden die
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9. DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003 DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003
Fäden in kleinen Schlingen angebracht, so Dies sollte man unbedingt beachten sich alle »zum Fressen gern« (BARTH 2001). Drosophilagläschen) oder zu mehreren in
dass sich eine polsternde und auch isolieren- wenn man die Kokons künstlich zeitigen Die Zerstreuung der Cupiennius-Nym- größeren Behältern (z. B. 1 L Klarsichtdo-
de Gespinstschicht ergibt. will. Man muss den Entwicklungszustand im phen bezeichnet man als »drop and swing sen) unterbringen. Ich habe immer die letz-
Der zum Teil fertige Eierkokon wird Kokon kontrollieren und kurz vor dem dispersal behaviour« (oder kurz DASDB). tere Methode angewandt. Auf diese Weise
von seiner Unterlage mit den Chelizeren Schlupf einige Schlupflöcher hineinschnei- Dabei seilen sich die Jungspinnen von ihrer reduziert sich nach einiger Zeit die Zahl der
und Tastern gelöst und umsponnen. So den, denn die kleinen Cupiennius können Pflanze an bis zu 70 cm langen Sicherheits- Jungspinnen und es überleben letztendlich
erhält er seine Kugelform. Der fertige nicht von alleine durch die Kokonhülle fäden ab und erreichen so Nachbarpflanzen die stärkeren, welche die Schwächeren, wie
Kokon wird schließlich an die Spinnwarzen gelangen. oder -blätter. Winde erlauben zusätzlich eine dies auch unter natürlichen Umständen der
geheftet und meist nach Wolfsspinnenart Ich habe die Kokons immer bei der seitliche Bewegung (Zeichnung 2). Fall ist, nach und nach fressen.
umhergetragen. Der Bau des Kokons dauert Mutter belassen und noch nie wurde ein Die übriggebliebenen
etwa 180 Minuten. Nach einiger Zeit wird guter Kokon aufgegeben oder aufgefressen. kann man dann zu jedem
die noch weiße Außenschicht des Kokons Das Auflockern und das Aufbeißen des beliebigen Zeitpunkt ver-
bläulichgrau. Kokons wird nicht durch die Bewegungen einzeln.
Je nach Art verbleibt das Weibchen bis der Jungspinnen ausgelöst, sondern scheint Als Einrichtung für die
zum Schlupf der Spinnchen im Nest und eher von endogenen Ursachen eingeleitet zu Aufzuchtbehälter hat sich
nimmt normalerweise keine Nahrung zu werden (MELCHERS 1963). feucht gehaltenes Moos be-
sich (z. B. C. salei und C. coccineus) oder es Der aufgebissene Kokon wird schließ- währt. Es dient der Klima-
verlässt schon wenige Tage nach dem Ko- lich irgendwo im mittleren oder oberen Be- regelung und als Versteck.
konbau sein Nest und geht mit dem an seine reich des Terrariums, in der Natur zwischen Gefüttert werden die
Spinnwarzen geheftetem Eierkokon, ähnlich Pflanzen, meist außerhalb des Nest an eini- Nymphen mit frisch ge-
wie viele Lycosiden, auf Jagd (z. B. C. getazi gen Fäden vom Muttertier aufgehangen. schlüpften Grillen, kleinen
und einige kleinere Spezies). Kurz darauf schlüpfen die Nymphen aus Drosophila und, im Falle
Die Anzahl der pro Kopulation entstan- dem Kokon und bilden eine Traube um die- einer Gemeinschaftshal-
denen Kokons schwankt. Durchschnittlich sen. Dort häuten sie sich einmal. Die Traube tung, mit ihren Geschwi-
sind es 3 Kokons. weitet sich in den nächsten paar Tagen infol- stern.
Dabei ist die Menge der zwischendurch ge der Bewegungen der Nymphen, weil die- Flugfähige Fruchtflie-
Zeichnung 2: »Drop and swing dispersal behaviour«. (Verändert nach BARTH 2001).
aufgenommenen Nahrung entscheidend für se stets einen Sicherheitsfaden hinter sich gen muss man vor dem
die Zeitabstände in denen die Kokons her- herziehen. Verfüttern entweder durch
gestellt werden (MELCHERS 1963). Die Entwicklungsgeschwindigkeit der Auf diese Weise lassen sich nur nahe ge- Betäubung mit Essigäther oder durch Un-
MELCHERS berichtet sogar von 5 Eiko- Eier ist von der Temperatur abhängig. C. coc- legene Habitate besiedeln, denn »balloo- terkühlung (Gefrierfach) immobilisieren,
kons bei einigen C. salei Weibchen. cineus schlüpfen 20 bis 23 Tage nach der ning«, d. h. das Fliegen am eigenen Faden wenn man ihr Entweichen vermeiden will.
Eiablage bei Durchschnittstemperaturen mit Hilfe von Wind, findet bei Cupiennius Leider hält die Wirkung nur kurze Zeit
S CHLUPF, B RUTPFLEGE UND AUFZUCHT von 24°C in der Nacht und 28°C am Tag, C. nicht statt. an und eine Fütterung von einigen Hundert
DER JUNGSPINNEN getazi brauchen bei ähnlichen Bedingungen BARTH erklärt mit dem DASDB die sehr Spinnen in Drosophilagläschen kann sehr
17 bis 22 Tage. lokale Verbreitung von Cupiennius-Populatio- schnell lästig werden, wenn man alle paar
Mit der Zeit wird der Kokon von der Mut- Die untere Grenze lag bei 22°C und die nen in ihren Heimatländern. Damit gehört Minuten die Fruchtfliegen erneut ruhig stel-
terspinne immer wieder gelockert und bis obere bei 31°C. diese Gattung, zumindest die drei großen len muss.
kurz vor dem Schlüpfen, an die Spinnwarz- C. salei benötigen bis zum Schlupf 25 bis Arten C. salei, C. getazi und C. coccineus, zu Man kann hier entweder auf diese Flie-
en geheftet, umhergetragen. Unmittelbar 28 Tage bei konstanten 25°C und 45 Tage den Tierarten mit stabilen und spezialisier- gen ganz verzichten oder auf flugunfähige
vor dem Schlupf der Spinnen aus dem Ko- bei konstanten 20°C (MELCHERS 1963). ten Habitaten (BARTH 2001). Mutanten ausweichen.
kon beginnt sie Löcher in die Kokonhülle zu Etwa 9 Tage nach dem Schlupf ist der Dot- Je nachdem, wie viele Spinnen man Falls man nur flugfähige Fliegen hat,
beißen, damit die Kleinen Spinnen raus kön- tervorrat aufgebraucht und die Kleinen be- großziehen möchte, kann man sie entweder kann man bei der Fütterung, ohne die Flie-
nen. ginnen sich zu zerstreuen. Ab jetzt haben sie einzeln in kleinen Kunststoffbehältern (z. B.
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10. DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003 DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003
gen zu immobilisieren, folgendermaßen ver- Fliegen in ihrem Gläschen einen Besuch Die unterernährten Spinnen erreichen JAGDVERHALTEN
fahren (siehe dazu auch Zeichnung 3): abzustatten. somit eine geringere Körpergrösse, was ich
5. Beide Gläschen werden zuletzt wieder auch bei C. getazi, C. coccineus und zwei Ancy- Cupiennius Arten kann man im weitesten
1. Man kippt das Spinnenaufzuchtgläschen verschlossen. lometes-Arten beobachten konnte. Sinn als Lauerjäger bezeichnen.
»auf den Kopf«. Die durchschnittliche Lebensdauer von Im Normalfall kommen diese Spinnen
2. Von unten her setzt man das Gläschen Es ist selbstverständlich, dass die Größe der C. salei beträgt laut M ELCHERS (1963) für erst nach Einbruch der Dunkelheit aus ihren
mit den Drosophila so an, dass die Rän- Aufzuchtbehälter mit den wachsenden Jung- Männchen 480 und für Weibchen über 600 Schlupfwinkeln heraus und warten in ihrer
der beider Gläschen sich berühren. spinnen zunehmen sollte. Tage, die Entwicklung der Eier inklusive. Nähe auf vorbeikommendes Futter.
(Zeichnung 3a) Dabei sind sie stets mittels eines Sicher-
3. Jetzt verschiebt man die Gläschen so HÄUTUNG UND LEBENSDAUER Ein alterndes Weibchen erkennt man oft heitsfadens an der Unterlage gesichert.
gegeneinander, dass zwischen den daran, dass es sein Abdomen seitlich oder Erst wenn ein Beuteobjekt in unmittel-
Schaumstoffstopfen und dem jeweiligen MELCHERS gibt für beide Geschlechter von über seinen Carapax hängen lässt. Zwar barer Nähe ist, unternimmt Cupiennius einen
Gläschenrand eine kleine Lücke entsteht. C. salei 11 Nymphenstadien (= komplette bringt so ein Weibchen seinen Hinterleib in Fangversuch der in weniger als 0,2 Sekun-
Vorsicht an den Seiten. (Zeichnung 3b)! Stadien) an, dazu gehört auch das nach der Normalposition, wenn es gestört wird, doch den ablaufen kann (MELCHERS 1963).
4. Nun lässt man die gewünschte Anzahl 11. Häutung außerhalb des Kokons erreich- nach kurzer Zeit hängt es schon wieder. Dazu reicht es aus, wenn die Tarsen des
von Fruchtfliegen ins Gläschen mit te Imaginalstadium. Auch die Fresslust nimmt deutlich ab, bis sie ersten Beinpaares nur leicht das Beutetier
der/den Cupiennius-Nymphen krabbeln. Nur bei schlechter Ernährung werden schließlich völlig erlischt. berühren, denn die tarsalen Scopulahaare
Ab und zu kann es passieren, dass sich sie schon nach der 9. oder 10. Häutung Altersschwache Cupiennius hängen dann erlauben ein sicheres Festhalten der Beute.
eine der Spinnen dazu entschließt den geschlechtsreif (MELCHERS 1963). nur noch mit ihren Tarsalklauen an der Un- (Im Übrigen ermöglichen die auf allen Tar-
terlage verankert apathisch herab. In dieser sen sitzenden Scopulahaare auch ein Laufen
Stellung sterben sie auch häufig. an glatten Scheiben, wie der Leser es von
den Vogelspinnen (Theraphosidae) kennt.)
Eine Häutung findet kopfüber hängend statt Anschliessend wird das Beutetier den
(Farbtafel Abb. 6). Dazu spinnt eine Cupien- Chelizeren zugeführt, durch einen Giftbiss
nius kurz vor der Häutung einen kleinen gelähmt oder getötet und danach mit Spinn-
Teppich an der Unterseite eines Zweiges fäden überzogen (MELCHERS 1963).
oder des Terrariendeckels, krallt sich dort Das Überspinnen der Beute dient wohl
fest und sichert sich noch mit Hilfe eines primär dazu, möglichst wenig von dieser zu
Sicherheitsfadens. Dann platzt das Exoske- verlieren, denn die Extremitäten von Ar-
lett durch den erhöhten Hämolymphdruck thropoden brechen leicht ab und fallen, falls
entlang des Carapaxrandes auf und die nicht irgendwie gesichert, von dem norma-
Spinne häutet sich. lerweise erhöhten Sitzplatz von Cupiennius
Sie hängt dann, nach erfolgter Häutung, herunter. Auf diese Weise maximieren die
nur an dem Sicherheitsfaden und streckt Spinnen ihre Ausbeute.
ihre Beine mit einer Art Gymnastik bis das MELCHERS (1967) konnte durch Versu-
Exoskelett hart genug ist. che zeigen, dass die Augen beim Beutefang
Es ist bei der Haltung von juvenilen offensichtlich keine Rolle spielen und dass
Spinnen wichtig, dass sie genug Platz haben angesprungene Beute sogar mit allen vier
um sich zum Häuten aufzuhängen und da- Beinpaaren festgehalten wird. Davon, dass
nach zu »stretchen«, denn sonst kann es Cupiennius nicht immer nur lauern, sondern
a) b) leicht zu Verformungen der Extremitäten sich auch über längere Strecken auf die Beu-
kommen. te zubewegen, konnte ich mich selbst über-
Zeichnung 3: Arbeitsschritte zum Verfüttern von Flugfähigen Drosophila zeugen: Die Spinnen klettern oft einen dün-
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11. DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003 DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003
Farbtafel
nen Stiel, auf dem eine Kunstblüte befestigt zum Opfer gefallen sein (WASSERTHAL, pers.
ist, herauf. Mit diesen mit Honigwasser ge- Mitteilung).
füllten Kunstblüten wurden Schwärmer
(Sphingidae) angelockt, um deren Abwehr- Es zeigt sich also, dass Cupiennius über ein
verhalten zu studieren. relativ breites Repertoire an Jagdstrategien
Die Schwärmer haben unterschiedliche verfügt und dieses auch in entsprechenden
Strategien entwickelt um Spinnenattacken zu Situationen adäquat ausschöpft.
entgehen. Einige verweilen nur sehr kurz an Die Beobachtung dieser unterschiedli-
einer Blüte (Blütenspringen), andere haben chen Beutefangstrategien können durchaus
besonders lange Saugrüssel, mit dem unter sehr reizvoll für den Terrarianer sein, ein
anderem der Abstand zur Blüte (und zur genügend großes Terrarium vorausgesetzt.
Spinne) deutlich vergrößert wird. Andere
Sphingidenarten (z. B. Agrius cingulatus, Neo-
Abb. 1: Ancylometes cf. bogotensis
cocytius cluentius, beide neotropisch) haben in VORSTELLUNG EINIGER CUPIENNIUS -A R - Foto: Ingo Wendt
Kombination mit einem langen Rüssel ein TEN
Verhalten, das Pendelschwirrflug genannt
wird, entwickelt. Dabei schwirren die Die hier vorgestellten Spezies lassen sich alle
Schwärmer mit der in die Blüte eingetauch- schon anhand von Fotos leicht voneinander
ten Rüsselspitze um die Blüte. Die mögli- unterscheiden.
cherweise dort lauernde Spinne hat grosse
Schwierigkeiten, den hin- und herpendeln- Abb. 4: Phoneutria spec. in Abwehrhaltung
Foto: André Leetz
den Falter »auf's Korn« zu nehmen. Diese CUPIENNIUS SALEI (KEYSERLING, 1877)
Farbtafel Abb. 7 und 8
Vorkommen: Südliches Mexiko, Guatemala,
Honduras, Hipaniola (BARTH 2001).
Abb. 2: Cupiennius getazi, gelbgraue Farbvariante, Weib-
Weibchen chen mit Kokon in einer Bromelie, Tieflandregenwald bei Pu-
Körperlänge: bis 45 mm, meist um die 30 - erto Viejo/ Sarapiquí, Costa Rica. Foto: Witold Lapinski
35 mm
Färbung und Zeichnung: Grundfarbe ist
grau bis graubraun, Femora deutlich hell-
dunkel geringelt, die Basalglieder der Cheli-
zeren graubraun mit schwarzen Längsstrei-
fen.
Der Carapax hat ein dunkelgraues breites
Cupiennius salei, Nymphe beim Fressen eines Heimchens
Foto: Ingo Wendt Längsband, welches durch eine mehrfach
unterbrochene schwarze Linie auf beiden
Falter haben die grössten Überlebenschan- Seiten begrenzt wird.
cen. Hier werden besonders schon alternde Auf dem Opisthosoma findet sich eine indi-
Falter erbeutet. (WASSERTHAL 2001). viduell variierende schwarze Zeichnung und
Auch Kaulquappen, die sich in Bromelien- ein heller Herzfleck. Manche Spinnen haben
Abb. 3: Cupiennius coccineus, Pärchen kurz vor der Kopula- Abb. 5: Cupiennius getazi, Männchen.
trichtern befinden, sollen schon Cupiennius auf der hinteren Abdomenhälfte links und tion. Foto: Witold Lapinski Foto: Witold Lapinski
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13. DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003 DeArGe Mitteilungen 8(6), 2003
Farbtafel
rechts jeweils 2 weisse Flecken. Diese kön-
nen bei einigen Exemplaren durch ebenso
gefärbte v-förmige Querbinden verbunden
sein. Zusätzlich können die langen Haare
dort einen rötlichen Schimmer haben.
Das Sternum und die Coxen sind rot bis
schwarzrot, je nach Tier. Die Opisthosom-
aunterseite zeigt ein breites, sich zu den
Spinnwarzen hin verjüngendes schwarzes
Medialband. Die Ventralseite des Opistho-
soma ist rötlichbraun.
Männchen
Abb. 18: Cupiennius sp. aus Ecuador, Weibchen. Abb. 19: Cupiennius sp. aus Ecuador, Weibchen, Frontalan-
Foto: Witold Lapinski sicht. Foto: Witold Lapinski Körperlänge: bis 26 mm
Färbung und Zeichnung: Zeichnung ähnlich
wie beim Weibchen, nur viel undeutlicher.
Die Rottöne und die weißen Abdominal-
flecken fehlen. Stattdessen sind die Coxen
und das Sternum schwarz. Cupiennius getazi, Weibchen
Foto: Ingo Wendt
Eine sehr gute Abhandlung über diese Art der Zeichnung variiert individuell. Dabei ist
findet sich bei MELCHERS 1963. die Zeichnung bei gelbgrauen Spinnen
schwarz und bei orangeroten Tieren dunkel
orangerot.
CUPIENNIUS GETAZI SIMON, 1891 Weibchen beider Farbvarianten haben
Farbtafel Abb. 2, 5, 9, 10, 11 und 12 das schwarze Sternum und Labium, die
schwarzen Coxen sowie Gnathocoxen ge-
Abb. 20: Cupiennius sp., Weibchen kurz vor der Eiablage, Abb. 21: Cupiennius sp., juvenile Spinne neben ihrem Ver- Vorkommen: Costa Rica, Panama (P LAT - meinsam. Alle Femora sind ventral immer
prämontaner Regenwald, Costa Rica. Foto: Witold Lapinski steck, prämontaner Regenwald, Costa Rica. Foto: Lapinski
NICK2001) hellgrau mit vielen kleinen schwarzen
Pünktchen.
Weibchen Die Ventralseite des Opisthosomas kann
Körperlänge: durchschnittlich 27 mm schlicht hellgrau sein, manche Spinnen ha-
Färbung und Zeichnung: Die Weibchen die- ben dort einen breiten schwarzen Längs-
ser Art kommen in zwei Farbvarianten vor, streifen oder die Unterseite kann dunkelgrau
nämlich die gelbgraue und die orangerote sein mit einem hellgrauen breiten Medial-
Farbvariante. Dieses Phänomen tritt auch band, das sich schon auf halber Länge deut-
bei Schwestern aus demselben Kokon auf, lich verjüngt.
es handelt sich also bei beiden Farbvarianten
um ein und dieselbe Spezies. Männchen
Die Chelizerengrundglieder haben schwarze Körperlänge: durchschnittlich 21 mm
Längsstreifen. Das Zeichnungsmuster ist bei Färbung und Zeichnung: Das Zeichnungs-
beiden Farbvarianten ähnlich und sowohl muster ähnelt dem der Weibchen ist jedoch
Abb. 22: Cupiennius foliatus, Weibchen, prämontaner Re- Abb. 23: Cupiennius foliatus, Männchen, prämontaner Re-
genwald, Costa Rica. Foto: Witold Lapinski genwald, Costa Rica. Foto: Witold Lapinski die Farbintensität als auch die Deutlichkeit orangebraun auf orangenem Untergrund.
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