2. Das Gespenst der Regulation ?
Grössere und stärker vernetzte Finanz-
institute wegen Skalenerträge aus neuen
Technologien und Globalisierung
Volatilere Märkte durch schnellere und
billigere Marktzugangsmöglichkeiten
Höheres Systemrisiko durch bewusste
und unbewusste Fehlentscheidungen
wegen schnell wachsender Komplexität
Finanzmärkte können strukturell instabil sein: Was für jeden einzelnen gut ist,
muss nicht gut für das System sein. Daher braucht es für alle Regulation.
2 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
3. Bedeutung der Finanzmärkte
Eine Wirtschaft ohne Finanzmärkte wäre eine Tauschwirtschaft ohne Investitionen
Finanzmärkte und Finanzinstitute ermöglichen …
1. … Zahlungsverkehr
2. … Verteilung von Produktion und Konsum über die Zeit durch Sparen und Kredit
3. … Verteilung von Kredit-, Markt- und Liquiditätsrisiken auf geeignete Marktteilnehmer
Der Finanzplatz trägt in der Schweiz mit 13% doppelt so viel zum BIP bei wie z.B. in Deutschland
Dabei kommt ein grosser Teil aus ausländischen Finanzmärkten
Die Staatshilfe war aber in der Schweiz kleiner als in allen anderen grösseren westlichen Ländern
Quelle: EFD, «Die Finanzmarktpolitik der Schweiz» vom 24.8.2010
Die Stabilität und die Wettbewerbsfähigkeit der in- und ausländischen
Finanzmärkte sind für die Schweiz von überragender Bedeutung
3 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
4. Ziele und Kernfragen der Regulation
An diesen Zielen muss sich jede Regulation messen lassen
Aus der Bedeutung und der Anfälligkeit leiten sich zwei grundsätzliche Ziele ab:
1. Finanzmarktstabilität
2. Kundenschutz
Beide Ziele beinhalten den Schutz der Gläubiger und dabei insbesondere der Spareinlagen
In diesen Zielen besteht ein starker Konflikt
Die Stabilität erfordert eine tendenziell starke Regulation. Die Wettbewerbsfähigkeit erfordert
eine an den internationalen Standards angeglichene Regulation.
Kernfragen
Wie muss eine Regulation ausgestaltet sein, dass ihre Kosten nicht grösser als ihr Nutzen sind
und auf wen sollen ihre Kosten verteilt werden?
4 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
5. Aufsichtsbehörden und ihre Ziele
EFD Das EFD gestaltet die Finanzpolitik als Ergebnis der vom Volk, dem
Parlament und dem Bundesrat beschlossenen Prioritäten
Stabilität und Standortattraktivität des Finanzplatzes sind gewährleistet. Die Schweiz ist
global gut vernetzt, und ihre Position im internationalen Kontext und in den
multilateralen Institutionen ist gefestigt.
Quelle: Ziele der Legislaturplanung 2011-15
Das EFD ist keine direkte Aufsichtsbehörde, arbeitet aber an der Gestaltung der
Finanzmarktgesetze (Pfandbriefgesetz, Bankengesetz, Börsengesetz …) mit
SNB Die Nationalbank trägt zur Stabilität des Finanzsystems bei
Im Rahmen dieses Auftrags analysiert sie die Gefahrenquellen für das Finanzsystem,
überwacht die systemrelevanten Zahlungsabwicklungssysteme und wirkt bei der
Gestaltung der Rahmenbedingungen für den Finanzplatz mit.
Quelle: Art. 5, 19 Nationalbankgesetz und www.snb.ch
Die SNB übt neben der Sicherung der Preisstabilität und anderen Aufgaben
auch die «makroprudentielle» Aufsicht über das Finanzsystem als Ganzes aus
5 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
6. Aufsichtsbehörden und ihre Ziele
FINMA Die FINMA übt die Aufsicht nach den Finanzmarktgesetzen aus
Die Finanzmarktaufsicht bezweckt nach Massgabe der Finanzmarktgesetze den Schutz
der Gläubiger und Anleger sowie den Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte. Sie
trägt damit zur Stärkung des Ansehens und der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes
Schweiz bei.
Quelle: Art. 5 Finanzmarktaufsichtsgesetz
Die FINMA übt die «mikroprudentielle» Aufsicht über die Finanzinstitute aus
Das Finanzmarktgesetz nennt sowohl Kunden- und Finanzmarktschutz als auch
die Stärkung des Wettbewerbs als Ziele, löst aber den Zielkonflikt nicht.
Auf ihrer Website konkretisiert die FINMA:
Die Schutzziele, die sowohl den Individual- als auch den Funktionsschutz bzw. den
System- und Reputationsschutz beinhalten, stehen im Vordergrund des Mandats der
FINMA. Der Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes ist nicht Ziel, sondern
erhoffte und erwünschte Wirkung der Aufsichtstätigkeit.
6 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
7. Nationalbank und Finanzmarktaufsicht
Die Aufgabenteilung ist weltweit unterschiedlich geregelt
USA Finanzmarktaufsicht im Wesentlichen bei Notenbank Fed
Konsumentenschutz und Börsenaufsicht bei spezialisierten Behörden
EU EZB spielt geringe Rolle. Eine «mikroprudentielle» Behörde (ESA) und eine
«makroprudentielle» (ERSB)
Aktuell Diskussionen, die Kompetenzen deutlich hin zur EZB zu verschieben
Schweiz SNB reguliert das Finanzsystem und FINMA die Finanzinstitute
In der Praxis ist die Aufgabenteilung oft unklar oder überlappend
Beispiel: Wer legt den mit Basel III eingeführten antizyklischen Kapitalpuffer fest?
Gefundene Lösung: «Die SNB kann dem Bundesrat beantragen, die Banken zu
verpflichten, einen antizyklischen Puffer zu halten. Sie hört die FINMA vorgängig
zum Antrag an und informiert gleichzeitig das EFD.»
7 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
8. Neue und verstärkte regulatorische Vorschriften
Steuerabkommen Eigenkapital
8 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
9. Eigenkapital
Je riskanter ein Geschäft, desto mehr (teures) Eigenkapital als «Risikopuffer» nötig
Investitionsbetrag risikogewichtet
(Modelle)
Staatsanleihe
Wohnbau-
hypothek
x% davon müssen mit Eigenkapital
unbesicherter finanziert sein, d.h. nicht mit geliehenen
Kredit an KMU
Mitteln (z.B. Spargeldern)
Für «x%» gibt die FINMA der Zürcher Kantonalbank 13.6% vor. Basel gibt international 8% vor.
Eigenkapital ist teurer, weil die Rendite wegen des höheren Risikos über der des Fremdkapitals liegen muss
9 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
10. Liquiditätsvorschriften
Liquidity Coverage Ratio (ab 2015):
Bestand liquider Aktiven Liquiditätspuffer für
> 100%
Nettoabflüsse innerhalb 30 Tage extremen Stressfall
Net Stable Funding Ratio (ab 2018):
stabile Passiven
>100% goldene Bilanzregel
illiquide Aktiven
Annahmen in den Basler Stressszenarien:
Passivseite: Spargelder sind ziemlich stabil und Firmenkonti unstabil
Aktivseite: Alles über einem Jahr Restlaufzeit (ausser Top-Finanzanlagen) ist illiquid
10 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
11. Vertriebsprozesse
Markets in Financial Instruments Directive (MIFID) und FINMA-Positionspapier
Ziel: Kundenschutz in der Anlageberatung
Seit 2007 MIFID I mit Fokus auf Kundeneignungsprüfung (Suitability)
Ab 2016 MIFID II u.a. mit folgenden Ergänzungen
Erweiterter Anwendungsbereich auf mehr Produktarten
Starker Fokus auf Vermeidung von Interessenskonflikten
Verschärfung von Wohlverhaltensregeln u.a. bei Kundeninformation, Transaktionsausführung
Für alle in der EU angebotenen Finanzdienstleistungen ist eine Niederlassungen in der EU
erforderlich und die MIFID-Regeln sind einzuhalten
Die FINMA hat im 2012 ein Positionspapier mit vergleichbaren Regeln vorgestellt, die in ein
neues Finanzdienstleistungsgesetz münden sollen
11 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
12. Auswirkungen und Handlungsmöglichkeiten
Regulation verteuert Betriebskosten und Kosten finanzieller Ressourcen
Wie reagieren Banken? Was erwartet Kunden?
Vom Kreditgeber zum Kapitalmarktberater
Management von Wertschriften, die als Wie verändern sich Preise,
Sicherheiten («Collateral») dienen können Produktangebot und Zielmärkte?
Rückzug aus Märkten und Produkten, welche Welche Vor- und Nachteile ergeben
sich nicht mehr rentieren sich daraus?
Geschäftsfeldsteuerung und zentrales Pricing
…
12 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
13. Vom Kreditgeber zum Kapitalmarktberater
Die Nutzung der Bankbilanz verteuert sich
Höhere Eigenmittelanforderungen erhöhen die Finanzierungskosten von Krediten
Beispiel: Für einen Kredit an eine Gegenpartei mit Rating A verursacht
Eigenmittelunterlegung Kosten von 0.4% pro Jahr
Gerade für gute Gegenparteien mit geringen Kreditprämien ist die Refinanzierung auf dem
Kapitalmarkt z.B. bei Pensionskassen und anderen institutionellen Investoren dadurch interessant
Banken werden zunehmend als Berater für den Kapitalmarktzugang tätig sein
Vorteil: Variable Angebote für Kunden von Banken- und Kapitalmarktrefinanzierungen
Nachteil: Erfahrene Kreditprüfung durch Banken entfällt
Nicht kapitalmarktfähige Unternehmen (schlechtere Bonität) bleiben auf der Bilanz
13 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
14. Verbesserung Collateral Management
Massiv zunehmender Bedarf an erstklassigen und hoch liquiden Collateral
Viel erstklassiges Collateral mit geringer Rendite verringert den Zinsertrag
Beispiel: Die Rendite von Eidgenossen-Obligationen liegt 0.5% unter den recht tiefen Kosten
der Kapitalmarktrefinanzierung der Zürcher Kantonalbank
Banken werden ihre Finanzanlagen in erstklassigen Titeln und ihre Geldhaltung bei der SNB
erhöhen (Bilanzverlängerung). Und sie werden bereit sein, sich bei Lebensversicherern oder
Pensionskassen gegen eine Gebühr erstklassige Titel für einen festen Zeitraum auszuleihen.
Vorteil: Effiziente Nutzung von erstklassigen Wertschriften im Markt
Nachteil: Paradoxer Standortnachteil des Finanzplatzes Schweiz, da wegen der geringen
Verschuldungsquote des Bundes erstklassiges Collateral kaum vorhanden ist
Erhöhtes Systemrisiko, wenn z.B. eine Pensionskasse Wertschriften an eine Bank
ausleiht, die in Konkurs geht
14 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
15. Rückzug aus Märkten oder Produkten
Die Regulation der Vertriebsprozesse erhöht die Betriebskosten
Trotz Harmonisierung durch MIFID ist Kundenschutz oft zusätzlich national reguliert
Beispiel: Im Private Banking muss für jedes Zielland wegen der jeweiligen Vorschriften für
Kundenschutz und Steuertransparenz ein eigenes «Länder-Setup» entwickelt werden
Banken werden tendenziell einfachere und weniger flexible Produkte anbieten und sich im
Auslandsgeschäft auf deutlich weniger Zielländer fokussieren
Vorteil: Sicherheit für Kunden und Verbesserung Reputation der Banken
Nachteil: Weniger Wettbewerb durch höhere Markzutrittsschranken
15 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
16. Geschäftsfeldsteuerung und zentrales Pricing
Wachsende Bedeutung des Controllings in der proaktiven Steuerung
Kosten der Regulation sind einer der grossen Kostenblöcke für eine Bank – und sie nehmen zu
Beispiel: Zu welcher Marge soll ein zehnjähriger Firmenkundenkredit unter Berücksichtigung
der kommenden und der noch nicht absehbaren regulatorischen Anforderungen
heute angeboten werden? Was ist, wenn das regulatorische Modell deutlich mehr
Kreditrisiken sieht als das interne Modell?
Das Controlling hat zunehmend die Aufgabe, die für viele Manager abstrakten Kosten der
Regulation greifbar zu machen und so strategische Entscheide zur Geschäftsfeldsteuerung und
zum Produkteangebot vorzubereiten
Vorteil: Verbesserte Nutzung der Ressourcen
Nachteil: tendenziell Erhöhung der Kreditkosten für Kunden
16 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012
17. Fazit
Regulation ist im Interesse von allen: Steuerzahlern, Banken und Kunden
Jedes Regulationsvorhaben muss sich konkret an den Zielen der Finanzmarktstabilität und
des Kundenschutzes messen
Schlecht entwickelte und umgesetzte Regulation kann leicht schädlich sein: Unnötige
Kosten streuen Sand ins Getriebe der Realwirtschaft und Herdenverhalten wird unterstützt
Die systemische Auswirkung von konkreter Regulation und der Zusammenhang der
verschiedenen Vorhaben ist entscheidend – die Praxis ist leider anders
Die konstruktive, offene und von Vorurteilen freie Zusammenarbeit zwischen
Behörden und Banken ist entscheidend für den Erfolg unseres Finanzplatzes
17 Regulation von Banken/Rudolf Sigg | 11. September 2012