Ohde, Brendler-Lodigkeit: Steuerliche Aspekte im Hospitality- Bereich, Teil 2
Hofert: Gestaltungsmöglichkeiten im Vergaberecht. Hinweise für die Praxis des Kulturmanagements
1. I Kulturfinanzierung - Öffentliches Haushalts- und Zuwendungsrecht
I2 Zuwendungsrecht
Gestaltungsmöglichkeiten im
Vergaberecht
Hinweise für die Praxis des Kulturmanagements
Dr. Sebastian Hofert, LL.M./RSA
Rechtsanwalt in Hamburg, Dozent am Institut für Kultur und Medienmanagement
an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Inhalt Seite
1. Bedeutung des Vergaberechts für die Praxis des
Kulturmanagements 2
1.1 Komplexität des rechtlichen Rahmens 2
1.2 Vereinfachungsbemühungen 4
1.3 Planung und Aufwand 8
2. „Vermeidung“ des Vergaberechts 8
2.1 Einschlägigkeit der allgemeinen Voraussetzungen 9
2.2 Ausnahmen 10
3. Intelligenter Einsatz des vergaberechtlichen
Instrumentariums 15
3.1 Allgemeine Gestaltungsmöglichkeiten 15
3.2 Verfahrensarten 17
3.3 Eignungsprofil Verfahrensarten 25
Begriff des Öffentlichen Auftraggebers § 98 GWB 11
Prüfungsschema für die öffentliche Auftraggebereigenschaft 13
I
Verfahrensarten aus Sicht eines Kulturbetriebes 18 2.4
S. 1
Zulässigkeit der Freihändigen Vergabe 19
Phasen des Wettbewerblichen Dialogs 22
Zulässigkeit des Nichtoffenen Verfahren (§ 3 Nr. 3 VOL/A) 23
Eignungsprofil Verfahrensarten 26
39 Kultur & Recht November 2007
2. I Kulturfinanzierung - Öffentliches Haushalts- und Zuwendungsrecht
I2 Zuwendungsrecht
1. Bedeutung des Vergaberechts für die
Praxis des Kulturmanagements
1.1 Komplexität des rechtlichen Rahmens
Der rechtliche Rahmen des Vergaberechts ist aus Sicht des Kulturmanagers meist
geprägt von einem unübersichtlichen, scheinbar endlosen Normengeflecht, des-
sen Ineinandergreifen und tiefere Sinnhaftigkeit für ihn oft nur schwer nachzu-
vollziehen ist.
Dabei bestehen bundesrechtliche, europarechtliche sowie landes- und kommunal-
rechtliche Rechtsnormen, deren Verhältnis zueinander mithilfe von Regeln zur
Normenhierarchie gelöst werden muss. Im Folgenden sollen daher zunächst die
wesentlichen Rechtsnormen auf den verschiedenen Ebenen benannt und zueinan-
der in Beziehung gesetzt werden.
Bundesrecht
Zu nennen ist hier zunächst der vierte Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe-
schränkungen (GWB), der die allgemeinen Grundsätze der öffentlichen Auftrags-
vergabe und das Verfahren zur Nachprüfung der Vergabeverfahren enthält.
Für die einzelnen Leistungen gelten verschiedene Verdingungsordnungen und
allgemeine Vertragsbedingungen, namentlich die Allgemeinen Vertragsbedingun-
gen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B), die Verdingungsordnung für
Leistungen (VOL), die Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF)
und die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB).
Tipp: Für den Kulturmanager wird in aller Regel die Verdingungsordnung für
Leistungen (VOL) von Bedeutung sein, da die Beschaffung im Anwendungsbe-
reich dieser Verdingungsordnung den größten Anteil im Alltag eines Kulturbe-
I triebes ausmachen dürfte. Nicht unwahrscheinlich ist allerdings auch die gele-
2.4 gentliche Anwendung der VOB, namentlich wenn Bauleistungen zur Erweiterung
S. 2 oder Instandsetzung von der Kultureinrichtung zuzurechnenden Bauwerken er-
forderlich sind. Im letzteren Fall dürfte es sich allerdings in vielen Fällen um
größere Projekte handeln, bei denen die Hinzuziehung von Beratern, die auch im
Vergaberecht unterstützen können, nicht unüblich ist. Es bleibt also festzuhalten,
dass der Kulturmanager für seinen täglichen Bedarf hauptsächlich die Vergabe
nach der VOL eigenständig beherrschen sollte.
39 Kultur & Recht November 2007
3. I Kulturfinanzierung - Öffentliches Haushalts- und Zuwendungsrecht
I2 Zuwendungsrecht
Die Vergabeverordnung (VgV) sieht schließlich eine Verpflichtung der öffentli-
chen Auftraggeber ab einer bestimmten Auftragshöhe (sog. Schwellenwerte) zur
Anwendung der Verdingungsordnung vor. Zudem enthält sie – systematisch et-
was fehlplaziert – Vorschriften zum Wettbewerblichen Dialog als neue Verfah-
rensart.
Europäisches Recht
Auf der Ebene des europäischen Rechts wird das Vergaberecht von der Richtlinie
2004/18/EG vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Ver-
gabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge1, sog.
„klassische Richtlinie“ sowie der Richtlinie 2004/17/EG vom 31. März 2004 zur
Koordinierung der Zuschlagsteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-,
Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste2, sog. „Sektorenrichtli-
nie“ bestimmt.
Während die Sektorenrichtlinie für den Kulturmanager keine Rolle spielt, bedeu-
tet die klassische Richtlinie im Zweifel zusätzliche Arbeit für ihn.
Nach Art. 80 der beiden Richtlinien hätte ihr Inhalt bis zum 31. Januar 2006 von
der Bundesrepublik Deutschland in nationales Recht umgesetzt werden müssen.
Dies ist allerdings mit Ausnahme von einzelnen Inhalten bis zum Fristablauf
nicht erfolgt.
Europarechtlich hat dies die Konsequenz, dass Teile der Richtlinie für nach dem
1. Januar 2006 neu beginnende Vergabeverfahren in Deutschland unmittelbare
Geltung entfalten. Dies, soweit sie „ihrer Natur nach geeignet sind, in den
Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten und ihren Bürgern unmittelba-
re Wirkungen zu erzeugen“.3 Im Ergebnis bedeutet dies, dass die klassische
Richtlinie, soweit sie unmittelbare Wirkungen entfaltet, vom Kulturmanager
zusätzlich zu den nationalen Vergabevorschriften zu beachten ist.
I
Da es nicht nur für den Kulturmanager, sondern für die vergebenden Stellen 2.4
insgesamt ungemein schwierig ist, zu beurteilen, inwieweit europäisches Recht
unmittelbar gilt, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ein S. 3
Rundschreiben vorläufiger Natur bis zum Inkrafttreten förmlicher Änderungen
formuliert. Für die klassische Richtlinie datiert es vom 26. Januar 2006. Auf
Landesebene existieren teilweise Erlasse mit Übergangsregelungen in Anlehnung
an das Rundschreiben. Den Kommunen steht es daher aufgrund ihrer verfas-
sungsrechtlich garantierten Autonomie dabei frei, einen entsprechenden Erlass zu
beachten.
CD-ROM-Service: Das Rundschreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Technologie finden Sie auf der beiliegenden CD-ROM unter I 2-4.
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4. I Kulturfinanzierung - Öffentliches Haushalts- und Zuwendungsrecht
I2 Zuwendungsrecht
Landes- und Kommunalrecht
Landesrecht und Kommunalrecht sieht weitestgehend die Einhaltung der Verga-
bevorschriften auch unterhalb der Schwellenwerte aufgrund der Landeshaus-
haltsordnung oder der Gemeindehaushaltsverordnungen vor. Teilweise handelt es
sich dabei nur um „Empfehlungen“ zur Einhaltung. Oftmals werden zudem
kommunale Eigenbetriebe und Eigengesellschaften von der Verpflichtung ausge-
nommen.
Schließlich runden „Experimentierklauseln“ für regionale Modellversuche zur
Nutzung von Freiräumen bei der Anwendung des Vergaberechts das insgesamt
unübersichtliche Bild ab.
Tipp: Trotz des insgesamt komplexen und wenig stringenten rechtlichen Rah-
mens sollte der Kulturmanager vor dem Vergaberecht nicht sogleich resignieren.
Die Chance besteht darin, durch sorgfältige Bestimmung der eigenen Position im
Geflecht der Rechtsnormen das vergaberechtliche Instrumentarium und den vor-
handenen Spielraum intelligent für die eigenen Zwecke zu nutzen. Ausgangs-
punkt eines jeden Vergabeverfahrens sollte daher die sorgfältige Ermittlung der
für die eigene Vergabe im speziellen Fall tatsächlich geltenden Vorschriften sein,
damit nicht aus Übervorsicht oder Unkenntnis die falschen oder ggf. sogar gar
nicht anwendbare Regelungen eingehalten werden.
1.2 Vereinfachungsbemühungen
Vor dem Hintergrund des geschilderten komplexen rechtlichen Rahmens ist es
seit langem erklärtes Ziel der Bundesregierung, die Vergabe von Staatsaufträgen
zu vereinfachen und zu modernisieren. Der erste Schritt hierzu wurde bereits mit
der dritten Änderung der Vergabeverordnung vollzogen, die zum 1. November
2006 in Kraft getreten ist. Inzwischen wurde durch weitere Änderungen ein Teil
des EU-Rechts in das bestehende Rechtssystem von Gesetz, Verordnungen und
I Verdingungsverordnungen umgesetzt. Zu beachten ist allerdings, dass bislang
2.4 nicht sämtliche Neuerungen des EU-Rechtes bereits vollständig abgebildet wur-
S. 4 den. So wurden durch die entsprechenden Änderungen im Ergebnis im Wesentli-
chen die Schwellenwerte angepasst und einige Neuerungen beim Verfahren ein-
geführt. Eine tief greifende Reform blieb indessen bislang aus.
In einem weiteren, umfassenderen Schritt ist die grundlegende Vereinfachung des
komplizierten und schwerfälligen deutschen Vergaberechts vorgesehen. Erklärtes
Ziel ist es aus staatlicher Sicht, möglichst viele und insbesondere auch mehr
kleinere Unternehmen mit weniger Aufwand an Vergabeverfahren beteiligen zu
können. Aber auch umgekehrt soll für die ausschreibende Stelle durch ein schlan-
keres und effizienteres Verfahren eine Entlastung bei der Beschaffung erzielt
werden.
39 Kultur & Recht November 2007