Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Michow: Die Künstlersozialabgabe bei der Verwertung künstlerischer Darbietungen
1. H Versicherungsrecht
H4 Künstlersozialabgabepflicht
Die Künstlersozialabgabe bei der
Verwertung künstlerischer Darbietungen
Im Konzert- und Theaterbereich
Jens Michow
Rechtsanwalt in Hamburg; Präsident und Geschäftsführer des Bundesverband der
Veranstaltungswirtschaft (idkv) e.V.
Inhalt Seite
1. Einleitung 2
2. Künstler im Sinne des KSVG 2
3. Die Systematik der Künstlersozialabgabe 3
4. Die Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe 5
5. Abgabepflichtige Unternehmen im Sinne des
§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG 7
5.1 Abgabepflicht der Gastspieldirektionen 7
5.2 Abgabepflicht der Städte, Landkreise und Gemeinden: 8
5.3 Abgabepflicht der Agenturen: 8
Den meisten Verwertern künstlerischer und/oder politischer Leistungen ist sie
bekannt: Die Künstlersozialabgabe. Was geschieht mit Unternehmen, die ihrer
Verpflichtung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz nicht nachkommen? H
Wer zählt zu den Abgabepflichtigen, und was gehört zur Bemessungsgrundlage 4.1
für die Künstlersozialabgabe? Im folgenden Beitrag werden diese und weitere S. 1
Fragen beantwortet.
28 Kultur & Recht Mai 2005
2. H Versicherungsrecht
H4 Künstlersozialabgabepflicht
1. Einleitung
Gemäß Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) vom 01.01.1983 sind selb-
ständige Künstler sowie Publizisten in der gesetzlichen Kranken- und Rentenver-
sicherung und seit 1.1.1995 in der Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Seit
dem 01.01.1992 gelten die Bestimmungen des KSVG auch für selbständige
Künstler und Publizisten in den Neuen Bundesländern.
Die Künstlersozialversicherung wird bundesweit von der Künstlersozialkasse
(KSK) bei der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung in 26380 Wil-
helmshaven durchgeführt.
Die KSK hat u.a. die Aufgabe festzustellen, wer nach dem KSVG als Künst-
ler/Publizist in der Renten- Kranken- und Pflegeversicherung versicherungs-
pflichtig ist und wer als Verwerter künstlerischer/publizistischer Leistungen ab-
gabepflichtig ist. Sie entrichtet für die Versicherten monatlich die Beiträge zur
Kranken- und Rentenversicherung. Die Versicherten zahlen an die KSK - wie
Arbeitnehmer - nur den halben Beitragsanteil. Die andere Beitragshälfte stellt
gleichsam den "Arbeitgeberanteil" der Künstlersozialversicherung dar. Sie wird
gem. § 34 KSVG einerseits durch die Künstlersozialabgabe sowie andererseits
durch einen Bundeszuschuss aufgebracht. Durch den Zuschuss des Bundes soll
die Lücke kompensiert werden, die beim „Arbeitgeberanteil“ dadurch entsteht,
dass nicht jedes beitragspflichtige Aufkommen – also nicht jede Einnahme eines
Künstlers - auf Geschäften mit Verwertern beruht. Man spricht insoweit von der
sog. „Selbstvermarktung“ von Künstlern. Der Bundeszuschuss wurde im Jahre
2000 von bis dato 25 % auf 20 % mit der Begründung gesenkt, dass dieser
Selbstvermarkteranteil erheblich gesunken sei.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes im Jahre 1983 haben sich zahlreiche Verwerter-
verbände gegen die Heranziehung ihrer Mitglieder zur Künstlerabgabe gewandt.
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Der Protest gipfelte in einer Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsge-
4.1 richt hat jedoch in einem Beschluss vom 08.04.1987 das Gesetz für verfassungs-
S. 2 gemäß erklärt. Es bestätigte die Auffassung des Gesetzgebers, dass die Verwerter
künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen mit der Künstlersozi-
alabgabe einen Beitrag zur Sozialversicherung der selbständigen Künstler und
Publizisten leisten müssen.
2. Künstler im Sinne des KSVG
Künstler im Sinne des KSVG ist gem. § 2 KSVG, wer Musik, darstellende oder
bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist im Sinne des KSVG ist, wer
als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist. Eine
weitergehende Definition enthält das KSVG nicht, weshalb die Frage, wer als
Künstler anzusehen ist und wer nicht, in der Vergangenheit durch die Gerichte zu
klären war.
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3. H Versicherungsrecht
H4 Künstlersozialabgabepflicht
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Urteil vom 25.10.1995 ent-
schieden, dass „jede Darbietung mit der Absicht zu unterhalten“ als Kunst
nach dem KSVG gilt. Entsprechend verurteilte es im erwähnten Fall ein fränki-
sches Unternehmen, welches sog "Reizwäsche-Shows" für Diskotheken veran-
staltete, Künstlersozialabgabe zu zahlen, da es sich bei den Darbietenden um
Künstler iSd KSVG handele. Zur Begründung hieß es, dass sich Kunst praktisch
jeder Definition entziehe. Es könne nicht Sache der Gerichte sein, mit Begriffen
wie der künstlerischen Gestaltung oder der Werkhöhe eine solche Definition zu
versuchen. Es komme nach dem Gesetz auch nicht darauf an, ob die künstlerische
Darbietung ein gewisses Niveau erreiche.
Entsprechend führt die Künstlersozialkasse in ihren Informationsschriften mitt-
lerweile über 160 verschiedene Berufe auf, die von ihr als künstlerische bzw.
publizistische Berufe behandelt werden. Als Konsequenz der weiten Definition
des Künstlerbegriffs durch das BSG fallen auch freischaffende Models und Mo-
deratoren unter das Gesetz. Längst ist auch entschieden, dass Designer, aber z.B.
auch japanische Tee-Zeremonie-Meisterinnen, Trauerredner oder Geräuschema-
cher Künstler i.S.d. KSVG sind. Aktuell befasst sich das BSG mit der sowohl für
den Berufsstand als auch für die Verwerter bedeutsamen Frage, ob auch „Webde-
signer“ als Künstler i.S.d. Gesetzes zu betrachten sind. Eine Entscheidung lag bei
Redaktionsschluss noch nicht vor.
3. Die Systematik der Künstlersozialabgabe
Zur Künstlersozialabgabe werden gem. § 24 KSVG Unternehmer herangezogen,
die nicht nur gelegentlich Werke oder Leistungen von selbständigen Künstlern
und Publizisten in Anspruch nehmen.
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Zu den Unternehmen, die typischerweise künstlerische oder publizistische Werke 4.1
oder Leistungen verwerten, zählen gem. § 24 Absatz 1 Satz 1 Ziffer 3 KSVG u.a.
S. 3
Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren
wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung
künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen (§ 24 Abs. 1
Satz 1 Ziffer 3 KSVG).
Erhebungsgebiet der KSK ist nur die BRD. Der Unternehmer muss hier selbst
oder durch Erfüllungsgehilfen tätig geworden sein. Veranstaltet ein deutscher
Veranstalter ein Konzert im Ausland, entsteht hierbei keine Abgabepflicht, da der
Veranstalter künstlerischer Leistungen dort tätig wird, wo der von ihm bezahlte
Künstler im Rahmen einer Veranstaltung seine Tätigkeit ausübt
Das System der Künstlersozialabgabe ist zweistufig konzipiert. Zur Prüfung der
Abgabepflicht versendet die KSK einen Fragebogen. Nach Ausfüllen des Frage-
bogens erhalten die Unternehmen einen Feststellungsbescheid über die grund-
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sätzliche Zugehörigkeit zum abgabepflichtigen Personenkreis im Sinne des
KSVG. Man spricht hier von der Feststellung der Abgabepflicht dem Grunde
nach. Über die Höhe der Abgabeleistung, die sog. Abgabeschuld, wird von der
KSK, sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, sodann in einem
gesonderten Abrechnungsbescheid erst nach Abgabe der Meldungen durch das
betroffene Unternehmen entschieden.
Das abgabepflichtige Unternehmen hat hierzu einmal im Jahr bis zum 31. März
des Folgejahres der KSK auf deren Meldebogen mitzuteilen, wie hoch im ver-
gangenen Kalenderjahr die an selbständige Künstler gezahlten Entgelte gewesen
sind.
Bis zum Jahre 2000 waren die Entgelte für die einzelnen Bereiche Wort, Bildende
Kunst, Musik und Darstellende Kunst in den Meldungen getrennt aufzuführen.
Mit Wirkung ab 1.1.2000 wurde die Aufteilung nach den vier Kunstbereichen
abgeschafft, so dass seitdem für alle vier Bereiche wieder ein einheitlicher Abga-
besatz gilt. Entsprechend haben die Abgabepflichtigen der Künstlersozialkasse
lediglich noch eine Entgeltsumme zu melden.
Die KSK ist berechtigt, die Einhaltung der Meldepflicht und die Richtigkeit der
abgegebenen Meldungen im Wege von Betriebsprüfungen zu überprüfen. Hier-
von macht sie auch regelmäßig Gebrauch. Die Verletzung der gesetzlichen Mel-
de- und Aufzeichnungspflichten ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Buß-
geld geahndet werden kann.
Das abgabepflichtige Unternehmen hat für das laufende Kalenderjahr monatliche
Vorauszahlungen in Höhe von 1/12 der für das vorangegangene Kalenderjahr
geschuldeten Künstlersozialabgabe zu leisten.
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Unternehmen, die ihren Meldepflichten nicht rechtzeitig nachkommen, werden
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von der KSK gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 KSVG hinsichtlich der Höhe ihrer Abga-
S. 4 beschuld geschätzt. Die so vorgenommene Schätzung kann nur durch die Abgabe
der konkreten gesetzlich vorgeschriebenen Entgeltmeldung berichtigt werden.
Die Abgabeschuld verjährt im Regelfall in vier Jahren, wobei die Verjährung im
Jahr der Fälligkeit beginnt. Da die Abgabe jeweils am 31. März des auf das Ab-
gabejahr folgenden Jahres fällig ist, beginnt die Verjährung am 31.12. 00:00 Uhr,
des auf das Abgabejahr folgenden Jahres. Die Verjährung wird durch einen Fest-
setzungsbescheid der KSK (Festsetzung der Abgabe der Höhe nach, dies gilt auch
bei einer Schätzung) unterbrochen. Der Feststellungsbescheid, welcher die Abga-
beverpflichtung eines Unternehmens dem Grunde nach feststellt, unterbricht
hingegen nicht die Verjährung.
Manche abgabepflichtigen Verwerter versuchen, die Künstlersozialabgabepflicht
vertraglich auf ihren Vertragspartner abzuwälzen. Eine derartige Vereinbarung ist
zwar zulässig, hat jedoch nur Wirkung zwischen den Parteien. Die KSK selbst
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