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BRAND LOGIC SPECTRUM
Ausgabe 15/2015Herausgegeben vom Institute of Brand Logic
www.brand-logic.com/spectrum
DIE OMNI-CHALLENGE
Mit Marke die Disruption
im Handel meistern
OUTFITTERY KURATIERT MODE
Gründerin Anna Alex im Interview
über den Aufbau ihres Start-ups
FÜHRUNG DER MARKE
Warum es Brand Leadership braucht
– statt nur Brand Management
WIENERBERGER BAUT AUF MARKE
Wie der Ziegelhersteller führender
Baustoffanbieter bleibt
VERÄNDERUNG DES AUTOMOBILMARKTS
Was Mercedes, VW, BMW & Co. für den
Wandel brauchen
DESTINATIONEN ENTWICKELN
Alternative Finanzierungswege
für touristische Highlights
DER DIGITALE WANDEL VERÄNDERT
Gespräch mit Dirk von Gehlen über die
Auswirkungen des Digitalen
Journal für markenorientierte Unternehmensführung
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
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„VERÄNDERUNGSPROZESSE MÜSSEN VOM VORSTAND
INITIIERT UND ANGELEITET WERDEN. GLEICHZEITIG WAR ABER
AUCH DIE ZEITGERECHTE EINBINDUNG UNSERER MITARBEITER
ZUR INHALTLICHEN AUSGESTALTUNG DES PROZESSES UND ZUR
IDENTIFIKATION MIT DESSEN INHALTEN UNERLÄSSLICH.“
HEIMO SCHEUCH, VORSTANDSVORSITZENDER DER WIENERBERGER AG
Mehr zur Transformation des internationalen Baustoffkonzerns ab Seite 12
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LIEBE LESER,
eine führende Marke zu werden und zu sein – welcher Unterneh-
mer will das nicht. Dass es dazu mehr braucht, als das Hand-
werkszeug zur Führung der Marke zu beherrschen, erleben Un-
ternehmen täglich: Was hilft ein gekonntes Marketing, wenn
Produktentwicklung, Personalabteilung oder Vertrieb in ihren
Entscheidungen jeweils andere Zielsetzungen im Blick haben?
Führung über Marke lautet die Herausforderung. Nur so kann die
Transformation eines Unter­nehmens zur führenden Marke gelin-
gen. Im Beratungsalltag des Institute of Brand Logic begegnen wir
dieser Herausforderung in vielen Facetten, in unserem Journal
BRAND LOGIC SPECTRUM berichten wir Ihnen davon.
Herzlichst
Ihr Markus Webhofer, Managing Partner
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FÜHRUNG DER MARKE
Markus Webhofer beschreibt, warum es Brand Leadership braucht – statt nur Brand Management.
CEOs ZU VERÄNDERUNGSPROZESSEN
Wir haben 112 CEOs zu Veränderungsprozessen in Unternehmen befragt.
Und die Antwort ist deutlich.
AUF MARKE GEBAUT
Martina Mertzbach und Christoph Ettlmayr berichten, was Ziegelhersteller Wienerberger
unternimmt, um bei Baustofflösungen führend zu bleiben.
WANDEL ALS CHANCE, NICHT ALS BEDROHUNG
Stefania Cimino und Lesley Craggs erörtern am Beispiel der Automobilindustrie, was etablierte
Marken brauchen, um Marktdisruptionen für sich zu nutzen.
DIE OMNI-CHALLENGE
Peter Horvath und Alex Pesjak über die typischen Fallen, in die klassische Händler beim Thema
Omnichannel tappen.
„WIR MUSSTEN LERNEN, DASS AUCH MÄNNER GERNE ÜBER MODE REDEN.“
Outfittery-Gründerin Anna Alex erzählt im Interview, was es heißt, als Curated-Shopping-
Anbieter für Männermode zu shoppen.
WIE LASSEN SICH TOURISTISCHE HIGHLIGHTS FINANZIEREN?
Philip Kazianka und Stefan Pirchmoser über alternative Finanzierungs­methoden zur
Destinationsentwicklung.
MARKEN BRAUCHEN KOMMUNIKATIONSLOGIK
Lucas von Gwinner über die notwendigen Zutaten wirkungsvoller Kommunikationsstrategien.
WAS VERÄNDERT DER DIGITALE WANDEL WIRKLICH?
Und wie sollten Unternehmen sich für ihn verändern? Ein Gespräch mit Dirk von Gehlen.
WHITE ROOM FOR ENTREPRENEURS AND LEADERS
Figen Atac über das gelungene Debüt des exklusiven Dialog-Forums für CEOs und Unternehmer.
5 MARKENFRAGEN AN 100 CEOs:
Karin Trimmel, Underberg.
IMPRESSUM
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BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
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Marke. Kaum ein anderer Begriff im Wirtschaftsleben löst ein
derart breites, diffuses Spektrum von Interpretationen aus.
Spricht man mit Personen über dieses Themen, wird meist rasch
klar, dass Marke mit Kommunikation und Marketing gleichgesetzt
wird. Immer noch assoziieren viele Menschen damit bspw. das
Logo, den Schriftzug, die Markenfarbe, den Slogan. Das ist nicht
falsch, aber betrachtet eben doch nur die Zeichen der Marke, nie-
mals die Marke selbst. Dieses verkürzte, fehlerhafte Verständnis
verweist das Thema Marke im Unternehmen automatisch in die
Kommunikationsabteilung. Und vereitelt so die Relevanz der Mar-
ke für alle anderen Bereiche des Unternehmens. Wird sie in ein
Korsett gepresst, eingesperrt und isoliert, kann sie ihre Energie
nicht entfalten und für das Unternehmen wenig bis gar nichts be-
wirken. Würde man die besten Fußballspieler nur über einheitlich
gestaltete Trikots zu einer Mannschaft machen wollen, würde man
kein Turnier gewinnen. Genauso wenig kann die Marke ihre Poten-
ziale für Wachstum und Profitabilität ausschöpfen, wenn ihr im
Unternehmen der falsche Platz oder ein zu geringer Stellenwert
zugewiesen wird. Zur Führung von Unternehmen ist dieses weit-
verbreitete Verständnis der Marke jedenfalls untauglich.
MARKE. KAUM EIN ANDERER BEGRIFF IM
WIRTSCHAFTSLEBEN LÖST EIN DERART BREITES,
DIFFUSES SPEKTRUM VON INTERPRETATIONEN AUS.
VON DER MARKE ZUR MARKENLOGIK – EIN FÜHRUNGSPARA-
DIGMA
Für die markenorientierte Führung von Unternehmen ist ein ande-
res, viel weitreichenderes Paradigma erforderlich. Welchen Stel-
lenwert und welche Rolle müsste die Marke zur Führung von Un-
ternehmen spielen? Und in welcher Beziehung sollte Marke zu
Unternehmen stehen? Es ist ureigene Aufgabe der Markenführung,
die Wertposition eines Unternehmens, Sortiments oder Produktes
etc. zu bestimmen und diese zu verkaufen. Die Quelle der Marken­
energie sind die Spitzenleistungen von Unternehmen. Der Ver-
trauensgenerator der Kunden speist sich aus den markenspezifi-
schen Leistungen. Kunden verdichten diese Erfahrungen zu einem
positiven Urteil, es bildet sich ein positives Vorstellungsbild. Je
begehrlicher und relevanter dieses Bild wahrgenommen wird,
desto stärker wird die Marke in der Kaufentscheidung präferiert.
Starke Marken nisten sich ein im Kollektiv der Kunden und beset-
zen im Idealfall eine Monopolstellung für eine ganz bestimmte,
relevante Kompetenz. Wenn Sie so wollen, hinterlassen sie einen
positiven Fußabdruck.
ES IST UREIGENE AUFGABE DER MARKENFÜHRUNG,
DIE WERTPOSITION EINES UNTERNEHMENS,
SORTIMENTS ODER PRODUKTES ETC. ZU BESTIMMEN
UND DIESE ZU VERKAUFEN.
Markenarbeit hat somit zu klären, wofür ein Unternehmen oder
eine Leistungseinheit steht – oder besser – einsteht. Aus diesem
Grund ist die differenzierte, kundenrelevante Ausgestaltung des
Markenbildes von derart fundamentaler Bedeutung. Das ist der
Bezugs- bzw. Leitrahmen für das unternehmerische Tun. Ein Mar-
kenbild, das seine spezifische Antwort auf zentrale Kunden- und
Marktanforderungen verkörpert, ist damit zugleich Unterneh-
menszweck. Das ist logische Konsequenz echter Kunden- und
Marktorientierung. Weder Marke noch Unternehmen sind Selbst-
zweck. Der in der Marke gebündelte Kundennutzen ist Zweck und
reason for beeing und damit wegbestimmend für das Unterneh-
men. Das Unternehmen strebt danach, diesen spezifischen Zweck
zu erfüllen. Mit all den Ressourcen, Fähigkeiten und Fertigkeiten
steht das Unternehmen im Dienst der Marke. Es hat fortwährend
FÜHRUNG DER MARKE
WARUM ERFOLGREICHE MARKEN BRAND LEADERSHIP BETREIBEN
– STATT NUR BRAND MANAGEMENT
Autor Markus Webhofer
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die Aufgabe, Markenleistungen im Sinne der Kundenpräferenz auf
den Markt zu bringen, zu reproduzieren, zu innovieren. Dies wie-
derum kann nur gelingen, wenn das Markenbild im Unternehmen
lebt und atmet, dort tief verankert ist. Da Marken von Menschen
gemacht werden, reicht es bei Weitem nicht aus, wenn Mitarbeiter
und Führungskräfte die Markeninhalte lediglich kennen, sie müs-
sen verstanden, mit Commitment gelebt, beherrscht und weiter-
entwickelt werden. Sämtliche Prozesse, Systeme und Funktionen
im Unternehmen – von der Führung bis zu HR, R&D, Produktion,
Einkauf, Vertrieb etc. – sind Teil der Marke und leisten ihren spezi-
fischen, konkreten Beitrag. Auf diese Art ist die Marke das Ergeb-
nis einer konzertierten Gemeinschaftsleistung.
„
Das Markenbild ist Sinnstifter,
Bindungsstoff und Gestalter des Unternehmens.
„
Das schreibt sich leicht, ist in Wahrheit aber ein nie endendes
Werk. Fehlt hingegen das Markenbild als gemeinsamer Überbau
– der sog. common ground –, entstehen isolierte Teilstrategien
und Aktivitäten, die in einem diffusen, kraftlosen Marktauftritt ihren
Niederschlag finden. Deshalb sprechen wir von Markenlogik, damit
die Marke als Führungsparadigma für das gesamte Unternehmen
Anwendung findet. Logik im eigentlichen Sinn ist die Lehre der
Folgerichtigkeit und somit immer relational. Sprich: aus der Posi-
tionierung der jeweiligen Marke lassen sich geeignete Implikatio-
nen für das Design des Unternehmens ableiten. Sie formt, richtet
aus und entwickelt ein Unternehmen in Alignment mit dem jewei-
ligen Markenbild. So steht das Unternehmen im Dienst der Marke,
um das Vertrauen und die Begeisterung der Kunden immer wieder
aufs Neue unter Beweis zu stellen.
MARKENLOGIK KLAPPT NICHT OHNE LEADERSHIP
Wir vom Institute of Brand Logic legen großen Wert darauf,­
die Unterscheidung zwischen Brand Management und Brand
DIE DENKE DER MARKENLOGIK BENÖTIGT IN ERSTER
LINIE LEADERSHIP, ALSO STRATEGISCHE RICHTUNGS-
GEBUNG UND COMMITMENT DER OBERSTEN FÜHRUNG.
Leadership zu treffen. Leadership definiert, wie die Zukunft für
das Unternehmen aussehen sollte, bringt Menschen hinter die
­Vision und inspiriert sie zur Umsetzung, zu Wandel und Verände-
rung, aller Hindernisse zum Trotz. Das Design eines Zukunfts­
bildes der Marke zieht in den meisten Fällen Transformation und
Veränderung nach sich. Und auch dafür ist Leadership unabding-
bar, bedenkt man, dass erfolgreiche Transformation zu 70 % bis
90 % auf ­Leadership und nur zu 10 % bis 30 % auf Management
basiert. Die Denke der Markenlogik benötigt in erster Linie
Leader­ship, also strategische Richtungsgebung und Commitment
der obersten Führung. Ansonsten kann die Marke ihre Rolle für
das Unternehmen nicht spielen.
Dass die verschiedenen Funktionen ihren operativen Beitrag
­leisten müssen, um die Markenleistung nach vorne zu bringen, ist
klar. Das aber ist Brand Management, nicht Brand Leadership.
Brand Management ist die operative Umsetzung der Marke im je-
weiligen Bereich. Hier geht es um Ressourcenplanung, Budgetie-
rung, Zielerreichung und Maßnahmenplanung, Personalbeset-
zung, Controlling etc. Ohne Brand Leadership jedoch bleibt das
alles nur Stückwerk, Markenführung bleibt auf einige wenige Ak-
tivitäten begrenzt. Diese Unterscheidung ist von fundamentaler
Bedeutung, um den Stellenwert der Markenlogik für die strategi-
sche und operative Führung des Unternehmens ins richtige Licht
zu rücken.
Brand Management ist eine erforderliche, aber keine hinreichen-
de Fähigkeit, um das Unternehmen durch die Marke zu führen.
Dafür ist Leadership entscheidend. Nichtsdestotrotz sind beide
Ebenen der Markenführung komplementär zueinander und es-
senziell, um die Marke zum Erfolg zu führen.
Markus Webhofer, Gründer & Managing Partner Institute of Brand Logic
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
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Zentrale Determinanten der Unternehmens- und Markenkultur
VERHALTEN LEISTUNG
Zukunftsbild
und Strategie
Verhalten
der Führung
Entwicklung
der Menschen
Strukturen
und Prozesse
Modelle der
Entlohnung
Messung der
Performance
KULTUR
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DIE MARKE ALS TREIBER FÜR ZUKUNFT UND TRANSFORMATION
Lassen Sie uns auf die Frage eingehen, ob die Marke als Füh-
rungsparadigma überhaupt geeignet ist, ein Unternehmen in die
Zukunft zu führen. Marken sind keinesfalls starre, sondern leben-
de, dynamische Systeme. Obwohl ihr Charakter eher normativer
Natur ist, ist man gut beraten, die Markeninhalte von Zeit zu Zeit
auf den Prüfstand zu stellen. Trend- und Zukunftsforscher liefern
seit vielen Jahren ähnliche Befunde über Megatrends unserer Ge-
sellschaft, welchen sich auch Marken nicht entziehen dürfen.
Marken sind selbstverständlich eingebettet in den gesellschaftli-
chen Wandel, ihre Stärke und Sympathie hängt nicht zuletzt davon
ab, ob sie den Zeitgeist ihrer Kunden verkörpern oder sogar reprä-
sentieren und prägen. Welche großen, zukünftigen Themen für
das Unternehmen womöglich relevant sind, gilt es behutsam zu
validieren, und erforderlichenfalls ist man veranlasst, das Profil
der Marke zu adaptieren, zu schärfen oder sogar revolutionär zu
verändern. Marken sind mehr denn je gefordert, sich dem gesell-
schaftlichen Paradigmenwechsel zu stellen, darauf Bezug zu neh-
men und Stellung zu beziehen. Die Denke der Marke ist viel näher
am Markt und am Kunden als Visionen und Leitbilder, die vor dem
Hintergrund der Markenlogik überflüssig werden. All das kann
über die Marke weit besser gesteuert werden.
Die Marke als Zukunftsbild der Organisation hat enorme Gestal-
tungskraft für die Entwicklung von Unternehmen. Mehr noch, sie
wird damit zum Treiber für Prozesse der Transformation. Gelingt
es einem Unternehmen nicht, beide Disziplinen – Markenführung
und Unternehmensentwicklung – miteinander zu verschmelzen,
scheitert die Umsetzung, was unzählige Studien belegen. Demnach
scheitert der Großteil der Unternehmen bei der Implementierung
der Marke im Unternehmen.
MARKENKULTUR UND UNTERNEHMENSKULTUR – EINE LIAISON,
DIE GERNE ÜBERSEHEN WIRD
Ist jedes Unternehmen imstande, eine starke Marke zu etablie-
ren? Was hat die Stärke einer Marke mit der Beschaffenheit und
dem Zustand des jeweiligen Unternehmens zu tun?
Lassen Sie uns zur Veranschaulichung zwei Unternehmenszu-
stände vergleichen, die sich bipolar gegenüberstehen. Zur Ver-
deutlichung wird das eine Unternehmen über negative, das andere
über positive Merkmale charakterisiert. Beide Formen stellen ge-
wissermaßen Extrempositionen dar, nichtsdestotrotz sind einzelne
Elemente in vielen Organisationen zu finden.
DIE KULTUR HAT EINEN GROSSEN IMPACT AUF DAS
ENGAGEMENT UND DIE LEISTUNGSBEREITSCHAFT VON
MITARBEITERN UND FÜHRUNGSKRÄFTEN.
Das „vergiftete, negative“ Unternehmen könnte man über folgende
kulturelle Merkmale beschreiben: Angst vor Fehlern, Missgunst,
Mobbing, Machtspiele, Schuldzuweisungen, Intrigenspiele, Vorga-
ben aus der Hierarchie, Ellbogentechnik, Unehrlichkeit, Mikropo-
litik, kleinliche Kontrollen, Arbeit ohne Sinn, keine Identifikation,
Anweisungen, die man nicht versteht, kein Wir-Gefühl, energierau-
bende Arbeitsplätze, Chefs, die man ablehnt, Arbeit, die krank
macht, etc. Niemand möchte in solchen Unternehmen arbeiten,
dennoch gibt es sie, zumindest in Mischformen, denkt man an all
die „Schleckers“ dieser Welt. Aus solchen Unternehmenskulturen
resultieren mit Gewissheit Mittelmaß, Unproduktivität und Misser-
folg, abseits anderer Nebenwirkungen für Mitarbeiter und Partner.
Dem gegenüber steht das „lachende, positive“ Unternehmen, mit
folgenden kulturellen Eigenschaften: Mitarbeiter zeigen Eigenini-
tiative und Engagement, erhalten Wertschätzung, Respekt und
Anerkennung. Freundlichkeit, Humor und gute Laune sind an der
Tagesordnung. Man informiert sich gegenseitig, kommuniziert
­offen und konstruktiv, löst Probleme gemeinsam, identifiziert sich
mit dem Unternehmen, ist Teil des Ganzen, erfährt Sinn, bewältigt
Herausforderungen, bringt sich ein, teilt die Werte, wird inspiriert
durch Menschen und das Arbeitsumfeld, entwickelt sich weiter,
wird gefordert, stellt den Kunden in den Mittelpunkt, freut sich
über Erfolge, ist stolz auf Resultate. Unternehmen dieser Art ha-
ben Energie, sie strotzen vor Agilität und Engagement zur Zufrie-
denheit aller. Marken werden nur von Menschen gemacht, und die
Kultur hat einen großen Impact auf das Engagement und die Leis-
tungsbereitschaft von Mitarbeitern und Führungskräften.
POSITIVE ENERGIE BEEINFLUSST DIE MOTIVATION
UND DEN WILLEN, MARKE UND UNTERNEHMEN ZU
STÄRKEN UND ERFOLGE ZU GENIEREN.
Der Schluss drängt sich angesichts dieser Gegenüberstellung auf,
dass der Zustand einer Unternehmenskultur einen enormen Ein-
fluss auf den Zustand der Marke hat. Marke ist die Außenseite der
Innenseite, die nach außen gestülpte Kultur, das Gesicht des
Unternehmens, das im Kundenkontakt wirkt. Die Kultur haucht
sozusagen durch die Marke durch, und das wird in aller Regel
nicht nur atmosphärisch erfahrbar. Dieser Effekt wird umso stär-
ker spürbar, wenn Mitarbeiter direkt die Leistung an Kunden er-
bringen, wie etwa in reinen Dienstleistungsunternehmen oder der
Industrie. Konsumgüter, die schön verpackt im Regal des Händ-
lers stehen, können mögliche, gravierende Kulturdefizite zumin-
dest eine gewisse Zeit verbergen. Dennoch bleibt das Faktum,
dass ­innerlich gekündigte, frustrierte Mitarbeiter keine Spitzen-
leistungen erbringen.
„
Der Zustand des Unternehmens
reflektiert den Zustand der Marke.
Kultur und Marke bedingen
sich wechselseitig.
„
Es ist ohne Zweifel eine Herausforderungen, eine dynamische
Kultur in einem Unternehmen zu etablieren, in der Mitarbeiter im
Sinne der Marke erfinderisch, innovativ, agil und wendig agieren.
Dazu gibt es wohl keine Alternative. Rasche, mitunter revolutionä-
re Veränderungen im Marktumfeld stellen immer höhere Anfor-
derungen an die Lern- und Wandlungsfähigkeit von Unternehmen.
Unternehmen, die eine positive Energie haben, verfügen nach-
weislich über eine höhere Performance und setzen Lernprozesse
rascher in Gang. Vergegenwärtigt man sich die o. g. Charakteris-
tika von positiven Unternehmenskulturen, verwundert es nicht, dass
diese Mitarbeiter engagierter, lernfreudiger und leistungswilliger
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
sind. Die positive Energie beeinflusst die Motivation und den Willen,
Marke und Unternehmen zu stärken und Erfolge zu genieren. Das
ist ein sich selbst verstärkender Kreislauf. Die Quelle der Marken-
kraft liegt somit im Inneren des Unternehmens, dort wird sie ge-
schöpft, von dort aus kann sie sich entfalten oder vice versa auch
zerstört werden. Letzteres macht in aller Regel nicht der Wettbe-
werb, sondern das Unternehmen selbst. Beispielsweise können
Fehleinschätzungen von Markt und Wettbewerb, Selbstzufrieden-
heit des Managements und Wachstumsgier ohne Profit fatale
­Folgen haben.
PETER DRUCKER SAGTE EINST TREFFEND:
„CULTURE EATS STRATEGY FOR BREAKFAST.“
MARKENARBEIT OHNE KULTURARBEIT STÖSST RASCH AUF
GRENZEN
Zwischen einer Marke und der Unternehmenskultur besteht also
ein enger, wechselseitiger Zusammenhang. Ein Markenbild zu
entwerfen, das in der Kultur des Unternehmens keine Deckung
findet, hinterlässt nur verbrannte Erde. Wer sich darüber hinweg-
setzt, wird rasch erfahren, dass das nicht funktioniert, weder im
Unternehmen noch am Markt. Die Kultur eines Diskonters (z. B.
Kik) ist anders als jene des Qualitäts- oder sogar Innovationsfüh-
rers (z. B. Hilti, 3M). Bei solch groben kulturelle Kategorien ist das
wohl einsehbar, aber in der Praxis sind kulturellen Facetten weit
subtiler. Markenlenker benötigen ein echtes Feingefühl für das
kulturell Machbare, damit das Ergebnis kein unerfülltes Wunsch-
bild bleibt. Diese heißt jedoch nicht, dass Unternehmen in ihrer
Entwicklung nicht gefordert werden sollten.
Große Umwälzungen auf den Märkten – z. B. Technologien, Trends,
neue Geschäftsmodelle oder Player am Markt – zwingen Unter-
nehmen häufig zur Transformation. Das richtige Maß der notwen-
digen kulturellen Veränderung hängt von vielen Faktoren ab, das
man nur im Einzelfall justieren kann. Aber eines bleibt: Marke und
Kultur in Symbiose zu führen, ist eine Meisterleistung, die Geduld
und Wachsamkeit erfordert.
Greifen hingegen Marken- und Unternehmenskultur ineinander,
ist das ein hervorragender Nährboden für Markenstärke. Aus die-
sem Grund ist es so wesentlich, eine Marke achtsam und konse-
quent nach innen zu führen. Mitarbeiter und Führungskräfte sind
das Herz einer gelebten Markenkultur. Substanzielle Markenar-
beit geht unweigerlich mit Kulturarbeit einher. Das eine ist ohne
das andere kaum machbar.
Was aber ist Kultur? Wie zeigt sie sich? Wie wird sie wirksam? Die
Definitionen von Kultur sind zahlreich, die Details wollen wir uns
ersparen. Professor Hansen von der Universität Passau hat tref-
fend formuliert, dass Kultur in der Wiederholung erfahrbar ist in
dem, was ein soziales System laufend produziert und hervor-
bringt, bspw. in den Wahrnehmungs- und Kommunikationsmus-
tern, in Verhaltensweisen und Entscheidungsprozessen, in Arte-
fakten wie Symbolen, Ritualen etc. Dem kulturell Beobachtbaren
liegen dabei tiefere, oft unbewusste Annahmen, verwurzelte
­Weltbilder und ­erlernte Überzeugungen zugrunde, die ständig am
Werk sind und ihre Arbeit verrichten. Peter Drucker hat einst eine
treffende Aussage getätigt, indem er sagte: „Culture eats strategy
for breakfast.“ Die Kultur kann die Umsetzung eines beabsichtig-
ten Markenbildes verhindern oder ermöglichen. Der Fit ist ent-
scheidend.
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UNTERNEHMEN MARKT
Positionierung
der Marke
Funktionen und
Prozesse auf
Basis der Marke
Markenorientierte
Führung und
Organisation
Kontaktpunkte
mit der Marke
Markenbild
des Konsumenten
Nutzung
der Marke
Markenlogik als Beziehung zwischen Unternehmen und Markt
›
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Zum Autor
Markus Webhofer (markus.webhofer@brand-logic.com)
verfolgt seit Gründung des Institute of Brand Logic im
Jahr 2000 den ganzheitlichen Ansatz zur Führung
von Organisationen über die Marke. Neben Publika­
tionen und Lehrtätigkeiten zum Thema begleitete er
die Transformation von Unternehmen wie MPREIS,
Serfaus Fiss Ladis, Neuburger, Bankhaus Spängler,
Verbund und vielen anderen auf dem Weg zur führen-
den Marke ihrer Branche.
Gemäß unserer Auffassung ist Kultur keine undefinierte, abstrak-
te Wolke, sondern das Ergebnis von gewissen unternehmerischen
Einflussfaktoren, Determinanten und Wirkungszusammenhän-
gen. Sie prägen das Verhalten von Mitarbeitern maßgeblich und
schaffen Kultur. Will man die Kultur eines Unternehmens verän-
dern und diese im Sinne der Marke formen, ist man aufgerufen,
die Determinanten dieser Kultur in Angriff zu nehmen. Die Ausge-
staltung und Beantwortung derartiger Fragen bringt eine gewisse
Kultur hervor: Wofür stehen wir als Unternehmen? Welches Zu-
kunftsbild haben wir? Kann ich mich damit identifizieren? Welche
Strategie verfolgen wir? Werden diese Inhalte top down verkündet,
oder sind sie ein Ergebnis eines partizipativen Prozesses? Wel-
chen Führungsstil pflegen wir? Welchen Themen schenken Füh-
rungskräfte ihre Aufmerksamkeit bzw. welchen nicht? Worauf
achten sie? Wie werden Entscheidungen getroffen? Welche Rolle
spielen Kunden, Partner etc.? Wie kommunizieren wir miteinan-
der? Wie laufen Meetings ab? Behandeln wir schwierige Fragen
mit Integrität? Wie werden Mitarbeiter befördert, nach welchen
Kriterien? Wer wird befördert? Wie vereinbaren wir Ziele? Wie
messen wir unsere Leistung und Performance? Wie werden wir
entlohnt? Welchen Stellenwert hat die Ausbildung? Wie sehen die
Strukturen aus? All diese Fragestellungen und Themen haben ei-
nen enormen Einfluss auf das Denken, Empfinden und Verhalten
von Mitarbeitern.
Substanzielle Markenarbeit erfordert eine ganzheitliche Betrach-
tung und Entwicklung eines Unternehmens und seiner Kultur.
­Alles andere kommt einem oberflächlichen Neuanstrich gleich,
der in definierten Markenwerten, schönen Werbespots oder einem
neuen Wording enden mag, aber substanzieller wirtschaftlicher
Erfolg resultiert daraus nicht. Die Transformation zu einer echten
Markenkultur ist keine einfache Aufgabe und erfordert Geschick.
Ohne fokussierte, geeignete Prozesse der Organisationsentwick-
SUBSTANZIELLE MARKENARBEIT ERFORDERT EINE
GANZHEITLICHE BETRACHTUNG UND ENTWICKLUNG
EINES UNTERNEHMENS UND SEINER KULTUR.
Notwendige Kompetenzen zur Führung von Unternehmen über die Marke
lung ist das nicht machbar. Organisationsentwicklung hat jedoch
per se nichts mit Markenführung im engeren Sinn zu tun, das sind
zwei völlig unterschiedliche Disziplinen. Nichtsdestotrotz ist das
eine ohne das andere kaum machbar. Aus genau diesem Grund
führt das Institute of Brand Logic diese beiden Kompetenzen
­zusammen: Markenlogik zur Führung des Unternehmens auf der
einen und Organisationsentwicklung zur Transformation der Un-
ternehmen auf der anderen Seite.
Marken-
logik
Organisations-
entwicklung
Prozess
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
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VERÄNDERUNG IST SCHWER: ERSTAUNLICH OFT WIRD DAS
ZIEL NICHT ERREICHT.
„In unserem letzten größeren Veränderungsprozess haben wir die
angestrebten Ziele alle erreicht (z. B. Zeit, Budget, Wirkung).“
JA 41 % 59 % NEIN
VERÄNDERUNG IST FÜHRUNGSAUFGABE: DAS MANAGEMENT-
TEAM MUSS GEMEINSAM UMSETZEN.
„Veränderungsvorhaben in Unternehmen verfehlen insbesondere
dann ihr Ziel, wenn die obersten Führungskräfte bei der Umset-
zung nicht an einem Strang ziehen.“
JA 97 %
3 % NEIN
VERÄNDERUNG BRAUCHT GEMEINSAM DEFINIERTE ZIELE:
JEDER DRITTE GLAUBT NOCH, ER KÖNNE SIE EINFACH VOR-
GEBEN.
„Als Managementteam haben wir uns gemeinsam ausreichend
Zeit genommen, um die qualitativen und quantitativen Ziele für die
Veränderung festzulegen. Es war allen klar, was wir konkret er-
reichen wollten.“
JA 67 % 33 % NEIN
VERÄNDERUNG BRAUCHT VORBILDER: VIEL ZU WENIGE FÜH-
RUNGSKRÄFTE VERHALTEN SICH VORBILDLICH.
„Die Führungskräfte leben ihren Mitarbeitern die gewünschte
Veränderung einfach zu wenig vor.“
JA 61 % 39 % NEIN
VERÄNDERUNG GEHT JEDEN IM UNTERNEHMEN AN: DOCH
DAS MITTLERE MANAGEMENT ZIEHT OFT NICHT MIT.
„Das mittlere Management ist sich meist nicht bewusst, wie wich-
tig seine Rolle für den Erfolg von Veränderungsinitiativen ist.“
JA 76 % 24 % NEIN
VERÄNDERUNG SCHAFFT UNSICHERHEIT UND VIEL GE-
SPRÄCHSBEDARF: IN DEN MEISTEN UNTERNEHMEN WIRD ZU
WENIG DARÜBER GEREDET.
„Bei Mitarbeitern herrscht oft große Unsicherheit über Sinn,
Zweck und Ziele von Veränderungen. Darüber wird zu wenig kom-
muniziert.“
JA 71 % 29 % NEIN
VERÄNDERUNG WIRD GAR NICHT GEWOLLT: DIE WIDERSTÄN-
DE SIND GROSS, VOR ALLEM ÜBER BEREICHE HINWEG.
„Die Bereitschaft zu Veränderungen ist bei vielen Mitarbeitern
nicht vorhanden. Insbesondere bei bereichsübergreifenden Ver-
änderungen stoßen wir auf Widerstände.“
JA 72 % 28 % NEIN
VERÄNDERUNG IST EIN MARATHON, KEIN SPRINT: ZWEI DRIT-
TEL DER UNTERNEHMEN GEHT UNTERWEGS DIE PUSTE AUS.
„Unsere Veränderungsprozesse verlieren nach der ersten Pro-
jektphase meist deutlich an Schwung oder schlafen nach einer
gewissen Zeit völlig ein.“
JA 62 % 38 % NEIN
CEOs ZU VERÄNDERUNGSPROZESSEN
WIR HABEN CEOs UM IHRE MEINUNG ZU VERÄNDERUNGSPROZESSEN IN UNTERNEHMEN
GEBETEN. 112 HABEN GEANTWORTET*. HIER SIND DIE ERGEBNISSE.
Autoren Markus Webhofer und Felix Lente
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WAS WIR AUS DIESEN ZAHLEN LESEN: VERÄNDERUNG
BRAUCHT DIALOG, QUER DURCH DAS UNTERNEHMEN
Veränderung tut not, das ist in der heutigen volatilen Wirtschafts-
welt wahrer denn je. Unternehmen müssen sich laufend anpas-
sen, um nicht unter die Räder zu kommen. Umso erschreckender,
dass mehr als die Hälfte aller Veränderungsprojekte in Unterneh-
men ihre Ziele verfehlen. Die Frage ist: warum?
Aus der Studie „CEO OPINION #01: Veränderungsprozesse in Un-
ternehmen“ des Institute of Brand Logic ergeben sich einige Hin-
weise. Zwar ist den CEOs bewusst, dass es bei Veränderungspro-
zessen darauf ankommt, wie einig sich das Managementteam ist.
Nur, was folgt daraus? Jeder Dritte gibt den Führungskräften die
Ziele der Veränderung einfach vor, statt sie im gemeinsamen Dia-
log zu entwickeln. Und zwei von fünf CEOs beklagen sich darüber,
dass die Führungskräfte die gewünschte Veränderung nicht vorle-
ben. Aus unserem Beratungsalltag wissen wir: Unternehmen,
­denen es gelingt, ihre Führungsmannschaft von vornherein inten-
siv in den Veränderungsprozess einzubinden, bewältigen den
Wandel deutlich erfolgreicher.
Doch die Einbindung der Führungsebene ist nicht der einzige Er-
folgsfaktor. Die Herausforderung setzt sich im mittleren Manage-
ment fort, denn dieses sorgt operativ für die Verwirklichung der
angestrebten Ziele. Über die Relevanz seiner Position für das Ge-
lingen ist es sich jedoch nicht bewusst, klagt jeder vierte CEO.
Auch dies deckt sich mit den Erfahrungen aus unserem Bera-
tungsalltag: Die enge Einbindung des mittleren Managements in
den Veränderungsprozess ist mitnichten vertane Zeit, sondern
entscheidend für den Umsetzungserfolg.
Mit Blick auf die Mitarbeiterschaft insgesamt zeigt sich die Heraus­
forderung noch viel deutlicher. Die befragten CEOs bestätigen
mehrheitlich die durch Veränderungsprozesse ausgelösten Verun-
sicherungen und Widerstände im Unternehmen. Der Gesprächs­
bedarf darüber ist groß, doch es wird zu wenig darüber geredet. In
der Folge geht die Energie aus, und der angestoßene Prozess zur
Zu den Autoren
Markus Webhofer (markus.webhofer@brand-logic.com) und
Felix Lente (felix.lente@brand-logic.com) waren überrascht,
wie positiv CEOs ihre eigene Rolle in Veränderungsprozessen
bewerten: Neutrale Studien, die CEOs nicht direkt befragen,
zeichnen in dieser Hinsicht meist ein weniger schmeichelhaf-
tes Bild.
*	 Umfrage des Institute of Brand Logic unter deutschsprachigen CEOs.
112 vollständig beantwortete Online-Fragebögen. Erhebungszeitraum Juni/Juli 2015.
Veränderung schläft ein. Auch das ist aus unserer Sicht ein ganz
typisches Phänomen: Unternehmen, denen es gelingt, einen akti-
ven Dialog mit allen Mitarbeitern über die Veränderung anzusto-
ßen und diesen vor allem mit Berichten über Etappenerfolge des
Prozesses lebendig zu halten, sind deutlich im Vorteil. Das Fazit
ist daher eindeutig: Veränderungsprozesse sollten vom Dialog
quer durch das Unternehmen begleitet werden. Denn es ist er-
folgsentscheidend, ob die Ziele einer Veränderung auf Führungs-
ebene, im mittleren Management und bei jedem Mitarbeiter ver-
standen, angenommen und gelebt werden.
ES IST ERFOLGSENTSCHEIDEND, OB DIE ZIELE EINER
VERÄNDERUNG AUF FÜHRUNGSEBENE, IM MITTLEREN
MANAGEMENT UND BEI JEDEM MITARBEITER VER-
STANDEN, ANGENOMMEN UND GELEBT WERDEN.
CEO OPINION
MEINUNGSSTUDIE DES
INSTITUTE OF BRAND LOGIC
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
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AUF MARKE GEBAUT
DIE TRANSFORMATION DES ZIEGELHERSTELLERS WIENERBERGER ZUR
FÜHRENDEN MARKE FÜR ZUKUNFTSWEISENDE BAUSTOFFLÖSUNGEN
Autoren Martina Mertzbach und Christoph Ettlmayr
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Blick in die Ziegelherstellung bei Wienerberger
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
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Der 1819 in Österreich gegründete Ziegelhersteller Wienerberger
ist heute einer der international führenden Baustoffkonzerne. Die
Erfolgsgeschichte ist spannend und abwechslungsreich: In den
Jahren rund um die Jahrtausendwende schwimmt Wienerberger
auf einer enormen Welle des Erfolgs. Doch die Wachstumsma-
schinerie gerät ins Stottern, als die Wirtschaftskrise Wienerber-
ger 2008/2009 mit voller Kraft trifft. Nach erfolgreicher Sanierung
stellt sich im Jahr 2010 dann die Frage: Wie soll die Zukunft von
Wienerberger aussehen? Wofür soll das Unternehmen stehen?
Die Antwort legt den Grundstein des heutigen Erfolgs: Der Markt-
führer wächst nachhaltig und profitabel.
EIN JAHRHUNDERT GEPRÄGT VON DYNAMISCHEM WACHSTUM
1819 in Wien gegründet, steht Wienerberger seit Generationen für
Qualitätsziegel. Eine für die Marke attraktive und wettbewerbs­
fähige Position, die stetiges Wachstum sichert: Ziegel ist in vielen
Ländern und Kulturen ein seit Generationen bewährter Baustoff
für das private Wohnheim. Der Großteil der Häuslbauer setzt auf
Ziegel und somit meist automatisch auch auf den Marktführer
Wienerberger.
Die Marke wächst verlässlich, und in den 90er-Jahren schießt der
Umsatz weiter nach oben: Der Bauboom kurbelt das Geschäft an,
die Ost-Öffnung bietet Zugang zu neuen Märkten, Greenfield-Pro-
jekte und erfolgreiche Übernahmen sorgen für Wachstum – das
Unternehmen floriert.
DIE STARKE ABHÄNGIGKEIT VOM BAUSTOFF ZIEGEL
MACHTE DAS UNTERNEHMEN IN HOHEM MASSE VON
MAKROÖKONOMISCHEN FAKTOREN ABHÄNGIG.
DIE WIRTSCHAFTSKRISE SCHLÄGT ZU
Die Wirtschaftskrise im Jahr 2008 trifft Wienerberger heftig. Die
starke Abhängigkeit vom Baustoff Ziegel macht das Unternehmen
zugleich in hohem Maße von makroökonimischen Faktoren ab-
hängig. Ist die wirtschaftliche Situation schlecht, bricht der Neu-
bau von Eigenheimen ein – und damit der Umsatz von Wienerber-
ger. Zudem verliert der Ziegel seit den 90er-Jahren im Vergleich
zu anderen Baustoffen nach und nach an Bedeutung. Alternative
Materialien sind auf dem Vormarsch, und dem Naturprodukt Zie-
gel haftet das Image eines traditionellen, konservativen Baustoffs
an. Für Individualität suchende private Bauherren steht zuneh-
mend die Architektur bzw. der erlebte Wohnraum im Vordergrund
und nicht mehr der Baustoff selbst.
AUS EIGENER KRAFT WACHSEN
Durch stringentes Management, geprägt von Restrukturierungen
und Kostensenkungsprogrammen, gelingt es Wienerberger, sich
in den Krisenjahren erfolgreich zu restrukturieren. Finanziell ab-
gesichert, steht Wienerberger 2010 vor essenziellen Fragen:
	 Wie muss das Kerngeschäft für die Zukunft definiert werden,
um den Unternehmenserfolg nachhaltig sicherzustellen?
	 Worin muss Wienerberger sich von den Hauptwettbewerbern
unterscheiden, um seine Kunden nachhaltig zu überzeugen?
	 Wie können bestehende Stärken und Kernkompetenzen besser
ausgespielt werden?
	 Wie können am Markt verlässlich wertgerechte Preise durch-
gesetzt werden?
	 Mit welcher Logik kann Wienerberger systematisch profitab-
les Wachstum sicherstellen und weiter vorantreiben?
Auf der internationalen Management-Tagung 2010 erklärt die
­Führungsspitze die Ausarbeitung eines klaren Zukunftsbildes für
Wienerberger zur Priorität. Es gilt, die Marke neu zu positionieren,
mit dem Ziel, Wienerberger unabhängiger von Marktdynamiken und
dem Kernprodukt Ziegel zu machen. Neue Geschäftsfelder sollen
zur Risikodiversifizierung dienen und Wachstumspotenzial eröffnen.
EIN GEMEINSAMES BILD VON DER ZUKUNFT
Dem Vorstand ist die Dimension der Aufgabe bewusst: eine neue
Positionierung wird Folgen für die gesamte Organisation haben.
Er beschließt, die Fragen zur Zukunft der Marke daher nicht nur
im obersten Führungskreis zu diskutieren. Neben nüchternen
Analysen und faktenbezogenen Erkenntnissen soll die Organisa­
tion bereits bei der Entwicklung des Zukunftsbildes durch einen
bereichsübergreifenden Dialog in den Denkprozess eingebunden
werden und so das Unternehmen entscheidend voranbringen.
„
Es gibt viele Fragen, denen wir uns als
Unternehmen in voller Verantwortung stellen müssen.
Nach den richtigen Antworten werden wir suchen,
und zwar in einem gemeinsamen Prozess.
“
(Heimo Scheuch, 2011)
2010 ERKLÄRT DIE FÜHRUNGSSPITZE DIE
AUSARBEITUNG EINES KLAREN ZUKUNFTSBILDES
FÜR WIENERBERGER ZUR PRIORITÄT.
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Zur Person
1996 kam Heimo Scheuch als Assistent des Vorstands
zur Wienerberger AG, wechselte 1997 in das Senior
Management zu Terca Bricks in Belgien und wurde
1999 ihr CEO. Vor seiner Bestellung zum Vorstands-
vorsitzenden der Wienerberger AG durch den Auf-
sichtsrat am 1. August 2009 war Heimo Scheuch seit
21. Mai 2001 Mitglied des Vorstands.
„WIR HABEN UNS BEWUSST ENTSCHIEDEN, AUCH IN UNGE-
MÜTLICHEN ZEITEN AN DIE ZUKUNFT ZU DENKEN.“
DREI FRAGEN AN HEIMO SCHEUCH, VORSTANDSVORSITZEN-
DER DER WIENERBERGER AG
Wienerberger hatte im Jahr 2010 eine herausfordernde Sanierungs- und
Restrukturierungsphase gerade erfolgreich überstanden. Warum haben
Sie sich gerade zu diesem Zeitpunkt zur Schärfung des Unternehmenspro-
fils entschlossen?
Heimo Scheuch: Die ersten Gedanken zur Entwicklung des Erfolgs-
profils starteten 2010 zu einer Zeit, in der sich das Unternehmen in
einem strukturellen Umbruch befand und wir eben erst die welt-
weite Finanzkrise hinter uns gelassen hatten. Wir haben uns aber
damals bewusst dazu entschieden, auch in ungemütlichen Zeiten
an die Zukunft zu denken, uns zu diversifizieren, breiter aufzustel-
len und uns als Komplettanbieter von Ziegeln, Rohren und Flä-
chenbefestigungen zu positionieren. Durch diese Weiterentwick-
lung unserer Unternehmensorganisation wie auch unserer
Produkte und Systemlösungen sahen wir die dringende Notwen-
digkeit, unser Unternehmensprofil zu stärken. Wofür stehen wir,
und wo wollen wir hin? Wie werden wir wahrgenommen, und wie
möchten wir wahrgenommen werden? All diese Veränderungen
und Fragen wurden von der Entwicklung des Erfolgsprofils 2011
und 2012 begleitet und aufgegriffen. Viele Kollegen haben sich
stellvertretend für beinahe 15.000 Mitarbeiter/-innen mehrere
Monate intensiv damit beschäftigt, wer wir sind und was uns über
alle Landes- und Unternehmensgrenzen hinweg verbindet. Das
Wichtigste dabei war jedoch, in die Zukunft zu schauen und für uns
zu definieren, wofür die Marke Wienerberger stehen soll. Aber
nicht nur wir, sondern auch unsere Kunden, Partner und Aktionä-
re sollten ein klares Bild von Wienerberger haben.
Was hat der Prozess für Wienerberger bewirkt?
Heimo Scheuch: Die Entwicklung des Erfolgsprofils hat uns dabei
geholfen, nach Jahren der Krise, die sicherlich einige Unsicher-
heiten ausgelöst hat, wieder vereint an einem Strang zu ziehen
und positiv in die Zukunft zu schauen. So haben wir gemeinsam
unsere Vision mit Leben erfüllt und sie im Unternehmen veran-
kert. Ich bin mir sicher, dass durch diese präzise ausformulierte
interne Ausrichtung unser Projektmanagement – um nur ein Bei-
spiel zu nennen – nun zielgerichteter abläuft. Auch davon, dass
dieser interne Prozess externe Auswirkungen hat und damit unse-
re Marke positiv und nachhaltig beeinflusst, bin ich überzeugt.
Welche Rolle hat der Vorstand im Prozess gespielt? Und welche Rolle neh-
men Sie heute ein, wenn es um die Führung der Marke geht?
Heimo Scheuch: Veränderungsprozesse in einem derart großen Un-
ternehmen wie der Wienerberger AG müssen vom Vorstand initi-
iert und angeleitet werden. Nur so sind eine konsistente Umset-
zung und ein kontinuierliches Vorantreiben überhaupt möglich.
Gleichzeitig war aber auch die zeitgerechte Einbindung unserer
Mitarbeiter/-innen zur inhaltlichen Ausgestaltung des Prozesses
und zur Identifikation mit dessen Inhalten unerlässlich. Denn
­diese sind in ihren spezifischen Gebieten unsere Experten. Letzt-
lich verlangt es aber das persönliche Engagement des Vorstan-
des, und ich sehe mich dadurch selbst in die Pflicht genommen,
oberster Botschafter des Erfolgsprofils zu sein. Heute engagiere
ich mich für die Weiterführung des Erfolgsprofils, denn das
Unterne­hmen hat sich in den letzten Jahren verändert – wir haben
unsere Produktpalette erweitert –, und dies muss sich auch im
­Erfolgsprofil der Wienerberger widerspiegeln.
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Facts and Figures Wienerberger-AG
GEGRÜNDET 1819
MARKTPOSITION Hintermauerziegel: Nr. 1 weltweit	 Kunststoffrohre: Führende Position in Europa
Vormauerziegel: Nr. 1 in Europa, Co-Leader in den USA	 Keramische Rohre: Nr. 1 in Europa
Tondachziegel: Nr. 1 in Europa	 Betonsteine: Nr. 1 in Zentral-Osteuropa
HAUPTNIEDERLASSUNG Wien
WERKSSTANDORTE
IN FOLGENDEN LÄNDERN
Österreich, Schweiz, Tschechien, Slowakei, Polen, Estland, Finnland, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Russland,
Italien, Kroatien, Slowenien, Serbien, Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Niederlande, Großbritannien,
Belgien, Mazedonien, Frankreich, Indien, Kanada, USA, Griechenland, Türkei, Irland
STREUBESITZ 100 %
UMSATZ 2014 2.834,5 Mio. €
ERGEBNISSE 2014 EBITDA operativ 317,2 Mio. €
EBIT operativ 100,2 Mio. €
ANZAHL DER MITARBEITER 2014 14.836
Gemeinsam mit dem Institute of Brand Logic startet Wienerberger
im Januar 2011 einen umfassenden Unternehmensentwicklungs-
prozess. Erklärte Ziele für den Prozess sind:
1.	ein spezifisches und differenziertes Positionierungsprofil von
Wienerberger zu erarbeiten,
2.	 ein gemeinsames Vorstellungsbild von der zukünftigen Aus-
richtung von Wienerberger bei Mitarbeitern und Führungs-
kräften zu etablieren und
3.	die Ergebnisse aus dieser Arbeit unternehmensweit mit aller
Konsequenz umzusetzen.
Für die erste Phase, in der die Entwicklung des Unternehmens­
profils im Mittelpunkt steht, wird ein Team aus 60 Personen aus
verschiedenen Ländern, Bereichen und Funktionen der Organisa-
tion zusammengestellt. Grundlegende Fragen werden intensiv
diskutiert und von unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.
Durch fundierte Analysen und Dialoge wird das Projektteam rund
um den Vorstand Stück für Stück befähigt, die richtigen Entschei-
dungen zu treffen und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu
stellen. Erstes Teilergebnis des Prozesses ist das neu formulierte
Markenprofil. Durch die konsequente Einbindung aller Bereiche
bei seiner Entwicklung genießt es von Anfang an breite Zustim-
mung. Im Zentrum des Markenprofils steht der Anspruch, durch
innovative, hochwertige und anwenderorientierte Systemlösun-
gen einen klaren Mehrwert für Kunden zu schaffen. Umfassende
Beratungs- und Serviceleistungen, die schon bei der Planung von
Projekten ansetzen, sind wesentlicher Bestandteil der Neuaus-
richtung. Für Wienerberger heißt es: weg vom Baustoff als Com-
modity – hin zu Baustofflösungen mit klarem Nutzen für alle rele-
vanten Stakeholder.
Der erste Schritt ist getan: das Bild über die eigene Zukunft ist klar.
Nun gilt es, die ambitionierte Positionierung kraftvoll zu realisieren.
NEBEN DEM VORSTAND ACHTET EINE SUCCESS
PROFILE MANAGERIN AUF DIE LAUFENDE
WEITERENTWICKLUNG DES UNTERNEHMENS IM
SINNE DER MARKE.
DIE MARKE IM ZENTRUM DER UNTERNEHMENSENTWICKLUNG
Sorgfältig werden die Kernthemen für die erfolgreiche Realisie-
rung des Markenprofils identifiziert und in klar definierten Projekt-
aufträgen an Arbeitsgruppen übergeben. Eine Steuerungsgruppe
gibt (Teil-)Ergebnisse frei und sorgt für die nötige Transparenz und
den übergreifenden Austausch im Gesamtprozess. Die Kommuni-
kation und die Markenarchitektur werden vom Institute of Brand
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Zu den Autoren
Martina Mertzbach (martina.mertzbach@brand-logic.com)
und Christoph Ettlmayr (christoph.ettlmayr@brand-logic.
com) staunten bei der Arbeit für Wienerberger nicht nur über
die Dimensionen des Geschäfts (aus Wienerberger Produkten
wurden 2014 143.000 Häuser erbaut, 242.000 Dächer ge-
deckt und 470.000 km Rohre verlegt), sondern auch über die
Geschäftsberichte: so augenzwinkernd-charmant wie Wien-
erberger berichtet kaum ein Konzern über Zahlen.
Logic überarbeitet – logisch aus dem Markenprofil heraus abge-
leitet. Den Business Units der Wienerberger AG mit ihren eigenen
Leistungsmarken (Wienerberger, Pipelife, Semmelrock und Ge-
neral Shale) wird rasch Eigenverantwortung für die Übersetzung
und Implementierung des Gruppenprofils auf ihrer Ebene über-
tragen. Auch hier sollen die Kompetenz und Energie aller Mitar-
beiter den erfolgreichen Wandel beschleunigen. Das Bild von der
Zukunft wird Stück für Stück Realität.
Heute ist der Erfolg der Marke in der Verantwortung des gesam-
ten Unternehmens. Neben dem Vorstand achtet eine Success Pro-
file Managerin auf die laufende Weiterentwicklung des Unterneh-
mens im Sinne der Marke.
EINE STARKE MARKE AUF ERFOLGSKURS
Der Umsetzungserfolg wird für die internationale Management-
Tagung 2015 umfassend evaluiert. Das Ergebnis zeigt, dass das
Success Profile breit im Unternehmen verankert und bereits an
vielen Kontaktpunkten kraftvoll realisiert ist. Dies gilt sowohl auf
Gruppenebene als auch für die einzelnen Business Units. Für die
weitere erfolgreiche Implementierung werden Aktivitäten abgelei­
tet und deren Umsetzung initiiert. Vor dem Hintergrund, dass rund
vier von fünf Change-Projekten scheitern, wie zahlreiche ­inter­­­na-­­
tionale Studien belegen, ist das ein beindruckendes Resultat. Bei
Wienerberger gelten die frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter
bereits in der Entwicklung und das klare Bekenntnis der Führungs­
ebene zum Prozess als entscheidende Faktoren dieses Erfolgs.
DIE FRÜHZEITIGE EINBINDUNG DER MITARBEITER
BEREITS IN DER ENTWICKLUNG UND DAS KLARE
BEKENNTNIS DER FÜHRUNGSEBENE ZUM PROZESS
WAREN ERFOLGSENTSCHEIDEND.
Auch am Markt zeigt das Programm Wirkung: Die Wienerberger
AG kann im ersten Quartal 2015 ein Umsatzplus von 5 % auf 613
Mio. € sowie eine deutliche Steigerung des operativen EBITDA um
21 % auf 34 Mio. € gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres
erzielen.
Klar definiertes Ziel von Wienerberger ist es, durch Kundennähe
und Innovationskraft in allen Märkten die führende Position zu
halten bzw. weiter auszubauen. Wienerberger soll schneller
wachsen als der Markt. Das Markenprofil sorgt dabei für ein klares
Zukunftsbild und eint das Unternehmen in seinen Bestrebungen.
Zur Fortsetzung der Erfolgsgeschichte baut Wienerberger weiter
auf seine Marke.
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WANDEL ALS CHANCE, NICHT ALS BEDROHUNG
WAS MÜSSEN UNTERNEHMEN KÖNNEN, UM DEN HERAUSFORDERUNGEN
EVOLVIERENDER MÄRKTE ZU BEGEGNEN? EIN DISKURS AM AKTUELLEN BEISPIEL
DER AUTOMOBILINDUSTRIE.
Autoren Lesley Craggs und Stefania Cimino
Konstanter Wandel des Automobilmarkts
Daimler Motorkutsche
Der Anfang ist gemacht.
Ford Modell T
Etablierung der Massenfertigung
VW Käfer
Meistverkauft: Einer für alle
Mercedes S-Klasse
Die Redefinition der Oberklasse
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Märkte wandeln sich. Was gestern noch als Innovation galt, wird
heute bereits als Standard gesehen und ist morgen schon ein alter
Hut. Das Phänomen ist in der Wirtschaftstheorie vom Marktle-
benszyklus bis zum Gartner Hype-Cycle aus vielen Perspektiven
beschrieben: Entstehung, Wachstum, Reife und Stagnation gefolgt
vom Abschwung. Von der Geburt bis zum Sterben eines Markts
oder aber seiner Neubelebung durch Innovationen. Denn die
Nachfrage der Konsumenten bleibt ja bestehen, nur die Angebote
wandeln sich.
Live beobachten lässt sich der Wandel eines Markts derzeit in der
Automobilindustrie. Und das nicht, weil VW und vermutlich auch
einige weitere klassische Hersteller dem Überleben ihrer Basis-
technologie Verbrennungsmotor mit unlauteren Tricks nachge-
holfen haben. Die Zeichen für den Wandel zeichnen sich schon seit
Längerem ab: Die Autonutzung hat ihren Höhepunkt erreicht, es
findet ein gesellschaftliches Umdenken beim Thema Mobilität
statt, denn die Vorteile digitaler Vernetzung werden auch in diesem
Lebensbereich immer konkreter. Traditionelle Automobilher­
steller sehen sich mit neuen Kundenansprüchen, Wettbewerbern
und Technologien konfrontiert. Der ehemalige VW-Chef Martin
Winterkorn hatte also gute Gründe, als er bereits Anfang 2014 in
einer internen Ansprache konstatierte: „Unsere Branche steht in
den nächsten Jahren vor einem der größten Umbrüche seit Beste-
hen des Automobils.“ Unternehmen, die den natürlichen Wandel
überleben wollen, müssen sich mit ihrem Markt evolvieren. Sie
um 50 % bis 2020 vorher (von 54 auf 79 Mrd. €). Doch die Zeichen
mehren sich, dass das Auto als Statussymbol ausgedient hat und
sich die Wege der Fortbewegung substanziell verändern. Es geht
ab jetzt um mehr als nur Pferdestärken und Drehmoment. Die
Nervosität in den etablierten Unternehmen wächst, denn die Ent-
wicklungsgeschwindigkeit der vergangenen Jahre wurde unter-
schätzt. Anlässlich der IAA sagte BMW-Chef Harald Krüger der
Süddeutschen Zeitung: „Unser Geschäft bekommt ganz neue
Spielregeln“, und weiter: BMW müsse „die neuen Regeln perfekt
beherrschen“.
DER BEDARF VERÄNDERT SICH
Die Nachfrageseite zeigt schon seit einigen Jahren Anzeichen des
stetigen Wandels: unsere Gesellschaft siedelt um, und neue Werte
setzen sich durch.
	 Trend zur Urbanisierung
	 Fakt ist, das Autofahren in Großstädten ist eine Qual: verstopf-
te Verkehrswege, enge Straßen, keine Parkplätze und viele
Zusatzkosten wie City-Maut oder Parkgebühren. Der unge­
heure Platzbedarf von Automobilen wird zum teuren und
zeitfressen­den Nachteil. Nüchtern betrachtet sind sie in der
Stadt eine der ineffizientesten Formen individueller Mobilität.
Doch Städte sind der Lebensraum der Zukunft.
	 Trendstudien prognostizieren einen Anstieg der Bevölkerung
in urbanen Räumen um 80 % bis 2050. Viele urbane Bewohner
BMW X6
Cross-Over für jede Marktnische
Tesla Model S
Elektromobiles Premiumsegment
Google Car
Autonomes Fahren auf Fingertipp
müssen den Wandel rechtzeitig erkennen und beginnen sich ihm
anzupassen. In der Automobilindustrie und darüber hinaus lautet
also die Frage: Was müssen Unternehmen konkret tun, um am
Wandel zu partizipieren, statt von neuen Wettbewerbern vorge-
führt und an den Rand gedrängt zu werden?
TRADITIONELLE AUTOMOBILHERSTELLER SEHEN SICH
MIT NEUEN KUNDENANSPRÜCHEN, WETTBEWERBERN
UND TECHNOLOGIEN KONFRONTIERT.
DER WANDEL DES AUTOMOBILMARKTS
Die Prognosen scheinen glänzend: McKinsey sagte noch vorver-
gangenes Jahr eine Gewinnsteigerung der 17 größten Hersteller
nutzen bereits heute das alternative Angebot: verbesserte
­Anbindungen der öffentlichen Verkehrsmittel oder neue Kon-
zepte wie Car Sharing, die dank digitaler Vernetzung endlich
praktikabel werden.
	 Veränderung des Konsumverhaltens
	 Die sogenannte Generation Y (Geburtsjahr 1971–1997) zeichnet
sich durch ein anderes Verbrauchsverhalten aus. Diese Gene-
ration ist keine „Spaßgeneration“, ihnen geht es um die Bewah­
rung, aber auch um die Veränderung der Welt. Strategischer
Konsum, Klimawandel, Ressourcenknappheit, aber auch der
Drang nach technologischer Weiterentwicklung sind für die
Generation Y komplementäre Alltagsthemen.
Diese essenziellen Treiber unserer Gesellschaft müssen in die
Mobilitätslösung der Zukunft integriert werden. Für Automobil-
hersteller bedeutet das, Trends wie vernetztes, automatisiertes
Fahren zur Verbesserung der Lebensqualität und Emissionsfrei-
heit zum Schutz unserer Umwelt in ihre Produkte aufzunehmen.
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NEUE WETTBEWERBER SCHAFFEN ALTERNATIVE ANGEBOTE
Die neuen Bedürfnisse der Konsumenten öffnen den Markt für
neue Mitbewerber. Viele Quereinsteiger erkennen das Potenzial
und punkten mit differenzierenden oder innovativen Kernkompe-
tenzen.
	 Der Underdog: Tesla
	 Der amerikanische Neuling Tesla sorgt für Aufse-
hen in der Automobilindustrie. Mit einem Team aus
ambitionierten Silicon-Valley-Ingenieuren konzent-
riert sich der branchenfremde Milliardär Elon Musk auf bis-
lang branchenunübliche Kernkompetenzen: leistungsfähige
Batterien, exzellente Bordelektronik und ein flächendeckendes
Ladenetz. Seine Fahrzeuge setzen voll auf den Elektroantrieb
und sind im margenstarken Premiumsegment positioniert.
Inzwischen jagt Tesla den etablierten Branchengrößen BMW,
Mercedes, Lexus und Audi empfindliche Marktanteile in den
hart umkämpften progressiv-modernen Zielgruppen ab. Sicher
jedes zweite Premiumauto, das dieser Tage durchs Silicon
Valley fährt, ist ein Tesla Model S. Ihr zweites Modell ist der-
zeit in Vorbereitung und setzt diese Strategie fort: es wird ein
hochwertiger, emissionsfreier SUV mit uneingeschränktem
Fahrspaß.
	 Die Internetriesen
	 Neben den Autoherstellern drängen auch ver-
mehrt IT-Konzerne wie Apple oder Google in den
Markt. Die Konkurrenz aus dem
Silicon Valley arbeitet emsig an der Reali-
sierung von vernetzter und vollautomati-
sierter Mobilität. Mit beeindruckender
Leichtigkeit werben sie verdächtig viele Mitarbeiter aus der
Automobilbranche ab, während die traditionellen Hersteller
IT-Experten mühsam für sich gewinnen müssen. Apple und
Google provozieren die traditionelle Industrie gezielt: mit den
enormen Kapitalreserven, der innovationserprobten Organi-
sationskultur und dem großen Kundenstamm wird ihnen ein
schneller Eintritt in die Branche zugetraut.
DIE INTERNETINDUSTRIE IST ERFAHREN IN DER DISRUPTION
ATTRAKTIVER MÄRKTE
„Es gibt Unternehmen außerhalb der Branche, die auf unsere
Industrie blicken. (...) Wir müssen noch innovativer als bisher
werden“, warnt Mark Fields, CEO der Ford Motor Company.
Andernfalls kann es passieren,
dass Branchenneulinge den Markt
redefinieren. Dass es vor allem IT-
Firmen in der Vergangenheit gelun-
gen ist, erfolgreich in einen neuen
Markt einzusteigen und etablierte
Unternehmen kurzerhand vom Thron zu stoßen, zeigt sich an Nokia.
Die Erfolgsstory des Apple iPhones basierte nicht nur auf der da-
maligen Novität des Produktes, sondern auch auf dem verpassten
Momentum des lange Jahre unangefochtenen Marktführers No-
kia. Dieser erkannte das Ausmaß der Marktveränderung erst viel
zu spät, handelte dann glücklos und fahrig. So kam es, dass zuerst
Apple – und später auch Samsung und Google – Nokia den neu
entstehenden Smartphone-Markt vor der Nase wegschnappten.
Der einstmals starken Marke mit spezifischem Nutzen gelang es
nicht mehr, ihren Kunden ein attraktives und nachvollziehbares
Angebot zu machen. Stattdessen wurde Nokia zu einem aus-
tauschbaren Hardware-Gerät ohne wahrnehmbaren Mehrwert.
Die Führungspersonen der traditionellen Autobauer wissen ge-
nau, dass sie Tesla, Apple und Google nicht unterschätzen dürfen.
Auch wenn die Aufgabe durch den VW-Skandal deutlich schwerer
wird, allein schon deswegen, weil ihr Image als Innovationstreiber
des Marktes dadurch dahin ist. Nur so erklärt sich, warum BMW-
CEO ­Harald Krüger sich wiederum in der Süddeutschen Zeitung zu
folgender Aussage hinreißen ließ „Ich halte eine Einteilung in tra-
ditionelle und moderne Autobauer für unangebracht.“
Doch auch er macht klar, dass künfti-
ger Erfolg von folgenden Fragen ab-
hängt: „Wie nutze ich die Möglichkei-
ten der Digitalisierung für meine
Kunden und für mein Unternehmen?
Und: Wie kann ich individuelle Mobili-
tät so nachhaltig und umweltfreund-
lich wie möglich anbieten?“ Dies gelte
„für alle, egal, ob Sie im Silicon Valley
oder in Bayern zu Hause sind“.
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WANDEL SCHAFFT VERUNSICHERUNG, EIN KLARES ZU­
KUNFTS­BILD SCHAFFT SICHERHEIT
Dass mit dem Wandel Verunsicherung einhergeht, ist ein typi-
sches Phänomen. Doch um Wandel als Chance zu nutzen, brau-
chen ­Unternehmen eine verlässliche Entwicklungsperspektive.
Sie müssen ein klares Bild von ihrer Zukunft haben. Ein Bild, das
über die Sonntagssprüche aus Unternehmensleitbild oder Strate-
gie hinausgeht. Das Zukunftsbild muss das Leistungsversprechen
des Unternehmens an den Markt beschreiben und seine differen-
zierenden und herausragenden Kernkompetenzen klar benennen.
Nur wenn es diesen konkreten Leistungsauftrag gibt und er von
allen Bereichen des Unternehmens anerkannt, getragen und gelebt
wird, kann er orientierende Wirkung nach innen und nach außen
entfalten. Das ist die zentrale Voraussetzung für die Bewältigung
des Wandels. Darum gilt es, ausgehend von den historischen Er-
folgsmustern eines Unternehmens und unter Einbeziehung seiner
etablierten Kompetenzen, mit einem nachvollziehbaren Zukunfts-
bild klar die Richtung vorzugeben, wie und welche neuen Fähigkei-
ten im Unternehmen aufzubauen sind. Das ist die Aufgabe.
	 Die Stärken neu interpretieren
	 Die Vision des individualisierten Fahrvergnügens ist nicht nur
der vergangene, sondern auch zukünftige Leistungsauftrag.
Angesichts zunehmend urbanisierter Lebenswelten und einem
gewandelten Konsumverhalten ist das jedoch nicht mehr eine
Frage der Zylinderzahl und sportlicher Lenkung. Stattdessen
muss das Fahrvergnügen vor dem Hintergrund des teil- oder
vollautomatisierten Fahrens und der emissionsfreien Mobili-
tät neu interpretiert werden.
	 Bei Daimler lässt sich erkennen, wie ein Konzern beginnt, sei-
ne Pionierstärke ganz im Sinne seiner Rolle als „Erfinder des
Automobils“ auch in diesen neuen Bereichen zu forcieren. So
ist es zu interpretieren, wenn Daimler-Chef Zetsche sich in der
BILD-Zeitung mit Aussagen wie „Das Auto fährt uns bald ganz
allein zur Arbeit“ zitieren lässt. In Sachen Elektromobilität be-
teiligte der Konzern sich bereits früh an Tesla und ist auch
nach seinem Ausstieg bei den Kali-
forniern durch Kooperationen eng
mit ihnen verwoben. Auch bei der digi­
talen Vernetzung setzt das Unterneh-
men deutlich Signale. Die massiven
Investitionen in Mobilitätsalternativen
wie das Car-Sharing-Angebot „Car-
2Go“ und Beteiligungen an Mobilitäts-Apps wie „moovel“ oder
„myTaxi“ zeugen davon, mit welcher Konsequenz Daimler Fä-
higkeiten in digital-getriebenen Kompetenzbereichen erwirbt
und in sein Portfolio integriert. Und auch vor strategischen
Allianzen mit den rivalisierenden Premiumherstellern Audi
und BMW schreckt Daimler nicht zurück: Mit dem Kauf des
Kartendienstes „Here“ von Nokia rüsten sich die Big Player für
eine eigenständige Zukunft der autonom fahrenden Autos.
	 Ausrichtung für die Transformation
	 Die Stärkung der Kernkompetenzen und Entwicklung neuer
Leis­tungen reichen aber nicht für die Führung des Marktwan-
dels. „Neben all den technischen Fragen bleibt die Herausfor-
derung, dass wir das Gespür für unsere Kunden, vor allem die
jüngeren, behalten. (...) Deshalb müssen wir uns anders orga-
nisieren, um in Zukunft bestehen zu können“, mahnt Daimler-
Chef Zetsche. So gibt das Zukunftsbild neben der Evolution
des Angebots auch den Rahmen für die Neuausrichtung der
Organisation vor. Neue Kompetenzen und Produkte fordern
adaptierte Strukturen und Prozesse, um eine Leistungser-
bringung zu garantieren, welche die neuen Marktbedürfnisse
bedient. Das macht es umso wichtiger, dass die Vorstellungen
über die Zukunft in der gesamten Organisation verstanden
und geteilt werden. Das schafft Stabilität in unsicheren Zeiten
für die Organisation und ihre Mitarbeiter.
MARKTWANDEL: VON DER BEDROHUNG ZUR CHANCE
Die durch Marktdisruptionen ausgelöste Unruhe und Verunsiche-
rung von Management und Mitarbeitern stellt eine der größten
Bedrohungen etablierter Unternehmen dar. Typische Symptome
sind „Aktionitis“ und Orientierungslosigkeit der Organisation.
­Anstatt sich auf die Weiterentwicklung des eigenen Leistungs­
versprechens zu konzentrieren, beginnen sie, ihr Angebot am
­Wett­bewerb auszurichten, gleichen sich dem Einheitsbrei an und
verpulvern dringend benötigte Ressourcen, während sie ihre
Diffe­renzierung am Markt verlieren.
DASS MIT DEM WANDEL VERUNSICHERUNG EINHER-
GEHT, IST EIN TYPISCHES PHÄNOMEN.
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BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
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Ein klares
Zukunfts­bild macht
den Wandel und den
einhergehenden
Veränderungsprozess
der Organisation zur
nachvollziehbaren
Notwendigkeit. 
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Zu den Autoren
Lesley Craggs (lesley.craggs@brand-logic.com) und Stefania
Cimino (stefania.cimino@brand-logic.com) wurden beim
Schreiben dieses Artikels vom VW-Skandal überrascht.
Doch schnell war klar: an ihrer These ändert das nicht viel:
Die Bedrohung ist größer, der Bedarf, Wandel als Chance zu
nutzen, höher.
04
01	 Mark Fields, CEO Ford Motor Company
02	 Harald Krüger, Vorstandsvorsitzender BMW AG
03	 Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender Daimler AG
04	 Martin Winterkorn, ehem. Vorstandsvorsitzender Volkswagen AG
Ein klares und verständliches Zukunftsbild und eine kritische kon-
tinuierliche Überprüfung der Positionierung am Markt sind es-
sentiell, um durch den Wandel zu führen und die Organisation auf
dieser Reise mitzunehmen. „Sind unsere Leistungen noch markt­
gerecht?“, „Differenzieren sie uns weiterhin am Markt?“ und ­„Sind
wir unserem Leistungsversprechen treu?“ – dies müssen die
leiten­den Fragen sein, mit denen das Management seine Arbeit
­immer wieder am formulierten Ziel für die Zukunft misst.
	Die neuen Kundenbedürfnisse sorgen für die konsequente
Weiterentwicklung der historischen Kernkompetenzen und
neuen Fähigkeiten im Rahmen des Zukunftsbildes – der Aufbau
von nicht relevanten Leistungen im „Gießkannenprinzip“ wird
gezielt vermieden.
	 Innovationen sind nicht mehr rein effizienz- oder technologie-
getrieben, sondern dienen der Erfüllung des Leistungsver-
sprechens für den Kunden.
	 Ein geteiltes Zukunftsbild in der Organisation, das auf den his-
torischen Stärken aufbaut, gibt den Mitarbeitern eine klare
Richtung vor und bietet die Stabilität, den als unsicher wahr­
genommenen Marktwandel mit einem klaren Leistungsauf-
trag zu überstehen.
Ein klares Zukunftsbild macht den Wandel und den einhergehen-
den Veränderungsprozess der Organisation zur nachvollziehbaren
Notwendigkeit. Es bietet dem Management die Möglichkeit, syste-
matisch und fokussiert durch die Marktevolution zu führen. Die
Kräfte im Unternehmen werden gebündelt, und der Marktwandel
wird von einer Bedrohung zur Chance.
Das Beispiel von Daimler zeigt es klar: Dr. Zetsche hat die aus-
schlaggebenden Themen am Markt erkannt und treibt die strin-
gente Ausrichtung daran gezielt voran. Die Weiterentwicklung des
Verbrennungsmotors zu einem emissionsarmen Plug-in-Hybrid-
Motor, die enge Kooperation mit Tesla für Elektroantriebe oder die
Kombination der eigenen Fahrsicherheit-Pionierrolle mit externen
digitalen Know-how-Trägern sind nur einige Merkmale konsequent
geführter Marktevolution.
Bislang gibt die strenge Orientierung am
Kerngeschäft dem Daimler-Chef recht:
­Rekordgewinn, Rekordabsatz und mit der
neuen S-Klasse ein Speerspitzenprodukt
für autonomes, emissionsarmes Fahren.
Doch damit ist erst der erste Kampf gewon-
nen. Die Transformation der großen Auto-
mobilhersteller hat gerade erst begonnen.
Der VW-Skandal wird sie ein weiteres Mal
beschleunigen. Es wird entscheidend sein,
ob es den Chefetagen der etablierten Kon-
zerne gelingt, mit einem nachvollzieh­
baren, klaren Bild von ihrer Zukunft durch
diesen disruptiven Wandel zu führen, wenn
sie nicht vorgeführt werden wollen.
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
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DIE OMNI-CHALLENGE
MIT MARKE DIE DISRUPTION IM HANDEL MEISTERN
Autoren Alex Pesjak und Peter Horvath
In vielen Fachmedien, auf Konferenzen sowie in den Chefetagen
der meisten Handelsunternehmen ist derzeit vom massiven Wan-
del im Handel, von Multichannel oder Omnichannel zu hören. Das
Thema ist in aller Munde, und auf irgendeine Art und Weise be-
schäftigen sich bereits die meisten Unternehmungen damit.
Ist die Entscheidung gefallen, und Händler starten ihre Omnichan-
nel-Initiative mit dem Ziel, ihren Kunden ein Seamless-Einkaufs-
erlebnis zu bieten, sind in der Projektphase hochkomplexe Frage-
stellungen zu klären. Was jedoch fehlt, ist ein ganzheitlicher
Prozess, der abseits von reinen Detaillösungen sicher in die Zu-
kunft führen hilft. Doch das ist erfolgsentscheidend, da Omni­
channel-Projekte hochkomplexe Eingriffe in die Leistungen,
Struktur und Kultur existierender Unternehmen sind. Zu ihrem
Gelingen braucht es einen klaren Entscheidungsrahmen für alle
Beteiligten: die Marke. Das Markenprofil determiniert den Zweck
des Unternehmens und definiert den Kundennutzen. In komplexen
Fragestellungen sorgt die Marke für das Alignment aller Bereiche
und schärft die Fähigkeiten und Kompetenzen der Organisation
hinsichtlich der Kontaktpunkte auf die Marke.
Leider tappen in der Praxis stationäre Händler bei ihrer Transfor-
mation zu Omnichannel-Retailern immer wieder in typische Fallen.
Und dies betrifft nicht nur Klein- und Mittelbetriebe, sondern auch
die vermeintlich Großen.
Beispiel: Bedeutender Spieler im LEH
Die Aufgabe „online“ wurde isoliert betrachtet und als neues Medium dem
Marketing lose zugeordnet. Nach den ersten Apps und Social-Media-Auf-
tritten wurde ein eigenes Team in der IT-Abteilung mit diesem Bereich be-
traut. Dieses hatte sich ohne echte Anbindung an das Tagesgeschäft mit
Spezialagenturen und guter Ressourcenausstattung besonders darum be-
müht, neueste Technologien und Anwendungen, die für den Einkaufspro-
zess der Kunden keine Relevanz hatten, als Erster in der Branche auf den
Markt zu bringen. Die Lösungen waren nicht auf den Kauf, sondern eher
auf Promotion oder Branchen-PR ausgerichtet. Ohne strategischen Ent-
scheidungsrahmen und Fahrplan wurde eine Initiative nach der anderen
lanciert. Nach Einsatz vieler Mittel musste die Notbremse gezogen werden,
und es erfolgte eine komplette Neuausrichtung. In der Zwischenzeit sind
die Funktionen Online-Marketing und Online-Shopping klar zugeordnet
und in einen strategischen Rahmen eingebettet. Wichtige Fähigkeiten
mussten durch neues Personal beschleunigt werden. Eine gemeinsame,
tragfähige technische Plattform wurde für unterschiedliche Marken des
Händlers implementiert. Die Agenturpartner wurden deutlich reduziert
und auf eine breitere inhaltliche Basis gestellt.
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25
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TYPISCHE FALLE NO. 1:
OMNICHANNEL WIRD FAST AUSSCHLIESSLICH MIT ONLINE
ÜBERSETZT.
Wie bei einem Tier, das seine Beute reißen will, verengt sich der
Blick von Anfang an zu rasch und fast ausschließlich auf online.
„Wir brauchen eine Online-Strategie, einen Online-Shop“ etc. In
der Folge sind alle Überlegungen links und rechts davon ausge-
blendet. Alle Energie und vor allem auch Ressourcen gehen in die-
sen Bereich. Es wird nicht überlegt, ob entlang der Customer
Journey andere Kontaktpunkte und Leistungen mehr Relevanz
hätten oder sogar überlegen wären. Die knappen Ressourcen
werden oft großzügig im Online-Bereich verbraucht.
Nicht selten ist es so, dass sich eine kleine, interne Expertentruppe
– abgekoppelt vom Geschäft – als Einäugige unter den Blinden ein
kleines Reich aufbaut. Sie orientiert sich nicht an den Customer
Journeys der eigenen und potenziellen Kunden, sondern lässt sich
von Artikeln in Fachzeitschriften, Agenturen und anderen Infor-
mationsquellen treiben. Eine Integration entlang der Einkaufsent-
scheidungsreise ihrer Kunden findet nicht statt.
Empfohlene Lösung:
MIT DEN RICHTIGEN FRAGEN STARTEN.
	Entwickeln Sie im Kollektiv Omnichannel Customer
Journeys für unterschiedliche Einkaufsanlässe von
Kunden.
	 Identifizieren Sie Stärken und Schwächen ihrer Customer
Journeys: Finden Sie heraus, was Ihre Kunden begeis-
tert und was sie enttäuscht – on- und offline.
	 Verschaffen Sie sich einen Überblick, welche Entwick-
lungen und Veränderungen durch neue Wettbewerber
oder Lösungen zu erwarten sind.
	 Klären Sie, an welchen Kontaktpunkten Sie historische
Erfolgsmuster Ihrer Marke mit zukünftiger Relevanz
ausspielen, neu inszenieren und frisch halten können.
Und vergessen Sie dabei den stationären Handel nicht!
	 Stellen Sie die Call-to-Action an den richtigen Kontakt-
punkten sicher.
TYPISCHE FALLE NO. 2:
DER BRANCHE UNKRITISCH FOLGEN UND OUTSOURCING VON
KERNKOMPETENZEN
Die Aufmerksamkeit in Organisationen liegt im Dunstkreis der
kurzfristigen Ergebnisse der eigenen Branche. Besonders wenn
unmittelbare Wettbewerber in Vorlage gegangen sind: „Die haben
das schon, das benötigen wir auch.“ Und schon agieren Firmen
nicht aus der Kraft der eigenen Marke, sondern aus branchenüb-
lichen Leistungen. Doch Me-too reicht nicht, denn nachhaltige
Wertschöpfung erzielen Sie nur mit relevanter Leistung, die sich
vom Markt distinktiv absetzt. Auch kurzfristig verlockende Out-
sourcing-Strategien für die Gewinnung von Know-how, um das
Tempo zu erhöhen und Fixkosten zu vermeiden, werden meist zum
Eigentor. Nach einiger Zeit stellen Unternehmen fest, dass ihnen
Kernkompetenzen und Insights fehlen. Besonders externe Exper-
ten mit Branchen-Know-how und vermeintlich erfolgreichen Re-
ferenzen erweisen sich hier als gefährlich. Oftmals versuchen sie
lediglich, rasch skalierbare Lösungen zu verkaufen und das Eisen
zu schmieden, so lange es heiß ist.
Empfohlene Lösung:
AUS DEM EIGENEN MARKENPROFIL GEZIELT IN DIE UM-
SETZUNG GEHEN
	Bauen Sie auf bestehenden Stärken Ihres Unterneh-
mens auf.
	 Wer sind Ihre wirklichen Wettbewerber? Wer kann Ihre
Leistungen substituieren? Wenn Sie sich selbst aus dem
Markt nehmen wollten, wie würden Sie das machen?
	 Schielen Sie nicht auf vermeintliche Erfolgsbeispiele.
Der Eindruck, „das Gras sei auf der anderen Seite immer
grüner“, täuscht.
	 Entwickeln Sie relevante und wahrnehmbare Produkt-
und Serviceleistungen aus den Erfolgsmustern der Mar-
ke und nicht aus der Technologie.
	 Fokussieren Sie auf die rasche Umsetzung erster rele-
vanter Kontaktpunkte und Prototypen, um daraus zügig
zu lernen und Verbesserungen angehen zu können.
	 Definieren Sie Sortimentsumfang und -architektur ge-
zielt und nicht im falschen Wettrüsten. Vermeiden Sie un­
nötige Komplexität, um die Kosten im Griff zu behalten.
Beispiel: Führender Warenhauskonzern
Als selbstverstandener Pionier im Online-Bereich hat diese Marke deut-
lich in Online investiert. Es erschien, dass das Engagement den globalen
Wettbewerb im Auge hatte und nicht die eigene Marke. Diese war ohnedies
schon unter Druck. Online könnte eine Flucht nach vorne gewesen sein.
Sortimente und Artikelanzahl wurden sukzessive ausgeweitet. 140.000
Artikel und ein Zielumsatz im dreistelligen Millionenbereich. Gleichsam
der Anzahl der Megapixel schien mehr besser zu sein. In der Folge sind die
Komplexitätskosten zu stark gestiegen, während die Kundenanzahl bzw.
Finanzen weitaus zu gering waren. Zu sehr schien die Marke in der tradi-
tionellen Handelswelt verhaftet, während das Engagement online sich mit
fokussierten, spezialisierten Wettbewerbern „matchte“. Vor Kurzem wurde
das Redimensionieren von Online angekündigt. Eine Fokussierung auf
­selektive Warengruppen steht im Mittelpunkt.
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
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TYPISCHE FALLE NO. 3:
DEN STEIGENDEN KUNDENERWARTUNGEN NICHT RECHTZEI-
TIG BEGEGNEN
Das traditionelle Wirtschaften im Handel erfolgt in Zyklen, ge-
speist von vielen Erfahrungswerten. „Store-Design-Erneuerun-
gen alle sieben bis zehn Jahre, Neuauftritt der Marke mindestens
so oft“ etc. Nach dem Abschluss der Projekte hatte man wieder für
Jahre seine Ruhe. Der bisherige Fokus des Managements fußte in
der Regel auf Optimierung eines bestehenden Rahmens.
Ähnlich war die Erwartungshaltung in den ersten Omnichannel-
Projekten: „Wir haben doch gerade eine neue mobile Webpage mit
Shop“ oder „Wir haben eine Pick-up-Station in Filialen“, hört man.
„Wir haben gerade in eine gut funktionierende Storelösung inves-
tiert.“
Doch der technische Wandel verändert den Markt wesentlich ra-
santer, nicht kontinuierlich und weitaus unvorhersehbarer als bis-
lang üblich. Die Schlagzahl an Produkt- und Service-Innovationen
hat sich im Handel deutlich erhöht – und die Kunden nehmen diese
auch an. So kommt es, dass es Händlern mit klassischen Entwick-
lungszyklen kaum gelingt, Schritt zu halten. Ihre Kunden wollen
an unterschiedlichen Kontaktpunkten, bei allen Anlässen und in
allen Phasen des Kaufprozesses das ideale Angebot erhalten:
Wenn sie es nicht bei ihnen finden, stoßen sie dieser Tage schnell
auf eine Fülle an Alternativen.
Empfohlene Lösung:
DENKEN ALS DIENSTLEISTER MIT KONTINUIERLICHEM
VERBESSERUNGSPROZESS
	 Kalkulieren Sie ein, dass die Entwicklung zum Omni­
channel-Händler jede Organisation zu einer Service-
und Dienstleistungsorganisation mit starkem techni-
schen Rückgrat machen muss.
	 Richten Sie den Blick konsequent von außen nach innen
und überprüfen Sie regelmäßig und systematisch die
­eigenen Leistungen aus Kundensicht.
	 Optimieren Sie Ihre Leistungen mit der Brille des Kun-
den. Bewerten Sie den Projektfortschritt regelmäßig
und fokussieren Sie auf markenstärkende Maßnahmen.
(Bsp.: Mobile first: ja; Same Day Delivery: noch nicht).
	 Bauen Sie nicht nur auf Drei- bis Fünf-Jahres-Plänen
auf: „Fail fast“: schnelles Testen (A/B-Testing), optimie-
ren, kleine Schritte.
TYPISCHE FALLE NO. 4:
OMNICHANNEL-BUSINESS-PLÄNE SIND ZU OPTIMISTISCH
Führungskräfte von Handelsunternehmen spüren den Druck des
Marktes und planen den Einstieg in die Omnichannel-Welt zu opti-
mistisch. Oftmals werden eilig erste Teilprojekte initiiert, Budget-
mittel von existierenden Projekten umgewidmet und bestehende
Ressourcen neu allokiert. Wenn dann die gewünschten Erfolge
der auf optimalen Annahmen basierenden Planungen nicht eintre-
ten, wird rasch nachgebessert, während sich an anderer Stelle
bereits die negativen Effekte der Opportunitätskosten zeigen (we-
niger Marketing, schlechtere Preise, veraltete Stores etc.).
Empfohlene Lösung:
KLARE STRATEGISCHE ROLLE FRÜH DEFINIEREN UND
IM GESCHÄFTSMODELL VERANKERN
	 Definieren Sie als Erstes die strategische Rolle des The-
mas Omnichannel für Ihr Unternehmen: Ist Ihr Ziel, die
Position zu halten oder Wachstum zu generieren? Planen
Sie eine horizontale Expansion oder die Konsolidierung
in bestehenden Märkten?
	 Rechnen Sie sich Business Cases nicht schön. Omni­
channel ist für klassische Händler Neuland: Um das zu
erobern, benötigen Sie eher doppelt so viele Ressourcen
um 50 % der erwarteten Ergebnisse zu erzielen.
	 Bereiten Sie „What if“-Szenarien ehrlich auf und sehen
Sie Spielregeln für Dotierungen vor.
	 Definieren Sie ein Minimalniveau für andere wichtige
Bereiche im Unternehmen.
	 Kalkulieren Sie in der Ressourcenplanung Fehlschläge
proaktiv mit ein.
	 Machen Sie das heutige und das zukünftige Geschäfts-
modell transparent.
	 Haben Sie Mut, Leistungen zu modifizieren oder zu strei-
chen, um Komplexität zu reduzieren und Ihr Marken­
profil zu schärfen.
Beispiel: Führender Elektronik-Store
Während zuerst lange Online negiert wurde, waren die internen Wider-
stände offensichtlich so groß, dass keine Integration von Online am sta-
tionären Kontaktpunkt erfolgte. Man verlor Marktanteile und das gute
Preisimage an Amazon & Co. In der Folge wurde dann ein Online-Spezia-
list gekauft und beteuert, dass man damit einen Pure Player heranziehen
würde. Inzwischen ist man angekommen, alle Aktivitäten unter zwei Mar-
ken des Hauses im Online-Bereich zu bündeln. Das mag zwar für die Eco-
nomies of Scale bzw. die Suche bei Google relevant sein, aber was bedeutet
das für die Spitzenleistungen und den guten Ruf der jeweiligen Marke?
Die Technologie, Ressourcen und kurzfristigen Resultatüberlegungen do-
minieren die langfristige Strahlkraft der Marke(n).
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TYPISCHE FALLE NO. 5:
DIE ORGANISATION NICHT IN DEN CHANGE-PROZESS INTEG-
RIEREN UND FÄHIGKEITEN ZEITGERECHT ENTWICKELN.
Auf dem Weg zum Omnichannel-Händler fokussieren viele Unter-
nehmen einseitig auf die Schaffung der technischen Vorausset-
zungen. Dabei ist vor allem die Entwicklung der notwendigen Fä-
higkeiten und Kompetenzen bei ihren Mitarbeitern zentral für den
Erfolg. Denn Omnichannel-Projekte greifen derart quer durch alle
Funktionen und in die gewohnten Abläufe eines Unternehmens
ein, dass sie vor allem auch Change-Projekte sind, deren Erfolg
statt nur vom „Was“ eben maßgeblich vom „Wie“ abhängt.
Unterschiedlichste Studien der vergangenen Jahre kommen über-
einstimmend zu dem Ergebnis, dass rund drei Viertel aller
Change-Initiativen aufgrund von Widerstand aus der Organisation,
zu ­wenig Klarheit der Strategie oder nicht ausreichender interner
Kommunikation scheitern. Im Falle von Omnichannel-Projekten
zeigt sich dies an der mangelnden Befähigung der Mitarbeiter,
­inkompatiblen persönlichen Zielsystemen (Bsp.: Marketing-IT vs.
traditionelle IT, Absatz im Stationären vs. Online) oder auch am
­zögerlichen Entfernen von Barrieren für Mitarbeiter.
Empfohlene Lösung:
KOLLEKTIVE TRANSFORMATION MIT SYSTEMATISCHER
VERBREITUNG UND VERANKERUNG VON FÄHIGKEITEN
UND KOMPETENZEN IN DER ORGANISATION.
	 Die Kunst des schnellen Wandels bzw. mit Scheitern
umzugehen, wird zu einem Wettbewerbsvorteil.
	 Die Führung muss auf der persönlichen Ebene mit der
Rolle, ein internes Vorbild zu sein, auch wirklich klar-
kommen.
	 Offene Kommunikation zu Ergebnissen und Scheitern
schafft Mut und Lust auf Veränderung.
	Dialog in unterschiedlichen Formaten zu den neuen
Rahmenbedingungen für unterschiedliche Bedürfnisse
in den Abteilungen und Teams etablieren.
	 Arbeitsgruppen effizient arbeiten lassen, aber auch den
Blick aufs Ganze für alle Beteiligten sicherstellen.
	 Verankern in Zielsystemen und der Unternehmenskultur,
z. B. Sanktionieren von von unerwünschtem Verhalten.
	 Evaluieren eines externen Partners, der den Rücken für
das Tagesgeschäft freihält.
	 Anstellung von neuen Mitarbeitern mit Omnichannel-
Erfahrung aus anderen Firmen.
	 Zeitgerechte Planung und Anpassung von Prozessen,
Struktur und Fähigkeiten.
	Nachziehen von Personalmanagementsystemen zur
­Sicherstellung einer kompatiblen Kultur.
Zu den Autoren
Alex Pesjak (alex.pesjak@brand-logic.com) und Peter Horvath
(peter.horvath@brand-logic.com) sehen die Konzentration auf
Marke als Führungsinstrument als einen Schlüssel zur Be-
wältigung des digitalen Wandels im Handel.
FAZIT
Wenn Sie insgesamt Ihren Weg als Führungsteam bzw. für die Or-
ganisation in fünf bis zehn Jahren kennen, ist es auch möglich, in
einem Omnichannel-Kontext Schritt für Schritt zu dieser Zukunft
zu gelangen. Anstatt nur einem Trend nach dem anderen hinter-
herzulaufen, muss man sich der eigenen Erfolgsmuster, der loya-
len Kunden und aller relevanten und vielleicht schon existieren-
den Kontaktpunkte bedienen. Es ist vollkommen zulässig, nicht
bei den Ersten zu sein, sondern mit weniger Risiko und Ressour-
cen sehr überlegt einzusteigen. Die Welt hat keinen Bedarf für zig
Amazons. Kunden suchen Marken mit Spezifik und der Fähigkeit,
diese Spezifik immer wieder frisch interpretiert vertrauensvoll
­erlebbar zu machen. Legen Sie Ihren Omnichannel-Initiativen in
jedem Fall einen realistischen und flexiblen Businessplan zugrun-
de. Aber: Gar nichts zu tun, ist der falsche Schluss.
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
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„WIR MUSSTEN LERNEN,
DASS AUCH MÄNNER GERNE ÜBER MODE REDEN.“
FRAGEN AN ANNA ALEX, GRÜNDERIN OUTFITTERY
Interviewer Lucas von Gwinner
Anna Alex, Gründerin & Geschäftsführerin Outfittery
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29
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Männer sind häufig überfordert, wenn es darum geht, Mode zu
kaufen. Sie nehmen sich ungern die Zeit und sind oft wenig souve-
rän in Stilfragen. Genau da setzt der Curated-Shopping-Anbieter
Outfittery an. Gründerin Anna Alex berichtet im Interview über die
dafür notwendige Symbiose aus On- und Offline-Handel, die Vor-
lieben ihrer Kundschaft und die Führung ihres international wach-
senden Unternehmens.
Was ist Outfittery?
Wir sind ein Versandhandel für Männerbekleidung, der die indi­
viduelle Beratung des stationären Handels mit der Effizienz des
Online-Handels verbindet. Dabei sehen wir uns als Service-Unter-
nehmen. Jeder Kunde bekommt bei uns seine persönliche Style-
Expertin, und die kümmert sich dann um den ganzen Rest. Wir
reduzieren für Kunden die Komplexität, die ihn im stationären
oder auch Online-Handel regelmäßig überfordert: die gleichzeiti-
ge Konfrontation mit zehntausend Teilen. Bei uns wählt die Stylis-
tin für den Kunden individuelle Outfits aus und schickt sie ihm
kostenfrei nach Hause.
Wenn Sie ohnehin auch Online-Händler sind, weshalb haben Sie nicht
auch einen Online-Shop?
Weil wir ein anderes Level an Service bieten wollen. Wir haben
auch Funktionen, mit denen wir Kunden vorab zeigen, was ihre
Stylistin für sie ausgewählt hat – sozusagen ein individueller On-
line-Shop. Aber wir glauben ganz fest daran, dass es nicht reicht,
einfach alle Produkte auf die Website zu knallen und das guten
Service zu nennen. Das ist es nämlich nicht.
Man sagt, beim Online-Handel würde die Emotion fehlen und nur noch
der Preis zählen. Geht es Ihnen darum, diese Emotionalität zu erhalten?
Die Anonymität heutiger Online-Shops spielt uns auf jeden Fall in
die Hände. Bei uns entwickelt sich zwischen Kunde und Stylist
wirklich eine Art Freundschaft. Die telefonieren miteinander, la-
chen zusammen, und die Kunden erzählen uns auch durchaus pri-
vate Dinge, die der Stylist wissen muss, um das perfekte Outfit
auszusuchen. Das sind sehr innige Beziehungen, die sich da ent-
wickeln. Darum bleibt der Kunde auch sein Leben lang beim sel-
ben Stylisten. Insofern geht es uns sehr wohl um Emotion: Statt
Anonymität wollen wir dem Kunden ein tolles Einkaufserlebnis
liefern, das nicht so schnell in Vergessenheit gerät.
Was machen Sie wie klassische Herrenausstatter, und was kommt aus der
eCommerce-Welt?
Unser Mehrwert liegt in der Leistung der Auswahl und dem Aus-
wahlgespräch. Dieser Teil ist wie im klassischen Handel. Unsere
gesamte Einkaufs- und Verkaufs-Führungsriege kommt von
Peek&Cloppenburg. Da haben wir viel gelernt und mitgenommen.
Alles, was danach folgt, sind eCommerce-Prozesse: Artikel ver-
schicken, Artikel zurücknehmen, bezahlen – diese Schritte müssen
einfach sehr sicher sitzen.
Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe?
Das sind vor allem berufstätige Männer über 30, die fest im Leben
stehen und wenig Zeit oder Lust haben, einkaufen zu gehen. Die
meisten haben viel im Job zu tun oder verbringen ihre freie Zeit
lieber mit der Familie, als durch die Stadt zu rennen und nach den
neuesten Trends zu suchen.
Zur Person
Anna Alex, Gründerin & Geschäftsführerin Outfittery.
Die gebürtige Hamburgerin startete nach ihrem Stu-
dium in Freiburg und Paris ihre Karriere bei Rocket
Internet in Berlin. In Zürich leitete Anna die IT eines
Schweizer Onlineunternehmens, bevor sie ihren Traum
vom eigenen Unternehmen erfüllte.
WIR SIND EIN VERSANDHANDEL FÜR MÄNNER­
BEKLEIDUNG, DER DIE INDIVIDUELLE BERATUNG DES
STATIONÄREN HANDELS MIT DER DIE EFFIZIENZ DES
ONLINE-HANDELS VERBINDET.
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
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30
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Warum nur diese Klientel? Warum zum Beispiel keine Frauen?
Auch Frauen wären natürlich spannend für uns. Aber zurzeit gibt
es einfach noch so viele Männer, die gerne von uns eingekleidet
werden möchten. Wir sind ja mittlerweile in acht Ländern (DACH,
BeNeLux, Skandinavien), und da ist das Potenzial noch lange nicht
erschöpft.
Wie betreiben Sie Marketing?
Wichtigster Marketingkanal sind Empfehlungen zufriedener Kun-
den. Gerade weil unser Einkaufserlebnis nicht 0815, sondern doch
etwas Besonderes ist, empfehlen uns viele an Freunde und Be-
kannte. Wir schicken auch häufiger in Büros; das bekommen die
Kollegen mit und bestellen dann auch bei uns. Dieser Effekt funk-
tioniert sehr schön. Und wir werben noch auf weiteren Kanälen,
zum Beispiel im TV.
Wie bleibt Ihr Sortiment attraktiv? Wie entscheiden Sie, was ein- oder
­ausgelistet wird?
Wir arbeiten mit 100 Marken zusammen – darunter die besten
Herrenmodemarken Europas, wie Boss oder Drykorn, die nicht
mit jedem zusammenarbeiten. Wir suchen uns die schönsten Stü-
cke aus all diesen Kollektionen aus. Was wir dann letztendlich im
Sortiment behalten oder auslisten, liegt daran, wie es den Kunden
gefällt. Und natürlich von der Einschätzung unseres Einkaufs­
teams.
Gibt es eine Kategorisierung der Kundentypen, aus denen die Outfits
­modulartig zusammengestellt werden?
Würde ich nicht so sagen. Es liegt wirklich an der Erfahrung der
Stylisten. Die vermerken sich die Vorlieben ihrer Kunden und stel-
len wirklich für jeden individuell ein Outfit zusammen. Und selbst
wenn wir wollten, wäre es gar nicht so einfach, zu kategorisieren.
Dafür ist Mode einfach ein zu komplexes Feld.
Merken Ihre Kunden denn, wenn sie eine Marke nicht mehr führen? Und
wie leicht ist es, sie von neuen Marken zu überzeugen? Wie weit Vertrauen
die einfach ihrer Auswahl?
Die Kunden sind schon offen für Neues und auch nicht wahnsinnig
Marken-fixiert. Aber wenn einer immer Boss-Hemden trägt und
weiß, dass die einfach passen, dann erwartet er schon, dass er sie
bei uns bekommt.
Werden Artikel starker Marken denn seltener zurückgesendet als Newco-
mer-Brands?
Wir haben tatsächlich bekannte Marken im Portfolio, die sehr gut
funktionieren. Aber auch immer mal wieder kleine Marken dabei,
die das tun. Es liegt weniger am Faktor bekannt oder neu, sondern
kommt stärker auf das Produkt an: Wie sitzt es, wie ist es verar-
beitet, sind es hochqualitative Stoffe. Das ist am Ende das, was
unsere Kunden wollen.
Gab es größere Korrekturen, die Sie an Ihrer Geschäftsidee vornehmen
mussten? Gab es Bereiche, bei denen Sie das Verhalten der Kunden oder
des Markts falsch eingeschätzt hatten?
Da gibt es tatsächlich eine Sache: Wir waren davon ausgegangen,
dass kein Mann gerne über Kleidung redet. Darum haben wir das
Gespräch mit unseren Stylisten anfangs sehr, sehr kurz gehalten.
Wir haben immer gebrieft: „Auf keinen Fall länger als fünf Minuten
mit einem Kunden sprechen,“ Nicht weil wir das nicht wollten,
sondern weil unsere Kunden nicht genervt sein sollten. Und dann
kam das Feedback: „Eigentlich war das Gespräch mit der Stylistin
sehr nett, aber die war so in Hetze.“ Wir mussten lernen, dass auch
Männer gerne über Mode reden. Jetzt dauert ein durchschnittli-
ches Gespräch 15 bis 20 Minuten.
Sie sprachen Ihr internationales Wachstum an: Stemmen Sie das alles aus
Berlin, oder haben Sie Teams in jedem Markt?
Wir machen alles zentral aus Berlin heraus. Die internationalen
Teams sitzen hier, geführt von Country Managern. Und die sind
schon häufiger im Land, um bei lokalen Herstellern, Lieferanten,
Kunden und Presse Flagge zu zeigen.
Eine der klassischen Fallen der Internationalisierung ist es ja, nach dem
Heimatmarkt den internationalen Markt erobern zu wollen und dabei zu
übersehen, dass es sich um Märkte mit unterschiedlichen Spezifika handelt.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Wir sind insofern sehr gut aufgestellt, da unsere Stylisten aus dem
jeweiligen Land stammen und Geschmack und Trends dort ken-
nen. Einige Marken führen wir nur länderspezifisch. Zum Beispiel
haben wir für Skandinavien Marken ins Programm genommen, die
dort sehr beliebt, aber anderswo noch nicht so bekannt sind. Die
Stylisten greifen also auf den gleichen Produktkatalog zu, verschi-
cken aber unterschiedliche Marken. Und da sieht man schon gro-
ße Unterschiede. In Holland kann es nicht bunt genug sein; Punkte
und Streifen und alles gemischt. Und in Schweden geht es irgend-
wie sehr in die Uni-Richtung, viel Colour-Blocking, kräftige Far-
ben.
Ihr Unternehmen wächst sehr schnell. Was tun Sie, damit Management
und Mitarbeiter ein gemeinsames Zukunftsbild der Marke Outfittery
­haben?
Wir geben unserem Team die Vision und Mission von Outfittery vor.
Und wir verwenden intern ein Tool, das ursprünglich Google für
sich entwickelt hat: OKR (Objective and Key Results). Dort sind
quartalsweise die Firmenziele vorgegeben, und daraus brechen
die einzelnen Abteilungen dann ihre Ziele runter. Das funktioniert
sehr gut, weil das ganze Team in die konkrete Zielsetzung invol-
viert wird.
Und wie stellen Sie sicher, dass sich bei Ihnen keine Abteilungsegoismen
entwickeln? Nach dem Motto: „Die haben was falsch gemacht“, „Die anderen
kapieren das einfach nicht“, „Stylisten sind Idioten“ usw.
Auch da hilft uns das Tool OKR, denn es macht für alle transpa-
rent, was die Ziele jeder Abteilung sind. Wenn eine andere Abtei-
lung mal etwas nicht macht, kann ich immer auch sehen, warum
sie das nicht machen: Weil sie im OKR andere Ziele stehen haben.
Zum anderen ist das auch eine Kultursache, und die ist bei uns,
glaube ich, sehr ordentlich. Na klar muss man auch mal sagen,
wenn etwas nicht so gut gelaufen ist und es beim nächsten Mal
besser klappen soll. Aber wir machen Sachen im Zweifel lieber
schnell und korrigieren dann noch mal, als uns im Vorfeld ewig
lang abzustimmen und dadurch nicht in die Hufe zu kommen. Was
das betrifft, sehen wir uns selbst immer noch als Start-up.
In etablierten Unternehmen reden gerade alle über „Omnichannel“: Sind
stationäre Outfittery Stores für Sie der nächste logische Schritt?
Sind sie das? Wir haben mal für drei Monate einen Pop-up-Store
am Hamburger Flughafen getestet. Das könnten wir uns schon
auch noch mal vorstellen. Und auch generell in den nächsten Jah-
ren stärker ins Offline zu gehen. Aber gesetzt ist das nicht.
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MARKENANGEBOT Über 100 verschiedene Marken, wie beispielsweise Strellson, Gant, Tommy Hilfiger, Levis, Scotch & Soda, G-Star oder
Tiger of Sweden
GEGRÜNDET Januar 2012, online seit 13. April 2012
MITARBEITER 200 – davon 100 Style-Experten
KUNDEN ca. 200.000 (Stand März 2015)
Vorwiegend Männer im Alter zwischen 30 und 50 Jahren
LÄNDER Deutschland
Österreich (seit April 2013), Schweiz (seit September 2013), Niederlande (seit März 2014), Schweden (seit August
2014), Belgien (seit August 2014), Dänemark (seit August 2014), Luxemburg (seit August 2014)
OUTFITTERY GMBH
OUTFITTERY verbindet die Vorteile des stationären Modehandels mit dem Mehrwert des Onlinehandels: persönliche, individuelle Beratung und Kontakt,
Modeexpertise von Style-Beraterinnen, unkomplizierte und bequeme Lieferung ins Haus, große Auswahl und die Möglichkeit, die Styles in Ruhe zu ­Hause
zu probieren.
Die kompetente Styling-Beratung ist ein kostenloser Service von OUTFITTERY. Die Beratung erfolgt markenunabhängig und konzentriert sich auf die
Wünsche und den Typ des Kunden. OUTFITTERY bewegt sich im Mode-Premiumsegment.
Was haben Sie denn aus dem Hamburger Pop-up-Store gelernt?
Was ich gelernt habe – und da schmunzeln Sie jetzt vermutlich –,
ist, dass Offline ja doch ganz schön viel Branding-Potenzial hat.
Ich glaube, das wird von uns Onlinern immer ein bisschen unter-
schätzt. Wir waren direkt neben dem Lufthansa-Terminal, wo
eben auch 1A unsere Zielgruppe rumsitzt und auf den Flieger nach
München wartet. Und ich bin von wahnsinnig vielen Seiten darauf
angesprochen worden, dass sie uns gesehen haben.
Aber als echter Onliner denken Sie doch vermutlich nur in der Conversion-
Rate. Waren Sie mit der zufrieden?
Ja, die hat sich schon gezeigt. Wobei das für uns Onliner schwierig
ist. Wir wollen immer alles ganz genau tracken, und das geht sta-
tionär in dem Maße einfach noch nicht.
Das heißt: Offline ist für Sie vor allem aus Marketingsicht ein interessantes
Tool ?
Erst mal ja, aber ich will gar nicht in On- oder Offline unterteilen.
Am Ende geht es darum, dass unser Kunde zum richtigen Zeit-
punkt die richtigen Kleidungsstücke zu Hause hat. Ob das jetzt
online oder offline geschieht, ist ihm völlig egal.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Alex.
Zum Interviewer
Lucas von Gwinner (lucas.vongwinner@brand-logic.com)
hatte sich fest vorgenommen, bei Outfittery zu bestellen,
schließlich passt er voll in die Zielgruppe. Doch vor lauter
Arbeit und Familie ist er noch immer nicht dazu gekommen.
02	 Facts and Figures Outfittery
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
WIE LASSEN SICH TOURISTISCHE HIGHLIGHTS
FINANZIEREN?
FINANZIERUNGSALTERNATIVEN FÜR DIE DESTINATIONSENTWICKLUNG
Autoren Philipp Kazianka und Stefan Pirchmoser
Eine moderne Bergbahn, ein herausragendes Hotelresort, eine
exzellente Therme, ein innovativer Erlebnispark, ein spektakulä-
rer Aussichtsturm – diese oder ähnliche Highlights prägen den
einzigartigen Charakter erfolgreicher Tourismusdestinationen.
Neben klassischen touristischen Leistungen, welche die Grundbe­
dürfnisse der Urlaubsgäste befriedigen, bestimmt die Realisie-
rung solcher herausragender, differenzierender Leuchttürme
maßgeblich den wirtschaftlichen Erfolg von Tourismusdestinatio-
nen. In unserer langjährigen Praxis der Entwicklung führender
touristischer Destinationen, wie etwa Ischgl oder Serfaus-Fiss-
Ladis, zeigt sich hierbei immer wieder eine zentrale Herausforde-
rung: Welche Wege gibt es, derartige Highlights für eine touristi-
sche Destination nachhaltig zu finanzieren?
Die Bandbreite an möglichen Finanzierungsquellen ist weit größer
als zunächst vermutet. In den vergangenen Jahren konnte sich
eine ganze Reihe von Finanzierungsquellen etablieren, die touris-
tischen Destinationen attraktive Optionen zur Realisierung touris-
tischer Leuchttürme bieten. Im Folgenden stellen wir Ihnen eine
Reihe dieser erprobten alternativen Finanzierungsformen vor.
FINANZIERUNGSQUELLEN FÜR TOURISTISCHE LEISTUNGEN
Bei möglichen Finanzierungsquellen in Tourismusdestinationen
denkt man häufig an folgende, naheliegende Optionen:
	Eigenkapitalfinanzierung über renditeorientierte Investoren
oder Investorengruppen
	 Erhöhung der Nächtigungstaxe
	 Erhöhung der Tourismusabgabe
	 Einführung gänzlich neuer Tourismusabgaben
Neben diesen Finanzierungsquellen gibt es aber noch eine Reihe
weiterer innovativer Optionen, die es bei der Finanzierung touris-
tischer Speerspitzen zu berücksichtigen gilt.
—
32
—
DIE BANDBREITE AN MÖGLICHEN FINANZIERUNGS-
QUELLEN IST WEIT GRÖSSER ALS ZUNÄCHST
VERMUTET.
—
33
—
CROWDINVESTING IM TOURISMUS
Crowdinvesting ist im Gegensatz zu Crowdfunding eine echte Ei-
genkapitalfinanzierung durch private Kleininvestoren. Hier inves-
tieren Privatpersonen in ein touristisches Unternehmen und er-
halten im Gegenzug eine Verzinsung für das von ihnen eingesetzte
Kapital.
Wohnwagon ist ein österreichisches Jungunternehmen, das sich zum
Ziel gesetzt hat, eine neuartige portable Unterkunft zu entwickeln. Der
Wohnwagon ist dabei viel mehr als ein herkömmlicher Wohnwagen. Mit
ausfahrbarer Terrasse, Markisen und den großen Fenstern holt man die
Natur in den Wohnraum und erweitert so die Nutzflächen. Großzügige
Freiflächen und intelligente Möbellösungen verleihen dem Innenraum des
Wohnwagons Loft-Charakter. In einer Crowdinvesting-Kampagne in Ko-
operation mit dem österreichischen Crowdinvesting-Portal Conda konnten
Kleinanleger mind. 100 € und max. 5.000 € investieren. Bei positiver
Geschäftsentwicklung erhalten die Anleger Basiszinsen und einen Wert-
steigerungsbonus, woraus sich nach zehn Jahren eine Verzinsung von bis
zu 500 % Prozent der Investitionssumme ergeben kann. Im schlimmsten
Fall ist die gesamte Investition aber aufgrund der Nachrangigkeit des
­Darlehens verloren.
mehr:
www.wohnwagon.at
SPONSORING (BRANDING VON TOURISTISCHEN LEISTUNGEN)
Insbesondere für Premiummarken kann die Werbepräsenz in
­Destinationen sehr attraktiv sein, da damit eine zahlungskräftige,
werberelevante Zielgruppe erreicht wird. Dies kann beispielswei-
se bis hin zum kompletten Sponsoring von einzelnen touristischen
Leistungen gehen. Eine Einführung bzw. Ausweitung von Product
Placement in Skigebieten ist ebenfalls denkbar.
Ein Beispiel für perfekt umgesetztes Sponsoring einer Freizeiteinrichtung
ist die Kinder-Erlebnis- und Freizeitwelt KidZania. Hier bekommen Kin-
der die Möglichkeit, sich in unterschiedlichen Berufen zu versuchen und so
die Berufswelt der Erwachsenen spielerisch kennenzulernen. Die einzelnen
Berufsstationen sind von unterschiedlichen Unternehmen über Product
Placement gesponsert.
mehr:
www.kidzania.com
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
CROWDFUNDING IM TOURISMUS
Beim Crowdfunding, oder zu Deutsch der Schwarmfinanzierung,
investieren viele private Investoren kleine, überschaubare Investi-
tionssummen von zumeist ein paar Hundert Euro in ein touristi-
sches Projekt. Im Gegenzug erhalten sie in der Regel einen
„Reward“ oder anders gesagt eine Gegenleistung, der die getätig-
te Finanzierung zumeist nur symbolisch ausgleicht. Investiert ein
privater Financier beispielsweise ein paar Hundert Euro in eine
touristische Attraktion, bekommt er T-Shirts oder ein kleines ver-
gleichbares Dankeschön als Anerkennung. Eine weitere Gegen-
leistung kann die kostenfreie Benutzung der finanzierten touristi-
schen Leistung oder einer anderen touristischen Leistung sein.
Ein Beispiel hierfür ist die Internetplattform travelstarter.com. Travel
Starter ist eine Online-Plattform, die sich auf die finanzielle Unterstüt-
zung von unabhängigen Tourismusprojekten innerhalb von Destinationen
spezialisiert hat. Ein potenzieller Reisender wählt eine Destination aus,
in der es Personen gibt, die touristische Projekte (Bed & Breakfasts, Tanz-
schulen, Cafés etc.) umsetzen wollen und dafür Geldgeber suchen. Der Rei-
sende unterstützt ausgewählte Projekte finanziell und bekommt dafür eine
Gegenleistung in Form von z. B. einem Schlafplatz, einem Leihrad oder
Verpflegung.
mehr:
www.travelstarter.com
—
34
—
MÄZENATENTUM
In vielen Destinationen gibt es langjährige Gäste, die zu echten
Fans und Botschaftern der jeweiligen Region geworden sind. In
einigen dieser Tourismusregionen sind manche dieser besonders
verbundenen Gäste sehr wohlhabend. Besonders aufgrund ihrer
emotionalen Verbundenheit zur Destination und ihrem daraus
­resultierenden Interesse am Erhalt und der Weiterentwicklung
„ihres“ Feriendomizils werden sie zu einer potenziellen Finanzie-
rungsquelle für Tourismusdestinationen. Geldspenden von wohl­
habenden und mit der jeweiligen Destination stark verbundenen
Gästen beziehungsweise Einheimischen können somit einen we-
sentlichen Beitrag zur Realisierung touristischer Projekte leisten.
Die Herausforderung einer Destination beim Anzapfen dieser Fi-
nanzierungsquelle liegt dabei insbesondere in der Identifikation
und richtigen Ansprache dieser wirtschaftlich potenten Stamm-
gäste.
Mit Karl-Heinz Kipp hat das 5-Sterne Tschuggen Grand Hotel im renom-
mierten Wintersportort Arosa in der Schweiz einen wirtschaftlich äußerst
potenten Mäzen mit Milliardenvermögen. Dieser sieht sein Investment vor
allem als einen positiven Impuls für die Tourismusdestination. Seine enge
Verbundenheit zu Arosa ist dabei der ausschlaggebende Punkt für sein
Engagement – nicht aber eine möglichst hohe Rendite seines eingesetzten
Kapitals, wie bei klassischen Investitionen üblich.
mehr:
www.tschuggen.com
—
35
—
PUBLIC-PRIVATE-PARTNERSHIP-MODELLE (PPP-MODELLE)
Bei PPP-Modellen realisieren bzw. finanzieren privatwirtschaftli-
che Unternehmen gemeinsam mit der öffentlichen Hand Projekte
mit zumeist hohem Investitionsvolumen. In vielen Fällen tritt da-
bei die öffentliche Hand als primärer Kapitalgeber auf und privat-
wirtschaftliche Unternehmen übernehmen den operativen Be-
trieb und das Management der touristischen Leistung. Die
PPP-Modelle unterscheiden sich im Wesentlichen in der Zuord-
nung der Eigentumsverhältnisse – entweder öffentliche Hand,
­private Hand oder eine Mischform.
Die Finanzierung von Thermalbädern ist ein wesentliches Anwendungs-
feld für Public-Private-Partnership-Modelle im österreichischen Touris-
mus. Die folgende Grafik zeigt, wie im konkreten Fall der Therme Längen-
feld das initiale Investitionsvolumen von 73 Mio. € zustande gekommen
ist. Rund zehn Prozent stammen von öffentlichen Darlehen, 53 Prozent
von fremdkapitalgebenden Banken und 32 Prozent von privaten Inves-
toren. Die Investorengruppe besteht aus der Gemeinde und dem örtlichen
Tourismusverband, einiger regionalen Banken und zweier Landesbanken
sowie den regionalen Bergbahnen und einem privatwirtschaftlichen Kon-
zern. Der Betrieb wird durch eine privatwirtschaftliche Betreibergesell-
schaft sichergestellt.
mehr:
www.aquadome.at
MULTI-OWNERSHIP-MODELLE
Mulit-Ownership-Finanzierungsmodelle im Tourismus werden
zu­meist bei Immobilienfinanzierungen angewandt. In der Rein-
form der Multi-Ownership-Finanzierungsmodelle, dem soge-
nannten „Buy-to-let-and-use“-Modell, werden Teile einer oder
eine gesamte Appartement- oder Hotelanlage an mehrere private
Investoren verkauft. Diese können ihre erworbene Wohneinheit
nur zu vordefinierten, beschränkten Zeiten im Jahresverlauf
selbst nutzen und müssen diese in der restlichen Zeit zur Vermie-
tung an Dritte freigeben (Vermietungszwang). Ausschlaggeben-
des Kriterium für die Unterteilung der unterschiedlichen Formen
des Multi-Ownerships ist vor allem die Ausprägung des Eigen-
tums an der Immobilie. Weitere Formen dieses Finanzierungsmo-
dells sind sogenannte Private Residency Clubs oder Destination
Clubs, wo sich Investoren Anteile an einer Unterkunft sichern und
als Verzinsung Übernachtungen in der Unterkunft erhalten, was
dem zuvor beschriebenen Crowdinvesting-Modell sehr ähnlich ist.
Das Rocks-Resort Laax in der Schweiz ist ein Musterbeispiel eines Multi-­
Ownership-Modells. Hier wurde eine hochmoderne Ferienwohnungsanla-
ge mit sehr hohem Designanspruch in zentraler Lage an der Talstation der
Gondelbahn in Laax errichtet. Die Ferienwohnungen wurden mit der Ver-
pflichtung zur Vermietung an Investoren verkauft (Vermietungszwang).
Die Eigentümer können ihre Ferienwohnung für einige Wochen im Jahr
selbst nutzen, die restliche Zeit über wird diese an Feriengäste vermietet.
Die Vermarktung und der Hotelservice dafür werden zentral übernommen.
Die Eigentümer erhalten einen Großteil der Erlöse aus der Vermietung und
müssen sich dafür lediglich an den Vermarktungskosten und Hotelservice-
kosten beteiligen.
mehr:
www.rocksresort.com
BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015
Finanzierungs­
alternativen gibt
es, ein klares
Profil hilft, sie zu
realisieren. 
—
36
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  • 2. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 2 — „VERÄNDERUNGSPROZESSE MÜSSEN VOM VORSTAND INITIIERT UND ANGELEITET WERDEN. GLEICHZEITIG WAR ABER AUCH DIE ZEITGERECHTE EINBINDUNG UNSERER MITARBEITER ZUR INHALTLICHEN AUSGESTALTUNG DES PROZESSES UND ZUR IDENTIFIKATION MIT DESSEN INHALTEN UNERLÄSSLICH.“ HEIMO SCHEUCH, VORSTANDSVORSITZENDER DER WIENERBERGER AG Mehr zur Transformation des internationalen Baustoffkonzerns ab Seite 12
  • 3. — 10 — LIEBE LESER, eine führende Marke zu werden und zu sein – welcher Unterneh- mer will das nicht. Dass es dazu mehr braucht, als das Hand- werkszeug zur Führung der Marke zu beherrschen, erleben Un- ternehmen täglich: Was hilft ein gekonntes Marketing, wenn Produktentwicklung, Personalabteilung oder Vertrieb in ihren Entscheidungen jeweils andere Zielsetzungen im Blick haben? Führung über Marke lautet die Herausforderung. Nur so kann die Transformation eines Unter­nehmens zur führenden Marke gelin- gen. Im Beratungsalltag des Institute of Brand Logic begegnen wir dieser Herausforderung in vielen Facetten, in unserem Journal BRAND LOGIC SPECTRUM berichten wir Ihnen davon. Herzlichst Ihr Markus Webhofer, Managing Partner — 12 — — 18 — — 24 — — 28 — — 32 — — 38 — — 48 — — 42 — — 52 — FÜHRUNG DER MARKE Markus Webhofer beschreibt, warum es Brand Leadership braucht – statt nur Brand Management. CEOs ZU VERÄNDERUNGSPROZESSEN Wir haben 112 CEOs zu Veränderungsprozessen in Unternehmen befragt. Und die Antwort ist deutlich. AUF MARKE GEBAUT Martina Mertzbach und Christoph Ettlmayr berichten, was Ziegelhersteller Wienerberger unternimmt, um bei Baustofflösungen führend zu bleiben. WANDEL ALS CHANCE, NICHT ALS BEDROHUNG Stefania Cimino und Lesley Craggs erörtern am Beispiel der Automobilindustrie, was etablierte Marken brauchen, um Marktdisruptionen für sich zu nutzen. DIE OMNI-CHALLENGE Peter Horvath und Alex Pesjak über die typischen Fallen, in die klassische Händler beim Thema Omnichannel tappen. „WIR MUSSTEN LERNEN, DASS AUCH MÄNNER GERNE ÜBER MODE REDEN.“ Outfittery-Gründerin Anna Alex erzählt im Interview, was es heißt, als Curated-Shopping- Anbieter für Männermode zu shoppen. WIE LASSEN SICH TOURISTISCHE HIGHLIGHTS FINANZIEREN? Philip Kazianka und Stefan Pirchmoser über alternative Finanzierungs­methoden zur Destinationsentwicklung. MARKEN BRAUCHEN KOMMUNIKATIONSLOGIK Lucas von Gwinner über die notwendigen Zutaten wirkungsvoller Kommunikationsstrategien. WAS VERÄNDERT DER DIGITALE WANDEL WIRKLICH? Und wie sollten Unternehmen sich für ihn verändern? Ein Gespräch mit Dirk von Gehlen. WHITE ROOM FOR ENTREPRENEURS AND LEADERS Figen Atac über das gelungene Debüt des exklusiven Dialog-Forums für CEOs und Unternehmer. 5 MARKENFRAGEN AN 100 CEOs: Karin Trimmel, Underberg. IMPRESSUM — 50 — 4 —
  • 4. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 4 — Marke. Kaum ein anderer Begriff im Wirtschaftsleben löst ein derart breites, diffuses Spektrum von Interpretationen aus. Spricht man mit Personen über dieses Themen, wird meist rasch klar, dass Marke mit Kommunikation und Marketing gleichgesetzt wird. Immer noch assoziieren viele Menschen damit bspw. das Logo, den Schriftzug, die Markenfarbe, den Slogan. Das ist nicht falsch, aber betrachtet eben doch nur die Zeichen der Marke, nie- mals die Marke selbst. Dieses verkürzte, fehlerhafte Verständnis verweist das Thema Marke im Unternehmen automatisch in die Kommunikationsabteilung. Und vereitelt so die Relevanz der Mar- ke für alle anderen Bereiche des Unternehmens. Wird sie in ein Korsett gepresst, eingesperrt und isoliert, kann sie ihre Energie nicht entfalten und für das Unternehmen wenig bis gar nichts be- wirken. Würde man die besten Fußballspieler nur über einheitlich gestaltete Trikots zu einer Mannschaft machen wollen, würde man kein Turnier gewinnen. Genauso wenig kann die Marke ihre Poten- ziale für Wachstum und Profitabilität ausschöpfen, wenn ihr im Unternehmen der falsche Platz oder ein zu geringer Stellenwert zugewiesen wird. Zur Führung von Unternehmen ist dieses weit- verbreitete Verständnis der Marke jedenfalls untauglich. MARKE. KAUM EIN ANDERER BEGRIFF IM WIRTSCHAFTSLEBEN LÖST EIN DERART BREITES, DIFFUSES SPEKTRUM VON INTERPRETATIONEN AUS. VON DER MARKE ZUR MARKENLOGIK – EIN FÜHRUNGSPARA- DIGMA Für die markenorientierte Führung von Unternehmen ist ein ande- res, viel weitreichenderes Paradigma erforderlich. Welchen Stel- lenwert und welche Rolle müsste die Marke zur Führung von Un- ternehmen spielen? Und in welcher Beziehung sollte Marke zu Unternehmen stehen? Es ist ureigene Aufgabe der Markenführung, die Wertposition eines Unternehmens, Sortiments oder Produktes etc. zu bestimmen und diese zu verkaufen. Die Quelle der Marken­ energie sind die Spitzenleistungen von Unternehmen. Der Ver- trauensgenerator der Kunden speist sich aus den markenspezifi- schen Leistungen. Kunden verdichten diese Erfahrungen zu einem positiven Urteil, es bildet sich ein positives Vorstellungsbild. Je begehrlicher und relevanter dieses Bild wahrgenommen wird, desto stärker wird die Marke in der Kaufentscheidung präferiert. Starke Marken nisten sich ein im Kollektiv der Kunden und beset- zen im Idealfall eine Monopolstellung für eine ganz bestimmte, relevante Kompetenz. Wenn Sie so wollen, hinterlassen sie einen positiven Fußabdruck. ES IST UREIGENE AUFGABE DER MARKENFÜHRUNG, DIE WERTPOSITION EINES UNTERNEHMENS, SORTIMENTS ODER PRODUKTES ETC. ZU BESTIMMEN UND DIESE ZU VERKAUFEN. Markenarbeit hat somit zu klären, wofür ein Unternehmen oder eine Leistungseinheit steht – oder besser – einsteht. Aus diesem Grund ist die differenzierte, kundenrelevante Ausgestaltung des Markenbildes von derart fundamentaler Bedeutung. Das ist der Bezugs- bzw. Leitrahmen für das unternehmerische Tun. Ein Mar- kenbild, das seine spezifische Antwort auf zentrale Kunden- und Marktanforderungen verkörpert, ist damit zugleich Unterneh- menszweck. Das ist logische Konsequenz echter Kunden- und Marktorientierung. Weder Marke noch Unternehmen sind Selbst- zweck. Der in der Marke gebündelte Kundennutzen ist Zweck und reason for beeing und damit wegbestimmend für das Unterneh- men. Das Unternehmen strebt danach, diesen spezifischen Zweck zu erfüllen. Mit all den Ressourcen, Fähigkeiten und Fertigkeiten steht das Unternehmen im Dienst der Marke. Es hat fortwährend FÜHRUNG DER MARKE WARUM ERFOLGREICHE MARKEN BRAND LEADERSHIP BETREIBEN – STATT NUR BRAND MANAGEMENT Autor Markus Webhofer
  • 5. — 5 — die Aufgabe, Markenleistungen im Sinne der Kundenpräferenz auf den Markt zu bringen, zu reproduzieren, zu innovieren. Dies wie- derum kann nur gelingen, wenn das Markenbild im Unternehmen lebt und atmet, dort tief verankert ist. Da Marken von Menschen gemacht werden, reicht es bei Weitem nicht aus, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte die Markeninhalte lediglich kennen, sie müs- sen verstanden, mit Commitment gelebt, beherrscht und weiter- entwickelt werden. Sämtliche Prozesse, Systeme und Funktionen im Unternehmen – von der Führung bis zu HR, R&D, Produktion, Einkauf, Vertrieb etc. – sind Teil der Marke und leisten ihren spezi- fischen, konkreten Beitrag. Auf diese Art ist die Marke das Ergeb- nis einer konzertierten Gemeinschaftsleistung. „ Das Markenbild ist Sinnstifter, Bindungsstoff und Gestalter des Unternehmens. „ Das schreibt sich leicht, ist in Wahrheit aber ein nie endendes Werk. Fehlt hingegen das Markenbild als gemeinsamer Überbau – der sog. common ground –, entstehen isolierte Teilstrategien und Aktivitäten, die in einem diffusen, kraftlosen Marktauftritt ihren Niederschlag finden. Deshalb sprechen wir von Markenlogik, damit die Marke als Führungsparadigma für das gesamte Unternehmen Anwendung findet. Logik im eigentlichen Sinn ist die Lehre der Folgerichtigkeit und somit immer relational. Sprich: aus der Posi- tionierung der jeweiligen Marke lassen sich geeignete Implikatio- nen für das Design des Unternehmens ableiten. Sie formt, richtet aus und entwickelt ein Unternehmen in Alignment mit dem jewei- ligen Markenbild. So steht das Unternehmen im Dienst der Marke, um das Vertrauen und die Begeisterung der Kunden immer wieder aufs Neue unter Beweis zu stellen. MARKENLOGIK KLAPPT NICHT OHNE LEADERSHIP Wir vom Institute of Brand Logic legen großen Wert darauf,­ die Unterscheidung zwischen Brand Management und Brand DIE DENKE DER MARKENLOGIK BENÖTIGT IN ERSTER LINIE LEADERSHIP, ALSO STRATEGISCHE RICHTUNGS- GEBUNG UND COMMITMENT DER OBERSTEN FÜHRUNG. Leadership zu treffen. Leadership definiert, wie die Zukunft für das Unternehmen aussehen sollte, bringt Menschen hinter die ­Vision und inspiriert sie zur Umsetzung, zu Wandel und Verände- rung, aller Hindernisse zum Trotz. Das Design eines Zukunfts­ bildes der Marke zieht in den meisten Fällen Transformation und Veränderung nach sich. Und auch dafür ist Leadership unabding- bar, bedenkt man, dass erfolgreiche Transformation zu 70 % bis 90 % auf ­Leadership und nur zu 10 % bis 30 % auf Management basiert. Die Denke der Markenlogik benötigt in erster Linie Leader­ship, also strategische Richtungsgebung und Commitment der obersten Führung. Ansonsten kann die Marke ihre Rolle für das Unternehmen nicht spielen. Dass die verschiedenen Funktionen ihren operativen Beitrag ­leisten müssen, um die Markenleistung nach vorne zu bringen, ist klar. Das aber ist Brand Management, nicht Brand Leadership. Brand Management ist die operative Umsetzung der Marke im je- weiligen Bereich. Hier geht es um Ressourcenplanung, Budgetie- rung, Zielerreichung und Maßnahmenplanung, Personalbeset- zung, Controlling etc. Ohne Brand Leadership jedoch bleibt das alles nur Stückwerk, Markenführung bleibt auf einige wenige Ak- tivitäten begrenzt. Diese Unterscheidung ist von fundamentaler Bedeutung, um den Stellenwert der Markenlogik für die strategi- sche und operative Führung des Unternehmens ins richtige Licht zu rücken. Brand Management ist eine erforderliche, aber keine hinreichen- de Fähigkeit, um das Unternehmen durch die Marke zu führen. Dafür ist Leadership entscheidend. Nichtsdestotrotz sind beide Ebenen der Markenführung komplementär zueinander und es- senziell, um die Marke zum Erfolg zu führen. Markus Webhofer, Gründer & Managing Partner Institute of Brand Logic
  • 6. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 6 — Zentrale Determinanten der Unternehmens- und Markenkultur VERHALTEN LEISTUNG Zukunftsbild und Strategie Verhalten der Führung Entwicklung der Menschen Strukturen und Prozesse Modelle der Entlohnung Messung der Performance KULTUR
  • 7. — 7 — DIE MARKE ALS TREIBER FÜR ZUKUNFT UND TRANSFORMATION Lassen Sie uns auf die Frage eingehen, ob die Marke als Füh- rungsparadigma überhaupt geeignet ist, ein Unternehmen in die Zukunft zu führen. Marken sind keinesfalls starre, sondern leben- de, dynamische Systeme. Obwohl ihr Charakter eher normativer Natur ist, ist man gut beraten, die Markeninhalte von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand zu stellen. Trend- und Zukunftsforscher liefern seit vielen Jahren ähnliche Befunde über Megatrends unserer Ge- sellschaft, welchen sich auch Marken nicht entziehen dürfen. Marken sind selbstverständlich eingebettet in den gesellschaftli- chen Wandel, ihre Stärke und Sympathie hängt nicht zuletzt davon ab, ob sie den Zeitgeist ihrer Kunden verkörpern oder sogar reprä- sentieren und prägen. Welche großen, zukünftigen Themen für das Unternehmen womöglich relevant sind, gilt es behutsam zu validieren, und erforderlichenfalls ist man veranlasst, das Profil der Marke zu adaptieren, zu schärfen oder sogar revolutionär zu verändern. Marken sind mehr denn je gefordert, sich dem gesell- schaftlichen Paradigmenwechsel zu stellen, darauf Bezug zu neh- men und Stellung zu beziehen. Die Denke der Marke ist viel näher am Markt und am Kunden als Visionen und Leitbilder, die vor dem Hintergrund der Markenlogik überflüssig werden. All das kann über die Marke weit besser gesteuert werden. Die Marke als Zukunftsbild der Organisation hat enorme Gestal- tungskraft für die Entwicklung von Unternehmen. Mehr noch, sie wird damit zum Treiber für Prozesse der Transformation. Gelingt es einem Unternehmen nicht, beide Disziplinen – Markenführung und Unternehmensentwicklung – miteinander zu verschmelzen, scheitert die Umsetzung, was unzählige Studien belegen. Demnach scheitert der Großteil der Unternehmen bei der Implementierung der Marke im Unternehmen. MARKENKULTUR UND UNTERNEHMENSKULTUR – EINE LIAISON, DIE GERNE ÜBERSEHEN WIRD Ist jedes Unternehmen imstande, eine starke Marke zu etablie- ren? Was hat die Stärke einer Marke mit der Beschaffenheit und dem Zustand des jeweiligen Unternehmens zu tun? Lassen Sie uns zur Veranschaulichung zwei Unternehmenszu- stände vergleichen, die sich bipolar gegenüberstehen. Zur Ver- deutlichung wird das eine Unternehmen über negative, das andere über positive Merkmale charakterisiert. Beide Formen stellen ge- wissermaßen Extrempositionen dar, nichtsdestotrotz sind einzelne Elemente in vielen Organisationen zu finden. DIE KULTUR HAT EINEN GROSSEN IMPACT AUF DAS ENGAGEMENT UND DIE LEISTUNGSBEREITSCHAFT VON MITARBEITERN UND FÜHRUNGSKRÄFTEN. Das „vergiftete, negative“ Unternehmen könnte man über folgende kulturelle Merkmale beschreiben: Angst vor Fehlern, Missgunst, Mobbing, Machtspiele, Schuldzuweisungen, Intrigenspiele, Vorga- ben aus der Hierarchie, Ellbogentechnik, Unehrlichkeit, Mikropo- litik, kleinliche Kontrollen, Arbeit ohne Sinn, keine Identifikation, Anweisungen, die man nicht versteht, kein Wir-Gefühl, energierau- bende Arbeitsplätze, Chefs, die man ablehnt, Arbeit, die krank macht, etc. Niemand möchte in solchen Unternehmen arbeiten, dennoch gibt es sie, zumindest in Mischformen, denkt man an all die „Schleckers“ dieser Welt. Aus solchen Unternehmenskulturen resultieren mit Gewissheit Mittelmaß, Unproduktivität und Misser- folg, abseits anderer Nebenwirkungen für Mitarbeiter und Partner. Dem gegenüber steht das „lachende, positive“ Unternehmen, mit folgenden kulturellen Eigenschaften: Mitarbeiter zeigen Eigenini- tiative und Engagement, erhalten Wertschätzung, Respekt und Anerkennung. Freundlichkeit, Humor und gute Laune sind an der Tagesordnung. Man informiert sich gegenseitig, kommuniziert ­offen und konstruktiv, löst Probleme gemeinsam, identifiziert sich mit dem Unternehmen, ist Teil des Ganzen, erfährt Sinn, bewältigt Herausforderungen, bringt sich ein, teilt die Werte, wird inspiriert durch Menschen und das Arbeitsumfeld, entwickelt sich weiter, wird gefordert, stellt den Kunden in den Mittelpunkt, freut sich über Erfolge, ist stolz auf Resultate. Unternehmen dieser Art ha- ben Energie, sie strotzen vor Agilität und Engagement zur Zufrie- denheit aller. Marken werden nur von Menschen gemacht, und die Kultur hat einen großen Impact auf das Engagement und die Leis- tungsbereitschaft von Mitarbeitern und Führungskräften. POSITIVE ENERGIE BEEINFLUSST DIE MOTIVATION UND DEN WILLEN, MARKE UND UNTERNEHMEN ZU STÄRKEN UND ERFOLGE ZU GENIEREN. Der Schluss drängt sich angesichts dieser Gegenüberstellung auf, dass der Zustand einer Unternehmenskultur einen enormen Ein- fluss auf den Zustand der Marke hat. Marke ist die Außenseite der Innenseite, die nach außen gestülpte Kultur, das Gesicht des Unternehmens, das im Kundenkontakt wirkt. Die Kultur haucht sozusagen durch die Marke durch, und das wird in aller Regel nicht nur atmosphärisch erfahrbar. Dieser Effekt wird umso stär- ker spürbar, wenn Mitarbeiter direkt die Leistung an Kunden er- bringen, wie etwa in reinen Dienstleistungsunternehmen oder der Industrie. Konsumgüter, die schön verpackt im Regal des Händ- lers stehen, können mögliche, gravierende Kulturdefizite zumin- dest eine gewisse Zeit verbergen. Dennoch bleibt das Faktum, dass ­innerlich gekündigte, frustrierte Mitarbeiter keine Spitzen- leistungen erbringen. „ Der Zustand des Unternehmens reflektiert den Zustand der Marke. Kultur und Marke bedingen sich wechselseitig. „ Es ist ohne Zweifel eine Herausforderungen, eine dynamische Kultur in einem Unternehmen zu etablieren, in der Mitarbeiter im Sinne der Marke erfinderisch, innovativ, agil und wendig agieren. Dazu gibt es wohl keine Alternative. Rasche, mitunter revolutionä- re Veränderungen im Marktumfeld stellen immer höhere Anfor- derungen an die Lern- und Wandlungsfähigkeit von Unternehmen. Unternehmen, die eine positive Energie haben, verfügen nach- weislich über eine höhere Performance und setzen Lernprozesse rascher in Gang. Vergegenwärtigt man sich die o. g. Charakteris- tika von positiven Unternehmenskulturen, verwundert es nicht, dass diese Mitarbeiter engagierter, lernfreudiger und leistungswilliger
  • 8. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 sind. Die positive Energie beeinflusst die Motivation und den Willen, Marke und Unternehmen zu stärken und Erfolge zu genieren. Das ist ein sich selbst verstärkender Kreislauf. Die Quelle der Marken- kraft liegt somit im Inneren des Unternehmens, dort wird sie ge- schöpft, von dort aus kann sie sich entfalten oder vice versa auch zerstört werden. Letzteres macht in aller Regel nicht der Wettbe- werb, sondern das Unternehmen selbst. Beispielsweise können Fehleinschätzungen von Markt und Wettbewerb, Selbstzufrieden- heit des Managements und Wachstumsgier ohne Profit fatale ­Folgen haben. PETER DRUCKER SAGTE EINST TREFFEND: „CULTURE EATS STRATEGY FOR BREAKFAST.“ MARKENARBEIT OHNE KULTURARBEIT STÖSST RASCH AUF GRENZEN Zwischen einer Marke und der Unternehmenskultur besteht also ein enger, wechselseitiger Zusammenhang. Ein Markenbild zu entwerfen, das in der Kultur des Unternehmens keine Deckung findet, hinterlässt nur verbrannte Erde. Wer sich darüber hinweg- setzt, wird rasch erfahren, dass das nicht funktioniert, weder im Unternehmen noch am Markt. Die Kultur eines Diskonters (z. B. Kik) ist anders als jene des Qualitäts- oder sogar Innovationsfüh- rers (z. B. Hilti, 3M). Bei solch groben kulturelle Kategorien ist das wohl einsehbar, aber in der Praxis sind kulturellen Facetten weit subtiler. Markenlenker benötigen ein echtes Feingefühl für das kulturell Machbare, damit das Ergebnis kein unerfülltes Wunsch- bild bleibt. Diese heißt jedoch nicht, dass Unternehmen in ihrer Entwicklung nicht gefordert werden sollten. Große Umwälzungen auf den Märkten – z. B. Technologien, Trends, neue Geschäftsmodelle oder Player am Markt – zwingen Unter- nehmen häufig zur Transformation. Das richtige Maß der notwen- digen kulturellen Veränderung hängt von vielen Faktoren ab, das man nur im Einzelfall justieren kann. Aber eines bleibt: Marke und Kultur in Symbiose zu führen, ist eine Meisterleistung, die Geduld und Wachsamkeit erfordert. Greifen hingegen Marken- und Unternehmenskultur ineinander, ist das ein hervorragender Nährboden für Markenstärke. Aus die- sem Grund ist es so wesentlich, eine Marke achtsam und konse- quent nach innen zu führen. Mitarbeiter und Führungskräfte sind das Herz einer gelebten Markenkultur. Substanzielle Markenar- beit geht unweigerlich mit Kulturarbeit einher. Das eine ist ohne das andere kaum machbar. Was aber ist Kultur? Wie zeigt sie sich? Wie wird sie wirksam? Die Definitionen von Kultur sind zahlreich, die Details wollen wir uns ersparen. Professor Hansen von der Universität Passau hat tref- fend formuliert, dass Kultur in der Wiederholung erfahrbar ist in dem, was ein soziales System laufend produziert und hervor- bringt, bspw. in den Wahrnehmungs- und Kommunikationsmus- tern, in Verhaltensweisen und Entscheidungsprozessen, in Arte- fakten wie Symbolen, Ritualen etc. Dem kulturell Beobachtbaren liegen dabei tiefere, oft unbewusste Annahmen, verwurzelte ­Weltbilder und ­erlernte Überzeugungen zugrunde, die ständig am Werk sind und ihre Arbeit verrichten. Peter Drucker hat einst eine treffende Aussage getätigt, indem er sagte: „Culture eats strategy for breakfast.“ Die Kultur kann die Umsetzung eines beabsichtig- ten Markenbildes verhindern oder ermöglichen. Der Fit ist ent- scheidend. — 8 — UNTERNEHMEN MARKT Positionierung der Marke Funktionen und Prozesse auf Basis der Marke Markenorientierte Führung und Organisation Kontaktpunkte mit der Marke Markenbild des Konsumenten Nutzung der Marke Markenlogik als Beziehung zwischen Unternehmen und Markt ›
  • 9. — 9 — Zum Autor Markus Webhofer (markus.webhofer@brand-logic.com) verfolgt seit Gründung des Institute of Brand Logic im Jahr 2000 den ganzheitlichen Ansatz zur Führung von Organisationen über die Marke. Neben Publika­ tionen und Lehrtätigkeiten zum Thema begleitete er die Transformation von Unternehmen wie MPREIS, Serfaus Fiss Ladis, Neuburger, Bankhaus Spängler, Verbund und vielen anderen auf dem Weg zur führen- den Marke ihrer Branche. Gemäß unserer Auffassung ist Kultur keine undefinierte, abstrak- te Wolke, sondern das Ergebnis von gewissen unternehmerischen Einflussfaktoren, Determinanten und Wirkungszusammenhän- gen. Sie prägen das Verhalten von Mitarbeitern maßgeblich und schaffen Kultur. Will man die Kultur eines Unternehmens verän- dern und diese im Sinne der Marke formen, ist man aufgerufen, die Determinanten dieser Kultur in Angriff zu nehmen. Die Ausge- staltung und Beantwortung derartiger Fragen bringt eine gewisse Kultur hervor: Wofür stehen wir als Unternehmen? Welches Zu- kunftsbild haben wir? Kann ich mich damit identifizieren? Welche Strategie verfolgen wir? Werden diese Inhalte top down verkündet, oder sind sie ein Ergebnis eines partizipativen Prozesses? Wel- chen Führungsstil pflegen wir? Welchen Themen schenken Füh- rungskräfte ihre Aufmerksamkeit bzw. welchen nicht? Worauf achten sie? Wie werden Entscheidungen getroffen? Welche Rolle spielen Kunden, Partner etc.? Wie kommunizieren wir miteinan- der? Wie laufen Meetings ab? Behandeln wir schwierige Fragen mit Integrität? Wie werden Mitarbeiter befördert, nach welchen Kriterien? Wer wird befördert? Wie vereinbaren wir Ziele? Wie messen wir unsere Leistung und Performance? Wie werden wir entlohnt? Welchen Stellenwert hat die Ausbildung? Wie sehen die Strukturen aus? All diese Fragestellungen und Themen haben ei- nen enormen Einfluss auf das Denken, Empfinden und Verhalten von Mitarbeitern. Substanzielle Markenarbeit erfordert eine ganzheitliche Betrach- tung und Entwicklung eines Unternehmens und seiner Kultur. ­Alles andere kommt einem oberflächlichen Neuanstrich gleich, der in definierten Markenwerten, schönen Werbespots oder einem neuen Wording enden mag, aber substanzieller wirtschaftlicher Erfolg resultiert daraus nicht. Die Transformation zu einer echten Markenkultur ist keine einfache Aufgabe und erfordert Geschick. Ohne fokussierte, geeignete Prozesse der Organisationsentwick- SUBSTANZIELLE MARKENARBEIT ERFORDERT EINE GANZHEITLICHE BETRACHTUNG UND ENTWICKLUNG EINES UNTERNEHMENS UND SEINER KULTUR. Notwendige Kompetenzen zur Führung von Unternehmen über die Marke lung ist das nicht machbar. Organisationsentwicklung hat jedoch per se nichts mit Markenführung im engeren Sinn zu tun, das sind zwei völlig unterschiedliche Disziplinen. Nichtsdestotrotz ist das eine ohne das andere kaum machbar. Aus genau diesem Grund führt das Institute of Brand Logic diese beiden Kompetenzen ­zusammen: Markenlogik zur Führung des Unternehmens auf der einen und Organisationsentwicklung zur Transformation der Un- ternehmen auf der anderen Seite. Marken- logik Organisations- entwicklung Prozess
  • 10. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 10 — VERÄNDERUNG IST SCHWER: ERSTAUNLICH OFT WIRD DAS ZIEL NICHT ERREICHT. „In unserem letzten größeren Veränderungsprozess haben wir die angestrebten Ziele alle erreicht (z. B. Zeit, Budget, Wirkung).“ JA 41 % 59 % NEIN VERÄNDERUNG IST FÜHRUNGSAUFGABE: DAS MANAGEMENT- TEAM MUSS GEMEINSAM UMSETZEN. „Veränderungsvorhaben in Unternehmen verfehlen insbesondere dann ihr Ziel, wenn die obersten Führungskräfte bei der Umset- zung nicht an einem Strang ziehen.“ JA 97 % 3 % NEIN VERÄNDERUNG BRAUCHT GEMEINSAM DEFINIERTE ZIELE: JEDER DRITTE GLAUBT NOCH, ER KÖNNE SIE EINFACH VOR- GEBEN. „Als Managementteam haben wir uns gemeinsam ausreichend Zeit genommen, um die qualitativen und quantitativen Ziele für die Veränderung festzulegen. Es war allen klar, was wir konkret er- reichen wollten.“ JA 67 % 33 % NEIN VERÄNDERUNG BRAUCHT VORBILDER: VIEL ZU WENIGE FÜH- RUNGSKRÄFTE VERHALTEN SICH VORBILDLICH. „Die Führungskräfte leben ihren Mitarbeitern die gewünschte Veränderung einfach zu wenig vor.“ JA 61 % 39 % NEIN VERÄNDERUNG GEHT JEDEN IM UNTERNEHMEN AN: DOCH DAS MITTLERE MANAGEMENT ZIEHT OFT NICHT MIT. „Das mittlere Management ist sich meist nicht bewusst, wie wich- tig seine Rolle für den Erfolg von Veränderungsinitiativen ist.“ JA 76 % 24 % NEIN VERÄNDERUNG SCHAFFT UNSICHERHEIT UND VIEL GE- SPRÄCHSBEDARF: IN DEN MEISTEN UNTERNEHMEN WIRD ZU WENIG DARÜBER GEREDET. „Bei Mitarbeitern herrscht oft große Unsicherheit über Sinn, Zweck und Ziele von Veränderungen. Darüber wird zu wenig kom- muniziert.“ JA 71 % 29 % NEIN VERÄNDERUNG WIRD GAR NICHT GEWOLLT: DIE WIDERSTÄN- DE SIND GROSS, VOR ALLEM ÜBER BEREICHE HINWEG. „Die Bereitschaft zu Veränderungen ist bei vielen Mitarbeitern nicht vorhanden. Insbesondere bei bereichsübergreifenden Ver- änderungen stoßen wir auf Widerstände.“ JA 72 % 28 % NEIN VERÄNDERUNG IST EIN MARATHON, KEIN SPRINT: ZWEI DRIT- TEL DER UNTERNEHMEN GEHT UNTERWEGS DIE PUSTE AUS. „Unsere Veränderungsprozesse verlieren nach der ersten Pro- jektphase meist deutlich an Schwung oder schlafen nach einer gewissen Zeit völlig ein.“ JA 62 % 38 % NEIN CEOs ZU VERÄNDERUNGSPROZESSEN WIR HABEN CEOs UM IHRE MEINUNG ZU VERÄNDERUNGSPROZESSEN IN UNTERNEHMEN GEBETEN. 112 HABEN GEANTWORTET*. HIER SIND DIE ERGEBNISSE. Autoren Markus Webhofer und Felix Lente
  • 11. — 11 — WAS WIR AUS DIESEN ZAHLEN LESEN: VERÄNDERUNG BRAUCHT DIALOG, QUER DURCH DAS UNTERNEHMEN Veränderung tut not, das ist in der heutigen volatilen Wirtschafts- welt wahrer denn je. Unternehmen müssen sich laufend anpas- sen, um nicht unter die Räder zu kommen. Umso erschreckender, dass mehr als die Hälfte aller Veränderungsprojekte in Unterneh- men ihre Ziele verfehlen. Die Frage ist: warum? Aus der Studie „CEO OPINION #01: Veränderungsprozesse in Un- ternehmen“ des Institute of Brand Logic ergeben sich einige Hin- weise. Zwar ist den CEOs bewusst, dass es bei Veränderungspro- zessen darauf ankommt, wie einig sich das Managementteam ist. Nur, was folgt daraus? Jeder Dritte gibt den Führungskräften die Ziele der Veränderung einfach vor, statt sie im gemeinsamen Dia- log zu entwickeln. Und zwei von fünf CEOs beklagen sich darüber, dass die Führungskräfte die gewünschte Veränderung nicht vorle- ben. Aus unserem Beratungsalltag wissen wir: Unternehmen, ­denen es gelingt, ihre Führungsmannschaft von vornherein inten- siv in den Veränderungsprozess einzubinden, bewältigen den Wandel deutlich erfolgreicher. Doch die Einbindung der Führungsebene ist nicht der einzige Er- folgsfaktor. Die Herausforderung setzt sich im mittleren Manage- ment fort, denn dieses sorgt operativ für die Verwirklichung der angestrebten Ziele. Über die Relevanz seiner Position für das Ge- lingen ist es sich jedoch nicht bewusst, klagt jeder vierte CEO. Auch dies deckt sich mit den Erfahrungen aus unserem Bera- tungsalltag: Die enge Einbindung des mittleren Managements in den Veränderungsprozess ist mitnichten vertane Zeit, sondern entscheidend für den Umsetzungserfolg. Mit Blick auf die Mitarbeiterschaft insgesamt zeigt sich die Heraus­ forderung noch viel deutlicher. Die befragten CEOs bestätigen mehrheitlich die durch Veränderungsprozesse ausgelösten Verun- sicherungen und Widerstände im Unternehmen. Der Gesprächs­ bedarf darüber ist groß, doch es wird zu wenig darüber geredet. In der Folge geht die Energie aus, und der angestoßene Prozess zur Zu den Autoren Markus Webhofer (markus.webhofer@brand-logic.com) und Felix Lente (felix.lente@brand-logic.com) waren überrascht, wie positiv CEOs ihre eigene Rolle in Veränderungsprozessen bewerten: Neutrale Studien, die CEOs nicht direkt befragen, zeichnen in dieser Hinsicht meist ein weniger schmeichelhaf- tes Bild. * Umfrage des Institute of Brand Logic unter deutschsprachigen CEOs. 112 vollständig beantwortete Online-Fragebögen. Erhebungszeitraum Juni/Juli 2015. Veränderung schläft ein. Auch das ist aus unserer Sicht ein ganz typisches Phänomen: Unternehmen, denen es gelingt, einen akti- ven Dialog mit allen Mitarbeitern über die Veränderung anzusto- ßen und diesen vor allem mit Berichten über Etappenerfolge des Prozesses lebendig zu halten, sind deutlich im Vorteil. Das Fazit ist daher eindeutig: Veränderungsprozesse sollten vom Dialog quer durch das Unternehmen begleitet werden. Denn es ist er- folgsentscheidend, ob die Ziele einer Veränderung auf Führungs- ebene, im mittleren Management und bei jedem Mitarbeiter ver- standen, angenommen und gelebt werden. ES IST ERFOLGSENTSCHEIDEND, OB DIE ZIELE EINER VERÄNDERUNG AUF FÜHRUNGSEBENE, IM MITTLEREN MANAGEMENT UND BEI JEDEM MITARBEITER VER- STANDEN, ANGENOMMEN UND GELEBT WERDEN. CEO OPINION MEINUNGSSTUDIE DES INSTITUTE OF BRAND LOGIC
  • 12. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 12 — AUF MARKE GEBAUT DIE TRANSFORMATION DES ZIEGELHERSTELLERS WIENERBERGER ZUR FÜHRENDEN MARKE FÜR ZUKUNFTSWEISENDE BAUSTOFFLÖSUNGEN Autoren Martina Mertzbach und Christoph Ettlmayr
  • 13. — 13 — Blick in die Ziegelherstellung bei Wienerberger
  • 14. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 14 — Der 1819 in Österreich gegründete Ziegelhersteller Wienerberger ist heute einer der international führenden Baustoffkonzerne. Die Erfolgsgeschichte ist spannend und abwechslungsreich: In den Jahren rund um die Jahrtausendwende schwimmt Wienerberger auf einer enormen Welle des Erfolgs. Doch die Wachstumsma- schinerie gerät ins Stottern, als die Wirtschaftskrise Wienerber- ger 2008/2009 mit voller Kraft trifft. Nach erfolgreicher Sanierung stellt sich im Jahr 2010 dann die Frage: Wie soll die Zukunft von Wienerberger aussehen? Wofür soll das Unternehmen stehen? Die Antwort legt den Grundstein des heutigen Erfolgs: Der Markt- führer wächst nachhaltig und profitabel. EIN JAHRHUNDERT GEPRÄGT VON DYNAMISCHEM WACHSTUM 1819 in Wien gegründet, steht Wienerberger seit Generationen für Qualitätsziegel. Eine für die Marke attraktive und wettbewerbs­ fähige Position, die stetiges Wachstum sichert: Ziegel ist in vielen Ländern und Kulturen ein seit Generationen bewährter Baustoff für das private Wohnheim. Der Großteil der Häuslbauer setzt auf Ziegel und somit meist automatisch auch auf den Marktführer Wienerberger. Die Marke wächst verlässlich, und in den 90er-Jahren schießt der Umsatz weiter nach oben: Der Bauboom kurbelt das Geschäft an, die Ost-Öffnung bietet Zugang zu neuen Märkten, Greenfield-Pro- jekte und erfolgreiche Übernahmen sorgen für Wachstum – das Unternehmen floriert. DIE STARKE ABHÄNGIGKEIT VOM BAUSTOFF ZIEGEL MACHTE DAS UNTERNEHMEN IN HOHEM MASSE VON MAKROÖKONOMISCHEN FAKTOREN ABHÄNGIG. DIE WIRTSCHAFTSKRISE SCHLÄGT ZU Die Wirtschaftskrise im Jahr 2008 trifft Wienerberger heftig. Die starke Abhängigkeit vom Baustoff Ziegel macht das Unternehmen zugleich in hohem Maße von makroökonimischen Faktoren ab- hängig. Ist die wirtschaftliche Situation schlecht, bricht der Neu- bau von Eigenheimen ein – und damit der Umsatz von Wienerber- ger. Zudem verliert der Ziegel seit den 90er-Jahren im Vergleich zu anderen Baustoffen nach und nach an Bedeutung. Alternative Materialien sind auf dem Vormarsch, und dem Naturprodukt Zie- gel haftet das Image eines traditionellen, konservativen Baustoffs an. Für Individualität suchende private Bauherren steht zuneh- mend die Architektur bzw. der erlebte Wohnraum im Vordergrund und nicht mehr der Baustoff selbst. AUS EIGENER KRAFT WACHSEN Durch stringentes Management, geprägt von Restrukturierungen und Kostensenkungsprogrammen, gelingt es Wienerberger, sich in den Krisenjahren erfolgreich zu restrukturieren. Finanziell ab- gesichert, steht Wienerberger 2010 vor essenziellen Fragen: Wie muss das Kerngeschäft für die Zukunft definiert werden, um den Unternehmenserfolg nachhaltig sicherzustellen? Worin muss Wienerberger sich von den Hauptwettbewerbern unterscheiden, um seine Kunden nachhaltig zu überzeugen? Wie können bestehende Stärken und Kernkompetenzen besser ausgespielt werden? Wie können am Markt verlässlich wertgerechte Preise durch- gesetzt werden? Mit welcher Logik kann Wienerberger systematisch profitab- les Wachstum sicherstellen und weiter vorantreiben? Auf der internationalen Management-Tagung 2010 erklärt die ­Führungsspitze die Ausarbeitung eines klaren Zukunftsbildes für Wienerberger zur Priorität. Es gilt, die Marke neu zu positionieren, mit dem Ziel, Wienerberger unabhängiger von Marktdynamiken und dem Kernprodukt Ziegel zu machen. Neue Geschäftsfelder sollen zur Risikodiversifizierung dienen und Wachstumspotenzial eröffnen. EIN GEMEINSAMES BILD VON DER ZUKUNFT Dem Vorstand ist die Dimension der Aufgabe bewusst: eine neue Positionierung wird Folgen für die gesamte Organisation haben. Er beschließt, die Fragen zur Zukunft der Marke daher nicht nur im obersten Führungskreis zu diskutieren. Neben nüchternen Analysen und faktenbezogenen Erkenntnissen soll die Organisa­ tion bereits bei der Entwicklung des Zukunftsbildes durch einen bereichsübergreifenden Dialog in den Denkprozess eingebunden werden und so das Unternehmen entscheidend voranbringen. „ Es gibt viele Fragen, denen wir uns als Unternehmen in voller Verantwortung stellen müssen. Nach den richtigen Antworten werden wir suchen, und zwar in einem gemeinsamen Prozess. “ (Heimo Scheuch, 2011) 2010 ERKLÄRT DIE FÜHRUNGSSPITZE DIE AUSARBEITUNG EINES KLAREN ZUKUNFTSBILDES FÜR WIENERBERGER ZUR PRIORITÄT.
  • 15. — 15 — Zur Person 1996 kam Heimo Scheuch als Assistent des Vorstands zur Wienerberger AG, wechselte 1997 in das Senior Management zu Terca Bricks in Belgien und wurde 1999 ihr CEO. Vor seiner Bestellung zum Vorstands- vorsitzenden der Wienerberger AG durch den Auf- sichtsrat am 1. August 2009 war Heimo Scheuch seit 21. Mai 2001 Mitglied des Vorstands. „WIR HABEN UNS BEWUSST ENTSCHIEDEN, AUCH IN UNGE- MÜTLICHEN ZEITEN AN DIE ZUKUNFT ZU DENKEN.“ DREI FRAGEN AN HEIMO SCHEUCH, VORSTANDSVORSITZEN- DER DER WIENERBERGER AG Wienerberger hatte im Jahr 2010 eine herausfordernde Sanierungs- und Restrukturierungsphase gerade erfolgreich überstanden. Warum haben Sie sich gerade zu diesem Zeitpunkt zur Schärfung des Unternehmenspro- fils entschlossen? Heimo Scheuch: Die ersten Gedanken zur Entwicklung des Erfolgs- profils starteten 2010 zu einer Zeit, in der sich das Unternehmen in einem strukturellen Umbruch befand und wir eben erst die welt- weite Finanzkrise hinter uns gelassen hatten. Wir haben uns aber damals bewusst dazu entschieden, auch in ungemütlichen Zeiten an die Zukunft zu denken, uns zu diversifizieren, breiter aufzustel- len und uns als Komplettanbieter von Ziegeln, Rohren und Flä- chenbefestigungen zu positionieren. Durch diese Weiterentwick- lung unserer Unternehmensorganisation wie auch unserer Produkte und Systemlösungen sahen wir die dringende Notwen- digkeit, unser Unternehmensprofil zu stärken. Wofür stehen wir, und wo wollen wir hin? Wie werden wir wahrgenommen, und wie möchten wir wahrgenommen werden? All diese Veränderungen und Fragen wurden von der Entwicklung des Erfolgsprofils 2011 und 2012 begleitet und aufgegriffen. Viele Kollegen haben sich stellvertretend für beinahe 15.000 Mitarbeiter/-innen mehrere Monate intensiv damit beschäftigt, wer wir sind und was uns über alle Landes- und Unternehmensgrenzen hinweg verbindet. Das Wichtigste dabei war jedoch, in die Zukunft zu schauen und für uns zu definieren, wofür die Marke Wienerberger stehen soll. Aber nicht nur wir, sondern auch unsere Kunden, Partner und Aktionä- re sollten ein klares Bild von Wienerberger haben. Was hat der Prozess für Wienerberger bewirkt? Heimo Scheuch: Die Entwicklung des Erfolgsprofils hat uns dabei geholfen, nach Jahren der Krise, die sicherlich einige Unsicher- heiten ausgelöst hat, wieder vereint an einem Strang zu ziehen und positiv in die Zukunft zu schauen. So haben wir gemeinsam unsere Vision mit Leben erfüllt und sie im Unternehmen veran- kert. Ich bin mir sicher, dass durch diese präzise ausformulierte interne Ausrichtung unser Projektmanagement – um nur ein Bei- spiel zu nennen – nun zielgerichteter abläuft. Auch davon, dass dieser interne Prozess externe Auswirkungen hat und damit unse- re Marke positiv und nachhaltig beeinflusst, bin ich überzeugt. Welche Rolle hat der Vorstand im Prozess gespielt? Und welche Rolle neh- men Sie heute ein, wenn es um die Führung der Marke geht? Heimo Scheuch: Veränderungsprozesse in einem derart großen Un- ternehmen wie der Wienerberger AG müssen vom Vorstand initi- iert und angeleitet werden. Nur so sind eine konsistente Umset- zung und ein kontinuierliches Vorantreiben überhaupt möglich. Gleichzeitig war aber auch die zeitgerechte Einbindung unserer Mitarbeiter/-innen zur inhaltlichen Ausgestaltung des Prozesses und zur Identifikation mit dessen Inhalten unerlässlich. Denn ­diese sind in ihren spezifischen Gebieten unsere Experten. Letzt- lich verlangt es aber das persönliche Engagement des Vorstan- des, und ich sehe mich dadurch selbst in die Pflicht genommen, oberster Botschafter des Erfolgsprofils zu sein. Heute engagiere ich mich für die Weiterführung des Erfolgsprofils, denn das Unterne­hmen hat sich in den letzten Jahren verändert – wir haben unsere Produktpalette erweitert –, und dies muss sich auch im ­Erfolgsprofil der Wienerberger widerspiegeln.
  • 16. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 16 — Facts and Figures Wienerberger-AG GEGRÜNDET 1819 MARKTPOSITION Hintermauerziegel: Nr. 1 weltweit Kunststoffrohre: Führende Position in Europa Vormauerziegel: Nr. 1 in Europa, Co-Leader in den USA Keramische Rohre: Nr. 1 in Europa Tondachziegel: Nr. 1 in Europa Betonsteine: Nr. 1 in Zentral-Osteuropa HAUPTNIEDERLASSUNG Wien WERKSSTANDORTE IN FOLGENDEN LÄNDERN Österreich, Schweiz, Tschechien, Slowakei, Polen, Estland, Finnland, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Russland, Italien, Kroatien, Slowenien, Serbien, Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Niederlande, Großbritannien, Belgien, Mazedonien, Frankreich, Indien, Kanada, USA, Griechenland, Türkei, Irland STREUBESITZ 100 % UMSATZ 2014 2.834,5 Mio. € ERGEBNISSE 2014 EBITDA operativ 317,2 Mio. € EBIT operativ 100,2 Mio. € ANZAHL DER MITARBEITER 2014 14.836 Gemeinsam mit dem Institute of Brand Logic startet Wienerberger im Januar 2011 einen umfassenden Unternehmensentwicklungs- prozess. Erklärte Ziele für den Prozess sind: 1. ein spezifisches und differenziertes Positionierungsprofil von Wienerberger zu erarbeiten, 2. ein gemeinsames Vorstellungsbild von der zukünftigen Aus- richtung von Wienerberger bei Mitarbeitern und Führungs- kräften zu etablieren und 3. die Ergebnisse aus dieser Arbeit unternehmensweit mit aller Konsequenz umzusetzen. Für die erste Phase, in der die Entwicklung des Unternehmens­ profils im Mittelpunkt steht, wird ein Team aus 60 Personen aus verschiedenen Ländern, Bereichen und Funktionen der Organisa- tion zusammengestellt. Grundlegende Fragen werden intensiv diskutiert und von unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Durch fundierte Analysen und Dialoge wird das Projektteam rund um den Vorstand Stück für Stück befähigt, die richtigen Entschei- dungen zu treffen und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen. Erstes Teilergebnis des Prozesses ist das neu formulierte Markenprofil. Durch die konsequente Einbindung aller Bereiche bei seiner Entwicklung genießt es von Anfang an breite Zustim- mung. Im Zentrum des Markenprofils steht der Anspruch, durch innovative, hochwertige und anwenderorientierte Systemlösun- gen einen klaren Mehrwert für Kunden zu schaffen. Umfassende Beratungs- und Serviceleistungen, die schon bei der Planung von Projekten ansetzen, sind wesentlicher Bestandteil der Neuaus- richtung. Für Wienerberger heißt es: weg vom Baustoff als Com- modity – hin zu Baustofflösungen mit klarem Nutzen für alle rele- vanten Stakeholder. Der erste Schritt ist getan: das Bild über die eigene Zukunft ist klar. Nun gilt es, die ambitionierte Positionierung kraftvoll zu realisieren. NEBEN DEM VORSTAND ACHTET EINE SUCCESS PROFILE MANAGERIN AUF DIE LAUFENDE WEITERENTWICKLUNG DES UNTERNEHMENS IM SINNE DER MARKE. DIE MARKE IM ZENTRUM DER UNTERNEHMENSENTWICKLUNG Sorgfältig werden die Kernthemen für die erfolgreiche Realisie- rung des Markenprofils identifiziert und in klar definierten Projekt- aufträgen an Arbeitsgruppen übergeben. Eine Steuerungsgruppe gibt (Teil-)Ergebnisse frei und sorgt für die nötige Transparenz und den übergreifenden Austausch im Gesamtprozess. Die Kommuni- kation und die Markenarchitektur werden vom Institute of Brand
  • 17. — 17 — Zu den Autoren Martina Mertzbach (martina.mertzbach@brand-logic.com) und Christoph Ettlmayr (christoph.ettlmayr@brand-logic. com) staunten bei der Arbeit für Wienerberger nicht nur über die Dimensionen des Geschäfts (aus Wienerberger Produkten wurden 2014 143.000 Häuser erbaut, 242.000 Dächer ge- deckt und 470.000 km Rohre verlegt), sondern auch über die Geschäftsberichte: so augenzwinkernd-charmant wie Wien- erberger berichtet kaum ein Konzern über Zahlen. Logic überarbeitet – logisch aus dem Markenprofil heraus abge- leitet. Den Business Units der Wienerberger AG mit ihren eigenen Leistungsmarken (Wienerberger, Pipelife, Semmelrock und Ge- neral Shale) wird rasch Eigenverantwortung für die Übersetzung und Implementierung des Gruppenprofils auf ihrer Ebene über- tragen. Auch hier sollen die Kompetenz und Energie aller Mitar- beiter den erfolgreichen Wandel beschleunigen. Das Bild von der Zukunft wird Stück für Stück Realität. Heute ist der Erfolg der Marke in der Verantwortung des gesam- ten Unternehmens. Neben dem Vorstand achtet eine Success Pro- file Managerin auf die laufende Weiterentwicklung des Unterneh- mens im Sinne der Marke. EINE STARKE MARKE AUF ERFOLGSKURS Der Umsetzungserfolg wird für die internationale Management- Tagung 2015 umfassend evaluiert. Das Ergebnis zeigt, dass das Success Profile breit im Unternehmen verankert und bereits an vielen Kontaktpunkten kraftvoll realisiert ist. Dies gilt sowohl auf Gruppenebene als auch für die einzelnen Business Units. Für die weitere erfolgreiche Implementierung werden Aktivitäten abgelei­ tet und deren Umsetzung initiiert. Vor dem Hintergrund, dass rund vier von fünf Change-Projekten scheitern, wie zahlreiche ­inter­­­na-­­ tionale Studien belegen, ist das ein beindruckendes Resultat. Bei Wienerberger gelten die frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter bereits in der Entwicklung und das klare Bekenntnis der Führungs­ ebene zum Prozess als entscheidende Faktoren dieses Erfolgs. DIE FRÜHZEITIGE EINBINDUNG DER MITARBEITER BEREITS IN DER ENTWICKLUNG UND DAS KLARE BEKENNTNIS DER FÜHRUNGSEBENE ZUM PROZESS WAREN ERFOLGSENTSCHEIDEND. Auch am Markt zeigt das Programm Wirkung: Die Wienerberger AG kann im ersten Quartal 2015 ein Umsatzplus von 5 % auf 613 Mio. € sowie eine deutliche Steigerung des operativen EBITDA um 21 % auf 34 Mio. € gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres erzielen. Klar definiertes Ziel von Wienerberger ist es, durch Kundennähe und Innovationskraft in allen Märkten die führende Position zu halten bzw. weiter auszubauen. Wienerberger soll schneller wachsen als der Markt. Das Markenprofil sorgt dabei für ein klares Zukunftsbild und eint das Unternehmen in seinen Bestrebungen. Zur Fortsetzung der Erfolgsgeschichte baut Wienerberger weiter auf seine Marke.
  • 18. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 18 — WANDEL ALS CHANCE, NICHT ALS BEDROHUNG WAS MÜSSEN UNTERNEHMEN KÖNNEN, UM DEN HERAUSFORDERUNGEN EVOLVIERENDER MÄRKTE ZU BEGEGNEN? EIN DISKURS AM AKTUELLEN BEISPIEL DER AUTOMOBILINDUSTRIE. Autoren Lesley Craggs und Stefania Cimino Konstanter Wandel des Automobilmarkts Daimler Motorkutsche Der Anfang ist gemacht. Ford Modell T Etablierung der Massenfertigung VW Käfer Meistverkauft: Einer für alle Mercedes S-Klasse Die Redefinition der Oberklasse
  • 19. — 19 — Märkte wandeln sich. Was gestern noch als Innovation galt, wird heute bereits als Standard gesehen und ist morgen schon ein alter Hut. Das Phänomen ist in der Wirtschaftstheorie vom Marktle- benszyklus bis zum Gartner Hype-Cycle aus vielen Perspektiven beschrieben: Entstehung, Wachstum, Reife und Stagnation gefolgt vom Abschwung. Von der Geburt bis zum Sterben eines Markts oder aber seiner Neubelebung durch Innovationen. Denn die Nachfrage der Konsumenten bleibt ja bestehen, nur die Angebote wandeln sich. Live beobachten lässt sich der Wandel eines Markts derzeit in der Automobilindustrie. Und das nicht, weil VW und vermutlich auch einige weitere klassische Hersteller dem Überleben ihrer Basis- technologie Verbrennungsmotor mit unlauteren Tricks nachge- holfen haben. Die Zeichen für den Wandel zeichnen sich schon seit Längerem ab: Die Autonutzung hat ihren Höhepunkt erreicht, es findet ein gesellschaftliches Umdenken beim Thema Mobilität statt, denn die Vorteile digitaler Vernetzung werden auch in diesem Lebensbereich immer konkreter. Traditionelle Automobilher­ steller sehen sich mit neuen Kundenansprüchen, Wettbewerbern und Technologien konfrontiert. Der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn hatte also gute Gründe, als er bereits Anfang 2014 in einer internen Ansprache konstatierte: „Unsere Branche steht in den nächsten Jahren vor einem der größten Umbrüche seit Beste- hen des Automobils.“ Unternehmen, die den natürlichen Wandel überleben wollen, müssen sich mit ihrem Markt evolvieren. Sie um 50 % bis 2020 vorher (von 54 auf 79 Mrd. €). Doch die Zeichen mehren sich, dass das Auto als Statussymbol ausgedient hat und sich die Wege der Fortbewegung substanziell verändern. Es geht ab jetzt um mehr als nur Pferdestärken und Drehmoment. Die Nervosität in den etablierten Unternehmen wächst, denn die Ent- wicklungsgeschwindigkeit der vergangenen Jahre wurde unter- schätzt. Anlässlich der IAA sagte BMW-Chef Harald Krüger der Süddeutschen Zeitung: „Unser Geschäft bekommt ganz neue Spielregeln“, und weiter: BMW müsse „die neuen Regeln perfekt beherrschen“. DER BEDARF VERÄNDERT SICH Die Nachfrageseite zeigt schon seit einigen Jahren Anzeichen des stetigen Wandels: unsere Gesellschaft siedelt um, und neue Werte setzen sich durch. Trend zur Urbanisierung Fakt ist, das Autofahren in Großstädten ist eine Qual: verstopf- te Verkehrswege, enge Straßen, keine Parkplätze und viele Zusatzkosten wie City-Maut oder Parkgebühren. Der unge­ heure Platzbedarf von Automobilen wird zum teuren und zeitfressen­den Nachteil. Nüchtern betrachtet sind sie in der Stadt eine der ineffizientesten Formen individueller Mobilität. Doch Städte sind der Lebensraum der Zukunft. Trendstudien prognostizieren einen Anstieg der Bevölkerung in urbanen Räumen um 80 % bis 2050. Viele urbane Bewohner BMW X6 Cross-Over für jede Marktnische Tesla Model S Elektromobiles Premiumsegment Google Car Autonomes Fahren auf Fingertipp müssen den Wandel rechtzeitig erkennen und beginnen sich ihm anzupassen. In der Automobilindustrie und darüber hinaus lautet also die Frage: Was müssen Unternehmen konkret tun, um am Wandel zu partizipieren, statt von neuen Wettbewerbern vorge- führt und an den Rand gedrängt zu werden? TRADITIONELLE AUTOMOBILHERSTELLER SEHEN SICH MIT NEUEN KUNDENANSPRÜCHEN, WETTBEWERBERN UND TECHNOLOGIEN KONFRONTIERT. DER WANDEL DES AUTOMOBILMARKTS Die Prognosen scheinen glänzend: McKinsey sagte noch vorver- gangenes Jahr eine Gewinnsteigerung der 17 größten Hersteller nutzen bereits heute das alternative Angebot: verbesserte ­Anbindungen der öffentlichen Verkehrsmittel oder neue Kon- zepte wie Car Sharing, die dank digitaler Vernetzung endlich praktikabel werden. Veränderung des Konsumverhaltens Die sogenannte Generation Y (Geburtsjahr 1971–1997) zeichnet sich durch ein anderes Verbrauchsverhalten aus. Diese Gene- ration ist keine „Spaßgeneration“, ihnen geht es um die Bewah­ rung, aber auch um die Veränderung der Welt. Strategischer Konsum, Klimawandel, Ressourcenknappheit, aber auch der Drang nach technologischer Weiterentwicklung sind für die Generation Y komplementäre Alltagsthemen. Diese essenziellen Treiber unserer Gesellschaft müssen in die Mobilitätslösung der Zukunft integriert werden. Für Automobil- hersteller bedeutet das, Trends wie vernetztes, automatisiertes Fahren zur Verbesserung der Lebensqualität und Emissionsfrei- heit zum Schutz unserer Umwelt in ihre Produkte aufzunehmen.
  • 20. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 20 — NEUE WETTBEWERBER SCHAFFEN ALTERNATIVE ANGEBOTE Die neuen Bedürfnisse der Konsumenten öffnen den Markt für neue Mitbewerber. Viele Quereinsteiger erkennen das Potenzial und punkten mit differenzierenden oder innovativen Kernkompe- tenzen. Der Underdog: Tesla Der amerikanische Neuling Tesla sorgt für Aufse- hen in der Automobilindustrie. Mit einem Team aus ambitionierten Silicon-Valley-Ingenieuren konzent- riert sich der branchenfremde Milliardär Elon Musk auf bis- lang branchenunübliche Kernkompetenzen: leistungsfähige Batterien, exzellente Bordelektronik und ein flächendeckendes Ladenetz. Seine Fahrzeuge setzen voll auf den Elektroantrieb und sind im margenstarken Premiumsegment positioniert. Inzwischen jagt Tesla den etablierten Branchengrößen BMW, Mercedes, Lexus und Audi empfindliche Marktanteile in den hart umkämpften progressiv-modernen Zielgruppen ab. Sicher jedes zweite Premiumauto, das dieser Tage durchs Silicon Valley fährt, ist ein Tesla Model S. Ihr zweites Modell ist der- zeit in Vorbereitung und setzt diese Strategie fort: es wird ein hochwertiger, emissionsfreier SUV mit uneingeschränktem Fahrspaß. Die Internetriesen Neben den Autoherstellern drängen auch ver- mehrt IT-Konzerne wie Apple oder Google in den Markt. Die Konkurrenz aus dem Silicon Valley arbeitet emsig an der Reali- sierung von vernetzter und vollautomati- sierter Mobilität. Mit beeindruckender Leichtigkeit werben sie verdächtig viele Mitarbeiter aus der Automobilbranche ab, während die traditionellen Hersteller IT-Experten mühsam für sich gewinnen müssen. Apple und Google provozieren die traditionelle Industrie gezielt: mit den enormen Kapitalreserven, der innovationserprobten Organi- sationskultur und dem großen Kundenstamm wird ihnen ein schneller Eintritt in die Branche zugetraut. DIE INTERNETINDUSTRIE IST ERFAHREN IN DER DISRUPTION ATTRAKTIVER MÄRKTE „Es gibt Unternehmen außerhalb der Branche, die auf unsere Industrie blicken. (...) Wir müssen noch innovativer als bisher werden“, warnt Mark Fields, CEO der Ford Motor Company. Andernfalls kann es passieren, dass Branchenneulinge den Markt redefinieren. Dass es vor allem IT- Firmen in der Vergangenheit gelun- gen ist, erfolgreich in einen neuen Markt einzusteigen und etablierte Unternehmen kurzerhand vom Thron zu stoßen, zeigt sich an Nokia. Die Erfolgsstory des Apple iPhones basierte nicht nur auf der da- maligen Novität des Produktes, sondern auch auf dem verpassten Momentum des lange Jahre unangefochtenen Marktführers No- kia. Dieser erkannte das Ausmaß der Marktveränderung erst viel zu spät, handelte dann glücklos und fahrig. So kam es, dass zuerst Apple – und später auch Samsung und Google – Nokia den neu entstehenden Smartphone-Markt vor der Nase wegschnappten. Der einstmals starken Marke mit spezifischem Nutzen gelang es nicht mehr, ihren Kunden ein attraktives und nachvollziehbares Angebot zu machen. Stattdessen wurde Nokia zu einem aus- tauschbaren Hardware-Gerät ohne wahrnehmbaren Mehrwert. Die Führungspersonen der traditionellen Autobauer wissen ge- nau, dass sie Tesla, Apple und Google nicht unterschätzen dürfen. Auch wenn die Aufgabe durch den VW-Skandal deutlich schwerer wird, allein schon deswegen, weil ihr Image als Innovationstreiber des Marktes dadurch dahin ist. Nur so erklärt sich, warum BMW- CEO ­Harald Krüger sich wiederum in der Süddeutschen Zeitung zu folgender Aussage hinreißen ließ „Ich halte eine Einteilung in tra- ditionelle und moderne Autobauer für unangebracht.“ Doch auch er macht klar, dass künfti- ger Erfolg von folgenden Fragen ab- hängt: „Wie nutze ich die Möglichkei- ten der Digitalisierung für meine Kunden und für mein Unternehmen? Und: Wie kann ich individuelle Mobili- tät so nachhaltig und umweltfreund- lich wie möglich anbieten?“ Dies gelte „für alle, egal, ob Sie im Silicon Valley oder in Bayern zu Hause sind“. 02 01
  • 21. — 21 — WANDEL SCHAFFT VERUNSICHERUNG, EIN KLARES ZU­ KUNFTS­BILD SCHAFFT SICHERHEIT Dass mit dem Wandel Verunsicherung einhergeht, ist ein typi- sches Phänomen. Doch um Wandel als Chance zu nutzen, brau- chen ­Unternehmen eine verlässliche Entwicklungsperspektive. Sie müssen ein klares Bild von ihrer Zukunft haben. Ein Bild, das über die Sonntagssprüche aus Unternehmensleitbild oder Strate- gie hinausgeht. Das Zukunftsbild muss das Leistungsversprechen des Unternehmens an den Markt beschreiben und seine differen- zierenden und herausragenden Kernkompetenzen klar benennen. Nur wenn es diesen konkreten Leistungsauftrag gibt und er von allen Bereichen des Unternehmens anerkannt, getragen und gelebt wird, kann er orientierende Wirkung nach innen und nach außen entfalten. Das ist die zentrale Voraussetzung für die Bewältigung des Wandels. Darum gilt es, ausgehend von den historischen Er- folgsmustern eines Unternehmens und unter Einbeziehung seiner etablierten Kompetenzen, mit einem nachvollziehbaren Zukunfts- bild klar die Richtung vorzugeben, wie und welche neuen Fähigkei- ten im Unternehmen aufzubauen sind. Das ist die Aufgabe. Die Stärken neu interpretieren Die Vision des individualisierten Fahrvergnügens ist nicht nur der vergangene, sondern auch zukünftige Leistungsauftrag. Angesichts zunehmend urbanisierter Lebenswelten und einem gewandelten Konsumverhalten ist das jedoch nicht mehr eine Frage der Zylinderzahl und sportlicher Lenkung. Stattdessen muss das Fahrvergnügen vor dem Hintergrund des teil- oder vollautomatisierten Fahrens und der emissionsfreien Mobili- tät neu interpretiert werden. Bei Daimler lässt sich erkennen, wie ein Konzern beginnt, sei- ne Pionierstärke ganz im Sinne seiner Rolle als „Erfinder des Automobils“ auch in diesen neuen Bereichen zu forcieren. So ist es zu interpretieren, wenn Daimler-Chef Zetsche sich in der BILD-Zeitung mit Aussagen wie „Das Auto fährt uns bald ganz allein zur Arbeit“ zitieren lässt. In Sachen Elektromobilität be- teiligte der Konzern sich bereits früh an Tesla und ist auch nach seinem Ausstieg bei den Kali- forniern durch Kooperationen eng mit ihnen verwoben. Auch bei der digi­ talen Vernetzung setzt das Unterneh- men deutlich Signale. Die massiven Investitionen in Mobilitätsalternativen wie das Car-Sharing-Angebot „Car- 2Go“ und Beteiligungen an Mobilitäts-Apps wie „moovel“ oder „myTaxi“ zeugen davon, mit welcher Konsequenz Daimler Fä- higkeiten in digital-getriebenen Kompetenzbereichen erwirbt und in sein Portfolio integriert. Und auch vor strategischen Allianzen mit den rivalisierenden Premiumherstellern Audi und BMW schreckt Daimler nicht zurück: Mit dem Kauf des Kartendienstes „Here“ von Nokia rüsten sich die Big Player für eine eigenständige Zukunft der autonom fahrenden Autos. Ausrichtung für die Transformation Die Stärkung der Kernkompetenzen und Entwicklung neuer Leis­tungen reichen aber nicht für die Führung des Marktwan- dels. „Neben all den technischen Fragen bleibt die Herausfor- derung, dass wir das Gespür für unsere Kunden, vor allem die jüngeren, behalten. (...) Deshalb müssen wir uns anders orga- nisieren, um in Zukunft bestehen zu können“, mahnt Daimler- Chef Zetsche. So gibt das Zukunftsbild neben der Evolution des Angebots auch den Rahmen für die Neuausrichtung der Organisation vor. Neue Kompetenzen und Produkte fordern adaptierte Strukturen und Prozesse, um eine Leistungser- bringung zu garantieren, welche die neuen Marktbedürfnisse bedient. Das macht es umso wichtiger, dass die Vorstellungen über die Zukunft in der gesamten Organisation verstanden und geteilt werden. Das schafft Stabilität in unsicheren Zeiten für die Organisation und ihre Mitarbeiter. MARKTWANDEL: VON DER BEDROHUNG ZUR CHANCE Die durch Marktdisruptionen ausgelöste Unruhe und Verunsiche- rung von Management und Mitarbeitern stellt eine der größten Bedrohungen etablierter Unternehmen dar. Typische Symptome sind „Aktionitis“ und Orientierungslosigkeit der Organisation. ­Anstatt sich auf die Weiterentwicklung des eigenen Leistungs­ versprechens zu konzentrieren, beginnen sie, ihr Angebot am ­Wett­bewerb auszurichten, gleichen sich dem Einheitsbrei an und verpulvern dringend benötigte Ressourcen, während sie ihre Diffe­renzierung am Markt verlieren. DASS MIT DEM WANDEL VERUNSICHERUNG EINHER- GEHT, IST EIN TYPISCHES PHÄNOMEN. 03
  • 22. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 22 — Ein klares Zukunfts­bild macht den Wandel und den einhergehenden Veränderungsprozess der Organisation zur nachvollziehbaren Notwendigkeit. 
  • 23. — 23 — Zu den Autoren Lesley Craggs (lesley.craggs@brand-logic.com) und Stefania Cimino (stefania.cimino@brand-logic.com) wurden beim Schreiben dieses Artikels vom VW-Skandal überrascht. Doch schnell war klar: an ihrer These ändert das nicht viel: Die Bedrohung ist größer, der Bedarf, Wandel als Chance zu nutzen, höher. 04 01 Mark Fields, CEO Ford Motor Company 02 Harald Krüger, Vorstandsvorsitzender BMW AG 03 Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender Daimler AG 04 Martin Winterkorn, ehem. Vorstandsvorsitzender Volkswagen AG Ein klares und verständliches Zukunftsbild und eine kritische kon- tinuierliche Überprüfung der Positionierung am Markt sind es- sentiell, um durch den Wandel zu führen und die Organisation auf dieser Reise mitzunehmen. „Sind unsere Leistungen noch markt­ gerecht?“, „Differenzieren sie uns weiterhin am Markt?“ und ­„Sind wir unserem Leistungsversprechen treu?“ – dies müssen die leiten­den Fragen sein, mit denen das Management seine Arbeit ­immer wieder am formulierten Ziel für die Zukunft misst. Die neuen Kundenbedürfnisse sorgen für die konsequente Weiterentwicklung der historischen Kernkompetenzen und neuen Fähigkeiten im Rahmen des Zukunftsbildes – der Aufbau von nicht relevanten Leistungen im „Gießkannenprinzip“ wird gezielt vermieden. Innovationen sind nicht mehr rein effizienz- oder technologie- getrieben, sondern dienen der Erfüllung des Leistungsver- sprechens für den Kunden. Ein geteiltes Zukunftsbild in der Organisation, das auf den his- torischen Stärken aufbaut, gibt den Mitarbeitern eine klare Richtung vor und bietet die Stabilität, den als unsicher wahr­ genommenen Marktwandel mit einem klaren Leistungsauf- trag zu überstehen. Ein klares Zukunftsbild macht den Wandel und den einhergehen- den Veränderungsprozess der Organisation zur nachvollziehbaren Notwendigkeit. Es bietet dem Management die Möglichkeit, syste- matisch und fokussiert durch die Marktevolution zu führen. Die Kräfte im Unternehmen werden gebündelt, und der Marktwandel wird von einer Bedrohung zur Chance. Das Beispiel von Daimler zeigt es klar: Dr. Zetsche hat die aus- schlaggebenden Themen am Markt erkannt und treibt die strin- gente Ausrichtung daran gezielt voran. Die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors zu einem emissionsarmen Plug-in-Hybrid- Motor, die enge Kooperation mit Tesla für Elektroantriebe oder die Kombination der eigenen Fahrsicherheit-Pionierrolle mit externen digitalen Know-how-Trägern sind nur einige Merkmale konsequent geführter Marktevolution. Bislang gibt die strenge Orientierung am Kerngeschäft dem Daimler-Chef recht: ­Rekordgewinn, Rekordabsatz und mit der neuen S-Klasse ein Speerspitzenprodukt für autonomes, emissionsarmes Fahren. Doch damit ist erst der erste Kampf gewon- nen. Die Transformation der großen Auto- mobilhersteller hat gerade erst begonnen. Der VW-Skandal wird sie ein weiteres Mal beschleunigen. Es wird entscheidend sein, ob es den Chefetagen der etablierten Kon- zerne gelingt, mit einem nachvollzieh­ baren, klaren Bild von ihrer Zukunft durch diesen disruptiven Wandel zu führen, wenn sie nicht vorgeführt werden wollen.
  • 24. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 24 — DIE OMNI-CHALLENGE MIT MARKE DIE DISRUPTION IM HANDEL MEISTERN Autoren Alex Pesjak und Peter Horvath In vielen Fachmedien, auf Konferenzen sowie in den Chefetagen der meisten Handelsunternehmen ist derzeit vom massiven Wan- del im Handel, von Multichannel oder Omnichannel zu hören. Das Thema ist in aller Munde, und auf irgendeine Art und Weise be- schäftigen sich bereits die meisten Unternehmungen damit. Ist die Entscheidung gefallen, und Händler starten ihre Omnichan- nel-Initiative mit dem Ziel, ihren Kunden ein Seamless-Einkaufs- erlebnis zu bieten, sind in der Projektphase hochkomplexe Frage- stellungen zu klären. Was jedoch fehlt, ist ein ganzheitlicher Prozess, der abseits von reinen Detaillösungen sicher in die Zu- kunft führen hilft. Doch das ist erfolgsentscheidend, da Omni­ channel-Projekte hochkomplexe Eingriffe in die Leistungen, Struktur und Kultur existierender Unternehmen sind. Zu ihrem Gelingen braucht es einen klaren Entscheidungsrahmen für alle Beteiligten: die Marke. Das Markenprofil determiniert den Zweck des Unternehmens und definiert den Kundennutzen. In komplexen Fragestellungen sorgt die Marke für das Alignment aller Bereiche und schärft die Fähigkeiten und Kompetenzen der Organisation hinsichtlich der Kontaktpunkte auf die Marke. Leider tappen in der Praxis stationäre Händler bei ihrer Transfor- mation zu Omnichannel-Retailern immer wieder in typische Fallen. Und dies betrifft nicht nur Klein- und Mittelbetriebe, sondern auch die vermeintlich Großen. Beispiel: Bedeutender Spieler im LEH Die Aufgabe „online“ wurde isoliert betrachtet und als neues Medium dem Marketing lose zugeordnet. Nach den ersten Apps und Social-Media-Auf- tritten wurde ein eigenes Team in der IT-Abteilung mit diesem Bereich be- traut. Dieses hatte sich ohne echte Anbindung an das Tagesgeschäft mit Spezialagenturen und guter Ressourcenausstattung besonders darum be- müht, neueste Technologien und Anwendungen, die für den Einkaufspro- zess der Kunden keine Relevanz hatten, als Erster in der Branche auf den Markt zu bringen. Die Lösungen waren nicht auf den Kauf, sondern eher auf Promotion oder Branchen-PR ausgerichtet. Ohne strategischen Ent- scheidungsrahmen und Fahrplan wurde eine Initiative nach der anderen lanciert. Nach Einsatz vieler Mittel musste die Notbremse gezogen werden, und es erfolgte eine komplette Neuausrichtung. In der Zwischenzeit sind die Funktionen Online-Marketing und Online-Shopping klar zugeordnet und in einen strategischen Rahmen eingebettet. Wichtige Fähigkeiten mussten durch neues Personal beschleunigt werden. Eine gemeinsame, tragfähige technische Plattform wurde für unterschiedliche Marken des Händlers implementiert. Die Agenturpartner wurden deutlich reduziert und auf eine breitere inhaltliche Basis gestellt.
  • 25. — 25 — TYPISCHE FALLE NO. 1: OMNICHANNEL WIRD FAST AUSSCHLIESSLICH MIT ONLINE ÜBERSETZT. Wie bei einem Tier, das seine Beute reißen will, verengt sich der Blick von Anfang an zu rasch und fast ausschließlich auf online. „Wir brauchen eine Online-Strategie, einen Online-Shop“ etc. In der Folge sind alle Überlegungen links und rechts davon ausge- blendet. Alle Energie und vor allem auch Ressourcen gehen in die- sen Bereich. Es wird nicht überlegt, ob entlang der Customer Journey andere Kontaktpunkte und Leistungen mehr Relevanz hätten oder sogar überlegen wären. Die knappen Ressourcen werden oft großzügig im Online-Bereich verbraucht. Nicht selten ist es so, dass sich eine kleine, interne Expertentruppe – abgekoppelt vom Geschäft – als Einäugige unter den Blinden ein kleines Reich aufbaut. Sie orientiert sich nicht an den Customer Journeys der eigenen und potenziellen Kunden, sondern lässt sich von Artikeln in Fachzeitschriften, Agenturen und anderen Infor- mationsquellen treiben. Eine Integration entlang der Einkaufsent- scheidungsreise ihrer Kunden findet nicht statt. Empfohlene Lösung: MIT DEN RICHTIGEN FRAGEN STARTEN. Entwickeln Sie im Kollektiv Omnichannel Customer Journeys für unterschiedliche Einkaufsanlässe von Kunden. Identifizieren Sie Stärken und Schwächen ihrer Customer Journeys: Finden Sie heraus, was Ihre Kunden begeis- tert und was sie enttäuscht – on- und offline. Verschaffen Sie sich einen Überblick, welche Entwick- lungen und Veränderungen durch neue Wettbewerber oder Lösungen zu erwarten sind. Klären Sie, an welchen Kontaktpunkten Sie historische Erfolgsmuster Ihrer Marke mit zukünftiger Relevanz ausspielen, neu inszenieren und frisch halten können. Und vergessen Sie dabei den stationären Handel nicht! Stellen Sie die Call-to-Action an den richtigen Kontakt- punkten sicher. TYPISCHE FALLE NO. 2: DER BRANCHE UNKRITISCH FOLGEN UND OUTSOURCING VON KERNKOMPETENZEN Die Aufmerksamkeit in Organisationen liegt im Dunstkreis der kurzfristigen Ergebnisse der eigenen Branche. Besonders wenn unmittelbare Wettbewerber in Vorlage gegangen sind: „Die haben das schon, das benötigen wir auch.“ Und schon agieren Firmen nicht aus der Kraft der eigenen Marke, sondern aus branchenüb- lichen Leistungen. Doch Me-too reicht nicht, denn nachhaltige Wertschöpfung erzielen Sie nur mit relevanter Leistung, die sich vom Markt distinktiv absetzt. Auch kurzfristig verlockende Out- sourcing-Strategien für die Gewinnung von Know-how, um das Tempo zu erhöhen und Fixkosten zu vermeiden, werden meist zum Eigentor. Nach einiger Zeit stellen Unternehmen fest, dass ihnen Kernkompetenzen und Insights fehlen. Besonders externe Exper- ten mit Branchen-Know-how und vermeintlich erfolgreichen Re- ferenzen erweisen sich hier als gefährlich. Oftmals versuchen sie lediglich, rasch skalierbare Lösungen zu verkaufen und das Eisen zu schmieden, so lange es heiß ist. Empfohlene Lösung: AUS DEM EIGENEN MARKENPROFIL GEZIELT IN DIE UM- SETZUNG GEHEN Bauen Sie auf bestehenden Stärken Ihres Unterneh- mens auf. Wer sind Ihre wirklichen Wettbewerber? Wer kann Ihre Leistungen substituieren? Wenn Sie sich selbst aus dem Markt nehmen wollten, wie würden Sie das machen? Schielen Sie nicht auf vermeintliche Erfolgsbeispiele. Der Eindruck, „das Gras sei auf der anderen Seite immer grüner“, täuscht. Entwickeln Sie relevante und wahrnehmbare Produkt- und Serviceleistungen aus den Erfolgsmustern der Mar- ke und nicht aus der Technologie. Fokussieren Sie auf die rasche Umsetzung erster rele- vanter Kontaktpunkte und Prototypen, um daraus zügig zu lernen und Verbesserungen angehen zu können. Definieren Sie Sortimentsumfang und -architektur ge- zielt und nicht im falschen Wettrüsten. Vermeiden Sie un­ nötige Komplexität, um die Kosten im Griff zu behalten. Beispiel: Führender Warenhauskonzern Als selbstverstandener Pionier im Online-Bereich hat diese Marke deut- lich in Online investiert. Es erschien, dass das Engagement den globalen Wettbewerb im Auge hatte und nicht die eigene Marke. Diese war ohnedies schon unter Druck. Online könnte eine Flucht nach vorne gewesen sein. Sortimente und Artikelanzahl wurden sukzessive ausgeweitet. 140.000 Artikel und ein Zielumsatz im dreistelligen Millionenbereich. Gleichsam der Anzahl der Megapixel schien mehr besser zu sein. In der Folge sind die Komplexitätskosten zu stark gestiegen, während die Kundenanzahl bzw. Finanzen weitaus zu gering waren. Zu sehr schien die Marke in der tradi- tionellen Handelswelt verhaftet, während das Engagement online sich mit fokussierten, spezialisierten Wettbewerbern „matchte“. Vor Kurzem wurde das Redimensionieren von Online angekündigt. Eine Fokussierung auf ­selektive Warengruppen steht im Mittelpunkt.
  • 26. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 26 — TYPISCHE FALLE NO. 3: DEN STEIGENDEN KUNDENERWARTUNGEN NICHT RECHTZEI- TIG BEGEGNEN Das traditionelle Wirtschaften im Handel erfolgt in Zyklen, ge- speist von vielen Erfahrungswerten. „Store-Design-Erneuerun- gen alle sieben bis zehn Jahre, Neuauftritt der Marke mindestens so oft“ etc. Nach dem Abschluss der Projekte hatte man wieder für Jahre seine Ruhe. Der bisherige Fokus des Managements fußte in der Regel auf Optimierung eines bestehenden Rahmens. Ähnlich war die Erwartungshaltung in den ersten Omnichannel- Projekten: „Wir haben doch gerade eine neue mobile Webpage mit Shop“ oder „Wir haben eine Pick-up-Station in Filialen“, hört man. „Wir haben gerade in eine gut funktionierende Storelösung inves- tiert.“ Doch der technische Wandel verändert den Markt wesentlich ra- santer, nicht kontinuierlich und weitaus unvorhersehbarer als bis- lang üblich. Die Schlagzahl an Produkt- und Service-Innovationen hat sich im Handel deutlich erhöht – und die Kunden nehmen diese auch an. So kommt es, dass es Händlern mit klassischen Entwick- lungszyklen kaum gelingt, Schritt zu halten. Ihre Kunden wollen an unterschiedlichen Kontaktpunkten, bei allen Anlässen und in allen Phasen des Kaufprozesses das ideale Angebot erhalten: Wenn sie es nicht bei ihnen finden, stoßen sie dieser Tage schnell auf eine Fülle an Alternativen. Empfohlene Lösung: DENKEN ALS DIENSTLEISTER MIT KONTINUIERLICHEM VERBESSERUNGSPROZESS Kalkulieren Sie ein, dass die Entwicklung zum Omni­ channel-Händler jede Organisation zu einer Service- und Dienstleistungsorganisation mit starkem techni- schen Rückgrat machen muss. Richten Sie den Blick konsequent von außen nach innen und überprüfen Sie regelmäßig und systematisch die ­eigenen Leistungen aus Kundensicht. Optimieren Sie Ihre Leistungen mit der Brille des Kun- den. Bewerten Sie den Projektfortschritt regelmäßig und fokussieren Sie auf markenstärkende Maßnahmen. (Bsp.: Mobile first: ja; Same Day Delivery: noch nicht). Bauen Sie nicht nur auf Drei- bis Fünf-Jahres-Plänen auf: „Fail fast“: schnelles Testen (A/B-Testing), optimie- ren, kleine Schritte. TYPISCHE FALLE NO. 4: OMNICHANNEL-BUSINESS-PLÄNE SIND ZU OPTIMISTISCH Führungskräfte von Handelsunternehmen spüren den Druck des Marktes und planen den Einstieg in die Omnichannel-Welt zu opti- mistisch. Oftmals werden eilig erste Teilprojekte initiiert, Budget- mittel von existierenden Projekten umgewidmet und bestehende Ressourcen neu allokiert. Wenn dann die gewünschten Erfolge der auf optimalen Annahmen basierenden Planungen nicht eintre- ten, wird rasch nachgebessert, während sich an anderer Stelle bereits die negativen Effekte der Opportunitätskosten zeigen (we- niger Marketing, schlechtere Preise, veraltete Stores etc.). Empfohlene Lösung: KLARE STRATEGISCHE ROLLE FRÜH DEFINIEREN UND IM GESCHÄFTSMODELL VERANKERN Definieren Sie als Erstes die strategische Rolle des The- mas Omnichannel für Ihr Unternehmen: Ist Ihr Ziel, die Position zu halten oder Wachstum zu generieren? Planen Sie eine horizontale Expansion oder die Konsolidierung in bestehenden Märkten? Rechnen Sie sich Business Cases nicht schön. Omni­ channel ist für klassische Händler Neuland: Um das zu erobern, benötigen Sie eher doppelt so viele Ressourcen um 50 % der erwarteten Ergebnisse zu erzielen. Bereiten Sie „What if“-Szenarien ehrlich auf und sehen Sie Spielregeln für Dotierungen vor. Definieren Sie ein Minimalniveau für andere wichtige Bereiche im Unternehmen. Kalkulieren Sie in der Ressourcenplanung Fehlschläge proaktiv mit ein. Machen Sie das heutige und das zukünftige Geschäfts- modell transparent. Haben Sie Mut, Leistungen zu modifizieren oder zu strei- chen, um Komplexität zu reduzieren und Ihr Marken­ profil zu schärfen. Beispiel: Führender Elektronik-Store Während zuerst lange Online negiert wurde, waren die internen Wider- stände offensichtlich so groß, dass keine Integration von Online am sta- tionären Kontaktpunkt erfolgte. Man verlor Marktanteile und das gute Preisimage an Amazon & Co. In der Folge wurde dann ein Online-Spezia- list gekauft und beteuert, dass man damit einen Pure Player heranziehen würde. Inzwischen ist man angekommen, alle Aktivitäten unter zwei Mar- ken des Hauses im Online-Bereich zu bündeln. Das mag zwar für die Eco- nomies of Scale bzw. die Suche bei Google relevant sein, aber was bedeutet das für die Spitzenleistungen und den guten Ruf der jeweiligen Marke? Die Technologie, Ressourcen und kurzfristigen Resultatüberlegungen do- minieren die langfristige Strahlkraft der Marke(n).
  • 27. — 27 — TYPISCHE FALLE NO. 5: DIE ORGANISATION NICHT IN DEN CHANGE-PROZESS INTEG- RIEREN UND FÄHIGKEITEN ZEITGERECHT ENTWICKELN. Auf dem Weg zum Omnichannel-Händler fokussieren viele Unter- nehmen einseitig auf die Schaffung der technischen Vorausset- zungen. Dabei ist vor allem die Entwicklung der notwendigen Fä- higkeiten und Kompetenzen bei ihren Mitarbeitern zentral für den Erfolg. Denn Omnichannel-Projekte greifen derart quer durch alle Funktionen und in die gewohnten Abläufe eines Unternehmens ein, dass sie vor allem auch Change-Projekte sind, deren Erfolg statt nur vom „Was“ eben maßgeblich vom „Wie“ abhängt. Unterschiedlichste Studien der vergangenen Jahre kommen über- einstimmend zu dem Ergebnis, dass rund drei Viertel aller Change-Initiativen aufgrund von Widerstand aus der Organisation, zu ­wenig Klarheit der Strategie oder nicht ausreichender interner Kommunikation scheitern. Im Falle von Omnichannel-Projekten zeigt sich dies an der mangelnden Befähigung der Mitarbeiter, ­inkompatiblen persönlichen Zielsystemen (Bsp.: Marketing-IT vs. traditionelle IT, Absatz im Stationären vs. Online) oder auch am ­zögerlichen Entfernen von Barrieren für Mitarbeiter. Empfohlene Lösung: KOLLEKTIVE TRANSFORMATION MIT SYSTEMATISCHER VERBREITUNG UND VERANKERUNG VON FÄHIGKEITEN UND KOMPETENZEN IN DER ORGANISATION. Die Kunst des schnellen Wandels bzw. mit Scheitern umzugehen, wird zu einem Wettbewerbsvorteil. Die Führung muss auf der persönlichen Ebene mit der Rolle, ein internes Vorbild zu sein, auch wirklich klar- kommen. Offene Kommunikation zu Ergebnissen und Scheitern schafft Mut und Lust auf Veränderung. Dialog in unterschiedlichen Formaten zu den neuen Rahmenbedingungen für unterschiedliche Bedürfnisse in den Abteilungen und Teams etablieren. Arbeitsgruppen effizient arbeiten lassen, aber auch den Blick aufs Ganze für alle Beteiligten sicherstellen. Verankern in Zielsystemen und der Unternehmenskultur, z. B. Sanktionieren von von unerwünschtem Verhalten. Evaluieren eines externen Partners, der den Rücken für das Tagesgeschäft freihält. Anstellung von neuen Mitarbeitern mit Omnichannel- Erfahrung aus anderen Firmen. Zeitgerechte Planung und Anpassung von Prozessen, Struktur und Fähigkeiten. Nachziehen von Personalmanagementsystemen zur ­Sicherstellung einer kompatiblen Kultur. Zu den Autoren Alex Pesjak (alex.pesjak@brand-logic.com) und Peter Horvath (peter.horvath@brand-logic.com) sehen die Konzentration auf Marke als Führungsinstrument als einen Schlüssel zur Be- wältigung des digitalen Wandels im Handel. FAZIT Wenn Sie insgesamt Ihren Weg als Führungsteam bzw. für die Or- ganisation in fünf bis zehn Jahren kennen, ist es auch möglich, in einem Omnichannel-Kontext Schritt für Schritt zu dieser Zukunft zu gelangen. Anstatt nur einem Trend nach dem anderen hinter- herzulaufen, muss man sich der eigenen Erfolgsmuster, der loya- len Kunden und aller relevanten und vielleicht schon existieren- den Kontaktpunkte bedienen. Es ist vollkommen zulässig, nicht bei den Ersten zu sein, sondern mit weniger Risiko und Ressour- cen sehr überlegt einzusteigen. Die Welt hat keinen Bedarf für zig Amazons. Kunden suchen Marken mit Spezifik und der Fähigkeit, diese Spezifik immer wieder frisch interpretiert vertrauensvoll ­erlebbar zu machen. Legen Sie Ihren Omnichannel-Initiativen in jedem Fall einen realistischen und flexiblen Businessplan zugrun- de. Aber: Gar nichts zu tun, ist der falsche Schluss.
  • 28. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 28 — „WIR MUSSTEN LERNEN, DASS AUCH MÄNNER GERNE ÜBER MODE REDEN.“ FRAGEN AN ANNA ALEX, GRÜNDERIN OUTFITTERY Interviewer Lucas von Gwinner Anna Alex, Gründerin & Geschäftsführerin Outfittery
  • 29. — 29 — Männer sind häufig überfordert, wenn es darum geht, Mode zu kaufen. Sie nehmen sich ungern die Zeit und sind oft wenig souve- rän in Stilfragen. Genau da setzt der Curated-Shopping-Anbieter Outfittery an. Gründerin Anna Alex berichtet im Interview über die dafür notwendige Symbiose aus On- und Offline-Handel, die Vor- lieben ihrer Kundschaft und die Führung ihres international wach- senden Unternehmens. Was ist Outfittery? Wir sind ein Versandhandel für Männerbekleidung, der die indi­ viduelle Beratung des stationären Handels mit der Effizienz des Online-Handels verbindet. Dabei sehen wir uns als Service-Unter- nehmen. Jeder Kunde bekommt bei uns seine persönliche Style- Expertin, und die kümmert sich dann um den ganzen Rest. Wir reduzieren für Kunden die Komplexität, die ihn im stationären oder auch Online-Handel regelmäßig überfordert: die gleichzeiti- ge Konfrontation mit zehntausend Teilen. Bei uns wählt die Stylis- tin für den Kunden individuelle Outfits aus und schickt sie ihm kostenfrei nach Hause. Wenn Sie ohnehin auch Online-Händler sind, weshalb haben Sie nicht auch einen Online-Shop? Weil wir ein anderes Level an Service bieten wollen. Wir haben auch Funktionen, mit denen wir Kunden vorab zeigen, was ihre Stylistin für sie ausgewählt hat – sozusagen ein individueller On- line-Shop. Aber wir glauben ganz fest daran, dass es nicht reicht, einfach alle Produkte auf die Website zu knallen und das guten Service zu nennen. Das ist es nämlich nicht. Man sagt, beim Online-Handel würde die Emotion fehlen und nur noch der Preis zählen. Geht es Ihnen darum, diese Emotionalität zu erhalten? Die Anonymität heutiger Online-Shops spielt uns auf jeden Fall in die Hände. Bei uns entwickelt sich zwischen Kunde und Stylist wirklich eine Art Freundschaft. Die telefonieren miteinander, la- chen zusammen, und die Kunden erzählen uns auch durchaus pri- vate Dinge, die der Stylist wissen muss, um das perfekte Outfit auszusuchen. Das sind sehr innige Beziehungen, die sich da ent- wickeln. Darum bleibt der Kunde auch sein Leben lang beim sel- ben Stylisten. Insofern geht es uns sehr wohl um Emotion: Statt Anonymität wollen wir dem Kunden ein tolles Einkaufserlebnis liefern, das nicht so schnell in Vergessenheit gerät. Was machen Sie wie klassische Herrenausstatter, und was kommt aus der eCommerce-Welt? Unser Mehrwert liegt in der Leistung der Auswahl und dem Aus- wahlgespräch. Dieser Teil ist wie im klassischen Handel. Unsere gesamte Einkaufs- und Verkaufs-Führungsriege kommt von Peek&Cloppenburg. Da haben wir viel gelernt und mitgenommen. Alles, was danach folgt, sind eCommerce-Prozesse: Artikel ver- schicken, Artikel zurücknehmen, bezahlen – diese Schritte müssen einfach sehr sicher sitzen. Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe? Das sind vor allem berufstätige Männer über 30, die fest im Leben stehen und wenig Zeit oder Lust haben, einkaufen zu gehen. Die meisten haben viel im Job zu tun oder verbringen ihre freie Zeit lieber mit der Familie, als durch die Stadt zu rennen und nach den neuesten Trends zu suchen. Zur Person Anna Alex, Gründerin & Geschäftsführerin Outfittery. Die gebürtige Hamburgerin startete nach ihrem Stu- dium in Freiburg und Paris ihre Karriere bei Rocket Internet in Berlin. In Zürich leitete Anna die IT eines Schweizer Onlineunternehmens, bevor sie ihren Traum vom eigenen Unternehmen erfüllte. WIR SIND EIN VERSANDHANDEL FÜR MÄNNER­ BEKLEIDUNG, DER DIE INDIVIDUELLE BERATUNG DES STATIONÄREN HANDELS MIT DER DIE EFFIZIENZ DES ONLINE-HANDELS VERBINDET.
  • 30. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 — 30 — Warum nur diese Klientel? Warum zum Beispiel keine Frauen? Auch Frauen wären natürlich spannend für uns. Aber zurzeit gibt es einfach noch so viele Männer, die gerne von uns eingekleidet werden möchten. Wir sind ja mittlerweile in acht Ländern (DACH, BeNeLux, Skandinavien), und da ist das Potenzial noch lange nicht erschöpft. Wie betreiben Sie Marketing? Wichtigster Marketingkanal sind Empfehlungen zufriedener Kun- den. Gerade weil unser Einkaufserlebnis nicht 0815, sondern doch etwas Besonderes ist, empfehlen uns viele an Freunde und Be- kannte. Wir schicken auch häufiger in Büros; das bekommen die Kollegen mit und bestellen dann auch bei uns. Dieser Effekt funk- tioniert sehr schön. Und wir werben noch auf weiteren Kanälen, zum Beispiel im TV. Wie bleibt Ihr Sortiment attraktiv? Wie entscheiden Sie, was ein- oder ­ausgelistet wird? Wir arbeiten mit 100 Marken zusammen – darunter die besten Herrenmodemarken Europas, wie Boss oder Drykorn, die nicht mit jedem zusammenarbeiten. Wir suchen uns die schönsten Stü- cke aus all diesen Kollektionen aus. Was wir dann letztendlich im Sortiment behalten oder auslisten, liegt daran, wie es den Kunden gefällt. Und natürlich von der Einschätzung unseres Einkaufs­ teams. Gibt es eine Kategorisierung der Kundentypen, aus denen die Outfits ­modulartig zusammengestellt werden? Würde ich nicht so sagen. Es liegt wirklich an der Erfahrung der Stylisten. Die vermerken sich die Vorlieben ihrer Kunden und stel- len wirklich für jeden individuell ein Outfit zusammen. Und selbst wenn wir wollten, wäre es gar nicht so einfach, zu kategorisieren. Dafür ist Mode einfach ein zu komplexes Feld. Merken Ihre Kunden denn, wenn sie eine Marke nicht mehr führen? Und wie leicht ist es, sie von neuen Marken zu überzeugen? Wie weit Vertrauen die einfach ihrer Auswahl? Die Kunden sind schon offen für Neues und auch nicht wahnsinnig Marken-fixiert. Aber wenn einer immer Boss-Hemden trägt und weiß, dass die einfach passen, dann erwartet er schon, dass er sie bei uns bekommt. Werden Artikel starker Marken denn seltener zurückgesendet als Newco- mer-Brands? Wir haben tatsächlich bekannte Marken im Portfolio, die sehr gut funktionieren. Aber auch immer mal wieder kleine Marken dabei, die das tun. Es liegt weniger am Faktor bekannt oder neu, sondern kommt stärker auf das Produkt an: Wie sitzt es, wie ist es verar- beitet, sind es hochqualitative Stoffe. Das ist am Ende das, was unsere Kunden wollen. Gab es größere Korrekturen, die Sie an Ihrer Geschäftsidee vornehmen mussten? Gab es Bereiche, bei denen Sie das Verhalten der Kunden oder des Markts falsch eingeschätzt hatten? Da gibt es tatsächlich eine Sache: Wir waren davon ausgegangen, dass kein Mann gerne über Kleidung redet. Darum haben wir das Gespräch mit unseren Stylisten anfangs sehr, sehr kurz gehalten. Wir haben immer gebrieft: „Auf keinen Fall länger als fünf Minuten mit einem Kunden sprechen,“ Nicht weil wir das nicht wollten, sondern weil unsere Kunden nicht genervt sein sollten. Und dann kam das Feedback: „Eigentlich war das Gespräch mit der Stylistin sehr nett, aber die war so in Hetze.“ Wir mussten lernen, dass auch Männer gerne über Mode reden. Jetzt dauert ein durchschnittli- ches Gespräch 15 bis 20 Minuten. Sie sprachen Ihr internationales Wachstum an: Stemmen Sie das alles aus Berlin, oder haben Sie Teams in jedem Markt? Wir machen alles zentral aus Berlin heraus. Die internationalen Teams sitzen hier, geführt von Country Managern. Und die sind schon häufiger im Land, um bei lokalen Herstellern, Lieferanten, Kunden und Presse Flagge zu zeigen. Eine der klassischen Fallen der Internationalisierung ist es ja, nach dem Heimatmarkt den internationalen Markt erobern zu wollen und dabei zu übersehen, dass es sich um Märkte mit unterschiedlichen Spezifika handelt. Wie sind Sie damit umgegangen? Wir sind insofern sehr gut aufgestellt, da unsere Stylisten aus dem jeweiligen Land stammen und Geschmack und Trends dort ken- nen. Einige Marken führen wir nur länderspezifisch. Zum Beispiel haben wir für Skandinavien Marken ins Programm genommen, die dort sehr beliebt, aber anderswo noch nicht so bekannt sind. Die Stylisten greifen also auf den gleichen Produktkatalog zu, verschi- cken aber unterschiedliche Marken. Und da sieht man schon gro- ße Unterschiede. In Holland kann es nicht bunt genug sein; Punkte und Streifen und alles gemischt. Und in Schweden geht es irgend- wie sehr in die Uni-Richtung, viel Colour-Blocking, kräftige Far- ben. Ihr Unternehmen wächst sehr schnell. Was tun Sie, damit Management und Mitarbeiter ein gemeinsames Zukunftsbild der Marke Outfittery ­haben? Wir geben unserem Team die Vision und Mission von Outfittery vor. Und wir verwenden intern ein Tool, das ursprünglich Google für sich entwickelt hat: OKR (Objective and Key Results). Dort sind quartalsweise die Firmenziele vorgegeben, und daraus brechen die einzelnen Abteilungen dann ihre Ziele runter. Das funktioniert sehr gut, weil das ganze Team in die konkrete Zielsetzung invol- viert wird. Und wie stellen Sie sicher, dass sich bei Ihnen keine Abteilungsegoismen entwickeln? Nach dem Motto: „Die haben was falsch gemacht“, „Die anderen kapieren das einfach nicht“, „Stylisten sind Idioten“ usw. Auch da hilft uns das Tool OKR, denn es macht für alle transpa- rent, was die Ziele jeder Abteilung sind. Wenn eine andere Abtei- lung mal etwas nicht macht, kann ich immer auch sehen, warum sie das nicht machen: Weil sie im OKR andere Ziele stehen haben. Zum anderen ist das auch eine Kultursache, und die ist bei uns, glaube ich, sehr ordentlich. Na klar muss man auch mal sagen, wenn etwas nicht so gut gelaufen ist und es beim nächsten Mal besser klappen soll. Aber wir machen Sachen im Zweifel lieber schnell und korrigieren dann noch mal, als uns im Vorfeld ewig lang abzustimmen und dadurch nicht in die Hufe zu kommen. Was das betrifft, sehen wir uns selbst immer noch als Start-up. In etablierten Unternehmen reden gerade alle über „Omnichannel“: Sind stationäre Outfittery Stores für Sie der nächste logische Schritt? Sind sie das? Wir haben mal für drei Monate einen Pop-up-Store am Hamburger Flughafen getestet. Das könnten wir uns schon auch noch mal vorstellen. Und auch generell in den nächsten Jah- ren stärker ins Offline zu gehen. Aber gesetzt ist das nicht.
  • 31. — 31 — MARKENANGEBOT Über 100 verschiedene Marken, wie beispielsweise Strellson, Gant, Tommy Hilfiger, Levis, Scotch & Soda, G-Star oder Tiger of Sweden GEGRÜNDET Januar 2012, online seit 13. April 2012 MITARBEITER 200 – davon 100 Style-Experten KUNDEN ca. 200.000 (Stand März 2015) Vorwiegend Männer im Alter zwischen 30 und 50 Jahren LÄNDER Deutschland Österreich (seit April 2013), Schweiz (seit September 2013), Niederlande (seit März 2014), Schweden (seit August 2014), Belgien (seit August 2014), Dänemark (seit August 2014), Luxemburg (seit August 2014) OUTFITTERY GMBH OUTFITTERY verbindet die Vorteile des stationären Modehandels mit dem Mehrwert des Onlinehandels: persönliche, individuelle Beratung und Kontakt, Modeexpertise von Style-Beraterinnen, unkomplizierte und bequeme Lieferung ins Haus, große Auswahl und die Möglichkeit, die Styles in Ruhe zu ­Hause zu probieren. Die kompetente Styling-Beratung ist ein kostenloser Service von OUTFITTERY. Die Beratung erfolgt markenunabhängig und konzentriert sich auf die Wünsche und den Typ des Kunden. OUTFITTERY bewegt sich im Mode-Premiumsegment. Was haben Sie denn aus dem Hamburger Pop-up-Store gelernt? Was ich gelernt habe – und da schmunzeln Sie jetzt vermutlich –, ist, dass Offline ja doch ganz schön viel Branding-Potenzial hat. Ich glaube, das wird von uns Onlinern immer ein bisschen unter- schätzt. Wir waren direkt neben dem Lufthansa-Terminal, wo eben auch 1A unsere Zielgruppe rumsitzt und auf den Flieger nach München wartet. Und ich bin von wahnsinnig vielen Seiten darauf angesprochen worden, dass sie uns gesehen haben. Aber als echter Onliner denken Sie doch vermutlich nur in der Conversion- Rate. Waren Sie mit der zufrieden? Ja, die hat sich schon gezeigt. Wobei das für uns Onliner schwierig ist. Wir wollen immer alles ganz genau tracken, und das geht sta- tionär in dem Maße einfach noch nicht. Das heißt: Offline ist für Sie vor allem aus Marketingsicht ein interessantes Tool ? Erst mal ja, aber ich will gar nicht in On- oder Offline unterteilen. Am Ende geht es darum, dass unser Kunde zum richtigen Zeit- punkt die richtigen Kleidungsstücke zu Hause hat. Ob das jetzt online oder offline geschieht, ist ihm völlig egal. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Alex. Zum Interviewer Lucas von Gwinner (lucas.vongwinner@brand-logic.com) hatte sich fest vorgenommen, bei Outfittery zu bestellen, schließlich passt er voll in die Zielgruppe. Doch vor lauter Arbeit und Familie ist er noch immer nicht dazu gekommen. 02 Facts and Figures Outfittery
  • 32. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 WIE LASSEN SICH TOURISTISCHE HIGHLIGHTS FINANZIEREN? FINANZIERUNGSALTERNATIVEN FÜR DIE DESTINATIONSENTWICKLUNG Autoren Philipp Kazianka und Stefan Pirchmoser Eine moderne Bergbahn, ein herausragendes Hotelresort, eine exzellente Therme, ein innovativer Erlebnispark, ein spektakulä- rer Aussichtsturm – diese oder ähnliche Highlights prägen den einzigartigen Charakter erfolgreicher Tourismusdestinationen. Neben klassischen touristischen Leistungen, welche die Grundbe­ dürfnisse der Urlaubsgäste befriedigen, bestimmt die Realisie- rung solcher herausragender, differenzierender Leuchttürme maßgeblich den wirtschaftlichen Erfolg von Tourismusdestinatio- nen. In unserer langjährigen Praxis der Entwicklung führender touristischer Destinationen, wie etwa Ischgl oder Serfaus-Fiss- Ladis, zeigt sich hierbei immer wieder eine zentrale Herausforde- rung: Welche Wege gibt es, derartige Highlights für eine touristi- sche Destination nachhaltig zu finanzieren? Die Bandbreite an möglichen Finanzierungsquellen ist weit größer als zunächst vermutet. In den vergangenen Jahren konnte sich eine ganze Reihe von Finanzierungsquellen etablieren, die touris- tischen Destinationen attraktive Optionen zur Realisierung touris- tischer Leuchttürme bieten. Im Folgenden stellen wir Ihnen eine Reihe dieser erprobten alternativen Finanzierungsformen vor. FINANZIERUNGSQUELLEN FÜR TOURISTISCHE LEISTUNGEN Bei möglichen Finanzierungsquellen in Tourismusdestinationen denkt man häufig an folgende, naheliegende Optionen: Eigenkapitalfinanzierung über renditeorientierte Investoren oder Investorengruppen Erhöhung der Nächtigungstaxe Erhöhung der Tourismusabgabe Einführung gänzlich neuer Tourismusabgaben Neben diesen Finanzierungsquellen gibt es aber noch eine Reihe weiterer innovativer Optionen, die es bei der Finanzierung touris- tischer Speerspitzen zu berücksichtigen gilt. — 32 — DIE BANDBREITE AN MÖGLICHEN FINANZIERUNGS- QUELLEN IST WEIT GRÖSSER ALS ZUNÄCHST VERMUTET.
  • 33. — 33 — CROWDINVESTING IM TOURISMUS Crowdinvesting ist im Gegensatz zu Crowdfunding eine echte Ei- genkapitalfinanzierung durch private Kleininvestoren. Hier inves- tieren Privatpersonen in ein touristisches Unternehmen und er- halten im Gegenzug eine Verzinsung für das von ihnen eingesetzte Kapital. Wohnwagon ist ein österreichisches Jungunternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, eine neuartige portable Unterkunft zu entwickeln. Der Wohnwagon ist dabei viel mehr als ein herkömmlicher Wohnwagen. Mit ausfahrbarer Terrasse, Markisen und den großen Fenstern holt man die Natur in den Wohnraum und erweitert so die Nutzflächen. Großzügige Freiflächen und intelligente Möbellösungen verleihen dem Innenraum des Wohnwagons Loft-Charakter. In einer Crowdinvesting-Kampagne in Ko- operation mit dem österreichischen Crowdinvesting-Portal Conda konnten Kleinanleger mind. 100 € und max. 5.000 € investieren. Bei positiver Geschäftsentwicklung erhalten die Anleger Basiszinsen und einen Wert- steigerungsbonus, woraus sich nach zehn Jahren eine Verzinsung von bis zu 500 % Prozent der Investitionssumme ergeben kann. Im schlimmsten Fall ist die gesamte Investition aber aufgrund der Nachrangigkeit des ­Darlehens verloren. mehr: www.wohnwagon.at SPONSORING (BRANDING VON TOURISTISCHEN LEISTUNGEN) Insbesondere für Premiummarken kann die Werbepräsenz in ­Destinationen sehr attraktiv sein, da damit eine zahlungskräftige, werberelevante Zielgruppe erreicht wird. Dies kann beispielswei- se bis hin zum kompletten Sponsoring von einzelnen touristischen Leistungen gehen. Eine Einführung bzw. Ausweitung von Product Placement in Skigebieten ist ebenfalls denkbar. Ein Beispiel für perfekt umgesetztes Sponsoring einer Freizeiteinrichtung ist die Kinder-Erlebnis- und Freizeitwelt KidZania. Hier bekommen Kin- der die Möglichkeit, sich in unterschiedlichen Berufen zu versuchen und so die Berufswelt der Erwachsenen spielerisch kennenzulernen. Die einzelnen Berufsstationen sind von unterschiedlichen Unternehmen über Product Placement gesponsert. mehr: www.kidzania.com
  • 34. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 CROWDFUNDING IM TOURISMUS Beim Crowdfunding, oder zu Deutsch der Schwarmfinanzierung, investieren viele private Investoren kleine, überschaubare Investi- tionssummen von zumeist ein paar Hundert Euro in ein touristi- sches Projekt. Im Gegenzug erhalten sie in der Regel einen „Reward“ oder anders gesagt eine Gegenleistung, der die getätig- te Finanzierung zumeist nur symbolisch ausgleicht. Investiert ein privater Financier beispielsweise ein paar Hundert Euro in eine touristische Attraktion, bekommt er T-Shirts oder ein kleines ver- gleichbares Dankeschön als Anerkennung. Eine weitere Gegen- leistung kann die kostenfreie Benutzung der finanzierten touristi- schen Leistung oder einer anderen touristischen Leistung sein. Ein Beispiel hierfür ist die Internetplattform travelstarter.com. Travel Starter ist eine Online-Plattform, die sich auf die finanzielle Unterstüt- zung von unabhängigen Tourismusprojekten innerhalb von Destinationen spezialisiert hat. Ein potenzieller Reisender wählt eine Destination aus, in der es Personen gibt, die touristische Projekte (Bed & Breakfasts, Tanz- schulen, Cafés etc.) umsetzen wollen und dafür Geldgeber suchen. Der Rei- sende unterstützt ausgewählte Projekte finanziell und bekommt dafür eine Gegenleistung in Form von z. B. einem Schlafplatz, einem Leihrad oder Verpflegung. mehr: www.travelstarter.com — 34 — MÄZENATENTUM In vielen Destinationen gibt es langjährige Gäste, die zu echten Fans und Botschaftern der jeweiligen Region geworden sind. In einigen dieser Tourismusregionen sind manche dieser besonders verbundenen Gäste sehr wohlhabend. Besonders aufgrund ihrer emotionalen Verbundenheit zur Destination und ihrem daraus ­resultierenden Interesse am Erhalt und der Weiterentwicklung „ihres“ Feriendomizils werden sie zu einer potenziellen Finanzie- rungsquelle für Tourismusdestinationen. Geldspenden von wohl­ habenden und mit der jeweiligen Destination stark verbundenen Gästen beziehungsweise Einheimischen können somit einen we- sentlichen Beitrag zur Realisierung touristischer Projekte leisten. Die Herausforderung einer Destination beim Anzapfen dieser Fi- nanzierungsquelle liegt dabei insbesondere in der Identifikation und richtigen Ansprache dieser wirtschaftlich potenten Stamm- gäste. Mit Karl-Heinz Kipp hat das 5-Sterne Tschuggen Grand Hotel im renom- mierten Wintersportort Arosa in der Schweiz einen wirtschaftlich äußerst potenten Mäzen mit Milliardenvermögen. Dieser sieht sein Investment vor allem als einen positiven Impuls für die Tourismusdestination. Seine enge Verbundenheit zu Arosa ist dabei der ausschlaggebende Punkt für sein Engagement – nicht aber eine möglichst hohe Rendite seines eingesetzten Kapitals, wie bei klassischen Investitionen üblich. mehr: www.tschuggen.com
  • 35. — 35 — PUBLIC-PRIVATE-PARTNERSHIP-MODELLE (PPP-MODELLE) Bei PPP-Modellen realisieren bzw. finanzieren privatwirtschaftli- che Unternehmen gemeinsam mit der öffentlichen Hand Projekte mit zumeist hohem Investitionsvolumen. In vielen Fällen tritt da- bei die öffentliche Hand als primärer Kapitalgeber auf und privat- wirtschaftliche Unternehmen übernehmen den operativen Be- trieb und das Management der touristischen Leistung. Die PPP-Modelle unterscheiden sich im Wesentlichen in der Zuord- nung der Eigentumsverhältnisse – entweder öffentliche Hand, ­private Hand oder eine Mischform. Die Finanzierung von Thermalbädern ist ein wesentliches Anwendungs- feld für Public-Private-Partnership-Modelle im österreichischen Touris- mus. Die folgende Grafik zeigt, wie im konkreten Fall der Therme Längen- feld das initiale Investitionsvolumen von 73 Mio. € zustande gekommen ist. Rund zehn Prozent stammen von öffentlichen Darlehen, 53 Prozent von fremdkapitalgebenden Banken und 32 Prozent von privaten Inves- toren. Die Investorengruppe besteht aus der Gemeinde und dem örtlichen Tourismusverband, einiger regionalen Banken und zweier Landesbanken sowie den regionalen Bergbahnen und einem privatwirtschaftlichen Kon- zern. Der Betrieb wird durch eine privatwirtschaftliche Betreibergesell- schaft sichergestellt. mehr: www.aquadome.at MULTI-OWNERSHIP-MODELLE Mulit-Ownership-Finanzierungsmodelle im Tourismus werden zu­meist bei Immobilienfinanzierungen angewandt. In der Rein- form der Multi-Ownership-Finanzierungsmodelle, dem soge- nannten „Buy-to-let-and-use“-Modell, werden Teile einer oder eine gesamte Appartement- oder Hotelanlage an mehrere private Investoren verkauft. Diese können ihre erworbene Wohneinheit nur zu vordefinierten, beschränkten Zeiten im Jahresverlauf selbst nutzen und müssen diese in der restlichen Zeit zur Vermie- tung an Dritte freigeben (Vermietungszwang). Ausschlaggeben- des Kriterium für die Unterteilung der unterschiedlichen Formen des Multi-Ownerships ist vor allem die Ausprägung des Eigen- tums an der Immobilie. Weitere Formen dieses Finanzierungsmo- dells sind sogenannte Private Residency Clubs oder Destination Clubs, wo sich Investoren Anteile an einer Unterkunft sichern und als Verzinsung Übernachtungen in der Unterkunft erhalten, was dem zuvor beschriebenen Crowdinvesting-Modell sehr ähnlich ist. Das Rocks-Resort Laax in der Schweiz ist ein Musterbeispiel eines Multi-­ Ownership-Modells. Hier wurde eine hochmoderne Ferienwohnungsanla- ge mit sehr hohem Designanspruch in zentraler Lage an der Talstation der Gondelbahn in Laax errichtet. Die Ferienwohnungen wurden mit der Ver- pflichtung zur Vermietung an Investoren verkauft (Vermietungszwang). Die Eigentümer können ihre Ferienwohnung für einige Wochen im Jahr selbst nutzen, die restliche Zeit über wird diese an Feriengäste vermietet. Die Vermarktung und der Hotelservice dafür werden zentral übernommen. Die Eigentümer erhalten einen Großteil der Erlöse aus der Vermietung und müssen sich dafür lediglich an den Vermarktungskosten und Hotelservice- kosten beteiligen. mehr: www.rocksresort.com
  • 36. BRAND LOGIC SPECTRUM 15/2015 Finanzierungs­ alternativen gibt es, ein klares Profil hilft, sie zu realisieren.  — 36 —