Staatliche Schulen sind stark an übergeordnete Gesetze und Verordnungen gebunden, wel-che sie in ihrer Autonomie einschränken. Dabei erfahren Gymnasien durch die Anforderun-gen des MAR eine weitere beträchtliche Einschränkung. Hinsichtlich dieser Ausgangslage scheint eine Demokratisierung auf den ersten Blick nahezu unmöglich.
Am Beispiel der Kantonsschule Glarus wurde daher anhand einer Gegenüberstellung der Kriterien demokratischer Bildung und der geltenden Bestimmungen an der Kantonsschule Glarus untersucht, inwieweit sie sich demokratisieren lässt. Die anschliessende Interpretation der Gegenüberstellung ermöglichte auch, auf ermittelte Freiräume einzugehen und Vor-schläge zur Nutzung dieser im Sinne demokratischer Bildung zu unterbreiten. So konnte die anfänglich aufgestellte Hypothese, dass sich die Kantonsschule nicht demokratisieren lässt, nur teilweise bestätigt werden, da es durchaus Bereiche gibt, die sich demokratisieren lies-sen. Dabei stellte sich heraus, dass demokratische Schulstrukturen weitere Bereiche hin-sichtlich der Demokratisierung begünstigen oder diese sogar erst ermöglicht.
Alternate Reality Games - Master Thesis by Gerolf Nikolay
Demokratisierung der Kantonsschule Glarus
1. Demokratisierung
der
Kantonsschule Glarus
Maturaarbeit
Nadja Peeters
Kantonsschule Glarus
Abgabetermin: 06.12.2010
Betreuer: Christoph Zürrer Referent: Karl Stadler
2. Nadja Peeters Demokratisierung der Kantonsschule Glarus
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ................................................................................................... 4
2. Grundlagen ................................................................................................ 6
2.1 Demokratische Bildung ............................................................................................... 6
2.2 Grundsätze demokratischer Bildung ........................................................................... 7
2.2.1 Demokratische Mitbestimmung in Angelegenheiten der Gemeinschaft ..................... 7
2.2.2 Selbstbestimmung in individuellen Angelegenheiten .................................................. 9
2.3 Das Bildungssystem der Schweiz ..............................................................................10
2.3.1 Gymnasiale Maturitätsschulen .................................................................................. 10
2.3.2 Die Kantonsschule Glarus ......................................................................................... 10
3. Demokratisierung – Die Kriterien ..............................................................13
3.1 Demokratisierung von Staatsschulen .........................................................................13
3.2 Wann ist eine Schule eine demokratische Schule? ....................................................14
3.2.1 Kriterien ..................................................................................................................... 14
3.2.1.1 Die Schulebene .................................................................................................... 15
3.2.1.2 Die individuelle Ebene ......................................................................................... 16
3.2.1.3 Die zwischenmenschliche Ebene ........................................................................ 17
4. Gegenüberstellung ....................................................................................18
4.1 Gegenüberstellung der Schulebene ...........................................................................19
4.2 Gegenüberstellung der individuellen Ebene ...............................................................21
4.3 Gegenüberstellung der zwischenmenschlichen Ebene ..............................................24
5. Interpretation der Gegenüberstellung .......................................................26
5.1 Die Schulebene .........................................................................................................26
5.1.1 Organe ....................................................................................................................... 26
5.1.1.1 Die Schulversammlung ........................................................................................ 27
5.1.1.2 Die Delegiertenversammlung .............................................................................. 27
5.1.1.3 Klassenkonvente .................................................................................................. 27
5.1.1.4 Externe Gremien .................................................................................................. 28
5.1.1.5 Organigramm einer demokratischen Kantonsschule Glarus ............................... 28
5.1.2 Entscheidungen und Prozesse.................................................................................. 29
5.1.2.1 Die Schulversammlung ........................................................................................ 30
5.1.2.2 Der Kantonsschulrat ............................................................................................ 30
5.1.2.3 Der Elternrat ......................................................................................................... 30
5.1.3 Evaluation .................................................................................................................. 31
5.1.3.1 Der Evaluationskreislauf ...................................................................................... 32
5.1.3.2 Die direkte Ebene der Evaluation ........................................................................ 33
3. Nadja Peeters Demokratisierung der Kantonsschule Glarus
5.2 Die individuelle Ebene ...............................................................................................34
5.2.1 Selbstbestimmtes Lernen .......................................................................................... 34
5.2.1.1 Lerninhalte ........................................................................................................... 34
5.2.1.2 Unterrichtszeit ...................................................................................................... 35
5.2.1.3 Lernformen ........................................................................................................... 36
5.2.1.4 Lernumgebung ..................................................................................................... 36
5.2.1.5 Vermittlung ........................................................................................................... 37
5.2.2 Evaluation .................................................................................................................. 37
5.2.2.1 Umgang mit Beurteilungen und Beurteilungsform ............................................... 37
5.2.2.2 Prüfungen ............................................................................................................ 40
5.2.2.3 Selbsteinschätzung .............................................................................................. 40
5.2.3 Förderung der Individualität....................................................................................... 42
5.2.3.1 Förderung der Talente ......................................................................................... 42
5.2.3.2 Einbringung der Talente....................................................................................... 43
5.2.4 Eigenverantwortung................................................................................................... 44
5.2.4.1 Lernen .................................................................................................................. 44
5.2.4.2 Handeln ................................................................................................................ 44
5.3 Die zwischenmenschliche Ebene ...............................................................................45
5.3.1 Grundlegender Respekt ............................................................................................ 45
5.3.2 Konfliktbewältigung.................................................................................................... 45
5.3.3 Gemeinschaft ............................................................................................................ 46
5.3.3.1 Verantwortung ...................................................................................................... 46
5.3.3.2 Gemeinsame Aktivitäten ...................................................................................... 47
5.4 Abschliessende Betrachtung ......................................................................................48
6. Bezug zur Kantonsschule Glarus...............................................................49
7. Fazit ..........................................................................................................50
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................52
Quellenverzeichnis .......................................................................................53
Literaturverzeichnis ..........................................................................................................53
Internetquellen .................................................................................................................... 55
Gesetzesverzeichnis ........................................................................................................56
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ...............................................................................57
Abbildungen ........................................................................................................................ 57
Tabellen .............................................................................................................................. 57
Anhang ........................................................................................................... I
V. Interviewbogen: Interview mit Daniel Hunziker ........................................................... II
VI. Interview mit Daniel Hunziker - Ergebnisse ................................................................III
VII. Ergebnisse der Aktion zum International Student’s Day ............................................. V
4. Kein Mensch ist klug genug,
dass er anderen vorschreiben kann,
wie sie zu leben haben.
Alexander S. Neill
Im Leben lernt der Mensch
zuerst das Gehen und Sprechen.
Später lernt er dann, still zu sitzen
und den Mund zu halten.
Marcel Pageol
5. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 1. Einleitung
1. Einleitung
Jahr für Jahr werden weltweit rund 140 Millionen Jungen und Mädchen eingeschult. Für viele
der Zeitpunkt, ab dem die Freude am Lernen immer mehr verloren geht. Dabei wird das gan-
ze Leben gelernt, und zwar das Meiste vor, neben und nach der Schule, ohne Bewertung,
freiwillig und aus eigenem Antrieb, dann, wenn man reif dazu ist. Der Mensch ist von Natur
aus ein lernbegieriges Wesen, welches von Neugier und Interesse angetrieben wird und
ständig auf der Suche nach Stimulation ist. Nur die Schule ist unfähig, den Schülerinnen und
Schülern zuzutrauen, dass sie fähig sind, selbständig und selbstbestimmt zu lernen. Die
Konsequenzen dieses aufgezwungenen und kontrollierten Lernens werden täglich diskutiert.
In den Medien werden Schülerinnen und Schüler oft als unmotiviert, faul und inkompetent
dargestellt. Dass diese starke Bevormundung durch das „Besserwissen“ von nötigen Lernin-
halten und Lernmethoden einen Einfluss auf das passive Verhalten der Kinder und Jugendli-
chen hat, scheint unvorstellbar. Damit sich Kinder und Jugendliche ernstgenommen und
selbständig fühlen, ist es essentiell, ihnen den nötigen Respekt entgegenzubringen, denn nur
so können sie ein gesundes Selbstvertrauen entwickeln und zu eigenständigen Mitgliedern
der Gesellschaft heranreifen.
An wenigen Schweizer Schulen wird Kindern und Jugendlichen die Freiheit gegeben, ihre
Bildung selbst zu bestimmen, sei es bei der Art, zu lernen, oder bei der Mitgestaltung der
Schule. Solche sogenannten „Demokratische Schulen“ gibt es in der Schweiz nur wenige
und ausschliesslich auf der Primarstufe, welche alle als Privatschulen organisiert sind. Es
muss jedoch allen Kindern und Jugendlichen ermöglicht werden, Mitbestimmung und indivi-
dualisiertes Lernen zu erfahren.
Im Rahmen meiner Maturaarbeit möchte ich mich deshalb mit der Möglichkeit befassen, die
Kantonsschule Glarus zu demokratisieren. Die Lehrpläne und die damit verknüpfte Bewer-
tungs- und Selektionspflicht schränken staatliche Schulen natürlich enorm in ihrer Führung
ein. Ich habe mir deshalb folgende Fragestellung gesetzt, welche ich mit einer Unterfrage zu
beantworten versuche:
Lässt sich die Kantonsschule Glarus demokratisieren?
Welche Bedingungen müssten erfüllt sein, damit eine Schule als demokratisch gilt?
4
6. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 1. Einleitung
Durch meine bisherigen Erfahrungen im bildungspolitischen Bereich und intensiver Ausei-
nandersetzung mit dem Thema demokratischer Bildung habe ich folgende Hypothese aufge-
stellt:
Die Kantonsschule Glarus lässt sich nicht im Sinne demokratischer Bildung demokra-
tisieren, ohne eine grundlegende Revision des schweizerischen Bildungssystems.
Um mit einer soliden Grundlage arbeiten zu können, werde ich zu Beginn auf die demokrati-
sche Bildung und ihre Grundsätze eingehen sowie auf unser Bildungssystem und die Gym-
nasien, vor allem aber auf die Kantonsschule Glarus.
Anschliessend erhoffe ich mir, durch eine Gegenüberstellung der Kriterien demokratischer
Schulen und der entsprechenden geltenden Bestimmungen an der Kantonsschule Glarus
meine Fragestellung beantworten zu können. Gleichzeitig erhoffe ich mir aber auch, Frei-
räume zu entdecken, welche mir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt sind. Sofern
Freiräume vorhanden sind, welche sich im Kompetenzbereich der Schule oder allenfalls des
Kantons befinden, möchte ich auf diese eingehen und Vorschläge zu ihrer Nutzung im Sinne
demokratischer Bildung machen.
Im Laufe dieser Arbeit werde ich versuchen, möglichst den Vorgaben einer wissenschaftli-
chen Arbeit gerecht zu werden, jedoch stellt sich dies bei einer nicht empirisch überprüfbaren
Arbeit als sehr schwierig heraus. Falls ich also nicht immer den strengen Vorgaben von
„Wissenschaftlichkeit“ gerecht werden sollte, bitte ich, diesen Aspekt zu berücksichtigen.
5
7. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 2. Grundlagen
2. Grundlagen
2.1 Demokratische Bildung
„Demokratische Bildung ist Bildung, bei der Lehrer und Lerner
als Gleichberechtigte zusammenarbeiten.“
David Gribble
Definition
Demokratische Schulen gibt es in vielen Ländern der Welt, genauer gesagt über 200 Schu-
len in 29 Ländern1. Dennoch lässt sich der Begriff „Demokratische Bildung“ nicht mühelos
definieren. Es gibt jedoch einige Elemente, die vorhanden sein müssen, damit eine Schule
als demokratisch gelten kann. Diese wurden an der IDEC (International Democratic Educati-
on Conference), die vom 31. Juli bis zum 6. August 2005 in Berlin stattfand, wie folgt in einer
Erklärung formuliert:
„Wir glauben, daß – wo immer es um Bildung geht – junge Menschen das Recht haben,
individuell zu entscheiden, was, wie, wo, wann und mit wem sie lernen,
gleichberechtigt an Entscheidungen darüber beteiligt zu sein, wie ihre Organisationen
– insbesondere ihre Schulen – geführt werden, ob Regeln und Sanktionen nötig sind
und gegebenenfalls welche.“2
Für die vorliegende Arbeit ist die oben genannte Formulierung massgebend, obwohl diese
nicht als allgemeingültig angesehen werden kann. Hinzuzufügen ist des weiteren, dass alle
demokratischen Schulen von einem grundlegenden Respekt gegenüber Kindern und Ju-
gendlichen ausgehen, die Gestaltung des Schulalltags jedoch bedeutend variieren kann. Als
die „älteste“ demokratische Schule kann wohl die Internatsschule Summerhill betrachtet
werden, welche 1921 von Alexander Sutherland Neill gegründet wurde.3 Ein anderes weit-
verbreitetes und bekanntes Konzept ist das der Sudbury Valley School, die 1968 in Massa-
chusetts in den USA gegründet wurde4 und die Grundsätze demokratischer Bildung beson-
ders konsequent verwirklicht.
1
Internet: Alternative Education Resource Organization, Democratic Education.
2
Internet: IDEC 2005 Berlin, Dokumentation, Resolution der IDEC 2005.
3
Vgl. Hombair (Hrsg.), Pädagogik 2008, S. 232.
4
Vgl. Greenberg 2006, S. 59.
6
8. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 2. Grundlagen
2.2 Grundsätze demokratischer Bildung
Der schon erwähnte grundlegende Respekt, den man an demokratischen Schulen Kindern
und Jugendlichen entgegenbringt, hat zur Folge, dass Kinder und Jugendliche den Anspruch
auf Mitbestimmungsrechte in der Gestaltung ihrer Bildung haben. Die von der Schweiz nicht
vollständig ratifizierte Kinderrechtskonvention von 1989 fordert ein Mitspracherecht der Kin-
der und Berücksichtigung ihrer Meinungen in kinderrelevanten Angelegenheiten.5 Dass Bil-
dung eine kinder- und jugendrelevante Angelegenheit ist, ist unbestritten. Ausgehend von
der bereits oben aufgeführten Resolution der IDEC und dem auf der Kinderrechtskonvention
beruhenden Anspruch auf Mitbestimmung, lassen sich zwei Bereiche des Schulalltags aus-
machen, in welchen der Schülerschaft das Recht auf Mitbestimmung gewährt werden sollte.
Einerseits in Angelegenheiten der Gemeinschaft, in der jede Beteiligte und jeder Beteiligte6
eine Stimme hat und somit alle gleichberechtigt sind. Andererseits in individuellen Angele-
genheiten, sprich in der selbstbestimmten Gestaltung des Lernens.
2.2.1 Demokratische Mitbestimmung in Angelegenheiten der Gemeinschaft
Eine demokratische Schule zeichnet sich dadurch aus, dass in ihr Demokratie gelebt wird.
Die Struktur der Schulorganisation ermöglicht somit ein hohes Mass an Mitbestimmung und
Eigenverantwortung. Unser Schulsystem ist eines der undemokratischsten Systeme über-
haupt. Vor allem in der Schweiz, gerade in unserer Musterdemokratie, sind die Partizipati-
onsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler bescheiden. Dies zeigt auch die aktuelle
ICCS-Studie7, laut der gerade einmal 28% aller Schülerinnen und Schüler jemals an einer
Entscheidung beteiligt waren, die die Führung der Schule betrifft. Im internationalen Länder-
vergleich (mit 37 anderen Ländern) befindet sich die Schweiz somit signifikant unter dem
ICCS-Durchschnitt, was einem Rangplatz im untersten Drittel entspricht.8 Es ist daher nicht
weiter erstaunlich, dass die Selbstwirksamkeit9 der Schülerinnen und Schüler im internatio-
nalen Vergleich eher tief ausfällt. Dies zeigt deutlich, und wird auch so in eben dieser Studie
festgehalten, dass Schülerinnen und Schüler „[…] über die notwendigen Fähigkeiten zur Par-
tizipation […]“10 verfügen sollten, um an politischen Entscheidungen mitwirken zu können. Im
Zentrum politischer Bildung sollte deshalb „[…] die Aneignung von Fähigkeiten und Kompe-
tenzen zur politischen Partizipation […]“11 stehen. Ausserdem müssen Schülerinnen und
Schüler „[…] zur Überzeugung gelangen können, über Kompetenzen, Verhaltensweisen und
5
Art. 12 Abs. 1 KRK.
6
Damit sind alle Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter gemeint.
7
International Civic and Citizenship Education Study 2009.
8
Vgl. Biedermann 2010, S. 74.
9
„Selbstwirksamkeit bedeutet die eigene Überzeugung, bestimmte Situationen bewältigen, etwas
bewirken und sein Leben selbst kontrollieren zu können.“ (Hobmair (Hrsg.), Pädagogik 2008, S. 172).
10
Biedermann 2010, S. 69.
11
Ebd.
7
9. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 2. Grundlagen
Handlungsmöglichkeiten zu verfügen, die sie befähigen, sich wirksam am politischen Gestal-
tungsprozess einer Gesellschaft zu beteiligen.“12 Und genau hier schliessen demokratische
Schulen an. Durch ihre demokratische Schulstruktur werden Kinder und Jugendliche schon
früh auf das gesellschaftspolitische Leben vorbereitet. Schülerinnen und Schüler demokrati-
scher Schulen erlernen ebendiese Kompetenzen durch die Möglichkeit der Partizipation in
sämtlichen schulrelevanten Belangen.
Mit Hilfe eines Organigramms soll versucht werden, die Schulorganisation, wie sie an einer
demokratischen Schule vorhanden sein sollte, darzustellen. Im Rahmen dieser Arbeit wird
die demokratische Rechtsordnung, basierend auf der Struktur von Sudbury-Schulen, zu Rate
gezogen.13
Schulverfassung
überwacht Einhaltung und regelt
Konsequenzen bei Verstossen
beschliesst Gesetze
Präsidentin/Präsident
erlässt
wählt Justizkomitee
leitet wählt
Schulversammlung
Wahlrecht Wahl recht Wahlrecht
setzt ein
setzt ein
Mitarbeiterinnen und
Schülerinnen und Schüler Lehrpersonen
Mitarbeiter
Mitsprache in Mitsprache in Mitsprache in
Arbeitsgemenschaften Komitees
Abb. 1: Organigramm einer demokratischen Schulstruktur
Zentrales Element ist die Schulversammlung, bei der jeder und jede Beteiligte eine Stimme
hat. Diese findet in der Regel einmal in der Woche statt und hat die Aufgabe, Gesetze und
Regeln für das Zusammenleben zu erlassen, ein Justizkomitee zu wählen, welches die Aus-
führung dieser Regeln überwacht und bei Verstössen entsprechende Konsequenzen anord-
net. An einigen Schulen geht die gleichberechtigte Mitsprache so weit, dass die Schulver-
sammlung auch über die Anstellung von Lehrpersonen entscheidet. Die Versammlungen
werden von einem gewählten Vorsitz geleitet.
12
Biedermann 2010, S. 69.
13
Vgl. Sappir 2008, S. 301ff.
8
10. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 2. Grundlagen
Komitees und Arbeitsgemeinschaften
Die Schulversammlung kann längerfristige oder regelmässige Aufgaben an Komitees dele-
gieren, denen alle Mitglieder der Schulversammlung beitreten können. Neben Komitees gibt
es Arbeitsgemeinschaften, die im Gegensatz zu den Komitees, ein weniger offizielles Gremi-
um bilden. Ihre Aufgabe besteht darin, kurzfristige und einmalige Aufgaben zu behandeln.
Mit einem von der Schulversammlung genehmigten Budget können spezielle Projekte ver-
wirklicht werden. Arbeitsgemeinschaften und Komitees unterscheiden sich hauptsächlich in
ihrer Notwendigkeit. Während Komitees für die Existenz und Funktionalität der Schule not-
wendig sind, werden Arbeitsgemeinschaften konkreten und speziellen Vorschlägen und Inte-
ressen gerecht. Selbstverständlich sind die Strukturen innerhalb dieser Gremien auch voll-
ständig demokratisch.14
2.2.2 Selbstbestimmung in individuellen Angelegenheiten
Motivation gilt als Grundvoraussetzung für jegliches Lernen. Dabei wird zwischen extrinsi-
scher und intrinsischer Motivation unterschieden. Während die extrinsische Motivation sich
dadurch auszeichnet, dass sie von aussen aufgezwungen wird (wie z. B. Schulnoten), ist die
intrinsische Motivation von einer inneren Neugier, etwas zu lernen, gekennzeichnet. Zweitere
ist für erfolgreiches Lernen weit wirksamer als erstere.15
An demokratischen Schulen wird freiwillig gelernt, ohne Druck, Zwang und Bewertungen.
Unter solchen Voraussetzungen kann sich die intrinsische Lernmotivation vollumfänglich
entfalten, was zur Folge hat, dass Kinder und Jugendliche aus eigenem Interesse und An-
trieb zu lernen beginnen.
Um eine solche Lernkultur zu ermöglichen, müssen aber gewisse Bedingungen erfüllt sein,
welche durch eine Darstellung basierend auf der schon erwähnten Erklärung der IDEC 2005
aufgezeigt werden sollen.
Abb. 2: Selbstbestimmtes Lernen an einer demokratischen Schule
14
Vgl. Sappir 2008, S. 310 ff.
15
Vgl. Hobmair (Hrsg.), Psychologie 2003, S. 141.
9
11. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 2. Grundlagen
2.3 Das Bildungssystem der Schweiz
Das Bildungswesen in der Schweiz ist eine Aufgabe des Staates, welche aufgrund der föde-
ralistischen Strukturen den Kantonen obliegt16. Vorschulen und die obligatorische Schule
profitieren insofern vom Föderalismus, als dass durch den individuellen Umgang mit Proble-
men auch die Integrationsfunktion, welche die obligatorische Schulzeit innehaben sollte,
besser umgesetzt werden kann. Im Bereich der nachobligatorischen Bildung gelten Kantone
und Bund hingegen als Partner, wobei die Kantone auch hier eine relativ breite Umsetzungs-
freiheit geniessen. In beiden Bereichen, dem der obligatorischen wie auch dem der nachob-
ligatorischen Schule, sind jedoch Entwicklungen zur Nationalisierung der Bildungspolitik zu
beobachten.17
2.3.1 Gymnasiale Maturitätsschulen
Die Führung von gymnasialen Maturitätsschulen liegt in der Verantwortung der Kantone,
wobei seit 1995 das neue MAR (Maturitätsanerkennungsreglement) in Kraft ist, welches den
Bund als Partner einbindet und als Basis der gesamtschweizerischen Anerkennung der Aus-
bildungsabschlüsse von gymnasialen Maturitätsschulen gilt. Gestützt auf das MAR müssen
kantonal geführte gymnasiale Maturitätsschulen vom Bund und von der Schweizerischen
Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) anerkannt sein.18
2.3.2 Die Kantonsschule Glarus
Die Kantonsschule Glarus ist die einzige Maturitätsschule im Kanton Glarus. Sie ist in zwei
Bereiche gegliedert, das Gymnasium und die Fachmittelschule. Im Rahmen dieser Arbeit
wird mehrheitlich auf das Gymnasium eingegangen. Der Kanton Glarus bietet, wie sieben
weitere Kantone der Deutschschweiz, ein Langzeit- wie auch ein Kurzzeitgymnasium an.19
Der Eintritt ins Langzeitgymnasium erfolgt in der Regel im Anschluss an die Primarschule,
womit die Dauer sechs Jahre beträgt. Ins Kurzzeitgymnasium kann man grundsätzlich nach
der 2. oder 3. Sekundarschule eintreten, wobei hier vier Jahre absolviert werden. Dabei rich-
tet sich der Unterricht des Gymnasiums nach den Bestimmungen des Maturitätsanerken-
nungsreglements (MAR).20
16
Art. 62 Abs. 1 BV.
17
Namentlich das HarmoS-Konkordat von 2007, wie auch der Lehrplan 21 auf der Ebene der obligato-
rischen Schulzeit und die Revision des MAR auf gymnasialer Ebene.
18
Internet: Der Schweizerische Bildungsserver, Das schweizerische Bildungssystem.
19
SKBF│CSRE (Hrsg.) 2010, S. 125.
20
Art. 1 Abs. 2 Schulordnung der Kantonsschule.
10
12. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 2. Grundlagen
Um die Struktur der Kantonsschule Glarus und diejenige der Entscheidungsprozesse zu er-
fassen, wird auch hier auf ein Organigramm zurückgegriffen.
Regierungsrat
präsidiert
Bildungsdirektorin
Aufsichtsbehörde
sechs weitere vom Landrat Kantonsschulrat
Mitglieder gewählt
Rektor
Prorektor Prorektor
Schulleitung
Antragsrecht
Mediothek
Hausdienst
leitet
Sekretariat
Lehrpersonen
Klassenkonvent Konvent Arbeitsgruppen Kommissionen
Vier Mitglieder des Mitsprache in
SO-Vorstandes
SCHÜLERORGANISATION
Vorstand der SO
bestätigen Änderungen
Generalversammlung
nehmen jährlich Teil
2 Delegierte pro Klasse
von Klassen gewählt
Schülerinnen und Schüler
Abb. 3: Organigramm der Kantonsschule Glarus
11
13. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 2. Grundlagen
Die Aufsichtsfunktion über die Kantonsschule hat der Kantonsschulrat inne.21 Dessen Rechte
und Pflichten sind in der Schulordnung der Kantonsschule Art. 30 festgelegt. Erwähnenswert
ist hier aus Schülersicht sicherlich die Kompetenz des Kantonsschulrats, ein Reglement über
die Lernenden zu erlassen.22 Anführen muss man hier, dass die Schülerschaft praktisch kei-
nen Einfluss auf diesen Prozess nehmen kann.23 Geleitet wird die Schule von der Schullei-
tung, bestehend aus einem Rektor und zwei Prorektoren, wobei auch hier die Schülerschaft
vollkommen ausgeschlossen ist.24 Lediglich auf der Ebene des Gesamtkonventes hat die
Schülerschaft die Möglichkeit, sich einzubringen und dies mit lediglich vier Stimmen. Eine
kleine Anzahl im Hinblick auf das Lehrpersonen – SchülerInnen Verhältnis, das sich auf 64:4
beläuft25. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Schülerschaft in schulrelevanten Angelegen-
heiten in vielerlei Hinsicht untervertreten ist und auch nicht konsequent in Entscheidungspro-
zesse einbezogen wird. Die einzig reale Möglichkeit der Schülerschaft, an Entscheidungs-
prozessen mitzuwirken, ist das Antragsrecht an den Gesamtkonvent.26 Der Gesamtkonvent
befasst sich mit allen Belangen der Schulentwicklung und -organisation. So hat er u.a. die
Kompetenz inne, Kommissionen zu ernennen und deren Aufgaben zu bestimmen.27 Ein Mit-
spracherecht der Schülerschaft ist in keinem Reglement zu finden, das Stimm- und Antrags-
recht der Schülerschaft am Konvent kann dahingehend ausgelegt werden, dass die Schüler-
vertretung somit auch Einsitz in alle Gremien hat, welche vom Konvent ernannt wurden.
21
Art. 29 Abs. 1 Schulordnung der Kantonsschule.
22
Art. 30 Abs. 1 h. Schulordnung der Kantonsschule.
23
Da sie kein Einsitzrecht in den Kantonsschulrat hat und im Konvent untervertreten ist.
24
Art. 2 Reglement über die Rechte und Pflichten der Schulleitung, der Konvente und der Lehrer-
schaft an der Kantonsschule.
25
Internet: Kantonsschule Glarus, Kontakte & Menschen, Lehrpersonen.
26
Art. 14 Abs. 2 Schulordnung der Kantonsschule.
27
Art. 11 Reglement über die Rechte und Pflichten der Schulleitung, der Konvente und der Lehrer-
schaft an der Kantonsschule.
12
14. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 3. Demokratisierung – Die Kriterien
3. Demokratisierung – Die Kriterien
„ ‚Teilweise demokratisch‘ ist so sinnvoll wie
‚teilweise schwanger‘ oder ‚teilweise tot‘.“
Bruce L. Smith
3.1 Demokratisierung von Staatsschulen
Die Frage, ob es sinnvoll ist, Staatsschulen zu demokratisieren, führt immer wieder zu Dis-
kussionen. Und zwar nicht nur zwischen Befürworterinnen und Befürwortern einerseits sowie
Gegnerinnen und Gegnern demokratischer Bildung andererseits, sondern auch unter den
Befürworterinnen und Befürwortern selber. Hier spalten sich offenbar die Lager. Um einen
Einblick in die Diskussion des Für und Wider zu erhalten, sollen hier verschiedene Befürwor-
ter demokratischer Schulen zu Wort kommen:
Michael Sappir Daniel Hunziker
„Demokratie in Schulen „Hinter der Frage: «Ist eine De-
entsteht nicht durch Evolution; mokratisierung von Staatsschu-
sie entsteht nicht aus einer len sinnvoll?», verbirgt sich
natürlichen Entwicklung des- nichts anderes als eine nicht
sen, was ist. Behörden werden emanzipierte Haltung Erwachse-
eine Demokratie erschaffen, ner Kindern gegenüber. Emanzi-
die ihre Autorität nicht bedroht. pierte Erwachsene würde sagen:
Es braucht eine Revolution, um die Bildung zu Ja, selbstverständlich gestalten Kinder und
demokratisieren. Und diese Revolution wird Jugendliche massgeblich ihr Lernen und ihren
28 29
nicht von oben kommen.“ Schulalltag mit.“
Michael Sappir, 1988 geboren, wuchs in Jerusalem auf,
Daniel Hunziker, 1967 geboren, gründete und leitet die
wo er die Sudbury-Schule Jerusalem gründete und be-
imPuls-Privatschule, die erste demokratische Schule der
suchte. Er engagiert sich stark für das Sudbury-Schul-
Schweiz und ist seit 2009 Präsident der EUDEC-Schweiz.
Modell.
Michael Stampfli Martin Wilke
„Demokratische Bildung setzt
„Die Schule kann über manche
den gegenseitigen Respekt unter
Dinge nicht selbst entscheiden
den Beteiligten voraus. Es wäre
und ist an die Gesetze und
ein Hohn, diesen Respekt in An-
sonstigen Vorgaben höherer
betracht der heutigen Situation
Ebenen gebunden; innerhalb
an staatlichen Schulen tatsäch-
des ihr zustehenden Kompe-
lich fordern zu wollen. Möglich wäre allenfalls
tenzbereichs kann sie jedoch vollständig de-
ein winzig kleiner Schritt zu mehr Partizipation 31
30 mokratisch organisiert sein.“
und Selbständigkeit der Lernenden."
Michael Stampfli, 1988 geboren, Generalsekretär der Martin Wilke, 1980 geboren, studierte Politikwissenschaft.
Union der Schülerorganisationen CH/FL (USO), welche Seine Interessenschwerpunkte sind Wahlrecht, Wahl- und
die Schülerschaft der Schweiz und des Fürstentums Abstimmungsverfahren, direkte Demokratie und demokra-
Lichtensteins vertritt. tische Schulen.
Tabelle 1: Befürworter demokratischer Schulen im Vergleich
28
Sappir 2009, S. 15.
29
Hunziker 2010.
30
Stampfli 2010.
31
Wilke 2008, S. 297.
13
15. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 3. Demokratisierung – Die Kriterien
3.2 Wann ist eine Schule eine demokratische Schule?
Sobald über die Demokratisierung von Staatsschulen gesprochen wird, ergeben sich nicht
nur geteilte Meinungen darüber, ob es sinnvoll und überhaupt möglich wäre, Staatsschulen
zu demokratisieren, sondern auch, ab wann eine Schule eine demokratische Schule ist. Die-
se Problematik beginnt schon bei der Definition des Begriffs „Demokratische Bildung“ (wie
schon unter 2.1 erwähnt). Hans Brügelmann hielt im Zusammenhang mit der Problematik der
Forschung zur „demokratischen Schule“ Folgendes fest: „[…] ‚Demokratische Schule‘ ist kei-
ne Methode, die sich als technisch umsetzbares Programm evaluieren liesse.“32 Diese Aus-
sage zeigt eindeutig die Schwierigkeit auf, eine Schule einzuordnen. Obwohl es einige Krite-
rien zu geben scheint, wonach die Umsetzung demokratischer Grundsätze an einer Schule
untersucht werden könnte, besteht für Brügelmann die besondere Schwierigkeit für die For-
schung darin, „[…] wie sie das Ethos – also den Geist dieser Konzeption – erfassen kann
[…]“33. Im Rahmen dieser Arbeit hingegen wird es nötig sein, gewisse Kriterien festzulegen,
um damit die Umsetzbarkeit demokratischer Grundsätze zu prüfen. Ob die Kantonsschule
Glarus bei der Umsetzung all dieser Kriterien tatsächlich als demokratische Schule gelten
könnte, sei dahingestellt und soll hier auch nicht überprüft werden. Überprüft werden soll
lediglich, ob die Kantonsschule demokratisierbar ist.
3.2.1 Kriterien
Trotz Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von demokratischen Schulen gegenüber „nicht“-
demokratischen Schulen gibt es einige unverzichtbare Elemente, die vorhanden sein müs-
sen, damit eine Schule als demokratische gelten kann (siehe Kapitel 2.1). Es gilt nun vorerst,
diese Grundsätze in Form von erfassbaren Kriterien festzulegen. In einem weiteren Schritt
wird überprüft, ob diese mit der Schulstruktur der Kantonsschule Glarus kompatibel sind.
Dabei lassen sich drei Ebenen definieren, die überprüft werden:
die Schulebene
die individuelle Ebene
die zwischenmenschliche Ebene
32
Brügelmann 2008, S. 182.
33
Ebd., S. 183.
14
16. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 3. Demokratisierung – Die Kriterien
3.2.1.1 Die Schulebene
Die Schulebene entspricht der in 2.2.1 vorgestellten „Mitbestimmung in Angelegenheiten der
Gemeinschaft“. Basierend auf der Resolution der IDEC 2005 „[…]muss es ein Gremium ge-
ben, das reale Entscheidungskompetenzen über wesentliche Angelegenheiten hat – also
keine Spielwiese oder Alibiveranstaltung ist – und das zugleich auf dem gleichen Stimmrecht
für Schüler und Lehrer bzw. sonstige Mitarbeiter beruht“34, damit eine Schule als demokra-
tisch bezeichnet werden kann. Aufgrund dieser Voraussetzung können folgende Kriterien
festgelegt werden:
Organe
Schulführung Die Schule ist basis-demokratisch organisiert und hat keine hierar-
chische Struktur.
Entscheidungs- Die Schule verfügt über ein Gremium, das über alle schulrelevanten
gremium Angelegenheiten Entscheidungskompetenz innehat und das
zugleich auf dem gleichen Stimmrecht für Lernende und Lehrende
beruht.
Andere Organe Mitsprache aller Beteiligten in allen von der Schulversammlung ein-
gesetzten Gremien.
Entscheidungen/Prozesse
Stimmrecht Alle Beteiligten sind berechtigt abzustimmen und jede/r hat eine
Stimme. Es gibt kein Vetorecht.
Antragsrecht Alle Beteiligten haben ein Antragsrecht an die Schulversammlung.
Kompetenzen Die Schulversammlung muss über nahezu alle Dinge entscheiden
können, die in der Entscheidungskompetenz der Schule liegen.
Gesetzgebung Die Schulversammlung erlässt ein Schulgesetz, welches Regeln
und Gesetze für alle Beteiligten beinhaltet. Diese dürfen aber öf-
fentlichen Gesetzgebungen nicht widersprechen.
Evaluation
Lehrpersonen Lehrpersonen evaluieren sich regelmässig selber und gegenseitig.
Schülerinnen und Schüler werden in den Evaluationsprozess
gleichberechtigt eingebunden.
Schülerinnen und Schüler haben jederzeit das Recht, Rückmeldun-
gen zu geben.
Schule Die Schule wird von allen Beteiligten regelmässig evaluiert.
Tabelle 2: Kriterien auf der Schulebene
34
Wilke 2008, S. 296.
15
17. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 3. Demokratisierung – Die Kriterien
3.2.1.2 Die individuelle Ebene
Die individuelle Ebene entspricht in weiten Teilen der in 2.2.2 vorgestellten „Selbstbestim-
mung in individuellen Angelegenheiten“. Jedoch ergeben sich aus den Forderungen der Re-
solution der IDEC 2005 noch zwei weitere Kriterien, welche die individuelle Ebene mit-
bestimmen. Einerseits sind das die „Förderung der Individualität“ und andererseits die „Ei-
genverantwortung“. Selbstbestimmtes Lernen setzt selbstverständlich diese beiden Kriterien
in einem gewissen Masse voraus, wodurch sie für den einen oder anderen Leser als über-
flüssig erscheinen mögen. Für die Prüfung der Demokratisierbarkeit der Kantonsschule Gla-
rus sind sie aber nötig, um auch ein schon vorhandenes Potential auf der individuellen Ebe-
ne erkennen zu können.
Selbstbestimmtes Lernen
Lerninhalte Die Schülerinnen und Schüler sind frei in der Entscheidung, was sie
lernen wollen. Es gibt keinen verbindlichen Lehrplan.
Unterrichtszeit Es gibt keinen fixen Stundenplan. Lehrpersonen können Unter-
richtskurse anbieten, die Teilnahme ist aber nicht obligatorisch.
Lernformen Die Schülerinnen und Schüler entscheiden selber, wie sie lernen
wollen.
Lernumgebung Die Schülerinnen und Schüler entscheiden selber, in welcher Um-
gebung sie lernen, sie können sich frei in der Schule bewegen, so-
lange die Freiheit anderer nicht eingeschränkt wird oder gegen von
der Gemeinschaft beschlossene Regeln verstossen wird.
Vermittlung Schülerinnen und Schüler entscheiden selber, mit wem und von
wem sie lernen. Sie dürfen aber andere Schülerinnen und Schüler
nicht in ihrer Tätigkeit stören. Die Lehrpersonen stellen sich als Un-
terstützung zur Verfügung.
Evaluation der Schülerinnen und Schüler
Umgang mit Beurtei- Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, eine Rückmel-
lungen dung über ihre Fähigkeiten zu erhalten, von Lehrpersonen wie auch
von anderen Schülerinnen und Schüler.
Beurteilungsform Die Beurteilung der Schülerinnen und Schüler bezieht sich auf den
individuellen Lernfortschritt und beschreibt ihre Kompetenzen.
Prüfungen Wer will, kann sich freiwillig Tests und Prüfungen unterziehen.
Selbsteinschätzung Schülerinnen und Schüler werden zur Selbsteinschätzung ermutigt.
Förderung der Individualität
Förderung der Die individuellen Talente und Begabungen der Schülerinnen und
Talente Schüler werden berücksichtigt und gefördert.
Einbringung der Die Schülerinnen und Schüler haben verschiedene Möglichkeiten,
Talente ihre Talente auch im Schulalltag einzubringen.
16
18. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 3. Demokratisierung – Die Kriterien
Eigenverantwortung
Lernen Die Schülerinnen und Schüler sind selbst verantwortlich für ihren
Lernprozess.
Handeln Die Schülerinnen und Schüler tragen die Verantwortung für ihr
Handeln und die daraus entstehenden Konsequenzen.
Tabelle 3: Kriterien auf der individuellen Ebene
3.2.1.3 Die zwischenmenschliche Ebene
Die zwischenmenschliche Ebene möchte einerseits dem „grundlegenden Respekt“ gegen-
über Kindern und Jugendlichen die nötige Relevanz zusprechen, andererseits dem von Hans
Brügelmann erwähnten „Ethos“ gerecht werden. Wie schon von Brügelmann erwähnt, ist
dies die schwerste zu erfassende Ebene35, da das Gedankengut einer Schule und ihrer Be-
teiligten nicht ohne Weiteres zu erfassen ist. Aus diesem Grund werden Kriterien festgelegt,
welche Auskunft über die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Grundhaltung ge-
genüber Mitmenschen geben können. Einerseits sind das der Umgang mit Konflikten und
andererseits der Umgang mit der Gemeinschaft.
Grundlegender Respekt
Respekt Jede einzelne Person hat das Recht auf eine gleichwertige Behand-
lung und gegenseitigen Respekt, ungeachtet jeglicher persönlicher
Unterschiede.36
Konfliktbewältigung
Umgang mit Konflikte werden auf eine gewaltfreie und konstruktive Art und Wei-
Konflikten se in Zusammenarbeit aller am Konflikt Beteiligten gelöst.
Gemeinschaft
Verantwortung Alle Beteiligte sind zu gleichen Teilen verantwortlich für die Umset-
zung und Einhaltung der gemeinsam getroffenen Entscheide bzw.
erlassenen Regeln.
Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, dazu beizutragen,
dass ein positives und anregendes Umfeld für das Lernen und die
Entwicklung der Persönlichkeit geschaffen wird.37
Gemeinsame Die Schule ermöglicht ein breites Spektrum an gemeinsamen Akti-
Aktivitäten vitäten und Projekten.
Alle Beteiligten haben die Möglichkeit bei der Organisation und Pla-
nung mitzuwirken.
Tabelle 4: Kriterien auf der zwischenmenschlichen Ebene
35
Brügelmann 2008, S.183 ff.
36
Art. 2 Europäische Charta für eine demokratische Schule ohne Gewalt.
37
Ebd. Art. 1.
17
19. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 4. Gegenüberstellung
4. Gegenüberstellung
Im derzeitigen Schulsystem sind staatliche Schulen durch Lehrpläne und Schulgesetze in
ihrer Führung und Gestaltung stark eingeschränkt. Eine Demokratisierung scheint auf den
ersten Blick ziemlich unrealistisch und im Hinblick auf die momentane wirtschaftliche Lage
vielleicht auch unangemessen. Schülerinnen und Schüler sind bereits nach Schuleintritt ei-
ner ständigen Bewertung ausgesetzt. Diese Beurteilung, meist durch Zensuren, hat einen
wesentlichen Einfluss auf das spätere Berufsleben. Denn Zensuren dienen vor allem Einem:
der Selektion. Diese Beurteilungs- und Selektionspflicht der Schulen wird durch den Druck
von Gesellschaft und Wirtschaft immer mehr zum zentralen Element der Schule.38 Auf gym-
nasialer Ebene kommen die Anforderungen des neuen MAR sowie die der Universitäten und
Hochschulen hinzu, was dazu führt, dass die Kompetenzen der Schulen zusehends mehr
eingeschränkt werden. Gleichzeitig aber werden von den Dozierenden an Deutschschweizer
Universitäten Kompetenzen wie „kritisches Denken“ und „selbständiges Arbeiten und Ler-
nen“ als die grössten und häufigsten Lücken genannt.39 Ebendiesen Kompetenzen, die an
demokratischen Schulen gefördert werden. Unter diesem Gesichtspunkt scheint eine Demo-
kratisierung nicht mehr ganz so waghalsig und unangebracht, denn wie schon Wilke er-
wähnt, kann eine Schule „[…] innerhalb des ihr zustehenden Kompetenzbereichs […] voll-
ständig demokratisch organisiert sein.“40 Inwieweit lässt sich also die Kantonsschule Glarus
demokratisieren? Anhand einer Gegenüberstellung der im letzten Kapitel vorgestellten Krite-
rien und der gesetzlichen Grundlage der Kantonsschule Glarus soll dies soweit wie möglich
überprüft werden. Gleichzeitig sollen dadurch auch mögliche Freiräume aufgedeckt werden,
welche auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind.
38
Vgl. Dzelili 2008, S. 50.
39
Vgl. SKBF│CSRE (Hrsg.), Bildungsbericht Schweiz 2010, S. 130.
40
Wilke 2008, S. 297.
18
20. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 4. Gegenüberstellung
4.1 Gegenüberstellung der Schulebene
In der folgenden Tabelle werden die Kriterien bezüglich der Schulebene demokratischer Bil-
dung den entsprechenden Bestimmungen an der Kantonsschule Glarus gegenübergestellt.
Die verwendeten Gesetzesabkürzungen sind im Abkürzungsverzeichnis (siehe S. 52) aufge-
führt.
Demokratische Schulen Kantonsschule Glarus
Organe
1
Schulführung Die Schule ist basisdemokratisch „ Die Aufsicht über die Kantonsschule übt der
organisiert und hat keine hierar- Kantonsschulrat aus. […]“ (Art.29 Abs. 1
chische Struktur. SchuO)
„Die Schulleitung besteht aus dem Rektor oder
der Rektorin und zwei Prorektoren oder Prorek-
torinnen.“ (Art. 25 SchuO)
Entscheidungs- Die Schule verfügt über ein Gre- „Der Gesamtkonvent besteht aus allen Lehrper-
gremium mium, das über alle schulrelevan- sonen und der Vertretung der Organisation der
ten Angelegenheiten Entschei- Schülerschaft. Er behandelt unter dem Vorsitz
dungskompetenz innehat und das des Rektors bzw. der Rektorin Schulangelegen-
zugleich auf dem gleichen Stimm- heiten und berät Anträge an den Kantonsschul-
recht für Schüler und Lehrer be- rat.“(Art. 27 SchuO)
2
ruht. „ Vier von der Organisation der Schülerschaft
bestimmte Vertreterinnen oder Vertreter können
am Gesamtkonvent teilnehmen, soweit nicht
Fragen der Lehrperson oder persönliche Belan-
ge einzelner Lernender behandelt werden.“ (Art.
14 Abs. 2 SchuO)
Andere Organe Mitsprache aller Beteiligten in Keine Bestimmung zur Mitsprache der SO in
allen von der Schulversammlung Arbeitsgruppen oder Gremien.
eingesetzten Gremien
Entscheidungen/Prozesse
1
Stimmrecht Alle Beteiligten sind berechtigt, „ Stimm- und Antragsrecht haben
abzustimmen, und jede/r hat eine - Lehrpersonen, die bereits ein Jahr an der
Stimme. Es gibt kein Vetorecht. Schule unterrichten und für ein Pensum
Antragsrecht Alle Beteiligten haben ein An- von mindestens acht Lektionen angestellt
tragsrecht an die Schulversamm- sind
lung. - Lehrpersonen mit Klassenlehreraufgabe,
auch wenn sie weniger als acht Lektionen
unterrichten
- Lehrpersonen, die weniger als acht Lektio-
nen unterrichten, nachdem sie an zehn
Konventen teilgenommen haben
- vierfache Vertretung der Schülerorganisa-
tion“ (Art. 12 Abs. 1 RPflR SL, K, L)
1
Kompetenzen Die Schulversammlung muss über „ Der Gesamtkonvent besteht aus allen Lehr-
nahezu alle Dinge entscheiden personen und der Vertretung der Organisation
können(, die in der Entschei- der Schülerschaft. Er behandelt unter dem Vor-
dungskompetenz der Schule lie- sitz des Rektors bzw. der Rektorin Schulangele-
gen). genheiten und berät Anträge an den Kantons-
schulrat.“ (Art. 27 Abs. 1 SchuO)
2
Gesetzgebung Die Schulversammlung erlässt ein „ Der Landrat erlässt eine Schulordnung der
Schulgesetz, welches Regeln und Kantonsschule. Er regelt insbesondere die Or-
Gesetze für alle Beteiligten bein- ganisation der Kantonsschule und ihre Beauf-
haltet. Diese dürfen aber öffentli- sichtigung, die Anforderungen an die Lehrper-
chen Gesetzgebungen nicht wie- sonen und deren Wahl sowie die Rechte und
dersprechen. Pflichten der Lernenden, der Lehrpersonen und
der Erziehungsberechtigten.“ (Art. 32 Abs. 2
BiG)
19
21. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 4. Gegenüberstellung
Evaluation im schulischen Umfeld
1
Lehrpersonen Lehrpersonen evaluieren sich „ Die Lehrpersonen werden in ihrer Tätigkeit
regelmässig selber und gegensei- beurteilt. Sie wirken bei dieser Beurteilung mit.
2
tig. Sie beurteilen zudem regelmässig ihre Tätig-
Schülerinnen und Schüler werden keit selber.
3
in den Evaluationsprozess gleich- Der Regierungsrat erlässt zur Beurteilung und
berechtigt miteingebunden. Förderung der Lehrpersonen eine Verordnung.
Schülerinnen und Schüler haben Er regelt insbesondere die Beurteilungsinstan-
jederzeit das Recht, Rückmeldun- zen und deren Kompetenzen, die Beurteilungs-
gen zu geben. kriterien sowie den zeitlichen Ablauf.“ (Art. 73
Abs. 1-3 BiG)
Bestehendes, ausführliches FQS-Konzept
„[…] zum einen werden Individualfeedbacks
eingeholt. Dabei geht es um die einzelnen Lehr-
personen und ihren Unterricht. Mittels kollegialer
Hospitationen, SchülerInnen- oder Elternfeed-
backs wird der Unterricht fokussiert evaluiert.“
(FQS-Konzept)
Schule Die Schule wird von allen Beteilig- „[…] zum anderen wird die Qualität der gesam-
ten regelmässig evaluiert. ten Schule erhoben und gezielt gefördert. Dies
geschieht mit den Schulqualitätsrecherchen, bei
denen die Schule als Ganzes im Mittelpunkt
steht.“ (FQS-Konzept)
Tabelle 5: Gegenüberstellung Schulebene
20
22. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 4. Gegenüberstellung
4.2 Gegenüberstellung der individuellen Ebene
In folgender Tabelle werden die Kriterien bezüglich der individuellen Ebene demokratischer
Bildung den entsprechenden Bestimmungen an der Kantonsschule Glarus gegenüberge-
stellt.
Demokratische Schulen Kantonsschule Glarus
Selbstbestimmtes Lernen
Lerninhalte Die Schülerinnen und Schüler „Die Maturitätsschulen unterrichten nach Lehr-
sind frei in der Entscheidung, plänen, die vom Kanton erlassen oder geneh-
was sie lernen wollen. Es gibt migt sind und sich auf den gesamtschweizeri-
keinen verbindlichen Lehrplan. schen Rahmenlehrplan der Schweizerischen
Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektion
abstützen.“ (Art. 8 VO MAR)
„Die Ziele und Inhalte des Unterrichts und der
Unterrichtsfächer sowie die Lektionstafeln wer-
den für die öffentlichen Schulen in den vom
Regierungsrat erlassenen Lehrplänen fest-
gehalten.“ (Art. 96 BiG)
Unterrichtszeit Es gibt keinen fixen Stunden- „Die Ziele und Inhalte des Unterrichts und der
plan. Lehrpersonen können Un- Unterrichtsfächer sowie die Lektionstafeln
terrichtskurse anbieten, die Teil- werden für die öffentlichen Schulen in den vom
nahme ist aber nicht obligato- Regierungsrat erlassenen Lehrplänen fest-
risch. gehalten.“ (Art. 96 BiG)
„Die Lernenden sind verpflichtet, den Unterricht
und die Schulveranstaltungen vorschriftsge-
mäss zu besuchen und den Weisungen der
Lehrpersonen nachzukommen.“ (Art. 42 Abs. 1
BiG)
„Der Stundenplan regelt die tägliche Verteilung
der wöchentlichen Unterrichtslektionen der
Lernenden sowie die Unterrichtslektionen und
die Präsenzzeit der Lehrpersonen.“ (Art. 95
Abs. 1 BiG)
„Die Lektionen dauern 45 Minuten.“ (Art. 2
Abs. 1 SchO KS)
„1
Lernformen Die Schülerinnen und Schüler Die Lehrmittelverwaltung wird durch den Re-
entscheiden selber, wie sie ler- gierungsrat bestimmt.
2
nen wollen. Sie ist für die Beschaffung, die Aufbewahrung
und die Abgabe von Lehrmitteln und Unter-
richtshilfen und die damit in Zusammenhang
stehenden Aufgaben zuständig.
3
Der Kanton kann einen Lehrmittelverlag füh-
ren.“ (Art. 89 BG)
„Die Lehrpersonen haben das Recht:
a. im Rahmen der rechtlichen Vorgaben, des
Lehrplans sowie der Lehrmittel die Lehrme-
thode frei zu wählen; […]“ (Art. 59 BiG)
1
Lernumgebung Die Schülerinnen und Schüler „ Die Lernenden sind verpflichtet, den Unter-
entscheiden selber, in welcher richt und die Schulveranstaltungen vorschrifts-
Umgebung sie lernen, sie kön- gemäss zu besuchen und den Weisungen der
nen sich frei in der Schule bewe- Lehrpersonen nachzukommen.“ (Art. 42 Abs. 1
gen, solang die Freiheit anderer BiG)
nicht eingeschränkt wird oder
gegen von der Gemeinschaft
beschlossene Regeln verstossen
wird.
21
23. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 4. Gegenüberstellung
Vermittlung Schülerinnen und Schüler ent- „Die Lehrpersonen haben das Recht:
scheiden selber, mit wem und im Rahmen der rechtlichen Vorgaben, des
von wem sie lernen. Sie dürfen Lehrplans sowie der Lehrmittel die Lehrmetho-
aber andere Schülerinnen und de frei zu wählen; […]“ (Art. 59 BiG)
Schüler nicht in ihrer Tätigkeit
stören. Die Lehrpersonen stellen
sich als Unterstützung zur Verfü-
gung.
Evaluation
Schülerinnen und Schüler
1
Umgang mit Schülerinnen und Schüler haben „ Die Lernenden werden ganzheitliche und
Beurteilungen die Möglichkeit, eine Rückmel- nachvollziehbar beurteilt.
2
dung über ihre Fähigkeiten zu Der Regierungsrat erlässt Promotionsvor-
erhalten, von Lehrpersonen wie schriften, welche namentlich Inhalt und Art der
auch von anderen Schülerinnen Beurteilung, deren schulische Folgen und de-
und Schüler. ren Eröffnung regeln.“ (Art. 47 BiG)
1
Beurteilungs- Die Beurteilung der Schülerinnen „ Die Leistungen werden in ganzen oder hal-
form und Schüler bezieht sich auf den ben Noten mit folgender Bedeutung
individuellen Lernfortschritt und bewertet: 6 = sehr gut, 5 = gut, 4 = genügend,
beschreibt ihre Kompetenzen. 3 = ungenügend, 2 = schwach, 1 = sehr
schwach.“ (Art. 3 Abs.1 PromR)
„Erweiterte Beurteilungsformen
Werden neben der Unterrichtsnote erweiterte
Beurteilungsformen zur Ermittlung der Zeug-
nisnote miteinbezogen, muss deren Einfluss
auf die Zeugnisnote im Voraus bekannt gege-
ben werden.“ (1.5 PrNoK)
Prüfungen Wer will, kann sich freiwillig „Die Lernenden sind verpflichtet, den Unterricht
Tests und Prüfungen unterzie- und die Schulveranstaltungen vorschriftsge-
hen. mäss zu besuchen und den Weisungen der
Lehrpersonen nachzukommen.“ (Art. 42, BiG)
3
„ Als Sperrzeiten gelten:
[…] d. angesagte Klausuren.“
(Art. 3 Abs. 3 SchVR KS )
„Definition Prüfung“
Prüfungen sind von den Lernenden erbrachte
Leistungen, die benotet werden. Darunter wer-
den schriftliche Klausuren, gestalterische Ar-
beiten, Arbeitsberichte, Vorträge, Prüfungsge-
spräche, musikalische Darbietungen und sport-
liche Leistungen verstanden.“ (1.1 PrNoK)
Selbstein- Schülerinnen und Schüler wer- Keine Bestimmungen
schätzung den zur Selbsteinschätzung er-
mutigt.
22
24. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 4. Gegenüberstellung
Förderung der Individualität
1
Förderung der Die individuellen Talente und „ Die Grundlagenfächer, ein Schwerpunktfach,
Talente Begabungen der Schülerinnen ein Ergänzungsfach und die Maturaarbeit bil-
und Schüler werden berücksich- den die Maturitätsfächer“ (Art. 9 Abs. 1 VO
tigt und gefördert. MAR)
4
„ Der Unterricht setzt sich aus Pflicht-, Wahl-
und Freifächern zusammen. Die Bewilligung
zur Führung von Freifächern erteilt der Kan-
tonsschulrat“ (Art.1 Abs. 4 SchuO KS)
Einbringung Die Schülerinnen und Schüler - Schülerorganisation
der Talente haben verschiedene Möglichkei- - Aula-Technik-Team
ten, ihre Talente auch im und - Intranet-Team
1
ausserhalb des Schulalltags „ Ausserordentliche Kontingentserweiterung:
einzubringen. Für eine umfangreiche ausserschulische Tätig-
keit (z. B. in Forschung, Kultur, Sport oder Ju-
gendarbeit), welche den Rahmen des Kontin-
gents übersteigt, kann die Schulleitung das
Kontingent erweitern.“ (Art. 3 Abs. 1 SchVR
KS)
Eigenverantwortung
2
Lernen Die Schülerinnen und Schüler „ Sie [die Lernenden] sind ihrem Alter und dem
sind selbst verantwortlich für Stand der Bildung entsprechend für den eige-
ihren Lernprozess. nen Lernprozess mitverantwortlich.“ (Art. 42
Abs. 2 BiG)
4
Handeln Die Schülerinnen und Schüler „ […]. Sie [Maturandinnen und Maturanden]
tragen die Verantwortung für ihr sind bereit, Verantwortung gegenüber sich
Handeln und die daraus entste- selbst, den Mitmenschen, der Gesellschaft und
henden Konsequenzen. der Natur wahrzunehmen.“ (Art. 5 Abs. 4 VO
MAR)
Tabelle 6: Gegenüberstellung: individuelle Ebene
23
25. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 4. Gegenüberstellung
4.3 Gegenüberstellung der zwischenmenschlichen Ebene
In folgender Tabelle werden die Kriterien, bezüglich der zwischenmenschlichen Ebene, de-
mokratischer Bildung den entsprechenden Bestimmungen an der Kantonsschule Glarus ge-
genübergestellt.
Demokratische Schulen Kantonsschule Glarus
Grundlegender Respekt
Respekt Jede einzelne Person hat das „[…] Wir achten und respektieren einander.“
Recht auf eine gleichwertige (Schulhauskultur, LB)
Behandlung und gegenseitigen
Respekt, ungeachtet jeglicher
41
persönlicher Unterschiede.
Konfliktbewältigung
Umgang mit Konflikte werden auf eine gewalt- „[…] Wir pflegen gegen innen und aussen eine
Konflikten freie und konstruktive Art und offene, konstruktive und auch kritische Kom-
Weise in Zusammenarbeit aller munikation, die uns erlaubt, Konflikte zu lösen.“
am Konflikt Beteiligten gelöst. (Schulhauskultur, LB)
2
„ Disziplinarische Anordnungen im Rahmen
des Unterrichtsbetriebes treffen die Lehrperso-
nen nach pflichtgemässem Ermessen. […]“
(Art. 45 Abs. 2 BiG)
„Die Klassenstunde dient grundsätzlich zur
kollektiven und teilweise auch individuellen
Betreuung der Lernenden. Dazu gehören:
- [...] Besprechung von aktuellen Prob-
42
lemen […]“
Präventions- und Konfliktbewältigungswoche
Gemeinschaft
Verantwortung Alle Beteiligte sind zu gleichen „1. Mit dem Eintritt in die Kantonsschule unter-
Teilen verantwortlich für die Um- ziehen sich die Lernenden der Ordnung, die in
setzung und Einhaltung der diesem Reglement, in der Hausordnung und in
einem Reglement über Schulversäumnisse
gemeinsam getroffenen Ent-
festgelegt ist.“ (Art. 1 LR)
scheide bzw. erlassenen Regeln.
„[…] Wir halten uns an getroffene Abmachun-
gen und erlassene Weisungen.“ (Schulhauskul-
tur, LB)
Es liegt in der Verantwortung „Wir fördern eine positive Arbeits- und Lernat-
jedes Einzelnen, dazu beizutra- mosphäre. Wir engagieren uns für die Belange
gen, dass ein positives und an- unserer Schule.“ (Schulhauskultur, LB)
regendes Umfeld für das Lernen
und die Entwicklung der Persön-
43
lichkeit geschaffen wird.
41
Art. 2 Europäische Charta für eine demokratische Schule ohne Gewalt.
42
Kantonsschule Glarus: Lehrplan für das Gymnasium 3. – 6. Klassen. Die Klassenstunde. 3. Grob-
ziele.
43
Ebd. Art. 1.
24
26. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 4. Gegenüberstellung
Gemeinsame Die Schule ermöglicht ein breites „Die SO bezweckt den Lebensraum Schule
Aktivitäten Spektrum an gemeinsamen Akti- angenehmer zu gestalten, die Interessen und
vitäten und Projekten. Anliegen der Lernenden zu vertreten und ge-
meinsame Aktivitäten dieser auch ausserhalb
der Schulzeit zu fördern.“ (Art. 2 Statuten SO)
„Die Kommission ‚applaus‘ organisiert kulturelle
44
Anlässe für die ganze Schule.“
Alle Beteiligten haben die Mög- „Darüber hinaus unterstützt sie [die ‚applaus‘-
lichkeit bei der Organisation und Kommission] im Hintergrund kulturelle Aktivitä-
Planung mitzuwirken. ten von Schülerinnen und Schülern, […], admi-
45
nistrativ und finanziell.“
Tabelle 7: Gegenüberstellung: Zwischenmenschliche Ebene
44
Internet: Kantonsschule Glarus. Kontakte und Menschen. applaus.
45
Ebd.
25
27. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 5. Interpretation der Gegenüberstellung
5. Interpretation der Gegenüberstellung
Die im Kapitel 4 aufgeführte Gegenüberstellung soll in einem weiteren Schritt als Grundlage
dienen, die eigentliche Frage nach der Demokratisierbarkeit der Kantonsschule Glarus kom-
petent und möglichst umfassend zu beantworten. Dabei soll auch das Potential für mögliche
Freiräume aufgezeigt werden.
5.1 Die Schulebene
Vorwegnehmen kann man hier, dass es sich bei der Schulebene um die komplexeste Ebene
bezüglich interner Bestimmungen handelt. Ein umfassender Einblick in alle Abläufe und Ent-
scheidungsprozesse ist als Schülerin kaum ohne weiteres möglich.
5.1.1 Organe
Die schon in den Grundlagen aufgeführten Organigramme (Abbildungen 1 und 3) geben
Aufschluss über die beiden gegensätzlichen Schulstrukturen. Während sich die demokrati-
sche Schulstruktur durch eine fehlende bzw. flache Hierarchie auszeichnet, ist die Schul-
struktur der Kantonsschule klar hierarchisch organisiert. Eine komplette Demokratisierung
würde jedoch bedeuten, über die Grenzen der Kantonsschule hinweg jegliche Entschei-
dungskompetenzen betreffender Organe bezüglich Bildung aufzuheben. Dies hätte unmiss-
verständlich eine komplette Dezentralisierung des Bildungswesens zur Folge, welche den
Staat faktisch ausklammern und die Privatisierung der Bildung bedeuten würde. Es ist jedoch
Aufgabe des Staates, das Recht auf Bildung zu garantieren und sie auch zu finanzieren.
Eine weitere logische Folge wäre die entstehende Wettbewerbsfreiheit unter den Schulen,
welche die Chancengleichheit stark schmälern und Bildung immer mehr von der sozialen
Herkunft abhängig machen würde. Dies kann nicht im Sinne einer Demokratisierung sein.
Vielmehr soll hier, wie auch von Wilke gefordert, die Schule innerhalb des ihr zustehenden
Kompetenzbereichs demokratisiert werden. Für die Kantonsschule Glarus würde dies eine
Abschaffung der hierarchischen Strukturen bedeuten, insbesondere die Auflösung der Schul-
leitung. Die Aufgaben, die gegenwärtig der Schulleitung obliegen46, müssten aber berück-
sichtigt und einer Delegation bestehend aus demokratisch gewählten Mitgliedern übertragen
werden.
46
Art. 3 Reglement über die Rechte und Pflichten der Schulleitung, der Konvente und der Lehrer-
schaft an der Kantonsschule Glarus.
26
28. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 5. Interpretation der Gegenüberstellung
5.1.1.1 Die Schulversammlung
Der Konvent kann als schon vorhandenes und somit demokratisierbares Entscheidungsgre-
mium betrachtet werden, wobei bezüglich einem gleichberechtigten Stimmrecht der Schüler-
wie der Lehrerschaft die praktische Umsetzung überdacht werden müsste, da die Zahl der
Lernenden an Staatsschulen meist um ein Vielfaches höher ist als an demokratischen Schu-
len. Vorstellbar wäre eine halbjährliche oder vierteljährliche Schulversammlung, die das
höchste Organ der Schule darstellt und an der alle Mitglieder der Schule teilnehmen können,
aber nicht müssen. Die Schulversammlung wird von einer Präsidentin oder einem Präsiden-
ten geleitet, die oder der die Schulversammlung auch einberuft, ansonsten aber keine Ent-
scheidungskompetenzen hat.
5.1.1.2 Die Delegiertenversammlung
Um langwierige, sich dahinziehende Abläufe zu verhindern, wird es nötig sein, neben der
Schulversammlung drei gleichberechtigte Gremien (SchülerInnen-Versammlung, LehrerIn-
nen-Versammlung, MitarbeiterInnen-Versammlung) einzusetzen, die sich in regelmässigen
Zeitabständen zusammenfinden und Entscheidungen in ihrem Kompetenzbereich fällen,
welche nicht den von der Schulversammlung eingesetzten Komitees obliegen. Ein aus Dele-
gierten der verschiedenen Versammlungen bestehendes Gremium würde den Austausch
und die Zusammenarbeit fördern. Entscheidungen, welche mehr als einen Bereich betreffen,
könnten so demokratischer gefällt werden und Alltagsgeschäfte müssten nicht an die Schul-
versammlung gelangen. Die Delegiertenversammlung wiederum hätte u.a. die Aufgabe, Ar-
beitsgruppen einzusetzen, die sich am Schulalltag orientieren und sich mit kurzfristigen und
einmaligen Aufgaben und Projekten beschäftigen. Ein Beratungsteam ist ebenfalls der Dele-
giertenversammlung untergeordnet und ist insbesondere für die Beratung von Schülerinnen
und Schüler zuständig.
5.1.1.3 Klassenkonvente
Auch der schon bestehende Klassenkonvent, der aktuell nur die Lehrkräfte der betroffenen
Klasse als Mitglieder umfasst47, hat sich einer Revision zu unterziehen. Einerseits soll auch
hier die Mitsprache der betroffenen Schülerinnen und Schüler ermöglicht werden, anderer-
seits muss weiterhin der Persönlichkeitsschutz der einzelnen Schülerinnen und Schüler ge-
währleistet werden. Eine mögliche, aber sehr aufwendige Option wäre, die Schülerinnen und
Schüler einerseits als Klasse anzuhören, um klasseninterne Probleme zu besprechen, und
andererseits zusätzlich jede einzelne Person zur persönlichen Entwicklung und Promotion
anzuhören. Die Möglichkeit einer Alternative zum Klassenkonvent soll aber unbedingt wei-
terverfolgt werden.
47
Art. 14 Reglement über die Rechte und Pflichten der Schulleitung, der Konvente und der Lehrer-
schaft an der Kantonsschule Glarus.
27
29. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 5. Interpretation der Gegenüberstellung
5.1.1.4 Externe Gremien
Als externe Gremien können der Kantonsschulrat sowie auch der Elternrat angesehen wer-
den, den es als solchen noch in keiner Form gibt. Auf deren Kompetenzen soll im nächsten
Kapitel eingegangen werden.
5.1.1.5 Organigramm einer demokratischen Kantonsschule Glarus
Im Folgenden soll eine mögliche Struktur einer demokratischen Kantonsschule Glarus auf-
gezeigt werden. Auf die Entscheidungskompetenzen der verschiedenen Organe wird im
nächsten Abschnitt eingegangen.
Kantonsschulrat
Antrags- und
Aufsichtsfunktion Beratungsrecht
Elternrat
wählt SCHULEBENE
Präsident/Präsidentin
setzt ein Einsitz
- leitet die Schulversammlung
leitet Komitees
- hat keine Entscheidungskompetenz
- beruft Schulversammlungen ein
Evaluationskomitee
EDV-Komitee
erlässt
Reglemente und
Verordnungen Finanzkomitee
Schulversammlung
Justizkommitee
Personalabteilung
Koordinationskomitee
Stimm- und Wahlrecht
Stimm- und Wahlrecht
Stimm- und Wahlrecht
Klassenkonvente Weiterbildungskomitee
Lehrmittelkomitee
Absenzenkomitee
Medienkomitee
Schülerinnen und Schüler Lehrerinnen und Lehrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Mitarbeiterinnen und
Schülerinnen- und Lehrerinnen- und
Mitarbeiter-
Schüler-Versammlung Lehrer-Versammlung
Versammlung
wählen Delegation
wählen Delegation wählen Delegation
Delegiertenversammlung
Rechtsberatung für
setzt ein wählt
Schülerinnen und Schüler
bildet
Arbeitsgruppen Beratungsteam
SCHULEBENE
Abb. 4: Organigramm: demokratische Kantonsschule Glarus
28
30. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 5. Interpretation der Gegenüberstellung
5.1.2 Entscheidungen und Prozesse
Entscheidungen sollen nach dem Prinzip „Ein Mensch – eine Stimme“ getroffen werden, egal
ob Lehrperson, Schülerin, Schüler oder Angestellte. Ob man jedem Einzelnen dieses Stimm-
recht zuspricht oder nicht, ist wohl mehr eine Grundsatzfrage als eine organisatorische, hin-
ter deren Beantwortung momentan eine allgemein adultistische48 Grundhaltung Erwachsener
gegenüber Kindern und Jugendlichen steckt. Durch die in 5.1.1 beschriebene Aufhebung der
hierarchischen Struktur und Einrichtung einer Schulversammlung kann auch eine gleichbe-
rechtigte Mitbestimmung gewährleistet werden. Diese schliesst ein Antragsrecht natürlich
ein. Teil einer solch starken strukturellen Veränderung ist auch, dass die bisherigen Kompe-
tenzen anders verteilt werden müssen. Vor allem durch die faktische Abschaffung der Schul-
leitung ergeben sich einige Aufgaben, die einer Delegation bedürfen. Komitees könnten da-
bei eine wesentliche Rolle spielen, wobei natürlich auch hier die Gleichberechtigung aller
Schulmitglieder berücksichtigt werden muss. Diese Kommissionen bzw. Komitees mit einem
dauerhaften Aufgabengebiet werden von der Schulversammlung eingesetzt:
Personalabteilung: - Stellenausschreibung
vorbereitendes Komitee - Vorbereitung der Anstellung geeigneter Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter zuhanden der Schulversammlung
- Rechtsberatung der Angestellten
- Führung von Mitarbeitergesprächen und Vorstellungsgesprächen
- Einstellung von Stellvertretungen
EDV-Komitee: - Unterhalt des Netzwerks, Netzwerkadministration
- Software-Update
- Systemwartung
Finanzkomitee: - Erstellung Budgetplanung zuhanden der Schulversammlung
- Überwachung des Budgets
Justizkomitee: - Bearbeitung von Beschwerden
- Regelung von Verstössen gegen die Schulordnung
- Erlass nötiger Sanktionen
Evaluationskomitee: - Planung & Organisation von Evaluationsprozessen
- Leitung von Evaluationsprojekten
Koordinationskomitee: - Erstellung des Terminkalenders
- Stundenplanverwaltung
- Zimmerverwaltung
- Organisation von Aufnahme und Abschlussprüfungen
Weiterbildungskomitee: - Planung & Organisation von Weiterbildungen
- Durchführung von Weiterbildungen
Lehrmittelkomitee: - Erstellung eines Lehrmittelverzeichnisses (Lehrmittel und Unter-
richtshilfen)
Absenzenkomitee: - Bewilligung von Urlaub von Schülerinnen und Schülern, Lehrerin-
nen und Lehrern
- Absenzenverwaltung
Medienkomitee: - Vertretung der Schule gegenüber Behörden und Öffentlichkeit
- Erstellung von Publikationen und Medienmitteilungen
Tabelle 8: Aufgaben der Komitees
48
Adultismus ist die Diskriminierung jüngerer Menschen, meistens von Erwachsenen gegenüber Ju-
gendlichen und Kindern aufgrund des Alters (www.ncbi.ch [13.11.2010]).
29
31. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 5. Interpretation der Gegenüberstellung
5.1.2.1 Die Schulversammlung
Der Schulversammlung kommt als höchstem Organ der Kantonsschule Glarus eine beson-
dere Bedeutung zu. Ein Gremium, an dem alle gleichberechtigt teilnehmen können, ermög-
licht eine grosse Vielfalt von Möglichkeiten, die Schule zu gestalten. So soll sie über nahezu
alle Entscheidungen, die direkten Einfluss auf die Schulorganisation haben, entscheiden
können. Konkret bedeutet dies, dass es im Aufgabengebiet der Schulversammlung liegt,
eine Schulordnung zu erlassen. Es ist auch die Schulversammlung, die alle weiteren schulin-
ternen Regelungen erlässt. Weiter setzt sie Komitees ein, behandelt Beschwerden gegen
das Justizkomitee und schwere Verstösse gegen die Schulordnung.
5.1.2.2 Der Kantonsschulrat
Der Kantonsschulrat hat aktuell eine grosse Entscheidungs- und Weisungskompetenz inne.
Dieser müsste sich, obwohl er nicht als nicht schulinternes Organ gilt, dennoch einigen Revi-
sionen unterziehen und Kompetenzen abtreten, damit die Kantonsschule demokratischer
gestaltet werden kann. Diese Kompetenzen müssten soweit wie möglich auf die schulinter-
nen Gremien übertragen werden, so dass der Kantonsschulrat als Aufsichtsgremium keine
direkten schulorganisatorischen Entscheidungen mehr treffen kann. Er soll jedoch weiterhin
die Schule beaufsichtigen und somit auch als externe Behörde in den Evaluationsprozess
miteinbezogen werden. Weiterhin soll dem Kantonsschulrat die Behandlung von Beschwer-
den und schwerwiegenden Disziplinarfällen obliegen, sofern diese nicht an der Schulver-
sammlung geregelt werden können.
5.1.2.3 Der Elternrat
Ein weiteres externes Gremium stellt der Elternrat dar. Die Frage, wie weit Eltern in die
Schulorganisation miteinbezogen werden sollen, ist auch unter den Befürwortern demokrati-
scher Bildung umstritten. Alexander Sutherland Neill, Gründer der Internatsschule Sum-
merhill, beispielsweise, hatte solch eine starke Abneigung gegen Eltern, dass er eine Schule
organisierte, die den Eltern offen entgegenwirkte.49 An vielen Sudbury-Schulen hingegen
haben Eltern heute sogar ein Antrags- und Stimmrecht. Bei diesen Schulen handelt es sich
aber mehrheitlich um Grundschulen. Jedoch ist es auch auf der Sekundarstufe I & II wichtig,
die Eltern in die Ausbildung ihrer Kinder miteinzubeziehen, damit Schule und Familie nicht
gegeneinander arbeiten, wie es bei Neill oftmals der Fall war. Dabei sollen die Eltern nicht
als vollwertiger Teil der Schule betrachtet werden, sondern sollen durch ein Antrags- und
Beratungsrecht die Möglichkeit erhalten, ihre Erfahrungen und ihr Wissen zur Verfügung zu
stellen. Ausserdem erhalten sie durch das Einsitzrecht im Evaluationskomitee die Möglich-
keit, bei der Weiterentwicklung der Schule mitzuwirken.
49
Vgl. Greenberg 2006, S. 43 f.
30
32. Demokratisierung der Kantonsschule Glarus 5. Interpretation der Gegenüberstellung
5.1.3 Evaluation
Wann immer es um die Evaluation der Lehrpersonen oder der Schule geht, scheinen fast
alle Schulen konsequent den gleichen entscheidenden Fehler zu begehen. Es werden hoch-
komplexe, hochkomplizierte Evaluationssysteme entwickelt, Konzepte verfasst, Evaluati-
onsmethoden diskutiert, jahrelange Einführungs- Durchführungs-, Auswertungs-, Massnah-
menplanungs-, „Evaluationsevaluationsphasen“ geplant, ohne auch nur einmal eine Schüle-
rin oder einen Schüler zu fragen, ob sie oder er gerne in die Schule geht, oder ob sie von der
Schule profitiert. Dass eine Evaluation weiterreichen muss als diese Fragen, ist selbstver-
ständlich, jedoch gehen die Schülerinnen und Schüler auffallend oft „einfach irgendwie“ ver-
gessen, sowie die Tatsache, dass es die Schülerinnen und Schüler sind, die beinahe täglich
mit den Stärken und Schwächen der Lehrpersonen konfrontiert sind. Wer dann, wenn nicht
die Schülerschaft selbst, kann die sooft diskutierte Unterrichtsqualität umfassend einschät-
zen? Offenbar alle ausser die Schülerinnen und Schüler: die Schulbehörden, deren Mitglie-
der vor 50 Jahren das letzte Mal die Schulbank drücken mussten, die Erziehungsberechtig-
ten, die ausser Prüfungsnoten-Unterschreiben nichts mit der Schule zu tun haben, die Schul-
leitungen, die vor allem daran interessiert sind das Schulimage zu bewahren; sogar ideali-
sierte Leitbilder weisen angeblich einen aussagekräftigeren Eindruck auf. So scheint es zu-
mindest, wenn man Dokumente zur Evaluation im schulischen Umfeld betrachtet.50
Doch es wäre genauso unreflektiert, dies zu pauschalisieren. Denn das „förderorientierte
Qualitätsevaluationssystem“ an der Kantonsschule Glarus bietet mit seinem 360°-
Feedback51 eine gute Grundlage, die Schülerschaft besser und vermehrt in Evaluationspro-
zesse einzubinden. Dafür ist es jedoch notwendig, die Schülerschaft in jegliche Gremien der
Evaluationsarbeit einzubeziehen. Das in 5.1.1.5 vorgestellte Organigramm einer demokrati-
schen Kantonsschule Glarus sieht ein Evaluationskomitee vor, welches sich mit der Planung
und Organisation von Evaluationsprozessen beschäftigt und Evaluationsprojekte leitet, in
das Lernende, Lehrende, Eltern und andere Mitglieder der Schulgemeinschaft gewählt wer-
den können. Auf der Grundlage dieses Evaluationskonzeptes werden drei weitere Gruppen
gebildet, die sich jeweils mit einem der folgenden drei Kerngebiete auseinandersetzen und
die entsprechenden Evaluationsprozesse durchführen:
- Evaluation der Schule und der Schulqualität
- Evaluation des Unterrichts
- Evaluation der Lehrpersonen
50
Als Beispiel zu nennen wären hier sämtliche Dokumente im Bereich „Online-Schalter“ der kantona-
len Website zum Thema Schulevaluation.
51
Bestehend aus Lehrerkollegium, Schülerschaft, Eltern, Behörden/Schulleitung (vgl. FQS-Konzept
2005).
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