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Universität St. Gallen HSG
HOCHSCHULE FÜR WIRTSCHAFTS-, RECHTS- UND
SOZIALWISSENSCHAFTEN
Diplomarbeit
Entwicklung und Distributionswege der Verlagshäuser sowie die
digitale Transformation der Printpublikationen am Beispiel von
YumpuNews, Die Zeit und NZZ
Intensivstudium KMU
Verfasser: Sarah Kunz
Name und Titel des Betreuers: Urs Füglistaller
Vorgelegt am 01.07.2020
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
1. Einleitung .............................................................................................................................. 1
2. Problemstellung.................................................................................................................... 1
2.1 Digitalisierung des Printwesens .......................................................................................... 4
2.2 Auswirkungen auf die Zeitungsnachfrage......................................................................... 18
2.3 Auswirkungen auf die Magazine und Zeitschriften........................................................... 20
2.4 Nachrichtenwesen ............................................................................................................ 22
2.4.1 Folgen für die News ................................................................................................... 23
2.4.2 Folgen für Recherche und Hintergrundinformation .................................................. 27
2.5 Entwicklungsprozesse der Printmedien............................................................................ 29
3. Neue und alternative Vertriebswege und Geschäftskonzepte........................................... 30
3.1 Zeitungen .......................................................................................................................... 30
3.1.1 NZZ ............................................................................................................................. 31
3.1.2 Die Zeit ....................................................................................................................... 32
3.2 YumpuNews ................................................................................................................ 34
3.2.1 Alternative Technologien.......................................................................................... 38
3.2.2 Entwicklungsperspektiven ......................................................................................... 39
4. Chancen und Risiken der alternativen Vertriebswege und Geschäftskonzepte für
das Printwesen............................................................................................................................ 43
5. Fazit......................................................................................................................................... 50
Literaturverzeichnis.................................................................................................................. 56
1
1. Einleitung
Die Eidgenössische Medienkommission (EMEK) hatte vor zwei Jahren die
wichtigsten Entwicklungen der Digitalisierung in der Medienlandschaft in der
Schweiz vorgestellt. Dabei sind vor allem wirtschaftliche und gesellschaftliche
Entwicklungen aufgefallen. Generell gilt, dass mit der Digitalisierung die
herkömmliche Wertschöpfungskette von Printmedien erheblichen
Veränderungen ausgesetzt ist. Die Zahlungsbereitschaft der Leser schwankt je
nach Medium. Die Zeitungsverlage versuchen daher, umso stärker ihre eigene
Unternehmensstrategie den neuen Marktbedingungen anzupassen und bauen
ihre Aktivitäten im Werbebereich und die alternativen Wirtschaftsrichtungen auf
Kosten der Publizistik aus. Die Bezahlschranken, die inzwischen von den
Zeitungen eingeführt wurden, haben zu einer sich verstärkenden Zentralisierung
und Konzentration von Printmedien geführt.1
Für die Situation der Zeitungsverlage hat der Verband Schweizer Medien 2019
folgende Daten veröffentlicht: Die gedruckten Zeitungen und Zeitungsmagazine
erreichen gerade in der deutschsprachigen Schweiz einen Reichweitenwert von
93.40%. Die Onlineausgaben liegen bei knapp 56%. In der ganzen Schweiz
werden pro Bürger etwa 49 - 65 min. täglich für das Lesen einer gedruckten
Zeitschrift bzw. Zeitung aufgewendet. Trotz dieser Spitzenwerte hat der
Schweizer Medienverband in den letzten 10 Jahren einen stetigen Rückgang der
Auflagenzahlen und der erscheinenden Titel verzeichnet. Wurde noch 2009 eine
Gesamtauflage aller Zeitungen von 9'210'866 veröffentlicht, so sind es im Jahr
2019 nicht einmal mehr 6 Millionen gewesen.2
2. Problemstellung
Das Zeitungswesen und damit auch der Bereich der Magazine hatte im Laufe der
letzten Dekaden bereits mehrere Geschäftsmodelle und Finanzierungsmodelle
1
Vgl. (Eidgenössische Medienkommission EMEK, 22. Januar 2018), S. 2
2
Vgl. (Der Verband SCHWEIZER MEDIEN, 2019)
2
entwickelt, die sich jenseits des konkreten Verkaufs von Informationsinhalten
bewegten. Der traditionelle Erwerb eines gedruckten Exemplars in einem
Zeitungsshop, Kiosk o. Ä. oder auch per Abonnement hat für die Magazine und
Zeitungen ihre Bedeutung verloren. Vielmehr gelten die Werbung und die
Rechtevermarktung seit einiger Zeit als immer wichtigere Finanzierungsquelle.3
Das Printmedium hatte bereits vor dem Eintritt ins digitale Internetzeitalter
eklatante Probleme, denn das Fernsehen, aber auch die sich verstärkenden
Generationsunterschiede zwischen den Machern, allen voran lokale Zeitungen,
und ihren potenziellen Lesern, hatten negative Auswirkungen.
Die Probleme des Printmediums haben nicht mit der Digitalisierung begonnen,
sondern in den Jahrzehnten davor. Es war allen voran das Medium Fernsehen
und die Unterschiede beim Medienkonsum von jüngeren und älteren Menschen,
die für die Zeitungen und Magazinen negative Auswirkungen hatten.
„Der Lokaljournalismus hat es offenbar seit Längerem versäumt, sich
diesen neuen Lebenswelten zu öffnen. Bereits seit den 80er Jahren, also
schon vor dem Internet, weist Michael Haller für Deutschland nach, habe
sich die Tageszeitung, insbesondere die lokale, Schritt um Schritt vor
allem von jungen Leserinnen und Lesern entfernt und spricht in diesem
Zusammenhang von einem „Prozess der Entfremdung“4
Die ursprünglichen Modelle der Zeitungen und Magazine, über die Werbeflächen
und über den Verkaufspreis kostendeckend Nachrichten, Kommentare und
sonstige Textbeträge ihren Lesern anzubieten, dürften bereits vor über einem
Jahrzehnt ihre Geltung verloren haben. Die deutschsprachige Zeitungslandschaft
ist im Vergleich zu den englischen Zeitungen oder auch Zeitungen aus dem
europäischen Ausland relativ spät ins digitale Zeitalter eingetreten. Traditionell
haben die Zeitungen im deutschsprachigen Raum eine komfortable Stellung
gehabt, da das Zeitungslesen, aber eben auch das Abonnieren einer Zeitung,
weit verbreitet ist. Gleichsam ist das Medium dadurch auch als Werbefläche
begehrt gewesen. Beide Aspekte in Kombination haben den Zeitungen über
Jahrzehnte hinweg gute und stabile Einnahmen beschert. Unter anderem haben
auch deshalb die Zeitungen im deutschsprachigen Raum später auf die
Verlagerung der Informationsbeschaffung ins Internet reagiert als die
3
Vgl. (Baur, 10.März 2013)
4
(Wolkinger, 2014), S. 59
3
englischsprachigen Medien. Die deutsche Frankfurter Allgemeine hatte z.B. erst
Anfang der 2000er Jahre einen eigenen Onlineauftritt.5
Erst die einbrechenden Umsätze seit den 2000er Jahren haben die Verlage zu
harten Einschnitten gezwungen. Bis in die 2010er Jahre haben die meisten
Zeitungen Stellen abgebaut, neue Geschäftsfelder integriert oder z.B. wie die
Westfälische Rundschau, ihre Redaktion schlicht geschlossen und sind seitdem
vollständig auf den Einkauf von Inhalten angewiesen.6
„Andere Zeitungs- und Zeitschriftenverlage wie Springer und Burda setzten
schon früh auf das Internet und glichen ihre Verluste im Print-Anzeigengeschäft
damit aus, dass sie Anzeigenportale im Netz gründeten oder aufkauften.
Gleichzeitig investierten sie in Verkaufsseiten und machen heute einen Grossteil
ihrer Geschäfte beispielsweise mit Tiernahrung. So quersubventionieren sie ihre
journalistischen Angebote. Die Verlegerfamilie Jahr reagierte währenddessen
auf den rapiden Einnahmenrückgang bei Gruner + Jahr mit dem Verkauf ihrer
Anteile an den Bertelsmann-Konzern.“7
Abseits der rein ökonomischen Notwendigkeiten und Logiken sollte nicht
unerwähnt bleiben, dass der technologische Wandel mit einem globalen
Mentalitätswandel einherging, der von den Zeitungsmachern selbst nicht schnell
genug verstanden und erfasst wurde. Sie haben über Jahrzehnte nicht gemerkt,
dass sich ihre Leser veränderten. Zeitungen verharrten in einer sehr bequemen
Situation, in der es genügte, dem Leser das vorzusetzen, was man gerade für
richtig hielt, oder schlicht, was man gewohnt war in einer Zeitung zu machen.
Zeitgleich veränderte sich über die Jahre der Zeitgeist und viele der Leser
verloren ihre Passivität. Sie wurden kritischer, weil sie einerseits durch die
Medienvielfalt mehr Auswahl bekamen, und andererseits wurden sie selbst als
globale Individuen selbstbewusster in ihrer Urteilskraft und in der Wahrnehmung
ihrer eigenen Bedürfnisse. Sie wollten selbst entscheiden, wo und wie sie sich
informieren möchten.
„Traditionelle Medien sind Push Medien, Inhalte werden auf einem oder
mehreren Kanälen gesendet, mit der klassischen Kommunikationsmodellen
folgenden Zuversicht, dass diese am anderen Ende von Rezipientinnen
5
Vgl. (Baetz, 26.10.2014)
6
Vgl. (Baetz, 26.10.2014)
7
(Baetz, 26.10.2014)
4
empfangen werden müssen. Im Web geht diese Strategie aber ins Leere:
Wenn der User nicht will, kommt der Inhalt nicht an, er wird nicht angeklickt.“8
2.1 Digitalisierung des Printwesens
Das Zeitungswesen begann 1609 mit der Publikation der ersten Zeitung, wie sie
heute als gedrucktes Blatt Papier bekannt ist, in Strassburg.9 Die ersten
Zeitungen erschienen in Deutschland, Schweiz, Frankreich und den
Niederlanden im 17. Jahrhundert.10 Die ersten Beiträge, die sich an die
Allgemeinheit richteten, erreichten jedoch zwangsläufig nur die Menschen, die
des Lesens mächtig waren. Die ersten Texte stammten von Kaufleuten und
Reisenden. Für die Berichterstattung bedienten sich die ersten Zeitungen der
Vorortrelationen von Handelsniederlassungen und Kantoren. Erst später
entstand ein regelrechtes Netz von Korrespondenzorten und Korrespondenten.11
Seit ihrer Entstehung ist die Kernaufgabe der Zeitung die Übermittlung und
Verbreitung des Gegenwartgeschehens.12 Seit der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts kann von einem modernen Journalismus gesprochen werden, der
ein bestimmtes Geschäftsmodell für dieses Medium nach sich zog. Bereits bei
der Etablierung der ersten Stadtzeitungen haben sowohl die direkten
Zeitungsverkäufe, als auch die Werbeeinnahmen für die Verlage eine Rolle
gespielt.13 Nach Frank setzte in der Zeit nach 1874 erstmals eine Form von
Pressefreiheit ein und die Entstehung einer Presselandschaft, zumindest in den
westlichen Staaten, förderte, die seitdem die öffentlichen Diskussionen dieser
Gesellschaften prägt.
Ausgehend von der Periodisierung der Entstehung von Zeitungen nach Frank
begann 1874 die Presse, ihre heute als Pressefreiheit bekannte Funktion in den
westlichen Gesellschaften auszuüben.
8
(Schaffer & Körber, 2013), S. 15
9
Vgl. (Lee, 2019), S. 9
10
Vgl. (Burger, 2005), S. 34f
11
Vgl. (Burger, 2005), S. 37f
12
Vgl. (Lee, 2019), S. 9
13
Vgl. (Frank, 2018), S. 12
5
Doch erst seit 1900 kann von dem heute noch gängigen und modernen
Journalismus Handwerk gesprochen werden. Damit sind nicht nur die
strukturellen und institutionellen Formen gemeint, sondern der Einsatz von
Methoden der Recherche, Ressorteinteilungen und der Schreibstil, die bis heute
im Journalismus Gültigkeit haben.14
Die Presse als Printmedium zeichnet sich durch drei Merkmale aus. Sie erscheint
regelmässig und ist daher periodisch. Die Presse ist relativ leicht zugänglich im
öffentlichen Raum, da sie sowohl frei verfügbar z.B. in Bibliotheken oder Cafés
oder auch käuflich erworben werden kann; an Presseständen und in Kiosken.
Schliesslich erhebt die Presse den Anspruch auf Aktualität. Sie setzt sich mit
aktuellem Geschehen auseinander.15 Wie kaum ein anderes Medium ist die
Presse ein politisches Medium. So ist es die Zeitung, die gesellschaftliche
Umwälzungen und Kriege mit ihrer Berichterstattung begleitet.16
Ausgehend von der klassischen Zeitungsausgabe ist das zentrale
Geschäftsprinzip des Zeitungswesens folgendermassen darzustellen:
Abbildung: Klassisches Geschäftsmodell des Zeitungswesens. Quelle: (Nohr,
2011), S. 74
Wie aus dem klassischen Geschäftsmodell des Zeitungswesens hervorgeht,
steht die Aufmerksamkeit im Zentrum des Erfolges bzw. Misserfolges einer
Zeitung. Nur wenn sie in der Lage ist, die Aufmerksamkeit zu generieren, wird sie
gelesen, was sowohl zu mehr Verkäufen und Abonnements führt als auch
14
Vgl. (Frank, 2018), S. 12
15
Vgl. (Burger, 2005), S. 34
16
Vgl. (Burger, 2005), S. 38
6
nachgelagert mehr Anzeigenkunden anzieht, die von der Aufmerksamkeit
profitieren wollen.17
Öffentliche Aufmerksamkeit kann in unterschiedlichster Form generiert werden.
Mehrheitlich gewinnen die Tageszeitungen die Aufmerksamkeit über die
Berichterstattung des politischen Geschehens im globalen, regionalen und
teilweise auch lokalen Kontext. Parallel dazu galten über lange Zeit hinweg
Anzeigen in den Zeitungen und Zeitschriften als ein wichtiges Element der
Aufmerksamkeitsgenerierung. Wohnungsvermietung, PKW-An- und Verkauf
oder auch die Veröffentlichung von Todesanzeigen waren gerade für Zeitungen
mit einem klaren lokalen Bezug, so z.B. die Süddeutsche Zeitung, eine wichtige
Strategie der Aufmerksamkeitsgenerierung. Das galt jedoch auch für kostenlose
Zeitungen, Gemeindezeitungen und Blätter, die sich in der Vergangenheit allein
über Anzeigen finanziert haben. Nicht wenige von Ihnen konnten über die
Anzeigen eine beschränkte Form, in der Regel waren es freie Mitarbeiter,
redaktionelle Inhalte unterhalten.
In der Medienwissenschaft und der Medienökonomie folgt aus dem
Zusammenhang zwischen Auflagenstärke und Werbeeinnahmen die
sogenannten Auflagen-Anzeigen-Spirale. Wenn die Auflage einer Zeitung steigt,
steigen die Werbeeinnahmen. Falls die Auflage aber sinkt, gehen die
Werbeeinnahmen auch zurück. Die Orientierung an der Aufmerksamkeit allein
über die Auflage einer Zeitung war schon in den 1980er Jahren nicht
unumstritten. In der Tat war es eine sehr leicht zu beschaffene Datengrundlage,
jedoch war ihr Wert gerade für die Werbung eindimensional. Die Reichweite
wurde mit der Auflagenstärke gleichgesetzt. Die Unternehmen, die die Werbung
in Zeitungen schalten wollen, orientieren sich bei ihrer Entscheidung nach der
„1000 Kontakt – Regel“. Diese gibt an, wieviel ein Unternehmen zahlen muss,
um 1000 Menschen mit seiner Botschaft zu erreichen.18 So profitierten davon vor
allem auflagestarke Zeitungen.
Mitte der 1990er Jahre entstanden erste ausschliesslich digitale Medien im
Bereich der Berichterstattung. Im deutschsprachigen Raum war es 1994 das
Onlinemagazin Spiegel Online, das heute zu den am häufigsten gelesenen
17
Vgl. (Lee, 2019), S. 10
18
Vgl. (Lee, 2019), S. 10f
7
Nachrichtenseiten zählt. Gerade in der Anfangsphase waren die Inhalte dieser
Seiten für den Leser vollständig kostenlos.19
„Durch das Gefühl, dass Online-Nachrichten nicht nur aktueller als
Printmedien seien, sondern im Gegensatz zu diesen auch kostenlos,
sanken (zuerst langsam, dann immer schneller) die Auflagen der
Printmedien. Das Schlimme für die Zeitungen sind noch nicht einmal die
sinkenden Abonnement-Zahlen an sich, sondern v.a., dass es dadurch
immer schwieriger wird, Anzeigenkunden zu gewinnen. Parallel dazu
sanken die Preise, die man pro Anzeige verlangen kann.“20
Seit den 1990er Jahren haben die Zeitungen jedoch intensiv und gezielt ihre
Geschäftsmodelle sowohl in publizistischer als auch finanzieller Hinsicht
geändert. Ausschlaggebend war es dabei gewesen, kostenlose Angebote
möglichst zu beschränken und das Potential der digitalen Berichterstattung zu
monetarisieren. Spätestens um die Jahrhundertwende haben die etablierten
Zeitungsverlage erkannt, dass ihr bisheriges Geschäftsmodell, das sich auf den
Verkauf von Anzeigen, Printprodukten und herkömmlichen
Zeitungsabonnements stützte, nicht mehr rentabel funktionieren kann.21 Ferner
wurde deutlich, dass das nicht zukunftsfähig ist.22
„Junge Zielgruppen haben sich zudem im Nachrichtenbereich stark an
Gratisangebote gewöhnt. Als Folge konnte sich die Pendlerzeitung parallel
zur Diffusion des Internets auf der Basis eines ausschliesslich
werbefinanzierten Geschäftsmodells etablieren, was vor allem die
regionalen Tageszeitungen zu spüren bekamen. Gratisblätter erzielen
heute unter den Zeitungen innerhalb der werbetechnisch attraktiven
Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen die grösste Reichweite.“23
Das veränderte Nutzerverhalten vor allem der jüngeren Menschen wird im
Zusammenhang mit der Zeitungskrise häufig als jene Tendenz beschrieben, statt
des kostenpflichtigen gedruckten Inhalts lieber im Internet eine kostenlose
Nachricht zu lesen.24 Selten wird dabei angesprochen, dass diese Tendenz
19
Vgl. (Baur, 10.März 2013)
20
(Baur, 10.März 2013)
21
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 6
22
Vgl. (Bauer, 23.04.2004)
23
(Bauer, 23.04.2004)
24
Vgl. (Bieri, 2017), S. 13
8
bereits Jahrzehnte früher mit der Verbreitung des Fernsehens eingesetzt hatte.
Damals wurden die gedruckten Buchstaben und Worte von den bewegten Bildern
abgelöst. Bereits zum damaligen Zeitpunkt nahm die Bedeutung der Zeitungen
gegenüber Fernsehen ab. Wie Bieri betont, wurde dieser Prozess von
soziokulturellen Veränderungen begleitet, die alte Gewohnheiten, zu denen ein
Zeitungsabo oder auch das Zeitungslesen am Frühstückstisch gerade bei den
bürgerlichen Familien gehörte, von anderen Gewohnheiten, wie z.B. Radiohören
während der Fahrt zur Arbeit oder zur Schule, abgelöst.25 Das vermeintliche
Desinteresse am lokalen, regionalen aber auch globalen Geschehen kann aber
der Gruppe jüngerer Menschen nicht unterstellt werden. Sie haben ein Interesse
an Nachrichten und Ereignissen, die um sie herum passieren. Sie verbringen
heute auch mehr Zeit damit, sich über die Ereignisse zu informieren. Allerdings
wählen sie heute bevorzugt andere Medien dafür als die gedruckte Tageszeitung.
Stattdessen können Social-Media-Kanäle, die Nachrichten und Berichte
veröffentlichen, auch bei jungen Menschen beliebt sein.26
„Vorteile vom Internet sind seine dynamisch generierten und multimedial
aufbereiteten Inhalte, die in Echtzeit publiziert werden und dadurch
sekündlich aktuell sind. Die Inhalte sind bei der Rezeption nicht zeitlich
oder räumlich beschränkt. Aus diesem Grund ist seit Jahren ein
ökonomischer Rückgang von Printzeitungen und ein Reichweitenverlust
zu erkennen.“27
Schaffer und Körber haben die Branchenentwicklungen im Zeitungswesen seit
den 1960er Jahren betrachtet und kamen zu dem Schluss, dass lange vor der
Digitalisierung erstmal in den USA und später auch in Westeuropa eine
Marktkonzentration stattgefunden hatte. Gerade die Lokalzeitungen wurden
immer häufiger von Medienkonzernen aufgekauft. Die Medienkonzerne haben
Zeitungen denselben Spar- und Gewinnzwängen unterworfen, wie alle anderen
Sparten ihrer Wirtschaftstätigkeit. Die grosse Bindung der lokalen und regionalen
Zeitungen mit ihren Lesern vor Ort machte es möglich, dass bis in die 2000er
hinein, Zeitungen Gewinne abwerfen konnten, obwohl die Werbeeinnahmen
schon länger rückläufig waren. Die Medienkonzerne, die die Zeitungen führten,
25
Vgl. (Bieri, 2017), S. 13
26
Vgl. (Bieri, 2017), S. 14
27
(Bieri, 2017), S. 14
9
waren lange untätig geblieben, da die Sparmassnahmen, die sie durchführten,
stets dazu führten, dass Gewinne generiert wurden. Diese rein ökonomische
Logik wurde erst 2008 unterbrochen, als wegen der weltweiten Wirtschaftskrise
die Werbeeinnahmen endgültig einbrachen. Die Medienkonzerne handelten in
dieser Situation klar nach ihren Regeln und schlossen die Unternehmen, die
keinen Gewinn mehr machten. Ein besonders prominenter Fall in Westeuropa,
war damals die Schliessung der Redaktion der Financial Times Deutschland.28
Soweit deckten sich die globalen Entwicklungen des Zeitungswesens bis zur
Banken- und Finanzkrise von 2008. Dann konnte jedoch ein wichtiger
Unterschied beobachtet werden. In Europa brachen die Werbeeinnahmen um
rund ¼ ein, bei einem gleichzeitigen Rückgang der Auflagen in etwa gleichem
Umfang. Stattdessen war die Situation in den USA bezüglich des Einbruchs der
Werbegelder drastischer, denn hier brachen über 40% weg, aber die Verlage
reduzierten ihre Auflagen deutlich weniger stark, denn diese gingen lediglich um
13% zurück.29 Deutlich ablesbar ist daran, dass die Besitzstrukturen, die
Mentalitätsunterschiede und die Risikobereitschaft der Verlage auf den
jeweiligen Märkten differenzierte Reaktionsstrategien nach sich zog.
Europäische Unternehmen zogen bei Einbruch der Werbeeinnahmen, eine
beinahe spiegelbildliche Reduktion der Kosten bei den Auflagenstärken vor.
Damit haben sie aber ihr eigentliches zentrales und wichtigstes Kapital, die
Auflagenstärke als Reichweitenäquivalent, selbst klein gemacht und reduziert.
Anders hingegen die US-amerikanischen Verlage, die trotz deutlich stärkerer
Einbrüche, die Auflagenstärke moderat nach unten korrigierten.30
Die Schlussfolgerung seitens der europäischen Zeitungsverlage bis etwa Mitte
der 2000er war eine verstärkte Verlagerung der direkten Erlöse, die bisher zum
grössten Teil über die Anzeigenerlöse und Abonnements generiert wurden, hin
zu den indirekten Erlösen, die sich auf Einnahmen aus der Werbung stützten. Für
Zeitungen mit einer lokalen Bindung war darüber hinaus das Ende der
traditionellen Anzeigenfunktion ein schwerer Schlag. E-Commercedienste haben
bereits seit Anfang der 2000er das Anzeigenwesen verändert und die
28
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 9
29
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 9
30
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 9
10
herkömmliche Zeitungsanzeige abgelöst. Überregionale und besonders gut
etablierte Zeitungen, zu den auch die NZZ und die Zeit zu zählen sind, haben
aber zum selben Zeitpunkt erkannt, dass ihre Stärken in der hohen
journalistischen Qualität und der besonders hochwertigen Marke liegen. Sie
begannen Onlineinhalte eng mit den Printpublikationen zu vernetzen, um etwaige
Synergien zu nutzen. Bauer spricht hierbei von dem Aufbau eines festen
Kundenstammes «Community-Builder», der sowohl die Printinhalte als auch die
Onlineinhalte derselben Zeitung intensiv nutzt. Die Kundenbindung auf der Basis
einer hochwertigen Qualität der Inhalte nahm für diese Verlage deutlich an
Bedeutung zu. Schliesslich führte sie dazu, dass unabhängig von der
Konkurrenzsituation zwischen den Blättern selbst, oder auch zwischen den
einzelnen Medienformaten Kooperationen entstanden sind, die zum Wohle der
hochwertigen Qualität des Journalismus ins Leben gerufen wurden.31 Wie wichtig
die Zusammenarbeit zwischen den Medien und Zeitungen sein kann, zeigten die
Enthüllungen der Panama Papers, bei denen 376 Journalisten weltweit beteiligt
waren.32 Angstmann datiert den eigentlichen Durchbruch der intermediären
Kooperationen mit dem Jahr 2014 als eine ganze Reihe von erfolgreichen
Formaten, wie z.B. Reportagepodcasts, ihre ersten globalen Erfolge feierten. Für
das Zeitungswesen besonders wichtig gewesen, ist die Tatsache, dass nicht nur
die Radiosender, die technisch im Vorteil bei den Podcasts waren, erfolgreiche
Produktionen entwickeln konnten, sondern eben auch die grossen Zeitungen, wie
die New York Times oder auch das Investigativ-Netzwerk Pro Publica weltweit
erfolgreiche Podcastproduktionen, wie „Trump Inc“ oder „Caliphate“ produzieren
konnten.33
Die Zeitung als Marke setzte Mitte der 2000er Jahre zunehmend auf den Absatz
von Nebenprodukten, wie Buchreihen und Bildungsangeboten. Schneider und
Unruh betonen in dem Zusammenhang die Kommerzialisierung von
Nebenprodukten, wie z.B. von der Zeit Akademie, die stark in den
Bildungsbereich fällt. Im Jahr 2004 erklärte die Süddeutsche Zeitung, dass der
31
Vgl. (Bauer, 23.04.2004)
32
Vgl. (Herrmann, 21. November 2016)
33
Vgl. (Angstmann, 03.07.2018)
11
Vertrieb von Nebenprodukten zum drittwichtigsten Geschäftsfeld der Zeitung
geworden ist.34
Mit dem Boom der Social Media ab der Mitte der 2000er Jahre rückt die
Vernetzung der unterschiedlichen Kanäle verstärkt in den Fokus. Facebook,
Twitter und LinkedIn werden seitdem immer stärker für die Präsentation und den
Vertrieb der publizistischen und journalistischen Inhalte verwendet.35 Parallel
dazu sind verstärkt Angebote für mobile Endgeräte eingeführt worden. Heute
verfügen alle grösseren Zeitungsverlage in Deutschland und der Schweiz über
eigene Applikationen.36 Im Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell der
Zeitungen, sind Applikationen besser dazu geeignet, Inhalte zu monetarisieren
als im Web. Entsprechend einer von Schaffer und Körber zitierten Studie waren
vier Mal so viele Nutzer bereit für Artikel innerhalb einer App zu zahlen, als am
PC.37
Die meisten Zeitungen, darunter auch die Zeit, haben den Einstieg in die
Monetarisierung ihrer digitalen Inhalte über die Einführung des E-Papers
gemacht. So konnte die Printausgabe in Form eines PDF-Files exakt
inhaltsgleich den Lesern auf ihren mobilen Endgeräten, Lesegeräten und
Computern bereitgestellt werden.38 In der darauffolgenden Phase wurde das
Paywallprinzip von immer mehr Zeitungen eingeführt. Sie folgten hier dem
Beispiel des US-Blattes New York Times, das als erstes eine Paywall einsetzte
und damit auch finanziell erfolgreich war. Auf dem deutschen Zeitungsmarkt war
es der Axel Springer Verlag, der als erster eine Paywall installierte. Allerdings
wurden auch einzelne Inhalte von dem Prinzip ausgeschlossen, so dass sie noch
kostenlos zugänglich blieben. Das Paywallprinzip kündigt jeweils einen
Textbeitrag mit der Überschrift und einer kurzen Einleitung an, um anschliessend
den Rest des Artikels in voller Länge erst nach Zahlung oder Abschluss eines
Abonnements zu ermöglichen.39 Die Verlagsgruppe Madsack als einer der
grössten Verlage für Lokalzeitungen setzte ihre Paywall im März 2012 erstmals
34
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 7
35
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 7
36
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 7f
37
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 11
38
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 9
39
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 12
12
durch.40 Ein weiteres mögliches Modell basiert auf Abonnements, die Zutritt zu
digitalen Inhalten frei machen. Zu den Vorreitern dieses Modells gehörte die
französische Internetzeitung mediapart.fr, die 2008 als reines Onlineangebot
gegründet wurde.41 Abonnementfinanzierte Zeitungen und Magazine brauchen
eine klar definierte und treue Fancommunity. Diese kann sowohl durch eine
Spezialisierung als Branchenmedium oder auch durch eine besondere Qualität
erreicht werden. Die Eignung dieses Geschäftsmodelles für ein breites
Zeitungsangebot wird als gering eingeschätzt.42
Seit dem Siegeszug des Internets sind mehrere Bezahlmodelle gerade in den
USA und Grossbritannien ausprobiert worden. Das Wall Street Journal hat in der
ersten Phase genauso wie die grössten Zeitungsmarken der Welt, wie die New
York Times und die britische The Times so genannte harte Paywalls eingerichtet,
die keine kostenfreie Einsicht ihrer Inhalte zuliessen. Allerdings haben diese
Zeitungen bereits kurz nach dem Einsatz dieser Methode einen Grossteil ihrer
Leserschaft verloren, weshalb sie schnell dazu übergingen, Mischmodelle
anzubieten. Unter den mittel- und westeuropäischen Zeitungen war es die NZZ
neben der deutschen Bild und der Welt, die mit Mischmodellen arbeiteten, die
einerseits kostenloses Lesen einiger Artikel ermöglichten, aber dann auch
andere Artikel kostenpflichtig machten.43
Bedauerlicherweise konnten sich Mikropaymentmodelle zu keinem Zeitpunkt auf
dem Zeitungsmarkt durchsetzen. Die Zeitungen erklären den Misserfolg dieser
Zahlungsart zumeist mit den technischen Umständlichkeiten.44
Da die Applikationen eine stärkere Kundenbindung aufweisen und grundsätzlich
eine höhere Neigung zeigen, für den bereitgestellten Inhalt zu zahlen, hat es
wiederholt Versuche gegeben, Websites auf Apps umzuleiten, oder auch, wie bei
www.bild.de die Website für Tablets komplett zu schliessen, um die Installation
von Applikationen zu erreichen.45
40
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 13
41
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 13
42
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 13
43
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 12
44
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 12
45
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 11
13
Der Vertrieb von E-Paper wurde mit der Verbreitung von Applikationen auf
Smartphones weniger zentral, während die oben vorgestellten Modelle
besonders gut mit den Social Media und den Smartphone- und Tablet-Apps
kombinierbar und umsetzbar sind.46
„Die eigenständige Zeitungs-App ist durchaus in der Lage, einen Bedarf
zu decken, den die Printversion noch nicht bzw. in anderer Form abdeckt.
Sie bietet Nutzern eine andere, bisweilen völlig neue Nutzungserfahrung
mit den Zeitungsinhalten.“47
Im Zusammenhang mit der hier untersuchten Zeitung Neue Zürcher Zeitung
(NZZ) ist eine weitere Variante der Paywall heraus zu stellen. Es handelt sich
dabei um das „Metered Model“. Technisch handelt es sich um eine versetzte
Paywall, die erst zur Kasse bittet, wenn eine bestimmte Anzahl von
Artikelzugriffen pro Tag oder pro Monat überschritten ist. Vorreiter dieses Models
war die Financial Times.48
Über die oben erwähnten Modelle hinaus, gibt es eine Reihe von Modellen, die
seltener auftreten und eher in medialen Nischen vorzufinden sind. Die
Komfortausgaben und Vorteilsclubs sind eine dieser Möglichkeiten. Hier können
gegen Abonnements bestimmte Extras, wie Karten zu Veranstaltungen oder
auch Sondereditionen erworben oder bezogen werden.49 Die Zahlungsmodelle
auf freiwilliger Basis sind eine weitere Möglichkeit für digitale Zeitungsartikel
finanzielle Mittel zu gewinnen. Weltweit gibt es dafür vielfältige Möglichkeiten, die
sowohl Crowdfunding einschliessen als auch eine Reihe von weiteren
Unterstützungsmodellen. Die Tageszeitung (taz) aus Hamburg gehört in
Deutschland zum Kreis der Vorreiter dieses Modells. Ihre Artikel können Online
gegen eine Spende gelesen werden.50
46
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 11
47
(Unruh & Schneider, 2012), S. 11
48
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 14
49
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 14f
50
Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 15
14
„Im Vergleich zu den Einnahmen, die aus Spenden über ein System wie
„taz-zahl-ich“ eingehen, haben Crowdfunding Projekte den Vorteil, dass
die Arbeit der Journalisten erst losgeht, wenn die Recherche bereits
angezahlt ist, gerade bei der Finanzierung im Nachhinein steht die
Abhängigkeit vom Leser im Vordergrund, insofern lassen sich zukünftige
Einnahmen schwer kalkulieren und dienen möglicherweise eher als
Rückmeldung der Leser, welche Artikel sie gerne gelesen haben.“51
Seit einigen Jahren werden weitere Entwicklungen beobachtet, die von
Herrmann im Zusammenhang mit der Beobachtung der Preisverleihungen für
europäische Zeitungen angesprochen wurden. Die Tendenz zur Crossmedialität
nimmt zu. Integrierte Berichterstattung im Social Web, Print, TV-Live und
Digitales verwischt zunehmend die Grenzen zwischen den einzelnen Medien. Die
Social-Media-Kanäle entwickeln sich immer stärker zum
Kommunikationsmedium zwischen Lesern, Interessierten, Journalisten und den
Redaktionen. Veränderungen beziehen sich auch auf die visuelle Aufbereitung
von Artikel, die immer mehr Infografiken und Abbildungen beinhalten.
Abbildungen, Farben und eine Optik, die den Leser, sowie Smartphonenutzer
anspricht, rücken verstärkt in den Vordergrund. Herrmann sieht darin die
Tendenz der Vermischung und Verschmelzung der Formate Zeitung und
Magazin. Wichtig ist hierbei, dass fast alle grossen Zeitungen heute mehrere
eigene Magazine herausbringen und diese nicht selten eine Beigabe zur Zeitung
sind, z.B. Zeit Campus.52 Darüber hin aus bieten Zeitungen heute auch eine
breite Palette von Präsentationsformen, davon zeugt z.B. das Podcastformat der
NZZ, das im Frühjahr2020 gestartet ist. Das Format widmet sich täglich in Form
eines Podcast einem internationalen Thema. Die Zeitung strebt damit gezielt ein
junges und technikaffines Publikum in der Schweiz und in Deutschland
anzusprechen.53
«Wir wollen mit dem Podcast unsere Kernkompetenzen – Analyse und
Hintergrund, Antizipation von internationalen Entwicklungen, Einordnung
durch unsere Experten vor Ort – mit dem zeitgemässen Audioformat
zusammenbringen und damit auch ein neues und jüngeres Publikum
ansprechen. Dabei orientieren wir uns an aktuellen Themen, schürfen
51
(Unruh & Schneider, 2012), S. 16
52
Vgl. (Herrmann, 21. November 2016)
53
Vgl. (NZZ-Podcast-Team steht fest, 13. November 2019)
15
aber tiefer und bieten Raum für Reflexion», sagt Eric Gujer, Chefredaktor
der «Neuen Zürcher Zeitung».“54
Die Zeit praktiziert das Format Podcast deutlich länger und hat bereits 2018 ein
Interview-Format „Alles gesagt?“, sowohl im ZEITmagazin als auch Online
eingeführt. Dieses interessante und ungewöhnliche Format, nimmt Interviews
nach Ablauf ihrer offiziellen Zeit weiter auf. Auf diese Weise kommen weitere
spannende Beiträge zutage, die sonst inmitten der Diskussion nicht
angesprochen wurden.55
Wenn die Digitalisierung auf die direkten Werbeeinnahmen übertragen wird,
ergibt sich ein ambivalentes Bild. Einerseits können durch die Digitalisierung die
Daten, wie die Reichweite, inzwischen viel genauer und exakter durch die
Klickzahlen und Lesedauer, sowie zusätzliche Daten zur geographischen
Verortung oder auch Angaben zur Leserperson gewonnen werden. Anderseits
stehen in der digitalen Öffentlichkeit den Unternehmen, die Werbung schalten
wollen, sehr viele unterschiedliche Portale zur Verfügung. Darunter eben auch
jene mit einem kostenlosen Zugang, die womöglich mehr Aufmerksamkeit
generieren können, u.a. auch gerade aus dem Grund, dass sie alle ihre Inhalte
kostenlos zur Verfügung stellen.
Lee betont einen wichtigen ökonomischen Vorteil der Digitalisierung gegenüber
den Printmedien. Die Finanzierung eines digitalen Inhalts ist lediglich auf die so
genannte. „First-Copy“ beschränkt. Die Vervielfältigungs- und die globalen
Vertriebskosten, die bei den Printausgaben anfallen, entstehen bei digitalen
Angeboten nicht.56
„Als einer der grössten Vorteile der digitalisierten Medienprodukte gilt die
Kostenreduzierung des Mediengewerbes. Da die Vervielfältigungs- und
Transportkosten in der Digitalwelt gegen Null tendieren, können
Digitalangebote trotz der hohen First-Copy-Kosten der Medienproduktion, die
besonders aus Beschaffung, Selektion, Aufbereitung, Bündelung und
Verbreitung von Informationen eines Medienunternehmens entstehen,
54
(NZZ-Podcast-Team steht fest, 13. November 2019)
55
Vgl. (ZEIT ONLINE und ZEITmagazin starten „Alles gesagt?“, einen unendlichen Interview-Podcast,
23.04.2018)
56
Vgl. (Lee, 2019), S. 12
16
mithilfe der Eigenschaften des Internets synchronisch weltweit verbreitet
werden.“57
Der Hinweis von Lee ist in der Tat bedeutend und fliesst in die Kalkulation von
digitalen Aboangeboten mit ein. Gleichzeitig sollte auf die neue
Konkurrenzsituation bei den Zeitungen im Internet aufmerksam gemacht werden.
Gerade bei Nachrichten ist es für die Zeitungen besonders wichtig, gute
Ergebnisse bei der Google-Indexierung zu erzielen. Folgerichtig entstehen
hierbei zusätzliche Kosten für die Optimierung der Inhalte und Seiten, sowie
Werbekampagnen bei Facebook etc... Diese Kosten werden in Analysen, wie der
von Lee, nicht selten vernachlässigt. Die, die Suchmaschine Google betreffenden
Kosten, wurden aber in die Betrachtung von Schäfer und Körber aufgenommen.
Die Medienwissenschaftler sprechen hierbei die mutmasslichen
Einnahmeverluste über die Publikation von sgn. Snippets bei Google an. Es
handelt sich um die Suchergebnisse bei Google, die mit dem Titel und zumeist
mit einer bis zwei Zeilen eines Newsartikels ergänzt werden.58 Die Nutzer können
auf diese Weise diese Kurzinfo nutzen, ohne dafür zu zahlen.
Deutlich mehr Potenzial entfaltete sich im Zuge der Digitalisierung bei der
Leserbeteiligung und ihrer Partizipation. Während früher eigentlich nur der Anruf
bzw. bestenfalls ein Abdruck bei den Leserbriefen die Möglichkeiten der
Beteiligung der Leser ausmachten und sehr genau von den Redaktionen
gesteuert werden konnten, sind die Partizipationsformen von heute erheblich
vielfältiger und aus der Perspektive der Redaktion weniger kontrollierbar.
Kommentare unter den Artikeln, Kommentare unter den Beiträgen via YouTube
und Facebook, bieten neue Möglichkeiten die Zeitungsinhalte schnell und
öffentlich zu beurteilen und gegebenenfalls zu kritisieren. Das gilt auch für die
Verbreitung, d.h. für das Teilen von Artikeln via Social-Media-Kanäle. In diesen
Fällen sind die digitalen Leser klar im Vorteil gegenüber dem
Printproduktkonsumenten, der noch mit Schere und Kleber z.B. Artikel sammelte
oder auch auf eigene Kosten kopieren konnte.59
57
(Lee, 2019), S. 12
58
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 10
59
Vgl. (Lee, 2019), S. 13
17
„Mit der steigenden Internetnutzung gingen die traditionellen
Massenmedien auf den Weg in die Digitalwelt und begannen evolutionäre
Umwandlungsprozesse vom ursprünglich einseitigen Verbreitungsweg
(Push-Medien) zu einem zweiseitigen Kommunikationskanal. Dadurch
konnten sie Öffentlichkeit und Feedback von der Empfängerseite sofort
unmittelbar erhalten, reagieren und anschliessend ihre
Dienstangebote/Mediengüter den Bedürfnissen des Marktes/Publikums
effizient anpassen.“60
Die Digitalisierung, als technologischer Fortschritt birgt viele Risiken, Chancen
und Entwicklungsmöglichkeiten für die Zeitungen in sich. Allerdings haben viele
Zeitungen nach Meinung von Medienexperten ihr wichtigstes Potenziell während
der Krise in den 2000er Jahren eingebüsst. Der Nutzer ist nur dann bereit zu
zahlen, wenn er von der Zeitung etwas erhält, das einen journalistischen
Mehrwert hat, dazu gehören traditionell Hintergrundberichte, Vorortrelationen,
Investigativtexte und Reportagen. Der Leser ist sich durchaus klar darüber, dass
diese Art von Texten deutlich aufwändiger und teurerer ist als ein einfaches
Umformulieren von Pressemitteilungen. Viele Redaktionen können sich den
Qualitätsjournalismus personell und kostenbedingt nicht mehr leisten. Es kommt
hinzu, dass in vielen Zeitungsverlagen der digitale Bereich in eine gesonderte
Redaktion überführt wurde. Beispielhaft stehen dafür die entsprechenden
Redaktionen in Österreich, die schlechter bezahlt werden und schlechtere
Arbeitsbedingungen vertraglich zugesichert bekommen haben als ihre Kollegen
in den Printredaktionen. Mit einem benachteiligten Personal, knappen
Finanzmittel und weniger Prestige, fällt es den Onlineredaktionen schwer,
qualitativ hochwertigen Journalismus zu betreiben, der die Nutzer davon
überzeugen könnte, für den Inhalt zu zahlen.61 Als besonders nachteilig für die
Onlineangebote von Zeitungen stellt sich die vermeintliche Zweitklassigkeit ihrer
Stellung gegenüber dem Printprodukt dar.
„Zum Teil wird immer noch die Auffassung vertreten, die Website sei ohnehin
kein journalistisches Produkt, sondern nur ein Marketingtool, um das jeweilige
Printprodukt zu verkaufen. Angesichts solcher Haltungen wäre es nicht
verwunderlich, wenn der eine oder andere Titel in Österreich kurz- bis
mittelfristig aus der Medienlandschaft verschwindet.“62
60
(Lee, 2019), S. 13
61
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 13
62
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 13
18
Vielfach wird im aktuellen Modell der digitalen Inhalte vor allem die
Aufmerksamkeit der Leser auf den Traffic reduziert. Es gilt den Leser in einer
höchstmöglichen Anzahl, auf seinen Inhalt zu lenken. Der Tiefe und der
Langzeitbindung dieser Aufmerksamkeit wird stattdessen weniger Bedeutung
zugemessen. Im Vordergrund stehen Marketingmassnahmen, die journalistische
Inhalte in Verbindung mit anderen Gütern und Dienstleistungen verkaufen, um
auf diese Weise Umsätze zu generieren. Der kurzfristige Gewinn, möge er auch
nur mit begleitenden Angeboten gemacht worden sein, wie Browserspielen etc.,
ist für viele Zeitungsverlage und Medienkonzerne ebenso wichtig, wie
journalistische Anerkennung und eine treuere, kritische und vor allem
anspruchsvolle Leserschaft. Dieser Tendenz fallen nicht nur kleinere Verlage,
sondern auch die grössten und ehemals berühmtesten Verlage Europas zum
Opfer. Der Springerverlag hat seit 2013 seine journalistische Perspektive stark
verändert und die Beteiligungen an Zeitungen, die bisher dem Verlagshaus
gehörten, verkauft. Dafür möchte Springer stärker in die Ökonomisierung des
Internets investieren, wie z.B. dem Geschäftsfeld Springer Science+Business
Media S.A.. Darüber vertreibt das Medienhaus erfolgreich wissenschaftliche
Bücher und Zeitschriftenartikel.63
2.2 Auswirkungen auf die Zeitungsnachfrage
Die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Zeitungswesen ist vielfältig und
nicht generalisierbar. Binnen der letzten 10 Jahre ist gerade bei den
Tageszeitungen ein deutlicher Rückgang der Printausgaben in Deutschland zu
beobachten. Die Auflagenstärke nahm seit den 1990er Jahren um rund 33% ab.64
Diese Angabe entspricht auch dem Rückgang der Printauflage der NZZ. Die
Rückgänge fallen aber nicht gleichmässig aus. Einzelne Zeitungen, wie z.B. die
taz, haben geringere Rückgänge verzeichnen können. Die taz konnte ihre
Verluste geringer halten, da die Nachfrage nach ihrer separat angebotenen
Wochenendausgabe gestiegen ist. Es handelt sich dabei um ein ungewöhnliches
63
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 14
64
Vgl. (BULL, 06.02.2019)
19
Kombiabo, dass Werktags die digitale Ausgabe über die App liefert und am
Wochenende die Printausgabe.65
Abbildung: Auftragsstärke bei der taz im Jahr 2018. Quelle: (BULL, 06.02.2019)
Diese Abbildung gibt Auskunft darüber welche Sparten bei einer überregionalen
Tageszeitung, wie der taz zunehmen und welche abnehmen. Rückläufig ist
neben der gedruckten taz, die in Kooperation mit Le Monde monatlich
erscheinende Le Monde diplomatic. Stattdessen stieg die Anzahl der freiwilligen
regelmässigen Unterstützer der Zeitung stark an. Ebenfalls deutlich stiegen die
Kombiabos, wie oben bereits angesprochen wurden. Ihren Absatz verbessern
konnte auch die Zeitschrift für Zukunft und Politik.66
Im Gegensatz zu den überregionalen Tageszeitungen und Wochenzeitungen
haben viele lokale Tageszeitungen die Umstellung auf digitale Inhalte nicht
überlebt. Lokale Tageszeitungen sind deutlich stärker davon betroffen, dass der
herkömmliche Abonnementenmarkt sich rückläufig entwickelt. Bull spricht dabei
davon, dass die Tageszeitungen im Wesentlichen keine massenhaften
Kündigungen bestehender Verträge erleben, sondern eher in der Situation sind,
dass es zu wenige neue Vertragsabschlüsse gibt. Die Kunden lassen die
65
Vgl. (BULL, 06.02.2019)
66
Vgl. (BULL, 06.02.2019)
20
bestehenden Verträge auslaufen und verlängern sie nicht.67 Die Auflagenzahlen
für Zeitungen aus dem dritten Quartal des Jahres 2019 machen aber deutlich,
dass sich gerade in der neuesten Zeit die Auflagenstärke aller Medien stabilisiert
hat. Das gilt auch für die Tageszeitungen, die ihre Auflagen im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum halten konnten. Bei den Wochenzeitungen konnte sogar eine
Zunahme gegenüber dem Vorjahr verzeichnet werden.68 Sowohl bei den
Tageszeitungen als auch beiden Wochenzeitungen stieg der Absatz von digitalen
Inhalten an und beträgt inzwischen rund 10%.69
2.3 Auswirkungen auf die Magazine und Zeitschriften
Die letzten Jahrzehnte haben nicht nur bei den Zeitungen, sondern auch im
Bereich der Magazine und Zeitschriften erhebliche Veränderungen mit sich
gebracht. Eine Reihe an Zeitschriften, wie z.B. Neon, Revue und Young
woman’s magazine haben die Krise nicht überlebt und sind vom Markt
verschwunden.70 Während es Jugendmagazine, Kino- und
Unterhaltungszeitschriften besonders schwer haben, verzeichnen Magazine, die
gezielt ein weibliches Publikum ansprechen Zuwächse. Gerade
Gesundheitsaspekte und Lifestylethemen spielen hier eine wichtige Rolle. Die
Zuwächse gehen aber vornehmlich darauf zurück, dass es in diesen Bereichen
immer mehr Titel gibt.71
Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger
(VDZ) Stephan Scherzer bescheinigte der Branche erhebliche
Erlösmöglichkeiten, obwohl das Geschäftsumfeld Anzeigen und Vertrieb
zurückgehen, trugen digitale Angebote und Nebenprodukte dazu bei, dass das
67
Vgl. (BULL, 06.02.2019)
68
Vgl. (AUFLAGENZAHLEN DES 3. QUARTALS 2019, 18.10.2019)
69
Vgl. (AUFLAGENZAHLEN DES 3. QUARTALS 2019, 18.10.2019)
70
Vgl. (Boccarius, 27. August 2018)
71
Vgl. (Boccarius, 27. August 2018)
21
Verlegen von Zeitschriften und Magazinen auf dem deutschen Markt im Jahr
2019 rentabel sein konnte72
„Als Beleg führte er die Gesamtzahl von 1.625 Publikumszeitschriften an,
die 2018 erschienen sei – immerhin ein Plus von 38 Prozent gegenüber
2001. Mit rund 20 Magazinen pro Einwohner habe Deutschland weltweit
den stärksten Zeitschriftenmarkt. Neben dem Dauerbrenner
Landzeitschriften boomen in jüngster Zeit vor allem Segmente wie
Personality- oder Influencer-Magazine (Barbara, JWD, Boa), aber auch
Titel der Bereiche „Good Living“: Gastronomieblätter oder
Wohnzeitschriften sowie Lifestyliges.“73
Auflagenzuwächse verzeichnen auch die Nischenmagazine, die gezielt
bestimmte Gruppen und Interessen ansprechen. Zeitgleich schwächeln
Politmagazine, wie Spiegel, Stern und Focus, die ehemals die Zugpferde der
Branche gewesen sind.74 Der Spiegel, der nach dem Zweiten Weltkrieg das
wichtigste politische Magazin der Bundesrepublik war, muss mit starken
Einbussen rechnen.
„Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel erzielte im Jahr 2019 eine
Reichweite von rund 4,66 Millionen Lesern pro Ausgabe. Ein Jahr zuvor
hatte die Reichweite noch bei mehr als 5,6 Millionen Lesern gelegen. Die
Reichweite des Spiegels im Jahr 2019 war die niedrigste des untersuchten
Zeitraums. Auch die verkaufte Auflage fiel 2019 auf rund 705.000
Exemplare – historischer Tiefststand. Daran konnte auch die erheblich
gestiegene E-Paper-Auflage nichts ändern, die sich seit 2014 fast
verdoppelt hat: Von knapp 48.600 im zweiten Quartal 2014 auf knapp
110.000 im vierten Quartal 2019.“75
Laut den Angaben des Statistikdienstleisters Statista ist die Entwicklung der
rückläufigen Auflage und der Reichweite beim Stern und beim Fokus noch
schlechter als beim Spiegel.76
72
Vgl. (HERKEL, 10. APRIL 2019)
73
(HERKEL, 10. APRIL 2019)
74
Vgl. (HERKEL, 10. APRIL 2019)
75
(Statista, kein Datum)
76
Vgl. (Statista, kein Datum)
22
2.4 Nachrichtenwesen
Digitale Inhalte unabhängig davon, ob sie einen Zeitungsartikel darstellen, ein
Eintrag in dem Blog oder auch lediglich ein Contenttext auf einer Website sind,
werden in den meisten Fällen über Google gefunden. Erst über die
Suchmaschine gewinnen die meisten Zeitungsartikel ihre Leser. Die jeweilige
Bedeutung der Google Indexierung für einen journalistischen oder publizistischen
Artikel kann bei bis zu 70% liegen. Die Sichtbarkeit, die an die Werbeeinnahmen
geknüpft ist, wird überhaupt erst über Google generiert.77
Das Nachrichtenwesen hat sich sowohl wegen der technologischen Logik des
Internets verändert wie die Bedeutung der Suchmaschine Google beweist, als
auch wegen der technologischen und kommunikativen Arbeitsinstrumente in den
Redaktionen selbst. Früher waren ein Telefon und die Schreibmaschine die
wichtigsten Instrumente der Redakteure. Heute sind die Instrumente fast
vollständig im Internet zu finden und die Betreffenden bewegen ihre Hände und
ihren Blick zwischen Laptop und Smartphone. Die innere Kommunikation
verschiebt sich von der traditionellen Redaktionskonferenz immer stärker zur
Kommunikation über Contentverwaltungssoftware, via E-Mail und
Kurznachrichtendiensten. Boie von der Süddeutschen Zeitung deutet an, dass
Lokaljournalisten nicht selten über WhatsApp die Situationen und Ereignisse vor
Ort an die Redaktionen weiterleiten. Die Redakteure selbst werden viel häufiger
damit betraut den Kontakt zwischen den Lesern, Interessierten und lokalen oder
auch häufig freien Mitarbeitern zu halten. Die Funktion des Redakteurs wird
zunehmend als Knotenpunkt verstanden der Informationen bündelt, annimmt und
entsprechend nach Aussen kommuniziert.78
„Auch die klassische Redaktionsarbeit findet heute wenigstens zum Teil im
Netz statt, manchmal auch nur im Netz: von der Recherche über die
Zusammenarbeit mit Kollegen bis hin zur Veröffentlichung. Journalisten, die
für eine lange Reportage um die Welt fliegen, werfen vorher einen Blick ins
Netz, um zu wissen, was es über ihr Thema dort zu lesen gibt.“79
77
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 10
78
Vgl. (Boie, 5. Oktober 2015)
79
(Boie, 5. Oktober 2015)
23
2.4.1 Folgen für die News
Nachrichten, als zuverlässige Informationen über die politischen und
gesellschaftlichen Ereignisse, sind das zentrale Thema von Zeitungen und hier
insbesondere der Tageszeitungen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie ihren
Lesern Nachrichten täglich präsentieren. Bei lokalen Zeitungen werden
dementsprechend sowohl nationale, regionale als auch lokale Nachrichten
angeboten. Bei überregionalen Tageszeitungen ist der Fokus geographisch
breiter, jedoch bleibt es bei der Bedeutung von tagesaktuellen Nachrichten.
Wochenzeitungen greifen ebenfalls auf aktuelle Nachrichten zurück, können
diese aber vertiefend kommentieren und jeweils bestimmte
Themenschwerpunkte setzen. Wie oben angesprochen haben inzwischen die
Tageszeitungen als auch die Wochenzeitungen ausführliche Onlineausgaben,
die fortlaufend berichten. News spielen gerade im Onlinebereich eine wichtige
Rolle. Die Social-Media-Kanäle werden zunehmend zu den tragenden
Kommunikationskanälen für die News. Zeitungen nutzen diesen Präsenz als
neuen Kanal für ihre News.80
„Bereits im Jahr 2011 waren laut der BDZV-Studie schon 85 Prozent der
deutschen Zeitungsverlage in sozialen Netzwerken aktiv: Durch die
Verlinkung von Kurzmeldung, Bild, Audio-/Videomaterial u. a. können
Plattformmitglieder, die deren eigenständige Fans-Seite im sozialen
Netzwerk abonniert haben, das eigene Newsportal der Zeitungsverlage
besuchen und Originaldokumenten sowie abweichende Quellen der
Nachrichten per Mausklick aufrufen.“81
Boie von der Süddeutschen Zeitung spricht diese Veränderungen und ihre
Konsequenzen für die redaktionelle Arbeit an, indem er die Schnelligkeit der
Recherche über das Internet betont. Die schnelle und vor allem globale
Informationsbeschaffung ist aus der Perspektive der Journalisten durchweg eine
Erleichterung. Informationen lassen sich schneller nachprüfen und können
uneingeschränkt weltweit eingeholt und abgerufen werden.82 Während
80
Vgl. (Lee, 2019), S. 63
81
Vgl. (Lee, 2019), S. 64
82
Vgl. (Boie, 5. Oktober 2015)
24
Informationen schnell und global eingeholt werden können, steigt aber auch die
Gefahr sich einer vorherrschenden Narration bewusst oder auch unbewusst zu
fügen. Es gibt das Risiko, dass wertende Aussagen oder auch Perspektiven
übernommen werden, die gezielt eine Situation oder die Bewertung eines
Ereignisses manipulieren.
Das Internet im Zusammenhang mit der Zeitung und aller ihr heute verfügbaren
Präsentations- und Kommunikationskanäle, bietet, so Boie, den Redakteuren
und Journalisten eine noch nie dagewesene Möglichkeit von einer unendlichen
Anzahl von Lesern wahrgenommen und gelesen zu werden. Die Rückmeldung
der Leser erfolgt noch schneller in den Social-Media-Kanälen. Der interessierte
Leser hat seine Bedeutung gerade wegen der Netzpräsenz der Zeitungen
steigern können. Der Leser ist nicht nur ein passiver Abnehmer der
journalistischen Artikel, sondern fungiert immer häufiger als Kritiker und nicht
selten als Experte. Boie spricht davon, dass hochkompetente Leser in einen
konstruktiven Dialog mit den Journalisten und Redakteuren stehen und auf diese
Weise durchaus aktiven Einfluss auf die Zeitungen, wie z.B. die Süddeutsche
Zeitung nehmen. Zeitgleich müssen die Zeitungen und ihr Personal nicht nur mit
konstruktiver Kritik und Mitwirkung umgehen, sondern Konflikte, sowie
Beschimpfungen, Hassreden und Drohungen, die über das Internet im
Zusammenhang mit ihren Texten verbreitet werden, aushalten.83
Zur gleichen Zeit sind diese Kanäle im Internet im Gegensatz zur Printausgabe
besonders schwer in reale Umsätze umzulegen. Lee stellt fest, dass rund 3,4 %
der Nutzer für News bezahlen und der Rest liest die News kostenlos im Internet
oder in den sozialen Medien. Gleichzeitig äussern rund 20 % der Befragten aus
diesem Nutzerkreis, dass sie grundsätzlich bereit wären für News zu bezahlen.84
Die internationalen News haben im Nachrichtenbereich einen Sonderstatus. Die
Berichte aus entfernten Gegenden der Welt sind besonders gefragt, jedoch
gleichzeitig besonders teuer und aufwendig. Daraus folgt, dass die Schweizer
Presse 35% ihrer internationalen Nachrichten über die eigenen Korrespondenten
oder auch durch gezielte Zusammenarbeit mit anderen Zeitungen, gewinnt.85 Ein
83
Vgl. (Boie, 5. Oktober 2015)
84
Vgl. (Lee, 2019), S. 70
85
Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 2
25
typisches Beispiel für eine eben solche Zusammenarbeit war die Kooperation der
NZZ mit der deutschen FAZ in Russland und Japan. Auf der landesweiten Ebene
und lokal ist die Beschaffung der Nachrichten, für Zeitungen, wie der NZZ
weniger aufwendig, da hier das eigene Redaktionspersonal oder auch freie
Mitarbeiter verfügbar sind.86
Gerade für die News in der Schweiz hat die verstärkte Verlagerung der Kanäle
ins Internet die Bedeutung der Nachrichtenagenturen verändert.
Nachrichtenagenturen vertreiben Informationen von jenen Orten, wo die
jeweiligen Medien keine eigenen Korrespondenten haben. In der Schweiz ist es
vielen Medien möglich weltweit ein Korrespondentennetz bereit zu stellen,
weshalb 62% der News aus dem eigenen Hause kommt. Rund 15% der Medien
und weitere 9%, die teilweise Nachrichtenagenturmeldungen setzten, sind
vornehmlich Onlinemedien.87
„Generell werden auf den Newssites mehr Agenturmeldungen verarbeitet
(33%) als in den Pressetiteln (18%). Für die Onlineausgabe spielen
Überlegungen zu Positionierung und Selektion keine so starke Rolle wie
bei der gedruckten Ausgabe. Die Bedeutung von Agenturmeldungen
hängt auf den Newssites folglich weniger stark von den Medientypen ab.“88
Unter den Nachrichtenagenturen der Schweizer Medien dominiert mit 71% klar
die schweizerische Depeschenagentur SDA. Allerdings fragen vor allem kleinere
Medien bei der SDA an. Die Qualitätsmedien, wie die NZZ, greifen zuerst auf
Agenturen, wie Reuters und DPA zurück, erst dann auf die SDA.89
Während die Wochenzeitungen lediglich 5% der Agenturmeldungen nachfragen,
ist der Anteil bei der Tagespresse mit 25% deutlich höher. Im Jahr 2013 wurde
noch eine weitere Zahl ermittelt, die speziell auf Gratiszeitungen eingeht. Hier lag
der Anteil der Agenturmeldungen bei 38%.90 Daraus ergibt sich folgender
Rückschluss, dass niedrigbudgetierte Medien die Nachrichten von den
Agenturen ungefiltert und wenig kommentiert darbieten. Je grösser die
86
Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 2
87
Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 1
88
( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 1
89
Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 3
90
Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 2
26
Bedeutung und Umfang der eigenen Redaktion, desto mehr eigene Nachriten,
Recherchen und Kommentare.
Für die News ergibt sich daraus, dass gerade Titel mit kleinen Redaktionen oder
jene die ausschliesslich online präsent sind, abhängiger von der Qualität und der
Preispolitik der Nachrichtenagenturen sind.91
„Die SDA hat somit auch aus einer medienpolitischen Sicht eine wichtige
Funktion für die Schweiz. Sie ermöglicht eine Perspektive aus der Schweiz
ins Ausland, insbesondere in Medien mit geringen Ressourcen. Die SDA
nimmt deshalb im schweizerischen Mediensystem eine zentrale Stellung
ein. Dieser Umstand macht sie aber auch zu einem einflussreichen
Gatekeeper von Informationen.“92
Die Qualitätstitel, wie z.B. Le Temps, verfolgen eine gänzlich andere Strategie
mit ihren Newsbereichen. Grundsätzlich werden dem Leser weniger News
bereitgestellt. Diese sind aber qualitativ hochwertiger, da sie häufiger durch
eigene Korrespondenten in einen Zusammenhang gestellt werden und mit
Kommentaren versehen werden können. Um jedoch diesen hohen Aufwand bei
den News finanzieren zu können, versehen diese Blätter, wie Le Temps, ihre
Newsbereiche mit rigiden Paywalls.93
Nicht selten wird im Zusammenhang mit den News und der Digitalisierung des
Nachrichtenwesens auf die sich verstärkende Wirkung des Googleinstruments
„Google News“ verwiesen, aber Schäfer und Körber wiedersprechen dieser
These.94
„Die von den Verlegern besonders ins Visier genommene Website Google
News spielt dabei übrigens kaum eine Rolle, es ist die klassische
Internetsuche, die User auf die Medienangebote bringt.“95
Offen hingegen bleibt die Auswertung der etwaigen Wirkung der Google
AdWords auf die digitalen Zeitungsangebote, sowie ihrer Konkurrenz seitens der
91
Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 4
92
( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 4
93
Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 4
94
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 10
95
(Schaffer & Körber, 2013), S. 10
27
Nachrichtenwebsites. Google AdWords bezeichnet eine kostenpflichtige
Werbung, die sich an bestimmten Schlüsselwörtern orientiert. Wird das
Schlüsselwort eingeben, so erscheinen auf rechter Seite im Kästchen die
Angebote dazu. Werden diese vom Nutzer angeklickt, so zahlt der Anbieter einen
Beitrag an Google.96
2.4.2 Folgen für Recherche und Hintergrundinformation
Ein Vergleich der Printausgaben der NZZ mit der App der Zeitung, der von Karin
Hassler vorgenommen wurde, ergab zwar, dass es keine Unterschiede in den
Artikeln gab, da diese Texte tatsächlich 1:1 übernommen wurden. Gleichzeitig
fiel aber auf, dass die Texte mit leicht veränderten Titeln und Zwischentiteln
versehen wurden. Auffällig war hierbei die Verschmelzung des Haupttitels mit
dem Untertitel aus der Printausgabe. In der App ergab sich daraus ein verkürzter
Titel mit mehreren Zwischentiteln bei den Absätzen. Beim Layout gab es
ebenfalls Abweichungen. Während in der Printausgabe der Verfasser des
Artikels exponiert wurde, war in der digitalen Ausgabe das dazugehörende Bild
grösser und auffälliger und der Autor war weniger stark optisch herausgestellt.97
Die intermediale Ausrichtung der Zeitungen, die inzwischen nicht nur das
Hauptprodukt, die Printausgabe beinhaltet, sondern eine ganze Palette von
Darbietungsformen, wie Beilage, Magazin, Website und Social-Media-Kanal führt
eben auch dazu, dass der geschriebene Text nicht mehr alleinstehend im
Zentrum der Zeitungsarbeit steht. Wie oben bereits mehrfach angesprochen
verändern die Zeitungen die Zeit und die NZZ ihre Produkte. Die Podcasts und
Social-Media-Kanäle gelten als ein sehr plakatives Beispiel dafür, wie ein
klassisches Printmedium, wie die Zeitung inzwischen auch zum audiovisuellen
Medium geworden ist. Nicht nur die News, sondern die Hintergrundinformationen
und Rechercheergebnisse werden zunehmend nicht nur gelesen, sondern auch
gehört und angeschaut. Förster macht hier eine sinnvolle Definitionserweiterung.
Während der herkömmliche Journalismus für die Berichterstattung und
96
Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 11
97
Vgl. (Hassler , 2019), S. 8
28
Beobachtung von gesellschaftlichen, politischen Ereignissen und Prozessen
steht, ist der Onlinejournalismus sein natürlicher Bestandteil, der jedoch die
traditionelle Darstellungsform des Journalismus um visuelle und akustische
Aspekte erweitert.98
Wenn die Zeitungen und Magazine via Smartphone, Tablet oder auch Laptop
abonniert und genutzt werden, betreten sie eine andere mediale Welt, die ihnen
andere technische, aber auch journalistische Formen ermöglicht. In dem
Zusammenhang wird überwiegend auf den multimedialen und interaktiven
Charakter dieser Formate hingewiesen.99 Ferner ist zu betonen, dass mit dem
Verlassen der gedruckten Zeitung und dem Sprung in die digitale Ausgabe die
Vertriebswege komplett globalisiert wurden. Während die Printzeitung
landesweit, oder eben auch in beschränkter Form im Ausland erhältlich ist, so
z.B. die NZZ in Deutschland, so ist die Onlineausgabe überall auf der Welt via
Internet lesbar. Förster weist aber darauf hin, dass die eben beschriebene
Ubiquität der Onlinepräsenz durch gezielte Zugangsschranken, z.B. in China
oder dem Iran partiell von aussen eingeschränkt werden kann. Der Anbieter
selbst, hier z.B. die Zeitung, kann ebenfalls bestimmte Einschränkungen
vornehmen, die die Präsenz der Zeitung z.B. auf das Inland bzw. auf die EU
begrenzen. Allerdings sind Medien von sich aus kaum daran interessiert, es sei
denn, dass gezielte Angebote an bestimmte Gebiete gebunden werden sollen.100
Die Recherchen und Hintergrundinformationen globalisieren und verknüpfen sich
ebenso wie ihre Darstellungsformen im Internet. Die Behauptung, dass diese
Entwicklung zwangsläufig dazu führt, dass die Recherchen weniger tiefgründig
und intensiv durchgeführt werden, kann nicht allgemeingültig bestätigt werden.
Vielmehr ist herauszustellen, dass sich durch die Kooperationen zwischen den
Redaktionen, zwischen den Medien und sogar zwischen einzelnen öffentlich-
rechtlichen Anstalten des Rundfunks Strukturen herausgebildet haben, die sehr
spezielle Recherchen und stark vertiefende journalistische Arbeit besonders
fördern. Dazu gehören sowohl die Arbeiten an den Panama Papers als auch
Podcastproduktionen, wie Caliphate, wo Rukmini Callimachi, eine Journalistin
98
Vgl. (Förster, 2016), S. 4f
99
Vgl. (Förster, 2016), S. 5
100
Vgl. (Förster, 2016), S. 10
29
der New York Times, die Möglichkeit bekommen hatte ihre in Mosul beschaffenen
Dokumente zur Struktur des IS-Kalifatstaates aufzuarbeiten und zu präsentieren.
Callimachi ist eine mehrfach ausgezeichnete Expertin für Fragen des
Terrorismus. Die Podcastproduktion bot ihr die Möglichkeit sich den Dokumenten
und ihrer Auswertung intensiv zuzuwenden.101
2.5 Entwicklungsprozesse der Printmedien
Die Printmedien wurden bereits im Zeitalter der Fernsehberichterstattung ersten
Veränderungen ausgesetzt. In den 1980ern und 199ern wuchsen junge
Menschen zunehmend mit bilderreichen Fernsehnachrichten auf, was sie später
im Erwachsenenalter für bewegte Bilder und Tonaufnahmen empfänglicher
machen sollte. Doch erst in den späten 1990er Jahren mit dem Internet kam es
zum entscheidenden Einbruch in dem Zeitungs- und Verlagswesen. In der ersten
Phase wurden Inhalte kostenlos ins Internet gestellt, was dazu führe, dass die
Absatzzahlen bei den Zeitungen und Zeitschriften stark gesunken sind. Gerade
die lokalen und regionalen Tageszeitungen traf es besonders schwer, denn sie
hatten weder das Know-How noch die Finanzmittel im Internet Präsenz zu
zeigen. Die Verfügbarkeit journalistischer Inhalte im Internet führte nicht nur bei
den lokalen und kleinen Zeitungen, sondern auch bei grossen Zeitungen zu einer
Krise. Grundsätzlich sinken seit der Jahrtausendwende die Auflagenstärken, mit
sehr wenigen Ausnahmen, sowohl bei den Zeitungen als auch bei den
Magazinen. Kurz nach der Jahrtausendwende begannen die Zeitungen nach
Konzepten und Geschäftsmodellen zu suchen, die es ihnen möglich machen im
Internet auch Geld zu verdienen. Grundsätzlich sind hier zwei Richtungen
möglich. Einerseits können über die Werbung Einnahmen generiert werden.
Anderseits wurden Bezahlmodelle für Zeitungsinhalte im Internet entwickelt. In
den letzten Jahren hat sich die Situation der meisten Verlage stabilisiert. Sie
haben neue Abos entwickelt und ihr Angebot erweitert. Die Zeitungsverlage
beschäftigen sich heute mit mehreren Produkten und gehen Kooperationen mit
101
Vgl. (Angstmann, 03.07.2018)
30
anderen Unternehmen ein. Die Abonnements sind stärker auf den Konsum über
die mobilen Geräte ausgerichtet. Die Magazine haben sich hingegen gerade in
den letzten Jahren verstärkt auf Themen des Lifestyles verlagert, während sich
das frühere Kerngeschäft der Politikmagazine nach wie vor in der Krise befindet.
Die Arbeit der Redaktionen der meisten Zeitungen hat sich ebenso, wie der
öffentliche Auftritt und die Vertriebswege, verändert. Während der Krise mussten
viele Journalisten und Korrespondenten entlassen werden. Teilweise werden sie
heute durch den Einkauf von Nachrichten über die Nachrichtenagenturen ersetzt.
Ferner gehen die Zeitungen vereinzelt Kooperationen unter einander ein, um sich
das kostenaufwendige Netz von Korrespondenten leisten zu können. Die Arbeit
der Journalisten selbst ist heute durch die Recherchemöglichkeiten im Internet
etwas leichter geworden, doch führt die Onlinepräsenz von Zeitungen dazu, dass
auch audio- und audiovisuelle Formen, wie Podcasts, integriert werden. Die
Integration mehrerer Formen und ihre Verbreitung über die neuen Kanäle,
wie Fanpages, macht es möglich wieder neue Lesergruppen zu gewinnen.
Auffällig ist auch die Hinwendung zu hochwertigen Hintergrundberichten und
Reportagen, die zum Erfolg gerade bei den Wochenzeitungen geführt haben.
3. Neue und alternative Vertriebswege und Geschäftskonzepte
3.1 Zeitungen
Die NZZ ist eine Tageszeitung mit einer Printauflage von 104 460 im Jahr 2019,
davon waren 76 023 über Abonnementkunden vertrieben worden.102 Die Zeit ist
eine deutsche Wochenzeitung, die ihre Auflage auch in Zeiten enormer
Rückgänge konstant hochhalten konnte. Seit 2012 liegt die Auflage nahezu
unverändert bei knapp über 500 000.103
102
Vgl. (WEMF AG für Werbemedienforschung, 2019), S. 18
103
Vgl. (Statista, kein Datum)
31
3.1.1 NZZ
Die Umsatzsituation der NZZ-Mediengruppe ist trotz eines schwierigen
Marktumfeldes stabil und die Umsatzrendite im ersten Semester des Jahres 2019
konnte sogar gesteigert werden. Umsatzsteigerungen verzeichnete die Gruppe
im Bereich «digital/mobile first», wo Kundenwachstum sowohl in der Schweiz als
auch in Deutschland verzeichnet werden konnte.104
„Dabei konnte der Ertrag im Nutzermarkt ebenfalls um 2% gesteigert
werden, was vor allem auf die sehr erfreuliche Zunahme der Anzahl
zahlender Kunden um 5% seit Juli 2018 zurückzuführen ist.“105
Diese Zunahme geht auf den deutlichen Ausbau der Reichweite der
Onlineangebote der Zeitung zurück. Allein in der deutschsprachigen Schweiz
konnte die NZZ mit ihrer Onlineofferte ihre Reichweite vom Jahr 2017 auf 2018
um 10% steigern.106
Die NZZ bewirbt gezielt Abooptionen für ausländische Abonnenten. Dabei wurde
den deutschen Nutzern eine Sonderkategorie eingerichtet, die es ihnen
ermöglicht günstige Konditionen, wie z.B. den „digital“-Tarif für 10 Euro monatlich
zu buchen. Der Tarif ermöglicht einen unbegrenzten Zugriff auf die Onlineinhalte
der NZZ über App oder Web. Das Abo ist monatlich kündbar.107 Karin Hassler
hat im Herbst des Jahres 2019 die Printausgabe der NZZ mit der App der Zeitung
verglichen und dabei belegen können, dass sich die Printausgabe von der
digitalisierten Applikation hinsichtlich der Organisation der Artikel unterscheidet.
Im Gegensatz zur Printausgabe wird der Leser über die länderspezifischen
Rubriken geführt. Das bedeutet, dass Artikel, die auf Themen in der Schweiz
eingehen, erst über die Rubrik „Schweiz“ eingesehen werden können, während
am selben Tag als der Vergleich direkt durchgeführt wurde, Artikel zu einem
104
Vgl. (Die NZZ-Mediengruppe behauptet sich in einem herausfordernden Marktumfeld, 19. August
2019)
105
(Die NZZ-Mediengruppe behauptet sich in einem herausfordernden Marktumfeld, 19. August 2019)
106
Vgl. (Widmer, 09.04.2018)
107
Vgl. (Unsere Abos für Leser in Deutschland)
32
aktuellen Thema aus der Schweiz auf der Titelseite des Blattes zu finden
waren.108
„Die Leser*innensteuerung in Print und App unterscheidet sich also
grundlegend, wobei sich ein Zusammenhang zum Aspekt der Non-
Linearität bzw. der Hypertextualität ergibt. Die auf der Frontseite der Print-
Version in der Übersicht enthaltenen Verweise auf weiterführende Inhalte
finden sich in den App-Artikeln als Hyperlinks wieder.10 Die im Print durch
das Layout vorgenommene Systematisierung der Beiträge – der Bericht
auf der Frontseite steht im Vordergrund, die weiteren Beiträge sind durch
das Layout als dazugehörige, weiterführende Inhalte gekennzeichnet –
spiegelt sich im App jedoch nicht. Vielmehr handelt es sich im App aus
Leser*innenperspektive um gleichgewichtete Inhalte bzw. die in der Print-
Version abgebildete Systematik, durch welche die Beiträge miteinander in
Beziehung gesetzt werden, muss aus den Hyperlinks durch die Leserin
resp. den Leser erschlossen werden.“109
Dass die NZZ ihre Marktstellung in Deutschland erfolgreich ausbaut und zu einer
wichtigen Konkurrenz für die deutschen Zeitungen aufgestiegen ist, zeigt ihr
Verhältnis zur FAZ. Beide Zeitungen haben noch 2015 eine Kooperation
beschlossen, um gemeinsam verstärkt und kostengünstiger aus Russland und
Japan zu berichten. Nun hat aber die FAZ im März 2018 die Kooperation einseitig
aufgelöst, da die NZZ in Deutschland stark expandiert. Die NZZ möchte aber bei
dem Kooperationsprinzip grundsätzlich bleiben und hat inzwischen einen
anderen deutschen Kooperationspartner für die Russland-, und
Japanberichterstattung gefunden, das Handelsblatt.110
3.1.2 Die Zeit
Die Zeit konnte als eine der wenigen Zeitungen in Deutschland die
unterschiedlichen Phasen und Einschnitte, die im Zuge der Digitalisierung auf die
Medien zukamen, besonders gut meistern. Die Auflagenstärke der Zeitung blieb
nahezu unverändert, während die NZZ im letzten Jahrzehnt fast 30% ihrer
108
Vgl. (Hassler , 2019), S. 5
109
(Hassler , 2019), S. 6
110
Vgl. (Konkurrenz: NZZ und FAZ lösen ihre Kooperation auf, 24.07.2019)
33
Auflage verlor. Eine Besonderheit dieser Entwicklung liegt in der
aussergewöhnlichen Ausweitung der Reichweite dieses Medium, das seit 2004
die Reichweite von 1,23 Millionen Lesern auf 1,82 im Jahr 2018 ausbauen
konnte. Der enorme Ausbau der Reichweite der Leserschaft schlug sich auch in
den Gewinnen und Umsätzen des Verlages wieder. Im Jahr 2017 konnte die Zeit
einen Rekordumsatz bei den Anzeigen in Deutschland erzielen und im Jahr 2018
wies das Unternehmen einen Gesamtumsatz in Höhe von rund 220 Millionen
Euro aus.111 Während die Printauflage der Zeit bei 500 000 Exemplaren liegt, hat
die digitale Ausgabe 127.132 im dritten Quartal des Jahres 2019 erreicht und
konnte sich somit im Vergleich zum Vorjahr um über 30% steigern.112
Im Jahr 2018 hat der Chefredakteur der Zeit am 27. August 2018 in einem
Zeitungsinterview erklärt, dass die Krise gerade für seine Zeitung einige positive
Aspekte hatte. Am wichtigsten war es zu erkennen, dass man Fehler, die man in
der Vergangenheit gemacht hatte, nicht wiederholt. Im Gegensatz zu den Zeiten
vor der Jahrtausendwende darf man sich nicht auf den Erfolgen von gestern
ausruhen und muss aktiv neue Kundenkreise ansprechen. Deshalb hat sich die
Zeit entschieden, junge Leser mit der Beilage Zeit Campus zu gewinnen. Es ist
wichtig, sich neuen gesellschaftlichen Themen zu öffnen und darüber zu
schreiben, was Menschen zum jeweiligen Zeitpunkt bewegt. Die Ansprache und
das Interesse einer Zeitung sollten sich nicht auf einen kleinen Ausschnitt der
Gesellschaft und ihre Interessen beschränken, sondern möglich breit über das
berichten, was die Menschen generell bewegt.113
Während die NZZ das Potenzial aller deutschsprachigen Länder mit einem
gezielten Angebot an deutsche Leser nutzt, versucht es die Zeit bereits seit
mehreren Jahren mit einem Politpodcast, dass die deutschsprachigen Staaten
thematisch umfasst. Der Podcast „"Servus. Grüezi. Hallo." thematisiert
Politikfragen, wie Mieten und politischer Populismus im Kontext der
gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Wirklichkeit in Deutschland,
Österreich und der Schweiz.114 Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein
111
Vgl. (Statista, kein Datum)
112
Vgl. (IVW III/2019: Rekordauflage im Abo – DIE ZEIT steigert Gesamtauflage durch Wachstum in allen
Sparten – Wachstum von 3,7 Prozent im harten Verkauf, 16.10.2019)
113
Vgl. (Boccarius, 27. August 2018)
114
Vgl. (WIEDEMEIER, 18. APRIL 2019)
34
Reportagenformat, sondern um eine Diskussionsrunde, wo die einzelnen
Länderperspektiven von den einzelnen Journalisten und Kommentatoren aus
diesen Staaten mit einander verbindet. Die Macher dieses Podcasts wollen
gezielt das Diskussionsformat und die Spontanität dieses Formats nutzen und
sich eben nicht in die Richtung eines Informationssenders professionalisieren.
Die Kehrseite dieser interessanten und kreativen Haltung ist die stellenweise
schlechte Hörbarkeit der Beiträge, da die Stimmen keine professionelle
Sprechausbildung haben und eben nicht wie Profis mit den Mikrophonen
umgehen können. Die Stimmen überschlagen sich stellenweise oder es kommt
häufig zu Wiederholungen von Silben, Worten oder ganzen Sätzen.115 Das
Beispiel zeigt, dass auch bei einem Medium, wie der Zeit, sich die Onlineprojekte
erst in der Phase der Entwicklung bzw. der Experimente befinden. Eine
vollständige Professionalisierung ist hier noch nicht abgeschlossen.
3.2 YumpuNews
Das Unternehmen i-magazine AG startete im Jahr 2011 ein SaaS-Business
(Software as a Service) basiertes Angebot Yumpu.116 Bei Yumpu handelte es
sich ursprünglich um ein Instrument zur Publizierung und Verbreitung von
interaktiven Publikationen und Blättermagazinen. Grundsätzlich konnten sowohl
private Personen als auch gewerbliche Verlage auf diese Möglichkeit der
Onlineveröffentlichung zurückgreifen. Für dieses Produkt gab es mehrere
Lösungen. Von einem Free-Plan bis zu einem Enterpriseplan. Das Angebot der
Software kann man an die Bedürfnisse des Kunden anpassen. Das Portal selbst
generierte selbst seine Leserschaft, die kostenfrei auf die dargebotenen und frei
verfügbaren Inhalte zurückgreifen konnte. Im Februar 2017 zählte Yumpu mehr
als 12 Millionen Leser monatlich.117 Ende des Jahres 2019 wies das
Unternehmen 120 Millionen unique ePaper-LeserInnen im Jahr aus. Aktuell
belegt die Webseite www.yumpu.com Platz 917 im Ranking der
115
Vgl. (WIEDEMEIER, 18. APRIL 2019)
116
Vgl. (i-magazine AG ), S. 2
117
Vgl. (Yumpu - das „Youtube für Magazine“, 6.02.2017)
35
besucherstärksten Webseiten der Welt. (Alexa-Ranking). Die i-Magazine AG
startete zwar erst im September 2011 die Plattform yumpu.com, zählte jedoch
seit dem Jahr 2006 schon zu den First Mover im Bereich ePublishing. Am 1.
Januar 2020 startete das Unternehmen das Projekt YumpuNews, das sein
Schwergewicht von der Perspektive des Publizisten in Richtung des Lesers als
Klienten verlagerte. Demnach wurde zusätzlich zu dem bisherigen Produkt
YumpuPublishing (SaaS-Produkt) das Produkt YumpuNews geboren, welches
den Fokus im ersten Schritt darauflegt, das wichtigste Potential, die Leser, in das
neue Format zu konvertieren.118
„Die Auswertungen der Nutzer zeigt, dass die Lesergruppe der 25-44-
jährigen am Stärksten vertreten ist, dicht gefolgt von der Altersgruppe 45-
54. Hinzu kommen mittlerweile über 15 Mio. unique E-Paper Leser
monatlich.“119
Während das Prinzip Yumpu daraus bestand, dass die Leser kostenlosen
Zugang zu Publikationen bekamen, für die die privaten und gewerblichen
Publizisten bezahlen, dreht sich das Verhältnis bei YumpuNews um. Hier sind es
die Leser, die gegen ein festes Entgelt, eine Flatrate, den vollen Zugang zu den
angebotenen Magazinen und Zeitschriften bekommen.120 Für die Magazin- und
Zeitschriftenverlage wird das Projekt zu einem neuen Vertriebsweg.121
Das Geschäftsmodell ermöglich die Vergütung der Herausgeber der Magazine
und Zeitschriften nach einer entsprechenden Formel. Das Verhalten der Leser
kann seitens des Portals exakt definiert werden und zeigt an, wie lange welches
Blatt von welchen Kunden gelesen wurde. Exakt 70% der Vergütung aus den
Einnahmen über die Flatrates wird an die Verleger weitergebenen. Die
verbleibenden 30% bleiben bei YumpuNews.122
118
Vgl. (i-magazine AG ), S. 2
119
(i-magazine AG ), S. 2
120
Vgl. (i-magazine AG ), S. 2f
121
Vgl. (i-magazine AG ), S. 2f
122
Vgl. (i-magazine AG ), S. 6
36
Abbildung: Vergütungsmodell von YumpuNews. Quelle: (i-magazine AG ), S. 6
Das Management-System wertet statistisch das Verhalten der Nutzer aus, wobei
neben der Anzahl der heruntergeladenen Ausgaben, der Anzahl der geöffneten
Seiten pro Ausgabe, auch die Lesezeit einer Ausgabe sowie die Territoriale
Nutzung und andere Parameter erfasst werden. Der Herausgeber kann während
der Vertragslaufzeit über sein persönliches Benutzerkonto im Management-
System auf die statistischen Werte seiner Publikationen zugreifen.
Die Berechnung des Ertrages des Herausgebers erfolgt in Relation zum
Nutzerverhalten und wird von der i-Magazine AG vierteljährlich für das jeweils
zurückliegende Quartal erstellt.
Punktverteilung
Die Verteilung der Punkte erfolgt folgendermassen:
Eine (1) gelesene Seite der aktuellen
Ausgabe 2 Punkte
Eine (1) gelesene Seite einer vergangenen Ausgabe (2-3 Ausgaben
vorher) 1 Punkte
Eine (1) gelesene Seite einer historischen Ausgabe (ab 4 Ausgaben
vorher) 0,5 Punkte
Mehr als zwanzig (20) Sekunden auf einer
Seite x2 (Verdopplung)
37
Sollte sich ein Nutzer die gesamte Ausgabe herunterladen, wird die
Punkteanzahl folgendermassen berechnet:
Anzahl der Seiten der Ausgabe x Punkte (siehe
oben) x 1,5
Wenn heruntergeladene Publikationen in den Apps technisch einwandfrei
getrackt werden können, so sind diese tatsächlich gemessenen Werte die Basis
für die Berechnung der Punkte, wie oben beschreiben.
Die maximale Punkteanzahl beträgt:
Anzahl der Seiten der
Ausgabe x 2
Schlussendlich werden die erhaltenen Punkte mit dem Faktor vier (4)
multipliziert, sofern der Nutzer aus demselben Territorium wie der Herausgeber
stammt. Es werden die Nutzer Angaben bei der Registrierung (Account) als
Bezug für die Bewertung des Territoriums herangezogen.
Sofern der Nutzer aus demselben Territorium wie der Herausgeber stammt und
lokale Publikationen liest – insbesondere Tageszeitungen (stark
eingeschränkter Postleitzahlenkreis) wird jeder erhaltene Punkt nochmals mit
Faktor zwei (2) multipliziert.
Am Ende eines jeden Monats wird der Ertrag des Herausgebers ausgehend von
der Anzahl der nach der beschriebenen Methode berechneten Punkte, auf die
vom jeweiligen Nutzer im selben Monat gelesenen Ausgaben verteilt. Alle Erträge
der Herausgeber, die sich auf die Nutzer und die Ausgaben beziehen, werden zu
einem Gesamtertrag pro Ausgabe summiert. Die Vergütung des Herausgebers
steht damit in einem direkten Verhältnis zu der Gesamtsumme der Erträge der
Herausgeber. Sollte ein Herausgeber keine Nutzer in einem Monat generiert
haben, so kommt es zu keiner Ausschüttung des Ertrages, sondern iMAG behält
sich diesen vor.
Ansonsten haben die Verleger die Möglichkeit sehr genau zu erfahren, welche
Lesergruppe; Altersgruppe, Geschlecht etc., sich für ihre Artikel interessiert hat.
Das können sehr wertvolle Marketingdaten sein, die der Verlag sonst nicht hätte
gewinnen können.123
123
Vgl. (i-magazine AG ), S. 4
38
3.2.1 Alternative Technologien
Im Gegensatz zum herkömmlichen Konsum von Magazinen und Zeitschriften,
die mehrheitlich im Einzelhandel in Form einzelner Hefte gekauft wurden, bietet
YumpuNews einen alternativen Weg. Diese alternativen Nutzer- und
Anbieterfunktionen samt ihren technologischen Möglichkeiten nehmen Einfluss
auf das Leseverhalten der Nutzer und die Verwertbarkeit des Gutes Magazin und
Zeitschrift. Die technischen Voraussetzungen, die das Unternehmen seinen
Lesern bietet, werden wie folgt beschrieben:
„Die einfache Usability und die zukunftsorientierten Features heben uns
von Wettbewerbern ab. Ein klares, minimalistisches Design, das die
Publikationen in den Vordergrund stellt, verbunden mit einer einfachen
Handhabung. Der einzigartige Reader erlaubt es via vorinstalliertem
Sprachassistenten / Vorlesefunktion die Inhalte audiovisuell zu
konsumieren. Die vektorisierte ePaper-Publikation bietet Lesevergnügen
in HD-Qualität.“124
Der Nutzer, bzw. Leser, war in der traditionellen Form auf einzelne Hefte
beschränkt und konnte aus Kostengründen und wegen der Erreichbarkeit nur
über eine beschränkte Auswahl von Zeitschriften an bestimmten Orten
verfügen.125 Sprachbarrieren aber auch Distributionshemmnisse waren der
Grund dafür, dass an bestimmten Kiosken nur eine bestimmte Auswahl an
Zeitschriften und Magazinen angeboten wurde. Auch bei den Abos war der
längere Versandweg mit höheren Kosten verbunden gewesen. YumpuNews baut
diese Schranken komplett ab und strebt ein internationales Angebot an.
Es kommt auch hinzu, dass der Leser durch die Zahlung des regelmässigen
Entgeltes und Einrichtung entsprechender Applikationen am Smartphone oder
auch Tablet eine stärke Motivation hat, häufiger und länger die Magazine und
Zeitschriften bei YumpuNews einzusehen. Auf diese Weise können neue Leser
124
(i-magazine AG ), S. 3
125
Vgl. (i-magazine AG ), S. 3
39
erreicht und gewonnen werden, die ansonsten womöglich etwaige Magazine
nicht gekauft hätten.126
Verlage geben bei YumpuNews nicht nur das aktuelle Heft frei, sondern auch die
älteren Ausgaben, so dass binnen einer kurzen Zeit eine Form eines digitalen
Archivs entsteht. Während beim herkömmlichen Konsum von Magazinen und
Zeitschriften Artikel ältere Ausgaben in der Regel keinen Absatz mehr fanden,
verlängert sich der Produktlebenszyklus dieser Artikel durch die Suchfunktion
von YumpuNews erheblich. Archivausgaben können auf diese Weise deutlich
länger monetarisiert werden.127
I-magazne AG, der Betreiber der YumpuNews, sieht sich selbst als einen
Dienstleister, der sich wie bereits bei seinem ersten Projekt, als Anbieter von
Dienstleistungen für die Verlagswelt versteht.
„Der grosse Vorteil des YumpuNews Marketplace ist die hohe Reichweite
an ePaper-Lesern, die den Verlagen den Zugang zu der jungen digital-
affinen Zielgruppe erleichtert und sich daraus zusätzliche Erlösquellen
ergeben. Wir sehen uns nicht als kompetitiver Wettbewerber, sondern als
Mitglied der Wertschöpfungskette und Partner der Verlagswelt.“128
3.2.2 Entwicklungsperspektiven
YumpuNews hat sich im ersten Schritt dazu entschieden ein Abomodell zu einem
Preis von EUR 9,97 anzubieten und sich auf die Zeitschriften, wie auch
Fachmagazine zu konzentrieren. Im nächsten Schritt, an dem aktuell gerade
gearbeitet wird, folgen die Anzeigenblätter. Es handelt sich dabei um
unterschiedliche Formate von kostenlosen Anzeigenzeitungen,
Wochenzeitungen, Wochenblättern und Stadtteilzeitungen. Dieses Angebot soll
zusätzlich kostenlose aktuelle Nachrichten der einzelnen Regionen in den Kiosk
integrieren. Die Tageszeitungen werden erst Ende Q3 mit in den Online-Kiosk
aufgenommen.
126
Vgl. (i-magazine AG ), S. 3
127
Vgl. (i-magazine AG ), S. 3
128
(i-magazine AG )
40
YumpuNews bietet eine Plattform auf der, wie bei den bereits etablierten
Geschäftsmodellen wie Spotify, Netflix, Amazon Prime, etc., zu einem sich
wiederholenden niedrigen Abopreis, unbegrenzt gelesen werden kann. Aktuell
bezahlt man in der Schweiz durchschnittlich für ein Magazin unterer Preisklasse
ca. CHF 4,50 – 6,00 und das für nur eine Zeitschrift. Auf YumpuNews erhält man
den Zugriff auf tausende Magazine und Zeitschriften für nur ein monatliches
Entgelt von EUR 9,97.
Des Weiteren verhält sich die Plattform, wie mit einem Marketplace. Die Leser
wenden sich auch Magazinen zu, welche sie bisher höchstwahrscheinlich nicht
gelesen hätten. Bei YouTube beobachtet man denselben Prozess, der auf
Konsumänderungen beruht. Man startet mit einem Video und eine Stunde später
fragt man sich, wo die Zeit geblieben ist. Die Verlage haben ihre eigene
Applikation, aber leider nicht die Reichweite oder nicht die Möglichkeiten ihre
Reichweite und die Abonnentenzahl zu steigern. YumpuNews besitzt den
Zugang zu Millionen von ePaper-Lesern durch ihr bisheriges Geschäftsmodell
und zeichnet sich durch die hohe Sichtbarkeit und Indexierung bei
Suchmaschinen aus. So ist es der ideale Marktplatz, samt der Technologie, das
Tracking, die Reporte an die Verlage über das Leseverhalten, wie auch die
Umformatierung von der Druckvorstufe in ein ePaper. Die technische Innovation
und Modernität verbunden mit der leichten Handhabung und der Userexperience
garantiert ein angenehmes, leichtes und schnelles Leseerlebnis. Das Team der
i-Magazine AG kümmert sich um die Onlinemarketingstrategie zur Vermarktung
des Dienstes YumpuNews und dementsprechend auch um die Vermarktung der
einzelnen Titel der Verlage.
Das YumpuNews-Geschäftsmodell wurde von der IVW (Auflagenkontrolle in
Deutschland) bereits zertifiziert. Am Ende eines jeden Quartales, erhält der
Verlag je Publikation eine genaue Abrechnung, welche er der IVW melden kann.
Daraus wird ermittelt, wie viel mehr Auflage der Verlag generiert hat. Durch die
höhere Auflage steigen die Werbeplatzpreise in den Magazinen, das heisst mehr
Umsatz für sie. Den Verlagen fehlt heute Zugang zu den jüngeren Generationen.
Qualitätsjournalismus hat seinen Preis und YumpuNews möchte diesen auch
den jüngeren Generationen angepasst an ihr Konsumverhalten, näherbringen.
41
Das Geschäftsmodell von YumpuNews ist ziemlich einfach definiert:
YumpuNews generiert Content, optimiert diesen für Google, Google liefert ihnen
Traffic und dieser wird wiederum monetarisiert.
Jeder Besucher, welcher die Webseite YumpuNews (www.yumpu.com/news)
besucht , erhält drei Minuten lang, kostenlosen die Möglichkeit zu lesen. Nach 3
Minuten wird er aufgefordert, sich mit seiner E-mailadresse zu registrieren, um
weitere 30 Tage kostenlos lesen zu können. Erst nach 30 Tagen muss der Leser
seine Zahlungsinformationen hinterlegen, um das Abo abschliessen zu können.
Die i-Magazine wählt diesen Weg ganz bewusst, hebt sich somit von anderen
Abonnementdienstleistern ab und bindet keine anfängliche Paywall mit ein. Viel
mehr möchte man auf dieser Plattform dem Interessenten die Möglichkeit geben,
sich umzusehen und zu stöbern, bevor man ihn in ein Abo drängt. YumpuNews
arbeitet mit dem Ansatz den User durch gezieltes E-Mailmarketing und Push-
Benachrichtigungen an den Zugang zum Onlinekiosk zu gewöhnen und ihn mit
Benachrichtigungen zu immer wieder neu erscheinenden oder ähnlichen
Ausgaben anlehnend an seine Interessen zu informieren. Die Plattform
YumpuNews verfolgt hinsichtlich der Distribution die einfache Marketingregel
AIDA. Attention – Interest – Desire – Action. Statt wie anfangs beschrieben, den
Leser sofort durch eine Paywall zu führen, sieht YumpuNews die Chance in der
im ersten Step einfachen Generierung der E-Mailadresse und werfen über dieses
Dialogfenster den Anker zum Leser.
Sie unterscheiden zwischen drei verschiedenen Gattungen von Konsumenten:
➔ Der Verweigerer
Diese Personen bezeichnet YumpuNews als jene, welche keinen oder nur
erschwerten Zugang zu Printmedien haben
➔ Der Gelegenheitsleser
Diese Personen konsumieren hin und wieder Printpublikationen, geben
aber in der Regel nicht mehr als EUR 10,00 pro Monat für solche aus
42
➔ Der Viel-Leser
Hier sprechen sie von der Zielgruppe, welche viel lesen und sicherlich
schon mehrere Abonnements bei diversen Printpublikationen
abgeschlossen haben
Den Fokus legt YumpuNews auf den Gelegenheitsleser und erst im weiteren
Schritt auf den Viel-Leser. Ihr Ziel ist es die gelegentlichen Leser von Zeitschriften
zu Vielleser und breit interessierte Nutzer aufzubauen. Die Zukunft bewegt sich
nach Aussage der i-Magazine AG auf die automatisierte Bewerbung und
Aussteuerung der Publikationen. Ziel ist es, durch den Erhalt der E-Mailadressen
in einen Dialog mit dem Leser zu treten. Der kostenlose Probezeitraum wird
dahingehend genützt, die Person zu analysieren und ihr Verhalten zu tracken.
Durch das breite Angebot der Online-Plattform kann der Leser mit verschiedenen
Inhalten via E-Mail bespielt werden. Durch eine auf künstliche Intelligenz
basierende E-Mail-Abfolge werden die Inhalte der E-Mails dem Interesse des
Lesers angepasst. Klickt der Leser beispielsweise auf eine Publikation während
er sich auf YumpuNews befindet, erhält er automatisch die nächste
Erscheinungsausgabe via Push-Benachrichtigung in sein E-Mail-Postfach. Durch
das Tracking des Userverhaltens, ist es der i-Magazine AG möglich, dem Leser
weitere an sein Interesse anlehnende Publikationen vorzuschlagen. Durch die
stetig zu einer Aktion animierenden E-Mail-Abfolge sowie dem Dialog mit dem
Endkonsument während diesem kostenlosen Probezeitraum wird das
Bewusstsein gestärkt sowie die Aufmerksamkeit und das Interesse für
verschiedene Titel geweckt. Nach Aussage von YumpuNews zeichnen sich
Erfolge und hervorragende Klick- und Öffnungsraten auf diesem Wege ab. Der
noch nicht kostenpflichtige Abonnent wird erst gegen Ende des Testzeitraumes
auf die Hinterlegung seiner Zahlungsinformationen hingewiesen, sollte er das
Angebot von YumpuNews weiterhin nutzen wollen.
Auch gibt es die Möglichkeit, wie bei Netflix, weitere Profile anzulegen, ebenso
wie Lesezeichen in den Magazinen, welche gelesen wurden zu setzen und viele
weitere Funktionen. Das Ziel von YumpuNews ist es, Nachrichten, Wissen und
Neuigkeiten mit dem Hintergrund des Qualitätsjournalismus in jeglichem Bereich
zu verbinden. Geplant ist, dass diese News nicht nur zum Lesen auf der Plattform
43
als ePaper anzubieten, sondern diese auch anhand von Videos und Podcasts
multimedial zu präsentieren. YumpuNews startet gerade jetzt mit der
Internationalisierung. Die nächsten Länder sind Grossbritannien, Niederlande
und Italien. In Grossbritannien konnten bis zum heutigen Tag (02.05.2020)
bereits Verträge mit Verlagshäusern abgeschlossen werden. Im letzten ¾ Jahr
hat YumpuNews den Markt für Zeitschriften in Deutschland intensiv bearbeitet,
so konnten über 470 Zeitschriften von 150 Verlagen unter Vertag genommen
werden. Gewisse Magazine findet man nur exklusiv auf der Plattform. Das
YumpuNews-Modell bedeutet, dass sich das bisherige Konzept der Zeitungs-
und Magazinverlage zukünftig grundsätzlich verlagern könnte. Der Leser wäre
nicht mehr an das Abo oder den Social-Media-Kanal ausgewählter Zeitungen
oder Magazine gebunden, sondern könnte über eine Flatrate auf alle Zeitungen
und Magazine zugreifen. Aus der Perspektive der Verlage selbst, erstünde
daraus eine ganz neue Situation, in der sie sich vollständig auf die redaktionellen
Aufgaben konzentrieren könnten und die Vertriebsaspekte auslagern könnten.
Gleichzeitig stünden sie im Rahmen von YumpuNews in direkter Konkurrenz
miteinander. Der Nutzer könnte direkt zu einem Thema oder zu einer
Angelegenheit in seiner nahen Umgebung mehrere Artikel unterschiedlicher
Verlage lesen und diese direkt vergleichen. Für den Leser ergibt sich daraus ein
erheblicher Mehrgewinn, denn er wäre technisch unabhängig von den jeweiligen
Abos und Geschäftsmodellen der einzelnen Zeitungen und Magazine.
Mit den beschriebenen Ansätzen deckt YumpuNews verschiedene
Problemstellungen der Verlagswelt ab. Die stetig steigenden Distributions- und
Herstellungskosten durch einfache Vervielfältigung im Internet, bei der ein PDF
der Publikation reicht, die Erreichung einer jüngeren, digitalen Zielgruppe durch
moderne Technologie, sowie die Sichtbarkeit ihrer Titel bei einem breiten
Publikum und somit eine Generierung neuer Interessenten für das Printmedium
der Verlage.
4. Chancen und Risiken der alternativen Vertriebswege und
Geschäftskonzepte für das Printwesen
44
Das Printwesen hat sich seit der Jahrtausendwende und der Krise der eigenen
Branche immer wieder selbst ins Gespräch gebracht. Dabei verwiesen die
Verlage immerfort auf die sinkenden Auflagen und die darrausfolgenden
sinkenden Erlöse. Wenig diskutiert wurde aber darüber, dass sich die Zeitungen
vorher über Jahrzehnte kaum verändert haben und eigentlich von ihrem Kapital
an treueren Lesern, wenn auch bereits altersmässig fortgeschritten, lange
profitierten. Sinkende Zeitungsauflagen wurden dann schnell zum Synonym des
schlechten Einflusses des Internets auf die vor allem jungen Menschen, die sich
angeblich von Informationen und Hintergrundberichten schlicht abwendenden.
Dabei handelte es sich um eine einseitige und kaum selbstkritische Narration, die
von den Zeitungen lange erfolgreich verbreitet wurde. Dabei haben die Zeitungen
weltweit, aber auch im deutschsprachigen Raum, in ihrer Entwicklung bereits vor
Jahrzehnten stagniert. Sie haben im Wesentlichen dem Medium Fernsehen
kaum etwas entgegengebracht. Ausgenommen sind hier Magazine und
Zeitschriften, wie z.B. die Bravo oder die Geo, die sich zum damaligen Zeitpunkt
der Zeitentwicklung und den Bedürfnissen ihrer Leser frühzeitig angepasst
haben. Die jungen Leser in den 1980er und 1990er Jahren standen der visuellen
Information des Fernsehens und dem farbigen Bild näher als dem gedruckten
Wort der Tageszeitung. Bei der Suche nach Erklärungen für die schwierige
Situation der Zeitungen und besonders der Tageszeitungen Anfang der 2000er
Jahre wird die Begründung nur selten im Umgang mit den Lesern seit den 1980er
Jahren gesehen. Dabei sind in eben dieser Zeit die jungen Menschen geboren,
die heute die Medien konsumieren. Die zurückliegenden Jahrzehnte und nicht
unbedingt ausschliesslich das Internet, sondern verstärkt das Fernsehen und das
Radio haben sie medial geprägt. Die Bilder vom Fall der Berliner Mauer oder
auch später vom Terroranschlag vom 11. September 2001 haben sich in das
Gedächtnis einer ganzen Generation eingeprägt. Sie sind über den
Fernsehschirm an die Menschen transportiert und adressiert gewesen. Daraus
folgte, dass Bilder und hier die bewegten Bilder ein sehr vertrautes
Kommunikationsmittel für Nachrichten und Ereignisse für Medienkonsumenten
sind, die heute jünger als 50 – 40 Jahre sind. In Anbetracht der Tatsache, dass
diese Altersgruppen die Hälfte oder sogar mehr als die Hälfte der potenziellen
Empfänger von Nachrichten und Berichten ausmacht, sind ihre
Medienerfahrungen und Mediengewohnheiten für die Medien von heute von
45
zentraler Bedeutung. Die meisten Analysen der Zeitungskrise scheinen diesen
Aspekt zu übersehen und sind mit der Bewertung der Qualität von Zeitungen,
hier besonders der Tageszeitungen zu grosszügig. Allein die Tatsache, dass die
Zeitungen aus gedruckten Lettern bestehen, sagt wenig über ihre journalistische
oder auch publizistische Qualität aus. Umso auffälliger ist es daher, dass
bedeutende Marken des Printbereichs, wie z.B. die Zeit, die NZZ und
internationale Blätter wie die New York Times in den letzten Jahren einen
verstärkten Nachdruck auf Qualität und gezielte Ansprache jüngerer Leser
betrieben haben. Allein die Inhalte der Zeitung auf das Internet 1:1 zu übertragen
reicht nicht aus. Wie die Analyse belegt hatte, verbreitern diese Medien ihr
Angebot, wobei sie exakt den Medienkonsum der mittleren und jüngeren
Generation mit Podcasts, Social-Media-Kanälen, Magazinbeilagen und Layouts
der Applikationen treffen wollen. Dabei sind sie aber nur dann erfolgreich, wenn
sie qualitativ hochwertig bleiben. Das Beispiel der Zeit zählt hier klar zu den
absoluten Erfolgskonzepten. Dieser Zeitung gelang es, die Zeitungskrise als
Chance zu begreifen aus der die Wochenzeitung stärker hervorgegangen ist. Die
Zeit hatte aber auch den Mut sich neuen und jüngeren Lesergruppen zu öffnen
und mit lebenswirklichkeitsnahen Themen Neuland zu begehen. Das gilt auch für
die Podcastkonzepte, die über die herkömmlichen Standards hinausgehen. Die
NZZ wählte im Gegensatz zu der Zeit ein weniger strenges Bezahlkonzept und
macht es z.B. den Facebooknutzern möglich nach einer vorherigen kostenlosen
Registrierung bis zu 10 Artikel am Tag online zu lesen. Der Erfolg dieser
Tageszeitung besteht vor allem daraus, dass es ihr in den letzten Jahren
gelungen ist, Leser und Abonnenten in Deutschland zu gewinnen.
Sowohl die Zeit als auch die NZZ nutzen in leicht unterschiedlicher Form die
Paywall. Das gilt auch für die Mehrheit der Magazine und Zeitschriften. Hier ist
der Zugang zu vielen Inhalten erst durch die Zahlung für den konkreten Text oder
der Ausgabe oder auch über den Abschluss eines Abos möglich. Eine Studie, die
sich mit der Wirkung von Paywalls in den USA beschäftigt hatte, bestätigt, dass
gerade hochqualitative Printprodukte, die ihren Fokus auf Politik und Wirtschaft
legen, bei Einrichtung einer Paywall weniger Leser verlieren als der Rest.129
Damit haben die hier untersuchten Zeitungen davon überproportional profitiert.
129
Vgl. (Kim, Song, & Kim, Oktober 2019), S. 4
46
Die Auswertung der Verkaufszahlen macht aber deutlich, dass die
Wochenzeitung die Zeit stärker im Bereich des Verkaufs ihrer Printausgabe
davon profitiert hatte als die NZZ. Währenddessen ist es der NZZ gelungen
jenseits der Schweiz Online-Abonnenten hinzuzugewinnen.
Bezogen auf den globalen Vertrieb von Magazinen über das Aboangebot
YumpuNews muss eine Interpretation der vorläufigen Ergebnisse noch warten,
da aktuell noch keine Geschäftszahlen bzw. Nutzerzahlenentwicklungen hierfür
vorliegen, da das Produkt erst im März aus seiner Beta-Phase geschlüpft ist.
Hierbei ist der innovative Ansatz zu berücksichtigen, der das Leseverhalten
verändern könnte und die Perspektive des Lesers in den Fokus nimmt.
Gleichzeitig folgt die Offerte von YumpuNews der üblichen Marktentwicklung bei
den Magazinen. Die Magazine haben in den letzten Jahren ihren Fokus
zunehmend auf Titel für Frauen gelegt und widmen sich stärker als vorher
Themen des Lifestyles. Grosse Marken z.B. der Spiegel, The Economist usw.
gehören klar zu den stärksten Verkaufsartikeln der Branche, ihre Bedeutung für
den gesamten Markt hat aber in den letzten Jahren abgenommen. Es ist
anzunehmen, dass sie Schwierigkeiten haben sich, auf die Digitalisierung ihrer
Angebote sozial, ökonomisch und fachlich umzustellen. Im Gegensatz zu den
Zeitungen, die wie die Zeit, aktiv einen bestimmten kritischen Geist bei ihrer
Leserschaft ansprechen und auf diese Weise an sich binden, fehlt es bis dato
den Magazinen entsprechende Wirkung zu erzielen. Es ist nicht ausgeschlossen,
dass das mitunter damit zusammenhängt, dass es den Zeitungen sogar
gelungen sein könnte, die Leserschaft der Politikmagazin für sich zu gewinnen.
Die Übersicht der Umsätze von der taz deutet daraufhin, dass sich Zeitungen
gerade am Wochenende besonders gut verkaufen können, da hier mehr Zeit für
umfangreiche und hintergründige Artikel vorhanden ist. Im Grunde gehört es
klassisch zu den Vorteilen von Magazinen, dass sie dann gekauft und gelesen
werden, wenn der Leser mehr Zeit für sie hat. Nun sind es aber bevorzugt die
Zeitungen, die mit ihren Wochenendausgaben, aber auch zusätzlichen
Angeboten, wie Magazinen und Beilagen, die Leserschaft an sich binden.
Gabor Steingart, der lange beim Spiegel gearbeitet hatte, sagte optimistisch
gegenüber dem Deutschlandfunk:
Digitale Transformation von Printpublikationen am Beispiel von YUMPU News, Die Zeit und NZZ.pdf
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  • 1. Universität St. Gallen HSG HOCHSCHULE FÜR WIRTSCHAFTS-, RECHTS- UND SOZIALWISSENSCHAFTEN Diplomarbeit Entwicklung und Distributionswege der Verlagshäuser sowie die digitale Transformation der Printpublikationen am Beispiel von YumpuNews, Die Zeit und NZZ Intensivstudium KMU Verfasser: Sarah Kunz Name und Titel des Betreuers: Urs Füglistaller Vorgelegt am 01.07.2020
  • 2. Inhaltsverzeichnis Inhalt 1. Einleitung .............................................................................................................................. 1 2. Problemstellung.................................................................................................................... 1 2.1 Digitalisierung des Printwesens .......................................................................................... 4 2.2 Auswirkungen auf die Zeitungsnachfrage......................................................................... 18 2.3 Auswirkungen auf die Magazine und Zeitschriften........................................................... 20 2.4 Nachrichtenwesen ............................................................................................................ 22 2.4.1 Folgen für die News ................................................................................................... 23 2.4.2 Folgen für Recherche und Hintergrundinformation .................................................. 27 2.5 Entwicklungsprozesse der Printmedien............................................................................ 29 3. Neue und alternative Vertriebswege und Geschäftskonzepte........................................... 30 3.1 Zeitungen .......................................................................................................................... 30 3.1.1 NZZ ............................................................................................................................. 31 3.1.2 Die Zeit ....................................................................................................................... 32 3.2 YumpuNews ................................................................................................................ 34 3.2.1 Alternative Technologien.......................................................................................... 38 3.2.2 Entwicklungsperspektiven ......................................................................................... 39 4. Chancen und Risiken der alternativen Vertriebswege und Geschäftskonzepte für das Printwesen............................................................................................................................ 43 5. Fazit......................................................................................................................................... 50 Literaturverzeichnis.................................................................................................................. 56
  • 3. 1 1. Einleitung Die Eidgenössische Medienkommission (EMEK) hatte vor zwei Jahren die wichtigsten Entwicklungen der Digitalisierung in der Medienlandschaft in der Schweiz vorgestellt. Dabei sind vor allem wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen aufgefallen. Generell gilt, dass mit der Digitalisierung die herkömmliche Wertschöpfungskette von Printmedien erheblichen Veränderungen ausgesetzt ist. Die Zahlungsbereitschaft der Leser schwankt je nach Medium. Die Zeitungsverlage versuchen daher, umso stärker ihre eigene Unternehmensstrategie den neuen Marktbedingungen anzupassen und bauen ihre Aktivitäten im Werbebereich und die alternativen Wirtschaftsrichtungen auf Kosten der Publizistik aus. Die Bezahlschranken, die inzwischen von den Zeitungen eingeführt wurden, haben zu einer sich verstärkenden Zentralisierung und Konzentration von Printmedien geführt.1 Für die Situation der Zeitungsverlage hat der Verband Schweizer Medien 2019 folgende Daten veröffentlicht: Die gedruckten Zeitungen und Zeitungsmagazine erreichen gerade in der deutschsprachigen Schweiz einen Reichweitenwert von 93.40%. Die Onlineausgaben liegen bei knapp 56%. In der ganzen Schweiz werden pro Bürger etwa 49 - 65 min. täglich für das Lesen einer gedruckten Zeitschrift bzw. Zeitung aufgewendet. Trotz dieser Spitzenwerte hat der Schweizer Medienverband in den letzten 10 Jahren einen stetigen Rückgang der Auflagenzahlen und der erscheinenden Titel verzeichnet. Wurde noch 2009 eine Gesamtauflage aller Zeitungen von 9'210'866 veröffentlicht, so sind es im Jahr 2019 nicht einmal mehr 6 Millionen gewesen.2 2. Problemstellung Das Zeitungswesen und damit auch der Bereich der Magazine hatte im Laufe der letzten Dekaden bereits mehrere Geschäftsmodelle und Finanzierungsmodelle 1 Vgl. (Eidgenössische Medienkommission EMEK, 22. Januar 2018), S. 2 2 Vgl. (Der Verband SCHWEIZER MEDIEN, 2019)
  • 4. 2 entwickelt, die sich jenseits des konkreten Verkaufs von Informationsinhalten bewegten. Der traditionelle Erwerb eines gedruckten Exemplars in einem Zeitungsshop, Kiosk o. Ä. oder auch per Abonnement hat für die Magazine und Zeitungen ihre Bedeutung verloren. Vielmehr gelten die Werbung und die Rechtevermarktung seit einiger Zeit als immer wichtigere Finanzierungsquelle.3 Das Printmedium hatte bereits vor dem Eintritt ins digitale Internetzeitalter eklatante Probleme, denn das Fernsehen, aber auch die sich verstärkenden Generationsunterschiede zwischen den Machern, allen voran lokale Zeitungen, und ihren potenziellen Lesern, hatten negative Auswirkungen. Die Probleme des Printmediums haben nicht mit der Digitalisierung begonnen, sondern in den Jahrzehnten davor. Es war allen voran das Medium Fernsehen und die Unterschiede beim Medienkonsum von jüngeren und älteren Menschen, die für die Zeitungen und Magazinen negative Auswirkungen hatten. „Der Lokaljournalismus hat es offenbar seit Längerem versäumt, sich diesen neuen Lebenswelten zu öffnen. Bereits seit den 80er Jahren, also schon vor dem Internet, weist Michael Haller für Deutschland nach, habe sich die Tageszeitung, insbesondere die lokale, Schritt um Schritt vor allem von jungen Leserinnen und Lesern entfernt und spricht in diesem Zusammenhang von einem „Prozess der Entfremdung“4 Die ursprünglichen Modelle der Zeitungen und Magazine, über die Werbeflächen und über den Verkaufspreis kostendeckend Nachrichten, Kommentare und sonstige Textbeträge ihren Lesern anzubieten, dürften bereits vor über einem Jahrzehnt ihre Geltung verloren haben. Die deutschsprachige Zeitungslandschaft ist im Vergleich zu den englischen Zeitungen oder auch Zeitungen aus dem europäischen Ausland relativ spät ins digitale Zeitalter eingetreten. Traditionell haben die Zeitungen im deutschsprachigen Raum eine komfortable Stellung gehabt, da das Zeitungslesen, aber eben auch das Abonnieren einer Zeitung, weit verbreitet ist. Gleichsam ist das Medium dadurch auch als Werbefläche begehrt gewesen. Beide Aspekte in Kombination haben den Zeitungen über Jahrzehnte hinweg gute und stabile Einnahmen beschert. Unter anderem haben auch deshalb die Zeitungen im deutschsprachigen Raum später auf die Verlagerung der Informationsbeschaffung ins Internet reagiert als die 3 Vgl. (Baur, 10.März 2013) 4 (Wolkinger, 2014), S. 59
  • 5. 3 englischsprachigen Medien. Die deutsche Frankfurter Allgemeine hatte z.B. erst Anfang der 2000er Jahre einen eigenen Onlineauftritt.5 Erst die einbrechenden Umsätze seit den 2000er Jahren haben die Verlage zu harten Einschnitten gezwungen. Bis in die 2010er Jahre haben die meisten Zeitungen Stellen abgebaut, neue Geschäftsfelder integriert oder z.B. wie die Westfälische Rundschau, ihre Redaktion schlicht geschlossen und sind seitdem vollständig auf den Einkauf von Inhalten angewiesen.6 „Andere Zeitungs- und Zeitschriftenverlage wie Springer und Burda setzten schon früh auf das Internet und glichen ihre Verluste im Print-Anzeigengeschäft damit aus, dass sie Anzeigenportale im Netz gründeten oder aufkauften. Gleichzeitig investierten sie in Verkaufsseiten und machen heute einen Grossteil ihrer Geschäfte beispielsweise mit Tiernahrung. So quersubventionieren sie ihre journalistischen Angebote. Die Verlegerfamilie Jahr reagierte währenddessen auf den rapiden Einnahmenrückgang bei Gruner + Jahr mit dem Verkauf ihrer Anteile an den Bertelsmann-Konzern.“7 Abseits der rein ökonomischen Notwendigkeiten und Logiken sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der technologische Wandel mit einem globalen Mentalitätswandel einherging, der von den Zeitungsmachern selbst nicht schnell genug verstanden und erfasst wurde. Sie haben über Jahrzehnte nicht gemerkt, dass sich ihre Leser veränderten. Zeitungen verharrten in einer sehr bequemen Situation, in der es genügte, dem Leser das vorzusetzen, was man gerade für richtig hielt, oder schlicht, was man gewohnt war in einer Zeitung zu machen. Zeitgleich veränderte sich über die Jahre der Zeitgeist und viele der Leser verloren ihre Passivität. Sie wurden kritischer, weil sie einerseits durch die Medienvielfalt mehr Auswahl bekamen, und andererseits wurden sie selbst als globale Individuen selbstbewusster in ihrer Urteilskraft und in der Wahrnehmung ihrer eigenen Bedürfnisse. Sie wollten selbst entscheiden, wo und wie sie sich informieren möchten. „Traditionelle Medien sind Push Medien, Inhalte werden auf einem oder mehreren Kanälen gesendet, mit der klassischen Kommunikationsmodellen folgenden Zuversicht, dass diese am anderen Ende von Rezipientinnen 5 Vgl. (Baetz, 26.10.2014) 6 Vgl. (Baetz, 26.10.2014) 7 (Baetz, 26.10.2014)
  • 6. 4 empfangen werden müssen. Im Web geht diese Strategie aber ins Leere: Wenn der User nicht will, kommt der Inhalt nicht an, er wird nicht angeklickt.“8 2.1 Digitalisierung des Printwesens Das Zeitungswesen begann 1609 mit der Publikation der ersten Zeitung, wie sie heute als gedrucktes Blatt Papier bekannt ist, in Strassburg.9 Die ersten Zeitungen erschienen in Deutschland, Schweiz, Frankreich und den Niederlanden im 17. Jahrhundert.10 Die ersten Beiträge, die sich an die Allgemeinheit richteten, erreichten jedoch zwangsläufig nur die Menschen, die des Lesens mächtig waren. Die ersten Texte stammten von Kaufleuten und Reisenden. Für die Berichterstattung bedienten sich die ersten Zeitungen der Vorortrelationen von Handelsniederlassungen und Kantoren. Erst später entstand ein regelrechtes Netz von Korrespondenzorten und Korrespondenten.11 Seit ihrer Entstehung ist die Kernaufgabe der Zeitung die Übermittlung und Verbreitung des Gegenwartgeschehens.12 Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kann von einem modernen Journalismus gesprochen werden, der ein bestimmtes Geschäftsmodell für dieses Medium nach sich zog. Bereits bei der Etablierung der ersten Stadtzeitungen haben sowohl die direkten Zeitungsverkäufe, als auch die Werbeeinnahmen für die Verlage eine Rolle gespielt.13 Nach Frank setzte in der Zeit nach 1874 erstmals eine Form von Pressefreiheit ein und die Entstehung einer Presselandschaft, zumindest in den westlichen Staaten, förderte, die seitdem die öffentlichen Diskussionen dieser Gesellschaften prägt. Ausgehend von der Periodisierung der Entstehung von Zeitungen nach Frank begann 1874 die Presse, ihre heute als Pressefreiheit bekannte Funktion in den westlichen Gesellschaften auszuüben. 8 (Schaffer & Körber, 2013), S. 15 9 Vgl. (Lee, 2019), S. 9 10 Vgl. (Burger, 2005), S. 34f 11 Vgl. (Burger, 2005), S. 37f 12 Vgl. (Lee, 2019), S. 9 13 Vgl. (Frank, 2018), S. 12
  • 7. 5 Doch erst seit 1900 kann von dem heute noch gängigen und modernen Journalismus Handwerk gesprochen werden. Damit sind nicht nur die strukturellen und institutionellen Formen gemeint, sondern der Einsatz von Methoden der Recherche, Ressorteinteilungen und der Schreibstil, die bis heute im Journalismus Gültigkeit haben.14 Die Presse als Printmedium zeichnet sich durch drei Merkmale aus. Sie erscheint regelmässig und ist daher periodisch. Die Presse ist relativ leicht zugänglich im öffentlichen Raum, da sie sowohl frei verfügbar z.B. in Bibliotheken oder Cafés oder auch käuflich erworben werden kann; an Presseständen und in Kiosken. Schliesslich erhebt die Presse den Anspruch auf Aktualität. Sie setzt sich mit aktuellem Geschehen auseinander.15 Wie kaum ein anderes Medium ist die Presse ein politisches Medium. So ist es die Zeitung, die gesellschaftliche Umwälzungen und Kriege mit ihrer Berichterstattung begleitet.16 Ausgehend von der klassischen Zeitungsausgabe ist das zentrale Geschäftsprinzip des Zeitungswesens folgendermassen darzustellen: Abbildung: Klassisches Geschäftsmodell des Zeitungswesens. Quelle: (Nohr, 2011), S. 74 Wie aus dem klassischen Geschäftsmodell des Zeitungswesens hervorgeht, steht die Aufmerksamkeit im Zentrum des Erfolges bzw. Misserfolges einer Zeitung. Nur wenn sie in der Lage ist, die Aufmerksamkeit zu generieren, wird sie gelesen, was sowohl zu mehr Verkäufen und Abonnements führt als auch 14 Vgl. (Frank, 2018), S. 12 15 Vgl. (Burger, 2005), S. 34 16 Vgl. (Burger, 2005), S. 38
  • 8. 6 nachgelagert mehr Anzeigenkunden anzieht, die von der Aufmerksamkeit profitieren wollen.17 Öffentliche Aufmerksamkeit kann in unterschiedlichster Form generiert werden. Mehrheitlich gewinnen die Tageszeitungen die Aufmerksamkeit über die Berichterstattung des politischen Geschehens im globalen, regionalen und teilweise auch lokalen Kontext. Parallel dazu galten über lange Zeit hinweg Anzeigen in den Zeitungen und Zeitschriften als ein wichtiges Element der Aufmerksamkeitsgenerierung. Wohnungsvermietung, PKW-An- und Verkauf oder auch die Veröffentlichung von Todesanzeigen waren gerade für Zeitungen mit einem klaren lokalen Bezug, so z.B. die Süddeutsche Zeitung, eine wichtige Strategie der Aufmerksamkeitsgenerierung. Das galt jedoch auch für kostenlose Zeitungen, Gemeindezeitungen und Blätter, die sich in der Vergangenheit allein über Anzeigen finanziert haben. Nicht wenige von Ihnen konnten über die Anzeigen eine beschränkte Form, in der Regel waren es freie Mitarbeiter, redaktionelle Inhalte unterhalten. In der Medienwissenschaft und der Medienökonomie folgt aus dem Zusammenhang zwischen Auflagenstärke und Werbeeinnahmen die sogenannten Auflagen-Anzeigen-Spirale. Wenn die Auflage einer Zeitung steigt, steigen die Werbeeinnahmen. Falls die Auflage aber sinkt, gehen die Werbeeinnahmen auch zurück. Die Orientierung an der Aufmerksamkeit allein über die Auflage einer Zeitung war schon in den 1980er Jahren nicht unumstritten. In der Tat war es eine sehr leicht zu beschaffene Datengrundlage, jedoch war ihr Wert gerade für die Werbung eindimensional. Die Reichweite wurde mit der Auflagenstärke gleichgesetzt. Die Unternehmen, die die Werbung in Zeitungen schalten wollen, orientieren sich bei ihrer Entscheidung nach der „1000 Kontakt – Regel“. Diese gibt an, wieviel ein Unternehmen zahlen muss, um 1000 Menschen mit seiner Botschaft zu erreichen.18 So profitierten davon vor allem auflagestarke Zeitungen. Mitte der 1990er Jahre entstanden erste ausschliesslich digitale Medien im Bereich der Berichterstattung. Im deutschsprachigen Raum war es 1994 das Onlinemagazin Spiegel Online, das heute zu den am häufigsten gelesenen 17 Vgl. (Lee, 2019), S. 10 18 Vgl. (Lee, 2019), S. 10f
  • 9. 7 Nachrichtenseiten zählt. Gerade in der Anfangsphase waren die Inhalte dieser Seiten für den Leser vollständig kostenlos.19 „Durch das Gefühl, dass Online-Nachrichten nicht nur aktueller als Printmedien seien, sondern im Gegensatz zu diesen auch kostenlos, sanken (zuerst langsam, dann immer schneller) die Auflagen der Printmedien. Das Schlimme für die Zeitungen sind noch nicht einmal die sinkenden Abonnement-Zahlen an sich, sondern v.a., dass es dadurch immer schwieriger wird, Anzeigenkunden zu gewinnen. Parallel dazu sanken die Preise, die man pro Anzeige verlangen kann.“20 Seit den 1990er Jahren haben die Zeitungen jedoch intensiv und gezielt ihre Geschäftsmodelle sowohl in publizistischer als auch finanzieller Hinsicht geändert. Ausschlaggebend war es dabei gewesen, kostenlose Angebote möglichst zu beschränken und das Potential der digitalen Berichterstattung zu monetarisieren. Spätestens um die Jahrhundertwende haben die etablierten Zeitungsverlage erkannt, dass ihr bisheriges Geschäftsmodell, das sich auf den Verkauf von Anzeigen, Printprodukten und herkömmlichen Zeitungsabonnements stützte, nicht mehr rentabel funktionieren kann.21 Ferner wurde deutlich, dass das nicht zukunftsfähig ist.22 „Junge Zielgruppen haben sich zudem im Nachrichtenbereich stark an Gratisangebote gewöhnt. Als Folge konnte sich die Pendlerzeitung parallel zur Diffusion des Internets auf der Basis eines ausschliesslich werbefinanzierten Geschäftsmodells etablieren, was vor allem die regionalen Tageszeitungen zu spüren bekamen. Gratisblätter erzielen heute unter den Zeitungen innerhalb der werbetechnisch attraktiven Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen die grösste Reichweite.“23 Das veränderte Nutzerverhalten vor allem der jüngeren Menschen wird im Zusammenhang mit der Zeitungskrise häufig als jene Tendenz beschrieben, statt des kostenpflichtigen gedruckten Inhalts lieber im Internet eine kostenlose Nachricht zu lesen.24 Selten wird dabei angesprochen, dass diese Tendenz 19 Vgl. (Baur, 10.März 2013) 20 (Baur, 10.März 2013) 21 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 6 22 Vgl. (Bauer, 23.04.2004) 23 (Bauer, 23.04.2004) 24 Vgl. (Bieri, 2017), S. 13
  • 10. 8 bereits Jahrzehnte früher mit der Verbreitung des Fernsehens eingesetzt hatte. Damals wurden die gedruckten Buchstaben und Worte von den bewegten Bildern abgelöst. Bereits zum damaligen Zeitpunkt nahm die Bedeutung der Zeitungen gegenüber Fernsehen ab. Wie Bieri betont, wurde dieser Prozess von soziokulturellen Veränderungen begleitet, die alte Gewohnheiten, zu denen ein Zeitungsabo oder auch das Zeitungslesen am Frühstückstisch gerade bei den bürgerlichen Familien gehörte, von anderen Gewohnheiten, wie z.B. Radiohören während der Fahrt zur Arbeit oder zur Schule, abgelöst.25 Das vermeintliche Desinteresse am lokalen, regionalen aber auch globalen Geschehen kann aber der Gruppe jüngerer Menschen nicht unterstellt werden. Sie haben ein Interesse an Nachrichten und Ereignissen, die um sie herum passieren. Sie verbringen heute auch mehr Zeit damit, sich über die Ereignisse zu informieren. Allerdings wählen sie heute bevorzugt andere Medien dafür als die gedruckte Tageszeitung. Stattdessen können Social-Media-Kanäle, die Nachrichten und Berichte veröffentlichen, auch bei jungen Menschen beliebt sein.26 „Vorteile vom Internet sind seine dynamisch generierten und multimedial aufbereiteten Inhalte, die in Echtzeit publiziert werden und dadurch sekündlich aktuell sind. Die Inhalte sind bei der Rezeption nicht zeitlich oder räumlich beschränkt. Aus diesem Grund ist seit Jahren ein ökonomischer Rückgang von Printzeitungen und ein Reichweitenverlust zu erkennen.“27 Schaffer und Körber haben die Branchenentwicklungen im Zeitungswesen seit den 1960er Jahren betrachtet und kamen zu dem Schluss, dass lange vor der Digitalisierung erstmal in den USA und später auch in Westeuropa eine Marktkonzentration stattgefunden hatte. Gerade die Lokalzeitungen wurden immer häufiger von Medienkonzernen aufgekauft. Die Medienkonzerne haben Zeitungen denselben Spar- und Gewinnzwängen unterworfen, wie alle anderen Sparten ihrer Wirtschaftstätigkeit. Die grosse Bindung der lokalen und regionalen Zeitungen mit ihren Lesern vor Ort machte es möglich, dass bis in die 2000er hinein, Zeitungen Gewinne abwerfen konnten, obwohl die Werbeeinnahmen schon länger rückläufig waren. Die Medienkonzerne, die die Zeitungen führten, 25 Vgl. (Bieri, 2017), S. 13 26 Vgl. (Bieri, 2017), S. 14 27 (Bieri, 2017), S. 14
  • 11. 9 waren lange untätig geblieben, da die Sparmassnahmen, die sie durchführten, stets dazu führten, dass Gewinne generiert wurden. Diese rein ökonomische Logik wurde erst 2008 unterbrochen, als wegen der weltweiten Wirtschaftskrise die Werbeeinnahmen endgültig einbrachen. Die Medienkonzerne handelten in dieser Situation klar nach ihren Regeln und schlossen die Unternehmen, die keinen Gewinn mehr machten. Ein besonders prominenter Fall in Westeuropa, war damals die Schliessung der Redaktion der Financial Times Deutschland.28 Soweit deckten sich die globalen Entwicklungen des Zeitungswesens bis zur Banken- und Finanzkrise von 2008. Dann konnte jedoch ein wichtiger Unterschied beobachtet werden. In Europa brachen die Werbeeinnahmen um rund ¼ ein, bei einem gleichzeitigen Rückgang der Auflagen in etwa gleichem Umfang. Stattdessen war die Situation in den USA bezüglich des Einbruchs der Werbegelder drastischer, denn hier brachen über 40% weg, aber die Verlage reduzierten ihre Auflagen deutlich weniger stark, denn diese gingen lediglich um 13% zurück.29 Deutlich ablesbar ist daran, dass die Besitzstrukturen, die Mentalitätsunterschiede und die Risikobereitschaft der Verlage auf den jeweiligen Märkten differenzierte Reaktionsstrategien nach sich zog. Europäische Unternehmen zogen bei Einbruch der Werbeeinnahmen, eine beinahe spiegelbildliche Reduktion der Kosten bei den Auflagenstärken vor. Damit haben sie aber ihr eigentliches zentrales und wichtigstes Kapital, die Auflagenstärke als Reichweitenäquivalent, selbst klein gemacht und reduziert. Anders hingegen die US-amerikanischen Verlage, die trotz deutlich stärkerer Einbrüche, die Auflagenstärke moderat nach unten korrigierten.30 Die Schlussfolgerung seitens der europäischen Zeitungsverlage bis etwa Mitte der 2000er war eine verstärkte Verlagerung der direkten Erlöse, die bisher zum grössten Teil über die Anzeigenerlöse und Abonnements generiert wurden, hin zu den indirekten Erlösen, die sich auf Einnahmen aus der Werbung stützten. Für Zeitungen mit einer lokalen Bindung war darüber hinaus das Ende der traditionellen Anzeigenfunktion ein schwerer Schlag. E-Commercedienste haben bereits seit Anfang der 2000er das Anzeigenwesen verändert und die 28 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 9 29 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 9 30 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 9
  • 12. 10 herkömmliche Zeitungsanzeige abgelöst. Überregionale und besonders gut etablierte Zeitungen, zu den auch die NZZ und die Zeit zu zählen sind, haben aber zum selben Zeitpunkt erkannt, dass ihre Stärken in der hohen journalistischen Qualität und der besonders hochwertigen Marke liegen. Sie begannen Onlineinhalte eng mit den Printpublikationen zu vernetzen, um etwaige Synergien zu nutzen. Bauer spricht hierbei von dem Aufbau eines festen Kundenstammes «Community-Builder», der sowohl die Printinhalte als auch die Onlineinhalte derselben Zeitung intensiv nutzt. Die Kundenbindung auf der Basis einer hochwertigen Qualität der Inhalte nahm für diese Verlage deutlich an Bedeutung zu. Schliesslich führte sie dazu, dass unabhängig von der Konkurrenzsituation zwischen den Blättern selbst, oder auch zwischen den einzelnen Medienformaten Kooperationen entstanden sind, die zum Wohle der hochwertigen Qualität des Journalismus ins Leben gerufen wurden.31 Wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen den Medien und Zeitungen sein kann, zeigten die Enthüllungen der Panama Papers, bei denen 376 Journalisten weltweit beteiligt waren.32 Angstmann datiert den eigentlichen Durchbruch der intermediären Kooperationen mit dem Jahr 2014 als eine ganze Reihe von erfolgreichen Formaten, wie z.B. Reportagepodcasts, ihre ersten globalen Erfolge feierten. Für das Zeitungswesen besonders wichtig gewesen, ist die Tatsache, dass nicht nur die Radiosender, die technisch im Vorteil bei den Podcasts waren, erfolgreiche Produktionen entwickeln konnten, sondern eben auch die grossen Zeitungen, wie die New York Times oder auch das Investigativ-Netzwerk Pro Publica weltweit erfolgreiche Podcastproduktionen, wie „Trump Inc“ oder „Caliphate“ produzieren konnten.33 Die Zeitung als Marke setzte Mitte der 2000er Jahre zunehmend auf den Absatz von Nebenprodukten, wie Buchreihen und Bildungsangeboten. Schneider und Unruh betonen in dem Zusammenhang die Kommerzialisierung von Nebenprodukten, wie z.B. von der Zeit Akademie, die stark in den Bildungsbereich fällt. Im Jahr 2004 erklärte die Süddeutsche Zeitung, dass der 31 Vgl. (Bauer, 23.04.2004) 32 Vgl. (Herrmann, 21. November 2016) 33 Vgl. (Angstmann, 03.07.2018)
  • 13. 11 Vertrieb von Nebenprodukten zum drittwichtigsten Geschäftsfeld der Zeitung geworden ist.34 Mit dem Boom der Social Media ab der Mitte der 2000er Jahre rückt die Vernetzung der unterschiedlichen Kanäle verstärkt in den Fokus. Facebook, Twitter und LinkedIn werden seitdem immer stärker für die Präsentation und den Vertrieb der publizistischen und journalistischen Inhalte verwendet.35 Parallel dazu sind verstärkt Angebote für mobile Endgeräte eingeführt worden. Heute verfügen alle grösseren Zeitungsverlage in Deutschland und der Schweiz über eigene Applikationen.36 Im Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell der Zeitungen, sind Applikationen besser dazu geeignet, Inhalte zu monetarisieren als im Web. Entsprechend einer von Schaffer und Körber zitierten Studie waren vier Mal so viele Nutzer bereit für Artikel innerhalb einer App zu zahlen, als am PC.37 Die meisten Zeitungen, darunter auch die Zeit, haben den Einstieg in die Monetarisierung ihrer digitalen Inhalte über die Einführung des E-Papers gemacht. So konnte die Printausgabe in Form eines PDF-Files exakt inhaltsgleich den Lesern auf ihren mobilen Endgeräten, Lesegeräten und Computern bereitgestellt werden.38 In der darauffolgenden Phase wurde das Paywallprinzip von immer mehr Zeitungen eingeführt. Sie folgten hier dem Beispiel des US-Blattes New York Times, das als erstes eine Paywall einsetzte und damit auch finanziell erfolgreich war. Auf dem deutschen Zeitungsmarkt war es der Axel Springer Verlag, der als erster eine Paywall installierte. Allerdings wurden auch einzelne Inhalte von dem Prinzip ausgeschlossen, so dass sie noch kostenlos zugänglich blieben. Das Paywallprinzip kündigt jeweils einen Textbeitrag mit der Überschrift und einer kurzen Einleitung an, um anschliessend den Rest des Artikels in voller Länge erst nach Zahlung oder Abschluss eines Abonnements zu ermöglichen.39 Die Verlagsgruppe Madsack als einer der grössten Verlage für Lokalzeitungen setzte ihre Paywall im März 2012 erstmals 34 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 7 35 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 7 36 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 7f 37 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 11 38 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 9 39 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 12
  • 14. 12 durch.40 Ein weiteres mögliches Modell basiert auf Abonnements, die Zutritt zu digitalen Inhalten frei machen. Zu den Vorreitern dieses Modells gehörte die französische Internetzeitung mediapart.fr, die 2008 als reines Onlineangebot gegründet wurde.41 Abonnementfinanzierte Zeitungen und Magazine brauchen eine klar definierte und treue Fancommunity. Diese kann sowohl durch eine Spezialisierung als Branchenmedium oder auch durch eine besondere Qualität erreicht werden. Die Eignung dieses Geschäftsmodelles für ein breites Zeitungsangebot wird als gering eingeschätzt.42 Seit dem Siegeszug des Internets sind mehrere Bezahlmodelle gerade in den USA und Grossbritannien ausprobiert worden. Das Wall Street Journal hat in der ersten Phase genauso wie die grössten Zeitungsmarken der Welt, wie die New York Times und die britische The Times so genannte harte Paywalls eingerichtet, die keine kostenfreie Einsicht ihrer Inhalte zuliessen. Allerdings haben diese Zeitungen bereits kurz nach dem Einsatz dieser Methode einen Grossteil ihrer Leserschaft verloren, weshalb sie schnell dazu übergingen, Mischmodelle anzubieten. Unter den mittel- und westeuropäischen Zeitungen war es die NZZ neben der deutschen Bild und der Welt, die mit Mischmodellen arbeiteten, die einerseits kostenloses Lesen einiger Artikel ermöglichten, aber dann auch andere Artikel kostenpflichtig machten.43 Bedauerlicherweise konnten sich Mikropaymentmodelle zu keinem Zeitpunkt auf dem Zeitungsmarkt durchsetzen. Die Zeitungen erklären den Misserfolg dieser Zahlungsart zumeist mit den technischen Umständlichkeiten.44 Da die Applikationen eine stärkere Kundenbindung aufweisen und grundsätzlich eine höhere Neigung zeigen, für den bereitgestellten Inhalt zu zahlen, hat es wiederholt Versuche gegeben, Websites auf Apps umzuleiten, oder auch, wie bei www.bild.de die Website für Tablets komplett zu schliessen, um die Installation von Applikationen zu erreichen.45 40 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 13 41 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 13 42 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 13 43 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 12 44 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 12 45 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 11
  • 15. 13 Der Vertrieb von E-Paper wurde mit der Verbreitung von Applikationen auf Smartphones weniger zentral, während die oben vorgestellten Modelle besonders gut mit den Social Media und den Smartphone- und Tablet-Apps kombinierbar und umsetzbar sind.46 „Die eigenständige Zeitungs-App ist durchaus in der Lage, einen Bedarf zu decken, den die Printversion noch nicht bzw. in anderer Form abdeckt. Sie bietet Nutzern eine andere, bisweilen völlig neue Nutzungserfahrung mit den Zeitungsinhalten.“47 Im Zusammenhang mit der hier untersuchten Zeitung Neue Zürcher Zeitung (NZZ) ist eine weitere Variante der Paywall heraus zu stellen. Es handelt sich dabei um das „Metered Model“. Technisch handelt es sich um eine versetzte Paywall, die erst zur Kasse bittet, wenn eine bestimmte Anzahl von Artikelzugriffen pro Tag oder pro Monat überschritten ist. Vorreiter dieses Models war die Financial Times.48 Über die oben erwähnten Modelle hinaus, gibt es eine Reihe von Modellen, die seltener auftreten und eher in medialen Nischen vorzufinden sind. Die Komfortausgaben und Vorteilsclubs sind eine dieser Möglichkeiten. Hier können gegen Abonnements bestimmte Extras, wie Karten zu Veranstaltungen oder auch Sondereditionen erworben oder bezogen werden.49 Die Zahlungsmodelle auf freiwilliger Basis sind eine weitere Möglichkeit für digitale Zeitungsartikel finanzielle Mittel zu gewinnen. Weltweit gibt es dafür vielfältige Möglichkeiten, die sowohl Crowdfunding einschliessen als auch eine Reihe von weiteren Unterstützungsmodellen. Die Tageszeitung (taz) aus Hamburg gehört in Deutschland zum Kreis der Vorreiter dieses Modells. Ihre Artikel können Online gegen eine Spende gelesen werden.50 46 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 11 47 (Unruh & Schneider, 2012), S. 11 48 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 14 49 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 14f 50 Vgl. (Unruh & Schneider, 2012), S. 15
  • 16. 14 „Im Vergleich zu den Einnahmen, die aus Spenden über ein System wie „taz-zahl-ich“ eingehen, haben Crowdfunding Projekte den Vorteil, dass die Arbeit der Journalisten erst losgeht, wenn die Recherche bereits angezahlt ist, gerade bei der Finanzierung im Nachhinein steht die Abhängigkeit vom Leser im Vordergrund, insofern lassen sich zukünftige Einnahmen schwer kalkulieren und dienen möglicherweise eher als Rückmeldung der Leser, welche Artikel sie gerne gelesen haben.“51 Seit einigen Jahren werden weitere Entwicklungen beobachtet, die von Herrmann im Zusammenhang mit der Beobachtung der Preisverleihungen für europäische Zeitungen angesprochen wurden. Die Tendenz zur Crossmedialität nimmt zu. Integrierte Berichterstattung im Social Web, Print, TV-Live und Digitales verwischt zunehmend die Grenzen zwischen den einzelnen Medien. Die Social-Media-Kanäle entwickeln sich immer stärker zum Kommunikationsmedium zwischen Lesern, Interessierten, Journalisten und den Redaktionen. Veränderungen beziehen sich auch auf die visuelle Aufbereitung von Artikel, die immer mehr Infografiken und Abbildungen beinhalten. Abbildungen, Farben und eine Optik, die den Leser, sowie Smartphonenutzer anspricht, rücken verstärkt in den Vordergrund. Herrmann sieht darin die Tendenz der Vermischung und Verschmelzung der Formate Zeitung und Magazin. Wichtig ist hierbei, dass fast alle grossen Zeitungen heute mehrere eigene Magazine herausbringen und diese nicht selten eine Beigabe zur Zeitung sind, z.B. Zeit Campus.52 Darüber hin aus bieten Zeitungen heute auch eine breite Palette von Präsentationsformen, davon zeugt z.B. das Podcastformat der NZZ, das im Frühjahr2020 gestartet ist. Das Format widmet sich täglich in Form eines Podcast einem internationalen Thema. Die Zeitung strebt damit gezielt ein junges und technikaffines Publikum in der Schweiz und in Deutschland anzusprechen.53 «Wir wollen mit dem Podcast unsere Kernkompetenzen – Analyse und Hintergrund, Antizipation von internationalen Entwicklungen, Einordnung durch unsere Experten vor Ort – mit dem zeitgemässen Audioformat zusammenbringen und damit auch ein neues und jüngeres Publikum ansprechen. Dabei orientieren wir uns an aktuellen Themen, schürfen 51 (Unruh & Schneider, 2012), S. 16 52 Vgl. (Herrmann, 21. November 2016) 53 Vgl. (NZZ-Podcast-Team steht fest, 13. November 2019)
  • 17. 15 aber tiefer und bieten Raum für Reflexion», sagt Eric Gujer, Chefredaktor der «Neuen Zürcher Zeitung».“54 Die Zeit praktiziert das Format Podcast deutlich länger und hat bereits 2018 ein Interview-Format „Alles gesagt?“, sowohl im ZEITmagazin als auch Online eingeführt. Dieses interessante und ungewöhnliche Format, nimmt Interviews nach Ablauf ihrer offiziellen Zeit weiter auf. Auf diese Weise kommen weitere spannende Beiträge zutage, die sonst inmitten der Diskussion nicht angesprochen wurden.55 Wenn die Digitalisierung auf die direkten Werbeeinnahmen übertragen wird, ergibt sich ein ambivalentes Bild. Einerseits können durch die Digitalisierung die Daten, wie die Reichweite, inzwischen viel genauer und exakter durch die Klickzahlen und Lesedauer, sowie zusätzliche Daten zur geographischen Verortung oder auch Angaben zur Leserperson gewonnen werden. Anderseits stehen in der digitalen Öffentlichkeit den Unternehmen, die Werbung schalten wollen, sehr viele unterschiedliche Portale zur Verfügung. Darunter eben auch jene mit einem kostenlosen Zugang, die womöglich mehr Aufmerksamkeit generieren können, u.a. auch gerade aus dem Grund, dass sie alle ihre Inhalte kostenlos zur Verfügung stellen. Lee betont einen wichtigen ökonomischen Vorteil der Digitalisierung gegenüber den Printmedien. Die Finanzierung eines digitalen Inhalts ist lediglich auf die so genannte. „First-Copy“ beschränkt. Die Vervielfältigungs- und die globalen Vertriebskosten, die bei den Printausgaben anfallen, entstehen bei digitalen Angeboten nicht.56 „Als einer der grössten Vorteile der digitalisierten Medienprodukte gilt die Kostenreduzierung des Mediengewerbes. Da die Vervielfältigungs- und Transportkosten in der Digitalwelt gegen Null tendieren, können Digitalangebote trotz der hohen First-Copy-Kosten der Medienproduktion, die besonders aus Beschaffung, Selektion, Aufbereitung, Bündelung und Verbreitung von Informationen eines Medienunternehmens entstehen, 54 (NZZ-Podcast-Team steht fest, 13. November 2019) 55 Vgl. (ZEIT ONLINE und ZEITmagazin starten „Alles gesagt?“, einen unendlichen Interview-Podcast, 23.04.2018) 56 Vgl. (Lee, 2019), S. 12
  • 18. 16 mithilfe der Eigenschaften des Internets synchronisch weltweit verbreitet werden.“57 Der Hinweis von Lee ist in der Tat bedeutend und fliesst in die Kalkulation von digitalen Aboangeboten mit ein. Gleichzeitig sollte auf die neue Konkurrenzsituation bei den Zeitungen im Internet aufmerksam gemacht werden. Gerade bei Nachrichten ist es für die Zeitungen besonders wichtig, gute Ergebnisse bei der Google-Indexierung zu erzielen. Folgerichtig entstehen hierbei zusätzliche Kosten für die Optimierung der Inhalte und Seiten, sowie Werbekampagnen bei Facebook etc... Diese Kosten werden in Analysen, wie der von Lee, nicht selten vernachlässigt. Die, die Suchmaschine Google betreffenden Kosten, wurden aber in die Betrachtung von Schäfer und Körber aufgenommen. Die Medienwissenschaftler sprechen hierbei die mutmasslichen Einnahmeverluste über die Publikation von sgn. Snippets bei Google an. Es handelt sich um die Suchergebnisse bei Google, die mit dem Titel und zumeist mit einer bis zwei Zeilen eines Newsartikels ergänzt werden.58 Die Nutzer können auf diese Weise diese Kurzinfo nutzen, ohne dafür zu zahlen. Deutlich mehr Potenzial entfaltete sich im Zuge der Digitalisierung bei der Leserbeteiligung und ihrer Partizipation. Während früher eigentlich nur der Anruf bzw. bestenfalls ein Abdruck bei den Leserbriefen die Möglichkeiten der Beteiligung der Leser ausmachten und sehr genau von den Redaktionen gesteuert werden konnten, sind die Partizipationsformen von heute erheblich vielfältiger und aus der Perspektive der Redaktion weniger kontrollierbar. Kommentare unter den Artikeln, Kommentare unter den Beiträgen via YouTube und Facebook, bieten neue Möglichkeiten die Zeitungsinhalte schnell und öffentlich zu beurteilen und gegebenenfalls zu kritisieren. Das gilt auch für die Verbreitung, d.h. für das Teilen von Artikeln via Social-Media-Kanäle. In diesen Fällen sind die digitalen Leser klar im Vorteil gegenüber dem Printproduktkonsumenten, der noch mit Schere und Kleber z.B. Artikel sammelte oder auch auf eigene Kosten kopieren konnte.59 57 (Lee, 2019), S. 12 58 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 10 59 Vgl. (Lee, 2019), S. 13
  • 19. 17 „Mit der steigenden Internetnutzung gingen die traditionellen Massenmedien auf den Weg in die Digitalwelt und begannen evolutionäre Umwandlungsprozesse vom ursprünglich einseitigen Verbreitungsweg (Push-Medien) zu einem zweiseitigen Kommunikationskanal. Dadurch konnten sie Öffentlichkeit und Feedback von der Empfängerseite sofort unmittelbar erhalten, reagieren und anschliessend ihre Dienstangebote/Mediengüter den Bedürfnissen des Marktes/Publikums effizient anpassen.“60 Die Digitalisierung, als technologischer Fortschritt birgt viele Risiken, Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für die Zeitungen in sich. Allerdings haben viele Zeitungen nach Meinung von Medienexperten ihr wichtigstes Potenziell während der Krise in den 2000er Jahren eingebüsst. Der Nutzer ist nur dann bereit zu zahlen, wenn er von der Zeitung etwas erhält, das einen journalistischen Mehrwert hat, dazu gehören traditionell Hintergrundberichte, Vorortrelationen, Investigativtexte und Reportagen. Der Leser ist sich durchaus klar darüber, dass diese Art von Texten deutlich aufwändiger und teurerer ist als ein einfaches Umformulieren von Pressemitteilungen. Viele Redaktionen können sich den Qualitätsjournalismus personell und kostenbedingt nicht mehr leisten. Es kommt hinzu, dass in vielen Zeitungsverlagen der digitale Bereich in eine gesonderte Redaktion überführt wurde. Beispielhaft stehen dafür die entsprechenden Redaktionen in Österreich, die schlechter bezahlt werden und schlechtere Arbeitsbedingungen vertraglich zugesichert bekommen haben als ihre Kollegen in den Printredaktionen. Mit einem benachteiligten Personal, knappen Finanzmittel und weniger Prestige, fällt es den Onlineredaktionen schwer, qualitativ hochwertigen Journalismus zu betreiben, der die Nutzer davon überzeugen könnte, für den Inhalt zu zahlen.61 Als besonders nachteilig für die Onlineangebote von Zeitungen stellt sich die vermeintliche Zweitklassigkeit ihrer Stellung gegenüber dem Printprodukt dar. „Zum Teil wird immer noch die Auffassung vertreten, die Website sei ohnehin kein journalistisches Produkt, sondern nur ein Marketingtool, um das jeweilige Printprodukt zu verkaufen. Angesichts solcher Haltungen wäre es nicht verwunderlich, wenn der eine oder andere Titel in Österreich kurz- bis mittelfristig aus der Medienlandschaft verschwindet.“62 60 (Lee, 2019), S. 13 61 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 13 62 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 13
  • 20. 18 Vielfach wird im aktuellen Modell der digitalen Inhalte vor allem die Aufmerksamkeit der Leser auf den Traffic reduziert. Es gilt den Leser in einer höchstmöglichen Anzahl, auf seinen Inhalt zu lenken. Der Tiefe und der Langzeitbindung dieser Aufmerksamkeit wird stattdessen weniger Bedeutung zugemessen. Im Vordergrund stehen Marketingmassnahmen, die journalistische Inhalte in Verbindung mit anderen Gütern und Dienstleistungen verkaufen, um auf diese Weise Umsätze zu generieren. Der kurzfristige Gewinn, möge er auch nur mit begleitenden Angeboten gemacht worden sein, wie Browserspielen etc., ist für viele Zeitungsverlage und Medienkonzerne ebenso wichtig, wie journalistische Anerkennung und eine treuere, kritische und vor allem anspruchsvolle Leserschaft. Dieser Tendenz fallen nicht nur kleinere Verlage, sondern auch die grössten und ehemals berühmtesten Verlage Europas zum Opfer. Der Springerverlag hat seit 2013 seine journalistische Perspektive stark verändert und die Beteiligungen an Zeitungen, die bisher dem Verlagshaus gehörten, verkauft. Dafür möchte Springer stärker in die Ökonomisierung des Internets investieren, wie z.B. dem Geschäftsfeld Springer Science+Business Media S.A.. Darüber vertreibt das Medienhaus erfolgreich wissenschaftliche Bücher und Zeitschriftenartikel.63 2.2 Auswirkungen auf die Zeitungsnachfrage Die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Zeitungswesen ist vielfältig und nicht generalisierbar. Binnen der letzten 10 Jahre ist gerade bei den Tageszeitungen ein deutlicher Rückgang der Printausgaben in Deutschland zu beobachten. Die Auflagenstärke nahm seit den 1990er Jahren um rund 33% ab.64 Diese Angabe entspricht auch dem Rückgang der Printauflage der NZZ. Die Rückgänge fallen aber nicht gleichmässig aus. Einzelne Zeitungen, wie z.B. die taz, haben geringere Rückgänge verzeichnen können. Die taz konnte ihre Verluste geringer halten, da die Nachfrage nach ihrer separat angebotenen Wochenendausgabe gestiegen ist. Es handelt sich dabei um ein ungewöhnliches 63 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 14 64 Vgl. (BULL, 06.02.2019)
  • 21. 19 Kombiabo, dass Werktags die digitale Ausgabe über die App liefert und am Wochenende die Printausgabe.65 Abbildung: Auftragsstärke bei der taz im Jahr 2018. Quelle: (BULL, 06.02.2019) Diese Abbildung gibt Auskunft darüber welche Sparten bei einer überregionalen Tageszeitung, wie der taz zunehmen und welche abnehmen. Rückläufig ist neben der gedruckten taz, die in Kooperation mit Le Monde monatlich erscheinende Le Monde diplomatic. Stattdessen stieg die Anzahl der freiwilligen regelmässigen Unterstützer der Zeitung stark an. Ebenfalls deutlich stiegen die Kombiabos, wie oben bereits angesprochen wurden. Ihren Absatz verbessern konnte auch die Zeitschrift für Zukunft und Politik.66 Im Gegensatz zu den überregionalen Tageszeitungen und Wochenzeitungen haben viele lokale Tageszeitungen die Umstellung auf digitale Inhalte nicht überlebt. Lokale Tageszeitungen sind deutlich stärker davon betroffen, dass der herkömmliche Abonnementenmarkt sich rückläufig entwickelt. Bull spricht dabei davon, dass die Tageszeitungen im Wesentlichen keine massenhaften Kündigungen bestehender Verträge erleben, sondern eher in der Situation sind, dass es zu wenige neue Vertragsabschlüsse gibt. Die Kunden lassen die 65 Vgl. (BULL, 06.02.2019) 66 Vgl. (BULL, 06.02.2019)
  • 22. 20 bestehenden Verträge auslaufen und verlängern sie nicht.67 Die Auflagenzahlen für Zeitungen aus dem dritten Quartal des Jahres 2019 machen aber deutlich, dass sich gerade in der neuesten Zeit die Auflagenstärke aller Medien stabilisiert hat. Das gilt auch für die Tageszeitungen, die ihre Auflagen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum halten konnten. Bei den Wochenzeitungen konnte sogar eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr verzeichnet werden.68 Sowohl bei den Tageszeitungen als auch beiden Wochenzeitungen stieg der Absatz von digitalen Inhalten an und beträgt inzwischen rund 10%.69 2.3 Auswirkungen auf die Magazine und Zeitschriften Die letzten Jahrzehnte haben nicht nur bei den Zeitungen, sondern auch im Bereich der Magazine und Zeitschriften erhebliche Veränderungen mit sich gebracht. Eine Reihe an Zeitschriften, wie z.B. Neon, Revue und Young woman’s magazine haben die Krise nicht überlebt und sind vom Markt verschwunden.70 Während es Jugendmagazine, Kino- und Unterhaltungszeitschriften besonders schwer haben, verzeichnen Magazine, die gezielt ein weibliches Publikum ansprechen Zuwächse. Gerade Gesundheitsaspekte und Lifestylethemen spielen hier eine wichtige Rolle. Die Zuwächse gehen aber vornehmlich darauf zurück, dass es in diesen Bereichen immer mehr Titel gibt.71 Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) Stephan Scherzer bescheinigte der Branche erhebliche Erlösmöglichkeiten, obwohl das Geschäftsumfeld Anzeigen und Vertrieb zurückgehen, trugen digitale Angebote und Nebenprodukte dazu bei, dass das 67 Vgl. (BULL, 06.02.2019) 68 Vgl. (AUFLAGENZAHLEN DES 3. QUARTALS 2019, 18.10.2019) 69 Vgl. (AUFLAGENZAHLEN DES 3. QUARTALS 2019, 18.10.2019) 70 Vgl. (Boccarius, 27. August 2018) 71 Vgl. (Boccarius, 27. August 2018)
  • 23. 21 Verlegen von Zeitschriften und Magazinen auf dem deutschen Markt im Jahr 2019 rentabel sein konnte72 „Als Beleg führte er die Gesamtzahl von 1.625 Publikumszeitschriften an, die 2018 erschienen sei – immerhin ein Plus von 38 Prozent gegenüber 2001. Mit rund 20 Magazinen pro Einwohner habe Deutschland weltweit den stärksten Zeitschriftenmarkt. Neben dem Dauerbrenner Landzeitschriften boomen in jüngster Zeit vor allem Segmente wie Personality- oder Influencer-Magazine (Barbara, JWD, Boa), aber auch Titel der Bereiche „Good Living“: Gastronomieblätter oder Wohnzeitschriften sowie Lifestyliges.“73 Auflagenzuwächse verzeichnen auch die Nischenmagazine, die gezielt bestimmte Gruppen und Interessen ansprechen. Zeitgleich schwächeln Politmagazine, wie Spiegel, Stern und Focus, die ehemals die Zugpferde der Branche gewesen sind.74 Der Spiegel, der nach dem Zweiten Weltkrieg das wichtigste politische Magazin der Bundesrepublik war, muss mit starken Einbussen rechnen. „Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel erzielte im Jahr 2019 eine Reichweite von rund 4,66 Millionen Lesern pro Ausgabe. Ein Jahr zuvor hatte die Reichweite noch bei mehr als 5,6 Millionen Lesern gelegen. Die Reichweite des Spiegels im Jahr 2019 war die niedrigste des untersuchten Zeitraums. Auch die verkaufte Auflage fiel 2019 auf rund 705.000 Exemplare – historischer Tiefststand. Daran konnte auch die erheblich gestiegene E-Paper-Auflage nichts ändern, die sich seit 2014 fast verdoppelt hat: Von knapp 48.600 im zweiten Quartal 2014 auf knapp 110.000 im vierten Quartal 2019.“75 Laut den Angaben des Statistikdienstleisters Statista ist die Entwicklung der rückläufigen Auflage und der Reichweite beim Stern und beim Fokus noch schlechter als beim Spiegel.76 72 Vgl. (HERKEL, 10. APRIL 2019) 73 (HERKEL, 10. APRIL 2019) 74 Vgl. (HERKEL, 10. APRIL 2019) 75 (Statista, kein Datum) 76 Vgl. (Statista, kein Datum)
  • 24. 22 2.4 Nachrichtenwesen Digitale Inhalte unabhängig davon, ob sie einen Zeitungsartikel darstellen, ein Eintrag in dem Blog oder auch lediglich ein Contenttext auf einer Website sind, werden in den meisten Fällen über Google gefunden. Erst über die Suchmaschine gewinnen die meisten Zeitungsartikel ihre Leser. Die jeweilige Bedeutung der Google Indexierung für einen journalistischen oder publizistischen Artikel kann bei bis zu 70% liegen. Die Sichtbarkeit, die an die Werbeeinnahmen geknüpft ist, wird überhaupt erst über Google generiert.77 Das Nachrichtenwesen hat sich sowohl wegen der technologischen Logik des Internets verändert wie die Bedeutung der Suchmaschine Google beweist, als auch wegen der technologischen und kommunikativen Arbeitsinstrumente in den Redaktionen selbst. Früher waren ein Telefon und die Schreibmaschine die wichtigsten Instrumente der Redakteure. Heute sind die Instrumente fast vollständig im Internet zu finden und die Betreffenden bewegen ihre Hände und ihren Blick zwischen Laptop und Smartphone. Die innere Kommunikation verschiebt sich von der traditionellen Redaktionskonferenz immer stärker zur Kommunikation über Contentverwaltungssoftware, via E-Mail und Kurznachrichtendiensten. Boie von der Süddeutschen Zeitung deutet an, dass Lokaljournalisten nicht selten über WhatsApp die Situationen und Ereignisse vor Ort an die Redaktionen weiterleiten. Die Redakteure selbst werden viel häufiger damit betraut den Kontakt zwischen den Lesern, Interessierten und lokalen oder auch häufig freien Mitarbeitern zu halten. Die Funktion des Redakteurs wird zunehmend als Knotenpunkt verstanden der Informationen bündelt, annimmt und entsprechend nach Aussen kommuniziert.78 „Auch die klassische Redaktionsarbeit findet heute wenigstens zum Teil im Netz statt, manchmal auch nur im Netz: von der Recherche über die Zusammenarbeit mit Kollegen bis hin zur Veröffentlichung. Journalisten, die für eine lange Reportage um die Welt fliegen, werfen vorher einen Blick ins Netz, um zu wissen, was es über ihr Thema dort zu lesen gibt.“79 77 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 10 78 Vgl. (Boie, 5. Oktober 2015) 79 (Boie, 5. Oktober 2015)
  • 25. 23 2.4.1 Folgen für die News Nachrichten, als zuverlässige Informationen über die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse, sind das zentrale Thema von Zeitungen und hier insbesondere der Tageszeitungen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie ihren Lesern Nachrichten täglich präsentieren. Bei lokalen Zeitungen werden dementsprechend sowohl nationale, regionale als auch lokale Nachrichten angeboten. Bei überregionalen Tageszeitungen ist der Fokus geographisch breiter, jedoch bleibt es bei der Bedeutung von tagesaktuellen Nachrichten. Wochenzeitungen greifen ebenfalls auf aktuelle Nachrichten zurück, können diese aber vertiefend kommentieren und jeweils bestimmte Themenschwerpunkte setzen. Wie oben angesprochen haben inzwischen die Tageszeitungen als auch die Wochenzeitungen ausführliche Onlineausgaben, die fortlaufend berichten. News spielen gerade im Onlinebereich eine wichtige Rolle. Die Social-Media-Kanäle werden zunehmend zu den tragenden Kommunikationskanälen für die News. Zeitungen nutzen diesen Präsenz als neuen Kanal für ihre News.80 „Bereits im Jahr 2011 waren laut der BDZV-Studie schon 85 Prozent der deutschen Zeitungsverlage in sozialen Netzwerken aktiv: Durch die Verlinkung von Kurzmeldung, Bild, Audio-/Videomaterial u. a. können Plattformmitglieder, die deren eigenständige Fans-Seite im sozialen Netzwerk abonniert haben, das eigene Newsportal der Zeitungsverlage besuchen und Originaldokumenten sowie abweichende Quellen der Nachrichten per Mausklick aufrufen.“81 Boie von der Süddeutschen Zeitung spricht diese Veränderungen und ihre Konsequenzen für die redaktionelle Arbeit an, indem er die Schnelligkeit der Recherche über das Internet betont. Die schnelle und vor allem globale Informationsbeschaffung ist aus der Perspektive der Journalisten durchweg eine Erleichterung. Informationen lassen sich schneller nachprüfen und können uneingeschränkt weltweit eingeholt und abgerufen werden.82 Während 80 Vgl. (Lee, 2019), S. 63 81 Vgl. (Lee, 2019), S. 64 82 Vgl. (Boie, 5. Oktober 2015)
  • 26. 24 Informationen schnell und global eingeholt werden können, steigt aber auch die Gefahr sich einer vorherrschenden Narration bewusst oder auch unbewusst zu fügen. Es gibt das Risiko, dass wertende Aussagen oder auch Perspektiven übernommen werden, die gezielt eine Situation oder die Bewertung eines Ereignisses manipulieren. Das Internet im Zusammenhang mit der Zeitung und aller ihr heute verfügbaren Präsentations- und Kommunikationskanäle, bietet, so Boie, den Redakteuren und Journalisten eine noch nie dagewesene Möglichkeit von einer unendlichen Anzahl von Lesern wahrgenommen und gelesen zu werden. Die Rückmeldung der Leser erfolgt noch schneller in den Social-Media-Kanälen. Der interessierte Leser hat seine Bedeutung gerade wegen der Netzpräsenz der Zeitungen steigern können. Der Leser ist nicht nur ein passiver Abnehmer der journalistischen Artikel, sondern fungiert immer häufiger als Kritiker und nicht selten als Experte. Boie spricht davon, dass hochkompetente Leser in einen konstruktiven Dialog mit den Journalisten und Redakteuren stehen und auf diese Weise durchaus aktiven Einfluss auf die Zeitungen, wie z.B. die Süddeutsche Zeitung nehmen. Zeitgleich müssen die Zeitungen und ihr Personal nicht nur mit konstruktiver Kritik und Mitwirkung umgehen, sondern Konflikte, sowie Beschimpfungen, Hassreden und Drohungen, die über das Internet im Zusammenhang mit ihren Texten verbreitet werden, aushalten.83 Zur gleichen Zeit sind diese Kanäle im Internet im Gegensatz zur Printausgabe besonders schwer in reale Umsätze umzulegen. Lee stellt fest, dass rund 3,4 % der Nutzer für News bezahlen und der Rest liest die News kostenlos im Internet oder in den sozialen Medien. Gleichzeitig äussern rund 20 % der Befragten aus diesem Nutzerkreis, dass sie grundsätzlich bereit wären für News zu bezahlen.84 Die internationalen News haben im Nachrichtenbereich einen Sonderstatus. Die Berichte aus entfernten Gegenden der Welt sind besonders gefragt, jedoch gleichzeitig besonders teuer und aufwendig. Daraus folgt, dass die Schweizer Presse 35% ihrer internationalen Nachrichten über die eigenen Korrespondenten oder auch durch gezielte Zusammenarbeit mit anderen Zeitungen, gewinnt.85 Ein 83 Vgl. (Boie, 5. Oktober 2015) 84 Vgl. (Lee, 2019), S. 70 85 Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 2
  • 27. 25 typisches Beispiel für eine eben solche Zusammenarbeit war die Kooperation der NZZ mit der deutschen FAZ in Russland und Japan. Auf der landesweiten Ebene und lokal ist die Beschaffung der Nachrichten, für Zeitungen, wie der NZZ weniger aufwendig, da hier das eigene Redaktionspersonal oder auch freie Mitarbeiter verfügbar sind.86 Gerade für die News in der Schweiz hat die verstärkte Verlagerung der Kanäle ins Internet die Bedeutung der Nachrichtenagenturen verändert. Nachrichtenagenturen vertreiben Informationen von jenen Orten, wo die jeweiligen Medien keine eigenen Korrespondenten haben. In der Schweiz ist es vielen Medien möglich weltweit ein Korrespondentennetz bereit zu stellen, weshalb 62% der News aus dem eigenen Hause kommt. Rund 15% der Medien und weitere 9%, die teilweise Nachrichtenagenturmeldungen setzten, sind vornehmlich Onlinemedien.87 „Generell werden auf den Newssites mehr Agenturmeldungen verarbeitet (33%) als in den Pressetiteln (18%). Für die Onlineausgabe spielen Überlegungen zu Positionierung und Selektion keine so starke Rolle wie bei der gedruckten Ausgabe. Die Bedeutung von Agenturmeldungen hängt auf den Newssites folglich weniger stark von den Medientypen ab.“88 Unter den Nachrichtenagenturen der Schweizer Medien dominiert mit 71% klar die schweizerische Depeschenagentur SDA. Allerdings fragen vor allem kleinere Medien bei der SDA an. Die Qualitätsmedien, wie die NZZ, greifen zuerst auf Agenturen, wie Reuters und DPA zurück, erst dann auf die SDA.89 Während die Wochenzeitungen lediglich 5% der Agenturmeldungen nachfragen, ist der Anteil bei der Tagespresse mit 25% deutlich höher. Im Jahr 2013 wurde noch eine weitere Zahl ermittelt, die speziell auf Gratiszeitungen eingeht. Hier lag der Anteil der Agenturmeldungen bei 38%.90 Daraus ergibt sich folgender Rückschluss, dass niedrigbudgetierte Medien die Nachrichten von den Agenturen ungefiltert und wenig kommentiert darbieten. Je grösser die 86 Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 2 87 Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 1 88 ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 1 89 Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 3 90 Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 2
  • 28. 26 Bedeutung und Umfang der eigenen Redaktion, desto mehr eigene Nachriten, Recherchen und Kommentare. Für die News ergibt sich daraus, dass gerade Titel mit kleinen Redaktionen oder jene die ausschliesslich online präsent sind, abhängiger von der Qualität und der Preispolitik der Nachrichtenagenturen sind.91 „Die SDA hat somit auch aus einer medienpolitischen Sicht eine wichtige Funktion für die Schweiz. Sie ermöglicht eine Perspektive aus der Schweiz ins Ausland, insbesondere in Medien mit geringen Ressourcen. Die SDA nimmt deshalb im schweizerischen Mediensystem eine zentrale Stellung ein. Dieser Umstand macht sie aber auch zu einem einflussreichen Gatekeeper von Informationen.“92 Die Qualitätstitel, wie z.B. Le Temps, verfolgen eine gänzlich andere Strategie mit ihren Newsbereichen. Grundsätzlich werden dem Leser weniger News bereitgestellt. Diese sind aber qualitativ hochwertiger, da sie häufiger durch eigene Korrespondenten in einen Zusammenhang gestellt werden und mit Kommentaren versehen werden können. Um jedoch diesen hohen Aufwand bei den News finanzieren zu können, versehen diese Blätter, wie Le Temps, ihre Newsbereiche mit rigiden Paywalls.93 Nicht selten wird im Zusammenhang mit den News und der Digitalisierung des Nachrichtenwesens auf die sich verstärkende Wirkung des Googleinstruments „Google News“ verwiesen, aber Schäfer und Körber wiedersprechen dieser These.94 „Die von den Verlegern besonders ins Visier genommene Website Google News spielt dabei übrigens kaum eine Rolle, es ist die klassische Internetsuche, die User auf die Medienangebote bringt.“95 Offen hingegen bleibt die Auswertung der etwaigen Wirkung der Google AdWords auf die digitalen Zeitungsangebote, sowie ihrer Konkurrenz seitens der 91 Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 4 92 ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 4 93 Vgl. ( Häuptli & Vogler, 2. Februar 2018), S. 4 94 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 10 95 (Schaffer & Körber, 2013), S. 10
  • 29. 27 Nachrichtenwebsites. Google AdWords bezeichnet eine kostenpflichtige Werbung, die sich an bestimmten Schlüsselwörtern orientiert. Wird das Schlüsselwort eingeben, so erscheinen auf rechter Seite im Kästchen die Angebote dazu. Werden diese vom Nutzer angeklickt, so zahlt der Anbieter einen Beitrag an Google.96 2.4.2 Folgen für Recherche und Hintergrundinformation Ein Vergleich der Printausgaben der NZZ mit der App der Zeitung, der von Karin Hassler vorgenommen wurde, ergab zwar, dass es keine Unterschiede in den Artikeln gab, da diese Texte tatsächlich 1:1 übernommen wurden. Gleichzeitig fiel aber auf, dass die Texte mit leicht veränderten Titeln und Zwischentiteln versehen wurden. Auffällig war hierbei die Verschmelzung des Haupttitels mit dem Untertitel aus der Printausgabe. In der App ergab sich daraus ein verkürzter Titel mit mehreren Zwischentiteln bei den Absätzen. Beim Layout gab es ebenfalls Abweichungen. Während in der Printausgabe der Verfasser des Artikels exponiert wurde, war in der digitalen Ausgabe das dazugehörende Bild grösser und auffälliger und der Autor war weniger stark optisch herausgestellt.97 Die intermediale Ausrichtung der Zeitungen, die inzwischen nicht nur das Hauptprodukt, die Printausgabe beinhaltet, sondern eine ganze Palette von Darbietungsformen, wie Beilage, Magazin, Website und Social-Media-Kanal führt eben auch dazu, dass der geschriebene Text nicht mehr alleinstehend im Zentrum der Zeitungsarbeit steht. Wie oben bereits mehrfach angesprochen verändern die Zeitungen die Zeit und die NZZ ihre Produkte. Die Podcasts und Social-Media-Kanäle gelten als ein sehr plakatives Beispiel dafür, wie ein klassisches Printmedium, wie die Zeitung inzwischen auch zum audiovisuellen Medium geworden ist. Nicht nur die News, sondern die Hintergrundinformationen und Rechercheergebnisse werden zunehmend nicht nur gelesen, sondern auch gehört und angeschaut. Förster macht hier eine sinnvolle Definitionserweiterung. Während der herkömmliche Journalismus für die Berichterstattung und 96 Vgl. (Schaffer & Körber, 2013), S. 11 97 Vgl. (Hassler , 2019), S. 8
  • 30. 28 Beobachtung von gesellschaftlichen, politischen Ereignissen und Prozessen steht, ist der Onlinejournalismus sein natürlicher Bestandteil, der jedoch die traditionelle Darstellungsform des Journalismus um visuelle und akustische Aspekte erweitert.98 Wenn die Zeitungen und Magazine via Smartphone, Tablet oder auch Laptop abonniert und genutzt werden, betreten sie eine andere mediale Welt, die ihnen andere technische, aber auch journalistische Formen ermöglicht. In dem Zusammenhang wird überwiegend auf den multimedialen und interaktiven Charakter dieser Formate hingewiesen.99 Ferner ist zu betonen, dass mit dem Verlassen der gedruckten Zeitung und dem Sprung in die digitale Ausgabe die Vertriebswege komplett globalisiert wurden. Während die Printzeitung landesweit, oder eben auch in beschränkter Form im Ausland erhältlich ist, so z.B. die NZZ in Deutschland, so ist die Onlineausgabe überall auf der Welt via Internet lesbar. Förster weist aber darauf hin, dass die eben beschriebene Ubiquität der Onlinepräsenz durch gezielte Zugangsschranken, z.B. in China oder dem Iran partiell von aussen eingeschränkt werden kann. Der Anbieter selbst, hier z.B. die Zeitung, kann ebenfalls bestimmte Einschränkungen vornehmen, die die Präsenz der Zeitung z.B. auf das Inland bzw. auf die EU begrenzen. Allerdings sind Medien von sich aus kaum daran interessiert, es sei denn, dass gezielte Angebote an bestimmte Gebiete gebunden werden sollen.100 Die Recherchen und Hintergrundinformationen globalisieren und verknüpfen sich ebenso wie ihre Darstellungsformen im Internet. Die Behauptung, dass diese Entwicklung zwangsläufig dazu führt, dass die Recherchen weniger tiefgründig und intensiv durchgeführt werden, kann nicht allgemeingültig bestätigt werden. Vielmehr ist herauszustellen, dass sich durch die Kooperationen zwischen den Redaktionen, zwischen den Medien und sogar zwischen einzelnen öffentlich- rechtlichen Anstalten des Rundfunks Strukturen herausgebildet haben, die sehr spezielle Recherchen und stark vertiefende journalistische Arbeit besonders fördern. Dazu gehören sowohl die Arbeiten an den Panama Papers als auch Podcastproduktionen, wie Caliphate, wo Rukmini Callimachi, eine Journalistin 98 Vgl. (Förster, 2016), S. 4f 99 Vgl. (Förster, 2016), S. 5 100 Vgl. (Förster, 2016), S. 10
  • 31. 29 der New York Times, die Möglichkeit bekommen hatte ihre in Mosul beschaffenen Dokumente zur Struktur des IS-Kalifatstaates aufzuarbeiten und zu präsentieren. Callimachi ist eine mehrfach ausgezeichnete Expertin für Fragen des Terrorismus. Die Podcastproduktion bot ihr die Möglichkeit sich den Dokumenten und ihrer Auswertung intensiv zuzuwenden.101 2.5 Entwicklungsprozesse der Printmedien Die Printmedien wurden bereits im Zeitalter der Fernsehberichterstattung ersten Veränderungen ausgesetzt. In den 1980ern und 199ern wuchsen junge Menschen zunehmend mit bilderreichen Fernsehnachrichten auf, was sie später im Erwachsenenalter für bewegte Bilder und Tonaufnahmen empfänglicher machen sollte. Doch erst in den späten 1990er Jahren mit dem Internet kam es zum entscheidenden Einbruch in dem Zeitungs- und Verlagswesen. In der ersten Phase wurden Inhalte kostenlos ins Internet gestellt, was dazu führe, dass die Absatzzahlen bei den Zeitungen und Zeitschriften stark gesunken sind. Gerade die lokalen und regionalen Tageszeitungen traf es besonders schwer, denn sie hatten weder das Know-How noch die Finanzmittel im Internet Präsenz zu zeigen. Die Verfügbarkeit journalistischer Inhalte im Internet führte nicht nur bei den lokalen und kleinen Zeitungen, sondern auch bei grossen Zeitungen zu einer Krise. Grundsätzlich sinken seit der Jahrtausendwende die Auflagenstärken, mit sehr wenigen Ausnahmen, sowohl bei den Zeitungen als auch bei den Magazinen. Kurz nach der Jahrtausendwende begannen die Zeitungen nach Konzepten und Geschäftsmodellen zu suchen, die es ihnen möglich machen im Internet auch Geld zu verdienen. Grundsätzlich sind hier zwei Richtungen möglich. Einerseits können über die Werbung Einnahmen generiert werden. Anderseits wurden Bezahlmodelle für Zeitungsinhalte im Internet entwickelt. In den letzten Jahren hat sich die Situation der meisten Verlage stabilisiert. Sie haben neue Abos entwickelt und ihr Angebot erweitert. Die Zeitungsverlage beschäftigen sich heute mit mehreren Produkten und gehen Kooperationen mit 101 Vgl. (Angstmann, 03.07.2018)
  • 32. 30 anderen Unternehmen ein. Die Abonnements sind stärker auf den Konsum über die mobilen Geräte ausgerichtet. Die Magazine haben sich hingegen gerade in den letzten Jahren verstärkt auf Themen des Lifestyles verlagert, während sich das frühere Kerngeschäft der Politikmagazine nach wie vor in der Krise befindet. Die Arbeit der Redaktionen der meisten Zeitungen hat sich ebenso, wie der öffentliche Auftritt und die Vertriebswege, verändert. Während der Krise mussten viele Journalisten und Korrespondenten entlassen werden. Teilweise werden sie heute durch den Einkauf von Nachrichten über die Nachrichtenagenturen ersetzt. Ferner gehen die Zeitungen vereinzelt Kooperationen unter einander ein, um sich das kostenaufwendige Netz von Korrespondenten leisten zu können. Die Arbeit der Journalisten selbst ist heute durch die Recherchemöglichkeiten im Internet etwas leichter geworden, doch führt die Onlinepräsenz von Zeitungen dazu, dass auch audio- und audiovisuelle Formen, wie Podcasts, integriert werden. Die Integration mehrerer Formen und ihre Verbreitung über die neuen Kanäle, wie Fanpages, macht es möglich wieder neue Lesergruppen zu gewinnen. Auffällig ist auch die Hinwendung zu hochwertigen Hintergrundberichten und Reportagen, die zum Erfolg gerade bei den Wochenzeitungen geführt haben. 3. Neue und alternative Vertriebswege und Geschäftskonzepte 3.1 Zeitungen Die NZZ ist eine Tageszeitung mit einer Printauflage von 104 460 im Jahr 2019, davon waren 76 023 über Abonnementkunden vertrieben worden.102 Die Zeit ist eine deutsche Wochenzeitung, die ihre Auflage auch in Zeiten enormer Rückgänge konstant hochhalten konnte. Seit 2012 liegt die Auflage nahezu unverändert bei knapp über 500 000.103 102 Vgl. (WEMF AG für Werbemedienforschung, 2019), S. 18 103 Vgl. (Statista, kein Datum)
  • 33. 31 3.1.1 NZZ Die Umsatzsituation der NZZ-Mediengruppe ist trotz eines schwierigen Marktumfeldes stabil und die Umsatzrendite im ersten Semester des Jahres 2019 konnte sogar gesteigert werden. Umsatzsteigerungen verzeichnete die Gruppe im Bereich «digital/mobile first», wo Kundenwachstum sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland verzeichnet werden konnte.104 „Dabei konnte der Ertrag im Nutzermarkt ebenfalls um 2% gesteigert werden, was vor allem auf die sehr erfreuliche Zunahme der Anzahl zahlender Kunden um 5% seit Juli 2018 zurückzuführen ist.“105 Diese Zunahme geht auf den deutlichen Ausbau der Reichweite der Onlineangebote der Zeitung zurück. Allein in der deutschsprachigen Schweiz konnte die NZZ mit ihrer Onlineofferte ihre Reichweite vom Jahr 2017 auf 2018 um 10% steigern.106 Die NZZ bewirbt gezielt Abooptionen für ausländische Abonnenten. Dabei wurde den deutschen Nutzern eine Sonderkategorie eingerichtet, die es ihnen ermöglicht günstige Konditionen, wie z.B. den „digital“-Tarif für 10 Euro monatlich zu buchen. Der Tarif ermöglicht einen unbegrenzten Zugriff auf die Onlineinhalte der NZZ über App oder Web. Das Abo ist monatlich kündbar.107 Karin Hassler hat im Herbst des Jahres 2019 die Printausgabe der NZZ mit der App der Zeitung verglichen und dabei belegen können, dass sich die Printausgabe von der digitalisierten Applikation hinsichtlich der Organisation der Artikel unterscheidet. Im Gegensatz zur Printausgabe wird der Leser über die länderspezifischen Rubriken geführt. Das bedeutet, dass Artikel, die auf Themen in der Schweiz eingehen, erst über die Rubrik „Schweiz“ eingesehen werden können, während am selben Tag als der Vergleich direkt durchgeführt wurde, Artikel zu einem 104 Vgl. (Die NZZ-Mediengruppe behauptet sich in einem herausfordernden Marktumfeld, 19. August 2019) 105 (Die NZZ-Mediengruppe behauptet sich in einem herausfordernden Marktumfeld, 19. August 2019) 106 Vgl. (Widmer, 09.04.2018) 107 Vgl. (Unsere Abos für Leser in Deutschland)
  • 34. 32 aktuellen Thema aus der Schweiz auf der Titelseite des Blattes zu finden waren.108 „Die Leser*innensteuerung in Print und App unterscheidet sich also grundlegend, wobei sich ein Zusammenhang zum Aspekt der Non- Linearität bzw. der Hypertextualität ergibt. Die auf der Frontseite der Print- Version in der Übersicht enthaltenen Verweise auf weiterführende Inhalte finden sich in den App-Artikeln als Hyperlinks wieder.10 Die im Print durch das Layout vorgenommene Systematisierung der Beiträge – der Bericht auf der Frontseite steht im Vordergrund, die weiteren Beiträge sind durch das Layout als dazugehörige, weiterführende Inhalte gekennzeichnet – spiegelt sich im App jedoch nicht. Vielmehr handelt es sich im App aus Leser*innenperspektive um gleichgewichtete Inhalte bzw. die in der Print- Version abgebildete Systematik, durch welche die Beiträge miteinander in Beziehung gesetzt werden, muss aus den Hyperlinks durch die Leserin resp. den Leser erschlossen werden.“109 Dass die NZZ ihre Marktstellung in Deutschland erfolgreich ausbaut und zu einer wichtigen Konkurrenz für die deutschen Zeitungen aufgestiegen ist, zeigt ihr Verhältnis zur FAZ. Beide Zeitungen haben noch 2015 eine Kooperation beschlossen, um gemeinsam verstärkt und kostengünstiger aus Russland und Japan zu berichten. Nun hat aber die FAZ im März 2018 die Kooperation einseitig aufgelöst, da die NZZ in Deutschland stark expandiert. Die NZZ möchte aber bei dem Kooperationsprinzip grundsätzlich bleiben und hat inzwischen einen anderen deutschen Kooperationspartner für die Russland-, und Japanberichterstattung gefunden, das Handelsblatt.110 3.1.2 Die Zeit Die Zeit konnte als eine der wenigen Zeitungen in Deutschland die unterschiedlichen Phasen und Einschnitte, die im Zuge der Digitalisierung auf die Medien zukamen, besonders gut meistern. Die Auflagenstärke der Zeitung blieb nahezu unverändert, während die NZZ im letzten Jahrzehnt fast 30% ihrer 108 Vgl. (Hassler , 2019), S. 5 109 (Hassler , 2019), S. 6 110 Vgl. (Konkurrenz: NZZ und FAZ lösen ihre Kooperation auf, 24.07.2019)
  • 35. 33 Auflage verlor. Eine Besonderheit dieser Entwicklung liegt in der aussergewöhnlichen Ausweitung der Reichweite dieses Medium, das seit 2004 die Reichweite von 1,23 Millionen Lesern auf 1,82 im Jahr 2018 ausbauen konnte. Der enorme Ausbau der Reichweite der Leserschaft schlug sich auch in den Gewinnen und Umsätzen des Verlages wieder. Im Jahr 2017 konnte die Zeit einen Rekordumsatz bei den Anzeigen in Deutschland erzielen und im Jahr 2018 wies das Unternehmen einen Gesamtumsatz in Höhe von rund 220 Millionen Euro aus.111 Während die Printauflage der Zeit bei 500 000 Exemplaren liegt, hat die digitale Ausgabe 127.132 im dritten Quartal des Jahres 2019 erreicht und konnte sich somit im Vergleich zum Vorjahr um über 30% steigern.112 Im Jahr 2018 hat der Chefredakteur der Zeit am 27. August 2018 in einem Zeitungsinterview erklärt, dass die Krise gerade für seine Zeitung einige positive Aspekte hatte. Am wichtigsten war es zu erkennen, dass man Fehler, die man in der Vergangenheit gemacht hatte, nicht wiederholt. Im Gegensatz zu den Zeiten vor der Jahrtausendwende darf man sich nicht auf den Erfolgen von gestern ausruhen und muss aktiv neue Kundenkreise ansprechen. Deshalb hat sich die Zeit entschieden, junge Leser mit der Beilage Zeit Campus zu gewinnen. Es ist wichtig, sich neuen gesellschaftlichen Themen zu öffnen und darüber zu schreiben, was Menschen zum jeweiligen Zeitpunkt bewegt. Die Ansprache und das Interesse einer Zeitung sollten sich nicht auf einen kleinen Ausschnitt der Gesellschaft und ihre Interessen beschränken, sondern möglich breit über das berichten, was die Menschen generell bewegt.113 Während die NZZ das Potenzial aller deutschsprachigen Länder mit einem gezielten Angebot an deutsche Leser nutzt, versucht es die Zeit bereits seit mehreren Jahren mit einem Politpodcast, dass die deutschsprachigen Staaten thematisch umfasst. Der Podcast „"Servus. Grüezi. Hallo." thematisiert Politikfragen, wie Mieten und politischer Populismus im Kontext der gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Wirklichkeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz.114 Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein 111 Vgl. (Statista, kein Datum) 112 Vgl. (IVW III/2019: Rekordauflage im Abo – DIE ZEIT steigert Gesamtauflage durch Wachstum in allen Sparten – Wachstum von 3,7 Prozent im harten Verkauf, 16.10.2019) 113 Vgl. (Boccarius, 27. August 2018) 114 Vgl. (WIEDEMEIER, 18. APRIL 2019)
  • 36. 34 Reportagenformat, sondern um eine Diskussionsrunde, wo die einzelnen Länderperspektiven von den einzelnen Journalisten und Kommentatoren aus diesen Staaten mit einander verbindet. Die Macher dieses Podcasts wollen gezielt das Diskussionsformat und die Spontanität dieses Formats nutzen und sich eben nicht in die Richtung eines Informationssenders professionalisieren. Die Kehrseite dieser interessanten und kreativen Haltung ist die stellenweise schlechte Hörbarkeit der Beiträge, da die Stimmen keine professionelle Sprechausbildung haben und eben nicht wie Profis mit den Mikrophonen umgehen können. Die Stimmen überschlagen sich stellenweise oder es kommt häufig zu Wiederholungen von Silben, Worten oder ganzen Sätzen.115 Das Beispiel zeigt, dass auch bei einem Medium, wie der Zeit, sich die Onlineprojekte erst in der Phase der Entwicklung bzw. der Experimente befinden. Eine vollständige Professionalisierung ist hier noch nicht abgeschlossen. 3.2 YumpuNews Das Unternehmen i-magazine AG startete im Jahr 2011 ein SaaS-Business (Software as a Service) basiertes Angebot Yumpu.116 Bei Yumpu handelte es sich ursprünglich um ein Instrument zur Publizierung und Verbreitung von interaktiven Publikationen und Blättermagazinen. Grundsätzlich konnten sowohl private Personen als auch gewerbliche Verlage auf diese Möglichkeit der Onlineveröffentlichung zurückgreifen. Für dieses Produkt gab es mehrere Lösungen. Von einem Free-Plan bis zu einem Enterpriseplan. Das Angebot der Software kann man an die Bedürfnisse des Kunden anpassen. Das Portal selbst generierte selbst seine Leserschaft, die kostenfrei auf die dargebotenen und frei verfügbaren Inhalte zurückgreifen konnte. Im Februar 2017 zählte Yumpu mehr als 12 Millionen Leser monatlich.117 Ende des Jahres 2019 wies das Unternehmen 120 Millionen unique ePaper-LeserInnen im Jahr aus. Aktuell belegt die Webseite www.yumpu.com Platz 917 im Ranking der 115 Vgl. (WIEDEMEIER, 18. APRIL 2019) 116 Vgl. (i-magazine AG ), S. 2 117 Vgl. (Yumpu - das „Youtube für Magazine“, 6.02.2017)
  • 37. 35 besucherstärksten Webseiten der Welt. (Alexa-Ranking). Die i-Magazine AG startete zwar erst im September 2011 die Plattform yumpu.com, zählte jedoch seit dem Jahr 2006 schon zu den First Mover im Bereich ePublishing. Am 1. Januar 2020 startete das Unternehmen das Projekt YumpuNews, das sein Schwergewicht von der Perspektive des Publizisten in Richtung des Lesers als Klienten verlagerte. Demnach wurde zusätzlich zu dem bisherigen Produkt YumpuPublishing (SaaS-Produkt) das Produkt YumpuNews geboren, welches den Fokus im ersten Schritt darauflegt, das wichtigste Potential, die Leser, in das neue Format zu konvertieren.118 „Die Auswertungen der Nutzer zeigt, dass die Lesergruppe der 25-44- jährigen am Stärksten vertreten ist, dicht gefolgt von der Altersgruppe 45- 54. Hinzu kommen mittlerweile über 15 Mio. unique E-Paper Leser monatlich.“119 Während das Prinzip Yumpu daraus bestand, dass die Leser kostenlosen Zugang zu Publikationen bekamen, für die die privaten und gewerblichen Publizisten bezahlen, dreht sich das Verhältnis bei YumpuNews um. Hier sind es die Leser, die gegen ein festes Entgelt, eine Flatrate, den vollen Zugang zu den angebotenen Magazinen und Zeitschriften bekommen.120 Für die Magazin- und Zeitschriftenverlage wird das Projekt zu einem neuen Vertriebsweg.121 Das Geschäftsmodell ermöglich die Vergütung der Herausgeber der Magazine und Zeitschriften nach einer entsprechenden Formel. Das Verhalten der Leser kann seitens des Portals exakt definiert werden und zeigt an, wie lange welches Blatt von welchen Kunden gelesen wurde. Exakt 70% der Vergütung aus den Einnahmen über die Flatrates wird an die Verleger weitergebenen. Die verbleibenden 30% bleiben bei YumpuNews.122 118 Vgl. (i-magazine AG ), S. 2 119 (i-magazine AG ), S. 2 120 Vgl. (i-magazine AG ), S. 2f 121 Vgl. (i-magazine AG ), S. 2f 122 Vgl. (i-magazine AG ), S. 6
  • 38. 36 Abbildung: Vergütungsmodell von YumpuNews. Quelle: (i-magazine AG ), S. 6 Das Management-System wertet statistisch das Verhalten der Nutzer aus, wobei neben der Anzahl der heruntergeladenen Ausgaben, der Anzahl der geöffneten Seiten pro Ausgabe, auch die Lesezeit einer Ausgabe sowie die Territoriale Nutzung und andere Parameter erfasst werden. Der Herausgeber kann während der Vertragslaufzeit über sein persönliches Benutzerkonto im Management- System auf die statistischen Werte seiner Publikationen zugreifen. Die Berechnung des Ertrages des Herausgebers erfolgt in Relation zum Nutzerverhalten und wird von der i-Magazine AG vierteljährlich für das jeweils zurückliegende Quartal erstellt. Punktverteilung Die Verteilung der Punkte erfolgt folgendermassen: Eine (1) gelesene Seite der aktuellen Ausgabe 2 Punkte Eine (1) gelesene Seite einer vergangenen Ausgabe (2-3 Ausgaben vorher) 1 Punkte Eine (1) gelesene Seite einer historischen Ausgabe (ab 4 Ausgaben vorher) 0,5 Punkte Mehr als zwanzig (20) Sekunden auf einer Seite x2 (Verdopplung)
  • 39. 37 Sollte sich ein Nutzer die gesamte Ausgabe herunterladen, wird die Punkteanzahl folgendermassen berechnet: Anzahl der Seiten der Ausgabe x Punkte (siehe oben) x 1,5 Wenn heruntergeladene Publikationen in den Apps technisch einwandfrei getrackt werden können, so sind diese tatsächlich gemessenen Werte die Basis für die Berechnung der Punkte, wie oben beschreiben. Die maximale Punkteanzahl beträgt: Anzahl der Seiten der Ausgabe x 2 Schlussendlich werden die erhaltenen Punkte mit dem Faktor vier (4) multipliziert, sofern der Nutzer aus demselben Territorium wie der Herausgeber stammt. Es werden die Nutzer Angaben bei der Registrierung (Account) als Bezug für die Bewertung des Territoriums herangezogen. Sofern der Nutzer aus demselben Territorium wie der Herausgeber stammt und lokale Publikationen liest – insbesondere Tageszeitungen (stark eingeschränkter Postleitzahlenkreis) wird jeder erhaltene Punkt nochmals mit Faktor zwei (2) multipliziert. Am Ende eines jeden Monats wird der Ertrag des Herausgebers ausgehend von der Anzahl der nach der beschriebenen Methode berechneten Punkte, auf die vom jeweiligen Nutzer im selben Monat gelesenen Ausgaben verteilt. Alle Erträge der Herausgeber, die sich auf die Nutzer und die Ausgaben beziehen, werden zu einem Gesamtertrag pro Ausgabe summiert. Die Vergütung des Herausgebers steht damit in einem direkten Verhältnis zu der Gesamtsumme der Erträge der Herausgeber. Sollte ein Herausgeber keine Nutzer in einem Monat generiert haben, so kommt es zu keiner Ausschüttung des Ertrages, sondern iMAG behält sich diesen vor. Ansonsten haben die Verleger die Möglichkeit sehr genau zu erfahren, welche Lesergruppe; Altersgruppe, Geschlecht etc., sich für ihre Artikel interessiert hat. Das können sehr wertvolle Marketingdaten sein, die der Verlag sonst nicht hätte gewinnen können.123 123 Vgl. (i-magazine AG ), S. 4
  • 40. 38 3.2.1 Alternative Technologien Im Gegensatz zum herkömmlichen Konsum von Magazinen und Zeitschriften, die mehrheitlich im Einzelhandel in Form einzelner Hefte gekauft wurden, bietet YumpuNews einen alternativen Weg. Diese alternativen Nutzer- und Anbieterfunktionen samt ihren technologischen Möglichkeiten nehmen Einfluss auf das Leseverhalten der Nutzer und die Verwertbarkeit des Gutes Magazin und Zeitschrift. Die technischen Voraussetzungen, die das Unternehmen seinen Lesern bietet, werden wie folgt beschrieben: „Die einfache Usability und die zukunftsorientierten Features heben uns von Wettbewerbern ab. Ein klares, minimalistisches Design, das die Publikationen in den Vordergrund stellt, verbunden mit einer einfachen Handhabung. Der einzigartige Reader erlaubt es via vorinstalliertem Sprachassistenten / Vorlesefunktion die Inhalte audiovisuell zu konsumieren. Die vektorisierte ePaper-Publikation bietet Lesevergnügen in HD-Qualität.“124 Der Nutzer, bzw. Leser, war in der traditionellen Form auf einzelne Hefte beschränkt und konnte aus Kostengründen und wegen der Erreichbarkeit nur über eine beschränkte Auswahl von Zeitschriften an bestimmten Orten verfügen.125 Sprachbarrieren aber auch Distributionshemmnisse waren der Grund dafür, dass an bestimmten Kiosken nur eine bestimmte Auswahl an Zeitschriften und Magazinen angeboten wurde. Auch bei den Abos war der längere Versandweg mit höheren Kosten verbunden gewesen. YumpuNews baut diese Schranken komplett ab und strebt ein internationales Angebot an. Es kommt auch hinzu, dass der Leser durch die Zahlung des regelmässigen Entgeltes und Einrichtung entsprechender Applikationen am Smartphone oder auch Tablet eine stärke Motivation hat, häufiger und länger die Magazine und Zeitschriften bei YumpuNews einzusehen. Auf diese Weise können neue Leser 124 (i-magazine AG ), S. 3 125 Vgl. (i-magazine AG ), S. 3
  • 41. 39 erreicht und gewonnen werden, die ansonsten womöglich etwaige Magazine nicht gekauft hätten.126 Verlage geben bei YumpuNews nicht nur das aktuelle Heft frei, sondern auch die älteren Ausgaben, so dass binnen einer kurzen Zeit eine Form eines digitalen Archivs entsteht. Während beim herkömmlichen Konsum von Magazinen und Zeitschriften Artikel ältere Ausgaben in der Regel keinen Absatz mehr fanden, verlängert sich der Produktlebenszyklus dieser Artikel durch die Suchfunktion von YumpuNews erheblich. Archivausgaben können auf diese Weise deutlich länger monetarisiert werden.127 I-magazne AG, der Betreiber der YumpuNews, sieht sich selbst als einen Dienstleister, der sich wie bereits bei seinem ersten Projekt, als Anbieter von Dienstleistungen für die Verlagswelt versteht. „Der grosse Vorteil des YumpuNews Marketplace ist die hohe Reichweite an ePaper-Lesern, die den Verlagen den Zugang zu der jungen digital- affinen Zielgruppe erleichtert und sich daraus zusätzliche Erlösquellen ergeben. Wir sehen uns nicht als kompetitiver Wettbewerber, sondern als Mitglied der Wertschöpfungskette und Partner der Verlagswelt.“128 3.2.2 Entwicklungsperspektiven YumpuNews hat sich im ersten Schritt dazu entschieden ein Abomodell zu einem Preis von EUR 9,97 anzubieten und sich auf die Zeitschriften, wie auch Fachmagazine zu konzentrieren. Im nächsten Schritt, an dem aktuell gerade gearbeitet wird, folgen die Anzeigenblätter. Es handelt sich dabei um unterschiedliche Formate von kostenlosen Anzeigenzeitungen, Wochenzeitungen, Wochenblättern und Stadtteilzeitungen. Dieses Angebot soll zusätzlich kostenlose aktuelle Nachrichten der einzelnen Regionen in den Kiosk integrieren. Die Tageszeitungen werden erst Ende Q3 mit in den Online-Kiosk aufgenommen. 126 Vgl. (i-magazine AG ), S. 3 127 Vgl. (i-magazine AG ), S. 3 128 (i-magazine AG )
  • 42. 40 YumpuNews bietet eine Plattform auf der, wie bei den bereits etablierten Geschäftsmodellen wie Spotify, Netflix, Amazon Prime, etc., zu einem sich wiederholenden niedrigen Abopreis, unbegrenzt gelesen werden kann. Aktuell bezahlt man in der Schweiz durchschnittlich für ein Magazin unterer Preisklasse ca. CHF 4,50 – 6,00 und das für nur eine Zeitschrift. Auf YumpuNews erhält man den Zugriff auf tausende Magazine und Zeitschriften für nur ein monatliches Entgelt von EUR 9,97. Des Weiteren verhält sich die Plattform, wie mit einem Marketplace. Die Leser wenden sich auch Magazinen zu, welche sie bisher höchstwahrscheinlich nicht gelesen hätten. Bei YouTube beobachtet man denselben Prozess, der auf Konsumänderungen beruht. Man startet mit einem Video und eine Stunde später fragt man sich, wo die Zeit geblieben ist. Die Verlage haben ihre eigene Applikation, aber leider nicht die Reichweite oder nicht die Möglichkeiten ihre Reichweite und die Abonnentenzahl zu steigern. YumpuNews besitzt den Zugang zu Millionen von ePaper-Lesern durch ihr bisheriges Geschäftsmodell und zeichnet sich durch die hohe Sichtbarkeit und Indexierung bei Suchmaschinen aus. So ist es der ideale Marktplatz, samt der Technologie, das Tracking, die Reporte an die Verlage über das Leseverhalten, wie auch die Umformatierung von der Druckvorstufe in ein ePaper. Die technische Innovation und Modernität verbunden mit der leichten Handhabung und der Userexperience garantiert ein angenehmes, leichtes und schnelles Leseerlebnis. Das Team der i-Magazine AG kümmert sich um die Onlinemarketingstrategie zur Vermarktung des Dienstes YumpuNews und dementsprechend auch um die Vermarktung der einzelnen Titel der Verlage. Das YumpuNews-Geschäftsmodell wurde von der IVW (Auflagenkontrolle in Deutschland) bereits zertifiziert. Am Ende eines jeden Quartales, erhält der Verlag je Publikation eine genaue Abrechnung, welche er der IVW melden kann. Daraus wird ermittelt, wie viel mehr Auflage der Verlag generiert hat. Durch die höhere Auflage steigen die Werbeplatzpreise in den Magazinen, das heisst mehr Umsatz für sie. Den Verlagen fehlt heute Zugang zu den jüngeren Generationen. Qualitätsjournalismus hat seinen Preis und YumpuNews möchte diesen auch den jüngeren Generationen angepasst an ihr Konsumverhalten, näherbringen.
  • 43. 41 Das Geschäftsmodell von YumpuNews ist ziemlich einfach definiert: YumpuNews generiert Content, optimiert diesen für Google, Google liefert ihnen Traffic und dieser wird wiederum monetarisiert. Jeder Besucher, welcher die Webseite YumpuNews (www.yumpu.com/news) besucht , erhält drei Minuten lang, kostenlosen die Möglichkeit zu lesen. Nach 3 Minuten wird er aufgefordert, sich mit seiner E-mailadresse zu registrieren, um weitere 30 Tage kostenlos lesen zu können. Erst nach 30 Tagen muss der Leser seine Zahlungsinformationen hinterlegen, um das Abo abschliessen zu können. Die i-Magazine wählt diesen Weg ganz bewusst, hebt sich somit von anderen Abonnementdienstleistern ab und bindet keine anfängliche Paywall mit ein. Viel mehr möchte man auf dieser Plattform dem Interessenten die Möglichkeit geben, sich umzusehen und zu stöbern, bevor man ihn in ein Abo drängt. YumpuNews arbeitet mit dem Ansatz den User durch gezieltes E-Mailmarketing und Push- Benachrichtigungen an den Zugang zum Onlinekiosk zu gewöhnen und ihn mit Benachrichtigungen zu immer wieder neu erscheinenden oder ähnlichen Ausgaben anlehnend an seine Interessen zu informieren. Die Plattform YumpuNews verfolgt hinsichtlich der Distribution die einfache Marketingregel AIDA. Attention – Interest – Desire – Action. Statt wie anfangs beschrieben, den Leser sofort durch eine Paywall zu führen, sieht YumpuNews die Chance in der im ersten Step einfachen Generierung der E-Mailadresse und werfen über dieses Dialogfenster den Anker zum Leser. Sie unterscheiden zwischen drei verschiedenen Gattungen von Konsumenten: ➔ Der Verweigerer Diese Personen bezeichnet YumpuNews als jene, welche keinen oder nur erschwerten Zugang zu Printmedien haben ➔ Der Gelegenheitsleser Diese Personen konsumieren hin und wieder Printpublikationen, geben aber in der Regel nicht mehr als EUR 10,00 pro Monat für solche aus
  • 44. 42 ➔ Der Viel-Leser Hier sprechen sie von der Zielgruppe, welche viel lesen und sicherlich schon mehrere Abonnements bei diversen Printpublikationen abgeschlossen haben Den Fokus legt YumpuNews auf den Gelegenheitsleser und erst im weiteren Schritt auf den Viel-Leser. Ihr Ziel ist es die gelegentlichen Leser von Zeitschriften zu Vielleser und breit interessierte Nutzer aufzubauen. Die Zukunft bewegt sich nach Aussage der i-Magazine AG auf die automatisierte Bewerbung und Aussteuerung der Publikationen. Ziel ist es, durch den Erhalt der E-Mailadressen in einen Dialog mit dem Leser zu treten. Der kostenlose Probezeitraum wird dahingehend genützt, die Person zu analysieren und ihr Verhalten zu tracken. Durch das breite Angebot der Online-Plattform kann der Leser mit verschiedenen Inhalten via E-Mail bespielt werden. Durch eine auf künstliche Intelligenz basierende E-Mail-Abfolge werden die Inhalte der E-Mails dem Interesse des Lesers angepasst. Klickt der Leser beispielsweise auf eine Publikation während er sich auf YumpuNews befindet, erhält er automatisch die nächste Erscheinungsausgabe via Push-Benachrichtigung in sein E-Mail-Postfach. Durch das Tracking des Userverhaltens, ist es der i-Magazine AG möglich, dem Leser weitere an sein Interesse anlehnende Publikationen vorzuschlagen. Durch die stetig zu einer Aktion animierenden E-Mail-Abfolge sowie dem Dialog mit dem Endkonsument während diesem kostenlosen Probezeitraum wird das Bewusstsein gestärkt sowie die Aufmerksamkeit und das Interesse für verschiedene Titel geweckt. Nach Aussage von YumpuNews zeichnen sich Erfolge und hervorragende Klick- und Öffnungsraten auf diesem Wege ab. Der noch nicht kostenpflichtige Abonnent wird erst gegen Ende des Testzeitraumes auf die Hinterlegung seiner Zahlungsinformationen hingewiesen, sollte er das Angebot von YumpuNews weiterhin nutzen wollen. Auch gibt es die Möglichkeit, wie bei Netflix, weitere Profile anzulegen, ebenso wie Lesezeichen in den Magazinen, welche gelesen wurden zu setzen und viele weitere Funktionen. Das Ziel von YumpuNews ist es, Nachrichten, Wissen und Neuigkeiten mit dem Hintergrund des Qualitätsjournalismus in jeglichem Bereich zu verbinden. Geplant ist, dass diese News nicht nur zum Lesen auf der Plattform
  • 45. 43 als ePaper anzubieten, sondern diese auch anhand von Videos und Podcasts multimedial zu präsentieren. YumpuNews startet gerade jetzt mit der Internationalisierung. Die nächsten Länder sind Grossbritannien, Niederlande und Italien. In Grossbritannien konnten bis zum heutigen Tag (02.05.2020) bereits Verträge mit Verlagshäusern abgeschlossen werden. Im letzten ¾ Jahr hat YumpuNews den Markt für Zeitschriften in Deutschland intensiv bearbeitet, so konnten über 470 Zeitschriften von 150 Verlagen unter Vertag genommen werden. Gewisse Magazine findet man nur exklusiv auf der Plattform. Das YumpuNews-Modell bedeutet, dass sich das bisherige Konzept der Zeitungs- und Magazinverlage zukünftig grundsätzlich verlagern könnte. Der Leser wäre nicht mehr an das Abo oder den Social-Media-Kanal ausgewählter Zeitungen oder Magazine gebunden, sondern könnte über eine Flatrate auf alle Zeitungen und Magazine zugreifen. Aus der Perspektive der Verlage selbst, erstünde daraus eine ganz neue Situation, in der sie sich vollständig auf die redaktionellen Aufgaben konzentrieren könnten und die Vertriebsaspekte auslagern könnten. Gleichzeitig stünden sie im Rahmen von YumpuNews in direkter Konkurrenz miteinander. Der Nutzer könnte direkt zu einem Thema oder zu einer Angelegenheit in seiner nahen Umgebung mehrere Artikel unterschiedlicher Verlage lesen und diese direkt vergleichen. Für den Leser ergibt sich daraus ein erheblicher Mehrgewinn, denn er wäre technisch unabhängig von den jeweiligen Abos und Geschäftsmodellen der einzelnen Zeitungen und Magazine. Mit den beschriebenen Ansätzen deckt YumpuNews verschiedene Problemstellungen der Verlagswelt ab. Die stetig steigenden Distributions- und Herstellungskosten durch einfache Vervielfältigung im Internet, bei der ein PDF der Publikation reicht, die Erreichung einer jüngeren, digitalen Zielgruppe durch moderne Technologie, sowie die Sichtbarkeit ihrer Titel bei einem breiten Publikum und somit eine Generierung neuer Interessenten für das Printmedium der Verlage. 4. Chancen und Risiken der alternativen Vertriebswege und Geschäftskonzepte für das Printwesen
  • 46. 44 Das Printwesen hat sich seit der Jahrtausendwende und der Krise der eigenen Branche immer wieder selbst ins Gespräch gebracht. Dabei verwiesen die Verlage immerfort auf die sinkenden Auflagen und die darrausfolgenden sinkenden Erlöse. Wenig diskutiert wurde aber darüber, dass sich die Zeitungen vorher über Jahrzehnte kaum verändert haben und eigentlich von ihrem Kapital an treueren Lesern, wenn auch bereits altersmässig fortgeschritten, lange profitierten. Sinkende Zeitungsauflagen wurden dann schnell zum Synonym des schlechten Einflusses des Internets auf die vor allem jungen Menschen, die sich angeblich von Informationen und Hintergrundberichten schlicht abwendenden. Dabei handelte es sich um eine einseitige und kaum selbstkritische Narration, die von den Zeitungen lange erfolgreich verbreitet wurde. Dabei haben die Zeitungen weltweit, aber auch im deutschsprachigen Raum, in ihrer Entwicklung bereits vor Jahrzehnten stagniert. Sie haben im Wesentlichen dem Medium Fernsehen kaum etwas entgegengebracht. Ausgenommen sind hier Magazine und Zeitschriften, wie z.B. die Bravo oder die Geo, die sich zum damaligen Zeitpunkt der Zeitentwicklung und den Bedürfnissen ihrer Leser frühzeitig angepasst haben. Die jungen Leser in den 1980er und 1990er Jahren standen der visuellen Information des Fernsehens und dem farbigen Bild näher als dem gedruckten Wort der Tageszeitung. Bei der Suche nach Erklärungen für die schwierige Situation der Zeitungen und besonders der Tageszeitungen Anfang der 2000er Jahre wird die Begründung nur selten im Umgang mit den Lesern seit den 1980er Jahren gesehen. Dabei sind in eben dieser Zeit die jungen Menschen geboren, die heute die Medien konsumieren. Die zurückliegenden Jahrzehnte und nicht unbedingt ausschliesslich das Internet, sondern verstärkt das Fernsehen und das Radio haben sie medial geprägt. Die Bilder vom Fall der Berliner Mauer oder auch später vom Terroranschlag vom 11. September 2001 haben sich in das Gedächtnis einer ganzen Generation eingeprägt. Sie sind über den Fernsehschirm an die Menschen transportiert und adressiert gewesen. Daraus folgte, dass Bilder und hier die bewegten Bilder ein sehr vertrautes Kommunikationsmittel für Nachrichten und Ereignisse für Medienkonsumenten sind, die heute jünger als 50 – 40 Jahre sind. In Anbetracht der Tatsache, dass diese Altersgruppen die Hälfte oder sogar mehr als die Hälfte der potenziellen Empfänger von Nachrichten und Berichten ausmacht, sind ihre Medienerfahrungen und Mediengewohnheiten für die Medien von heute von
  • 47. 45 zentraler Bedeutung. Die meisten Analysen der Zeitungskrise scheinen diesen Aspekt zu übersehen und sind mit der Bewertung der Qualität von Zeitungen, hier besonders der Tageszeitungen zu grosszügig. Allein die Tatsache, dass die Zeitungen aus gedruckten Lettern bestehen, sagt wenig über ihre journalistische oder auch publizistische Qualität aus. Umso auffälliger ist es daher, dass bedeutende Marken des Printbereichs, wie z.B. die Zeit, die NZZ und internationale Blätter wie die New York Times in den letzten Jahren einen verstärkten Nachdruck auf Qualität und gezielte Ansprache jüngerer Leser betrieben haben. Allein die Inhalte der Zeitung auf das Internet 1:1 zu übertragen reicht nicht aus. Wie die Analyse belegt hatte, verbreitern diese Medien ihr Angebot, wobei sie exakt den Medienkonsum der mittleren und jüngeren Generation mit Podcasts, Social-Media-Kanälen, Magazinbeilagen und Layouts der Applikationen treffen wollen. Dabei sind sie aber nur dann erfolgreich, wenn sie qualitativ hochwertig bleiben. Das Beispiel der Zeit zählt hier klar zu den absoluten Erfolgskonzepten. Dieser Zeitung gelang es, die Zeitungskrise als Chance zu begreifen aus der die Wochenzeitung stärker hervorgegangen ist. Die Zeit hatte aber auch den Mut sich neuen und jüngeren Lesergruppen zu öffnen und mit lebenswirklichkeitsnahen Themen Neuland zu begehen. Das gilt auch für die Podcastkonzepte, die über die herkömmlichen Standards hinausgehen. Die NZZ wählte im Gegensatz zu der Zeit ein weniger strenges Bezahlkonzept und macht es z.B. den Facebooknutzern möglich nach einer vorherigen kostenlosen Registrierung bis zu 10 Artikel am Tag online zu lesen. Der Erfolg dieser Tageszeitung besteht vor allem daraus, dass es ihr in den letzten Jahren gelungen ist, Leser und Abonnenten in Deutschland zu gewinnen. Sowohl die Zeit als auch die NZZ nutzen in leicht unterschiedlicher Form die Paywall. Das gilt auch für die Mehrheit der Magazine und Zeitschriften. Hier ist der Zugang zu vielen Inhalten erst durch die Zahlung für den konkreten Text oder der Ausgabe oder auch über den Abschluss eines Abos möglich. Eine Studie, die sich mit der Wirkung von Paywalls in den USA beschäftigt hatte, bestätigt, dass gerade hochqualitative Printprodukte, die ihren Fokus auf Politik und Wirtschaft legen, bei Einrichtung einer Paywall weniger Leser verlieren als der Rest.129 Damit haben die hier untersuchten Zeitungen davon überproportional profitiert. 129 Vgl. (Kim, Song, & Kim, Oktober 2019), S. 4
  • 48. 46 Die Auswertung der Verkaufszahlen macht aber deutlich, dass die Wochenzeitung die Zeit stärker im Bereich des Verkaufs ihrer Printausgabe davon profitiert hatte als die NZZ. Währenddessen ist es der NZZ gelungen jenseits der Schweiz Online-Abonnenten hinzuzugewinnen. Bezogen auf den globalen Vertrieb von Magazinen über das Aboangebot YumpuNews muss eine Interpretation der vorläufigen Ergebnisse noch warten, da aktuell noch keine Geschäftszahlen bzw. Nutzerzahlenentwicklungen hierfür vorliegen, da das Produkt erst im März aus seiner Beta-Phase geschlüpft ist. Hierbei ist der innovative Ansatz zu berücksichtigen, der das Leseverhalten verändern könnte und die Perspektive des Lesers in den Fokus nimmt. Gleichzeitig folgt die Offerte von YumpuNews der üblichen Marktentwicklung bei den Magazinen. Die Magazine haben in den letzten Jahren ihren Fokus zunehmend auf Titel für Frauen gelegt und widmen sich stärker als vorher Themen des Lifestyles. Grosse Marken z.B. der Spiegel, The Economist usw. gehören klar zu den stärksten Verkaufsartikeln der Branche, ihre Bedeutung für den gesamten Markt hat aber in den letzten Jahren abgenommen. Es ist anzunehmen, dass sie Schwierigkeiten haben sich, auf die Digitalisierung ihrer Angebote sozial, ökonomisch und fachlich umzustellen. Im Gegensatz zu den Zeitungen, die wie die Zeit, aktiv einen bestimmten kritischen Geist bei ihrer Leserschaft ansprechen und auf diese Weise an sich binden, fehlt es bis dato den Magazinen entsprechende Wirkung zu erzielen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das mitunter damit zusammenhängt, dass es den Zeitungen sogar gelungen sein könnte, die Leserschaft der Politikmagazin für sich zu gewinnen. Die Übersicht der Umsätze von der taz deutet daraufhin, dass sich Zeitungen gerade am Wochenende besonders gut verkaufen können, da hier mehr Zeit für umfangreiche und hintergründige Artikel vorhanden ist. Im Grunde gehört es klassisch zu den Vorteilen von Magazinen, dass sie dann gekauft und gelesen werden, wenn der Leser mehr Zeit für sie hat. Nun sind es aber bevorzugt die Zeitungen, die mit ihren Wochenendausgaben, aber auch zusätzlichen Angeboten, wie Magazinen und Beilagen, die Leserschaft an sich binden. Gabor Steingart, der lange beim Spiegel gearbeitet hatte, sagte optimistisch gegenüber dem Deutschlandfunk: