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Die Bedeutung der Lohnpolitik
   für das makroökonomische
     Gleichgewicht in Europa
              BSA Lecture – Workshop
veranstaltet von der Sektion 8 der SPÖ Alsergrund und dem BSA
  BSA-Generalsekretariat Landesgerichtsstraße 16, 1010 Wien
                        Freitag, 22.6.2012
               mit Friederike Spiecker
                   www.fspiecker.de
Vorbild Deutschland?
                                            Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in
                                                       Deutschland
                           38                                                                                                       12

                                                               Arbeitslosenquote
                           37                                                                                                       10
abhängig Beschäftigte in




                                                                                                                                         Arbeitslosenquote in %
  Millionen Personen




                           36                                                                                                       8


                           35                                                                                                       6


                           34                                                                                                       4
                                                abhängig Beschäftigte
                           33                                                                                                       2


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                                                                                       03


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                                                                                                       07


                                                                                                               09


                                                                                                                       11


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                                                                                                    20


                                                                                                            20


                                                                                                                    20


                                                                                                                            20
                                                                                    Jahre
                           Quelle: AMECO Datenbank, Stand: November 2011.
Der Preismechanismus in der Marktwirtschaft
      Preis
                                            Angebot

                  Überschussangebot
                  drückt den Preis



      Gleich-
      gewichts-
      preis


                                            Nachfrage
                  Überschussnachfrage
                  lässt den Preis steigen

                                            Menge
Gesamtwirtschaftliches Denken in
      Bezug auf den Arbeitsmarkt I
            Preis
            Lohn
                                                   Angebot der Arbeitskräfte

                         Überschussangebot
                         drückt den Preis
                        Arbeitslosigkeit

 „Gleich-   Gleich-
gewichts-   gewichts-
            preis
  lohn“

                                                   Nachfrage der Unternehmen
                         Überschussnachfrage
                          Arbeitskräftemangel
                         lässt den Preis steigen

                                                   Menge Arbeitsstunden
Investitionen schaffen Beschäftigung

                                                         Beschäftigung1) und Investitionen2) in Deutschland3)
                                      6                                                                                                                                                                                               30

                                                                                                                    Investitionen
Veränderungsrate geg. Vorjahr in vH




                                                                                                                                                                                                                                            Veränderungsrate geg. Vorjahr in vH
                                      4                                                                                                                                                                                               20


                                      2                                                                                                                                                                                               10


                                      0                                                                                                                                                                                               0


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                                                                                                                 Beschäftigung
                                      -6                                                                                                                                                                                              -30
                                           1960
                                                  1962
                                                         1964
                                                                1966
                                                                       1968
                                                                              1970
                                                                                     1972
                                                                                            1974
                                                                                                   1976
                                                                                                          1978
                                                                                                                 1980
                                                                                                                        1982
                                                                                                                               1984
                                                                                                                                      1986
                                                                                                                                             1988
                                                                                                                                                    1990
                                                                                                                                                           1992
                                                                                                                                                                  1994
                                                                                                                                                                         1996
                                                                                                                                                                                1998
                                                                                                                                                                                            2000
                                                                                                                                                                                                   2002
                                                                                                                                                                                                          2004
                                                                                                                                                                                                                 2006
                                                                                                                                                                                                                        2008
                                                                                                                                                                                                                               2010
                                                                                                                                Jahre
                                           1)                                                                                                                                          2)
                                             Jährliche Veränderungsrate der abhängig Beschäftigten (ab 1971 in Vollzeitäquivalenten), linke Skala.                                          Jährliche Veränderungsrate der
                                           realen Ausrüstungsinvestitionen, rechte Skala. 3) Bis 1990 Westdeutschland, ab 1991 Deutschland.
                                           Quelle: AMECO Datenbank (Stand: November 2011), Statistisches Bundesamt.
Wie schafft man Investitionen? I
• Lohnsenkung bzw. Lohnzurückhaltung
  erhöht die Gewinne,
• weil die Produktionskosten sinken bzw.
  langsamer steigen.
• Das erhöht die Investitionsbereitschaft und
  damit die Investitionen.
• Dann nimmt die Beschäftigung zu.

         Gewinntheorie der Löhne
Wie schafft man Investitionen? II
• Lohnsteigerungen stärken die Kaufkraft
  und erhöhen so die Nachfrage.
• Das steigert die Kapazitätsauslastung.
• Das erhöht die Investitionsbereitschaft und
  damit die Investitionen.
• Dann nimmt die Beschäftigung zu.

       Kaufkrafttheorie der Löhne
Wer hat recht?
•Löhne sind beides: Kosten und Einkommen.
•Kompromiss =
                 Goldene Lohnregel:
Nominaler Stundenlohn muss im Durchschnitt
steigen wie
die durchschnittliche reale Stundenproduktivität
plus Zielinflationsrate der Zentralbank.
-> Reallohn steigt wie Produktivität.
• Warum beinhaltet die goldene Lohnregel
  die Zielinflationsrate?
Im Wettbewerb bestimmen Kosten
                                   die Preise
                                                                    EWU: Lohnstückkosten bestimmen Preise
                                   20

                                                                                Lohnstückkosten2)
jährliche Veränderungsrate in vH




                                   15

                                                                                                                          Preise1)
                                   10



                                    5



                                    0
                                                                         Zielrate der EZB von 2%

                                   -5
                                             1960
                                                    1962
                                                           1964
                                                                  1966
                                                                         1968
                                                                                1970
                                                                                       1972
                                                                                              1974
                                                                                                     1976
                                                                                                            1978
                                                                                                                   1980
                                                                                                                          1982
                                                                                                                                 1984
                                                                                                                                        1986
                                                                                                                                               1988
                                                                                                                                                      1990
                                                                                                                                                             1992
                                                                                                                                                                    1994
                                                                                                                                                                           1996
                                                                                                                                                                                  1998
                                                                                                                                                                                         2000
                                                                                                                                                                                                2002
                                                                                                                                                                                                       2004
                                                                                                                                                                                                              2006
                                                                                                                                                                                                                     2008
                                                                                                                                                                                                                            2010
                                                                                                                                                                                                                                   2012
                                                                                                                                    Jahre
                                        1)                                             2)
                                          Deflator des Bruttoinlandsprodukts. Bruttoeinkommen in ECU bzw. Euro aus unselbständiger Arbeit je Beschäftigten dividiert durch reales
                                        Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen.
                                        Quelle: AMECO Datenbank (Stand: Mai 2012); Werte für 2012 Prognose der EU-Kommission; eigene Berechnungen.
Ist die goldene Lohnregel mit
Marktwirtschaft vereinbar oder Utopie?

 • Wettbewerb = „jeder gegen jeden“?
 • Marktwirtschaft = Gesetz des Stärkeren?

 = einzelwirtschaftliches Denken:
   Unterbietung der Konkurrenz lohnt sich für
   jeden einzelnen kurzfristig
Die goldene Lohnregel ist
             Voraussetzung
für eine funktionierende Marktwirtschaft!

• Unterbietet jeder jeden, konkurrieren sich alle
  auf Dauer in Grund und Boden.
• Das „law of one price“
  (Gesetz des einheitlichen Preises)
  sorgt für fairen Wettbewerb.
-> Die Marktwirtschaft braucht eine Instanz, die
  das „law of one price“ im Interesse der
  Gesamtwirtschaft durchsetzt.
Was passiert beim Unterschreiten
     der goldenen Lohnregel? I
wenn
        ∆ Nominallöhne < ∆ Produktivität +
                 Zielinflationsrate
dann
       ∆ Lohnstückkosten < Zielinflationsrate
und dann
  tatsächliche Inflationsrate < Zielinflationsrate
Deutschland unter der Zielrate
                                                            Preisentwicklung1) in der EWU
                        135


                                                                                                                      Inflationsziel
                        130
                                                                                                                        der EZB4)
                        125

                                                                                                                                                                 EWU3
Preisindex 1999 = 100




                                                                         EWU ohne
                        120                                                                                                                                          )
                                                                        Deutschland2
                                                                                   )

                        115


                        110



                        105

                                                                                                     Deutschland
                        100



                        95
                                   1999   2000      2001      2002       2003      2004      2005       2006      2007         2008        2009          2010       2011
                                                                                            Jahre
                              1)
                               Deflator des Bruttoinlandsprodukts, 1999 = 100 . 2) 11 EWU-Länder, gewichtet mit realem BIP.   3)
                                                                                                                                   12 EWU-Länder.   4)
                                                                                                                                                         Preisanstieg von
                              2%.
                              Quelle: AMECO Datenbank (Stand: November 2011), eigene Berechnungen.
Folge der geringeren Inflation
• Außenhandelsvorteile
• bei eigenständiger Währung: irgendwann
  Aufwertung (aber carry trade!)
-> G20: Weltwährungssystem
• bei Gemeinschaftswährung:
  Verschuldungsproblem der
  Währungspartnerländer
Handelsungleichgewichte innerhalb der
               EWU
                                                       Handelsungleichgewichte1) in der EWU
                         8
                                                                                            Einführung                                                          Deutschland
                         6
                                                                                             des Euro
                         4
 Salden in vH des BIP




                         2
                                                                                                                                                                 Österreich
                         0
                                                                                                                                                              Frankreich
                         -2
                                                                                                                                   Südeuropa2)
                         -4

                         -6
                                                                                                             Spanien
                         -8

                        -10
                           91

                                  92

                                         93

                                                94

                                                       95

                                                              96

                                                                     97

                                                                            98

                                                                                   99

                                                                                          00

                                                                                                  01

                                                                                                         02

                                                                                                                03

                                                                                                                       04

                                                                                                                               05

                                                                                                                                      06

                                                                                                                                             07

                                                                                                                                                    08

                                                                                                                                                            09

                                                                                                                                                                   10

                                                                                                                                                                          11

                                                                                                                                                                                 12
                         19

                                19

                                       19

                                              19

                                                     19

                                                            19

                                                                   19

                                                                          19

                                                                                 19

                                                                                        20

                                                                                                20

                                                                                                       20

                                                                                                              20

                                                                                                                     20

                                                                                                                             20

                                                                                                                                    20

                                                                                                                                           20

                                                                                                                                                  20

                                                                                                                                                          20

                                                                                                                                                                 20

                                                                                                                                                                        20

                                                                                                                                                                               20
                                                                                                       Jahre
                              1)
                               Saldo der Leistungsbilanz in Prozent des Bruttoinlandsprodukts; negative Werte: Defizit. 2) Griechenland, Italien, Spanien, Portugal.
                              Quelle: AMECO Datenbank (Stand: Mai 2012); Werte 2012: Prognose der EU-Kommission; eigene Berechnungen.
Was passiert beim Unterschreiten
    der goldenen Lohnregel? II
außerdem
        ∆ Reallöhne < ∆ Produktivität


Auslastungsproblem: Binnennachfrage lahmt
Investitionen auf Dauer geringer als bei guter
  Binnenkonjunktur: Produktivitätsentwicklung
  lahmt
Konjunkturlokomotive Deutschland?

                                                       Wachstum1) in Europa
                   125

                                                                                                                       Frankreich
                   120
                                                        Südeuropa2)
Index 1999 = 100




                   115


                   110

                                                                                                             Deutschland
                   105


                   100


                   95
                         1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
                                                         Jahre
                    1)                                          2)
                     Reales Bruttoinlandsprodukt, Index 1999 = 100. Italien, Griechenland, Portugal, Spanien.
                    Quelle: AMECO Datenbank, Stand: November 2011; 2012 Schätzung der Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr
Der Preis der Lohnzurückhaltung
                                                     Inlands1)- und Auslandsnachfrage2)
                                                       in Frankreich und Deutschland
                   200



                   180
                                                                                                                 deutsche Exporte
Index 2000 = 100




                   160

                                                   französische Exporte
                   140
                                                                                                                             französische
                                                                                                                           Binnennachfrage
                   120



                   100

                                                                                      deutsche Binnennachfrage
                    80
                              2000



                                        2001



                                                   2002



                                                              2003



                                                                         2004



                                                                                    2005



                                                                                               2006



                                                                                                          2007



                                                                                                                    2008



                                                                                                                               2009



                                                                                                                                      2010



                                                                                                                                             2011
                                                                                       Jahre

                         1)
                          Index des realen Konsums und der realen Investitionen 2000=100. 2) Index des realen Exports 2000 = 100.
                         Quelle: AMECO Datenbank (Stand: November 2011), eigene Berechnungen.
Produktivität gehört in die Lohneinkommen
                                   Konsumwachstum in Deutschland und Frankreich
                                     Was ist bei vernünftiger Lohnpolitik möglich?


                          125



                          120
       Index 2000 = 100




                          115

                                                       Frankreich 2)                           fiktiv
                                                                                                        1)

                          110

                                                                                                              2)
                                                              Deutschland                 tatsächlich
                          105



                          100



                          95
                                2000   2001   2002   2003   2004    2005     2006      2007     2008         2009   2010     2011
                                                                       Jahre
 1)
   Fiktiver Index des realen Konsums berechnet anhand folgender Annahme: Realer Konsum wächst mit der durchschnittlichen Veränderungsrate der
 gesamtwirtschaftlichen Stundenproduktivität der Jahre 2000 bis 2007. 2) Realer Konsum (in Preisen von 2005), Index 2000 = 100.
 Quellen: AMECO Datenbank (Stand: November 2011), eigene Berechnungen.
Produktivität wächst langsamer
                                 Entwicklung der Produktivität1) in Deutschland
                         150

                                                                                                 1970 bis 1980
                         140
 Index Basisjahr = 100




                         130
                                                                                                            1980 bis 1990

                         120
                                                                             1991 bis 2000

                         110

                                                                                                  2000 bis 2010
                         100



                         90
                                   1



                                             2



                                                       3



                                                                 4



                                                                           5



                                                                                     6



                                                                                               7



                                                                                                        8



                                                                                                               9



                                                                                                                     10



                                                                                                                            11
                                                                                   Jahre
                               1)
                                  Reales Bruttoinlandsprodukt je geleistete Erwerbstätigenstunde.
                               Quelle: AMECO Datenbank, Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen.
Deutsche Lohnzurückhaltung
                             produziert Euro-Krise
                                     Lohnstückkosten-Entwicklung1) in der EWU
                   140

                   135
                                                                                                   Spanien
                   130
                                          Inflationsziel der                                                               Südeuropa2)
Index 1999 = 100




                   125
                                                    3)
                                                 EZB
                   120

                   115
                                                                                                      Frankreich                                Österreich
                   110

                   105

                   100
                                                                                                                                     Deutschland

                    95
                              1999    2000     2001      2002      2003       2004         2005   2006      2007       2008        2009    2010     2011   2012
                                                                                             Jahre
                         1)                                                           2)                                      3)
                          Index der gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten 1999 = 100. Griechenland, Italien, Portugal, Spanien. 2% Preisanstieg.
                         Quelle: AMECO Datenbank (Stand: Mai 2012), eigene Berechnungen; Werte für 2012 Prognose der EU-Kommission.
Wiederangleichung der Wettbewerbsfähigkeit der
                EWU-Staaten
                                                                                                                                                         1)
                                      Vorschlag zur Lohnstückkostenentwicklung in der EWU
                                                    zur Lösung der Euro-Krise
                     160

                                                                                                                              + 1% (= Nominallöhne zwischen
                     150
                                                                                                                                            +1% und 2,5%)

                     140
  Index 1999 = 100




                                                                      Frankreich
                     130
                                                                                  2)
                                                           Südeuropa                                                                                           + 1,3% (= Nominallöhne
                     120
                                                                                                                                                                                     ca. + 2,5%)
                                 Österreich
                     110
                                                                                                                                          + 3% (= Nominallöhne ca. +4,5 %)

                                                                                                                            + 2% (= Nominallöhne ca. +3,5 %)
                     100
                                                                   Deutschland                                                               fiktive Entwicklung
                          90
                               1999

                                      2000

                                             2001

                                                    2002

                                                            2003

                                                                    2004

                                                                           2005

                                                                                  2006

                                                                                         2007

                                                                                                2008

                                                                                                       2009

                                                                                                              2010

                                                                                                                     2011

                                                                                                                            2012

                                                                                                                                   2013

                                                                                                                                          2014

                                                                                                                                                 2015

                                                                                                                                                        2016

                                                                                                                                                               2017

                                                                                                                                                                      2018

                                                                                                                                                                             2019

                                                                                                                                                                                    2020

                                                                                                                                                                                           2021

                                                                                                                                                                                                  2022
                                                                                                              Jahre
                     1)
                       Index der gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten 1999 = 100, ab 2012 fiktiv für Deutschland +3%, für Südeuropa +1%, für Frankreich +1,3%, für Österreich +2%
                              2)
                     jährlich. Griechenland, Portugal, Spanien und Italien.
                     Quelle: AMECO Datenbank, Werte für 2012 Prognose der EU-Kommission, Stand: Mai 2012; eigene Berechnungen.
Aber das deutsche Wachstum wird doch
       inzwischen von der Binnenwirtschaft
                   getragen?!
Unterscheidung:
• absoluter Nettoexportwert (z.B. 130 Mrd. €)
• Veränderung dieses Wertes (z.B. sinkt um
  10 Mrd. €)
• Erst wenn Nettoexporte = 0, häuft das
  Ausland keine neuen Schulden gegenüber
  Deutschland mehr an.
• Erst wenn Nettoexporte < 0, werden
  Schulden vom Ausland zurückgezahlt.
„Aber wir können doch nicht
   a) unproduktiver werden oder
   b) mehr Inflation zulassen,
damit es den Krisenländern wieder
besser geht, denn ...
 1. geht es uns dann schlechter und
 2. hilft denen das nicht.“

                    ???
Produktivität ≠ Wettbewerbsfähigkeit
• Bsp. Wettrennen
• Langfristig muss jedes Land entsprechend seiner
  Produktivität konsumieren
• = den eigenen Verhältnissen entsprechend leben
  (weder darüber noch darunter)
• Ein Land kann für seine Zukunft nicht sparen,
  sondern nur investieren.
• Jedes Land kann beliebig produktiv sein.
• Kein Land kann beliebig wettbewerbsfähig sein.
Inflation und Marktwirtschaft
• Auf die Dosis kommt es an!
• Nur wenn sich Geld permanent leicht
  entwertet, besteht ein Anreiz für
  Sachinvestitionen statt für‘s Geldhorten
  („Sparstrumpf unter‘m Kopfkissen“ =
  Nachfrageausfall).
-> Ohne leichte, möglichst gleichbleibende
  Geldentwertung (z.B. 2% - 3%) funktioniert
  eine Marktwirtschaft auf Dauer nicht.
-> EZB: Zielrate von knapp unter 2%
Wen schädigen 2%-3% Inflation?
• Arbeitnehmer? nein, wenn goldene
  Lohnregel eingehalten wird
• Rentner? nein, wenn Renten der
  Lohnentwicklung folgen
• Sozialhilfeempfänger? nein, wenn
  Berechnung des Existenzminimums
  (Heizkostenzuschuss, Wohngeld...)
  zeitnah an Inflation angepasst wird
• Sparer? kommt auf Nominalzins an
Gibt es ein Recht auf Zinsen? I
• Geld bekommt nicht von allein Junge, auch
  nicht bei der Bank.
• Zinsen (Geldvermehrung) muss reales
  Wachstum (Gütervermehrung)
  gegenüberstehen, sonst steckt nur heiße Luft
  oder Umverteilung hinter ihnen.
• Sparer sparen aus Eigeninteresse (Vorsorge),
  nicht aus Hilfsbereitschaft (Konsumverzicht)
  für die Finanzierung von Investitionen.
Gibt es ein Recht auf Zinsen? II
• Sparer können froh sein, wenn mit ihren
  Ersparnissen etwas Produktives angefangen
  wird, so dass sie nach „Parken“ ihres Geldes
  etwas zurück bekommen, meist sogar mehr.
• Ersparnisse reduzieren Nachfrage.
• Die Finanzierung von Investitionen setzt
  keine Ersparnis voraus, weil Kreditschöpfung
  immer möglich ist.
  (keine Robinson-Crusoe-Wirtschaft)
Was muss kurzfristig geschehen
     zur Lösung der Eurokrise? I
• Bis zur Wiederherstellung der
  Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer muss
  ihre Zahlungsfähigkeit gewährleistet werden
  (durch EZB, Eurobonds, Rettungsschirme...)
• ohne die Volkswirtschaften durch drastische
  Sparauflagen und „Strukturreformen“ wie in
  Deutschland in die Deflation und damit tiefer in
  die Rezession zu führen.
Was muss kurzfristig geschehen
     zur Lösung der Eurokrise? II
• strikte Regulierung der Finanzmärkte
• Dogma der effizienten Kapitalmärkte hinfällig ->
  freier Kapitalfluss schädlich, Deregulierung war
  falsch
• denn: Finanzmärkte funktionieren anders als alle
  übrigen Märkte, weil auf ihnen Akteure mit nahezu
  identischen Informationen sehr schnell agieren.
• einzelwirtschaftlich rationales Herdenverhalten
-> „Schiff mit Schlagseite“: verzerrte Preise schädigen
  Realwirtschaft
Warum ist die Lösung der Euro-Krise
        unwahrscheinlich?
• ganzes wirtschaftswissenschaftliches und
  wirtschaftspolitisches Gedankengebäude
  steht vor dem Zusammenbruch
• prominentes Beispiel 1: Monetarismus
  prominentes Beispiel 2: Ideologie des
  Staatsversagens
Monetarismus I (primitive Variante)
                                   Geldmenge




                       Geldpolitik              Finanzmarkt

                                   Preisentwicklung /
Finanzwirtschaft /                      Inflation
„Geldschleier“

Realwirtschaft
                                      Beschäftigung

                     Lohnpolitik                  Arbeitsmarkt



                                      Löhne
                                                                 F. Spiecker
Monetarismus II (elaborierte Variante)
monetäre Sphäre

                                      Geldmenge



                             Geldpolitik           Finanzmarkt

                                      Preisentwicklung /                  Preise?
                                           Inflation


realwirtschaftliche Sphäre
                                    Lohneinkommen Produktion       Zinseinkommen
                Beschäfti-
                  gung
  Lohnpolitik                Arbeitsmarkt            Gütermarkt     Kapitalmarkt



           vereinbart Löhne                 Arbeitsstunden        Maschinen
                                                                              F. Spiecker
Volkswirtschaft
                                  Anti-Monetarismus
                Ziel und Instrument passen nicht direkt zusammen.
       -> Geld- und Lohnpolitik sind wechselseitig aufeinander angewiesen.

                                  ab
                                       Geldpolitik
                              t                            W
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             Zi
                                         Zinssatz

  Preisentwicklung                                          Wachstum
                                           Produktivität
   = Lohnstückkostenentwicklung                            Beschäftigung


              W                            Löhne                            b
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                  un                                                 aß
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                                                                                F. Spiecker
Sinnvolle Abstimmung von Geld- und Lohnpolitik
                                  e                                    Zins
                                at    Geldpolitik                          s   atz
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                       tion                                                          Finanzmarkt
                 fla                                                                      ↓
               in




                                                                 Vollbeschäftigungsziel
                                                                                     Kapitalmarkt
          rn




                                       Zielinflationsrate 2%
        e
       K
Preisentwicklung                                                         Sachinvestitionen
= Lohnstückkostenentwicklung




                                                                                 ng
                                                                              gu



                                                                               t
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                                                                          fti



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                                      Lohnpolitik
                                                                                            F. Spiecker
Haben wir noch Zeit und Lust?
• Dann können wir noch diskutieren über

Ideologie des Staatsversagens

Wachstum in einer endlichen Welt
Vorurteile gegen den Staat
• Staatsschulden sind Krisenursache
• Staatsschulden sind generell schlecht
• Staatsschulden belasten die Zukunft unserer
  Kinder und Enkel
  „Ein Staat, der sich nicht verschuldet, verspielt entweder die Zukunft
  nachfolgender Generationen oder mutet seiner gegenwärtigen Bevölkerung
  zu viel zu.“
• Staat ist schlechter Unternehmer ->
  Privatisierung
• Staat ist schlechter Banker (vgl. Landesbanken)
  -> Privatbanken
Die Marktwirtschaft ist ein in sich
        instabiles System I
Denn es ist einzelwirtschaftlich rational, dem aktuellen
  Trend zu folgen.
• Aufschaukeln von Aufwärtsbewegungen
  (Zentralbank kann Inflation durch Zinsen stoppen)
• Aufschaukeln von Abwärtsbewegungen (Zentralbank
  kann Deflation nicht beliebig stoppen, vgl. Japan)
In Konjunkturabschwüngen: Binnen-Nachfrage fällt
  schneller als Kapazitäten -> es gibt keine im System
  der Märkte eingebaute Stabilisierung
-> „Stabilisierungs-Anker“ Auslandsnachfrage oder
  Staat
Die Marktwirtschaft ist ein in sich
       instabiles System II
-> Diese Einsicht ist die zentrale Grundlage jeder
  rationalen Wirtschaftspolitik.
-> In Wissenschaft und Politik wird überwiegend das
  Gegenteil geglaubt.
-> Wirtschaftspolitik lehnt Aufgabe der
  gesamtwirtschaftlichen Steuerung ab („Sozialismus“,
  „Planwirtschaft“),
  versteht sich bestenfalls als Moderator der Interessen
  einzelner Gesellschaftsgruppen,
  oft sogar nur noch als Handlanger von Lobbyisten.
Wachstum in einer begrenzten Welt? I
• Der Staat kann durch Ordnungspolitik
  bestimmen, unter welchen Bedingungen was
  produziert werden darf.
• „One man one vote“ muss stärker sein als „one
  Euro one vote“ (Primat der Politik).
• Wer nicht weiß, wovon er heute und morgen
  überleben soll, der interessiert sich nicht für die
  Lebensbedingungen von übermorgen.
Wachstum in einer begrenzten Welt? II
• Es gibt zwei Ressourcen auf der Welt, die
  unbegrenzt sind, solange es Menschen gibt:
• Ideen:
  es kommt darauf an, den guten davon zum
  Durchbruch zu verhelfen durch sinnvolle
  gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen
• Dummheit:
  es kommt darauf an, sie immer wieder durch
  „Aufklärung“ einzudämmen
An allem Unfug, der passiert,
sind nicht etwa nur die schuld,
           die ihn tun,
       sondern auch die,
   die ihn nicht verhindern.

                    Erich Kästner 1933

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Lohnpolitik und Makro-Ungleichgewichte in Europa

  • 1. Die Bedeutung der Lohnpolitik für das makroökonomische Gleichgewicht in Europa BSA Lecture – Workshop veranstaltet von der Sektion 8 der SPÖ Alsergrund und dem BSA BSA-Generalsekretariat Landesgerichtsstraße 16, 1010 Wien Freitag, 22.6.2012 mit Friederike Spiecker www.fspiecker.de
  • 2. Vorbild Deutschland? Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in Deutschland 38 12 Arbeitslosenquote 37 10 abhängig Beschäftigte in Arbeitslosenquote in % Millionen Personen 36 8 35 6 34 4 abhängig Beschäftigte 33 2 32 0 91 93 95 97 99 01 03 05 07 09 11 13 19 19 19 19 19 20 20 20 20 20 20 20 Jahre Quelle: AMECO Datenbank, Stand: November 2011.
  • 3. Der Preismechanismus in der Marktwirtschaft Preis Angebot Überschussangebot drückt den Preis Gleich- gewichts- preis Nachfrage Überschussnachfrage lässt den Preis steigen Menge
  • 4. Gesamtwirtschaftliches Denken in Bezug auf den Arbeitsmarkt I Preis Lohn Angebot der Arbeitskräfte Überschussangebot drückt den Preis Arbeitslosigkeit „Gleich- Gleich- gewichts- gewichts- preis lohn“ Nachfrage der Unternehmen Überschussnachfrage Arbeitskräftemangel lässt den Preis steigen Menge Arbeitsstunden
  • 5. Investitionen schaffen Beschäftigung Beschäftigung1) und Investitionen2) in Deutschland3) 6 30 Investitionen Veränderungsrate geg. Vorjahr in vH Veränderungsrate geg. Vorjahr in vH 4 20 2 10 0 0 -2 -10 -4 -20 Beschäftigung -6 -30 1960 1962 1964 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 Jahre 1) 2) Jährliche Veränderungsrate der abhängig Beschäftigten (ab 1971 in Vollzeitäquivalenten), linke Skala. Jährliche Veränderungsrate der realen Ausrüstungsinvestitionen, rechte Skala. 3) Bis 1990 Westdeutschland, ab 1991 Deutschland. Quelle: AMECO Datenbank (Stand: November 2011), Statistisches Bundesamt.
  • 6. Wie schafft man Investitionen? I • Lohnsenkung bzw. Lohnzurückhaltung erhöht die Gewinne, • weil die Produktionskosten sinken bzw. langsamer steigen. • Das erhöht die Investitionsbereitschaft und damit die Investitionen. • Dann nimmt die Beschäftigung zu. Gewinntheorie der Löhne
  • 7. Wie schafft man Investitionen? II • Lohnsteigerungen stärken die Kaufkraft und erhöhen so die Nachfrage. • Das steigert die Kapazitätsauslastung. • Das erhöht die Investitionsbereitschaft und damit die Investitionen. • Dann nimmt die Beschäftigung zu. Kaufkrafttheorie der Löhne
  • 8. Wer hat recht? •Löhne sind beides: Kosten und Einkommen. •Kompromiss = Goldene Lohnregel: Nominaler Stundenlohn muss im Durchschnitt steigen wie die durchschnittliche reale Stundenproduktivität plus Zielinflationsrate der Zentralbank. -> Reallohn steigt wie Produktivität.
  • 9. • Warum beinhaltet die goldene Lohnregel die Zielinflationsrate?
  • 10. Im Wettbewerb bestimmen Kosten die Preise EWU: Lohnstückkosten bestimmen Preise 20 Lohnstückkosten2) jährliche Veränderungsrate in vH 15 Preise1) 10 5 0 Zielrate der EZB von 2% -5 1960 1962 1964 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Jahre 1) 2) Deflator des Bruttoinlandsprodukts. Bruttoeinkommen in ECU bzw. Euro aus unselbständiger Arbeit je Beschäftigten dividiert durch reales Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen. Quelle: AMECO Datenbank (Stand: Mai 2012); Werte für 2012 Prognose der EU-Kommission; eigene Berechnungen.
  • 11. Ist die goldene Lohnregel mit Marktwirtschaft vereinbar oder Utopie? • Wettbewerb = „jeder gegen jeden“? • Marktwirtschaft = Gesetz des Stärkeren? = einzelwirtschaftliches Denken: Unterbietung der Konkurrenz lohnt sich für jeden einzelnen kurzfristig
  • 12. Die goldene Lohnregel ist Voraussetzung für eine funktionierende Marktwirtschaft! • Unterbietet jeder jeden, konkurrieren sich alle auf Dauer in Grund und Boden. • Das „law of one price“ (Gesetz des einheitlichen Preises) sorgt für fairen Wettbewerb. -> Die Marktwirtschaft braucht eine Instanz, die das „law of one price“ im Interesse der Gesamtwirtschaft durchsetzt.
  • 13. Was passiert beim Unterschreiten der goldenen Lohnregel? I wenn ∆ Nominallöhne < ∆ Produktivität + Zielinflationsrate dann ∆ Lohnstückkosten < Zielinflationsrate und dann tatsächliche Inflationsrate < Zielinflationsrate
  • 14. Deutschland unter der Zielrate Preisentwicklung1) in der EWU 135 Inflationsziel 130 der EZB4) 125 EWU3 Preisindex 1999 = 100 EWU ohne 120 ) Deutschland2 ) 115 110 105 Deutschland 100 95 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Jahre 1) Deflator des Bruttoinlandsprodukts, 1999 = 100 . 2) 11 EWU-Länder, gewichtet mit realem BIP. 3) 12 EWU-Länder. 4) Preisanstieg von 2%. Quelle: AMECO Datenbank (Stand: November 2011), eigene Berechnungen.
  • 15. Folge der geringeren Inflation • Außenhandelsvorteile • bei eigenständiger Währung: irgendwann Aufwertung (aber carry trade!) -> G20: Weltwährungssystem • bei Gemeinschaftswährung: Verschuldungsproblem der Währungspartnerländer
  • 16. Handelsungleichgewichte innerhalb der EWU Handelsungleichgewichte1) in der EWU 8 Einführung Deutschland 6 des Euro 4 Salden in vH des BIP 2 Österreich 0 Frankreich -2 Südeuropa2) -4 -6 Spanien -8 -10 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 19 19 19 19 19 19 19 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Jahre 1) Saldo der Leistungsbilanz in Prozent des Bruttoinlandsprodukts; negative Werte: Defizit. 2) Griechenland, Italien, Spanien, Portugal. Quelle: AMECO Datenbank (Stand: Mai 2012); Werte 2012: Prognose der EU-Kommission; eigene Berechnungen.
  • 17. Was passiert beim Unterschreiten der goldenen Lohnregel? II außerdem ∆ Reallöhne < ∆ Produktivität Auslastungsproblem: Binnennachfrage lahmt Investitionen auf Dauer geringer als bei guter Binnenkonjunktur: Produktivitätsentwicklung lahmt
  • 18. Konjunkturlokomotive Deutschland? Wachstum1) in Europa 125 Frankreich 120 Südeuropa2) Index 1999 = 100 115 110 Deutschland 105 100 95 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Jahre 1) 2) Reales Bruttoinlandsprodukt, Index 1999 = 100. Italien, Griechenland, Portugal, Spanien. Quelle: AMECO Datenbank, Stand: November 2011; 2012 Schätzung der Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr
  • 19. Der Preis der Lohnzurückhaltung Inlands1)- und Auslandsnachfrage2) in Frankreich und Deutschland 200 180 deutsche Exporte Index 2000 = 100 160 französische Exporte 140 französische Binnennachfrage 120 100 deutsche Binnennachfrage 80 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Jahre 1) Index des realen Konsums und der realen Investitionen 2000=100. 2) Index des realen Exports 2000 = 100. Quelle: AMECO Datenbank (Stand: November 2011), eigene Berechnungen.
  • 20. Produktivität gehört in die Lohneinkommen Konsumwachstum in Deutschland und Frankreich Was ist bei vernünftiger Lohnpolitik möglich? 125 120 Index 2000 = 100 115 Frankreich 2) fiktiv 1) 110 2) Deutschland tatsächlich 105 100 95 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Jahre 1) Fiktiver Index des realen Konsums berechnet anhand folgender Annahme: Realer Konsum wächst mit der durchschnittlichen Veränderungsrate der gesamtwirtschaftlichen Stundenproduktivität der Jahre 2000 bis 2007. 2) Realer Konsum (in Preisen von 2005), Index 2000 = 100. Quellen: AMECO Datenbank (Stand: November 2011), eigene Berechnungen.
  • 21. Produktivität wächst langsamer Entwicklung der Produktivität1) in Deutschland 150 1970 bis 1980 140 Index Basisjahr = 100 130 1980 bis 1990 120 1991 bis 2000 110 2000 bis 2010 100 90 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Jahre 1) Reales Bruttoinlandsprodukt je geleistete Erwerbstätigenstunde. Quelle: AMECO Datenbank, Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen.
  • 22. Deutsche Lohnzurückhaltung produziert Euro-Krise Lohnstückkosten-Entwicklung1) in der EWU 140 135 Spanien 130 Inflationsziel der Südeuropa2) Index 1999 = 100 125 3) EZB 120 115 Frankreich Österreich 110 105 100 Deutschland 95 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Jahre 1) 2) 3) Index der gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten 1999 = 100. Griechenland, Italien, Portugal, Spanien. 2% Preisanstieg. Quelle: AMECO Datenbank (Stand: Mai 2012), eigene Berechnungen; Werte für 2012 Prognose der EU-Kommission.
  • 23. Wiederangleichung der Wettbewerbsfähigkeit der EWU-Staaten 1) Vorschlag zur Lohnstückkostenentwicklung in der EWU zur Lösung der Euro-Krise 160 + 1% (= Nominallöhne zwischen 150 +1% und 2,5%) 140 Index 1999 = 100 Frankreich 130 2) Südeuropa + 1,3% (= Nominallöhne 120 ca. + 2,5%) Österreich 110 + 3% (= Nominallöhne ca. +4,5 %) + 2% (= Nominallöhne ca. +3,5 %) 100 Deutschland fiktive Entwicklung 90 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Jahre 1) Index der gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten 1999 = 100, ab 2012 fiktiv für Deutschland +3%, für Südeuropa +1%, für Frankreich +1,3%, für Österreich +2% 2) jährlich. Griechenland, Portugal, Spanien und Italien. Quelle: AMECO Datenbank, Werte für 2012 Prognose der EU-Kommission, Stand: Mai 2012; eigene Berechnungen.
  • 24. Aber das deutsche Wachstum wird doch inzwischen von der Binnenwirtschaft getragen?! Unterscheidung: • absoluter Nettoexportwert (z.B. 130 Mrd. €) • Veränderung dieses Wertes (z.B. sinkt um 10 Mrd. €) • Erst wenn Nettoexporte = 0, häuft das Ausland keine neuen Schulden gegenüber Deutschland mehr an. • Erst wenn Nettoexporte < 0, werden Schulden vom Ausland zurückgezahlt.
  • 25. „Aber wir können doch nicht a) unproduktiver werden oder b) mehr Inflation zulassen, damit es den Krisenländern wieder besser geht, denn ... 1. geht es uns dann schlechter und 2. hilft denen das nicht.“ ???
  • 26. Produktivität ≠ Wettbewerbsfähigkeit • Bsp. Wettrennen • Langfristig muss jedes Land entsprechend seiner Produktivität konsumieren • = den eigenen Verhältnissen entsprechend leben (weder darüber noch darunter) • Ein Land kann für seine Zukunft nicht sparen, sondern nur investieren. • Jedes Land kann beliebig produktiv sein. • Kein Land kann beliebig wettbewerbsfähig sein.
  • 27. Inflation und Marktwirtschaft • Auf die Dosis kommt es an! • Nur wenn sich Geld permanent leicht entwertet, besteht ein Anreiz für Sachinvestitionen statt für‘s Geldhorten („Sparstrumpf unter‘m Kopfkissen“ = Nachfrageausfall). -> Ohne leichte, möglichst gleichbleibende Geldentwertung (z.B. 2% - 3%) funktioniert eine Marktwirtschaft auf Dauer nicht. -> EZB: Zielrate von knapp unter 2%
  • 28. Wen schädigen 2%-3% Inflation? • Arbeitnehmer? nein, wenn goldene Lohnregel eingehalten wird • Rentner? nein, wenn Renten der Lohnentwicklung folgen • Sozialhilfeempfänger? nein, wenn Berechnung des Existenzminimums (Heizkostenzuschuss, Wohngeld...) zeitnah an Inflation angepasst wird • Sparer? kommt auf Nominalzins an
  • 29. Gibt es ein Recht auf Zinsen? I • Geld bekommt nicht von allein Junge, auch nicht bei der Bank. • Zinsen (Geldvermehrung) muss reales Wachstum (Gütervermehrung) gegenüberstehen, sonst steckt nur heiße Luft oder Umverteilung hinter ihnen. • Sparer sparen aus Eigeninteresse (Vorsorge), nicht aus Hilfsbereitschaft (Konsumverzicht) für die Finanzierung von Investitionen.
  • 30. Gibt es ein Recht auf Zinsen? II • Sparer können froh sein, wenn mit ihren Ersparnissen etwas Produktives angefangen wird, so dass sie nach „Parken“ ihres Geldes etwas zurück bekommen, meist sogar mehr. • Ersparnisse reduzieren Nachfrage. • Die Finanzierung von Investitionen setzt keine Ersparnis voraus, weil Kreditschöpfung immer möglich ist. (keine Robinson-Crusoe-Wirtschaft)
  • 31. Was muss kurzfristig geschehen zur Lösung der Eurokrise? I • Bis zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer muss ihre Zahlungsfähigkeit gewährleistet werden (durch EZB, Eurobonds, Rettungsschirme...) • ohne die Volkswirtschaften durch drastische Sparauflagen und „Strukturreformen“ wie in Deutschland in die Deflation und damit tiefer in die Rezession zu führen.
  • 32. Was muss kurzfristig geschehen zur Lösung der Eurokrise? II • strikte Regulierung der Finanzmärkte • Dogma der effizienten Kapitalmärkte hinfällig -> freier Kapitalfluss schädlich, Deregulierung war falsch • denn: Finanzmärkte funktionieren anders als alle übrigen Märkte, weil auf ihnen Akteure mit nahezu identischen Informationen sehr schnell agieren. • einzelwirtschaftlich rationales Herdenverhalten -> „Schiff mit Schlagseite“: verzerrte Preise schädigen Realwirtschaft
  • 33. Warum ist die Lösung der Euro-Krise unwahrscheinlich? • ganzes wirtschaftswissenschaftliches und wirtschaftspolitisches Gedankengebäude steht vor dem Zusammenbruch • prominentes Beispiel 1: Monetarismus prominentes Beispiel 2: Ideologie des Staatsversagens
  • 34. Monetarismus I (primitive Variante) Geldmenge Geldpolitik Finanzmarkt Preisentwicklung / Finanzwirtschaft / Inflation „Geldschleier“ Realwirtschaft Beschäftigung Lohnpolitik Arbeitsmarkt Löhne F. Spiecker
  • 35. Monetarismus II (elaborierte Variante) monetäre Sphäre Geldmenge Geldpolitik Finanzmarkt Preisentwicklung / Preise? Inflation realwirtschaftliche Sphäre Lohneinkommen Produktion Zinseinkommen Beschäfti- gung Lohnpolitik Arbeitsmarkt Gütermarkt Kapitalmarkt vereinbart Löhne Arbeitsstunden Maschinen F. Spiecker
  • 36. Volkswirtschaft Anti-Monetarismus Ziel und Instrument passen nicht direkt zusammen. -> Geld- und Lohnpolitik sind wechselseitig aufeinander angewiesen. ab Geldpolitik t W a ßs irk M un l/ g e Zi Zinssatz Preisentwicklung Wachstum Produktivität = Lohnstückkostenentwicklung Beschäftigung W Löhne b irk s ta un aß g /M l ie Lohnpolitik Z F. Spiecker
  • 37. Sinnvolle Abstimmung von Geld- und Lohnpolitik e Zins at Geldpolitik s atz sr tion Finanzmarkt fla ↓ in Vollbeschäftigungsziel Kapitalmarkt rn Zielinflationsrate 2% e K Preisentwicklung Sachinvestitionen = Lohnstückkostenentwicklung ng gu t itä fti tiv hä Lö uk sc hn od Be e Pr Lohnpolitik F. Spiecker
  • 38. Haben wir noch Zeit und Lust? • Dann können wir noch diskutieren über Ideologie des Staatsversagens Wachstum in einer endlichen Welt
  • 39. Vorurteile gegen den Staat • Staatsschulden sind Krisenursache • Staatsschulden sind generell schlecht • Staatsschulden belasten die Zukunft unserer Kinder und Enkel „Ein Staat, der sich nicht verschuldet, verspielt entweder die Zukunft nachfolgender Generationen oder mutet seiner gegenwärtigen Bevölkerung zu viel zu.“ • Staat ist schlechter Unternehmer -> Privatisierung • Staat ist schlechter Banker (vgl. Landesbanken) -> Privatbanken
  • 40. Die Marktwirtschaft ist ein in sich instabiles System I Denn es ist einzelwirtschaftlich rational, dem aktuellen Trend zu folgen. • Aufschaukeln von Aufwärtsbewegungen (Zentralbank kann Inflation durch Zinsen stoppen) • Aufschaukeln von Abwärtsbewegungen (Zentralbank kann Deflation nicht beliebig stoppen, vgl. Japan) In Konjunkturabschwüngen: Binnen-Nachfrage fällt schneller als Kapazitäten -> es gibt keine im System der Märkte eingebaute Stabilisierung -> „Stabilisierungs-Anker“ Auslandsnachfrage oder Staat
  • 41. Die Marktwirtschaft ist ein in sich instabiles System II -> Diese Einsicht ist die zentrale Grundlage jeder rationalen Wirtschaftspolitik. -> In Wissenschaft und Politik wird überwiegend das Gegenteil geglaubt. -> Wirtschaftspolitik lehnt Aufgabe der gesamtwirtschaftlichen Steuerung ab („Sozialismus“, „Planwirtschaft“), versteht sich bestenfalls als Moderator der Interessen einzelner Gesellschaftsgruppen, oft sogar nur noch als Handlanger von Lobbyisten.
  • 42. Wachstum in einer begrenzten Welt? I • Der Staat kann durch Ordnungspolitik bestimmen, unter welchen Bedingungen was produziert werden darf. • „One man one vote“ muss stärker sein als „one Euro one vote“ (Primat der Politik). • Wer nicht weiß, wovon er heute und morgen überleben soll, der interessiert sich nicht für die Lebensbedingungen von übermorgen.
  • 43. Wachstum in einer begrenzten Welt? II • Es gibt zwei Ressourcen auf der Welt, die unbegrenzt sind, solange es Menschen gibt: • Ideen: es kommt darauf an, den guten davon zum Durchbruch zu verhelfen durch sinnvolle gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen • Dummheit: es kommt darauf an, sie immer wieder durch „Aufklärung“ einzudämmen
  • 44. An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern. Erich Kästner 1933