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Pulchinellas Geheimnis im Zeitalter von WikiLeaks
1. Pulcinella‘s
Geheimnis
„secreto di Pulcinella“
Geheimes und Privates
im Zeitalter des Internet
Tim Cole
Internet-Publizist
2. Was ist ein überhaupt Geheimnis?
„Eine einer begrenzten
Personenzahl vorbehaltene
Information“ *
*Wikipedia
3. Was ist ein überhaupt Geheimnis?
• Ein Geheimnis ist eine meist sensible Information,
die Personengruppen nicht bekannt oder einsehbar
ist, für die sie von Interesse ist/sein könnte.
4. Was ist ein überhaupt Geheimnis?
• Ein Geheimnis ist eine meist sensible Information,
die der Personengruppe, für die sie von Interesse
ist/sein könnte, nicht bekannt oder einsehbar ist.
• Die entsprechende Information wird häufig
absichtlich in einem kleinen Kreis Eingeweihter
gehalten, kann durch äußere Umstände aber auch
vollkommen verloren gehen.
5. Was ist ein überhaupt Geheimnis?
• Ein Geheimnis ist eine meist sensible Information,
die der Personengruppe, für die sie von Interesse
ist/sein könnte, nicht bekannt oder einsehbar ist.
• Die entsprechende Information wird häufig
absichtlich in einem kleinen Kreis Eingeweihter
gehalten, kann durch äußere Umstände aber
auch vollkommen verloren gehen.
• Im Kontext eines Mysteriums bezeichnet
„Geheimnis“ ein Ereignis, das rational nicht
erklärbar ist.
6. Was ist ein überhaupt Geheimnis?
• Als Gegenbegriffe gelten
– Öffentlichkeit,
– Transparenz und
– Informationsfreiheit.
8. „secretus“
• “sekret [lat.]:
(veraltet) geheim;
abgesondert
• Sekretär der
(veraltet) „Geheim-
schreiber“
Konrad Duden
9. Das „WikiLeaks-
Paradoxon“
Dr. Emilio Mordini
Centre for Science, Society
and Citizenship (CSSC), Rom
10. Der Widerspruch zwischen dem Wunsch nach
Geheimemn und der offenen
Informationsgesellschaft
• Geheimhaltung ist wichtig für viele
Bereiche der Gesellschaft, der
Wirtschaft und der Verwaltung
• Geheimnisse neigen dazu, publik zu
werden, egal wie man sie schützt.
• Wir sind gezwungen, diesen Schutz
betreiben, um uns nicht strafbar zu
machen (oder verrückt zu werden).
12. Die drei Dimensionen des Geheimen (1)
• Etwas beiseite stellen
durch Verstecken
• Dinge durch Sichtbarkeit
und Unsichtbarkeit zu
differenzieren
13. Die drei Dimensionen des Geheimen (1)
• Etwas beiseite stellen
durch Verstecken
• Dinge durch Sichtbarkeit
und Unsichtbarkeit zu
differenzieren
• Impliziert die Fähigkeit,
Merkmale festzulegen,
durch die etwas
entweder als sichtbar
oder unsichtbar
gekennzeichnet werden
können
14. Die drei Dimensionen des Geheimen (1)
• NB: Etwas zu kennzeichnen
ist selten eine gute
Strategie, wenn man etwas
verstecken will.
15. Die drei Dimensionen des Geheimen (1)
• NB: Etwas zu kennzeichnen
ist selten eine gute
Strategie, wenn man etwas
verstecken will.
• Wenn man etwas beiseite
stellt, erzeugt man
Aufmerksamkeit und
Neugier.
16. Die drei Dimensionen des Geheimen (1)
• NB: Etwas zu
kennzeichnen ist selten
eine gute Strategie,
wenn man etwas
verstecken will.
• Wenn man etwas
beiseite stellt, erzeugt
man Aufmerksamkeit
und Neugier.
• Der beste Weg, etwas zu
verstecken, ist es Das beste Versteck für einen Apfel
unauffällig zu machen ist ein Apfelkorb
18. Die drei Dimensionen des Geheimen (2)
• Etwas sehr Privates
• Das deutsche Wort
“heimlich” beschreibt ja
etwas, das vertraut und
“heimelig” ist.
19. Die drei Dimensionen des Geheimen (2)
• Etwas sehr Privates
• Das deutsche Wort
“heimlich” beschreibt ja
etwas, das vertraut und
“heimelig” ist.
• In diesem Sinn hat ein
Geheimnis etwas mit
Intimität und Privatheit
zu tun.
20. Die drei Dimensionen des Geheimen (2)
• Geheimnisse sind
meistens auf einen
kleinen Personenkreis
beschränkt, bleiben also
intim und privat
21. Die drei Dimensionen des Geheimen (2)
• Geheimnisse sind
meistens auf einen
kleinen Personenkreis
beschränkt, bleiben also
intim und privat
• Dieser Zustand ist nur
für wenige sichtbar und
zugänglich.
23. Die drei Dimensionen des Geheimen (3)
• Etwas über das man nicht spricht
• Ein Geheime ist etwas
Verschwiegenes – Stille.
24. Die drei Dimensionen des Geheimen (3)
• Etwas über das man nicht spricht
• Ein Geheime ist etwas
Verschwiegenes –Stille.
• Novizen in Geheimgesellschaften
werden in der Kunst des
Schweigens eingeweiht
25. Die drei Dimensionen des Geheimen (3)
• Etwas über das man nicht spricht
• Ein Geheime ist etwas
Verschwiegenes –Stille.
• Novizen in Geheimgesellschaften
werden in der Kunst des
Schweigens eingeweiht
• “Schweige still!” (Tamino zu
Papageno in der “Zauberflöte”)
26. ἀρρητοϕόρια
Beim Fest der Arretophoria
mussten zwei kleine Mädchen im
alte Athen ein Gefäß im Tempel in
Empfang nehmen und in einer
geheimen Grotte verstecken. Sie
wußten aber nicht, was sich darin
befand.
27. ἀρρητοϕόρια
Moderne Forscher meinen, dass es
sich möglicherweise um
Schlangenfiguren oder
Phallussymbole aus Mehlpaste
gehandelt haben kann, aber
niemand weiß es genau.
28. ἀρρητοϕόρια
Moderne Forscher meinen, dass es
sich möglicherweise um
Schlangenfiguren oder
Phallussymbole aus Mehlpaste
gehandelt haben kann, aber niemand
weiß es genau.
Vielleicht war das Gefäß auch leer.
In diesem Fall wäre das Geheimnis das
Geheimnis selber gewesen.
29. Fassen wir zusammen
• Ein Geheimnis ist etwas,
das versteckt worden ist
• Es ist etwas Intimes,
Privates
• Man kann es nicht wissen
und auch nicht darüber
reden.
30. Die gesellschaftliche Funktion des Geheimen
• Sie dient der
Gruppenbildung
• Sie schafft eine parallele
Wirklichkeit
• Sie verleiht Macht
32. Gruppenbildung
• Ein Geheimnis schafft
Eingeweihte und
Nichteingeweihte
• Es ist ein Mittel um
festzustellen, wer
dazugehört und wer
nicht.
33. Gruppenbildung
• Ein Geheimnis schafft
Eingeweihte und
Nichteingeweihte
• Es ist ein Mittel um
festzustellen, wer
dazugehört und wer
nicht.
• Es schafft Verbindungen
zwischen denen, die
dazu gehören.
35. Parallelwelten
• Geheimnisse bereichern
das Leben, indem sie eine
parallele Realität schaffen.
• Gesellschaften sind von
der Dynamik zwischen
dem Geheimen und dem,
Offensichtlichen geprägt.
36. Parallelwelten
• Geheimnisse bereichern
das Leben, indem sie eine
parallele Realität schaffen.
• Gesellschaften sind von
der Dynamik zwischen
dem Geheimen und dem,
Offensichtlichen geprägt.
• Geheimnisse sind für das
gesellschaftliche
Zusammenleben wichtig!
38. Macht
• Geheimnissbesitz kann
Persönlichkeitsstrukturen
formen und prägen.
• Wer ein Geheimnis kennt,
hat Macht über andere
(oder glaubt sie zu haben).
39. Macht
• Geheimnissbesitz kann
Persönlichkeitsstrukturen
formen und prägen.
• Wer ein Geheimnis kennt,
hat Macht über andere
(oder glaubt sie zu haben).
• Konspirationstheorien
beruhen auf
Geheimnissen. Diese
können wahr sein, müssen
es ab er nicht.
42. Das “Segreto di Pulcinella”
• Pulcinella (Kasperl) ist eine Figur aus
der italienischen Commedia dell’Arte
43. Das “Segreto di Pulcinella”
• Pulcinella (Kasperl) ist eine Figur aus
der italienischen Commedia dell’Arte
• Eine seiner lazzi erzählt, wie jemand
Pulchinella ein Geheimnis verrät.
Dieser erzählt ihn sogleich an alle
weiter, schärft ihnen aber ein, es nicht
zu verraten, weil es ja ein Geheimnis
ist.
44. Das “Segreto di Pulcinella”
• Pulcinella (Kasperl) ist eine Figur aus
der italienischen Commedia dell’Arte
• Eine seiner lazzi erzählt, wie jemand
Pulchinella ein Geheimnis verrät.
Dieser erzählt ihn sogleich an alle
weiter, schärft ihnen aber ein, es nicht
zu verraten, weil es ja ein Geheimnis
ist.
• Am Ende kennen alle – Schauspieler,
Zuschauer – das Geheimnis, aber alle
tun so, also sie es nicht wüßten.
48. 4 Thesen
• 1: Alle Geheimnisse in der
Informationgesellschaft sind
Pulcinella-Geheimnisse. Es gibt nichts,
was wirklich unbekannt ist.
• 2: Pulcinella-Geheimnisse in der IT
sind nicht trivial. Sie können sogar von
großer Tragweite sein.
Ihr Relevanz hängt nicht von ihrem
Status ab, sondern von der Rolle, die
sie als Machtfaktor in der Gesellschaft
und bei zwischenmenschlichen
Beziehungen spielen.
49. 4 Thesen
• 3: Der Wert einer Information
leitet sich aus ihrem Nutzwert
ab. Wer eine Information zuerst
anwenden kann, hat den
größten Nutzen.
50. 4 Thesen
• 3: Der Wert einer Information
leitet sich aus ihrem Nutzwert
ab. Wer eine Information zuerst
verwenden kann, hat den
größten Nutzen.
• 4: Geheimnisse bleiben nur
Geheim, wenn der Besitzer
mächtig genug ist, sie geheim zu
halten oder andere zu zwingen,
so zu tun, als ob sie geheim
wären.
51. “Was nicht geheim gehalten werden muss,
sollte öffentlich gemacht werden”
• Publizität ist das erste Gebot einer
Informationsgesellschaft.
– “Information wants to be free”
52. “Was nicht geheim gehalten werden muss,
sollte öffentlich gemacht werden”
• Publizität ist das erste Gebot einer
Informationsgesellschaft.
• “Information wants to be free”
• Information ist eine Ware und will als solche in
Umlauf gebracht werden.
53. “Was nicht geheim gehalten werden muss,
sollte öffentlich gemacht werden”
• Publizität ist das erste Gebot einer
Informationsgesellschaft.
• “Information wants to be free”
• Information ist eine Ware und will als solche in
Umlauf gebracht werden.
• Dinge, die einst geheim gehalten wurden,
werden in der Informationsgesellschaft
zunehmend öffentlich, weil das in der Natur
einer solchen Gesellschaft liegt.
54. “Was nicht öffentlich ist, sollte
geheim bleiben.”
• Wenn Information eine Ware ist, dann
kann sie auch Privateigentum sein und
muss deshalb geschützt werden, um
ihren Wert zu erhalten.
55. “Was nicht öffentlich ist, sollte
geheim bleiben.”
• Wenn Information eine Ware ist, dann
kann sie auch Privateigentum sein und
muss deshalb geschützt werden, um
ihren Wert zu erhalten.
• Dafür gibt es Dinge wie Datenschutz,
Privatheit und Gesetze zum Schutz
geistigen Eigentums.
56. Willkommen im globalen Dorf!
• Location: jeder weiß, wo jeder
gerade ist
• Identification: jeder weiß, wer
wir sind
• Tracking: jeder weiß, was wir
gerade machen
• Diskretion: unter normalen
Umständen tun alle so, als ob
sie nicht wüßten, wo wir sind,
wer wir sind und was wir
gerade machen.
59. Was tun?
• Statt sich um den Schutz von Systemen
sollte sich die IT mehr um den Schutz von
Informationen kümmern.
• Das heißt: Starke Zugangskontrolle und
wirkungsvolles Identity Management.
• Unternehmen und Organisationen müssen
auf den “worst Case” vorbereitet sein.
• Bürger und Konsumenten müssen die
Macht über ihre persönlichen
Informationen zurück erlangen.
• Wir brauchen ein Recht auf “digitales
Vergessen”.
60. Was hat uns Wikileaks gelehrt?
• Geheimnisse sind Dinge,
die wir für geheim halten
oder die wir als geheim
bezeichnen.
• Das heißt nicht, dass wir
wirklich geheim sind.
• Ihr Wert liegt nicht darin,
ob sie geheim sind oder
nicht, sondern darin,
welche Macht von ihnen
ausgeht.
61. Mit Pulchinella leben
“Wovon man
nicht sprechen
kann, darüber
muss man
schweigen”
Wittgenstein, Tractaus