Eine der größten Herausforderungen ist das Arbeiten für Hörfunk und Fernsehen. Verschiedene Stressfaktoren machen es für Wissenschaftler besonders schwierig, ihre Themen angemessen zu kommunizieren. Fragt man einen Forscher, ob er lieber einer Zeitung oder einer TV- Station Rede und Antwort steht, so wird er sich in der Regel für die Zeitung entscheiden. Hörfunk und Fernsehen bieten dabei zahlreiche Chancen, wie man ein großes Publikum nicht nur erreicht, sondern überzeugen und begeistern kann. Dazu muss man nur einige Regeln und Tricks beherrschen. Arbeiten für Fernsehen und Radio ist keine Zauberei, sondern Handwerk und das kann ein Wissenschaftler ohne Probleme lernen.
Patrick Honecker: Wissenschaft auf UKW - Gut klingen im Radio
1. E 12.2
Wissenschaft auf UKW
Gut klingen im Radio
Patrick Honecker
Eine der größten Herausforderungen ist das Arbeiten für Hörfunk und Fernsehen. Verschiedene
Stressfaktoren machen es für Wissenschaftler besonders schwierig, ihre Themen angemessen zu
kommunizieren. Das liegt auch an Vorurteilen, welche gegenüber den Fernseh- und Hörfunk-
Journalisten gepflegt werden. Fragt man einen Forscher, ob er lieber einer Zeitung oder einer TV-
Station Rede und Antwort steht, so wird er sich in der Regel für die Zeitung entscheiden. Hörfunk
und Fernsehen bieten dabei zahlreiche Chancen, wie man ein großes Publikum nicht nur erreicht,
sondern überzeugen und begeistern kann. Dazu muss man nur einige Regeln und Tricks
beherrschen. In den folgenden Kapiteln werden Beispiele dafür gegeben, wie man professionell mit
den audio-visuellen Medien arbeitet. Neben Kenntnissen über die Arbeitsweise der Sendeanstalten,
werden Methoden zur Vorbereitung, Durchführung und Bewertung der medialen Kompetenz
vermittelt. Denn: Arbeiten für Fernsehen und Radio ist keine Zauberei, sondern Handwerk und das
kann ein Wissenschaftler ohne Probleme lernen.
Gliederung Seite
1. Print bevorzugt – Was ist anders in Funk und Fernsehen? 2
2. Radio 3
2.1 Spielfeld der Wissenschaft – das Experteninterview 5
2.2 Das Interview 6
3. Nichts zu verschenken – Inhalt und Form des Radiointerviews 12
3.1 Den Zuhörer gewinnen: die Einleitung des Interviews 12
3.2 Frage und Antworten: der Hauptteil 13
3.3 Ende gut … : der Abschluss des Interviews 15
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2. E 12.2 Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür?
Interviews: Bestehen vor Schreibblock, Mikrofon und Kamera
1. Print bevorzugt – Was ist anders in Funk
und Fernsehen?
Wissenschaftler1 haben eine klare Rangliste, was die Beliebtheit von
Medien betrifft. Nach meiner Erfahrung schätzen sie die Print-Presse
eindeutig höher ein, als die audio-visuellen Medien. Fragt man nach
dem Grund für diese Bevorzugung, bekommt man folgende Antworten:
Bedenken gegenüber
Funk und Fernsehen 1. „Wer schreibt, der bleibt...“. Gedrucktes ist vorzeigbar, man kann
es ausschneiden oder ausdrucken und bei Bedarf in einem
Pressespiegel komfortabel zusammenheften.
2. „Zeitungen sind seriöser...“. Ihre Mitarbeiter nehmen sich mehr
Zeit und legen die Texte vor Veröffentlichung zur Autorisierung vor.
3. „Print hat Platz...“. Im Gegensatz zum 30-Sekunden-Statement,
werden längere Passagen abgedruckt. Wissenschaftliche Arbeit
findet breiteren Raum in der Darstellung.
So weit die Bedenken. Unter der Oberfläche gibt es aber noch andere
Gründe, welche Auslöser für die kritische Einstellung gegenüber Hör-
funk und Fernsehen sind.
Mikrofon und Kamera
als Stressfaktoren 1. Mikrofon und Kamera verursachen Stress. Sie schaffen direkt eine
Öffentlichkeit, die Fehler gnadenlos aufzeichnet.
2. Mikrofon und Kamera bewerten mehr als die bloßen Fakten. Das
Bild dominiert im Fernsehen das Wort, der Klang ist im Radio ein
wichtiges Kriterium.
3. Im Gegensatz zu Zeitungs- oder Zeitschriftenjournalisten geben
ihre Kollegen der audio-visuellen Medien selten die Möglichkeit
zur Autorisierung. Das widerspricht dem Bedürfnis der Wissen-
schaftler, ihre Aussagen noch einmal zu überprüfen, um eine mög-
lichst hohe Validität zu garantieren.
Offene und verdeckte Argumente zusammen abwägend bleibt
Wissenschaftlern oft nur eine Entscheidung: Interviews für Fernsehen
und Hörfunk werden nicht gegeben.
Eine Fehlentscheidung, denn gerade die elektronischen Medien bieten
eine Vielzahl von Möglichkeiten, die eigenen Forschungsergebnisse
1
Die männliche Form schließt ausdrücklich die weiblichen
Wissenschaftlerinnen mit ein. Das gilt auch für alle weiteren
geschlechtsspezifischen Formulierungen.
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3. Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür? E 12.2
Interviews: Bestehen vor Schreibblock, Mikrofon und Kamera
attraktiv und mit großer Reichweite darzustellen. Dazu muss man
allerdings einige Kenntnisse über das Arbeiten in diesen Medien haben.
Die Wichtigste: Hörfunk- und Fernsehjournalisten haben eines ge- Enormer Termindruck
meinsam, sie arbeiten meistens unter enormem Termindruck. Der
Hörfunk ist dabei dem Fernsehen an Geschwindigkeit überlegen.
Radio ist das schnellste Medium. Ein Telefon reicht, um den
Wissenschaftler hörbar zu machen. Aber auch das Fernsehen ist dank
mobiler Übertragungstechnik heute in der Lage, Forschung „live“ zu
übertragen.
Um Berührungsängste zu nehmen, ist es sinnvoll, die Arbeitsweise des
Gegenübers noch etwas genauer kennen zu lernen.
2. Radio
Jeder Deutsche hört ab seinem vierzehnten Lebensjahr
durchschnittlich drei Stunden Radio am Tag. Radio ist das wichtigste
Begleitmedium, wir schalten es auf der Autofahrt ein, wir hören es am
Frühstückstisch und häufig auch am Arbeitsplatz. Radio ist ein
Massenmedium und trotz der Fülle an unterschiedlichen Programmen,
die jeden Tag durch den Äther dringen – der Trend geht zur
Austauschbarkeit. Das gilt insbesondere für die besonders populären
Programme, die nach klaren Vorgaben formatiert sind (Formatradio).
Seit Mitte der 80er Jahr haben sich viele deutsche Radiosender Radio als
zunehmend dem Ziel untergeordnet, das passgenaue Programm für Massenmedium
eine möglichst große Zielgruppe von Hörern zu produzieren. Das
Formatradio, das durch die Lizenzvergabe an private
Rundfunkbetreiber einen gehörigen Schub erhielt, setzt die
Vermarktung seines Programms in den Mittelpunkt. Da sich die
Sender durch Webeeinnahmen finanzieren müssen, ist
„Durchhörbarkeit“ zu einer Prämisse der Programmmacher geworden.
Das heißt in der Regel, eine Musikfarbe zu finden, die von den
meisten Hörern als nicht störend empfunden wird. Dadurch ist die
Auswahl der Musiktitel stark begrenzt, in enger Rotation werden Titel
aus den aktuellen Hitparaden (Charts) und Hits der vergangenen zwei
Jahrzehnte gespielt. Ein Titel darf dabei eine bestimmte Länge, in der
Regel zwischen zwei und drei Minuten, nicht überschreiten.
Übergänge zwischen unterschiedlichen Musikstilen werden durch
Sound-Design eingeebnet. Der daraus entstehende Klangteppich
eignet sich ideal als Hintergrundmedium.
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4. E 12.2 Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür?
Interviews: Bestehen vor Schreibblock, Mikrofon und Kamera
Information zum Autor:
Dr. Patrick Honecker (gepr. Sprechwissenschaftler DGSS) leitet die Stabsstelle Presse und
Kommunikation der Universität zu Köln. Der gelernte Rundfunkjournalist hat Germanistik,
Geschichte und Sprechwissenschaften in Bonn, Aachen und Trier studiert. Er hat seine Doktorarbeit
über Rhetorik in der frühen Neuzeit geschrieben. Bisherige berufliche Stationen waren u. a. der
Südwestrundfunk, die Wissenschaftsredaktion des Deutschlandfunks und im Bereich der Politik-
Kommunikation eine Tätigkeit für die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und
Forschungsförderung. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Trainings und Coaching im Bereich
der Wissenschaftskommunikation und strategische Kommunikationsberatung für Forschungs-
einrichtungen.
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