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Empirische Bildungsforschung u. Pädagogische Psychologie




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Zeitzeugenbefragungen im
Geschichtsunterricht
Christiane Bertram, Ulrich Trautwein,
Wolfgang Wagner

14.02.2013 – Tagung „Opfer, Täter, Jedermann? DDR-Zeitzeugen im
Spannungsfeld von Aufarbeitung, Historisierung und Geschichtsvermittlung“
Gliederung des Vortrags
1.     Zeitzeugenbefragung in der Schule
2.     Theoretisches Modell und Fragestellung der Studie
3.     Hypothesen
4.     Design der Studie
5.     Vorläufige Ergebnisse




2 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Gliederung des Vortrags
1.     Zeitzeugenbefragung in der Schule
2.     Theoretisches Modell und Fragestellung der Studie
3.     Hypothesen
4.     Design der Studie
5.     Vorläufige Ergebnisse




3 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Chancen und Risiken von Zeitzeugenbefragungen

 „Personen und                                                                  „Zeitzeugen sind
 Ereignisse, Quellen                                                            störrisch und recht-
 und Zeitzeugen […]                                                             haberisch […]. Damit
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 Klasse 9] eine beson-                                                          zu Feinden, nicht nur
 dere Bedeutung, weil                                                           der Historiker, son-
 so historische Wirk-                                                           dern auch gegenüber
 lichkeit konkret erfahr-                                                       konkurrierenden
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 (Bildungsplan                                                                  (Dorothee
 Gymnasium, Baden-                                                              Wierling, 2004, S.
 Württemberg, 2004,                                                             117)
 S. 219)




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Stolpersteine der Zeitzeugenbefragung

         Erinnerung und Sinnbildung:
          Verdrängen als Leistung des Gedächtnisses
         Authentizität:
          Schüler glauben Zeitzeugen mehr als Schulbuchdarstellungen
          oder Historikeraussagen
         Perspektivität des Zeitzeugen:
          unterschiedliche Erlebnisse derselben Ereignisse
         Erkenntnismöglichkeiten:
          kaum Auskunft über Hintergründe der „großen“ Politik
         Perspektivität des Interviewers:
          Fragen steuern das Gespräch: nicht alles kommt zur Sprache



5 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Potenziale der Zeitzeugenbefragung

         Erinnerung und Sinnbildung:
          „Geschichte“ entsteht in einem Re-Konstruktionsprozess
         Authentizität:
          „Geschichte“ wird fassbar in einer Person
         Perspektivität des Zeitzeugen:
          Multiperspektivität von Geschichte
         Erkenntnismöglichkeiten:
          Alltags- und Mentalitätsgeschichte der „kleinen Leute“
         Perspektivität des Interviewers:
          Perspektive des Historikers in der fertigen „Geschichte“




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Chancen und Risiken des Themas und der Methode

1) „Zeitzeuge als (natürlicher) Feind des Historikers.“
2) „Die Geschichte qualmt noch.“ (Erich Loest 2009)
3) „Der Historiker als Detektiv“ (Alexander von Plato 2003).




7 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Gliederung des Vortrags
1.     Zeitzeugenbefragung in der Schule
2.     Theoretisches Modell und Fragestellung der Studie
3.     Hypothesen
4.     Design der Studie
5.     Vorläufige Ergebnisse




8 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Zeitzeugen und historische Kompetenzen

            Erlebnisse des Zeitzeugen:
             Quelle für Vergangenes
              Re-Konstruktion nötig
            Erzählung in der Gegenwart:
             Darstellung/Narration
              De-Konstruktion nötig

These:Wegen der Ambiguität des Zeitzeugen als Quelle und
      Darstellung fördern Zeitzeugenbefragungen im besonderen
      Maße historische Kompetenzen wie auch die
      Grundprinzipien des historischen Denkens (z.B. Multi-
      Perspektivität, Selektivität, Partialität).


9 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Historisches Kompetenz-Strukturmodell (FUER)




10 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Historische Methodenkompetenzen

1.           Re-Konstruktionskompetenz:
             aus den Quellen (=Vergangenheitspartikel) wird unter
             Berücksichtigung der Quellenkritik und des Quellen-
             vergleichs eine historische Narration (=Darstellung) erstellt
2.           De-Konstruktionskompetenz:
             kritische Überprüfung fertiger Narrationen im Hinblick auf ihre
             Tiefenstruktur (Vergangenheitspartikel –
             Argumentationsstruktur – Botschaft)




11 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Theoretisches Modell und Forschungsfragen
                                                 Zeitzeuge
 Erlebnisse als Quelle                                     Erinnerungen als Darstellung



 Re-Konstruktionskompetenz                                 De-Konstruktionskompetenz


                             Forschungsfragen:
         Effekte der Zeitzeugen-Befragung im Hinblick auf:
                Interesse (Geschichte, Thema, Geschichtsunterricht?
                Fachwissen zum Thema?
                Re-Konstruktionskompetenz?
                De-Konstruktionskompetenz?




12 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Gliederung des Vortrags
1.     Zeitzeugenbefragung in der Schule
2.     Theoretisches Modell und Fragestellung der Studie
3.     Hypothesen
4.     Design der Studie
5.     Vorläufige Ergebnisse




13 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Zielsetzung der Interventionsstudie

1.      Wirksamkeit folgender Unterrichtsformen vergleichen
      a.   lebendiger Zeitzeuge (10 neunte Gymnasialklassen)
      b.   Videoclips von Zeitzeugeninterviews (10 Klassen)
      c.   transkribierte Zeitzeugeninterviews (10 Klassen)

2.      Testinstrument zur Messung von
        Fachkenntnissen, geschichtlichem Interesse und historischen
        Methodenkompetenzen entwickeln




14 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Hypothesen zur Wirksamkeit
1.      Effekte auf De-Konstruktionskompetenz
        Aussagen von Zeitzeugen wird mehr geglaubt als Historikern und Schulbüchern
        (Angvik/von Borries, 1997).
         De-Konstruktionskompetenz wird in der Live-Gruppe weniger gefördert
2.      Effekte auf Re-Konstruktionskompetenz
        Perspektivität und Selektivität werden in der Live-Gruppe erfahrbar, da der
        Zeitzeuge vermutlich nicht alle Fragen der Schüler beantworten kann.
         Re-Konstruktionskompetenz wird in der Live-Gruppe mehr gefördert.
3.      Effekte auf Faktenwissen
        In der Live-Zeitzeugenbefragung fokussiert man auf bestimmte Facetten.
        Andererseits könnten die Schüler motivierter sein, das Thema zu erarbeiten.
         Keine gerichtete Hypothese auf die Entwicklung des Faktenwissens.
4.      Effekt auf Interesse an Geschichte und am Thema
        Interaktivität der Live-Zeitzeugenbefragung motiviert die Schüler.
         positiver Einfluss auf das Interesse in der Live-Gruppe;
         in den anderen beiden Gruppen keine Effekte

15 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Gliederung des Vortrags
1.     Zeitzeugenbefragung in der Schule
2.     Theoretisches Modell und Fragestellung der Studie
3.     Hypothesen
4.     Design der Studie
5.     Vorläufige Ergebnisse




16 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Unterrichtsintervention – drei Bedingungen
 1./2.            Vortest + Einführung: „DDR ein Unrechtsstaat?“ und Sherlock Holmes
 Std.
 3.Std.                                  Chronologie der Friedlichen Revolution

 4./5.                                    GA (arbeitsteilig): Themenerarbeitung
 Std.
 6./7.        I: Zeitzeuge live                      II: ZZ-Interviews als       III. ZZ-Interview-
 Std.            (10 Kl.)                                Videoclips (10 Kl.)          transkripte (10 Kl.)
              Fragen an den ZZ und                   Fragen an den ZZ und        Fragen an den ZZ und
              Zeitzeugenbefragung                    Zeitzeugen-Videoclips       ZZ-Transkriptionen
 8.Std.                                            Methodische Auswertung


 9./10.                                                         Nachtest

                          8 Klassen als Kontrollgruppe (nur Testungen) /
                     vier gleiche Zeitzeugen in den drei Treatmentgruppen /
                                      2 Rater in jeder Stunde
17 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013           © 2013 Universität Tübingen
Erhebungen und Datensätze

                              September 2010 bis August 2013


         01/11                    04/11 bis
                                                                  Schuljahr        Schuljahr
                                   07/11
                                                                  2011/12          2012/13
      Datener-
      hebung I:                  Datener-
                                                           Datenerhebung             Daten-
      Testvali-                 hebung II:
                                                                 III:             auswertung
      dierung                   Trainings-
                                                           Haupterhebung              und
       (N=311                   durchlauf
                                                            (30 Klassen)         Interpretation
         und                   (6 Klassen)
       N=354)




18 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013       © 2013 Universität Tübingen
Gliederung des Vortrags
1.     Zeitzeugenbefragung in der Schule
2.     Theoretisches Modell und Fragestellung der Studie
3.     Hypothesen
4.     Design der Studie
5.     Vorläufige Ergebnisse




19 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Fazit: Unterrichtserfahrungen

         Sherlock Holmes             
         Brainstorming + Chronologie 
         Gruppenarbeit (6 Themen)    
         Zeitzeugenbefragung:
                 Live                                              
                 Video                                             
                 Text                                              
         Auswertung                                                 -



20 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Zwischenfazit Pilotierungsstudie
Stichprobe von 6 Klassen (pro Treatment 2):
 zu klein für die Berechnung differenzieller Unterschiede

Ergebnisse über die drei Treatmentstufen hinweg:
 De-Konstruktionskompetenz: ½ Standardabweichung Zuwachs
 Re-Konstruktionskompetenz: ¼ Standardabweichung Zuwachs
 Faktenwissen: unterschiedliche Zuwächse
 Interesse: kaum Veränderung




21 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Zwischenfazit Haupterhebung
Datenerhebung + Dateneingabe abgeschlossen
Analysen über gesamte Stichprobe sind in Bearbeitung

Masterarbeit zu Interaktionseffekten (Kerstin Landenberger)
- Stichprobe: 7 Schulen (=21 Klassen)
- Fragestellung:
  Voraussetzungen der Schüler/innen (emotional / sozial) und
  Wirkung der drei Unterrichtsformen (live / Video / Text)
- Ergebnis:
  Live-Zeitzeuge fördert bei den emotional stabilen Schüler/innen
  signifikant Interesse + Anstrengungsbereitschaft.



22 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Rückblick auf zwei Live-Klassen
Beispiel 1:
 Klasse von 20 Schülerinnen, Musikzug, wenig Interesse an Geschichte
 eine Schülerin Großnichte von Bärbel Bohley
 Nachfrage zum Lebenslauf: Gründung des Neuen Forums?
 Zeitzeuge wurde ausgequetscht
 methodische Auswertung: Klasse hochkonzentriert
 Anstieg in Re- und De-Konstruktionskompetenz über 3 Messzeitpunkte

Beispiel 2:
 Klasse von 17 Schülern + 3 Schülerinnen, wenig Interesse an Geschichte
 Schuljahresende, undisziplinierte Klasse
 Zeitzeuge war erschöpft, schwül und stickig, anstrengende Stunde
 methodische Auswertung: Klasse unkonzentriert
 Abfall in der Re- und De-Konstruktionskompetenz zwischen VT und NT
   Anstieg wieder zum Follow-Up-Test (nach den Sommerferien)
23 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Vorläufiges Fazit
 (Vor-) Bedingungen in den Klassen wichtig
 Zusammenspiel von vielen Faktoren
 wichtig für den Verlauf des Gesprächs:
  inhaltliche Vorbereitung der Schüler (Fragen + Gespräch)
 wichtig für das methodische Lernen:
  Auswertung des Zeitzeugengesprächs
 eine Schulstunde: zu wenig Zeit


                             Zeitzeugenbefragung als Ausgangspunkt für
                                   kompetenzorientierten Unterricht




24 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013   © 2013 Universität Tübingen
Danke.
                               Kontakt: SR‘in Christiane Bertram

                               Empirische Bildungsforschung und
                               Pädagogische Psychologie
                               Europastraße 6, 72072 Tübingen
                               Telefon: +49 7071 29-76530
                               Telefax: +49 7071 29-5371
                               christiane.bertram@uni-tuebingen.de


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Role of mass media in the development of
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Zeitzeugenbefragung im Geschichtsunterricht

  • 1. Empirische Bildungsforschung u. Pädagogische Psychologie Foto: Marc Gersin Zeitzeugenbefragungen im Geschichtsunterricht Christiane Bertram, Ulrich Trautwein, Wolfgang Wagner 14.02.2013 – Tagung „Opfer, Täter, Jedermann? DDR-Zeitzeugen im Spannungsfeld von Aufarbeitung, Historisierung und Geschichtsvermittlung“
  • 2. Gliederung des Vortrags 1. Zeitzeugenbefragung in der Schule 2. Theoretisches Modell und Fragestellung der Studie 3. Hypothesen 4. Design der Studie 5. Vorläufige Ergebnisse 2 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 3. Gliederung des Vortrags 1. Zeitzeugenbefragung in der Schule 2. Theoretisches Modell und Fragestellung der Studie 3. Hypothesen 4. Design der Studie 5. Vorläufige Ergebnisse 3 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 4. Chancen und Risiken von Zeitzeugenbefragungen „Personen und „Zeitzeugen sind Ereignisse, Quellen störrisch und recht- und Zeitzeugen […] haberisch […]. Damit gewinnen [in der werden sie […] auch Klasse 9] eine beson- zu Feinden, nicht nur dere Bedeutung, weil der Historiker, son- so historische Wirk- dern auch gegenüber lichkeit konkret erfahr- konkurrierenden bar wird.“ Zeitzeugen“. (Bildungsplan (Dorothee Gymnasium, Baden- Wierling, 2004, S. Württemberg, 2004, 117) S. 219) 4 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 5. Stolpersteine der Zeitzeugenbefragung  Erinnerung und Sinnbildung: Verdrängen als Leistung des Gedächtnisses  Authentizität: Schüler glauben Zeitzeugen mehr als Schulbuchdarstellungen oder Historikeraussagen  Perspektivität des Zeitzeugen: unterschiedliche Erlebnisse derselben Ereignisse  Erkenntnismöglichkeiten: kaum Auskunft über Hintergründe der „großen“ Politik  Perspektivität des Interviewers: Fragen steuern das Gespräch: nicht alles kommt zur Sprache 5 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 6. Potenziale der Zeitzeugenbefragung  Erinnerung und Sinnbildung: „Geschichte“ entsteht in einem Re-Konstruktionsprozess  Authentizität: „Geschichte“ wird fassbar in einer Person  Perspektivität des Zeitzeugen: Multiperspektivität von Geschichte  Erkenntnismöglichkeiten: Alltags- und Mentalitätsgeschichte der „kleinen Leute“  Perspektivität des Interviewers: Perspektive des Historikers in der fertigen „Geschichte“ 6 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 7. Chancen und Risiken des Themas und der Methode 1) „Zeitzeuge als (natürlicher) Feind des Historikers.“ 2) „Die Geschichte qualmt noch.“ (Erich Loest 2009) 3) „Der Historiker als Detektiv“ (Alexander von Plato 2003). 7 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 8. Gliederung des Vortrags 1. Zeitzeugenbefragung in der Schule 2. Theoretisches Modell und Fragestellung der Studie 3. Hypothesen 4. Design der Studie 5. Vorläufige Ergebnisse 8 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 9. Zeitzeugen und historische Kompetenzen  Erlebnisse des Zeitzeugen: Quelle für Vergangenes  Re-Konstruktion nötig  Erzählung in der Gegenwart: Darstellung/Narration  De-Konstruktion nötig These:Wegen der Ambiguität des Zeitzeugen als Quelle und Darstellung fördern Zeitzeugenbefragungen im besonderen Maße historische Kompetenzen wie auch die Grundprinzipien des historischen Denkens (z.B. Multi- Perspektivität, Selektivität, Partialität). 9 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 10. Historisches Kompetenz-Strukturmodell (FUER) 10 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 11. Historische Methodenkompetenzen 1. Re-Konstruktionskompetenz: aus den Quellen (=Vergangenheitspartikel) wird unter Berücksichtigung der Quellenkritik und des Quellen- vergleichs eine historische Narration (=Darstellung) erstellt 2. De-Konstruktionskompetenz: kritische Überprüfung fertiger Narrationen im Hinblick auf ihre Tiefenstruktur (Vergangenheitspartikel – Argumentationsstruktur – Botschaft) 11 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 12. Theoretisches Modell und Forschungsfragen Zeitzeuge Erlebnisse als Quelle Erinnerungen als Darstellung Re-Konstruktionskompetenz De-Konstruktionskompetenz Forschungsfragen: Effekte der Zeitzeugen-Befragung im Hinblick auf:  Interesse (Geschichte, Thema, Geschichtsunterricht?  Fachwissen zum Thema?  Re-Konstruktionskompetenz?  De-Konstruktionskompetenz? 12 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 13. Gliederung des Vortrags 1. Zeitzeugenbefragung in der Schule 2. Theoretisches Modell und Fragestellung der Studie 3. Hypothesen 4. Design der Studie 5. Vorläufige Ergebnisse 13 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 14. Zielsetzung der Interventionsstudie 1. Wirksamkeit folgender Unterrichtsformen vergleichen a. lebendiger Zeitzeuge (10 neunte Gymnasialklassen) b. Videoclips von Zeitzeugeninterviews (10 Klassen) c. transkribierte Zeitzeugeninterviews (10 Klassen) 2. Testinstrument zur Messung von Fachkenntnissen, geschichtlichem Interesse und historischen Methodenkompetenzen entwickeln 14 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 15. Hypothesen zur Wirksamkeit 1. Effekte auf De-Konstruktionskompetenz Aussagen von Zeitzeugen wird mehr geglaubt als Historikern und Schulbüchern (Angvik/von Borries, 1997).  De-Konstruktionskompetenz wird in der Live-Gruppe weniger gefördert 2. Effekte auf Re-Konstruktionskompetenz Perspektivität und Selektivität werden in der Live-Gruppe erfahrbar, da der Zeitzeuge vermutlich nicht alle Fragen der Schüler beantworten kann.  Re-Konstruktionskompetenz wird in der Live-Gruppe mehr gefördert. 3. Effekte auf Faktenwissen In der Live-Zeitzeugenbefragung fokussiert man auf bestimmte Facetten. Andererseits könnten die Schüler motivierter sein, das Thema zu erarbeiten.  Keine gerichtete Hypothese auf die Entwicklung des Faktenwissens. 4. Effekt auf Interesse an Geschichte und am Thema Interaktivität der Live-Zeitzeugenbefragung motiviert die Schüler.  positiver Einfluss auf das Interesse in der Live-Gruppe;  in den anderen beiden Gruppen keine Effekte 15 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 16. Gliederung des Vortrags 1. Zeitzeugenbefragung in der Schule 2. Theoretisches Modell und Fragestellung der Studie 3. Hypothesen 4. Design der Studie 5. Vorläufige Ergebnisse 16 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 17. Unterrichtsintervention – drei Bedingungen 1./2. Vortest + Einführung: „DDR ein Unrechtsstaat?“ und Sherlock Holmes Std. 3.Std. Chronologie der Friedlichen Revolution 4./5. GA (arbeitsteilig): Themenerarbeitung Std. 6./7. I: Zeitzeuge live II: ZZ-Interviews als III. ZZ-Interview- Std. (10 Kl.) Videoclips (10 Kl.) transkripte (10 Kl.) Fragen an den ZZ und Fragen an den ZZ und Fragen an den ZZ und Zeitzeugenbefragung Zeitzeugen-Videoclips ZZ-Transkriptionen 8.Std. Methodische Auswertung 9./10. Nachtest 8 Klassen als Kontrollgruppe (nur Testungen) / vier gleiche Zeitzeugen in den drei Treatmentgruppen / 2 Rater in jeder Stunde 17 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 18. Erhebungen und Datensätze September 2010 bis August 2013 01/11 04/11 bis Schuljahr Schuljahr 07/11 2011/12 2012/13 Datener- hebung I: Datener- Datenerhebung Daten- Testvali- hebung II: III: auswertung dierung Trainings- Haupterhebung und (N=311 durchlauf (30 Klassen) Interpretation und (6 Klassen) N=354) 18 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 19. Gliederung des Vortrags 1. Zeitzeugenbefragung in der Schule 2. Theoretisches Modell und Fragestellung der Studie 3. Hypothesen 4. Design der Studie 5. Vorläufige Ergebnisse 19 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 20. Fazit: Unterrichtserfahrungen Sherlock Holmes  Brainstorming + Chronologie  Gruppenarbeit (6 Themen)  Zeitzeugenbefragung:  Live   Video   Text  Auswertung - 20 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 21. Zwischenfazit Pilotierungsstudie Stichprobe von 6 Klassen (pro Treatment 2):  zu klein für die Berechnung differenzieller Unterschiede Ergebnisse über die drei Treatmentstufen hinweg:  De-Konstruktionskompetenz: ½ Standardabweichung Zuwachs  Re-Konstruktionskompetenz: ¼ Standardabweichung Zuwachs  Faktenwissen: unterschiedliche Zuwächse  Interesse: kaum Veränderung 21 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 22. Zwischenfazit Haupterhebung Datenerhebung + Dateneingabe abgeschlossen Analysen über gesamte Stichprobe sind in Bearbeitung Masterarbeit zu Interaktionseffekten (Kerstin Landenberger) - Stichprobe: 7 Schulen (=21 Klassen) - Fragestellung: Voraussetzungen der Schüler/innen (emotional / sozial) und Wirkung der drei Unterrichtsformen (live / Video / Text) - Ergebnis: Live-Zeitzeuge fördert bei den emotional stabilen Schüler/innen signifikant Interesse + Anstrengungsbereitschaft. 22 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 23. Rückblick auf zwei Live-Klassen Beispiel 1:  Klasse von 20 Schülerinnen, Musikzug, wenig Interesse an Geschichte  eine Schülerin Großnichte von Bärbel Bohley  Nachfrage zum Lebenslauf: Gründung des Neuen Forums?  Zeitzeuge wurde ausgequetscht  methodische Auswertung: Klasse hochkonzentriert  Anstieg in Re- und De-Konstruktionskompetenz über 3 Messzeitpunkte Beispiel 2:  Klasse von 17 Schülern + 3 Schülerinnen, wenig Interesse an Geschichte  Schuljahresende, undisziplinierte Klasse  Zeitzeuge war erschöpft, schwül und stickig, anstrengende Stunde  methodische Auswertung: Klasse unkonzentriert  Abfall in der Re- und De-Konstruktionskompetenz zwischen VT und NT Anstieg wieder zum Follow-Up-Test (nach den Sommerferien) 23 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 24. Vorläufiges Fazit  (Vor-) Bedingungen in den Klassen wichtig  Zusammenspiel von vielen Faktoren  wichtig für den Verlauf des Gesprächs: inhaltliche Vorbereitung der Schüler (Fragen + Gespräch)  wichtig für das methodische Lernen: Auswertung des Zeitzeugengesprächs  eine Schulstunde: zu wenig Zeit Zeitzeugenbefragung als Ausgangspunkt für kompetenzorientierten Unterricht 24 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen
  • 25. Danke. Kontakt: SR‘in Christiane Bertram Empirische Bildungsforschung und Pädagogische Psychologie Europastraße 6, 72072 Tübingen Telefon: +49 7071 29-76530 Telefax: +49 7071 29-5371 christiane.bertram@uni-tuebingen.de 25 | Christiane Bertram, Tagung „Opfer, Täter, Jedermann?“, Potsdam 14.02.2013 © 2013 Universität Tübingen