Forschung mit Mitteln und aus Perspektiven der Kunst
"Forschende Kunst" ist ein grenzüberschreitendes, ästhetisch und gesellschaftlich ambitioniertes Projekt der Zentrifuge. Mit Partnern aus Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft arbeitet die Zentrifuge über einen längeren Zeitraum heraus, wie „Neues“ durch die Kunst in die Welt kommt - und zwar geschieht dies auf fundamental andere Weise als durch herkömmliche, rein betriebswirtschaftliche bzw. unternehmerische oder serviceorientierte Denkweisen. Die Modellierung und Anwendung dieses Prozesses fördert interdisziplinäres Arbeiten in innovativer und ganzheitlicher Absicht.
https://forschendekunst.weebly.com/
3. 3Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
Inhalt
Einführung
Michael Schels Seite 5
Musik und Klang
Robert Schlund Seite 6
TROPFEN
Alessandra Brisotto Seite 7
Das Wesen der Kreativität
Robert Schlund Seite 8–11
Der ästhetische Prozess
Michael Schels Seite 12–13
Die ästhetische Dimension als Innovationstreiber
Ronald Zehmeister Seite 14–15
Musik, morgen
Eric Juteau, Otmar Potjans Seite 16–18
Der unternehmerische Gründungsprozess
Marie Claude Ekotto Seite 19–21
Wissenstransfer
Sebastian Hillebrand, Bastus Trump Seite 23–24
Musik – Wahrnehmung und Spüren
Michael Wolf Seite 25–26
Teilnehmer und Autoren Seite 27
Essenzen Seite 28–29
Anhang
– Protokolle Seite 30–33
– Institut für ästhetisches Besinnen Seite 34
– Literatur Seite 35
5. 5Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
Die Zentrifuge ist im Zuge einer
postindustriellen Transformation in
Nürnberg entstanden und steht damit
exemplarisch sowohl für lokale als
auch für globale Veränderungsprozes-
se. In einer verlassenen Industriehalle
hat sich die Zentrifuge während der
Entwicklung des Areals „Auf AEG“ als
Non-Profit-Organisation über mehrere
Jahre als treibender Akteur und Agent
des Wandels eingebracht und als
Impulsgeber für kreativwirtschaft-
liche und kulturelle Innovationen
bewiesen.
Die unentwegte Arbeit in kulturell-
gesellschaftlichen Zusammenhängen
hat zwingende Fragen aufkommen
lassen und den Drang nach Erkennt-
nis geschürt: Es geht uns um ein bes-
seres Verständnis vom Wert unseres
Tuns und damit um die Erhellung
und Pflege kreativer, schöpferischer
Prozesse.
Wir sind u.a. dem Wesen der Kunst
auf der Spur und fragen uns, was
sich von diesem Erfahrungs- und
Wissensschatz auf andere Bereich
der Wirklichkeit übertragen lässt.
Die Kunst erscheint uns – wenigstens
in theoretischer Hinsicht – als das
letzte Refugium von Freiheit. Sie ist
inspirierend bei der Gestaltung von
Freiräumen, in denen offene, kreative
Begegnungen stattfinden können. Mit
Hilfe und Dank der Kunst wagen wir
es, neue Wirklichkeiten anzustreben
und gestaltend tätig zu werden, ohne
dabei selbst Künstler im engeren Sinn
zu sein.
Die Motivation für unser Tun ziehen
wir aus der Freude bei der Entwick-
lung und Durchführung von Kultur-
projekten, aus dem Austausch mit
Künstlern, Ingenieuren, Unterneh-
mern und Wissenschaftlern und aus
der Begegnung mit begeisterungsfä-
higen Menschen. Auch die Auseinan-
dersetzung mit ästhetischen Theorien
sowie philosophischen und wissen-
schaftlichen Texten erfahren wir als
fortwährende Bereicherung.
Forschung mit Mitteln und aus
Perspektiven der Kunst
„Forschende Kunst“ ist ein grenzüber-
schreitendes, ästhetisch und gesell-
schaftlich ambitioniertes Projekt der
Zentrifuge. Mit Partnern aus Kunst,
Wissenschaft und Wirtschaft arbeitet
die Zentrifuge über einen längeren
Zeitraum heraus, wie „das Neue“ aus
der Kunst wirksam wird. Die Model-
lierung dieses Prozesses macht das
interdisziplinäre Arbeiten mit künst-
lerischen Mitteln fruchtbar.
„Forschende Kunst 1: umwelten“
hat im Sommer 2013 die Grundlage
geschaffen für ein differenziertes
und zielgerichtetes Verständnis des
Projekts. Diese erste Phase mündete
im Herbst in eine Ausstellung in der
Zentrifuge. In diesen interdisziplinä-
ren, interkulturellen Prozess waren in
der ersten Phase neben fünf ausge-
wählten Bildenden Künstlern (drei
aus Deutschland und zwei aus Italien)
auch zwei Vertreter des VDI/VDE, ein
Wissenschaftler der Uni Eichstätt, ein
Unternehmensberater, ein Zukunfts-
forscher, eine Schriftstellerin und ein
Journalist eingebunden.
Aus dieser Zusammensetzung und
dem in dieser Konstellation erarbei-
teten Know-how entstand – gefördert
durch die Wirtschaftsförderung
der Stadt Nürnberg im Rahmen des
Förderprogramms „Ideen.kreativ.
innovativ“ – „Forschende Kunst 2:
Musik“ mit dem Ziel, diesen Prozess
für Unternehmen und Organisationen
wirksam zu machen und Impulse für
ein neuartiges und nachhaltiges Inno-
vationsverständnis zu setzen.
„Forschende Kunst“ bringt „For-
schung“ und „Kunst“ in einen produk-
tiven Zusammenhang. Ziel dabei ist,
Menschen unterschiedlicher Diszi-
plinen und Lebenswelten zu einem
offenen Austausch anzuregen. Sie
bringen aus ihrer jeweiligen Perspek-
tive Wissen, Übung, Wahrnehmung,
Vorstellung und Intuition ein. In der
Summe können dadurch Erkenntnisse
gewonnen werden, die wiederum in
neue Projekte einfließen. Der Prozess
wird systematisch dokumentiert, die
Ergebnisse werden veröffentlicht.
Das Projekt „Forschende Kunst“ will
ein nachvollziehbares und fortwäh-
rendes Nachdenken darüber anregen,
was Menschen tun, wenn sie in ge-
meinsamen, konstruktiven Projekten
ihrer Kreativität und Intuition ver-
trauen. Dies geschieht aus der Über-
zeugung heraus, dass schöpferisches
und künstlerisches Arbeiten enorme
Potenziale für Innovationsprozesse
bietet. Dabei kommen auch philoso-
phische und ethische Dimensionen
ins Spiel: Was ist uns wirklich wichtig
und wertvoll und was sind wir bereit,
dafür zu tun?
www.forschende-kunst.de
www.zentrifuge-nuernberg.de
Bild links: Interaktive Elektro-Installation
„IndukTiVe Kopplung“ in der Zentrifuge, 2013
Text: Michael Schels
Einführung
6. 6 Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
Im Zusammenhang mit dem
Projekt Forschende Kunst 2
sei der Unterschied zwischen
„Musik“ und „Klang“ besonders
hervorgehoben: Diese Begriffe
sind in Hinblick auf den
Einsatz von Methoden bei der
Entwicklung von Innovation und
Kreativität unterschiedlich zu
betrachten und zu bewerten.
Bei der Musik geht es bekanntlich um
Strukturen, Harmonien, Komposition,
Handwerk, Melodien etc.. Hingegen
sind „Klang“ oder „Sound“ Begrif-
fe, die dies zwar auch implizieren
können, aber eben nicht nur: Musik
ist immer Klang, während Klang nicht
unbedingt Musik ist. Für die Musik
ist es wichtig, dass sie sich insofern
auf die kulturelle Geschichte einer
Gesellschaft bezieht, indem sie oben
genannte Aspekte aus der Histo-
rie aufgreift und entweder vertieft
oder weiter entwickelt. Hier ist der
Spielraum gegenüber dem Einsatz
von „Klang“ äußerst eingeschränkt,
was die Offenheit gegenüber einer
möglichen Kreativität eines Nicht-Mu-
sikers anbelangt, da besagter Spiel-
raum gegebene Strukturen, das nötige
Handwerk und anerzogenes Wissen
mit einbeziehen muss, während eine
reine Klangerzeugung erst einmal
weitgehend ungebunden und frei von
solchen Aspekten ist.
Für die Entwicklung einer Kreativi-
tät, wie sie in einer Gruppe angefragt
ist, die naturgemäß keine oder nur
vereinzelt Musiker aufweist (z.B. auch
in einem Unternehmen) wäre also die
reine Klangerzeugung zunächst expe-
rimenteller Art zielführender als der
Einsatz eines Metiers, der Handwerk,
Struktur etc. voraussetzt und der
deshalb in einer solchen Gruppe die
Kreativität eher blockieren würde.
Man stelle sich einfach einen Urmen-
schen vor, der zum ersten Mal mit
einem Holzstock gegen einen Felsen
schlägt und erkennt, dass dieser
Vorgang klingt. Er findet das zunächst
interessant, beeindruckend usw..
Aufgrund seiner Bewusstheit und
Intelligenz aber ist er in der Lage, das
Ganze zu verfeinern und weiter zu
entwickeln, bis Jahrtausende später
Dinge entstehen wie eine Stradivari.
Ein Nicht-Musiker hat also zunächst
etwas entdeckt, was der Weiter-
entwicklung würdig ist, was dann
entsprechende Spezialisten oder Ex-
perten tun. In seiner ursprünglichen
Erfahrung hat der Urmensch zwar
nicht beabsichtigt oder wissen kön-
nen, was letztendlich daraus entste-
hen kann, aber ohne seine Erfahrung
und den daraus entstandenen Impuls
hätte sich auch nichts getan. Eine
Stradivari aber kann nur ein Musiker,
Experte, Übender, Handwerker etc.
bauen bzw. bedienen, es muss aber
eben ein Musiker sein. Für Nicht-Mu-
siker (was die meisten Menschen von
uns sind) ist jedoch für das eigene
Tun nur die ursprüngliche Erfahrung
zugänglich und im kreativen Prozess
einsetzbar.
In unserem Projekt „Forschende
Kunst“ wollen wir ja Kreativität und
Innovatives erzeugen. Im Idealfall soll
eine kreative Produktions-Technik
und Entwicklungs-Methodik entste-
hen, und zwar ausgehend von etwas,
das klingt und über das Sinnesorgan
Ohr geht. Musikern gelingt dies eher
mit Musik und Nicht-Musikern eher
mit Klang. Musiker können also eher
eine Atmosphäre von Kreativität und
Innovation erzeugen, indem sie von
ihrem Handwerk ausgehend Neues
für die Musik schaffen (hier sei die
Improvisation als zielführendes Mittel
erwähnt), während Nicht-Musiker
diese Atmosphäre eher erzeugen
können, indem sie wie die Kinder
unvoreingenommen und frei agierend
in Klang eintauchen.
In unserem Workshop sind überwie-
gend klangliche Ausflüge entstanden,
denn es waren nicht nur Musiker
involviert. Hätte jemand gesagt, wir
müssten mit Musikinstrumenten
agieren, wäre das mehr als der Hälfte
der Teilnehmer schwer gefallen, da
Musikinstrumente mindestens unbe-
wusst mit bestimmten Erwartungen
von Können und Erlerntem in Verbin-
dung gebracht werden, was Nicht-Mu-
siker nicht bieten können und diese
erwartungsgemäß blockieren muss.
Musik und Klang
Zum Verständnis der beiden Begriffe
Text: Robert Schlund
Elektronische und akkustische Klangexperimente sind für jedermann möglich.Voraussetzung hierfür
ist vor allem ein offenes Gehör.
7. 7Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
Tropfen
Das Wasser wurde entdeckt,
denn es träumte so laut
und förmig
Von ihm tropfte
die Gestaltung der Welt
Es bremste
das Geräusch des Windes
Von oben nach oben
von unten nach unten
kam der Regenklang so weit entfernt
dass die Hände ihn fassen konnten
Sogar die Augen
sahen
die Note wachsen,
die stillen Büchsescherben
den Ton des Meeres trinken
und das Boot darauf
laut
in sich versinken
Alessandra Brisotto
8. 8 Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
Der Begriff „Kreativität“ lässt sich
nicht so leicht fassen oder definieren,
sondern eher umschreiben. Dies liegt
wohl daran, dass „Kreativität“ nichts
Eindeutiges und für jeden Menschen
Gleiches ist – der Zugang zu Kreativi-
tät ist immer individuell.
Im Laufe des nun folgenden Textes
wurden diese umschreibenden Begrif-
fe kursiv gesetzt, um die Bedeutung
des Begriffes „Kreativität“ in seiner
Tiefe zu verdeutlichen. In der Wort-
wolke auf Seite 29 können die wich-
tigsten Begriffe in einer Gesamt-Über-
sicht nochmals betrachtet werden.
Ziellosigkeit
Jeder Mensch hat einen anderen
Zugang zur Kreativität. Kreativität
ist in jedem Einzelnen von uns bereits
vorhanden und wartet nur darauf,
ausgedrückt zu werden. Das könnte
zusammenhängen mit dem Kinde in
uns, also unserem Ursprung, das nicht
aufgehört hat zu existieren und viel-
leicht vergessen worden ist. Mit dem
Erwachsenwerden und den vielen
Entscheidungen, die wir für unseren
Lebensweg treffen mussten, haben
wir den Bezug zu uns selbst verlo-
ren. Wir haben einen Filter in unsere
Wahrnehmung eingebaut, der uns das
Leben erleichtert, uns aber zugleich
von der Wirklichkeit entfernt.
Wie können wir Zugang zur einer
ursprünglichen Haltung finden? Wir
wissen, dass Kinder sehr gefühlsbetont
sind und intuitiv handeln, spielerisch
mit den Dingen und ihrem Gegen-
über umgehen und dabei alle ihre
Sinne einsetzen, die sich durch das
Spielen wiederum weiterentwickeln und
vertiefen. Sie sind spontan und pro-
bieren aus, improvisieren mit ihren oft
eingeschränkten Möglichkeiten und
sind dabei eben auf ihre Kreativität
angewiesen.
Kindliche Vorgehensweisen ent-
sprechen der Kreativität in vielerlei
Hinsicht, beziehen aber noch nicht
alle Aspekte ein. Kinder sind auch
nicht nur kreativ, denn sie können
durchaus zielgerichtet agieren, was
die Kreativität eher nicht tut. Denn
sie sind schon durchaus selbstbe-
wusst, mithin egoistisch auf gewisse
Dinge aus, die sie erreichen wollen,
haben bereits ihr Ego entdeckt, das
ihr Potenzial zu einer nachhaltigen
Kreativität einzuschränkt. (Von einer
ego-bezogenen Kreativität soll hier
nicht die Rede sein, da eine solche
Kreativität destruktiv sein kann –
siehe auch unter nächster Überschrift
„Die angemessene Haltung“.)
Die Ausrichtung auf einen Zweck
erfolgt beim Kind eher unbewusst.
Der einzige Zweck ist (quasi „instink-
tiv“) das sich Bewegen und Entwickeln,
damit all die Dinge erlernt werden,
die zum Leben benötigt werden.
Die Ziel- und Zweckgebundenheit
schränkt die Gesamtsicht auf die Dinge
meistens mit zunehmendem Alter ein
und schmälert damit die Kreativität,
welche Voraussetzung für innovative
Entwicklungen wäre. Innovationen
entstehen am besten, wenn die
Kreativität nicht von äußeren Zwängen
eingeschränkt wird, also auch nicht von
Erwartungen. Sie benötigt also eine
möglichst große Freiheit, damit aus
dem Nichts (zweckungebunden) ein Etwas
(offenes Ziel) entstehen kann, wenn also
die Dinge gefunden und nicht gesucht
werden. Diese Freiheit kann nur
gelebt werden, wenn auch die Dinge
selbst (vor)urteilsfrei betrachtet werden
können, also so, wie sie sind. Die Frei-
heit macht aber wiederum nur dann
Sinn, wenn wir behutsam und achtsam
mit allem umgehen, wenn wir der Welt
(oder im Sinne der Musik: dem Welten-
klang) zuhören, in sie hinein spüren.
Die angemessene Haltung
Frei aber achtsam sein heißt, eine po-
sitive Haltung gegenüber der Umwelt
einzunehmen. Es stellt sich in der
Auseinandersetzung mit der Kreati-
vität heraus, dass das Positive in einer
erfolgreichen Innovation sehr wichtig
ist. Denn wenn die positive, lebensbeja-
hende Richtung in der Grundhaltung nicht
gelebt wird, erhält man vielleicht
auch ein kreatives Ergebnis, das je-
doch zerstörerisch wirkt, im Umkeh-
reffekt die Kreativität selbst zerstört
und im schlimmsten Fall für egoisti-
sche Machtzwecke missbraucht wird.
Die Menschen streben aber im Grunde
nach Anerkennung – ob sie das nach
außen gewalttätig oder friedlich zu
erreichen versuchen. Zunächst ist
also die Kreativität in ihrer positiven
Auswirkung gefährdet.
Im Zusammenhang mit dem Gedan-
ken der Nachhaltigkeit können Men-
schen gesellschaftliche Anerkennung
dann dauerhaft erreichen, wenn sie
den positiven Teil der Kreativität
beachten. Dieser Bereich betont das
Aufbauende der Kreativität, während
der Missbrauch auf Dauer gesehen
die Zerstörung des Gegenstandes
und letztendlich sogar die Zerstö-
rung der Kreativität hervorbringt.
Für das Nachhaltige der Kreativität
ist also eine Haltung entscheidend,
die achtsam mit der Umgebung/Umwelt
umgeht und damit Verantwortung für
deren Erhalt übernimmt. Eine solche
verantwortungsbetonte Haltung ist
nur möglich, wenn sie authentisch und
nicht gespielt ist – ein Aspekt, der
gleichermaßen zur (nachhaltigen)
Kreativität gehört.
(Anm.: Das wäre die Voraussetzung
für eine positive, gewaltfreie Zukunft)
Alleinsein und Ruhe
Eine wichtige äußere Bedingung,
wenn nicht gar Voraussetzung für
das Entstehen von Kreativität ist die
Möglichkeit von Ruhe, Zurückgezo-
genheit, Alleinsein (können). Das sind
Voraussetzungen, mithilfe derer man
sich auf das Gegenwärtige konzentrieren
kann. Das Gegenwärtige als Fokus
und die Gegenwärtigkeit des Kreati-
ven, der in sich selbst ruht, sind für
Das Wesen von Kreativität
Kreativität als Lebensform und als Impuls für Innovation
Text: Robert Schlund
Das jedermann bekannte „Klecksbild“ drückt sehr
umfangreich aus, wie Kreativität funktioniert.
Nächste Seite: Für die Bildende Kunst kann dieses
Prinzip sehr nützlich sein
9. 9Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
die Entwicklung einer neuen Idee
unumgänglich. Empfindlich gestört
wird zwar dieses Sein im Jetzt durch
Unruhe oder Lärm von außen,
andererseits benötigt die Kreativi-
tät dennoch Anregung, jedoch wohl
eher von innen bzw. in der Gruppe von
einer gemeinsamen Konzentration auf
einen Gegenstand.
Befruchtend für Kreativität ist in
diesem Zusammenhang die Mög-
lichkeit, sich eine Zeit lang in stiller
Klausur zu befinden, um sich danach
mit anderen Interessensverwand-
ten, die sich idealerweise ebenso
in Klausur befanden, über einen
Gegenstand auszutauschen und
damit diesen so offen wie möglich
zu beleuchten und im Idealfall den
einfachen Kern der Sache besser und
leichter zu erkennen. Aus diesem
Prozess hin zu einem einfachen
Kern entsteht Klarheit und damit in
Folge authentisches, weil bewusst-kla-
res Handeln. Handeln und Praxis
sind für die Kreativität dabei wie
Nahrung, mit der sie sich weiterhin
aufrecht erhalten kann.
Offenheit
Wichtig für die Kreativität ist
nicht nur die Ziel- und Zweckfreiheit,
sondern auch die Wertfreiheit, z.B.
gegenüber Ängsten oder Ungewohn-
tem, gegenüber dem Anderen oder
der Unsicherheit. Für die Kreativität
ist es elementar, Ungewohntes zuzu-
lassen, Strukturen aufzulösen, Fehler zu
machen, Unbewusstes und Chaos zu-
zulassen, die Kontrolle aufzugeben und
auch Angst zu haben. Nichts sollte die
Kreativität davon abhalten, intuitiv
und ästhetisch und weniger analytisch
zu denken, damit auch Unerwartetes
und unlogisch Erscheinendes zuzulas-
sen. Das heißt auch, die Schönheit in
ihrer Unvollkommenheit zu erkennen.
Perfektion oder Vollkommenheit
extistiert für die Kreativität nicht,
weil sie anerkennt, dass es so etwas
nicht gibt, niemals geben wird. Man
sollte sich nicht von einer vermeint-
lichen Vollkommenheit blenden
lassen. Kreativität erkennt, dass sich
alles ständig ändert, sich immer auf
dem Weg befindet, der zwischenzeit-
lich den Anschein macht, ein Ende zu
haben, der aber nie aufhört. Die Welt
bleibt nur in ihrer Unfertigkeit beste-
hen und deshalb lässt sich die Krea-
tivität um so mehr von ihr zu neuen
Ideen inspirieren.
Muse
Es gibt neben der Wert- und Zweck-
freiheit noch eine weitere Freiheit, die
die Kreativität für sich beansprucht:
Es ist die Zeitfreiheit, auch Muse
genannt. Wie gesagt, braucht die Kre-
ativität für ihre Konzentration auf die
Aspekte der Welt nicht nur einen Frei-
raum in Ruhe und Zurückgezogenheit,
sie benötigt, um Ruhe entstehen zu
lassen oder eine entstandene Ruhe
für sich nutzbar zu machen, zunächst
Zeit – wenn nötig viel Zeit, gegebe-
nenfalls verschwenderisch viel Zeit
– und auch die Möglichkeit, nichts tun
zu dürfen. Dies ist in unserer heutigen
Zeit der zunehmenden Beschleuni-
gung (und des zunehmenden Aktio-
nismus) nicht leicht. Um so wichtiger
ist es, sich diesen Aspekt bewusst zu
machen, weil dieser für die Kreativi-
tät die wichtigste äußere Bedingung
überhaupt sein kann.
Dieses „Nichts-tun“ oder „Nichts-
tun-dürfen“ gewährleistet, dass man
Dinge entdecken kann, die bisher nicht
im Bewusstsein gewesen sind. Durch
das „Nichts-tun“ ist man unvorein-
genommen und findet einfach Dinge,
mit denen man nicht gerechnet hat,
die schon immer da waren, die aber
noch niemand beachtet hatte. Anders
ausgedrückt: Der Kreative sucht
nicht, sondern er findet, indem er sich
vornehmlich in der Welt der Intuition
und des Unbewussten oder sogar des
Nicht-Wissens bewegt und für alles
Kommende offen ist.
Man kann sich den Zeitaufwand,
der zu einem Geistesblitz führt, wie
einen Weg vorstellen, der einer langen
Wanderung bedarf – mit immer wieder
10. 10 Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
neuen, hoffentlich vorübergehenden
Irrwegen durch oft unwirtliches,
ausgetrocknetes Gelände. Auf diesem
Weg muss man viel Kraft, Ausdauer
und Geduld aufbringen und weiß nie,
ob man überhaupt auf dem richtigen
Weg ist. Diesen unbequemen Zustand
muss ein kreativer Mensch oder das
entsprechende Team aushalten kön-
nen, um wohlgemerkt nur eventuell zu
einem Ziel zu gelangen. Ein Kreativer
muss also einen langen steinigen Weg
ohne Garantie auf Erfolg akzeptieren kön-
nen, bevor er sich auf den Weg macht.
Um das zu können, darf er sich in
Bezug auf die Kreativität nichts vor-
machen. Was er braucht, um seinen
Weg durchzustehen, ist die Fähigkeit
zu Hingabe und Leidenschaft. Im Wort
„Leidenschaft“ steckt nicht umsonst
das Wort „Leiden“. Er muss also auch
bereit sein zu leiden, um etwas Neues
entdecken zu können. Diese Lei-
denschaft wird es ihm letztendlich
ermöglichen, Mut (zur Verzweiflung)
aufzubringen und Neuland zu entde-
cken.
Kreative Menschen benötigen somit
ein starkes Selbstvertrauen, um das
Vertrauen gegenüber der Welt aufzubau-
en, damit sie letztendlich doch mit
Erfolg belohnt werden. Falls der Erfolg
nicht eintritt, ist umso mehr Selbst-
vertrauen nötig.
Fazit
Verantwortungsbewusste und nach-
haltige Kreativität kann man am
ehesten dadurch erkennen, dass eine
Offenheit spürbar ist für alle Belan-
ge der Welt, dass sie sich nicht in
Verbissenheit, sondern in humorvol-
lem (und nicht zynischem) Umgang
äußert. Man darf von der Kreativität
nichts erwarten, damit sie kommen
kann, denn auch in einem erfolgrei-
chen Ergebnis wird sich herausstel-
len, dass die Lösung nie eine ganz
fertige sein wird. Dennoch verändert
und formt die Kreativität die Welt.
Sie kann die Menschen öffnen und
zusammenführen, Klarheit und
Gleichgewicht zwischen Verstand und
Gefühl schaffen und somit Identität
und nicht zuletzt den Teamgeist in
einem Unternehmen.
Kreativität und unternehmerisches
Handeln
Einer der ursprünglichen Aufgaben
bei „Forschende Kunst“ ist die Be-
handlung der Frage, wie man Krea-
tivität für Innovationen auch in der
Wirtschaft nutzbar machen könnte.
Der Weg kann hier über die Musik
oder den Klang führen – allerdings
weniger bei der gezielten Produktinno-
vation, sondern vielmehr im Bereich
der Human Resources.
Denn Produktinnovationen erfordern
Ergebnisse, die verkauft werden und
einem harten Konkurrenzkampf auf
dem Markt bestehen müssen. Die
Erwartung bei der Produktentwick-
lung, wertschöpfende Innovation zu
schaffen, blockiert die Kreativität, wie
wir sie verstehen, gleich zu Beginn
des Prozesses. Man kann bei Produkt-
innovationen zwar bewährte Kreati-
vitätstechniken anwenden – jedoch
können hier Musik oder der Klang nur
wenig ausrichten.
Was jedoch die „weicheren“ As-
pekte betrifft – gemeint sind die
beteiligten Menschen und nicht das
Produkt – wäre einem Unternehmen
durchaus geholfen, wenn man die
positiven Wirkungsweisen der Musik/
des Klanges durch die nonverba-
le und also durchaus ungewohnte
Kommunikation in ein Team ein-
fließen ließe. Die Qualität dieser
völlig andersartigen Kommunikation
könnte bei den Teilnehmern eine
Haltung der Unvoreingenommenheit
und des freien Umgangs miteinander
herbeiführen. Der Klang drängt den
Teilnehmern auf natürliche Weise
eine fast unausweichliche Gemein-
samkeit in einem klar abgesteckten
Zeitrahmen auf. Dies kann zu einem
positiven, weil Zugehörigkeit und
Freude schaffenden Erlebnis führen.
Die erlebte Zugehörigkeit (durch
gelebtes Vertrauen zueinander) und
das Gefühl der gemeinsamen Stärke
würde mit dieser Technik ein Team
dergestalt „zusammenschweißen“,
dass der so entstandene Teamgeist
zukünftig anstehende Probleme
leichter lösen kann. (Es kommt ja in
Teams nicht allzu selten vor, dass
man sich gegenseitig behindert oder
gar bekämpft und deshalb zu keinen
oder zu unbefriedigenden Ergebnis-
sen kommt). Für das Unternehmen
wäre es also durchaus denkbar, die
Kreativität der Musik/des Klanges für
ein besser funktionierendes Team zu
nutzen, das aus einer Entkrampfung
heraus – gegebenenfalls in Kombinati-
on mit mit weiteren Kreativitätstech-
niken – innovative Ideen entwickeln
könnte (siehe Grafik unten).
Musik als unausweichlicher Ausdruck
Unabhängig vom Thema „Kreativi-
tät“ sei auf den Aspekt der Zeit in der
Musik und im Klang hingewiesen,
der hier eine ganz besondere Qualität
entfaltet. In der Musikperforman-
ce offenbart sich der Ausdruck von
Musik zwangsläufig und in einem
klar festgelegten Zeitfenster, das
die Beteiligten in ein gemeinsames
Erlebnis zieht, dem man sich kaum
entziehen kann, da es nicht möglich
ist, die Ohren zu schließen und sich
zudem das Musik- oder Klangerlebnis
in einem gegebenen, unausweichli-
chen Zeitrahmen offenbart. Diesen
Effekt können nicht alle Künste für
sich beanspruchen. Vor Werken
der Bildenden Kunst beispielsweise
könnte man die Augen verschließen.
Insofern hat ein klangliches Erlebnis
sowohl etwas Verbindendes als auch
etwas Verbindliches.
Denkbare Interaktion zwischen der Kreativität (Kreis) und einem Unternehmen (Quadrat): Beide befinden sich in zwei verschiedenartigen Sphären. Nachdem
die Kreativität die Sphäre des Unternehmens durchdrungen hat, hat das Unternehmen eine sichtbar bessere Ausstrahlung.
Bild rechts: Vorbereitungen zum Festival für experimentellen Raumklang „Quadrophonia 1“ in der Zentrifuge am 21. und 22. Mai 2010 (Foto: Robert Schlund)
11.
12. 12 Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
Die Zentrifuge hat sich im Laufe der
Jahre von einer Künstler- und Vernet-
zungsplattform zu einem Ideeninku-
bator und Impulsgeber für Innovation
entwickelt. Was anfangs noch vor-
wiegend intuitiv geschah, haben wir
zunehmend reflektiert und bewusst
ausgearbeitet. Besonderes Augen-
merk richteten wir auf die Ästhetik
– und zwar im eigentlichen Sinne des
Begriffs: „Wahrnehmung“. Wie nehme
ich meine Umgebung und mich selbst
wahr, wenn ich in einen freien Aus-
tausch trete? Was geschieht, wenn ich
mich von Vorbehalten frei mache und
mich einem unbestimmten Gesche-
hen mit größtmöglicher Achtsamkeit
hingebe? Wie kann ich meine schöp-
ferische Kraft entfalten und diese
im gemeinsamen Tun erfahren und
einbringen?
Mit „Forschende Kunst“ reflektieren
wir unsere Arbeit und legen dabei
Prozesse und Methoden frei, die sich
bei Entwicklungsprozessen normaler-
weise eher beiläufig oder unbewusst
abspielen. Ziel dabei ist, die Qualität
und das Potenzial unseres Tuns deut-
lich und für andere Zusammenhänge
fruchtbar zu machen.
Nach unserem bisherigen Erkennt-
nisstand ist der ästhetische Prozess,
wie wir ihn verstehen und einüben,
ein äußerst wirksames Verfahren, um
einen konstruktiven und nachhalti-
gen Austausch zwischen Menschen
als denkenden, fühlenden und
handelnden Wesen herzustellen. In
dieser Art von Begegnung erzeugen
wir eine Atmosphäre von Freiheit
und Sensibilität, aus der heraus Be-
griffe wie Authentizität, Inspiration
oder Identifikation mit Leben gefüllt
werden. Die Beteiligten kommen in
der Begegnung zu sich, werden für
geistige und physische Phänomene
sensibilisiert, erkunden ihre eigenen
Potenziale und die ihrer Mitmenschen
und lernen Möglichkeiten kennen,
sich abseits von Konventionen neu
auf die Welt einzulassen und sich
darin zu bewegen. Die Zentrifuge er-
weist sich mit „Forschende Kunst“ als
Trainingscenter und Labor für einen
einfühlsamen, achtsamen Zugang zur
Welt – und dies ohne ideologischen
Überbau, ganz aus uns selbst heraus.
Wir lernen uns dabei als Menschen
neu kennen und verstehen. Der äs-
thetische Prozess wirkt als Initiation
für Menschen, die ahnen, dass ihre
Möglichkeiten noch lange nicht aus-
geschöpft sind und die ihre Spielräu-
me im Denken, Fühlen und Handeln
erweitern möchten.
Wie gelingt nun ein solcher „ästheti-
scher Prozess“? Wir haben mehrere
Aspekte identifiziert, die wir für
grundlegend erachten: Interdiszi-
plinarität, Offenheit, Begegnung,
Achtsamkeit, Toleranz, Geduld,
Vertrauen, Mut. Und ganz besonders:
die Kunst. Beim ästhetischen Prozess
spielt nach unserem Verständnis die
Kunst eine wesentliche Rolle, da sie
exemplarisch für die Möglichkeit
steht, die Welt und ihre Gelegen-
heiten aus größtmöglicher Freiheit
heraus wahrzunehmen. Aus dieser
besonderen Wahrnehmung erwächst
ein existenziell höchst anspruchs-
volles Selbstverständnis, das die
Beteiligten geradezu dazu nötigt, sich
als Künstler zu verstehen und etwas
„Eigenes“ zu schaffen, was gemeinhin
einem Genius oder wenigstens einer
Inspiration entspringt. Solchen pro-
duktiv wirksamen Idealvorstellungen
können wir uns als begrenzte Wesen
nur annähern, doch legen wir bei For-
schende Kunst Wert darauf, dass der
ästhetische Prozess von Künstlern be-
gleitet wird, die diesen unbedingten
Anspruch an Freiheit und Ausdruck
wach halten und in mancherlei Hin-
sicht vielleicht sogar verkörpern.
Wir können und wollen hier keine Be-
triebsanleitung für Kreativitäts- oder
Innovationsprozesse liefern. Unsere
Darstellungen geben jedoch Hinweise
für gelingende Entwicklungspro-
zesse in Teams, Unternehmen oder
Organisationen. Diese Prozesse sind
(re-)produzierbar, aber aufgrund
der Freiheit, die wir von vornherein
fordern (müssen), sind die Ergebnisse
des ästhetischen Prozesses im Vorfeld
nicht absehbar und damit unkalku-
lierbar. Der ästhetische Prozess, wie
wir ihn verstehen, ist nur möglich,
wenn er ohne vorgegebene Ziele auf
den Weg gebracht wird. Vertrauen in
die konstruktive Kraft der Menschen,
die sich auf den ästhetischen Pro-
zess einlassen, setzen wir unbedingt
voraus. Wer dieses Vertrauen nicht zu
schenken bereit ist, wird den ästheti-
schen Prozess nicht erfahren und an
dessen Ergebnissen nicht teilhaben
können.
Implementierung
Wie kann nun ein solcher Prozess,
der per se keine vorgegebenen
Ziele zulässt, überhaupt als Prozess
installiert werden? Es lassen sich
einige Elemente identifizieren, die den
Rahmen bilden für einen Freiraum,
in dem der ästhetische Prozess zur
Entfaltung kommt. So kann man im
Vorfeld einen Bereich festlegen, dem
sich der ästhetische Prozess wid-
men soll – dies kann z.B. das Feld der
Organisation, der Produkt- oder der
Personalentwicklung sein. Je nach
Themensetzung entwickeln wir die
Zusammenstellung des Teams mit
einer interdisziplinären Mischung aus
internen und externen Teilnehmern.
Entsprechend der Philosophie von
„Forschende Kunst“ wird mindes-
tens ein Künstler (Musiker, Bildender
Künstler, Schauspieler o.ä.) in den
Prozess eingebunden.
Der ästhetische Prozess wird auf min-
destens drei Workshoptage angelegt,
bei denen alle Beteiligten durchgän-
gig dabei sein sollten – Ausnahmen
bestätigen die Regel. Der Prozess wird
von zwei im ästhetischen Prozess
erfahrenen Coaches moderiert, wobei
diese die Rolle eines teilnehmenden
Beobachters einnehmen, d.h. sie
bringen sich in den Prozess wie die
anderen Teilnehmer ein, reflektieren,
begleiten und dokumentieren ihn
aber auch. Aufgabe der Coaches ist es,
in die Philosophie des ästhetischen
Prozesses einzuführen, ein Bewusst-
sein für das schöpferische Potenzial
in jedem Einzelnen und im Team zu
schaffen und damit eine größtmög-
liche Offenheit und Achtsamkeit
herzustellen, was den ästhetischen
Prozess in Gang bringt.
Wirksamkeit
Auch wenn der ästhetische Prozess
bewusst ohne Zielvorgaben beginnt,
so tragen die TeilnehmerInnen doch
in sich bereits Potenziale für mögliche
Realisierungen, die sich im Laufe des
Prozesses zeigen, ausdifferenzieren
und transformieren. Der ästhetische
Prozess verlangt von jedem der Betei-
ligten eine größtmögliche Auseinan-
dersetzung mit der eigenen Wahrneh-
mung und den eigenen Möglichkeiten
und ebenso mit den Wahrnehmun-
Der ästhetische Prozess
Herleitung, Methodik und Praxis
Text: Michael Schels
13. 13Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
gen und Potenzialen der anderen.
In dieser Begegnung entsteht etwas
Neues, das nicht vorhersehbar ist, das
jedoch im gemeinsamen Austausch
geprüft und voran gebracht wird. Am
Ende des Prozesses entsteht ein im
freiwilligen Konsens und von allen
Beteiligten getragenes Ergebnis, das
die Basis für künftige Projekte und/
oder Maßnahmen bildet. Unterneh-
men oder Organisationen, die diesen
Prozess strategisch implementieren,
gewinnen einen Zugang zu bislang
ungeahnten Ressourcen, die nicht nur
als Ideen wertvoll sind, sondern die
auch nachhaltig sind, da sie von den
Beteiligten „im Innersten“ entwickelt
wurden und somit von diesen auch
vertreten und gelebt werden.
Der ästhetische Prozess erschließt das
intrinsische Potenzial eines Unter-
nehmens oder einer Organisation und
ermöglicht es den Beteiligten, sich in
ein originäres, verantwortliches und
selbstbestimmtes Verhältnis zur ei-
genen Arbeit zu setzen. Wer auf diese
Weise Mitarbeiter an der Entwicklung
des Unternehmens teilhaben lässt,
schafft eine Authentizität und eine
größtmögliche Potenzialentfaltung,
die im ganzheitlichen Sinne dem
Menschen UND dem Unternehmen
dient. Wir sind überzeugt: Unterneh-
men, die den ästhetischen Prozess
integrieren, beginnen von innen zu
strahlen und werden ganz neue Wege
gehen in Richtung einer nachhaltigen,
menschenwürdigen und empathi-
schen – mithin ästhetischen Zukunft.
Einer der ersten Charts zur Visualisierung des ästhetischen Prozesses
14. 14 Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
Dieser Artikel basiert auf einem
Zentrifuge-Workshop, der im März
2014 im Rahmen eines Business-Kon-
gresses zum Thema „Innovation und
Nachhaltigkeit“ durchgeführt wurde.
Dieser Workshop präsentierte Ergeb-
nisse, Erkenntnisse und Methoden
aus dem Projekt “Forschende Kunst”
und stellte diese zur Diskussion.
„Ästhetik“ ist ein vielschichtiger Be-
griff, der sich im Laufe der Geschichte
mit mehreren Bedeutungsebenen an-
gereichert hat. Ursprünglich stammt
der Begriff aus griechisch „aἴsthēsis“
(αίσθησις) und bedeutet schlicht „Wahr-
nehmung“ oder „Empfindung“.
Im 18 . Jahrhundert wurde die „Äs-
thetik“ als philosophische Disziplin
in den modernen Sprachgebrauch
eingeführt. Ästhetik stellt hierbei
eine eigenständige Weltinterpretation
neben etwa Rationalität oder Ethik
dar. Ein berühmter Vertreter ist bei-
spielsweise Immanuel Kant, der in der
„Urteilskraft“ ein Vermögen identifi-
ziert, das weder durch „theoretische“
oder „praktische Vernunft“ allein
ganz erklärt werden kann. Friedrich
Schiller sah in seiner Schrift „Über die
ästhetische Erziehung des Menschen“
in der Ästhetik gar das Mittel, um
den Menschen, modern gesprochen,
„ganzheitlich“ zu stimulieren und zu
bilden. Auch das, was man Sinn-Di-
mension nennt, wird auf spielerische
Weise eingelöst.
Heutzutage sieht man Ästhetik eher
als wissenschaftliche Lehre im Um-
feld von etwa „Design“. Man weiß,
was, warum und wie etwas ästhe-
tisch wirkt. Im Alltagssprachgebrauch
wiederum ist ästhetisch alles, was
mit „Verschönerung“ zu tun hat. Man
denke nur an das moderne Geschäft
mit körperlich-ästhetischer Perfekti-
onierung.
In den Workshops, die von der Zen-
trifuge durchgeführt werden, steht
die Ästhetik bewusst als besonde-
re, eigenständige, philosophische
Weltbetrachtung im Vordergrund:
als Wahrnehmung im ganzheitlichen
Sinn.
Die Frage nach einem speziellen
„ästhetischen Erlebnis“ ruft, wenn
man sich darauf einlässt, eine ganze
Reihe lebendiger Assoziationen
hervor. Es fällt zunächst auf, dass alle
Sinne beteiligt sind. Es handelt sich
um ein holistisches Erlebnis. Eine
Wertung im Sinne von „falsch“ oder
„richtig“ ist in diesem Zusammen-
hang letztlich zwecklos. Der Verstand
versucht zwar, zu argumentieren,
aber er merkt, dass seine Mittel nicht
ausreichen. Es ist kaum oder schwer
zu erklären, was einen ergreift – und
gerade das macht den Reiz ästheti-
scher Erlebnisse aus. Es handelt sich
um eine andere Logik, die auch eine
andere Art von Erkenntnis vermittelt.
In aktuellen Diskursen, die sich
mit Innovation und Nachhaltigkeit
beschäftigen, herrscht hauptsäch-
lich der Verstand vor. Das ist auch
durchaus deutlich spürbar. Logische
Argumente werden etabliert und aus-
getauscht, die Effizienz wird berück-
sichtigt, rationale Methoden erson-
nen. Die ästhetische Dimension wird
dabei gar nicht oder kaum in Betracht
gezogen. Dabei ist gerade sie ein
entscheidender Faktor bei erfolgrei-
chen Produkten und Dienstleistungen
– ganz besonders in der langfristigen
Die ästhetische Dimension
als Innovationstreiber
Text: Ronald Zehmeister
15. 15Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
Perspektive. Es lässt sich sogar die
These aufstellen: je ästhetischer ein
Erzeugnis, umso nachhaltiger ist es.
Dasselbe gilt auch für Innovation.
Mit einem drei-dimensionalen
Modell, das die ästhetische Dimen-
sion berücksichtigt, lässt sich eine
Bewertungs-Matrix erstellen, die sich
gut zur Analyse von Produkten oder
Dienstleistungen eignet:
Es sind Produkte denkbar, die nur
innovativ oder nur nachhaltig sind.
Manche Consumer-Electronics-Pro-
dukte setzen zum Beispiel hauptsäch-
lich auf eine schnelle Verbreitung
im Markt, wohl wissend, dass eine
höhere Leistung bald auch wieder
neue Begehrlichkeiten wecken wird.
Andererseits verschafft das Label
„Nachhaltigkeit“ Kaufargumente für
Produkte, die gar nicht unbedingt
innovativ sein müssen.
Sehr viel Wert wird im Moment auf
eine möglichst gleichwertige Beto-
nung der beiden Achsen „Nachhal-
tigkeit“ und „Innovation“ gelegt. Eine
entsprechende zweidimensionale
Matrix kann sehr gut ein Modell dafür
abgeben. High-Tech und gleichzeitig
Effizienz lauten in etwa die Schlag-
worte.
Doch was passiert, wenn man nun
zusätzlich auch die ästhetische
Dimension berücksichtigt? Nicht nur
im Sinne von Design wohlgemerkt,
sondern in ganzheitlicher Weise.
Es lässt sich feststellen, dass diese
Dimension eine Hebelwirkung auf die
beiden anderen Achsen haben kann.
Wer in die ästhetische Dimension
investiert, profitiert automatisch auch
im Sinne der Nachhaltigkeit und im
Sinne der Innovation.
Es lohnt sich, bestimmte Ikonen in
der Geschichte der Produkt-Welt oder
besondere Neuerungen der Kulturge-
schichte einmal nach diesem Modell
zu analysieren.
Wir fördern
Kunst und Kultur
in Nürnberg,
Stadt und Land.
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Alexander Shelley,
Chefdirigent der
Nürnberger Symphoniker
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16. 16 Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
In unseren Betrachtungen gehen
wir vom Wechsel des 19. Jahrhun-
derts in das 20. Jahrhundert aus.
Wir begründen mit einigen Beispie-
len den Weg der Demokratisierung
und Diversifizierung der Musik und
spüren daran orientiert dem Sinn
nach, den Musik für das Individuum
und die Gesellschaft morgen haben
kann. Unzweifelhaft hatten auch die
beiden schrecklichen Kriege einen
großen Einfluss auf das Geschehen
und die Entwicklung der Musik, wir
verzichten an dieser Stelle jedoch auf
diesbezügliche Betrachtungen.
Freiheit
Albert Einstein entwickelt die Rela-
tivitätstheorie, Sigmund Freud die
Lehre von der Psychoanalyse, der
erste Zeppelin wird gebaut, das Auto
entwickelt sich zum Massenprodukt,
Ronald Amundsen erreicht den Süd-
pol, die Titanic kollidiert mit einem
Eisberg.
Die technischen Errungenschaften
des 19. und 20. Jahrhunderts ermög-
lichten eine gewaltige Beschleunigung
der gesellschaftlichen Entwicklung.
So kam es in Folge der neuen Mög-
lichkeiten zu einer nie da gewesenen
Urbanisierung. Die Städte wuchsen
in rasantem Tempo, das Stadtleben
veränderte sich dramatisch.
Ein Beispiel für eine Entwicklung, die
neue Möglichkeiten schaffte, war die
Elektrifizierung der Beleuchtung. Es
ist sicher berechtigt, den Ersatz der
Kerze durch die Glühbirne als Symbol
für die grenzenlosen Möglichkeiten
und eine neue Dimension in der
Unabhängigkeit zu verstehen. Die
Menschen konnten ohne Risiken die
Nacht zum Tag machen. Das Stadt-
leben konnte jederzeit stattfinden.
Arbeiten, aber auch Feiern war nachts
möglich.
Menschen mit den unterschiedlichs-
ten Erfahrungen und Erwartungen
trafen auf begrenztem Raum zu-
sammen. Die Menschen wurden
weiterhin ausgebeutet und arbeiteten
viel. Aber es entwickelte sich auch
eine Arbeiter- und Armenpolitik, die
denen helfen sollte, die in Not gera-
ten waren. Die Menschen glaubten
an ihre Allmacht. Die Perspektiven
waren hervorragend, die Lust auf
Unterhaltung groß. Auf diesem Boden
entwickelte sich eine neue Kultur der
Unterhaltung. Das Kabarett entstand,
das Musical kam aus den USA nach
Europa. Damit wandelte sich Musik
zu einem großen Teil von der durch
die Aristokratie finanzierten Kunst
zu einem Kulturprodukt, das von
einer größeren Menge an Zuhörern
selbst finanziert wurde – finanziert
werden musste. Das hatte zur Folge,
dass diese Produkte mehr Menschen
gefallen mussten, der Maßstab für
die Durchführbarkeit aufwändigerer
Produktionen war die Popularität der
Aufführung. Die Ernsthaftigkeit der
Inhalte wich der leichten Unterhal-
tung und dem Amüsement.
Neben den gesellschaftlichen Verän-
derungen beschleunigten technische
Entwicklungen, die direkten Einfluss
auf die Musikproduktion hatten, die
Welt der Musik in atemberaubendem
Tempo. Aufnahmetechniken, Re-
produzierbarkeit von Musik, bis zur
Massenproduktion der Schallplatte
mit hoher Wiedergabequalität, revolu-
tionierten das Musikgeschehen. Nicht
zu vergessen das Radio für jeden.
Plötzlich konnte jeder zu jeder Zeit
auch in seiner privaten Umgebung
Musik hören.
War der Rezipient bisher gezwungen,
beim Entstehen der Musik anwesend
zu sein, ob im Opernhaus oder auf
der Kabarettbühne, konnte er nun an
jedem beliebigen Ort, zu jeder belie-
bigen Zeit, die auf Platte verewigten
Werke anhören oder das Programm
im Radio verfolgen.
Wir denken, dass in diesem Moment
eine erste Diversifizierung von Musik
in bis dahin ungekannter Dimension
passierte. Etwas Ungeheures war ge-
schehen. Die Musik als strukturierter
Klang war bis dahin stets Vergange-
nes, sie war nicht wiederholbar. Das
ist einer der wesentlichen Unterschie-
de zwischen visueller und auditiver
Wahrnehmung. Das Bild bleibt, der
Klang vergeht, ist stets Vergangenes.
Daher geben wir der Entstehung der
Musik eine weitreichendere Bedeu-
tung in unserem Verständnis von
Musik als Kunst. Mit einem einfachen
Beispiel können wir das nachempfin-
den: Gehen Sie ins Konzert, wohnen
Sie der Aufführung live bei, hören Sie
sich die gleiche Aufführung zu Hause
auf der hochwertigsten Anlage an –
Sie spüren den Unterschied. Wir müs-
sen beim Entstehen der Musik dabei
sein, um die Kunst darin zu spüren.
Hermann Hesse: Das Konzert
Die Geigen schwirren hoch und weich,
Das Horn klagt aus der Tiefe her,
Die Damen glitzern bunt und reich
Und Lichtgefunkel drüber her.
Ich schließe meine Augen still:
Ich sehe einen Baum im Schnee,
Der steht allein, hat was er will,
Sein eigen Glück, sein eigen Weh.
Beklommen geh ich aus dem Saal
Und hinter mir der Lärm verklingt
Von halber Lust, von halber Qual -
Mir blieb er unbeschwingt.
Ich suche meinen Baum im Schnee,
Ich möchte haben, was er hat,
Mein eigen Glück, mein eigen Weh,
Das macht die Seele satt.
Hermann Hesse. Die Gedichte, Band 1, suhrkamp
taschenbuch 381, Erste Auflage 1977, S.431
Noch etwas ist geschehen, auf einer
ganz anderen Ebene, eine Entwick-
lung, die heute wohl ihren Zenit
schon überschritten hat: Die wirt-
schaftliche und damit eine äußerst
mächtige Entwicklung.
Es kam der Vermittler zwischen
Musiker und Rezipient in die Welt. Die
Musik musste als Massenware produ-
ziert und verkauft werden. Der Verlag,
heute das Label, etablierte sich. Im
wirtschaftlichen Interesse wuchs
der Einfluss, den die Verleger auf die
Künstler nahmen und nehmen.
„…aus den Beatles (sind) zur Zeit der
Veröffentlichung des ‚Sergeant Pepper‘-Al-
bums exzellente Künstler geworden,
professionell, witzig, einfallsreich, genial.
Doch schon lange davor hatten sie aufge-
hört, Rockmusiker zu sein, nämlich als sie
sich nicht mehr um das scherten, was sie
sangen. Das Publikum hatte sichtlich einen
immensen Bedarf nach Beatles-Platten –
die Gruppe entsprach dem und veröffent-
lichte eine Platte nach der anderen. Doch
zu sagen hatten sie nicht mehr viel; also
amüsierten sie sich damit, herauszufinden,
auf wieviele verschiedene Arten sich nichts
sagen lässt.“
Gillett, Charlie. The Sound of the City: the Rise of
Rock and Roll, (Outerbridge & Dienstfrey) New
York 1970. S. 332. Zitiert aus Reebee Garofalo:
Die Relativität der Autonomie, Schriftenreihe
herausgegeben vom Forschungszentrum Populäre
Musik der Humboldt-Universität zu Berlin
Musik, morgen
Ein Plädoyer für die Kunst
Text: Eric Juteau, Otmar Potjans, Michael Wolf
17. 17Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
Erfolg orientiert sich an den Chart-
platzierungen und den Gewinnmög-
lichkeiten der Produzenten. Gut ist,
was gefällt und sich verkaufen lässt.
Man könnte darin eine gewisse De-
mokratisierung erkennen, wenn da
nicht die großen Machtunterschiede
wären. Die Musikindustrie nutzt die
Möglichkeiten, Stars zu pushen und
nicht selten erhalten die Rezipienten,
die zum Konsumenten degradiert
sind, Fastfood statt Kunst.
Dennoch hat eine Demokratisierung
stattgefunden – aus drei Gründen:
Erstens kann nun wie oben beschrie-
ben dank der Massenproduktion und
der Entwicklung populärer Darstel-
lungsformen jeder seine Musik hören,
zweitens ist es Dank der wirtschaft-
lichen Entwicklung immer mehr
Menschen möglich, ein Instrument zu
erlernen und zum Dritten entwickeln
sich entsprechend dem pluralisti-
schen Zeitgeist unterschiedliche Mu-
sikformen, die zum Teil mit einfachen
Mitteln und damit von mehr Men-
schen realisierbar sind.
Auf dem Weg zur Musik von morgen
Wieder einmal hat eine Revolution
stattgefunden. Waren es gestern noch
Schallplatten, Tonbänder und Kasset-
ten, speichern wir unsere Musik heute
auf unseren Telefonen oder machen
sie gleich selbst. Synthesizer sind aus
der Mode, der Instrumentenbauer
hat in dem Softwareentwickler eine
Ergänzung erhalten.
Früher musste man ein Instrument
beherrschen, wenn man komplexere
Musik erzeugen wollte als den eige-
nen Gesang, den man natürlich auch
pflegen muss. Ein Musikinstrument
beherrschen bedeutet jahrelanges
Üben. Zeit und Geld mussten inves-
tiert werden – in das Erlernen des
Instrumentes und in dessen Anschaf-
fung. Dieses Hindernis, Musik zu ma-
chen, gibt es nicht mehr. Heute kann
sich jeder mit geringen Kosten eine
App aus dem WWW herunterladen,
mit der er ohne große Vorkenntnisse
Musik erzeugen kann. Aufnehmen,
Bearbeiten und Verteilen sind heute
von Autodidakten mit gängiger Soft-
und Hardware zu realisieren. Das gilt
auch für Produktionen mit akusti-
schen Instrumenten.
Heute verfügt man prinzipiell über
die Mittel, Musik selbst zu produzie-
ren und zu veröffentlichen. Bei der
großen Reichweite des Internets wird
sich wahrscheinlich auch für das
absurdeste Werk eine Fangemeinde
finden. Will der Musikerzeuger aber
von seinen Werken leben, ist wieder
die Zahl der Zuhörer ausschlagge-
bend. Die Anzahl der Klicks bestimmt
die Einnahmen. Diesmal entscheidet
aber stärker die Masse als der Produ-
zent über den Erfolg. Einfluss durch
einen Vermittler gibt es nicht. Das
liegt dran, dass als „Vermittler“ der
Computer, der Server und die Ver-
bindung ins WWW fungieren. Aber
es geht nach wie vor um Popularität
– und wenn es um Popularität geht,
schreit das Medium Internet nach
dem Video. Diese Entwicklung wird
sich verstärken. Musikvideos, die man
am heimischen Computer produziert,
werden Massenware.
Es wird neue Möglichkeiten geben,
Klänge zu erzeugen, es wird neue
Strukturen geben, es wird eine
stärkere Verbindung der auditiven
mit der visuellen Darstellung geben,
der Vertrieb und die Kommunikation
werden sich direkt zwischen Musi-
kerzeuger und Rezipient abspielen. Es
wird immer einfachere und günstige-
re Soft- und Hardware geben, die das
Produzieren von Musik und Videos
vereinfachen und gleichzeitig raffi-
niertere Ergebnisse liefern. Es wird
Software geben, die mit Endgeräten
ganz neue Klänge erzeugen.
Diese unübersehbaren neuen
Möglichkeiten führen zu einer bei-
spiellosen Diversifizierung der Musik.
Bisher konnten wir noch unterschei-
den zwischen Liveprodukten und
Musik aus der Konserve. Wir konnten
sagen, dass wir Musik beim Entste-
hen erleben müssen. Und damit der
Aufnahme den künstlerischen Anteil
absprechen.
Intuitiv musizieren mit dem iPad: Das Orphion ist eine von Bastus Trump entwickelte Sound- und Percussion-App für Multitouch-Screens.
18. 18 Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
In Zukunft müssen wir wohl anerken-
nen, dass Musik, die für ein Medium
wie das Internet produziert wird, eine
eigenständige Form der Kunst ist.
Eine andere Form als die Musik, die
im Konzertsaal entstehen muss, die
nur dabei erlebbar ist.
Ähnlich radikal sieht es mit der
Demokratisierung aus. Jeder kann
Musik machen, jeder kann sich an
dem Urteil über das Werk beteiligen.
Das heutige Hörverhalten lässt jedoch
vermuten, dass sich die Kriterien bei
der Beurteilung der Musik auf das
eigene Wohlbefinden, auf die Stim-
mung und auf Motivation, die ich
aus dem Stück erhalte, beschränken
werden. Was mir gefällt und einfach
zu konsumieren ist, ist gut. Dass die
Gefahr der Fastfood-Abspeisung lau-
ert, ist offensichtlich. Aber vielleicht
sollten wir mit mehr Vertrauen in die
Zukunft blicken, schließlich wollen
heute immer mehr Fastfood-Liebha-
ber qualitativ hochwertiges Essen,
Salat und Vollwert statt schnelle, fette
Burger.
Was ist der Sinn des Ganzen?
Unterhaltungsmusik hat ihre Be-
rechtigung. Aber wie die heutige
Ökonomie verkauft sie Emotion ohne
Tiefgang und Intensität, ohne tiefe,
anhaltende Berührung. Sich damit zu
beschäftigen ist wie Fernsehschau-
en: nett, bequem, aber meist vertane
Zeit, Berieselung und Hintergrund
rauschen. „Leider“ ist es mit dem
Hören anders als mit dem Sehen:
wir können kaum filtern – wie jeder
Besuch im Supermarkt mit seiner
Kauflustweckberieselung immer wie-
der aufs Neue beweist.
Andererseits macht gerade dieses
Nichtweghörenkönnen das Besondere
der Musik aus. Die Musik findet den
direkten Weg zu uns. Wir können uns
dem Klang nicht verschließen. Die
Musik trifft direkt auf unsere Seele.
Wir empfinden tiefste Gefühle, Trau-
er, Glück.
Ein Werk von hoher Komplextät und
Qualität kann aber noch viel mehr. Es
verschiebt die Grenzen der sinnlich
erkennbaren Welt Es schenkt uns
Empfindungen, die über das sinnlich
Erfahrbare hinausgehen: Schönheit,
Wissen, Verbundenheit, Universum,
Gott.
Hermann Hesse:
Weg nach Innen
Wer den Weg nach innen fand,
Wer in glühndem Sichversenken
Je der Weisheit Kern geahnt,
Daß sein Sinn sich Gott und Welt
Nur als Bild und Gleichnis wähle:
Ihm wird jedes Tun und Denken
Zwiegespräch mit seiner eignen Seele,
Welche Welt und Gott enthält.
Hermann Hesse
Die Gedichte, Band 1 suhrkamp taschenbuch 381,
Erste Aufiage 1977, S.433
Wir spüren, dass es nicht um uns
allein geht, wir spüren, dass es um
alles geht. Wir spüren, dass wir Teil
der Gesellschaft sind, Teil der Welt.
In diesem tiefen Empfinden erfahren
wir, dass es ein übergeordnetes Prin-
zip gibt, dass wir Teil eines Ganzen
sind, … was immer das sein mag.
Schönheit, Wissen, Verbundenheit,
Universum, Gott zu fühlen, in uns zu
finden, ist die große Chance für unser
gemeinsames Leben auf diesem Pla-
neten. Die Musik braucht dazu keine
Religion, keine Märtyrer und keinen
Prediger. Der Künstler ist der Bot-
schafter, der uns mit seinem Werk die
Harmonie in unsere Seele zurücklegt
und uns versöhnt mit uns selbst und
mit dem Universum.
Egal, ob es um die göttliche Botschaft
geht oder um die Sprache der Liebe.
Die Kunst hat die Chance, Wissen und
Verstehen über die Verbundenheit in
die Welt zu bringen.
Dafür müssen wir alle kämpfen, die
Gesellschaft, die Rezipienten und die
Künstler.
Die Künstler müssen unabhängig von
allen Systemen ihre Werke erschaf-
fen, sie müssen mutig ihrer Intuition
folgen und den Zugang zur Spirituali-
tät öffnen.
Die Rezipienten müssen sich voll Mut
und Neugier aufmachen, aufmachen,
um sich berühren zu lassen, aufma-
chen, um Neues zu finden. Wir alle
sollten uns auf eine führende Rolle
der Kunst in der Gesellschaft einlas-
sen.
Die Ausstellung „Beziehungsalchemie“ in der Zentrifuge thematisierte auch die nahezu alchemistische Arbeitsweise der Zentrifuge: Aus intuitiv erprobten,
durch Erfahrung angereicherten Vermischungen etwas Neues, Wertvolles schaffen. (Foto: Eckehard Fuchs)
19. 19Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
Im Zusammenhang mit dem unter-
nehmerischen Gründungsprozess
werden in der Theorie meist betriebs-
wirtschaftliche und rechtliche Grund-
lagen einer Unternehmensgründung
vermittelt. Parallel geben für ge-
wöhnlich erfolgreiche Unternehmer
und GründerInnen gute Einblicke in
die Praxis und berichten über ihre
Erfahrungen. Der Beratermarkt bietet
ebenfalls ein riesiges und differen-
ziertes Angebot an Beraterleistungen,
um UnternehmerInnen und Grün-
derInnen bei der Umsetzung ihrer
Geschäftsidee zu unterstützen.
Wie aber wird eine Idee definiert? Wie
wird eine Idee ausgelöst? Wie wird
aus einer Idee eine Geschäftsidee?
Woran kann ich eine durchdachte,
erfolgversprechende Idee erkennen?
Wie wird aus einer zündenden Idee
eine Geschäftsidee? Von solchen Fra-
gen wird der Gründer bzw. Unterneh-
mer nicht unbedingt erleuchtet, was
sein Engagement und seine inhärente
Motivation und Begeisterung betrifft.
Selbst wenn der Gründungspapst
Günter Faltin einen Schub an Motiva-
tion einbringt, indem er behauptet:
„Jeder kann ein Unternehmer werden.
Mehr als eine kreative Idee braucht
es nicht.“ In seinem Buch „Kopf
schlägt Kapital“ vertritt der Professor
für Entrepreneurship an der Freien
Universität Berlin darüber hinaus
die These, dass ein gut durchdachtes
Konzept auschlaggebender sei als das
Kapital.
Kreative Ideen zu haben und ein
durchdachtes Konzept zu präsen-
tieren, das verlangt Offenheit und
Ehrlichkeit sowie die Fähigkeit, sich
an Neues anzupassen. Der Unter-
nehmer muss auf seine Fähigkeiten
vertrauen können und seine Intuition
bei der Ideenfindung und -umset-
zung schärfen. Es handelt sich um
einen nie endenden Prozess, in den
sich der Unternehmer begibt. Unter
diesen Gegebenheiten vermischt sich
allmählich der Unternehmensprozess
als theoretisches und praktisches
Konstrukt mit der Kunst als schöpfe-
rischem Prozess. Denn in der Kunst
verfügt der Künstler über die Zeit und
schöpft die Möglichkeit aus, in Frei-
heit seine Ideen und Gedanken neu zu
hinterfragen, zu erproben.
Die so gewonnen Erkenntnisse über
den künstlerischen Prozess können
dem Unternehmer ermöglichen,
bewusster sein Unternehmensrisi-
ko einzugehen. Der Unternehmer
erhält ein besseres Verständnis für
sein zukünftiges Handeln und seine
anstehenden Tätigkeiten. Dank der
Kunst ergeben sich Möglichkeiten,
neue Begegnungen zu machen, neue
Zusammenhänge wahrzunehmen.
Der Unternehmer verfügt plötzlich
ohne großes Tun über Zeit, seiner Idee
schöpferische und innovative Gestalt
zu verleihen, ohne den Anspruch
zu haben, Künstler zu sein oder zu
werden.
Den unternehmerischen Prozess
ästhetisch gestalten
Forschende Kunst ist ein hoch
ambitioniertes Zukunftsprojekt der
Zentrifuge, das mit interdisziplinären
Teams arbeitet, um herauszufin-
den, wie überhaupt das „Innovative“
aus der Kunst Impulse holen kann.
Forschende Kunst geht der Kunst auf
die Spur und fragt sich, was sich aus
der Kunst auf die pragmatische Welt
übertragen lässt. Die Gründer der
Zentrifuge vertreten die Meinung,
Kunst sei das letzte Refugium von
Freiheit. Sie wollen nachvollziehbar
machen, was wirklich wichtig und
wertvoll ist und was für einen Preis
wir dafür bereit sind zu zahlen.
So habe ich nach dem Besuch des kre-
ativen Workshops „Forschende Kunst
2: Musik und Klang“ aus meinen tiefst
persönlichen Erkenntnissen festge-
stellt, dass ein Geschäftsplan mehr
als nur ein Zahlenhaufen ist.
Mit Hilfe des Business Models „Can-
vas“ hatte ich im Jahr 2013 in neun
Schritten eine Geschäftsidee auf die
Beine gestellt und schrittweise mit
der Partnersuche begonnen.
Die Organisation „Interkulturelles
Zentrum Mbalmayo/Nürnberg“, die
ich leite, hat das Hauptziel, Bildung
und Kultur in ausgewählten Ländern
wie z.B. Kamerun und Deutschland
sowie Frankreich aktiv zu fördern und
für jedermann/-frau durch Informa-
tionen und Projekte zugänglich zu
machen. Durch diese Dynamisierung
öffnen sich Möglichkeiten, Menschen
zu mobilisieren, die bereit sind, die
wirtschaftliche, soziale, politische
und kulturelle Entwicklung ihres
Viertels, ihrer Stadt, Ihres Land mit
innovativen und nachhaltigen Ideen
voranzutreiben. Die Idee dahinter ist,
dass die Menschen mehr Offenheit
für ihre Umwelt und ein Bewusstsein
für Gemeinsinn entwickeln. Zentrales
Element für die Umsetzung der Idee
ist das Eröffnen von Begegnungs-
zentren, in dem kreative Workshops
gehalten werden. Zeit, Können und
Erfahrungen werden als Hauptres-
sourcen eingesetzt, die die Motivation
und die Partizipation aller Bürger neu
definieren und ausrichten können.
Die Ideen münden in Projekte ein,
die die Entwicklung der direkten
Umwelt effektiv steuern. Es geht
z.B. um Schlüsselfaktoren, die eine
generationsübergreifende Entwick-
lung wesentlich beeinflussen: Schulen
und Bildungsstätten, Kultur, Verkehr,
Infrastruktur, Wohnen, Industrie,
Landwirtschaft, Ordnung, Energie,
Tourismus etc.
„umwelten“ durch persönliche
Veränderung
Auf der Partnersuche für mein Projekt
ist mir Michael Schels, der Gründer
der Zentrifuge, begegnet. Dass wir zu-
sammenarbeiten wollen, war im ers-
ten Gespräch klar. Und so bin ich dan-
kenswerterweise nach nur kurzer Zeit
zum Workshop „Forschende Kunst 2“
eingeladen worden. Ich war gerne mit
Herz und Seele dabei, da ich tief in
mir spürte, dass meine Geschäftsidee
mehr als nur einen Businessplan mit
Zahlen und Zeitstrahlen erfordert.
Aber was zusätzlich sein sollte,
konnte ich zu diesem Zeitpunkt gar
nicht mit Worten ausdrücken. Anstatt
ein Gründerseminar zu besuchen,
was gewöhnlich üblich ist, saß ich an
einem Samstag in den Räumen der
Zentrifuge und durfte mich mit einer
netten Gruppe über Musik und Klang
austauschen.
Dass ich Klang von mir aus erzeu-
gen und dass ich noch sensibler sein
könnte, was Musik und Klang und
sogar Kreativität angeht, davon habe
ich mich erst während dieses Work-
shops überzeugen können. Was hat
das denn mit einem Businessplan
Der unternehmerische
Gründungsprozess
Text: Marie Claude Ekotto
20. 20 Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
oder einer Geschäftsidee zu tun?
Eine Antwort auf diese Frage, die
ich gerne über diese Dokumentation
teilen möchte, habe ich erst am Ende
des Workshops erhalten: Meine Ge-
schäftsidee hat eine innovativere und
kreativere Note bekommen, ja eine
humanere Gestalt angenommen.
Die Art und Weise, wie ich längerfris-
tig Menschen für meine Idee begeis-
tern kann, lag mir endlich klar vor
Augen: Kunst, Sport, Geographie und
Geschichte, Austausch sowie Werte,
die ich gerne durch meine Arbeit ver-
treten möchte, sind der Leuchtturm
meiner Aktion. Der Mensch und seine
Umwelt sind die Schlüsselbegriffe,
die ich mit einfließen lassen muss,
wenn ich meine Idee mit Begeisterung
weiterverfolgen möchte.
Ohne selbst Künstlerin zu sein, habe
ich den Weg der Offenheit einge-
schlagen. Die Angst, den Gründungs-
prozess nie beenden zu können, die
Angst, nicht perfekt zu sein, war auf
einmal vom Tisch und so folge ich
seitdem mit aller Herzlichkeit und
Offenheit bei jeder anstehenden be-
ruflichen, privaten und unternehme-
rischen Entscheidung meiner Intuiti-
on und meiner Kreativität. Ich habe es
gewagt, kreativ zu sein. Der schöpfe-
rische Akt hat in mir viele Potentiale
freigesetzt und Freiräume eröffnet.
Mein Ich als Forschungsobjekt
Der Prozess der Kreativität ver-
langt intensive Selbsterkenntnisse.
Selbsterkenntnis verlangt wiederum,
ob man es will oder nicht, Schlüs-
se zu ziehen, Dinge zu beobachten,
das Wahrnehmen mit allen Sinnen.
Es war am Anfang des Workshops
ein sehr unangenehmes Gefühl, als
Untersuchungsobjekt zu fungieren.
Zumal mir es in erster Linie um das
Vorantreiben meiner Geschäftsidee
im Bereich Bildung und Kultur ging.
Die während der Workshops er-
zeugten Klänge haben bei mir eine
Erinnerungsfunktion freigesetzt.
Erinnerungen an Momente, in denen
ich frei und unbekümmert Töne mit
ungewöhnlichen Gegenständen (Cola
Flachen) erzeugt hatte. Ich konnte
während dieser Workshops Kreativi-
tät erleben, spüren, schmecken und
erfahren.
Das Gefühl der Mitte hat die „Not-
wendigkeit“ verdrängt, mich immer
entscheiden zu müssen. Ich begegne
heute der Fülle des Lebens in ihrer
ganzen Vielfalt. Ich bin wertungsfrei
gegenüber Unbekanntem. Die große
Herausforderung dabei ist, die ange-
lernten Strukturen mit der Kreativität
zu vereinbaren. Durch den nie enden-
den Prozess der Kreativität lerne ich
allmählich, das Geschaffene immer
wieder zu reflektieren. Erst dann
tauchen die wesentlichen Fragen auf:
Was ist mir wichtig? Was ist mir nütz-
lich? Somit schaffe ich auch Klarheit
über mein Handeln und meine gesell-
schaftliche Verantwortung innerhalb
meines beruflichen und privaten
Bereichs. Damit schaffe ich es auch,
klare Grenzen zu ziehen, innerhalb
derer mein „Interkulturelles Zentrum
Mbalmyo/Nürnberg“ Verantwortung
zu tragen hat. Innerhalb der Gruppe
habe ich weitgehend gelernt, frei von
Blockaden gewonnene Erkenntnisse
zu formulieren. Mein Wahrneh-
mungsvermögen wurde geschärft,
indem ich intensiv gelernt habe, Unsi-
cherheit zuzulassen und mich auf das
Wichtige zu konzentrieren.
Seit dieser reichen Erfahrung, meiner
Kreativität freien Lauf zu lassen, wird
meine Motivation zu agieren, über-
wiegend innerlich gesteuert. Unbe-
antwortetes macht mich offen für
andere Disziplinen und Sichtweisen.
Ich nutze jetzt die Gruppendynamik,
um für unbeantwortete Fragen erste
Antworten zu suchen.
Ausgehend von diesen Erfahrungen
und Selbsterkenntnissen habe ich
einen zweiten Businessplan nach
Canvas ausgestellt, der ja erst den An-
fang meines Vorhabens darstellt. Aus
systematischen Gründen habe ich im
Folgenden beide Modelle zusammen-
gefasst. Die orange markierten Texte
stellen die Ergänzungen nach dem
Besuch des Workshops dar.
Canvas Model
Geschäftsidee der Errichtung eines
Interkulturellen Zentrums Mbalmayo/
Nürnberg nach Erkenntnisgewinnung
aus dem Projekt „Forschende Kunst“ 1
und 2 (siehe Tabelle).
Fazit
Kreativität und Innovatives haben
sich vermischt. Durch den kreativen
Prozess haben sich meine persön-
lichen Einstellungen zum Positiven
verändert. Ich begegne der Vielfalt der
Welt wertungsfreier. Diese persönli-
chen Veränderungen haben wieder-
um einschneidende Veränderungen
auf unternehmerischer Ebene. So
habe ich gewagt, Kunst, Geographie
und Geschichte als Schlüsselfaktoren
zur Motivation meiner Zielgruppe zu
definieren.
Innerhalb der interdisziplinären
Gruppe der Zentrifuge, der ich ange-
hören durfte, habe ich gespürt und
erlebt, wie sich der Zugang zu Kunst
auf das Wahrnehmungsvermögen
der Teilnehmer ausgewirkt hat. Die
Wahrnehmung ist zwar eine indivi-
duelle Angelegenheit, aber die Kunst
regt die Zuneigung zum Ästhetischen
an. Durch Kunst und durch die gestei-
gerte Wahrnehmung und die damit
verbundenen Reaktionen wird der
Kreativität Tür und Tor weit geöffnet.
Für Informationen über das „Interkulturelle
Zentrum Mbalmayo/Nürnberg“ I.Z.M.N. besuchen
Sie bitte folgende Internetseite:
www.culturcentermbyonbggrenoble.jimdo.com
21. 21Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik & Klang
Geschäftsidee der Errichtung eines Interkulturellen Zentrums Mbalmayo/Nürnberg/Grenoble nach Erkenntnisgewinnung aus dem Projekt „Forschende Kunst „ 1 und 2 (Canvas Model)
Die wichtigsten Partner
– IDEA-Labs (Frankreich)
– CEA Grenoble technologische
Innovationsplattform
– Innovationsministerium
Kamerun (CNDT)
– Finanzdienstleister
– Universitäten
Kulturzentren in Kamerun/
Deutschland/Frankreich
– Gospelinstitut Grenoble
– Zentrifuge Nürnberg
– Kreative Plattformen
– Forschungsinstitute für
Entwicklungspolitik
– Schulen
– Institut für Geographie
und Geschichte
Die wichtigsten Aktivitäten
– Beschleunigung der Innovation
unserer Partner
– Stärkung des Innovationspo-
tentials der FE-Abteilungen
durch externe Partnerschaften
– Management des geistigen
Eigentums durch gezielte
Informationsgewinnung
– Innovative Wirtschaftsmodelle
entwickeln
– Know-how- und Wissens
transfer zwischen Deutsch-
land/Kamerun/Frankreich
– Kooperative Nutzung von
Infrastrukturen für FE
Aktivitäten
– Begleitung von Startups in
Kamerun
– Begeisterungspotential und
Kreativitätspotential bei
Einzelpersonen entwickeln
und fördern
Werte/Nutzenversprechen
– Erweiterung des geschäftlichen Horizonts
unserer Partner durch Nutzung intensiver
Netzwerkverbindungen
– Ausgeprägte Innovationskultur ermöglicht
Partnern, sich mit innovativen Lösungen auf
dem Markt zu behaupten
– Reduzierung der Opportunitäts- und
Informationskosten
– Flache Kommunikationswege begünstigen
einen reibungslosen Austausch auch mit
Wettbewerbern
– Dynamisierung der kollektiven Intelligenz
und des kollektiven Könnens
– Schnelle und effektive Durchführung von
innovativen Projekten
– neue Absatzmärkte
– Gemeinsinn anregen durch Verfolgung gesell-
schaftlicher nachhaltiger Veränderungen
– Zusammenführen verschiedener Disziplinen,
die getrennt und ineffizient nebeneinander
gehandelt haben
– Verfolgung von langfristigen Zielen, die über
das eigene Spektrum hinaus gehen
– Vereinbarkeit von Innovation und Vielfalt
– Ermutigung, Inspiration und Einladung der
Führungsverantwortlichen über den Teller-
rand hinauszuschauen
Partnerbeziehungen
– direkte menschliche Inter-
aktion
– Betreuung kameruner Partner
vor Ort
– individuell anpassbare
Innovationsworkshops
– intensive Nutzung von Show
Räumen, um eigene Ideen zu
visualisieren
– Austauschplattform im Web
– Regelmäßige Audits im Bereich
Innovation inkl. Berichtswesen
– Branchenvergleich
– Kooperative Marktüber
wachung
– regelmäßige Fachvorträge
– Künstlerischer/historischer/
geographischer Austausch
Segmente
– Energie
– Wohnen und Bauen
– Telekommunikation
Kunst
Aus- und Weiterbildung sowie
persönliche Entwicklung
Tourismus und Städteentwick-
lung
Die wichtigsten Ressourcen
– Hervorragender Sachverstand
der Gründungsmitglieder
– Internationales breites
Netzwerk
– Interkulturelle Kompetenz
– Technologische Infrastruktur
– Kreative Räume
– Showräume
– Finanzielle Unterstützung
– Zeit, Wahrnehmung, Kreativi-
tät, Achtsamkeit
Kommunikations- und
Vertriebskanäle
– Seminare und Arbeitskreise
– Workshops und Co-Working
– Fachmessen
– Exploration
(Learning Speditions)
– Coaching und Training
– Innovationsabende
– Publikationen
– Telefonische Betreuung
Kunstveranstaltungen
– Innovative Workshops
(Z-Prozess)
– Werkstatt Lernen der Zukunft
– Bildungsstätte eröffnen
Kostenstruktur
– Personal
– Informationssammlung
– Reisen und Meetings
– Infrastruktur Showräume
– Technologische Infrastruktur
– Werbemittel
– Künstlerische Aktivitäten
(Modemacher, Musiker, Zeich-
ner, Maler, Architekten u.a.)
– Zusammenarbeit mit Geogra-
phen und Historikern
Einnahmenquellen
– Mitgliedsbeiträge von Partnern
– Spenden
– individuelle Beratungsaufträge
– Eintritte Fachmessen
– Einnahmen aus der Begleitung
von Startups in Kamerun
– Staatliche und private
Zuwendungen
23. 23Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik Klang
Kunst und Wissenschaft. Seit Jahr-
hunderten stehen sich diese Gegen-
pole mit ihren spezifischen Metho-
den und Perspektiven auf die Welt
gegenüber, beäugen und analysieren
sich. Bei näherer Betrachtung exis-
tiert jedoch eine genaue Abgrenzung
genauso wenig wie “die Kunst” oder
“die Wissenschaft” in ihrer singulä-
ren Form. Vielmehr scheint es eine
Gewichtung verschiedener Wahrneh-
mungsmodi und Darstellungsformen
zu geben, die dem Forschen einen
stärkeren wissenschaftlichen oder
künstlerischen Charakter verlei-
hen. Werden in den künstlerischen
Dimensionen zumeist Erkennensgrö-
ßen über das unmittelbare Erfahren
des Jetzt und potentieller Ereignisse
ermöglicht (Ästhetik), beschreiben die
wissenschaftlichen Dimension ver-
mehrt das Erkennen durch reflexive
und retrospektive Betrachtungswei-
sen (Vernunft). Die Schnittflächen
und Transformationen in den Grenz-
bereichen der jeweiligen Wissensfor-
men sind jedoch groß und bergen das
Potential für ganzheitlichere Ansätze
in Kunst, Wissenschaft und Gesell-
schaft (Moral).
Vernunft
Kunst als Wissenschaft und Wis-
senschaft als Kunst. Die seit langem
tradierte Bindung des ungleichen Paa-
res wird in den letzten Jahren durch
die institutionelle Auseinanderset-
zung im Rahmen von Bologna auf
ein Neues diskutiert. Dabei steht vor
allem die Frage im Vordergrund, wie
Forschung im Allgemeinen und im
Besonderen an Kunsthochschulen ge-
staltet, etabliert und von Forschungs-
fördertöpfen finanziert werden kann.
Gemäß der gesellschaftlichen An-
forderung einer Wissensgesellschaft
wurde hierfür vor allem die Frage des
künstlerischen Wissens und Erken-
nens auf den Prüfstand gestellt und
in zwei unterschiedlichen Diskursen
wieder aufgegriffen:
Während in den Geistes-, Gesell-
schafts- und Wirtschaftswissenschaf-
ten schnellstmöglich künstlerisches
Wissen diskutiert und (wenn auch
etwas vorschnell) künstlerische
Praktiken interpretiert und imple-
mentiert wurden, sind vor allem die
Kunsthochschulen gegenüber dem
bisherigen Forschungsmonopol der
Universitäten in eine Art Legitimati-
onszwang geraten und subsumieren
unter dem Begriff der “künstlerischen
Forschung” Bestrebungen zur Objek-
tivierung und Bemessung von Kunst
und künstlerischer Praxis zur Einglie-
derung in den Wissenschaftsduktus.
Beide Systeme eint hierbei die kli-
scheehafte Implementierung des
Anderen, um den Arbeitsweisen einer
an kreativen Belangen ausgerichte-
ten Gesellschaft gerecht zu werden.
Bedient man sich jedoch weniger
dem Anderen als dem Fremden, als
vielmehr den gemeinsamen Denkhal-
tungen, so lässt sich mit dem “practi-
cal turn” und der Hinwendung zur
Kultur in den Kultur- und Geisteswis-
senschaften ein Verbündeter für das
Künstlerische und die künstlerische
Forschung finden. In den Vordergrund
strebt dann nicht mehr die Frage
nach dem richtigen System, sondern
vielmehr das Forschen als kulturelle
Praxis schöpferischen Tuns.
Es darf durchaus gefragt werden, wa-
rum wir weiterhin die geschichtlich
geprägte und in den Naturwissen-
schaften geteilte Objektivierbarkeit
von Erkenntnissen als vermeintlich
scharfe Trennlinie zwischen Kunst,
Wissenschaft und Gesellschaft anse-
hen. Forschende Kunst fängt genau
bei dieser Frage an. Anstatt sich für
einen Mangel an Wissenschaftlich-
keit zu rechtfertigen, tritt die Kunst
selbstbewusst innerhalb der Gesell-
schaft auf und zeigt, was sie leisten
kann. Sie forscht im Jetzt und bezieht
wissentlich und willentlich mensch-
liche Intuition und Irrationalität – die,
wenngleich zumeist ungewollt auch
Teil jeder wissenschaftlichen For-
schung sind – mit ein.
Ästhetik
Ästhetischen Denken und Handeln
eröffnet Wege, die sich mit klassi-
schen Mitteln wissenschaftlicher
Forschung nicht realisieren lassen.
Rein vernunftorientierte und zielfo-
kussierte Herangehensweisen lassen
das Ästhetische kaum in Erscheinung
treten, weil diese unterdrückten
Prozesse zunächst keinen Zweck
abbilden, abwegig, sinnlos oder sogar
kontraproduktiv wirken können.
Öffnet man sich jedoch der künstleri-
schen Wahrnehmung, setzt sich eine
ungeahnte Kraft frei.
Kunst stellt dann Fragen und liefert
Antworten für Bereiche, welche in
den Wissenschaften nur von speku-
lativen Zugängen der Geistes- und
Kulturwissenschaften randlich
berührt werden. Als gleichberechtig-
ter Denkstil kann das Künstlerische
ein Reflexionsmedium bieten, das im
Sinne der ästhetischen Dimension
gesellschaftliche, ökonomische und
wissenschaftliche Prozesse ge-
winnbringend zu erweitern scheint.
Das Kunstwerk als Produkt mahnt,
spiegelt und wirkt progressiv. Wenn
künstlerisch forschender Geist die
Welt durchdringt, wird die Bedeutung
dieser Praxis deutlich und entsteht
Wissen jenseits etablierter Methoden.
Forschende Kunst ist ein praktisches
Beispiel interdisziplinärer Forschung,
in welcher das Ästhetische als identi-
tätsstiftendes und reflexives Medium
grenzüberschreitend und intermedial
aus unterschiedlichen Perspektiven
Felder der Lebenswelt auslotet und
im schöpferischen Prozess nachhal-
tige Formen von Gesellschaft durch
künstlerische Mittel anregt.
Moral
Forschung hat nicht nur im Kontext
der Wissenschaften ihre Berechti-
gung, sondern ist im übergreifenden
Sinne ein praktischer Zugang auf
unterschiedlichen Ebenen. Ein Zugang
des Selbst zu sich, zu anderen und
zur Umwelt. Künstlerische Forschung
zeigt auf, dass Forschung dabei als
menschliches Bestreben zu deuten ist,
sich selbst und die Welt in ihren kom-
plexen Zusammenhängen zu untersu-
chen, zu verstehen und darzustellen.
Das grundlegende Ziel entspricht der
Erzeugung fortschreitender Erkennt-
nis als identitätsstiftendes Ereignis
und verhandelt zwischen der gewohn-
ten Eigen- und teilweise verloren
geglaubten Fremdwahrnehmung.
Entscheidend ist dabei die Offenheit
für vielfältige Begegnungen, welche
einerseits ein Weltverstehen ermög-
lichen und zum anderen ein Weltver-
stehen schaffen. Wer die gedachten
Grenzen seiner Wirklichkeit durch-
Wissenstransfer
Text: Sebastian Hillebrand, Bastus Trump
Schnittstellen zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft
24. 24 Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik Klang
bricht, wird hierbei nicht nur der Viel-
falt menschlichen Tuns und Handelns
bewusst, sondern auch der Wirkungs-
macht seiner eigenen Denkhaltung.
Dies birgt allerdings eine große
Gefahr, wenn nämlich die Kunst nun
nicht mehr nur ihre Produkte, son-
dern im dienstleisterischen Sinn auch
ihre Methoden anbietet. Bei allem
Potential, das sich in einer engeren
Kooperation von Wirtschaft, Wissen-
schaft und Kunst entfalten könnte,
bleibt es immer eine Gratwanderung,
ab wann eine zu starke Normie-
rung die notwendigen Bedingungen
künstlerischer Exploration im Keim
ersticken würde. Kreativität braucht
Freiheit, Offenheit und Vertrauen, um
ihre ästhetische Kraft zu entfalten.
Kunst-Aufstellung oder Aufstellungs-Kunst von Otmar Potjans und Christiane Weber im Rahmen der Ausstellung „Forschende Kunst: umwelten“
in der Zentrifuge, 2013
25. 25Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik Klang
Wir haben geforscht, gesucht,
erkannt, gefunden, verloren
– gefühlt – und dabei einen
kleinen Einblick in das
bekommen, was Musik und
Klang bewirken können.
Zu Beginn der Forschungsreise im
Projekt „Forschende Kunst 2: Musik
und Klang“ war meine Anforderung
zuerst, schnell ein konkretes For-
schungs-”Ergebnis“ entstehen zu las-
sen. Dies veränderte sich zunehmend,
da ich beobachten konnte – nicht
zuletzt bei mir selbst – dass Versuche,
Musik und Klang gezielt einordnen zu
wollen, eine Stagnation im Denken
entstehen ließ.
In solchen Phasen gab es aus der
Gruppe vereinzelt Impulse, sich pra-
xisorientiert ins „Selbst Klänge Erzeu-
gen“ zu begeben. Sobald sich ein sol-
cher „Praxis-Raum“ öffnete, begann
nach und nach ein Empfinden von
dem, was Musik und Klang sein und
ermöglichen kann. Der „Praxis-Raum“
konnte sich weiter zu einem „Wahr-
nehmungs-Raum“ öffnen, je mehr es
möglich wurde, Einschränkungen wie
Vorannahmen, Bewertungen, Zeit-
druck oder Scham zuzulassen. Um so
mehr sich Musik und Klänge in ihrer
Wirkung zeigen konnten, indem sich
die Teilnehmer darauf einließen bzw.
sich in die Musik hinein fallen ließen,
desto spürbarer wurde ein „Klang-
Raum“, der es ermöglichte, sich vom
Klang in ein Berührtsein tragen zu
lassen.
Es wirkte, als wäre es in einem sol-
chen „Klang-Raum“ durch Schritte,
wie: sich Einlassen, aktiv Zuhören,
Vorannahmen ziehen lassen, sich Zeit
geben, Stille aushalten, Vertrauen, bei
sich bleiben, … möglich, einen „Kre-
ativitäts-Raum“ entstehen lassen zu
können. Ob es sich in einem solchem
„Prozess“ noch um Musik handelt,
wurde im Projekt „Forschende Kunst
2: Musik und Klang“ unterschiedlich
bewertet und empfunden. Aus dieser
Erfahrung heraus ist es vielleicht
empfehlenswerter, Begriffe wie
„Klang“, „Geräusche“, „Laute“ o. ä. zu
verwenden.
Ein Zusammenspiel von Klängen,
Tönen, Geräuschen und Akteuren gibt
es als Audio-File unter zu hören unter:
https://soundcloud.com/michael-schels/
ausflug
Ein solches Zusammenspiel
(„Klang-Experiment“: Audio-File)
brachte bei den Teilnehmerinnen und
Teilnehmern u. a. Rückmeldungen,
wie: Diversität – Gemeinschaftliches
– Frei – Stolz – Berührt – Tatendrang
– Retrospektive – Sensibilisierung
– Neuer Zugang zu bisher Erlebtem –
Man spürt die Menschen, Emotionen,
Wesen im Raum – Überraschung, was
doch entsteht ohne vorheriges Kon-
zept – Beginnende Rhythmik – Freier
„Natur-Raum“, ….
Durch diese Erfahrung erscheint es
mir, als könne „Musik“ oder „ge-
meinsames Tönen“ Räume entstehen
lassen, in denen freie Wahrnehmung
und persönlich individuelles Spü-
ren ermöglicht wird. Dadurch, dass
während dieser Zeit so gut wie keine
Verbesserungs- oder Optimierungs-
versuche von Außen kommen und
sich Jede und Jeder somit auf seine
bzw. ihre ganz eigene unbewertete
Art ins Spüren, Fühlen und Wahr-
nehmen begeben kann, entsteht die
Möglichkeit, sich fallen zu lassen und
sich seinen eigenen Impulsen und
Interpretationen hinzugeben. Dies
schafft ungeahnte Ressourcen, aus
denen unbewusst und leicht etwas
Neues entsteht.
Auch beim Konsumieren von Musik
kann sich solch ein Zustand einstel-
len. Je mehr sich jemand Zeit nimmt,
sich auf Musik oder Klänge einzu-
lassen, desto weiter kann der eigene
Empfindungsraum werden. Es können
sich Empfindungswelten öffnen, die
man oft nur selbst erlebt und die ei-
nen tief berühren. Dies ist vermutlich
auch das Phänomen, wenn es nach
einem Konzert eine Weile dauert, bis
es zur Reaktion beim Zuhörer kommt.
Bis ein Händeklatschen im Saal hör-
bar wird, vergeht Zeit – Zeit, in der die
Zuhörer und Zuhörerinnen wieder im
Raum ankommen – aus ihren eigenen
Empfindungswelten zurückkehren in
den Konzertsaal, in dem sich nun der
Beifall langsam und stetig steigert.
Ein für mich in diesem Zusammen-
hang ebenfalls interessanter Gedanke:
Wenn Musik auf eine solche Art be-
rührt, gibt es fast keine Beschäftigung
außerhalb des Klangerlebnisses mehr.
Menschen unterschiedlicher Kulturen
und Gesellschaftsschichten – gemein-
sam im Raum – werden zu einem Pub-
likum. Sie nehmen sich nicht gegenei-
nander gerichtet wahr, sondern gehen
vielmehr gemeinsam auf Reisen. Jeder
ist für sich – in den unterschiedlichs-
ten Empfindungen – und dennoch
gemeinschaftlich in einem Raum.
Hier stört nur derjenige, der das
Eintauchen in die Empfindungs- und
Wahrnehmungswelt durch Husten,
Lautsein oder sonstige Unachtsamkeit
zu stören droht. Musik kann Räume
der Achtsamkeit entstehen lassen, in
denen scheinbar gewohnte Bewer-
tungen und Vorurteile in den Hinter-
grund treten. Musik kann Räume der
Freude und des Friedens öffnen.
Fast lässt sich vermuten, als könne
Musik verzaubern. Im positiven wie
im negativen Sinne ist dies vermut-
lich möglich. Musik kann dadurch
auch manipulativ sein. Diesen Gedan-
ken hier weiter auszuführen, bräuchte
einen eigenen Raum. Kurz und knapp:
Es lässt sich vermuten, dass eine
Abhängigkeit der Musik von z. B. wirt-
schaftlichen Faktoren auch ethisch
Bedenkliches entstehen lassen kann.
Musik kann stark berühren und
beeinflussen. Musik und Klänge
öffnen Türen. Je mehr wir uns darauf
einlassen, desto mehr können wir ins
Spüren und Wahrnehmen gelangen
und uns in einem ganz eigenen Be-
rührtsein wiederfinden. Musiker und
andere Künstler, welche die Sprache
und Wirkung von Musik und Klang
sprechen und nach Außen geben
können, bauen oftmals eine Brücke zu
dieser Begegnung in der Berührung.
Eine solche Art von Berührung, Wahr-
nehmen und Spüren kann uns Mut
und Zuversicht schenken – aber auch
abverlangen. Tief in uns kann sich ein
Fundament aufmachen, auf dem wir
uns wieder sicherer fühlen. Kennen
wir nicht auch Momente in unserem
Leben, in denen wir in unangeneh-
men Situationen Musik hören oder
selbst ein Liedchen pfeifen (wie im
Schlusslied zu Monty Pythons „Das
Leben des Brian – „Always Look on
the Bright Side of Life“).
Manche Menschen neigen dazu, durch
unterschiedlichste Verhaltensmus-
Musik –
Wahrnehmung und Spüren
Text: Michael Wolf
26. 26 Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik Klang
ter zügig aus dem Kontakt zu gehen,
wenn es um tiefe Berührung geht.
Musik, Klang und Ton als Begleiter
können einen solchen Zugang leichter
werden lassen. Ein Zugang, der die
Tür zum Herzen – zu sich selbst – zu
Geist und Seele öffnet. Für manche
Leserinnen oder Leser mag dies sehr
spirituell klingen – wenn wir jedoch
eine solche Bewertung ausklam-
mern, kennt dieses Gefühl doch der
eine oder andere aus seiner eigenen
Lebenserfahrung.
Findet deshalb Musik ebenso bei
therapeutischen Interventionen An-
wendung? Weil Töne und Klänge ein
Schlüssel sein können, sich berühren
zu lassen? Ich denke, ja. Sie ermögli-
chen durch ihre Stimmung und Wir-
kung einen Zugang zu ureigenen Ge-
fühlen – verankert tief in uns selbst.
Musik ermöglicht es, Emotionen zu
erzeugen, abzurufen, zu erinnern – je-
der wird durch etwas anderes berührt
(durch Musikstile, durch Stimmen,
durch Arten an Instrumenten, …).
Wenn man seine persönliche Art von
Berührung erfahren hat, geht ein
eigener Kosmos auf – eine Anbindung
an das Gesamte.
Wer diese Art von Wahrnehmung und
Spüren kennt, weiß, was ich versuche,
hier in Worte zu fassen. Wer diese
Art von tiefer Berührung bisher nicht
erfahren hat und wer Lust hat, möge
sich aufmachen: Musik, Töne und
Klänge können hoffentlich noch lange
Zeit wunderbar als Türöffner dienen.
Die Frage ist: Wie bin ich überhaupt
für eine tiefe Erfahrung bereit? Ein
Moment, an dem zu entscheiden ist:
Wollen wir wirklich spüren, fühlen –
oder wollen wir konsumieren?
Oder beides – ein Empfinden dafür
entwickeln, was genau, wann und
wofür als passend erscheint?
Die Teilnehmer-Runde am zweiten Tag des Workshops „Forschende Kunst 2 – Musik und Klang“ am 8. Februar 2014
27. 27Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik Klang
Alessandra Brisotto
Schriftstellerin,
Sprachlehrerin und
Kulturschaffende aus
Venezien. Während
des Studiums von
Literatur, Sprache, Phi-
losophie und Psychologie in Venedig
zieht sie nach Frankreich und einige
Jahre später nach Deutschland. Nach
vier Jahren in Köln lebt sie seit 2011
in Nürnberg. Hier hat sie „a casa –
Sprache und Kultur in Entwicklung“
gegründet.
www.a-casa-sprachschule.de
Marie Claude Ekotto
Dipl. Kauffr.- Univ.,
Wirtschaftswissen
schaftlerin, Unter
nehmens- und
Kanzleiberaterin;
Schwerpunkte:
Veränderungskultur, Interkulturelle
Kompetenz
www.culturcentermbyonbggrenoble.
jimdo.com
Sebastian Hillebrand
Dipl.Geogr. Sebastian
Hillebrand ist wissen-
schaftlicher Mitarbei-
ter am Lehrstuhl für
Kulturgeographie der
Universität Eich-
stätt-Ingolstadt. In seiner aktuellen
Forschertätigkeit widmet er sich den
Themen der Alternativen Ökonomie,
Politiken des Örtlichen, sowie der Rol-
le von Kunst und künstlerischer For-
schung im Bereich der Stadtentwick-
lung. Innerhalb dieser Themenfelder
arbeitet er an seiner Promotion zum
Thema: “Curating identities, curating
the new – place-based politics and
artistic in(ter)vention”.
www.ku.de/mgf/geographie/kultur-
geographie/das-team/hillebrand
Eric Juteau
Dirigent, Gründer
des Musikensembles
Artemusia, einem auf
die Interpretation von
Musikstücken aus dem
17. und 18. Jahrhundert
mit historischen Instrumenten spe-
zialisiertes Ensemble. In Deutschland
gründete Juteau das Orchester Kapella
19 mit Schwerpunkt auf klassische
und romantische Werke des traditio-
nellen Repertoires. Juteaus Focus liegt
in der historischen Aufführungspra-
xis und dabei auf der Ausarbeitung
und Differenzierung des Orchester-
klangs und der musikalischen Ästhe-
tik der Werkinterpretation.
www.kapella19.de
Otmar Potjans
Akteur und Moderator
des Wandels. Verant-
wortlicher Gestalter,
Vorantreiber und Um-
setzter von Entwick-
lungsprozessen. Otmar
Potjans hilft Unternehmern und
Unternehmen Neues zu entwickeln,
Möglichkeiten zu entdecken und Not-
wendiges in die Tat umzusetzen.
www.etwasverändern.de
Michael Schels
Diplom-Germanist/
Journalist univ.,
Kulturprojektemacher,
Texter, Lehrer für
Deutsch als Zweitspra-
che. Schwerpunkte:
Künstlerische Phänomene im ge-
sellschaftlichen Kontext, Philoso
phie, Netzwerke. Kommunikations-,
Koordinations- und Organisationsauf-
gaben für Kulturprojekte, Veranstalter
und Unternehmen.
www.kulturbuero-schels.de
Robert Schlund
Diplom-Kommunika
tionsdesigner FH
(Print- und Webdesign)
und fotografische
Umsetzungen. Bera-
tung in Designfragen,
Umsetzung in den Bereichen Konzept,
Gestaltung und Herstellung.
Künstlerisches Wirken: Musik-Pro-
duktion und -Improvisation, Sound-
design, Illustration, Foto-Manipulati-
on, Performance.
www.schlund-design.de
www.fotografie4u.de
Gabi Stauss
Eventmangerin
seit fast 20 Jahren
mit Schwerpunkt
Firmenveranstal
tungen, Incentives,
Teambuildung und
Stadtführungen.
www.staussevents.de
Bastus Trump
Diplom-Musikpäda
goge, M.A. sound
studies, Saxophonist,
Sound Designer, Mu-
sikforscher. Schwer-
punkt: Musiker-Com-
puter Interfaces
www.bastus.de
Michael Wolf
Gestaltung von
Ausdruck. Designer,
Künstler und Im-
pulsgeber. Analyse,
Reflexion, Beratung,
Betreuung, Coaching,
Design. Reflexion der Außendarstel-
lung von Unternehmen und Orga-
nisationen. Ideenmitentwicklung
in Firmen und mit Einzelpersonen.
Impulse zur Stimmigkeit von Aussage
und Wirkung in Ausdrucksform und
Erscheinungsbild.
www.grundgang.de
Ronald Zehmeister
Angewandte
Trend- und Zu-
kunftsforschung. 14
Jahre Erfahrung in
IT-Unternehmens
beratung und Organi-
sationsentwicklung. Marketing und
Vertrieb, Schwerpunkte: Prozessver-
besserung, Entwicklung von Human
Machine Interfaces (HMI). Master of
Business Administration (FOM Mün-
chen), Schwerpunkte: International
Sales Marketing Strategie; Integ-
ration von Zukunftsforschung in der
Strategieentwicklung.
www.sensing-system.de
Teilnehmer und Autoren
28. 28 Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik Klang
Essenzen
Die Arbeit in kulturell-gesell
schaftlichen Zusammenhängen
hat Fragen aufkommen lassen
und den Drang nach Erkenntnis
geschürt: Es geht uns um
ein
besseres Verständnis vom
Wert
unseres Tuns und damit um
die
Erhellung und Pflege kreativer,
schöpferischer Prozesse.
Anstatt sich für einen Mangel an
Wissenschaftlichkeit zu rechtfertigen,
tritt die Kunst (bei Forschende
Kunst) selbstbewusst innerhalb der
Gesellschaft auf und zeigt, was sie
leisten kann. Sie forscht im Jetzt
und bezieht wissentlich und
willentlich menschliche Intuition
und Irrationalität mit ein.
Musik ist vielleicht DIE Sprache
der Zukunft. Musik als künftige
Heimat des global zu sich und zur
Welt kommenden Menschen. Welt
als Musik.
Wir lernen bewusst wahrzunehmen,
erkunden die Dimensionen unseres
Denkens und Handelns und schärfen
unsere Urteilskraft. Derart geschult
wenden wir uns dem zu, was uns angeht
und was wir gestalten können. Wir
erfahren uns als schöpferische Wesen.
Die ästhetische Dimension ist ein
entscheidender Faktor bei erfolgreichenProdukten und Dienstleistungen –
ganz besonders in der langfristigen
Perspektive. Es lässt sich sogar die Theseaufstellen: Je ästhetischer ein Erzeugnis,umso nachhaltiger ist es. Dasselbe giltauch für Innovation.
Man darf von der Kreativität nichts
erwarten, damit sie kommen kann.
Sie kann die Menschen öffnen und
zusammenführen, Klarheit und
Gleichgewicht zwischen Verstand und
Gefühl schaffen und somit Identität
und nicht zuletzt den Teamgeist in
einem Unternehmen.
Der kreative Prozess wird ermöglichtdurch eine Vielzahl von Faktoren,die in unterschiedlichen Phasen mehroder weniger stark aufeinandereinwirken: Kompetenz, Offenheit (dieauch Austausch ermöglicht), Freiraum(physisch, wirtschaftlich, strukturell),Vertrauen (als Grundlage fürEntscheidungen und den Mut, diesezu treffen), Systematik (als Fähigkeitdes Sammelns, Filterns, Bewertens vonDaten, Informationen, Materialienetc.), Begeisterung (Herausforderungenerkennen und annehmen) undWahrnehmung (die auch Inspirationermöglicht).
Wir sehen das Projekt „Forschende
Kunst“ als einen Beitrag, um diese so
vielfältige Welt, die von uns Menschen inrasendem Tempo zerstört wird, vielleichtan elementarer Stelle zu heilen: Da, wodie Welt in der ästhetischen Erfahrungals Schöpfung zu sich und zu uns
kommt und in uns ein fühlendes,
anerkennendes, wenn nicht gar
liebendes Bewusstsein reifen lässt.
Der Kreative sucht nicht, sondern er
findet, indem er sich vornehmlich
in der Welt der Intuition und
des Unbewussten oder sogar des
Nicht-Wissens bewegt und für alles
Kommende offen ist.
29. Anfängergeist
Ruhe
Verspieltheit
Sensibilität
Geduld
Zuversichtlichkeit
Mut
Offenheit
Vertrauen
Selbstsicherheit
loslassen
Zuhören
Aufmerksamkeit
Stille
Konzentration
Gefühl
Leidenschaft
Unfertiges lassen
Kontrolle aufgeben
Chaos zulassen
positiv denken
wertfrei denken
Asthetik
Spontanität
Improvisation
Humor
Freude
Meditation
Achtsamkeit
Schweigen zulassen
nichts tun
Muße
Freiheit
Handeln
Veränderung
Neues
Ästhetik
Glück
Liebe
Toleranz
Verantwortung
Selbsterkundung
Nachhaltigkeit
veränderte Sicht
Lösung
Selbstbestimmung
Entwicklung
Planung
Perfektion
Ehrgeiz
Gier
Fremdbestimmung
Wut
Egoismus
ökonomisch
denken
negativ denken
Ignoranz
psychische Krankheit
Zorn
die Welt formen
Ökologie formen
Verantwortung schaffen
den Teamgeist stärken
die Mitte finden Entwicklung vorantreiben
Freude schaffen
Verstand und Gefühl ausbalancieren
Identität schaffen
Klarheit schaffen
Menschen öffnen
zusammenführen
29Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik Klang
Kreativität
Umschreibung von „Kreativität“ – Legende:
Was Kreativität voraussetzt Was Kreativität kann Was verantwortungsbewusste Kreativität schafft Wodurch Kreativität blockiert wird
30. 30 Dokumentation Forschende Kunst 2 – Musik Klang
Anhang
Workshop 1
am Samstag, den
21. Dezember 2013
Moderation: Otmar Potjans
Teilnehmer: Alessandra Brisotto, Marie
Claude Ekotto, Katharina Hillebrand,
Sebastian Hillebrand, Eric Juteau, Michael
Schels, Robert Schlund, Gabi Stauss,
Bastus Trump, Michael Wolf, Ronald
Zehmeister
Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus
Forschende Kunst 1 und mit der Methodik,
die sich dabei heraus gebildet hat, haben
wir den ersten Tag gestaltet:
Es ging zuerst darum, heraus zu finden,
welche Potenziale die Teilnehmer mitbrin-
gen und sich aufeinander einzustimmen.
Otmar Potjans moderierte bewusst sehr
zurückhaltend und die Teilnehmer waren
von Anfang an „im Prozess“. Die Ambi-
valenz und Offenheit, die wir zu Beginn
eines jeden „Forschende Kunst“ Prozesses
schaffen, wurde diesmal u.a. dadurch
erzeugt, dass wir keine Vorstellungsrunde
an den Anfang gestellt haben. Die Teilneh-
mer sollten sich während der Erkundung
unseres gemeinsamen Möglichkeits- bzw.
Spielraums erfahren, ohne bereits durch
personenbezogene Zuordnungen oder
(Selbst-) Beschreibungen voreingenommen
zu sein.
Der Austausch erfolgte sehr einfühlsam
und tastend – wir näherten uns der Situati-
on, unserem „Forschungsgegenstand“ – der
Musik und dem Klang – und einander an
– erforschten den Raum, unsere Stimmun-
gen, unsere Motivationen, unser Fühlen
und Denken und unsere Haltungen. Es war
ein fließendes Aufeinander-Einschwingen
– wir bewegten uns gemeinsam auf un-
bekanntem Terrain: Was bringen wir ein,
was wollen wir, welche Gedanken, Gefühle,
Erfahrungen, Wünsche, Vorstellungen
haben wir?
Dabei kreisten wir dem Anlass entspre-
chend um die Begriffe „Forschung“,
„Kunst“, „Musik“ und „Klang“. Wir waren
uns von Anfang an dessen bewusst, dass
wir uns in einem Prozess befinden, den wir
(noch) nicht verstehen. Das einzige, was
wir tun konnten, war möglichst bewusst
und achtsam zu sein. In einem mehrstün-
digen Dialog näherten wir uns im Laufe
des Tages einander an und es entstand ein
Gefühl von den vielfältigen Potenzialen in
jedem und jeder von uns. Die Gespräche
hatten eine große Dynamik und wechsel-
ten von abstrakten Betrachtungen über
Ästhetik und Wissenschaft über kreative
und auch humorvolle Phasen, bei denen
wir z.B. spielerisch mit der Stimme und
dem Körper musizierten, bis hin zu stillen
Momenten, in denen wir gemeinsam über
mehrere Minuten schwiegen. Die Zentri-
fuge (der Raum um uns und zwischen uns)
wurde zu einem spürbaren Energiefeld, das
uns Freiheit und Verbundenheit schenkte:
Wir befanden uns in einem im wahrsten
Sinne des Wortes „ästhetischen Raum“,
dem wir uns anvertrauen konnten und in
dem alles (fast) wie von allein geschah.
Jeder von uns war Teil eines größeren
Ganzen. Es war ein praktisches Erfor-
schen unserer Wahrnehmungen, unseres
Bewusstseins und unserer Möglichkeiten.
Es war forschende Kunst. Jeder durfte dabei
sich und die anderen als Forscher und als
Künstler erfahren – als fühlende, denken-
de, vorstellende und schöpferische Wesen,
die gemeinsam die Welt erkunden und
diese gestalten.
Zum Ausklang und zur Einstimmung auf
den folgenden Workshop am 8. Februar
2014 verwies Michael Schels abschließend
auf einen Text von Peter Sloterdijk: „La
musique retrouvée“, in: „Der ästhetische
Imperativ“, Europäische Verlagsanstalt,
Hamburg 2007
Workshop 2
am Samstag, den
8. Februar 2014
Moderation: Otmar Potjans
Teilnehmer: Alessandra Brisotto, Marie
Claude Ekotto, Katharina Hillebrand,
Sebastian Hillebrand, Eric Juteau, Michael
Schels, Robert Schlund, Gabi Stauss,
Bastus Trump, Michael Wolf, Ronald
Zehmeister
Videoaufnahmen: Philip Chrobot
Der zweite Workshop leitete als Fortfüh-
rung des ersten und als Hinführung zum
dritten Workshop den Übergang vom Allge-
meinen zum Besonderen, vom Abstrakten
zum Konkreten ein. Der Möglichkeitsraum
wurde nochmals in seiner ganzen Offen-
heit und Unbestimmtheit erfahren, der
freie Gedankenaustausch wurde gepflegt
und kam dabei unverkennbar auch an
seine Grenzen: Die im ersten Workshop
bewusst hergestellte Ambivalenz wirk-
te deutlich nach und nahm noch zu – es
wurde eine starke Verunsicherung spürbar
in Bezug auf die Aufgaben und Ziele des
Projekts. Angesichts der Ungewissheit
drängten sich Fragen auf und wurden ex-
plizit: Was genau erforschen wir eigentlich,
wie nähern wir uns unserem Gegenstand
an und zu welchem Ergebnis wollen wir
kommen? Was hat das eigentlich mit Kunst
zu tun?
A) Protokolle der Workshops zu Forschende Kunst 2:
Musik und Klang
Text: Michael Schels