1. Sportwettenrecht aktuell
Newsletter zum Recht der Sportwetten, Glücksspiele
und Gewinnspiele
Nr. 126 vom 20. März 2012
Sonderausgabe Änderungsstaatsvertrag:
Weitere Stellungnahme der Europäischen Kommission zum Glücksspiel-
Änderungsstaatsvertrag: Keine Billigung, keine Verdammung, S. 2
Pressemitteilungen:
Lotto informiert: Grünes Licht für Glücksspieländerungsstaatsvertrag – EU-Kommission
billigt gemeinsamen Weg der Länder, S. 7
Betfair: EU-Kommission weist Glücksspielstaatsvertrag erneut zurück - Kommission
behält sich Vertragsverletzungsverfahren vor, S. 8
Landesregierung Rheinland-Pfalz: Glücksspieländerungsstaatsvertrag -
Ministerpräsident begrüßt positives Votum aus Brüssel, S. 10
Deutscher Lottoverband: Glücksspieländerungsstaatsvertrag: Ministerpräsident Kurt
Beck täuscht Öffentlichkeit und Landtage, S. 11
JAXX SE: Stellungnahme der EU-Kommission besiegelt Aus für
Glücksspielgesetzentwurf der 15 Bundesländer, S. 14
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Sportwettenrecht akt uell - Nr. 126 ISSN 1613-4222 Seite 1
2. Breaking News:
Stellungnahme der Europäischen Kommission zum
geplanten Glücksspielstaatsvertrag
Weitere Stellungnahme der Europäischen Kommission zum
Glücksspiel-Änderungsstaatsvertrag: Keine Billigung, keine
Verdammung
eine Kurzanalyse von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Selten ist ein diplomatisch formulierter juristischer Text so unterschiedlich und
interessengeleitet interpretiert worden wie die Stellungnahme der Europäischen
Kommission v om 20. März 2012 zu dem überarbeiteten Entwurf für einen neuen
Glücksspielstaatsvertrag. So bezeichnete der rheinland-pfälzische Ministerpräsident
Beck das Schreiben als ein „positives Votum“ und die bisherigen Monopol-
unternehmen, zusammengeschlossen in dem Deutschen Lotto- und Totoblock
meinten, dass die Kommission „grünes Licht“ gegeben habe. Das private
Glücksspielunternehmen JAXX sah dagegen das „Aus für den Glücksspielgesetz-
entw urf“ und die Zeitschrift E-Gaming Review EGR bezeichnete die Stellungnahme
als “damning letter“ („EC slams German State Treaty proposals“).
Beide Seiten liegen aus meiner Sicht falsch. Die Kommission beurteilt den Entwurf
keineswegs als problemlos, sondern äußert durchaus erhebliche Bedenken. Von
einem Durchwinken und „positiven Votum“ kann nicht die Rede sein. Andererseits ist
der Glücksspielstaatsvertrag politisch gesehen auch nicht endgültig tot, auch wenn
Nachbesserungen erforderlich sind.
1. Hintergrund
Um das Schreiben der Kommission richtig einzuordnen, sollte man sich zunächst kurz
das bereits seit fast einem Jahr dauernde Notifizierungsverfahren und dessen Struktur
anschauen.
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3. Der erste Entwurf für einen Änderungsstaatsvertrag zu dem zum Jahresende 2011
ausgelaufenen Glücksspielstaatvertrag w urde am 15. April 2011 der Europäischen
Kommission notifiziert. Diese formliche Mitteilung ist für technische Regelungen bei
sog. Diensten der Informationsgesellschaft (Information Society Services), vor allem
Internetdienstleistungen, vorgesehen und in der Richtlinie 98/34/EG geregelt. Es
handelt sich somit nicht um eine umfassende europarechtliche Prüfung. Die
Kommission kann auch den Sachverhalt innerhalb des engen Zeitrahmens
(Stellungnahme in der Regel innerhalb von drei Monaten, Verlängerung bei einer
ausführlichen Stellungnahme eines anderen Mitgliedstaats, w ie etwa Malta bei der
ersten Notifizierung) nicht weiter klären, sondern ist auf die Angaben des
notifizierenden Mitgliedstaats angewiesen.
Nicht geprüft und erst recht nicht gebilligt hat die Kommission den aufgrund der sehr
kritischen ersten Stellungnahme er Kommission überarbeiteten Entwurf hinsichtlich der
nach der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Kohärenz und
Konsistenz glücksspielrechtlicher Regelungen. Hinsichtlich der bisherigen Regelungen
in Deutschland ist der EuGH in seinen Urteilen vom 8. September 2010 zu mehreren
deutschen Sportwetten-Vorlageverfahren von einer Unvereinbarkeit mit Europarecht
ausgegangen. Diese I nkohärenz ist bislang nicht beseitigt, sondern durch das am 1.
Januar 2012 in Kraft getretene schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz weiter
verschärft worden.
Aus dem Umstand, dass die Kommission nur wenig zu nicht-technischen Regelungen,
wie etwa die vorgesehene Steuerreglung ausführt, heißt nicht, dass diese von der
Kommission gebilligt werden (so etwa eine Fehlinterpretation des Deutschen Lotto-
und Totoblocks zur ersten Stellungnahme der Kommission vom 18. Juli 2011). Auch ein
Abschluss des Notifizierungsverfahrens bedeutet nicht, dass die Kommission die
Neuregelung nicht anschließend umfassend in einem Vertragsverletzungsverfahren
überprüft, w ie sie dies bereits hinsichtlich des ausgelaufenen
Glücksspielstaatsvertrags gemacht hat. Am Ende der weiteren Stellungnahme hat
sich die Kommission ausdrücklich die Durchführung eines derartigen Vertrags-
verletzungsverfahrens vorbehalten.
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4. 2. Der Änderungsstaatsvertrag
Gegenstand der Notifizierung ist der Entwurf eines – so der offizielle Titel „Ersten
Staatsv ertrags zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in
Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag - Erster GlüÄndStV)“. Die
deutschen Länder (außer Schleswig-Holstein) wollen damit das für ihre
Staatseinnahmen w ichtige Monopol für Lotterien aufrecht erhalten und dafür das
rechtlich nicht mehr haltbare Monopol für Sportwetten aufgeben. Für Wetten soll ein
Lizensierungssystem eingeführt werden. Während in dem am 15. April 2011 zunächst
notifizierten ersten Entwurf eine Anzahl von sieben Lizenzen genannt war, sind
nunmehr 20 Lizenznehmer vorgesehen. Auch der zunächst vorgesehene, für Wetten
extrem hohe Steuersatz von 16 2/3% im ersten Entwurf wurde nunmehr auf 5% des
Wetteinsatzes reduziert (w as im internationalen Vergleich weiterhin sehr hoch ist). Der
Höchsteinsatz wurde von EUR 750,- im Monat auf EUR 1.000,- angehoben.
In ersten Entwurf war vorgesehen, dass in Deutschland zugelassene Spielbanken
auch online Casinospiele und Poker anbieten konnten. Diese von der Kommission als
diskriminierend beurteilte Möglichkeit ist in der Neufassung nicht mehr vorgesehen.
Online-Casinospiele und -Poker sind (anders als die Regelung in Schleswig-Holstein)
laut dem Entw urf weiterhin verboten.
3. Die Stellungnahme der Kommission
Die Stellungnahme ist – w ie bei Notifizierungsverfahren üblich – in eine Stellungnahme
zu den technischen Regelungen („Detailed Opinion“ unter Ziff. 1) und weiteren
Anmerkungen („Comments“ unter Ziff. 2) aufgeteilt.
Die Kommission lobt zunächst die oben dargestellten Verbesserungen zu der von ihr
in der ersten Stellungnahme kritisierten ersten Fassung des Änderungsstaatsvertrags.
Sie führt aus, dass europarechtlich grundsätzlich ein Konzessionssystem zulässig ist,
verweist dann jedoch auf die Geeignetheits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung
entsprechend der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH. I m Übrigen hält die
Kommission fest, dass das Lizensierungsverfahren in transparenter und nicht-
diskriminierender Weise durchzuführen ist. Die bisherigen Anbieter und die neuen
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5. Lizenznehmer müssen den gleichen Bedingungen unterliegen (v gl. hierzu Arendts,
Costa-Urteil: Europäischer Gerichtshof verschärft Anforderungen an die Vergabe von
Glücksspielkonzessionen, Sportwettenrecht aktuell Nr. 125, S. 2 ff.).
Die Kommission hinterfragt, ob aufgrund des kumulativen Effekts der
einschränkenden Regelungen eine wirtschaftlich tragfähige Grundlage für die
Lizenznehmer gegeben ist. Aufgrund der ihr von Deutschland zur Verfügung
gestellten Informationen sieht sich die Kommission außerstande, die wirtschaftliche
Tragfähigkeit zu beurteilen.
Hinsichtlich des Verbots von Online-Casinospielen und Online-Poker verweist die
Kommission auf die einschlägige EuGH-Rechtsprechung, nach der insbesondere die
Kriminalitätsbekämpfung eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen
kann. Diesbezüglich kritisiert die Kommission, dass hierfür keine hinreichende
Datengrundlage vorgelegt w urde. So müsste Deutschland nachweisen, dass es sich
bei der Kriminalitäts- und Spielsuchtbekämpfung um ernsthafte Probleme handele
und das Internetverbot bestimmter Spiel geeignet ist, diese Probleme zu lösen.
Aufgrund der bislang vorgelegten Informationen sieht sich die Kommission
außerstande, die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme zu
beurteilen.
Abschließend weist die Kommission darauf hin, dass weitere Regelungen (etwa in
den Ausführungsgesetzen zum Glücksspielstaatsvertrag) ebenfalls zu notifizieren sind,
soweit technische Regelungen im Sinne der Richtlinie 98/34/EG betroffen sind.
4. Ausblick
Die Länder sind weit hinter ihrem Zeitplan. Ein Inkrafttreten des neuen
Glücksspielstaatsvertrags zum 1. Juli 2012 dürfte aus meiner Sicht nicht machbar sein.
So sind drei Lesungen in den Länderparlamenten (mit einer politischen Diskussion)
erforderlich, während in den nächsten Monaten mehrere Landtagsw ahlen anstehen.
Europarechtlich kommt es auf die Sach- und Rechtslage im gesamten Gebiet des
Mitgliedstaats an. Auf unterschiedliche Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen
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6. Bundes- und Landeebene kann sich ein Mitgliedstaat nicht berufen. Daher müsste,
wenn man tatsächlich mit dem Glücksspielstaatsvertrag weiter machen w ill, eine
umfassende kohärente und systematische Regelung auf Bundes- und Länderebene
gefunden werden. Hierzu müssen die durch Bundesgesetz geregelte Pferdewetten
sowie Geldspielgeräte in ein einheitliches Regelungssystem eingepasst werden. Auch
müsste Schleswig-Holstein sich einer einheitlichen Regelung anschließen. Die
Schaffung eines kohärenten und in sich konsistenten Regelungssystems – wie vom
EuGH gefordert – ist bislang nicht absehbar.
Unabhängig von der rechtlichen Regelung müsste auch die Praxis sich grundlegend
ändern. Davon ist derzeit nicht auszugehen. So ist es europarechtlich schlichtwegs
nicht haltbar, ein staatliches Monopol für Lotterien mit der Suchtbekämpfung zu
begründen, während man mit dem neu eingeführten Angebot „Eurojackpot“ (mit
Höchstgewinnen bis EUR 90 Millionen) erhebliche zusätzliche Einnahmen generieren
will.
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7. Pressemitteilungen
Lotto informiert: Grünes Licht für Glücksspieländerungsstaatsvertrag
– EU-Kommission billigt gemeinsamen Weg der Länder
Die EU-Kommission hat im Rahmen der Notifizierung am 20. März 2012 schriftlich zum
Glücksspielstaatsvertrag Stellung genommen und den Entw urf der 15 Länder
gebilligt.
Der Federführer des Deutschen Lotto- und Totoblocks, Erwin Horak, kommentierte:
"Die EU-Kommission gibt dem Glücksspielstaatsvertrag der 15 Länder grünes Licht.
Damit gibt es jetzt für Schleswig-Holstein die Möglichkeit, dem Staatsv ertrag der 15
Länder beizutreten, um mit einem einheitlichen Glücksspielrecht in Deutschland
fortzufahren. Jetzt liegt der Ball im Feld v on Schleswig-Holstein."
Die wesentlichen Punkte im Einzelnen:
Die Kommission hatte in ihrer ersten Stellungnahme vom 18. Juli 2011 Bedenken
hinsichtlich der Zahl der Sportwettenkonzessionen und des Steuersatzes. Die Länder
haben daraufhin die Zahl der Konzessionen auf 20 erhöht und den Steuersatz auf 5
Prozent gesenkt. Die Kommission begrüßt nun diese Änderungen und erkennt die
Möglichkeit der Länder an, die Zahl der Konzessionen zu begrenzen. Sie macht die
Länder darauf aufmerksam, dass die Ausschreibung gemäß EU -Recht verlaufen
möge und begrüßt, dass die Zahl der Konzessionen in die Ev aluierung einbezogen
werden soll.
Die Kommission erkennt die Entscheidung der Länder, Online-, Casino-, und Poker-
Games zu verbieten, als grundsätzlich möglich an und bittet die Länder, dies im
Rahmen der Evaluierung mit mehr Daten und Informationen zu begründen. Die
Kommission betont in diesem Zusammenhang noch einmal die Bedeutung der
Ev aluierung und begrüßt, dass diese von den Ländern nach zw ei Jahren
angekündigt sei.
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8. Weitere untergeordnete Punkte sind nach Angaben des Federführers des Deutschen
Lotto- und Totoblocks:
- Die Kommission begrüßt die Klarstellung, dass die Ausschreibung transparent und
nicht diskriminierend verlaufen soll
- Die Kommission begrüßt, dass ein physischer Wettshop / eine Geschäftsstelle nicht
mehr Bedingung für eine Lizenz ist
- Die Kommission begrüßt, dass auch derzeit legale Anbieter eine neue Lizenz
beantragen müssen
- Die Kommission begrüßt, dass das Zulassungsverfahren für Lotterievermittler
gebündelt (eine Behörde für 16) möglich ist
- Die Kommission begrüßt den flexiblen Ansatz bei der finalen Festlegung der
Einsatzbeschränkungen (1000 Euro pro Monat je Lizenz)
- Die Kommission bittet die Länder, die geplanten Werberichtlinien der Kommission
zur Kenntnis zu senden
- Die Kommission bittet die deutschen Behörden um I nformation hinsichtlich der
anstehenden Regulierungsnovellierung bei den Spielautomaten in Spielhallen -
anerkennend, dass die Länder die Spielhallen in den Staatsvertrag aufgenommen
haben - dies alles im Kontext der Frage der Kohärenz der Regelungen
- Die Kommission erachtet laut Schreiben mit der Stellungnahme die Notifizierung als
abgeschlossen an
Quelle: Deutscher Lotto- und Totoblock (DLTB)
_________________
Betfair: EU-Kommission weist Glücksspielstaatsvertrag erneut
zurück - Kommission behält sich Vertragsverletzungsverfahren vor
Der erst im Dezember von 15 Ministerpräsidenten (mit Ausnahme Schleswig-Holsteins)
unterschriebene Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) wurde von der EU -
Sportwettenrecht akt uell - Nr. 126 ISSN 1613-4222 Seite 8
9. Kommission erneut gerügt. Die Länder, so die EU -Kommission, haben nicht dargelegt,
wie sie die Vorgaben des EU -Rechts und des Europäischen Gerichtshofs einhalten
wollen. In vielen Bereichen meldet die Kommission weiteren Prüfungsbedarf an und
fordert die Länder auf, weitere Informationen zu liefern. Von der von den 15 Ländern
erhofften "abschließend positiven Stellungnahme" kann keine Rede sein.
Juliane Hilf, Partnerin bei Freshfields Bruckhaus Deringer, sagte dazu:
"Der diplomatisch formulierte Text kann nicht über die deutliche Kritik der Kommission
hinw egtäuschen, dass die Länder entgegen der EuGH-Rechtsprechung nach wie vor
keine Nachweise für die geplanten Beschränkungen der Grundfreiheiten geliefert
haben. Bevor auch die Regelungen auf Bundesebene im Rennwettlotteriegesetz
und zu den Automatenspielen nicht geändert werden, sieht sich die Kommission
außer Stande, eine abschließende Einschätzung abzugeben. Besonders
bemerkenswert ist die von der Kommission ausdrücklich betonte Möglichkeit, ein
Vertragsverletzungsverfahren einleiten zu können. Bevor die Regelungen des Entwurfs
des Staatsvertrages durch die Landtage ratifiziert werden, sollten diese nochmals
einer eingehenden juristischen Prüfung unterzogen werden, um das rechtliche Risiko
zu minimieren."
Peter Reinhardt, Zentraleuropachef von "Betfair", bewertete die Stellungnahme der
EU-Kommission wie folgt:
"Die Kommission hat richtig erkannt, dass die w irtschaftliche Tragfähigkeit der
geplanten Regulierung weiterhin höchst fraglich ist. Es überrascht uns nicht, dass der
geplante Glücksspielstaatsvertrag der 15 Ministerpräsidenten von der EU-Kommission
gerügt wird; schließlich w urde die bereits im Juli 2011 geäußerte Kritik der EU bei der
Überarbeitung des GlüÄndStV fast vollständig ignoriert: Die Erhöhung der geplanten
Lizenzen von 7 auf 20 Lizenzen bleibt noch immer w illkürlich. Das gew ählte
Besteuerungsmodell einer Spieleinsatzsteuer sow ie die Begrenzung der Spieleinsätze
auf 1.000 Euro pro Monat erlauben es privaten Anbietern nicht, international
konkurrenzfähige Angebote zu liefern. Zudem erschwert das umständliche
Lizenzierungsverfahren privaten Anbietern die Zulassung, w ährend die ehemaligen
staatlichen Monopolisten ohne Prüfung sofort am Markt aktiv werden dürfen.
Der Entwurf der 15 Bundesländer steht damit vor dem Aus. Allerdings existiert mit dem
bereits von der EU-Kommission befürworteten Glücksspielgesetz von Schleswig-
Holstein eine rechtskonforme Alternative. Anstatt sich weiterhin an dem erneut
Sportwettenrecht akt uell - Nr. 126 ISSN 1613-4222 Seite 9
10. kritisierten Modell festzuklammern, bleibt kaum eine andere Option, als sich nun dem
Schleswig-Holsteinischen Weg anzuschließen. Andernfalls dürften Klagen vor dem
EuGH und ein Vertragsverletzungsverfahren unausweichlich sein.
Das in Schlesw ig-Holstein bereits gültige und EU -konforme Gesetz zeigt, w ie es geht.
Neben Betfair bewerben sich dort aktuell auch v iele andere Anbieter von
Onlineglücksspielen für eine Lizenz – und das Land profitiert bereits jetzt dav on: So
engagiert sich Betfair zum Beispiel als Sponsor der Kieler Woche und holt mit der
"MOD 70 European Tour 2012" eine der bedeutendsten Segelregatten der Welt nach
Kiel."
___________________
Landesregierung Rheinland-Pfalz:
Glücksspieländerungsstaatsvertrag - Ministerpräsident begrüßt
positives Votum aus Brüssel
Ministerpräsident Beck begrüßt das positive Votum aus Brüssel. Die EU-Kommission hat
heute mitgeteilt, dass sie keine Bedenken mehr gegen den unter Federführung von
Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ausgehandelten Glücksspieländerungs-
staatsvertrag hat. Der Weg zur Neuordnung des Glücksspieländerungsstaatsvertrags
sei jetzt frei, sagte Ministerpräsident Kurt Beck.
Beck forderte seinen schleswig-holsteinischen Amtskollegen Ministerpräsident
Carstensen auf, w ie zugesagt, dem schleswig-holsteinischen Landtag zu empfehlen,
den von Schleswig-Holstein eingeschlagenen Sonderweg aufzugeben.
Die Kommission hat die Änderungen bei der Experimentierklausel für Sportwetten
(höhere Zahl der Konzessionen, geringere Abgabensatz) begrüßt. Sie bezeichnet die
dabei verfolgten Ziele (Bekämpfung des Schwarzmarktes, der Glücksspielsucht und
von Kriminalität) als überragende Gründe des Allgemeinwohls, die geeignet sind,
solche Beschränkungen zu rechtfertigen. Sie erwartet eine transparente und
diskriminierungsfreie Vergabe der Konzessionen und lobt die nach dem Staatsvertrag
mögliche Anpassung der Zahl der Konzessionen w ie der zulässigen Höchsteinsätze.
Sie begrüßt die begleitende Evaluierung und die von den Ländern angekündigte
Vorlage erster Ergebnisse nach zwei Jahren.
Zum Thema Spielbanken und Poker im I nternet hebt die Kommission hervor, dass
Sportwettenrecht akt uell - Nr. 126 ISSN 1613-4222 Seite
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11. nach der Rechtsprechung des EuGH ein solches Verbot als geeignet zum Schutz der
Spieler und Jugendlichen sowie der Allgemeinheit angesehen werden kann, auch
wenn die gleichen Glücksspiele zu Lande angeboten werden. Sie mahnt allerdings
spezifische Daten zum Ausmaß der Kriminalitätsbelastung und Spielsuchtgefährdung
durch diese Spiele in Deutschland an. Auch in diesem Zusammenhang betont sie die
Notwendigkeit einer Evaluierung und begrüßt die Vorlage erster Ergebnisse nach
zw ei Jahren.
Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder hatten bereits im
Dezember 2011 zum Ausdruck gebracht, dass sie die Auffassung der EU-Kommission
teilen, dass die Öffnung des Sportwettmarktes mit Hilfe einer zeitlich befristeten
Experimentierklausel kontinuierlich zu ev aluieren ist. Zwei Jahre nach Inkrafttreten des
Änderungsstaatsvertrages wird ein erster Zwischenbericht vorgelegt.
Die Regierungschefinnen und Regierungschefs von 15 Ländern hatten am 15.
Dezember 2011 den Glücksspieländerungsstaatsvertrag unterzeichnet. In einer
Protokollerklärung hatten sie ihre Absicht erklärt, den Staatsvertrag erst nach
Vorliegen der von der EU -Kommission angekündigten, abschließend positiven
Stellungnahme im Notifizierungsverfahren den Landtagen zur Ratifikation zuzuleiten.
Der unterzeichnete Glücksspieländerungsstaatsvertrag w ird nach Ratifizierung in den
Länderparlamenten am 1. Juli 2012 in Kraft treten.
Quelle: Land Rheinland-Pfalz - Die Landesregierung
_______________
Deutscher Lottoverband: Glücksspieländerungsstaatsvertrag:
Ministerpräsident Kurt Beck täuscht Öffentlichkeit und Landtage
Lottoverband warnt vor vorsätzlich falscher Interpretation der Stellungnahme der EU -
Kommission
Hamburg 20.03.2012 – In einer soeben veröffentlichten Presseinformation "begrüßt"
Ministerpräsident Kurt Beck das "positive Votum aus Brüssel". Damit kann er kaum das
heute bei ihm eingegangene Schreiben der EU-Kommission gemeint haben. Denn
das bescherte ihm eine Niederlage, die kaum gravierender hätte ausfallen können.
Dass eine Staatskanzlei die negative Stellungnahme der Kommission jetzt fälschlich
Sportwettenrecht akt uell - Nr. 126 ISSN 1613-4222 Seite
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12. als Zustimmung zum unterschriebenen Staatsvertrag uminterpretiert, bestätigt, dass
dahinter taktisches Kalkül steckt.
In der Tat hat die EU-Kommission die 15 Bundesländer in ihrer heutigen
Stellungnahme diplomatisch, aber sehr bestimmt in mehreren Punkten kritisiert:
- Die Stellungnahme der Kommission ist keine "abschließend positive Stellungnahme"
(eine solche Stellungnahme haben die übrigen Länder zur Voraussetzung gemacht,
um den Ratifikationsprozess in den Landtagen einzuleiten).
- Die Kommission kann Gesamtkohärenz des GlüÄndStV noch nicht beurteilen (dazu
müssen alle glücksspielrechtlichen Vorschriften, also auch Bundesrecht zu
Pferdewetten und Automatenspielen, geändert und notifiziert werden).
- Der Abschluss des Notifizierungsverfahrens bedeutet nicht automatisch, dass die
notifizierte Regelung unionsrechtskonform ist, und schließt die spätere Einleitung eines
Vertragsverletzungsverfahren gegen den GlüÄndStV nicht aus.
- Die Kommission fordert erneut eine Erklärung dafür, w arum gewerbliche
Spielvermittler insgesamt 32 Einzelerlaubnisse für eine bundesweite Tätigkeit einholen
müssen (Sportwettenlizenzen und Erlaubnisse für Klassenlotterie-Einnehmer gelten
dagegen bundesweit).
- Die Kommission weist erneut darauf hin, dass Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit
von Beschränkungen für Sportwettenlizenzen (begrenzte Lizenzanzahl, Einsatzlimits,
Werbebeschränkungen und -verbote) nachgewiesen werden müssen.
- Die Kommission erinnert mehrfach daran, dass Erlaubnisverfahren transparent und
nichtdiskriminierend ausgestaltet sein müssen und bestehende (= staatliche) Anbieter
nicht bevorzugt werden dürfen.
- Die Kommission kann nicht einschätzen, ob die sehr restriktiven Lizenzbedingungen
ein w irtschaftlich tragfähiges legales Glücksspielangebot in Deutschland
ermöglichen (das ist Voraussetzung für die Geeignetheit des Lizenzsystems).
- Kein Nachweis v on besonderen Geldwäsche- und Suchtgefahren bei Online-
Kasinospielen und Poker.
Sportwettenrecht akt uell - Nr. 126 ISSN 1613-4222 Seite
12
13. - Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit des Totalverbots für Online-Kasinospiele und
Poker wurden nicht nachgewiesen.
- Werberichtlinien sollen zur Überprüfung eingereicht werden, sobald diese erstellt
sind.
- Die Kommission erinnert die Länder erneut an ihre weiter bestehenden
Notifizierungspflichten (z.B. in Bezug auf Ausführungsgesetze zum GlüÄndStV).
- Die Kommission fordert die Länder mehrfach zur zeitnahen Evaluierung des
GlüÄndStV auf, die Ergebnisse sind der Kommission mitzuteilen.
Um eine "abschließend positive Stellungnahme" aus Brüssel zu erhalten, müssen die
Länder den Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüAndStV) und die weiteren
Gesetze, die für eine konsistente Lösung erforderlich wären, dort zunächst formell
einreichen. Dies ist bislang noch überhaupt nicht geschehen. Die Europäische
Kommission nimmt in ihrem heute veröffentlichten Schreiben daher lediglich Stellung
zu einem Schreiben der Bundesländer aus dem Dezember vergangenen Jahres. Sie
betont, dass ihr für eine Beurteilung der Ausgewogenheit noch nicht einmal alle
maßgeblichen Vorschriften vorgelegt worden sind, geschweige denn Nachweise
zum Ausmaß der mit dem GlüÄndStV bekämpften Gefahrensituation. Eine offizielle
Nachnotifizierung würde wohl das vorzeitige Aus für den neuen Staatsvertrag
bedeuten.
Pressemitteilung des Deutschen Lottoverbands
Sportwettenrecht akt uell - Nr. 126 ISSN 1613-4222 Seite
13
15. Bedingungen attraktiv genug sind, um Lizenznehmer zu gewinnen. Weiterhin fehlen
ihr schlüssige Begründungen für das Verbot von Online-Poker und Online-Casinos.
Auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember 2011 stellten alle Länderchefs ihre
Zustimmung zum umstrittenen Staatsvertrag und dessen Weiterleitung an die
Länderparlamente zur Ratifizierung unter die Bedingung, dass die EU -Kommission das
Notifizierungsverfahren mit einer abschließend positiven Stellungnahme beendet.
Diese Voraussetzung konnte nicht erfüllt werden.
Die Zeit für die 15 Länder w ird nun knapp. Seit Anfang des Jahres gilt der alte
Glücksspielstaatsvertrag nicht mehr. Nur die alten Ausführungsgesetze wurden
verlängert. Allein in Schleswig-Holstein, wo seit dem 1. Januar 2012 ein fortschrittliches
und EU-konformes Glücksspielgesetz in Kraft ist, laufen sich Unternehmen w ie mybet
warm, um mit einer Nord-Lizenz Sportwetten, Casino und Poker anzubieten.
Mathias Dahms, Vorstandssprecher der JAXX SE: "Wir haben für die mybet den
Lizenzantrag in Kiel eingereicht und freuen uns darauf, demnächst wieder in
Deutschland durchstarten zu können. Den anderen Ländern empfehlen w ir
dringend, einen Blick ins schleswig-holsteinische Gesetz zu werfen: das ist zeitgemäß,
es entspricht europäischen Standards und ist vor allem mit einer abschließend
positiven Stellungnahme von der EU-Kommission geadelt."
Pressemitteilung der JAXX SE vom 20. März 2012
Sportwettenrecht akt uell - Nr. 126 ISSN 1613-4222 Seite
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