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Dr. Volker Lilienthal
(Augstein-Stiftungsprofessur
an der Universität Hamburg [ab 1.7.09])


        Qualitätsjournalismus vor neuen Herausforderungen

       Prekäre Finanzierungsmodelle und die Infiltration von PR


Der Aktivitätsgrad deutscher Parteien in der Medienpolitik ist höchst
unterschiedlich. SPD und FDP scheinen hier noch eine Art Großer
Koalition zu bilden, weil von ihnen regelmäßig Verlautbarungen zum
Thema kommen. Die Liberalen haben sich auf den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk eingeschossen und fordern regelmäßig z.B. die Abschaffung
der GEZ.

Klüger und konzeptioneller muten dagegen die Wortmeldungen von
SPD-Politikern wie Marc Jan Eumann an, die sich zudem nicht auf
Felder wie Rundfunk, Internet und Digitalisierung beschränken, sondern
auch den Strukturwandel der Presse im Auge behalten.

Verglichen damit sind die medienpolitischen Einlassung der Grünen
seltener geworden und von naivem Glauben an ARD und ZDF geprägt.
Vor der Gefahr eines medienpolitischen Totalausfalls standen hingegen
CDU/CSU, weil von ihnen in den letzten Jahren fast nichts mehr zu
diesem wichtigen Politikfeld zu hören war.

Mitte Mai war Schluss mit dem Schweigen der Union. In mehrerlei
Ausfertigungen legte der Medienpolitische Expertenkreis der CDU sein
Konzept für eine Medienpolitik „im 21. Jahrhundert“ vor. In zugehörigen
Thesen wurde mehrfach auf den heutigen Zentralbegriff
medienpolitischer Perspektivüberlegungen Bezug genommen:

     „Das Markenkennzeichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
     muss die Qualität sein.“

Aber auch:

     „Der private Rundfunk hat eine gesellschaftliche Verantwortung
     und darf auf Qualität im Programm nicht verzichten.“

„Scheiß-Privatsender“ – mit dieser Verbalinjurie war der Vorsitzende des
CDU-Expertenkreises, Ministerpräsident Günther H. Oettinger, noch vor
gut einem Jahr aufgefallen. Zwischenzeitlich hatte er sich mit den Seinen
offenbar Gedanken darüber gemacht, wie Qualität im Rundfunk gefördert
werden könnte:

          „Der Fördertatbestand der Landesmedienanstalten bezüglich
          technischer Entwicklungen sollte kostenneutral um eine
          Qualitätsförderung ergänzt werden.“

Umgesetzt in Landesmediengesetze würde dieser Vorschlag darauf
hinauslaufen, dass private Programmproduktion (für Fernsehen und/oder
Hörfunk), die Qualität verspricht (aber nicht garantieren kann), vorab von
den Landesmedienanstalten finanziell gefördert würde. Das Geld dafür
käme (wie alles Geld der Landesmedienanstalten) aus dem Zwei-
Prozent-Anteil an der Rundfunkgebühr. Der Gebührenzahler also müsste
letztlich für eine Qualität zahlen, auf die er nach Meinung aller, quasi
naturrechtlich, ein Anrecht hat.

Privatfernsehen bezahlt aus Zwangsgebühren? Eigentlich ein
Widerspruch in sich, doch bekanntlich kursieren selbst in den Reihen
des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien mittlerweile
Begehrlichkeiten auf eine Partizipation an der Rundfunkgebühr.

Nur Qualitätsinseln im Programmfluss?

Das Qualitätsproblem in der Breite des kommerziellen Fernsehens
würde das neue Fördermodell indes nicht lösen. Zu begrenzt sind die zur
Verteilung verfügbaren Mittel, zu sehr würde die Umsetzung
hinauslaufen auf Insellösungen im Programmfluss nach dem Muster der
DCTP-Kulturfenster von Alexander Kluge.

Die Suche nach neuen Finanzquellen für Qualität ist allgemein, die
Ratlosigkeit betrifft auch die Presse sowie insbesondere die Online-
Medien. Seit die verkauften Auflagen zurückgehen und die
Anzeigeneinnahmen einbrechen, werden allerlei Alternativmodelle
diskutiert. Die Medienwissenschaftler Stephan Weichert und Leif Kramp
haben jüngst eine Synopse1 dazu vorgelegt, die ich im Folgenden
diskutieren möchte.

Um mit dem letzten von fünf Vorschlägen zu beginnen. Als
„bildungspolitische Lösung“ referieren Weichert und Kramp die
Vorstellung, dass öffentliche Einrichtungen, die Werten und Zielen
verpflichtet sind, sich als Herausgeber und Finanziers von

1
    Stephan Weichert/Leif Kramp, An den Tropf, in: journalist 6/2009, S. 53-55.
Qualitätsmedien betätigen könnten. Beispielhaft nennen die Autoren u.a.
Universitäten und Kirchen.

Das ist gar nicht so realitätsfern, wie es auf den ersten Blick scheint. Die
evangelische Kirche etwa macht seit 60 Jahren den Fachdienst „epd
medien“ möglich. Die Leistungen dieser Publikation (vormals:
„epd/Kirche und Rundfunk“) sind aus dem Abonnementspreis allein nicht
zu finanzieren, insofern war immer ein Zuschuss erforderlich. Die Kirche
betätigt sich hier seit über einem halben Jahrhundert als Sponsor im
besten Sinne – sie gibt gutes Geld für gute Arbeit und hat für sich den
(Image-) Vorteil, dass ihre Werthaltungen, wenn auch nicht
vordergründig religiöse, mittelbar in Form des Wächteramts, das epd
medien bei Fragen wie Menschenwürde im Programm oder
Meinungsfreiheit einnimmt, wirksam in der Öffentlichkeit vertreten
werden.

Ein Model, das fortwirkt. Aber man sollte nicht meinen, es ließe sich auf
alle möglichen Qualitätsmedien – quasi im Antragsverfahren –
übertragen. Denn auch die Kirchen büßen infolge von Kirchenaustritten
erheblich an Finanzkraft ein, müssen also sparen und bei ihren
karitativen und publizistischen Aktivitäten Schwerpunkte setzen.

Als „zivilgesellschaftliche Lösung“ werden sogenannte Volksaktien für
Qualitätsmedien diskutiert. Genannt wird hier das Beispiel der „taz“, die
nicht nur von ihren Käufern, sondern vor allem auch von 8000
„Genossen“ mit ihren Einlagen finanziert wird (jüngst kam ausgerechnet
„Bild“-Chefredakteur Kai Dieckmann zu diesem Kreis dazu).

Das Genossenschaftsmodell ist sicherlich interessant, doch wird es
immer marginal bleiben, anwendbar allenfalls auf Minderheitsmedien,
nicht auf Massenmedien. Denn leider ist das Interesse der Deutschen an
Qualitätsmedien nicht so groß (wie sich auch an zurückgehenden
Auflagen zeigt2), als dass sich realistisch Zehntausende von „Genossen“
mit ihrem Geld mobilisieren ließen.

Problem der legitimen Partizipation

Noch am ehesten für qualitätsorientierte Online-Medien praktikabel
erscheint die Einführung einer „Kulturflatrate“ als „wirtschaftspolitische
Lösung“. Anknüpfend an die Tatsache, dass jeder Konsument für CD-
und DVD-Rohlinge sowie für -Brenner eine Urheberabgabe zahlen muss,
2
 Vgl. Volker Lilienthal, Aufklärung ohne Adressat. Immanuel Kant, die Pluralisierung der Medien und
die Verflüchtigung des Publikums, in: Thomas Schnabel (Hrsg.): Schwäbische Gesellschaft.
Schriftenreihe 65-68, Stuttgart 2009, S. 51-80
könnte es der Gesetzgeber auch den Providern von Internetdiensten
auferlegen, von ihren Kunden eine Art „kultureller Kopfpauschale“ zu
erheben. Dieses Aufkommen könnte dann an die intellektuellen Urheber
von Qualitätsjournalismus im Netz weiterverteilt werden. Die Vorstellung
ist schön, doch ahnen wir sofort die praktischen Probleme: Wer verwaltet
den Verteilschlüssel, wer entscheidet überhaupt, wer partizipieren darf?

Das Problem der legitimen Partizipation stellt sich auch bei dem, was
Weichert und Kramp die „medienpolitische Lösung“ nennen: nämlich die
Einführung neuer Gebühren für Qualitätsmedien, die Errichtung gar
eines öffentlich-rechtlichen „Nationalfonds für Qualitätsjournalismus“, so
die Autoren. Ihrer Schätzung zufolge könnte so eine knappe Milliarde für
Zeitungen zusammenkommen.

Doch die praktischen Fragen, die sich hier auftun, sind schwierig:

     1. Wer soll überhaupt förderungsberechtigt sein? Alle
     Verlagshäuser oder nur wenige Redaktionen – ausgewählte und
     von wem?

     2. Werden so nicht Eliteblätter herangezüchtet, die aber nur von
     wenigen gelesen werden, obwohl doch alle Gebührenpflichtigen
     dafür zahlen müssen?

     3. Vom Beispiel des gebührenfinanzierten Rundfunks her
     konsequent zu Ende gedacht würde der Vorschlag auch darauf
     hinauslaufen, dass die so finanzierten Zeitungsexemplare für den
     Gebührenpflichtigen dann nicht weiter entgeltpflichtig sein dürften.
     Doppele Zahlungen – Gebühr und Einzelpreis – sind politisch und
     wirtschaftlich wohl kaum zu legitimieren.

Milliardäre als Mäzenaten?

Bleibt als letztes das gute alte „Mäzenatentum“, das Weichert und Kramp
auf Platz 1 ihrer Modelle als „privatwirtschaftliche Lösung“ vorstellen.
Gedacht ist hierbei an reiche Privatiers und noble Stiftungen, die
Qualitätsmedien möglich machen. In den USA scheinen einige
Milliardäre zu leben, die etwas für kritische Aufklärung übrig haben,
siehe z.B. das Modell www.propublica.org, „journalism in the public
interest“. Deutschland kennt seine FAZIT-Stiftung für die „Frankfurter
Allgemeine Zeitung“ und auch die Rudolf Augstein Stiftung, die die neue
Stiftungsprofessur für die Praxis des Qualitätsjournalismus an der
Universität Hamburg möglich gemacht hat, ist hier zu nennen.
Doch auch das Mäzenaten-Modell begegnet mannigfaltigen Bedenken:

  1. Es setzt die Produktion gesellschaftlichen Reichtums voraus. Es
     müssen erst mal die Kapitalien erwirtschaftet werden, die dann
     mäzenatisch-meritorisch verteilt werden könnte – fraglich in Zeiten
     der Wirtschaftskrise.

  2. Das Modell setzt eine hohe Gemeinwohlverpflichtung von
     Eigentümern, konkret: der Besitzenden voraus. Gibt es in
     Deutschland genügend Millionäre, besser noch: Milliardäre mit
     Sinn für kritischen Journalismus?

  3. Ein weiteres Problem: Freie Presse als Dienst an der Allgemeinheit
     würde privat alimentiert, woraus sich natürlich neue
     Abhängigkeiten ergeben. Denn Gunst kann auch wieder entzogen
     werden.

Wir sehen: Die ideale Alternative zu den heutigen Hauptfinanzquellen für
Medien (Abo- und Einzelentgelte, Werbung, Gebühren) gibt es nicht. Die
auf der Bredow-Tagung „Finanzierung von Qualitätcontent“
aufgekommene Überlegung, Einnahmen aus programmintegrierter
Werbung könnten dann sozial akzeptabel sein, wenn ein Teil davon im
Wege der Gewinnabschöpfung für Qualitätsprogramme bereitgestellt
würde (so Prof. Karl-Heinz Ladeur), ist mindestens als gewagt zu
bezeichnen.

Liefe es doch darauf hinaus, die mit Product-Placement unweigerlich
eintretende Beschädigung der inhaltlichen Integrität und Glaubwürdigkeit
von Medien dadurch zu kompensieren, dass auf eben dieser
fragwürdigen finanziellen Grundlage heilend und nachholend wieder für
Qualität gesorgt werden soll.

Am Beispiel gesprochen: Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
kauft sich mit ihrer Ideologie zunächst in eine unterhaltende
Fernsehserie ein (was sie für fast 60.000 Euro im Jahre 2002 in der
ARD-Serie „Marienhof“ ja wirklich getan hat) – und mit einem Fünftel von
diesem Geld wird anschließend, als kritisches Korrektiv, eine
investigative Fernsehreportage über eben diese Initiative finanziert?

Der Druck der PR auf Medien nimmt zu

Da der Problemkomplex „Schleichwerbung“ nun schon im Raum steht,
kommen ich zum zweiten Aspekt meines Themas: der zunehmenden
Infiltration von partikularen PR-Botschaften in die Inhalte unserer
Medien. 70 Prozent der Medieninhalte sind Schätzungen zufolge PR-
induziert, d.h. Dritte mit ihrem partikularen Interesse – sei es an
Absatzwerbung für Produkte, Lobbyismus oder an politischer Ideologie –
geben den Anstoß für Berichterstattung.

Die Wirtschaftskrise als Anzeigenkrise der Zeitungen führt zu
Personalabbau in vielen Medien. Geschwächte Redaktionen mit Zeitnot
aber sind durchlässig von PR, zumal wenn deren Agenturen
vorgefertigte Artikel oder Sendungen mit durchaus professionell
gemachte Simulation von Journalismus frei Haus anliefern.

Kaum eine Regionalzeitung heute, die nicht Anzeigen mit gefälliger
Berichterstattung zu ködern versuchte. Die letzten Anzeigen sollen mit
Botmäßigkeit gehalten werden:

„Nichts ist unmöglich“ hat die „ZEIT“ jüngst für die überregionale Presse,
für namhafte Zeitungen und Zeitschriften, bilanziert.3 Gemeint waren
zunehmende Grenzverwischungen zwischen Redaktion und Anzeigen.
Eine Toyota-Textanzeige im „Spiegel war kürzlich wie die altehrwürdige
„Hausmitteilung“ des Nachrichtenmagazins auf S. 3 aufgemacht – „ein
Fehler“, wie die Chefredaktion inzwischen zerknirscht einräumt.

Was droht von diesen Prozessen der Grenzverwischung zwischen
Journalismus und PR. Die „Zeit“ zitierte dazu Karen Heumann,
Strategievorstand der Werbeagentur Jung von Matt: „Eine Zeitschrift
oder eine Zeitung, die Glaubwürdigkeit und Unbestechlichkeit zu ihrem
Markenkern zählt, darf Werbung nicht so tarnen. Man darf seine Leser
nicht daran gewöhnen, dass sie nicht alles glauben können. Dann hört
man auf, vierte Gewalt zu sein.“

Natürlich hat diese Werberin recht. Aber ich frage: Was sagt es über den
deutschen Journalismus, wenn wir uns ausgerechnet von einer
Reklamefachfrau an die Prinzipien unseres Gewerbes – und unseres
öffentlichen Amtes – erinnern lassen müssen!? Nichts Gutes jedenfalls.

In den vergangenen Jahren sind mehrere PR-Deals aufgeflogen, bei
denen Bundesministerien – aus Steuergeldern – Radiobeiträge und teils
auch Zeitungsartikel zum Lob der eigenen Politik anfertigen und willigen
Redaktionen zur kostenfreien Übernahme anbieten ließen. Jüngstes
Beispiel dieser Art von Guerilla-PR sind die von der Deutschen Bahn AG
mit 1,3 Millionen Euro finanzierten Maßnahmen zur Beeinflussung der
öffentlichen Meinung in Sachen Bahn-Privatisierung und contra GDL-

3
    DIE ZEIT Nr. 24/09, S.27
Streik, wie sie kürzlich von der Initiative Lobby Control aufgedeckt
wurden.4 Zu diesen Themen gelang es einem der bezahlten Lobbyisten,
mit Gastkommentaren in so angesehenen Wirtschaftsorganen wie
„Financial Times Deutschland“, „Capital“ und „Tagesspiegel“
unterzukommen. Deren Redaktionen fragten offenbar nicht nach, wer
hinter dem Autor steckte.

Im Tarifstreit 2007 gab eine der von der Bahn bezahlten Agenturen eine
Meinungsumfrage in Auftrag, deren Ergebnis wunschgemäß ausfiel: Die
Mehrheit der Befragten hielt die Forderungen der Lokführergewerkschaft
GDL für übertrieben. Die Umfrageergebnisse, medial per
Pressemitteilung mitgeteilt, fanden fraglosen Eingang in Agenturen und
Medien, wie Lobby Control in der zitierten Studie dokumentiert hat.

Hochgradig vermachtete Kommunikation

Besonders anfällig für PR ist der Auto-, Freizeit- und Modejournalismus,
vor allem auch der gesamte Bereich der Gesundheitsberichterstattung.
Wie ich kürzlich in einem epd-Report5 zu beschreiben versucht habe, ist
dies ein Bereich hochgradig vermachteter Kommunikation, in dem vor
allem die Pharma-Industrie immer wieder ihre Interessen durchsetzen
kann.

Abschließend möchte ich auf die neue EU-Mediendienste-Richtlinie
eingehen, die der Gesetzgeber demnächst in Gestalt des 13.
Rundfunkänderungsstaatsvertrags in deutsches Recht übersetzen wird.

Informationssendungen sollen angeblich ausgenommen,
Ratgebersendungen sollen nicht zur „leichten Unterhaltung“ (worin
bezahlte Produktplatzierung erlaubt sein werden) gezahlt werde. Doch
der Gesetzgeber wird wohl ein zweites Einfallstor offenlassen: das der
(unbezahlten) Produkt-Beistellungen. Obwohl wir uns gerade in diesem
Bereich auf Objektivität verlassen müssen, kann in Zukunft der TV-
Testbericht von Haushaltsgeräten davon abhängen, ob Hersteller A eine
Kaffeemaschine zur Verfügung stellte (sein Produkt also im Bild
erscheint), Hersteller B aber nicht (weil die Testredaktion kein Produkt
der Marke „B“ aus Eigenmitteln anschafft).

Eine basale Qualitätsanforderung in diesem Bereich ist folgende:
Informationen zu Gesundheit, Finanzen, Recht, aber auch zu schlichten

4
  http://www.lobbycontrol.de/blog/wp-content/uploads/die-verdeckte-einflussnahme-der-deutschen-
bahn.pdf
5
  Volker Lilienthal, Pharma-Pressionen. Allgegenwärtig: die invasive PR der Gesundheitsindustrie, in:
epd medien Nr. 41/09, S. 3-9 - www.epd.de/medien/medien_index_65480.html
Themen wie Freizeit und Heimwerken müssen von Journalisten geprüft
sein und dürfen nicht von Zuwendungen der jeweiligen Industrie
abhängen.

Marken-Notebooks in Nachrichtensendungen

Selbst in Nachrichtensendungen, jenem Sakralbereich der
Programmgestaltung, werden dem Wortlaut der jetzigen
Entwurfsfassung des 13. RfÄndStV zufolge künftig Produkt-
Beistellungen erlaubt sein, womöglich gar bei AR und ZDF. Peter
Kloeppel könnte dann als Moderator von „RTL aktuell“ sichtbar an einem
Notebook der Marke Apple oder Sony Vaio stehen – wenn denn RTL
dafür nicht eigens bezahlt wird und die Beistellung des Herstellers im
Abspann transparent gemacht wird.

Wenn man die Schleuse einmal öffnet und Produktplatzierung, wie
Schleichwerbung künftig euphemistisch heißen soll, zulässt, dann
werden die Dämme brechen, werden die interessierten Kreise, die
Placement-Agenturen vor allem, auch in Informationsprogramme
drängen. Der Kampf darum hat längst begonnen.

Wie z.B. eine Wiener Agentur mit Namen Product Placement
International, arbeitet – und zwar grenzüberschreitend –, möchte ich
Ihnen im Folgenden an einem Beispiel aus meiner Recherchepraxis
zeigen.6 Im März bot die Agentur einem Hersteller elektronischer
Wörterbücher in Deutschland an, seinen Produkten eine
„aufmerksamkeitsstarke Präsenz“ in einer dreiteiligen Reisereportage zu
verschaffen.

Klar: Wer durch die USA reist und mit der Zeit geht, greift nicht mehr
zum gedruckten Wörterbuch, sondern zum mobilen Digitaldolmetscher.
Also hat dergleichen auch in einem journalistischen Reisebericht seinen
Platz, oder? So könnte Wolfgang Pappler, der Inhaber der Agentur, mit
„dramaturgischer Notwendigkeit“ argumentieren. Und tatsächlich:
Papplers Agentur suchte den Hersteller mit dem Versprechen zu ködern,
sein Logo und sein Produkt werde mehrfach „in die Handlung integriert“.
In typischen Reiseszenen würden Touristen das elektronische
Wörterbuch nutzen, also in Aktion zeigen - so beim Shoppen in New
York und beim Plaudern mit Einheimischen. In zusätzlichen Reisetipps
sollte auf Vorzüge des Produkts hingewiesen werden.


6
 Vgl. ausführlicher: Volker Lilienthal, Grenzverletzung. Schleichwerbung: Die Länder kapitulieren vor
der EU, in: epd medien Nr. 38/09, S. 3-6.
Product Placement International unterbreitete dem Wunschkunden
entsprechende Szenenvorschläge und bot Abstimmung an. Je nach
Ausmaß sollte dergleichen kosten: 3000 Euro, wenn in zwei der drei
Episoden das Produkt je einmal auftaucht und einmal aktiv integriert
wird. 6000 Euro, wenn die Marke in jeder der drei Folgen auftauchen soll
und zusätzlich „Branchenexklusivität bei elektronischen Wörterbüchern“
garantiert wird. Sogar den von der EU als angebliche Transparenz
gewollten Hinweis „Nennung im Abspann, Mit freundlicher Unterstützung
von...’“ hatte Product Placement International in der Offerte schon
mitbedacht. Das Ganze zu Preisen zwischen 3.000 und 6.000 Euro – es
scheint, als sei die Szene der Placer derzeit gezwungen, kleinere
Brötchen zu backen. Doch sollen frühere Preisvorstellungen von Product
Placement International bei 20.000 Euro gelegen haben.

Einen Sender für die programmintegrierte Reklame schien Product
Placement International auch schon parat zu haben. Den Angaben
zufolge war das Filmprojekt „Reise durch die USA“ für ORF2 an einem
Sonntagvormittag im Herbst 2009 geplant. Grenzüberschreitend wurde
der Drei-Länder-Sender 3sat im Paket gleich mitverkauft
(„erfahrungsgemäß erfolgt die Erstausstrahlung zur Primetime“), und
auch der deutsche Bildungssender BR-alpha sollte unfreiwillig zum
Werbeträger gemacht werden.

Falsche Versprechungen

Falsche Versprechungen gehören zwangsläufig zu dubiosen Offerten
wie diesen: Zwei bis drei Millionen Zuschauer und dann auch noch jung
(„20+“) wurden dem Hersteller elektronischer Wörterbücher versprochen.
Tatsächlich beträgt das Durchschnittsalter des Zuschauers von ORF2 61
Jahre, 59 Jahre sind es im Falle von BR-alpha und 57 Jahre bei 3sat.
Die zu erwartenden Realzuschauer wären also bis zu dreimal so alt
gewesen wie versprochen. Der Hersteller elektronischer Wörterbücher
ist auf die Offerte von Product Placement International übrigens nicht
eingegangen. Da kann man nur sagen: kluger Kaufmann!

Der ORF möchte mit der Offerte nicht in Verbindung gebracht werden.
Fernseh-Kulturchef Martin Traxl bestätigte allerdings, dass der
Salzburger Peter Stromberger mit seiner Firma Creativbox das Konzept
„Reise durch die USA“ angeboten habe. Das Thema sei „in unserer
Sonntagsmatinee grundsätzlich vorstellbar“, so Traxl. Doch vor einer
Realisation müsse „das Finanzierungskonzept stehen“. So sei es
Stromberger „vermittelt“ worden. Was das heiße, ob es zu bedeuten
habe, dass der Produzent selbst sich um Geldquellen, um bezahltes
Product-Placement gar, zu kümmern habe, dazu gab’s von Traxl keine
Antwort mehr.

Creativbox ist ein etwas merkwürdiges Gebilde, das im Internet
(www.creativbox.com) dazu aufruft, Programmkonzepte „für besseres
Fernsehen“ einzureichen - Creativbox werde diese Ideen an Agenturen,
Produzenten, Sender weitervermarkten und im Erfolgsfall den
Ideengeber zu 70 Prozent an etwaigen Erlösen beteiligen. In früheren
Jahren galt der Aufruf der Online-Plattform auch reinen Werbekonzepten
und Spotideen - womit sich der Kreis schließt und wir wieder beim
Thema wären.

An Product Placement International jedenfalls will der ORF keinen
Auftrag zur Vermarktung der USA-Reisereportage erteilt haben. Das
betont neben Traxl auch Dorit Wolkenstein, Leiterin für „Special
Advertising“ bei ORF-Enterprise. Bekanntlich ist dem ORF in Grenzen
Product-Placement erlaubt, in Kinofilmen, in Fernsehfilmen und -serien -
ein alpenländischer Vorschein der EU-Liberalisierung, die in deutsches
Recht zu übersetzen auch der deutsche Gesetzgeber sich gerade
anschickt. Allerdings: Die Wiener Koalitionsregierung aus SPÖ und ÖVP
erwägt aktuell, dem ORF das Recht auf „Special Advertising“ wieder
wegzunehmen, die EU-Mediendienste-Richtlinie in diesem Punkt also
nicht umzusetzen, sondern das Rad der österreichischen
Mediengeschichte sogar wieder zurückzudrehen.

Kein Rabatt für Täuschungen der Öffentlichkeit

Noch aber ist es erlaubt – in fiktionalen Formaten. Doch gehört eine
Reisereportage nicht zu den informierenden Sendungstypen, in denen
nicht einmal EU-Kommissarin Reding bezahlte Werbung sehen will?
Agenturinhaber Pappler meint, dass eine Reisereportage doch keine
Reportage „im herkömmlichen Sinne“ sei, jedenfalls „keine Infosendung
des Aktuellen Dienstes“. Und: „Der Zuschauer weiß selbst, wo die
Grenze zur Manipulation ist.“

Derartige Ausreden sind branchennotorisch für diese Szene. Das
aktuelle österreichische Beispiel zeigt, dass die Schleichwerber auch in
die Informationsprogramme drängen. Das haben sie schon immer getan,
und es gibt leider keinen Grund zu der Annahme, sie nähmen davon
bescheiden und rechtstreu Abstand, wenn der Gesetzgeber dergleichen
nun für Fiction-Programme erlaubt.

Eher im Gegenteil: Die aus Brüssel kommende Teilerlaubnis für Product-
Placement wird neue Begehrlichkeiten auch für Infoprogramme wecken.
Für die Medienkritik und für die Medienaufsicht bedeutet das:
aufmerksam bleiben! Für Täuschungen der Öffentlichkeit darf es keinen
Rabatt geben.

Kontakt zum Autor:
volker.lilienthal@uni-hamburg.de

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Qualitätsjournalismus vor neuen Herausforderungen

  • 1. Dr. Volker Lilienthal (Augstein-Stiftungsprofessur an der Universität Hamburg [ab 1.7.09]) Qualitätsjournalismus vor neuen Herausforderungen Prekäre Finanzierungsmodelle und die Infiltration von PR Der Aktivitätsgrad deutscher Parteien in der Medienpolitik ist höchst unterschiedlich. SPD und FDP scheinen hier noch eine Art Großer Koalition zu bilden, weil von ihnen regelmäßig Verlautbarungen zum Thema kommen. Die Liberalen haben sich auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingeschossen und fordern regelmäßig z.B. die Abschaffung der GEZ. Klüger und konzeptioneller muten dagegen die Wortmeldungen von SPD-Politikern wie Marc Jan Eumann an, die sich zudem nicht auf Felder wie Rundfunk, Internet und Digitalisierung beschränken, sondern auch den Strukturwandel der Presse im Auge behalten. Verglichen damit sind die medienpolitischen Einlassung der Grünen seltener geworden und von naivem Glauben an ARD und ZDF geprägt. Vor der Gefahr eines medienpolitischen Totalausfalls standen hingegen CDU/CSU, weil von ihnen in den letzten Jahren fast nichts mehr zu diesem wichtigen Politikfeld zu hören war. Mitte Mai war Schluss mit dem Schweigen der Union. In mehrerlei Ausfertigungen legte der Medienpolitische Expertenkreis der CDU sein Konzept für eine Medienpolitik „im 21. Jahrhundert“ vor. In zugehörigen Thesen wurde mehrfach auf den heutigen Zentralbegriff medienpolitischer Perspektivüberlegungen Bezug genommen: „Das Markenkennzeichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss die Qualität sein.“ Aber auch: „Der private Rundfunk hat eine gesellschaftliche Verantwortung und darf auf Qualität im Programm nicht verzichten.“ „Scheiß-Privatsender“ – mit dieser Verbalinjurie war der Vorsitzende des CDU-Expertenkreises, Ministerpräsident Günther H. Oettinger, noch vor
  • 2. gut einem Jahr aufgefallen. Zwischenzeitlich hatte er sich mit den Seinen offenbar Gedanken darüber gemacht, wie Qualität im Rundfunk gefördert werden könnte: „Der Fördertatbestand der Landesmedienanstalten bezüglich technischer Entwicklungen sollte kostenneutral um eine Qualitätsförderung ergänzt werden.“ Umgesetzt in Landesmediengesetze würde dieser Vorschlag darauf hinauslaufen, dass private Programmproduktion (für Fernsehen und/oder Hörfunk), die Qualität verspricht (aber nicht garantieren kann), vorab von den Landesmedienanstalten finanziell gefördert würde. Das Geld dafür käme (wie alles Geld der Landesmedienanstalten) aus dem Zwei- Prozent-Anteil an der Rundfunkgebühr. Der Gebührenzahler also müsste letztlich für eine Qualität zahlen, auf die er nach Meinung aller, quasi naturrechtlich, ein Anrecht hat. Privatfernsehen bezahlt aus Zwangsgebühren? Eigentlich ein Widerspruch in sich, doch bekanntlich kursieren selbst in den Reihen des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien mittlerweile Begehrlichkeiten auf eine Partizipation an der Rundfunkgebühr. Nur Qualitätsinseln im Programmfluss? Das Qualitätsproblem in der Breite des kommerziellen Fernsehens würde das neue Fördermodell indes nicht lösen. Zu begrenzt sind die zur Verteilung verfügbaren Mittel, zu sehr würde die Umsetzung hinauslaufen auf Insellösungen im Programmfluss nach dem Muster der DCTP-Kulturfenster von Alexander Kluge. Die Suche nach neuen Finanzquellen für Qualität ist allgemein, die Ratlosigkeit betrifft auch die Presse sowie insbesondere die Online- Medien. Seit die verkauften Auflagen zurückgehen und die Anzeigeneinnahmen einbrechen, werden allerlei Alternativmodelle diskutiert. Die Medienwissenschaftler Stephan Weichert und Leif Kramp haben jüngst eine Synopse1 dazu vorgelegt, die ich im Folgenden diskutieren möchte. Um mit dem letzten von fünf Vorschlägen zu beginnen. Als „bildungspolitische Lösung“ referieren Weichert und Kramp die Vorstellung, dass öffentliche Einrichtungen, die Werten und Zielen verpflichtet sind, sich als Herausgeber und Finanziers von 1 Stephan Weichert/Leif Kramp, An den Tropf, in: journalist 6/2009, S. 53-55.
  • 3. Qualitätsmedien betätigen könnten. Beispielhaft nennen die Autoren u.a. Universitäten und Kirchen. Das ist gar nicht so realitätsfern, wie es auf den ersten Blick scheint. Die evangelische Kirche etwa macht seit 60 Jahren den Fachdienst „epd medien“ möglich. Die Leistungen dieser Publikation (vormals: „epd/Kirche und Rundfunk“) sind aus dem Abonnementspreis allein nicht zu finanzieren, insofern war immer ein Zuschuss erforderlich. Die Kirche betätigt sich hier seit über einem halben Jahrhundert als Sponsor im besten Sinne – sie gibt gutes Geld für gute Arbeit und hat für sich den (Image-) Vorteil, dass ihre Werthaltungen, wenn auch nicht vordergründig religiöse, mittelbar in Form des Wächteramts, das epd medien bei Fragen wie Menschenwürde im Programm oder Meinungsfreiheit einnimmt, wirksam in der Öffentlichkeit vertreten werden. Ein Model, das fortwirkt. Aber man sollte nicht meinen, es ließe sich auf alle möglichen Qualitätsmedien – quasi im Antragsverfahren – übertragen. Denn auch die Kirchen büßen infolge von Kirchenaustritten erheblich an Finanzkraft ein, müssen also sparen und bei ihren karitativen und publizistischen Aktivitäten Schwerpunkte setzen. Als „zivilgesellschaftliche Lösung“ werden sogenannte Volksaktien für Qualitätsmedien diskutiert. Genannt wird hier das Beispiel der „taz“, die nicht nur von ihren Käufern, sondern vor allem auch von 8000 „Genossen“ mit ihren Einlagen finanziert wird (jüngst kam ausgerechnet „Bild“-Chefredakteur Kai Dieckmann zu diesem Kreis dazu). Das Genossenschaftsmodell ist sicherlich interessant, doch wird es immer marginal bleiben, anwendbar allenfalls auf Minderheitsmedien, nicht auf Massenmedien. Denn leider ist das Interesse der Deutschen an Qualitätsmedien nicht so groß (wie sich auch an zurückgehenden Auflagen zeigt2), als dass sich realistisch Zehntausende von „Genossen“ mit ihrem Geld mobilisieren ließen. Problem der legitimen Partizipation Noch am ehesten für qualitätsorientierte Online-Medien praktikabel erscheint die Einführung einer „Kulturflatrate“ als „wirtschaftspolitische Lösung“. Anknüpfend an die Tatsache, dass jeder Konsument für CD- und DVD-Rohlinge sowie für -Brenner eine Urheberabgabe zahlen muss, 2 Vgl. Volker Lilienthal, Aufklärung ohne Adressat. Immanuel Kant, die Pluralisierung der Medien und die Verflüchtigung des Publikums, in: Thomas Schnabel (Hrsg.): Schwäbische Gesellschaft. Schriftenreihe 65-68, Stuttgart 2009, S. 51-80
  • 4. könnte es der Gesetzgeber auch den Providern von Internetdiensten auferlegen, von ihren Kunden eine Art „kultureller Kopfpauschale“ zu erheben. Dieses Aufkommen könnte dann an die intellektuellen Urheber von Qualitätsjournalismus im Netz weiterverteilt werden. Die Vorstellung ist schön, doch ahnen wir sofort die praktischen Probleme: Wer verwaltet den Verteilschlüssel, wer entscheidet überhaupt, wer partizipieren darf? Das Problem der legitimen Partizipation stellt sich auch bei dem, was Weichert und Kramp die „medienpolitische Lösung“ nennen: nämlich die Einführung neuer Gebühren für Qualitätsmedien, die Errichtung gar eines öffentlich-rechtlichen „Nationalfonds für Qualitätsjournalismus“, so die Autoren. Ihrer Schätzung zufolge könnte so eine knappe Milliarde für Zeitungen zusammenkommen. Doch die praktischen Fragen, die sich hier auftun, sind schwierig: 1. Wer soll überhaupt förderungsberechtigt sein? Alle Verlagshäuser oder nur wenige Redaktionen – ausgewählte und von wem? 2. Werden so nicht Eliteblätter herangezüchtet, die aber nur von wenigen gelesen werden, obwohl doch alle Gebührenpflichtigen dafür zahlen müssen? 3. Vom Beispiel des gebührenfinanzierten Rundfunks her konsequent zu Ende gedacht würde der Vorschlag auch darauf hinauslaufen, dass die so finanzierten Zeitungsexemplare für den Gebührenpflichtigen dann nicht weiter entgeltpflichtig sein dürften. Doppele Zahlungen – Gebühr und Einzelpreis – sind politisch und wirtschaftlich wohl kaum zu legitimieren. Milliardäre als Mäzenaten? Bleibt als letztes das gute alte „Mäzenatentum“, das Weichert und Kramp auf Platz 1 ihrer Modelle als „privatwirtschaftliche Lösung“ vorstellen. Gedacht ist hierbei an reiche Privatiers und noble Stiftungen, die Qualitätsmedien möglich machen. In den USA scheinen einige Milliardäre zu leben, die etwas für kritische Aufklärung übrig haben, siehe z.B. das Modell www.propublica.org, „journalism in the public interest“. Deutschland kennt seine FAZIT-Stiftung für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und auch die Rudolf Augstein Stiftung, die die neue Stiftungsprofessur für die Praxis des Qualitätsjournalismus an der Universität Hamburg möglich gemacht hat, ist hier zu nennen.
  • 5. Doch auch das Mäzenaten-Modell begegnet mannigfaltigen Bedenken: 1. Es setzt die Produktion gesellschaftlichen Reichtums voraus. Es müssen erst mal die Kapitalien erwirtschaftet werden, die dann mäzenatisch-meritorisch verteilt werden könnte – fraglich in Zeiten der Wirtschaftskrise. 2. Das Modell setzt eine hohe Gemeinwohlverpflichtung von Eigentümern, konkret: der Besitzenden voraus. Gibt es in Deutschland genügend Millionäre, besser noch: Milliardäre mit Sinn für kritischen Journalismus? 3. Ein weiteres Problem: Freie Presse als Dienst an der Allgemeinheit würde privat alimentiert, woraus sich natürlich neue Abhängigkeiten ergeben. Denn Gunst kann auch wieder entzogen werden. Wir sehen: Die ideale Alternative zu den heutigen Hauptfinanzquellen für Medien (Abo- und Einzelentgelte, Werbung, Gebühren) gibt es nicht. Die auf der Bredow-Tagung „Finanzierung von Qualitätcontent“ aufgekommene Überlegung, Einnahmen aus programmintegrierter Werbung könnten dann sozial akzeptabel sein, wenn ein Teil davon im Wege der Gewinnabschöpfung für Qualitätsprogramme bereitgestellt würde (so Prof. Karl-Heinz Ladeur), ist mindestens als gewagt zu bezeichnen. Liefe es doch darauf hinaus, die mit Product-Placement unweigerlich eintretende Beschädigung der inhaltlichen Integrität und Glaubwürdigkeit von Medien dadurch zu kompensieren, dass auf eben dieser fragwürdigen finanziellen Grundlage heilend und nachholend wieder für Qualität gesorgt werden soll. Am Beispiel gesprochen: Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft kauft sich mit ihrer Ideologie zunächst in eine unterhaltende Fernsehserie ein (was sie für fast 60.000 Euro im Jahre 2002 in der ARD-Serie „Marienhof“ ja wirklich getan hat) – und mit einem Fünftel von diesem Geld wird anschließend, als kritisches Korrektiv, eine investigative Fernsehreportage über eben diese Initiative finanziert? Der Druck der PR auf Medien nimmt zu Da der Problemkomplex „Schleichwerbung“ nun schon im Raum steht, kommen ich zum zweiten Aspekt meines Themas: der zunehmenden Infiltration von partikularen PR-Botschaften in die Inhalte unserer
  • 6. Medien. 70 Prozent der Medieninhalte sind Schätzungen zufolge PR- induziert, d.h. Dritte mit ihrem partikularen Interesse – sei es an Absatzwerbung für Produkte, Lobbyismus oder an politischer Ideologie – geben den Anstoß für Berichterstattung. Die Wirtschaftskrise als Anzeigenkrise der Zeitungen führt zu Personalabbau in vielen Medien. Geschwächte Redaktionen mit Zeitnot aber sind durchlässig von PR, zumal wenn deren Agenturen vorgefertigte Artikel oder Sendungen mit durchaus professionell gemachte Simulation von Journalismus frei Haus anliefern. Kaum eine Regionalzeitung heute, die nicht Anzeigen mit gefälliger Berichterstattung zu ködern versuchte. Die letzten Anzeigen sollen mit Botmäßigkeit gehalten werden: „Nichts ist unmöglich“ hat die „ZEIT“ jüngst für die überregionale Presse, für namhafte Zeitungen und Zeitschriften, bilanziert.3 Gemeint waren zunehmende Grenzverwischungen zwischen Redaktion und Anzeigen. Eine Toyota-Textanzeige im „Spiegel war kürzlich wie die altehrwürdige „Hausmitteilung“ des Nachrichtenmagazins auf S. 3 aufgemacht – „ein Fehler“, wie die Chefredaktion inzwischen zerknirscht einräumt. Was droht von diesen Prozessen der Grenzverwischung zwischen Journalismus und PR. Die „Zeit“ zitierte dazu Karen Heumann, Strategievorstand der Werbeagentur Jung von Matt: „Eine Zeitschrift oder eine Zeitung, die Glaubwürdigkeit und Unbestechlichkeit zu ihrem Markenkern zählt, darf Werbung nicht so tarnen. Man darf seine Leser nicht daran gewöhnen, dass sie nicht alles glauben können. Dann hört man auf, vierte Gewalt zu sein.“ Natürlich hat diese Werberin recht. Aber ich frage: Was sagt es über den deutschen Journalismus, wenn wir uns ausgerechnet von einer Reklamefachfrau an die Prinzipien unseres Gewerbes – und unseres öffentlichen Amtes – erinnern lassen müssen!? Nichts Gutes jedenfalls. In den vergangenen Jahren sind mehrere PR-Deals aufgeflogen, bei denen Bundesministerien – aus Steuergeldern – Radiobeiträge und teils auch Zeitungsartikel zum Lob der eigenen Politik anfertigen und willigen Redaktionen zur kostenfreien Übernahme anbieten ließen. Jüngstes Beispiel dieser Art von Guerilla-PR sind die von der Deutschen Bahn AG mit 1,3 Millionen Euro finanzierten Maßnahmen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Sachen Bahn-Privatisierung und contra GDL- 3 DIE ZEIT Nr. 24/09, S.27
  • 7. Streik, wie sie kürzlich von der Initiative Lobby Control aufgedeckt wurden.4 Zu diesen Themen gelang es einem der bezahlten Lobbyisten, mit Gastkommentaren in so angesehenen Wirtschaftsorganen wie „Financial Times Deutschland“, „Capital“ und „Tagesspiegel“ unterzukommen. Deren Redaktionen fragten offenbar nicht nach, wer hinter dem Autor steckte. Im Tarifstreit 2007 gab eine der von der Bahn bezahlten Agenturen eine Meinungsumfrage in Auftrag, deren Ergebnis wunschgemäß ausfiel: Die Mehrheit der Befragten hielt die Forderungen der Lokführergewerkschaft GDL für übertrieben. Die Umfrageergebnisse, medial per Pressemitteilung mitgeteilt, fanden fraglosen Eingang in Agenturen und Medien, wie Lobby Control in der zitierten Studie dokumentiert hat. Hochgradig vermachtete Kommunikation Besonders anfällig für PR ist der Auto-, Freizeit- und Modejournalismus, vor allem auch der gesamte Bereich der Gesundheitsberichterstattung. Wie ich kürzlich in einem epd-Report5 zu beschreiben versucht habe, ist dies ein Bereich hochgradig vermachteter Kommunikation, in dem vor allem die Pharma-Industrie immer wieder ihre Interessen durchsetzen kann. Abschließend möchte ich auf die neue EU-Mediendienste-Richtlinie eingehen, die der Gesetzgeber demnächst in Gestalt des 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrags in deutsches Recht übersetzen wird. Informationssendungen sollen angeblich ausgenommen, Ratgebersendungen sollen nicht zur „leichten Unterhaltung“ (worin bezahlte Produktplatzierung erlaubt sein werden) gezahlt werde. Doch der Gesetzgeber wird wohl ein zweites Einfallstor offenlassen: das der (unbezahlten) Produkt-Beistellungen. Obwohl wir uns gerade in diesem Bereich auf Objektivität verlassen müssen, kann in Zukunft der TV- Testbericht von Haushaltsgeräten davon abhängen, ob Hersteller A eine Kaffeemaschine zur Verfügung stellte (sein Produkt also im Bild erscheint), Hersteller B aber nicht (weil die Testredaktion kein Produkt der Marke „B“ aus Eigenmitteln anschafft). Eine basale Qualitätsanforderung in diesem Bereich ist folgende: Informationen zu Gesundheit, Finanzen, Recht, aber auch zu schlichten 4 http://www.lobbycontrol.de/blog/wp-content/uploads/die-verdeckte-einflussnahme-der-deutschen- bahn.pdf 5 Volker Lilienthal, Pharma-Pressionen. Allgegenwärtig: die invasive PR der Gesundheitsindustrie, in: epd medien Nr. 41/09, S. 3-9 - www.epd.de/medien/medien_index_65480.html
  • 8. Themen wie Freizeit und Heimwerken müssen von Journalisten geprüft sein und dürfen nicht von Zuwendungen der jeweiligen Industrie abhängen. Marken-Notebooks in Nachrichtensendungen Selbst in Nachrichtensendungen, jenem Sakralbereich der Programmgestaltung, werden dem Wortlaut der jetzigen Entwurfsfassung des 13. RfÄndStV zufolge künftig Produkt- Beistellungen erlaubt sein, womöglich gar bei AR und ZDF. Peter Kloeppel könnte dann als Moderator von „RTL aktuell“ sichtbar an einem Notebook der Marke Apple oder Sony Vaio stehen – wenn denn RTL dafür nicht eigens bezahlt wird und die Beistellung des Herstellers im Abspann transparent gemacht wird. Wenn man die Schleuse einmal öffnet und Produktplatzierung, wie Schleichwerbung künftig euphemistisch heißen soll, zulässt, dann werden die Dämme brechen, werden die interessierten Kreise, die Placement-Agenturen vor allem, auch in Informationsprogramme drängen. Der Kampf darum hat längst begonnen. Wie z.B. eine Wiener Agentur mit Namen Product Placement International, arbeitet – und zwar grenzüberschreitend –, möchte ich Ihnen im Folgenden an einem Beispiel aus meiner Recherchepraxis zeigen.6 Im März bot die Agentur einem Hersteller elektronischer Wörterbücher in Deutschland an, seinen Produkten eine „aufmerksamkeitsstarke Präsenz“ in einer dreiteiligen Reisereportage zu verschaffen. Klar: Wer durch die USA reist und mit der Zeit geht, greift nicht mehr zum gedruckten Wörterbuch, sondern zum mobilen Digitaldolmetscher. Also hat dergleichen auch in einem journalistischen Reisebericht seinen Platz, oder? So könnte Wolfgang Pappler, der Inhaber der Agentur, mit „dramaturgischer Notwendigkeit“ argumentieren. Und tatsächlich: Papplers Agentur suchte den Hersteller mit dem Versprechen zu ködern, sein Logo und sein Produkt werde mehrfach „in die Handlung integriert“. In typischen Reiseszenen würden Touristen das elektronische Wörterbuch nutzen, also in Aktion zeigen - so beim Shoppen in New York und beim Plaudern mit Einheimischen. In zusätzlichen Reisetipps sollte auf Vorzüge des Produkts hingewiesen werden. 6 Vgl. ausführlicher: Volker Lilienthal, Grenzverletzung. Schleichwerbung: Die Länder kapitulieren vor der EU, in: epd medien Nr. 38/09, S. 3-6.
  • 9. Product Placement International unterbreitete dem Wunschkunden entsprechende Szenenvorschläge und bot Abstimmung an. Je nach Ausmaß sollte dergleichen kosten: 3000 Euro, wenn in zwei der drei Episoden das Produkt je einmal auftaucht und einmal aktiv integriert wird. 6000 Euro, wenn die Marke in jeder der drei Folgen auftauchen soll und zusätzlich „Branchenexklusivität bei elektronischen Wörterbüchern“ garantiert wird. Sogar den von der EU als angebliche Transparenz gewollten Hinweis „Nennung im Abspann, Mit freundlicher Unterstützung von...’“ hatte Product Placement International in der Offerte schon mitbedacht. Das Ganze zu Preisen zwischen 3.000 und 6.000 Euro – es scheint, als sei die Szene der Placer derzeit gezwungen, kleinere Brötchen zu backen. Doch sollen frühere Preisvorstellungen von Product Placement International bei 20.000 Euro gelegen haben. Einen Sender für die programmintegrierte Reklame schien Product Placement International auch schon parat zu haben. Den Angaben zufolge war das Filmprojekt „Reise durch die USA“ für ORF2 an einem Sonntagvormittag im Herbst 2009 geplant. Grenzüberschreitend wurde der Drei-Länder-Sender 3sat im Paket gleich mitverkauft („erfahrungsgemäß erfolgt die Erstausstrahlung zur Primetime“), und auch der deutsche Bildungssender BR-alpha sollte unfreiwillig zum Werbeträger gemacht werden. Falsche Versprechungen Falsche Versprechungen gehören zwangsläufig zu dubiosen Offerten wie diesen: Zwei bis drei Millionen Zuschauer und dann auch noch jung („20+“) wurden dem Hersteller elektronischer Wörterbücher versprochen. Tatsächlich beträgt das Durchschnittsalter des Zuschauers von ORF2 61 Jahre, 59 Jahre sind es im Falle von BR-alpha und 57 Jahre bei 3sat. Die zu erwartenden Realzuschauer wären also bis zu dreimal so alt gewesen wie versprochen. Der Hersteller elektronischer Wörterbücher ist auf die Offerte von Product Placement International übrigens nicht eingegangen. Da kann man nur sagen: kluger Kaufmann! Der ORF möchte mit der Offerte nicht in Verbindung gebracht werden. Fernseh-Kulturchef Martin Traxl bestätigte allerdings, dass der Salzburger Peter Stromberger mit seiner Firma Creativbox das Konzept „Reise durch die USA“ angeboten habe. Das Thema sei „in unserer Sonntagsmatinee grundsätzlich vorstellbar“, so Traxl. Doch vor einer Realisation müsse „das Finanzierungskonzept stehen“. So sei es Stromberger „vermittelt“ worden. Was das heiße, ob es zu bedeuten habe, dass der Produzent selbst sich um Geldquellen, um bezahltes
  • 10. Product-Placement gar, zu kümmern habe, dazu gab’s von Traxl keine Antwort mehr. Creativbox ist ein etwas merkwürdiges Gebilde, das im Internet (www.creativbox.com) dazu aufruft, Programmkonzepte „für besseres Fernsehen“ einzureichen - Creativbox werde diese Ideen an Agenturen, Produzenten, Sender weitervermarkten und im Erfolgsfall den Ideengeber zu 70 Prozent an etwaigen Erlösen beteiligen. In früheren Jahren galt der Aufruf der Online-Plattform auch reinen Werbekonzepten und Spotideen - womit sich der Kreis schließt und wir wieder beim Thema wären. An Product Placement International jedenfalls will der ORF keinen Auftrag zur Vermarktung der USA-Reisereportage erteilt haben. Das betont neben Traxl auch Dorit Wolkenstein, Leiterin für „Special Advertising“ bei ORF-Enterprise. Bekanntlich ist dem ORF in Grenzen Product-Placement erlaubt, in Kinofilmen, in Fernsehfilmen und -serien - ein alpenländischer Vorschein der EU-Liberalisierung, die in deutsches Recht zu übersetzen auch der deutsche Gesetzgeber sich gerade anschickt. Allerdings: Die Wiener Koalitionsregierung aus SPÖ und ÖVP erwägt aktuell, dem ORF das Recht auf „Special Advertising“ wieder wegzunehmen, die EU-Mediendienste-Richtlinie in diesem Punkt also nicht umzusetzen, sondern das Rad der österreichischen Mediengeschichte sogar wieder zurückzudrehen. Kein Rabatt für Täuschungen der Öffentlichkeit Noch aber ist es erlaubt – in fiktionalen Formaten. Doch gehört eine Reisereportage nicht zu den informierenden Sendungstypen, in denen nicht einmal EU-Kommissarin Reding bezahlte Werbung sehen will? Agenturinhaber Pappler meint, dass eine Reisereportage doch keine Reportage „im herkömmlichen Sinne“ sei, jedenfalls „keine Infosendung des Aktuellen Dienstes“. Und: „Der Zuschauer weiß selbst, wo die Grenze zur Manipulation ist.“ Derartige Ausreden sind branchennotorisch für diese Szene. Das aktuelle österreichische Beispiel zeigt, dass die Schleichwerber auch in die Informationsprogramme drängen. Das haben sie schon immer getan, und es gibt leider keinen Grund zu der Annahme, sie nähmen davon bescheiden und rechtstreu Abstand, wenn der Gesetzgeber dergleichen nun für Fiction-Programme erlaubt. Eher im Gegenteil: Die aus Brüssel kommende Teilerlaubnis für Product- Placement wird neue Begehrlichkeiten auch für Infoprogramme wecken.
  • 11. Für die Medienkritik und für die Medienaufsicht bedeutet das: aufmerksam bleiben! Für Täuschungen der Öffentlichkeit darf es keinen Rabatt geben. Kontakt zum Autor: volker.lilienthal@uni-hamburg.de